The Red Bulletin_0509_DE

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www.redbulletin.com

Ein fast unabhängiges Monatsmagazin / Mai 2009

Brennen. Fallen. Prügeln. Rasen.

Hollywoods heiSSester Preis geht an die wahren Kinohelden.

s Taurud l r o W Stunts d Awar

Taurus World Stunt Awards: Für den Live Stunt springt Bob Brown als lebende Fackel aus dem 20. Stock eines Hochhauses in Los Angeles.


Spürbar mehr LeiStung. Aber kein Gramm CO2 mehr.

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Bullhorn

Coverbild: courtesy of taurus world stunt awards; bilder: EPA/picturedesk.com, cover-faksimile: lat photographic

… und Action! Es war 2001, als Red Bull-Erfinder Dietrich Mateschitz auf smarte Art eine Lücke schloss: In Hollywood wurden zwar Jahr für Jahr Oscars in Katego­ rien wie „Bestes Make-up“, „Bester Tonschnitt“ oder „Bestes Kostümdesign“ vergeben. ­Ungewürdigt blieben jedoch jene Leistungen, mit denen Stuntmen und -women dem Kinopublikum weltweit den Atem stocken ließen. Mateschitz fand das ungerecht und rief, unterstützt von seinem Freund ­Arnold Schwarzenegger, die Taurus World Stunt Awards ins Leben. Mateschitz’ Idee eroberte Hollywood im Sturm. Stars wie Harrison Ford, Dennis Hopper, Quentin Tarantino, Daryl Hannah, Burt Reynolds und viele andere pilgerten zu den Zeremonien – und nutzten damit die Chance, jenen Leuten zu danken, „ohne die das Kino viel von seinem Zauber verlieren würde“, wie etwa Bruce Willis sagt, dessen körperliche Unversehrtheit vor allem dem Einsatz von Leuten wie Terry Leonard, Tony Angelotti oder Mark Chadwick zu verdanken ist. Unser kämpfendes, brennendes, Autos zertrümmerndes Special zu den am 16. Mai bei einem feierlichen Dinner in den Paramount Studios in L. A. v­ erliehenen Awards finden Sie ab Seite 44, inklusive einiger Tricks der besten Stuntmänner und -frauen der Welt. But don’t try this at home, please.

Initiator Dietrich Mateschitz, Unterstützer ­Arnold Schwarzenegger: Die Taurus World Stunt Awards sind seit 2001 ein Fixpunkt im Veranstaltungskalender Hollywoods.

Ein berührender Film ist ab Sommer auf DVD erhältlich: „20 Seconds of Joy“ zeigt das Leben von Karina Hollekim, jener norwegischen Freeskierin und BASE-Jumperin, die im August 2006 einen Unfall bei einem Fallschirmsprung in den Schweizer Alpen überlebte. Neunzehn Operationen später ist es ­Gewissheit, dass Hollekim nicht mehr in der Lage sein wird, ihren Sport auszuüben. Dennoch sagt sie: „Meine Geschichte ist doch nicht traurig, sie ist aufbauend!“ Red Bulletin-Autor Andreas Tzortzis zeichnet ab Seite 30 das Porträt eines eindrucksvollen Menschen. Christian Seiler schnappte sich siebzehn Jim-Carrey-Filme und sperrte sich mit ihnen ein. Der cineastische Selbstversuch diente nicht nur der Erbauung des Red Bulletin-Autors (dreißig Stunden Nettolaufzeit!), sondern war auch der durchaus ernsthafte Versuch, dem Künstler Carrey nahezukommen. Wie wunderbar Seiler das gelungen ist, lesen Sie ab Seite 70 nach. Erfreulich die letzte Meldung, die in die Redaktion regnete: Sebastian ­Vettel und Mark Webber bescherten Red Bull Racing im Grand Prix von ­China den ersten Sieg bzw. Doppelsieg, seit der Rennstall 2005 in die Formel 1 kam. Für Vettel war es der zweite Erfolg nach Monza 2008, damals noch für Toro Rosso. Dort (in Monza) wie da (in Schanghai) goss es in Strömen, was den Ruhm des Deutschen als gefühlvollster Fahrer im Formel-1-Starterfeld noch mehren wird. Ein Lob gebührt auch dem Ingenieur hinter dem neuen Auto von Red Bull Racing, Adrian Newey: Ab Seite 36 enthüllt der Brite, warum der Bolide heuer so konkurrenzfähig ist wie nie.

Vom Cover (Red Bulletin, Februar 2009) auf das Podium: Sebastian Vettel ist nicht erst seit seinen Siegen in Monza (2008) und Schanghai (2009) die ­heißeste Fahrer-Aktie in der Formel 1.

Viel Spaß mit dieser Ausgabe des Red Bulletin wünscht Die Redaktion

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Willkommen in der Welt von Red Bull Von Norden nach Süden, von kalt nach warm.

Bullevard 08 fotos des monats 14 formel-1-Quiz Väter und Söhne. 16 Pinnwand Kurz & dennoch einzigartig. 17 mein körper und ich Jason Gardener, Sprinter a. D. 18 Einst & Jetzt Motorradstiefel. 20 Meine Welt Patrick Pulsinger, Musikant. 22 formelsammlung Wie der Bumerang zurückkommt. 24 Wintersport Hello, Champs! 26 Glückszahlen Die Taurus World Stunt Awards.

Heroes

30 karina Hollekim Ein Unfall. Einundzwanzig Knochen­ brüche. Neunzehn Operationen. Sechs Monate im Rollstuhl: die Story eines ­unglaublichen Comebacks.

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36 ADRIAN NEWEY Das Gehirn hinter den Formel-1Erfolgen von Red Bull Racing und Toro Rosso hat eine spezielle Art, Siege zu feiern: Er ruiniert seinen Rasen. 38 thierry marx Schwerter und Silberbesteck, Kochschürze und Kampfmontur: die außergewöhnliche Welt des französischen Starkochs.

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Action

44 taurus world stunt awards Was der Oscar für Schauspieler, ist der Taurus für Stuntmen: Willkommen in ­einer Welt, die es sonst nur im Kino gibt. 58 South by Southwest Wir begleiten die Upcomer GoldieLocks und The Cheek zum legendären SXSW Music Festival nach Austin, Texas. 64 Red Bull X-Fighters Reportage vom Sieg eines Siebzehn­ jährigen beim ersten Auftritt der Bike-­ Artisten in Mexiko.

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bilder: Marius W. Hansen, Everett Collection/picturedesk, jamie-james medina, philipp horak, photofiles

70 allein mit jim carrey Ein Mann und sein Gesicht.

More Body & Mind

78 biken mit chris pfeiffer Durchaus ernst gemeinte FahrtechnikTipps des Stunt-Weltmeisters. 80 dinner with … Gisela Pulido, 15, Kitesurf-Dominatrix. 82 campen, aber richtig Eine Einführung ins Outdoor-Leben unter besonderer Berücksichtigung von Musik. 84 Hot spots Was rund um die Welt los ist. 86 Die Macht der Nacht Black Gold in New York, Space in Miami, Mix Hell in São Paulo, Mr Hudson in Mayrhofen, Life Ball in Wien. 94 Satire Ganz im Stil des „Simplicissimus“. 96 Read Bull Diesmal von Anton M. Rehberger. 98 Geist mit Körper Christian Ankowitschs Kolumne belebt. Red Bulletin live: www.redbulletin.com 5


leserbriefe

Briefe an die Redaktion Ich habe Euer Magazin erstmalig erwischt. Mehr oder weniger immer verpennt. Leider! Traumhaft, was Ihr da ins Leben gerufen habt. Frage ist nur: Wie schafft Ihr es, diese Menge an Information auf so wenig Seiten zu bekommen? Ihr könnt sicher sein, dass ich Stammleser werde. Michael Schröder, per E-Mail Während der vielen Auslandsengagements kam ich mit meiner Band (den Red Devils) auch einige Male nach Triest. Nebenbei bemerkt hatte ich hier das schönste und auf­ regendste Erlebnis meiner Karriere, nämlich die Ein­ ladung der U. S. Navy auf den Flugzeugträger „USS Guam“. Doch das ist eine andere Geschichte. Unser „Bandstützpunkt“ in der Freizeit war das „Caffè degli Specchi“ (Spiegelcafé) auf der Piazza dell’Unità d’Italia. Die Schriftsteller Rilke und Joyce haben dort an ihren Werken gearbeitet. Folgender Dialog entspann sich am ersten Tag zwischen mir und dem Ober: „Äh, uno – no, due, äh, RED BULL, per favore …“ Darauf der Ober in breitestem Wiener Dialekt: „Heast, Oida! Wüst jetzt ane oda zwa

Dosn?“ (Der gute Mann war vorher fünf Jahre in einem Wiener-Prater-Lokal tätig gewesen.) Friedrich August Potmesil, per E-Mail

Diese Einladung nehmen wir doch gerne an. Und im Voraus schicken wir unsere Hefte.

rigen Bilder sind von allerhöchster Qualität. Aber weil Sie sich gerade mit action­ reichen Sportarten im Magazin beschäftigen, denke ich immer wieder, warum das Skibergsteigen/Skitouren­ gehen kein Thema ist. Diese Rennen sind ja ebenfalls enorm spektakulär: der ständige Kampf Mann gegen Mann (Frau gegen Frau) im Aufstieg, Kletterpassagen teilweise am Seil und mit Steigeisen, die Abfahrten durch Rinnen. Wer jemals ein richtiges Skitourenrennen im Inland, wo’s nur wenige gibt (z. B. Dachstein Xtreme/Stmk. oder Rofan X ­ treme/Tirol), oder im Ausland (Frankreich/ Italien/Schweiz) gesehen hat, ist fasziniert. Da gibt es unglaubliche Bilder von Abfahrten oder Aufstiegen. Wäre schön, einmal von diesem faszinierenden Sport, der sich auch in Österreich zur Nummer zwei der aktiv ausgeübten Wintersportarten entwickelt oder schon entwickelt hat, im Red Bulletin zu lesen. Werner Brugger, per E-Mail

Mit Freude lese (und schaue) ich das Red Bulletin. Vor allem Berichte aus spektakulären Sportarten und die dazugehö-

Mir ist vorgestern zum zweiten Mal Euer Heft in die Hand gefallen (als Beilage in der Münchner „tz“), und ich muss

Vorweg mal Komplimente für Euer supertolles, interessantes Magazin. Bin in kurzer Zeit ein großer Fan geworden. Und da ich das durch­ gelesene Bulletin dann immer an meine Wakeboard-Jungs weiterreiche, wollte ich doch mal bitten, unserem Klub die Hefte aktuell zuzuschicken. Falls möglich, je eines in Deutsch und Englisch, damit auch jeder es lesen kann. ­Vielen Dank im Voraus für Euer Bemühen, das Unmög­ liche möglich zu machen. Vielleicht kommt Ihr ja mal raus aus Wien und schafft es bis an den Gardasee: Wir würden uns freuen! Patrick Planatscher, per E-Mail

sagen, ich bin begeistert. Die Themen treffen den Nerv der Zeit und sind immer sehr gut geschrieben. Im aktuellen Heft hat mir der Artikel über die Fußballer Gomez, Janko und Ibiševic´ gefallen. Der Artikel über die P-38 Lightning war auch klasse. Ich arbeite am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen genau an der Start- und Landebahn und habe mitbekommen, wie die P-38 gelandet und wieder gestartet ist. Der Beschreibung, dass sie klingt wie zwei ­Ferrarimotoren, kann ich nur zustimmen. Der absolute Hammer! Andre Kötzsch, per E-Mail

Leserbriefe an The Red Bulletin richten Sie bitte per Fax an die Nummer +43 (0)1 90221-28809, per E-Mail an leserbriefe@at.redbulletin.com oder an die Postadresse Heinrich-Collin-Straße 1, 1140 Wien. Leserreaktionen werden nur veröffentlicht, wenn sie Name, Adresse und Telefonnummer bzw. E-Mail-Adresse enthalten. Die Redak­tion behält sich Kürzungen vor, wenn es Länge und ­Klarheit erfordern.

l e s e r f r a g e n , w e lt m e i s t e r a n t w o r t e n

Wir fragen Stefan Everts (BEL), den einzigen Menschen, der es heuer schon zuwege gebracht hat, schneller zu sein als der französische R ­ allye-Heroe – wenn auch auf zwei Rädern. Auf jede Frage antwortet der passende Weltmeister: E-Mails an weltmeisterantworten@at.redbulletin.com

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„Auf die ‚Mauer von Geraardsbergen‘ ­dürfen normalerweise weder Autos noch Motor­räder, nicht einmal als Begleitfahrzeuge bei der Flandern-Rundfahrt. Für ­Sébastien Loeb und mich hat man eine Ausnahme gemacht: Wahrscheinlich hat es die Stadtherren selber interessiert, wer den ­legendären Anstieg schneller bewältigt: ein Citroën C4 WRC oder eine 450erKTM. Ich habe allergrößten Respekt vor ­Sébastien, immerhin hat er 51 WM-Läufe gewonnen, ist fünffacher Weltmeister und steht voll im Saft. Meine zehn MotocrossWM-Titel sind ja doch schon länger her.

In der Früh fürchtete ich schon, dass ich keine Chance haben würde. Regen machte die Pflastersteine superrutschig, da würde Séb mit den vier Rädern einen natürlichen Vorteil gegenüber den beiden meiner KTM haben. Ich habe jeden Randstein als Anlieger genutzt und war echt am Limit. Bei mir blieb die Uhr bei 49,07 Sekunden stehen, Séb brauchte um eine Zehntel länger. Natürlich war auch Glück dabei, aber Sieg ist Sieg. Als Einsatz musste Sébastien mein Bike putzen.“ redbulletin.com/deinefrage/de; das Video vom Giganten-Duell: redbulletin.com/everts/de

bild: Willy Weyens/AFP/Getty Images

Wie besiegt man Sébastien Loeb?


K a i n r at h s k a l e n d e r b l at t

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Bullevard

bild: Erik Swain

Befl端geltes in kleinen Dosen.

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Inish Mor, Irland

gottes pool Zwei Männer an einer Felskante. Ein Blick in die Tiefe. 24 Meter ­unter ihren Füßen liegt Serpent’s Lair, das „Versteck der Schlange“. Eine Laune der Natur hat hier, elf Kilometer vor Irlands Küste, im ­Atlantik einen gewaltigen Swimmingpool entstehen lassen. Der eine, Gary Hunt, hebt die Arme über den Kopf. Konzen­triert springt er ab, wirbelt durch die Luft, richtet sich im letzten Moment gerade, taucht fast unhörbar ins steinerne B ­ ecken ein. „In dem Moment dreht sich alles um“, sagt Orlando Duque, der zweite Cliff Diver. „Die Anspannung vor dem Sprung verwandelt sich in pures Glück.“ Red Bull Cliff Diving Series: 8. Mai 2009, La Rochelle, Frankreich Alle Fotos von Orlandos Action-Trip: redbulletin.com/duque/de


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bild: Getty Images


S c h a n g h a i, C h i n a

Schampus für alle Sebastian Vettel feiert seinen zweiten Formel-1-Sieg und einen historischen für Red Bull Racing. Hochstimmung im Team auch deshalb, weil Mark Webber mit Rang zwei den Doppelsieg realisierte, klar vor Jenson Button (Brawn). Ein wenig Champagner gab es auch für das Schwesterteam Toro Rosso: Rookie Sébas­tien Buemi steuerte seinen STR4 durch den strömenden Regen von Schanghai auf Rang acht. Das Wetter war in China ein arger Spielverderber, bloß Start-Ziel-­ Sieger Vettel hatte gute Sicht: „Es war traumhaft, und ich hatte viel Spaß – danke, danke, danke!“, sprudelte der Deutsche nach dem Ziel­ einlauf in die hungrigen Mikrofone. Nein, Sebastian: Wir danken dir. Aktuelle Blogs unserer Formel-1-Helden auf: redbulletin.com/f1/de Bullevard-Pics downloaden: redbulletin.com/wallpaper/de


Abu Dhabi

Der erste 13er Viel Neues in der Red Bull Air Race-Saison 2009: So ­erhält zum Beispiel der Trainingsschnellste einen WMPunkt. Hannes Arch, der Titelverteidiger, nutzte diese Regelnovität beim Saisonstart in Abu Dhabi trotz turbulenter Wintervorbereitung optimal: ein WM-Punkt als Trainingsschnellster, zwölf weitere für den Sieg im Rennen. Stark auch der Brite Paul Bonhomme als Zweiter, der pfeilschnelle Nicolas Ivanoff (FRA) als Dritter – und das trotz Fehlern! Australiens SuperRookie Matt Hall landete auf dem tollen fünften Platz. Zufrieden auch der deutsche Newcomer Matthias ­Dolderer: Platz elf, ein WM-Punkt.

bild: AP Images for Red Bull Air Race

Videos, Blogs und der Flugplan der Himmelstürmer: redbulletin.com/redbullairrace/de

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b u l l e va r d

F1-quiz Väter und Söhne

Nigel Mansell

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Tomas

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Jacques

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Nicolas

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David

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Markus

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Nico

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Jody Scheckter

Keke Rosberg

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Nelson Piquet

Graham Hill

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Satoru Nakajima

James Hunt

2 Emerson Fittipaldi

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Niki Lauda

Mario Andretti

Rennfahrer scheinen ihre flinken Gene zu vererben: Die Söhne dieser F1-Piloten sind ebenfalls Racer geworden. Ordnen Sie den Vätern ihre Buben zu. Lösungswort ist auch ein Rennfahrer – allerdings in dritter Generation. Viel Spaß! Aktuelle Blogs von Sebastian Vettel und Co: redbulletin.com/f1/de

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Bilder des monats aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser. Einfach hochladen auf: www.redbulletin.com Jedes veröffentlichte Foto wird mit einem 30-Euro-Gutschein für den Red Bull OnlineShop belohnt! www.redbullshop.com

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Vancouver So lässt es sich arbeiten! Drei Tage MusikSessions im Penthouse des Shangri-La-Hotels in Vancouver. Linda Peters, Juno Awards HQ, März 2009

Vancouver DJ Timeline, JOTS und Deadmau5 sorgten im Commodore für ausgelassene Stimmung. Jason Reed, Juno Awards Activities, März 2009


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Bern Ich wollte immer schon einen Citroën 2CV. Zwar ist dieser nur aus Alu, dafür passt er auf meinen Schreibtisch. Wolfgang Gaßner, März 2009

Bilder: getty images, Imago Sportfoto (22), Schlegelmilch Photography, Sutton Motorsport Images (5)

Manfred Winkelhock Gilles Villeneuve

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Nelson

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Christian

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Alain Prost

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Damon

Jack Brabham

Je bent van harte welkom! Beim FC Red Bull Salzburg bleibt die Amtssprache Holländisch: Der niederländische Fußball-Erfolgstrainer Huub Stevens wird die Bullen in der nächsten Saison betreuen und folgt damit Landsmann Co Adriaanse nach. Der 55-jährige Stevens trainierte nach Engagements bei Hertha BSC, dem 1. FC Köln, Roda Kerkrade und dem HSV zuletzt bis Ende Januar 2009 die PSV Eindhoven. Seine größten Erfolge feierte Stevens mit Schalke 04: 1997 holte er mit dem Klub den UEFA-Pokal (den Stevens 1978 auch als Spieler mit PSV Eindhoven gewonnen hatte), 2001 und 2002 den DFB-Pokal. Salzburgs sportlicher Leiter Heinz Hochhauser ist froh, dass die Bullen mit Stevens einen international erfahrenen Trainer verpflichten konnten: „Wir sind überzeugt, dass er bei unseren internationalen Ambitionen sehr wertvoll sein wird.“ Stevens freut sich auf die Arbeit: „Ich habe den Weg des Vereins von Beginn an mitverfolgt und kenne dessen hohe Ansprüche. Die Voraussetzungen in Salzburg, die Entwicklung und die ambitionierten Ziele haben es mir letztlich leichtgemacht, mich für die Roten Bullen zu entscheiden.“ Mehr über Huub Stevens auf: redbulletin.com/stevens/de

Lösungswort: 1

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Lanzendorf Das Red Bulletin versucht in jeder Aus­ Kitzbühel Selbst Gleitschirmpiloten hatten auf gabe den unterschiedlichsten Lesergruppen gerecht zu werden. der pickelharten Streif Probleme bei der Landung. Eleonore Nachbagauer, März 2009 Helmut Jäger, Hahnenkammrennen, Januar 2009 15


b u l l e va r d

kurz & dennoch einzigartig

Natascha Badmann, 42, ist nach ihrem schweren Unfall im Oktober 2007 zurück: souveräner Comeback-Sieg der Schweizerin beim Ironman in New Orleans.

Lisi Osl hat am Karsamtag im südafrikani­ schen Pietermaritzburg Geschich te geschrie­ ben: Als erste Österreicherin über haupt gewann die 23-jährige Kirchbergerin ein Weltcuprennen in der olympischen Cross-Countr y-Disziplin.

Join the ride Jozy Altidore, 19, Ex-Stürmer der Red Bulls New York, hat das Län­ dermatch USA gegen Trinidad und ­Tobago bei seinem erst neunten ­internationalen Einsatz fast im ­Alleingang entschieden: Der Jung­ bulle schoss alle drei Tore beim 3:0-Sieg seines US-Teams.

Daniel Ricciardo (AUS) hat die e­ rsten beiden Läufe zur hochkarä­ tigen britischen F3-Meisterschaft ­gewonnen. Jetzt führt der 19-jährige in der Gesamtwertung vor dem ­Österreicher Walter Grubmüller.

Lima

100 junge Mädchen durften Boards desi­ gnen. Sofia Mulanovich wählte: die acht schönsten. Sergio Urday, Pimp the Board, Januar 2009

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Sebastian Inlet Die Wellen waren schon schwierig genug. Doch selbst die Fontäne vom Jetski konnte mich nicht aus dem Rhythmus bringen. Robert Payne, Januar 2009

Willkommen am Blechdach, das die Welt bedeutet: Der Red Bull Tourbus ist auch 2009 in ganz Deutschland auf Achse, und ihr könnt mehr als nur live dabei sein: Talentierten Bands öffnet er für eine exklusive Deutschlandtournee seine Dachgalerie und fungiert als stylische Bühne für einen ­internationalen Durchbruch. Genau: Wo schon Tomte, K.I.Z. und die Kilians gespielt haben, ist auch euer Platz. Einfach bis 31. Juli Bandvideo auf www.redbulltourbus.com ­uploaden, im Online-Voting punkten, die Hochkaräter-Jury (Dendemann, Thees ­Uhlmann, Markus Kavka) überzeugen und nix wie rauf aufs Dach. Alle Stationen, Konzerte und Infos auf www.redbulltourbus.com

Leutschach

Der sechsfache Motocross-Staats­ meister Helly Frauwallner bringt sich für die neue BikeSaison in Schuss. Dieter Grün, März 2009

Bilder: brightroom.com, Daniel Grund, Imago Sportfoto, Armin M. Küstenbrück, Sutton Motorsport Images, Dirk Mathesius

Eine Premiere, ein Comeback, ein Hattrick und ein Doppelsieg: 2009 ist ein gutes Jahr.


B u l l e va r d

mein körper und ich

jaSON gardener

Nach olympischem Gold und dem Hallen-WM-Titel wechselte der britische Sprinter Jason Gardener in den Eiskanal. Eigentlich nur so zum Spaß. Aber …

Bild: Getty Images/AFP

Leiste Bei der Hallen-WM 2004 wusste ich, dass ich das Zeug zum Titel hatte. Zwei Bronzene hatte ich ja schon. Ich habe auch tatsächlich gewonnen – und mir während des Laufs die Leiste gebrochen. Der schnellste Mann der Welt war plötzlich der langsamste, der es kaum aufs Podest schaffte, um sein Gold abzuholen. Der Spezialist, der mich behandelte, teilt Leistenbrüche nach einer Skala von 1 bis 5 ein. 1 ist fast nix, 5 ist Matsch. Links schaffte ich 4,5, rechts war ich eine glatte 5. Mir blieben drei Monate, um mich für die Olympiade zu qualifizieren. Nach der Operation musste ich breitbeiniger laufen als früher, was sich prompt zu einem lästigen Achillessehnenproblem auswuchs. Wenn ich in der Früh aus dem Bett kletterte, konnte ich die Füße kaum auf den Boden setzen. Trainieren musste gehen. Außerdem war da noch das Gewichtheben mit der frisch operierten Leiste, und die Story mit dem Handgelenk kennt ihr ja schon. Die Quali hab ich geschafft. Jetzt versteht ihr vielleicht, warum ich seit meinem Rücktritt so ein fauler Hund geworden bin, trainingsmäßig. Würde ich mir das alles noch einmal antun? Auf jeden Fall!

rücken Während meiner Profi-Karriere musste ich zwei oder drei Mal ins Spital, weil mich der Ischias geplagt hat. Um ordentlich aus dem Startblock zu kommen, trainierst du viel mit Gewichten. Meine Bandscheiben haben Flüssigkeit verloren, das hat auf die Nerven gedrückt wie bei einem Bandscheibenvorfall. Natürlich habe ich weitertrainiert, woraufhin sich der hintere Oberschenkelmuskel verkrampft hat. Und der Gesäßmuskel hat mitgeholfen, um meinen Rücken zu entlasten. Ach ja, die Achillessehne war auch betroffen. In solchen Situationen lernst du, dass im Körper immer alles mit allem zusammenhängt.

Kopf und Schultern Ich wollte unbedingt in den Bob, Bob ist cool. Gemeinsam mit drei anderen britischen Athle ten (Zehnkämpfer Dean Macey, Radfahrer Craig MacLean und Rugbyspieler Dan Luger) trainierte ich zehn Tage lang für die britischen Meistersch aften. Hätte ich vorher gewusst, was mich erwartet, ich hätte wohl dankend abgelehnt. Ich habe Frau, zwei Kinder und einen Körper, der all die Jahre Leistu ngssport gar nicht so schlecht weggesteckt hat. Obwohl: Nach meinem Rücktritt im September 2007 war ich faul. Trotzdem waren unsere Zeiten nicht so weit hinter jenen der Pro-Teams. Nach einem Unfal l bei 100 km/h rodelte ich am Kopf dahin, das hat ordentlich gebrummt. Macey war der Pilot, ich der Bremser. Die letzten vier Kurven sind wir kopfüber den Eiskanal runtergeschlittert, das hat mir ein Schleudert rauma eingebracht. Ich habe versucht mit dem Kopf das Eis nicht zu berühren, trotzdem bin ich mit der Schulter aufs Eis gekommen. Es fühlte sich an, als hätte jemand eine heiße Kanne darauf abges tellt. Und bei 5g hast du keine große Chance auszu weichen. Kurz hatte ich versucht, mich mit dem Kopf am Eis abzustützen, um die Schulter zu entla sten, aber so toll war die Idee dann auch wieder nicht . Ich wollte nie Tattoos, aber jetzt habe ich eine dekor ative Brandwunde auf der Schulter, die vom Eis stam mt. Danke, Dean Macey!

k handgelen ndgelenk Ha s da ir m 2004 habe ich bruch vom un n, ein Ermüd gs doppelt gebroche ion hatte at er Op e tig r die nö Krafttraining. Fü diese ich hr lang habe ich nie Zeit. Ein Ja mgeru ir m it m rletzung schmerzhafte Ve ga ich nz norafttraining habe schleppt. Das Kr elte meines pp 140 Kilo, das Do mal fortgesetzt. Lustig war n. be ho ge habe ich Körpergewichts, en 2004, iel n Olympischen Sp das nicht. Bei de l geholt ffe ta -S er r 4 × 100-Met als wir Gold in de r de gebrodas Staffelholz in haben, musste ich der Nation n ge lten. Die Hoffnun chenen Hand ha Hand! n ne he oc er gebr lagen also in mein t. enttäusch Ich habe sie nicht 17


EINST & JETZT

Good Boot Vom Cowboy zum Astronauten – Rennstiefel fürs Motorrad haben eine erstaunliche Evolution hinter sich.

lederstrumpf Mike-Hailwood-Motorradstiefel, 1966/67 Der Brite Mike Hailwood, genannt Mike „The Bike“, gehörte zu den ganz Großen: neunfacher Motorradweltmeister und 14-maliger Gewinner der Tourist Trophy, erfolgreich auch bei Autorennen und Frauen. Dass er Clay Regaz18

zoni 1973 beim GP von Südafrika aus dessen brennendem F1-Wrack zog und ihm so das Leben rettete, brachte ihm die George Medal, die zweithöchste Auszeichnung des British Empire, ein. Diese Boots sind Replikate der

Originale. Wie schon damals tragen sie den großen Namen, sind aber aufwendiger gemacht als das Original: „Es gibt nur 20 Paar mit diesen Messingbeschlägen und dem teuren Leder“, sagt Andy Stem vom Londoner Vin­

tage Bike Clothing Shop Bambino (+44 20 8653 9250). „­ Punters hat die Originale damals um 10 bis 15 Pfund verkauft, nach heutigem Wert rund 200 Euro. Ein echtes, ungetragenes Paar wäre Sammlern heute 500 Euro wert.“


B u l l e va r d

Bilder: Theo Cook

vollstiefel Alpinestars Supertech R, 2009 Im Lauf der Jahrzehnte haben Bike-Stiefel an Protektion gewonnen, aber an Style verloren. Kaum vorstellbar, dass jemand mit so spacigen Dingern an den Füßen freiwillig in einer Bar auftaucht. Diese Alpinestars Super-

tech R schützen normalerweise die gefühlvollen unteren Extre­ mitäten des irischen SuperbikeHelden Jonny Rea auf seiner Ten Kate Honda. Gefertigt aus synthetischem Material, sind sie nicht nur leicht und anschmieg-

sam, sondern auch relativ luftdurchlässig. Der Supertech R gilt als einer der sichersten Stiefel am Markt: Kleine Pads schützen die kleinen Zehen vorm ­Angeschliffenwerden, dicke ­Protektoren Sprunggelenk und

Schienbein gegen Schläge von Bike oder Straße. Dank verdecktem Reißverschluss schlüpft man mir nix, dir nix raus und wieder rein. Preis: ca. ¤ 300,–. MotoGP-News: redbulletin.com/motogp/de

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meine welt

Patrick Pulsinger Vom Friseur zum Technostar, von Wien nach New York und wieder zurück – Österreichs stilvollster Musikexport liebt eben Abwechslung.

Synthesizer statt Schere

vom kleinen Mit 18 Jahren zog es Patrick Pulsinger urlehre zu Frise eine dort um , Graz ins große Wien te der Jungbeginnen. Wie es der Zufall wollte, lande 18. Bezirk. musiker im Salon Peter Neumann im re: RodSeine Arbeitskollegen an Kamm und Sche ndem hme zune Mit er. Krud r Pete ney Hunter und bald alle drei musikalischem Erfolg tauschten aber e schneidet die Schere gegen den Synthesizer. Heut seinem Vater. Pulsinger nur mehr einem die Haare:

Zukunftsjazz

Wenn Pulsinger einmal keinen Bock auf Elektronik-Sounds hat, bevorzugt er Jazz. Coltrane oder Sun Ra bezeichnet er als große Inspirationsquellen. Auch was das eigene Schaffen angeht, a­ rbeitet er doch derzeit mit einem Kontrabassisten an einem experimentellen Jazz-­ Album. Im Herbst soll es auf Doppel-­ Vinyl erscheinen und nur bei Konzerten verkauft werden. Warum? „Die Krise der Musikindustrie verlangt alternative Konzepte. Exklusivität ist wieder gefragt“, so seine Erklärung.

New York, New York

Amore Motore

Sein erstes Auto war ein VW Käfer Cabrio 1973, ein Geschenk seiner Mutter. Auch wenn er dieses heute noch besitzt, sollte es nicht sein letztes bleiben. Bald entdeckte der Musiker seine Liebe zu BMW, genauer gesagt, zum BMW 2002. Ein ­Modell, mit dem sein Stiefvater Rennen gefahren war. Seitdem schraubt er leidenschaftlich an seinen Prachtstücken in der Garage und setzt gelegentlich selbst den Rennhelm auf. Der Wagen seiner Träume aber ist und bleibt die bayrische Superflunder BMW M1, Bj. 1981.

„Komm rüber, die stecken hier musikalis ch voll im Mittelalter!“, sagte ein Freund in New York 1991 am Telefon zu Pulsinger. Gesagt, getan: ­Wenig später landete er mit einem Synt hesizer unterm Arm und einer Telefonnumme r in der ­Tasche am JFK und eroberte die Clubszen e im Sturm. ­Obwohl er anfangs noch in einem Van hauste, legte er schnell in legendären Läden wie dem „­Limelight“ zur Primetime Platten auf, während spätere Stars wie Moby lediglich das Aufwärmprogramm für ihn bestreiten durft en.

Synthesizer-Sarg

Elektronikkästchen und Erzeuger komischer K ­ länge – das Prachtstück der Sammlung ist ein sarggroßer Modularsynthesizer. Mit hunderten Reglern, Drehknöpfen, Kabeln und Leuchtdioden sieht das Ding zwar mehr nach Elektronikbaukasten als wie ein Instrument aus, doch wenn Pulsinger erst die Schaltkreise des Monsters aktiviert, sind alle Zweifel beseitigt.

Cheap, aber teuer

Nach einem Jahr hatte Pulsinger genug von New York und zog zurück nach Wien. Mit seinem Partner Erdem Tunakan gründete er Cheap Records, eines der wichtigsten Elektronik-Labels der Neunziger. Die Resonanz war so groß, dass selbst der Detroiter Techno-Miterfinder Robert Hood per Fax darum bat, bei der kleinen Wiener Plattenschmiede veröffentlichen zu dürfen. Hoods Cheap-Platte „Nighttime World“ gilt noch heute als Elektronik-Meilenstein und ist bei Sammlern über 100 Euro wert.

Patrick Pulsinger beim Springfestival: 20. Mai 2009, p.p.c. bar, Graz Blogs und Soundproben auf: redbulletin.com/pulsinger/de

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Text: Florian obkircher; illustration: lie-ins and tigers

Bizarr, aber lautlos

1997 wurde er nach Montréal zu einem Groß-Rave eingeladen. Normaler­ weise nicht sein Ding, aber die Gage stimmte. Die Lagerhalle in Kanada war nur mit einem Vorhang abgeteilt, die DJs standen Rücken an Rücken. Schon bald wurde Pulsinger klar, dass seine Platten gar nicht zu hören waren. Nur das Bum-Bum der anderen Seite drang herüber, weil seine Anlage zu schwach war. Also drehte er den Regler runter, sah den Tänzern zu und erhielt am Ende der Nacht großes Lob und die Gage des Veranstalters mit stummem Nicken.


illustration: Dietmar kainrath

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Gerhard Walter, 48, ist von Beruf Statiker und seit 20 Jahren vom BumerangBazillus befallen: Der Grazer baut in seiner Freizeit unterschiedlichste Exemplare. Mit dem „Flying Bigfoot“ (Spannweite: 2,590 Meter, Masse: 1,092 Kilogramm) hält er seit 1. Juli 2008 den Guinness-Rekord für den größten Bumerang der Welt.


b u l l e va r d

formelsammlung

Komm zurück!

Bild: helge kirchberger; Illustration: mandy fischer

Wer hätte das gedacht: Dass der von uns ­geworfene Bumerang brav retour kommt, lässt sich anhand einer einzigen Formel darstellen. Ein Spruch über die Physik der Bumerangs besagt: “The boomerang puzzle is not deep, but it is complex.” Um den Rückkehrflug des Bumerangs zu verstehen, müssen wir uns daher auf das Wesentliche konzentrie­ ren: Ein Bumerang ist ein Kreisel mit Flügeln! Wenden wir uns zuerst der aerodynamischen Kom­ ponente zu. Ein Standardbumerang besitzt eine typische V-Form. An beiden Armen ist ein Profil eingearbeitet, ähnlich dem einer Flugzeugtragfläche. Das Profil ist aber asymmetrisch – eine Stirnkante zeigt nach links, die ­andere nach rechts (Abb. 1). Infolge der Rotation um den Körperschwerpunkt (KSP) beim Flug strömt die Luft immer von der Stirnkante an, was an beiden Armen einen aerodynamischen Auftrieb entstehen lässt. Klei­ nes Detail am Rande: Ein Bumerang wird hochkant abgeworfen. Der Auftrieb an den beiden Armen ist aber nicht gleich groß. Das liegt daran, dass der Bumerang nicht nur r­ otiert, sondern sich dabei auch durch die Luft ­bewegt. Weil sich der gerade obere Arm in Flugrichtung bewegt, addieren sich dort die Geschwindigkeiten, beim unteren Arm subtrahieren sie sich. Das sieht man sehr schön, wenn man die Anströmgeschwindigkeit (in m/s) der Luft über einen vollen Umlauf eines Armes einzeich­ net (Abb. 2a). Weil der Auftrieb von dieser Anström­ geschwindigkeit abhängt, ergibt sich somit für den ­oberen Arm ein größerer Auftrieb als für den unteren (2b). Man würde also erwarten, dass der Bumerang von hinten gesehen quasi nach links umkippt und sich mit der Außenseite nach oben flachlegt (2c). Nun kommen aber die Kreiseleigenschaften ins Spiel. Die Kräfte, die an einem Kreisel angreifen, wirken sich scheinbar um 90° in Rotationsrichtung verdreht aus. ­Dadurch kippt der Bumerang nicht um, sondern er lenkt quasi wie ein rollendes Rad nach links ein (2d). Auf diese Weise kommt der Bumerang in einer Kreisbahn wieder zum Werfer zurück – vorausgesetzt, man macht alles richtig. Die Formel des Monats ist diesmal sehr schlank: R ~  . Sie besagt, dass der Radius R der Flugbahn nur von der sogenannten Drehmasse ( ; Theta) des Bumerangs ­abhängt, also von seinen Baueigenschaften, nicht aber, wie man erwarten würde, von Abwurf- und Rotations­ geschwindigkeit. * Mag. DDr. Martin Apolin, 43, ist promovierter Physiker und Sport­ wissenschafter. Apolin arbeitet als AHS-Lehrer (Physik, Sportkunde) und Lektor am Institut für Sportwissenschaft in Wien und ist mehr­ facher Buchautor.

Alle Formeln auf: redbulletin.com/formel/de

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Cool! Ein Bild von einem Winter: keine Piste, keine Schanze, keine Halfpipe, kein Berg, die heuer unbesiegt geblieben wären. Gold, Silber, Kristall, Erfolgsmeldungen jedes Wochenende. Irgendwie fast schade, dass dieser Winter schon vorbei ist. Alle Winterhelden im Porträt: redbulletin.com/heroes/de

Heath Frisby (li. u.): Bronze X Games Freestyle Snowmobile Russ Henshaw (daneben, mit „Kette“): Sieger Red Bull Playstreets Thomas Koch (grüne Zähne): MVP der EBEL, Vizemeister, Kapitän RBS Jon Olsson (schaut zum Blumenstrauß): Silber X Games Big Air Ski Iouri Podladtchikov (Blumenstrauß-

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träger): Sieger Wängl Tängl 2009 Team Levi LaVallee (re. u.): Silber X Games Speed & Style Snowmobile Benji Karl (Medaillenbeißer, li. Mi.): WM-Gold Snowboard Parallelslalom Travis Rice (grüne Jacke): Gold X Games Big Air Snowboard Lindsey Vonn (weiße Bommelmütze): 2-mal WM-Gold: Super-G und Abfahrt,

Siegerin Gesamt-, Abfahrts- und SuperG-Weltcup, neun Weltcup-Einzelsiege Shaun White (rote Haare): X Games Gold Superpipe/Slopestyle Snowboard Gregor Schlierenzauer (hellblaue Haube): WM-Gold Team, WM-Silber Normalschanze, Sieger Gesamt- und Skiflugweltcup, Nordic Tournament. 13 Weltcupsiege, 2083 Punkte (Rekord)

Michael Rösch (re. Mi.): WM-Bronze Team Biathlon Franky Zorn (li. außen): WM-Bronze Eisspeedway Thomas Morgenstern (mit Designerski): WM-Gold Team Skisprung Sigi Grabner (zwischen Kristallkugeln): Sieger Gesamt- und Parallelweltcup Snowboard, rechts daneben:

Grete Eliassen: Silber X Games Slopestyle Ski Tanner Hall (hi., weiße Sonnenbrille): Silber X Games Super Pipe Ski Simon Dumont (hi., türkise Sonnenbrille): Gold X Games Big Air Ski, Bronze X Games Superpipe Ski Markus Keller (fliegt über alle): Sieger Wängl Tängl 2009 Team

Bilder: ESPN Images (4), GEPA Pictures (4), Getty Images (2), imago Sportfoto, Lozzaphoto.com, picturedesk, Red Bull Photofiles (6)

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TAURUS WORLD STUNT AWARDS

Nur eine Frage bleibt unbeantwortet: Wie viele blaue Flecken mussten in der Filmgeschichte seit „Ben Hur“ ausgeheilt werden?

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optische Effekte verblüffen in „The Dark Knight“. Das klingt nach viel, aber am Computer gebaute Sequenzen für einen Action-Film können heutzutage schon die drei­ fache Anzahl erreichen. „The Dark Knight“ kommt mit weniger aus, weil Regisseur Christopher Nolan LifeStunts einfach ehrlicher findet. Das schlug sich in fünf Taurus-Nominierungen nieder – die größte Anzahl für einen einzelnen Film.

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Aston Martin DBS kommen in der Eröffnungssequenz von „Quantum of Solace“ zum ­Einsatz. Der aktuelle „James Bond“ wurde heuer in der Kategorie „Best Work with a Vehicle“ sowie in zwei weiteren Kategorien nominiert. Die Aston Martin werden in einer Verfolgungsjagd kalt verformt, ebenso neun Alfa plus etliche Land Rover. Bei Letzteren mussten die Tanks entleert werden, damit keine unkon­ trollierten Detonati­onen die 54 genau definierten Ex­plo­­ sionen überlagern konnten.

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Kilogramm Bronze braucht es, um die Statue für den Taurus World Stunt Award (rechts) zu gießen. Der stilisierte muskulös-geflügelte Stier dient dem Osttiroler Bildhauer Jos Pirkner, der diese Skulptur entworfen hat, als Metapher für die Entschlossenheit und die außergewöhnlichen Fähig­ keiten, die Stuntfrauen und -männer täglich zeigen. Insgesamt wird der Taurus World Stunt Award aus dreißig Einzelteilen zusammengesetzt.

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Zentimeter weit war das Fenster offen, durch das der Stuntman David Leitch springen musste – fast vom Dach eines Hauses in Tanger, bei den Dreharbeiten zu „The Bourne Ultimatum“. Ein beinahe schon klassischer Auftritt im modernen Action-Kino, gewann diese Szene 2008 den Taurus in der Kategorie „Best High Work“. Die Herausforderung dabei: Wie filmt man das? So: Kameramann Kai Martin musste David Leitch folgen und quasi den gleichen Stunt absolvieren, allerdings am sicheren Seil.

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Jahre war er damals alt, und noch immer rettet er die Welt. Als Sylvester Stallone nach zwanzig Jahren Pause seinen vierten „Rambo“-Film machte (nominiert für den besten Fire-Stunt), drehte er erfolgreich die Uhr zurück: „Es war schwierig, aber bis auf einen Explosions-Stunt habe ich alles selber gemacht.“ Letzterer war jedoch nicht ohne, erinnert sich Stallone voller Respekt: „Ich habe gedacht, der Stunt­ man bringt sich dabei um.“

Fahrer in einem Auto bei „Death Race“. Weil Regisseur Paul W. S. Anderson bei der besonders gelungenen Autoverschrottung möglichst natürliche Aufnahmen seines Stars Jason Statham haben wollte, nah­ men Statham und Stuntman Jack Gill im sogenannten „Pod Car“ Platz. Gill erklärt: „Der Pod ist eine Art zweiter Fahrersitz auf dem Dach, mit Lenkrad, Bremsen und ­Gaspedal. Ich fuhr oben, Jason saß unten drin.“ Es zahlte sich aus, dass Statham nur Passagier war: Der Film bekam drei ­Taurus‑Nominierungen.

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Filme bedienen sich des sogenannten „Wilhelm-Schreis“. Der berühm­ teste Schrei im Stunt-Geschäft war erstmals 1951 im Western „Distant Drums“ zu hören, als ein Unglücklicher von einem Krokodil gefressen wurde. Zwei Jahre später trat er in einem weiteren Western in Erschei­ nung, „The Charge at Feather River“, als ein Cowboy namens Wilhelm, von einem Pfeil ins Bein getroffen, dies schmerzlich zur Kenntnis nahm – und damit den Schrei taufte. Erfolgreich wurde das Gebrüll auch in den „Star Wars“-Filmen eingesetzt sowie in „Sin City“ und „Indiana Jones and the Temple of Doom“ – da geht’s wieder um Krokodile. Mehr Action auf: redbulletin.com/taurus/de


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W端rden Sie sich bei diesem Herrn 端ber die Qualit辰t des servierten Essens beschweren? M端ssen Sie auch nicht: Thierry Marx kocht phantastisch!

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Heroes Helden und ihre Taten: Wer uns diesen Monat bewegt.

Bilder: philipp horak

30 Karina Hollekim 36 adrian newey 38 Thierry Marx


Heroes

Karina hollekim wäre 2006 bei einem Skydive-Unfall beinahe gestorben. Neunzehn Operationen später ist sie überrascht, wenn man sie bemitleidet. Text: Andreas Tzortzis, Bilder: Marius W. Hansen

Name Karina Hollekim Geboren (1) 25. April 1976 in Oslo, Norwegen Geboren (2) 20. August 2006 in ­Villeneuve, Schweiz Beruf Extremsportlerin, Vortragende, Filmstar („20 Seconds of Joy“) Größte Erfolge 400 BASE-Jumps (darunter von Fatima’s Hand, einer 600 Meter hohen Felsnadel in Mali), zahlreiche Auszeich­ nungen für ihren Film „20 Seconds of Joy“ Web karinahollekim.com

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Einer der letzten Wintertage dieses verschneiten Frühlings in Salzburg. Draußen falle dicke, nasse Schneeflocken auf die sanften Hügel rund um die Stadt, d ­ ahinter erheben sich mächtige Berge mit ausgedehnten Skipisten. Drinnen treibt Karina Hollekim die roten Zahlen auf dem Display ihres Ergometers in die Höhe. „Wäre schön, am Wochenende Ski fahren zu gehen“, keucht sie. Die linke Seite von Karinas Körper ist der Glasfront des Trainingscenters zugewendet, durch die das flache Nachmittagslicht hereinfällt. Die linke Seite ist sozusagen ihre Schokoladenseite: Nur vier offene Brüche, darunter jener des Oberschenkels, die dünnen weißen Linien der Narben an ihrem ­linken Bein sind nicht so auffällig wie die schwarzen und rosafarbenen, die von ihrer rechten Hüfte zum Knie führen und aussehen wie die Spuren eines kleinen Raupenfahrzeugs. Oder wie die dünne weiße Narbe an jener Stelle in ihrer Kniekehle, an der einmal ihr Quadrizeps angesetzt hat, bevor er abgerissen wurde, mitsamt Knochen und Knie. Es waren 21 Brüche, die sie an jenem Tag im ­August 2006 in den Schweizer Alpen erlitt, als sie nach einem misslungenen Skydive mit 100 km/h auf einen Felsen prallte. Dieser Tag bedeutete das Ende von Karina Hollekim als professioneller Freeskierin und BASE-Jum­ perin. Der Tag beendete jenen Teil ihres Lebens, in dem sie von Gebäuden, Brücken und Berggipfeln sprang, rund um die Welt reiste und dabei ihr charmantes Talent kultivierte, regelmäßig Flugzeuge zu verpassen. Nach dem Unfall verbrachte Karina ein halbes Jahr im Rollstuhl. Anfangs fürchtete sie, niemals wieder gehen zu können. Neunzehn Operationen, Monate ohne einen schmerzfreien Moment, unzählige Stunden in Swimmingpools, auf Laufbändern, auf Ergometern, Stunden, in denen sie Knie, Knöchel, Hüften zwang, sich so zu bewegen wie immer. Es war ein schrecklicher Kampf.

„Es klingt vielleicht komisch“, sagt sie heute, „aber ich bin jetzt glücklicher, als ich das jemals in einer solchen Situation für möglich gehalten hätte.“ Pause. „Weil mein Leben in den letzten zweieinhalb Jahren nur aus Ärzten, Spitälern, Reha-Zentren bestanden hat, hatte es nichts mit einem normalen Leben zu tun. Niemand erwartet irgendetwas von mir, mich selbst eingeschlossen. Ich habe keine Ahnung, wozu ich imstande bin oder sein werde. Ich bin über jeden einzelnen Schritt froh.“ Ganz so stimmt das freilich nicht. Karina Holle­ kim erwartet etwas von sich. Vor allem eines: Ski zu fahren, irgendwann wieder, zu Hause in Chamonix, mit ihrem Vater Bjørn Sønsterud, einem stoischen Skandinavier, der in den letzten Jahren die große Konstante in ihrem Leben war. Sønsterud ist nicht von ihrer Seite gewichen, hat Nächte an ihrem Krankenhausbett verbracht, ihr gut zugeredet, wenn sie dran war, den Mut zu verlieren. Das mit dem Skifahren wird so bald nichts werden: Ihr rechtes Knie lässt sich gerade einmal zu 80 Grad abbiegen. Ihr linker Oberschenkel, der von Nägeln und Schrauben zusammengehalten wird, sieht auf dem Röntgenbild aus wie mit Elementen aus dem Baukasten zusammengebastelt. Die beiden Physiotherapeuten, die mit Karina hier im Red Bull Diagnostik- und Trainingszentrum in Thalgau arbeiten, lächeln ein wenig verlegen, wenn man sie auf Karinas Erwartungen anspricht. Es gehe, sagen sie, jetzt einmal um die kleinen ­Dinge – ihr Gang sei noch unbeholfen, ihre Muskeln ermüdeten viel zu schnell. Jedenfalls sei es viel zu früh, Karinas Beine dem Risiko eines Skitags aus­ zusetzen, nicht einmal dran denken. Vom Zauber des BASE-Jumpens. Auf verwackelten Videoaufnahmen von jenem Tag bei der Paragliding-Aerobatics-WM in Villeneuve, Schweiz, spät im August 2006, sieht man tiefblauen Himmel, durchzogen von feinen Wolken. Neben der


Karina Hollekim, hier bei der Reha im Dia­ gnostik- und Trainings­ zentrum Thalgau, wird nach ihrem Unfall nicht mehr BASE-jumpen können. Doch ihre Kraft, ihr Optimismus und ihre Lebensfreude sind ungebrochen.


Heroes

Schritt f端r Schritt: Karina Hollekim beim Reha-Training im Red Bull Diagnostik- und Trainingszentrum Thalgau.

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Heroes

Fliegen: Das, sagt Karina Hollekim, ist es, worum es immer gegangen ist. offenen Klappe auf dem Boden eines Flugzeugs sitzt eine Gruppe Skydiver, lauter erfahrene Leute, entspannt, gut gelaunt. Sie sind in Villeneuve, um zwischen den Wettkämpfen ein wenig Show zu bieten. Hollekim – von einer Kamera auf ihrem Helm stammen die Aufnahmen – trägt einen Wingsuit, ­einen Anzug, der zwischen den Beinen sowie zwischen Armen und Oberkörper eine dünne Nylonhaut gespannt hat. Sie soll ihr erlauben, ihren Flug zurück zur Erde zu steuern. Fliegen. Das, sagt Hollekim, ist es, worum es immer gegangen ist. Es war in den 1990ern, als die Freeskierin erstmals eine Dokumentation über jene verrückten ­Typen sah, die mit nichts als einem kleinen Fallschirm am Rücken von Brücken, Häusern, Berg­ gipfeln hunderte Meter in die Tiefe sprangen. BASEJumping war ein ganz neuer Sport, und Hollekim war auf Anhieb davon fasziniert. Jeb Corliss, ein amerikanischer BASE-Jumper, der im April 2006 wegen seines Versuchs, vom E ­ mpire State Building zu springen, verhaftet werden sollte, bot ihr an, sie zu unterrichten. Sie flog nach Kalifornien, sprang 2002 von der knapp 150 Meter hohen Perrine-Brücke in Twin Falls, Idaho, einem der wenigen Orte, an denen BASE-Jumping in den USA ohne Ausnahme­genehmigung möglich ist. Corliss’ Unterricht war ein wenig unkonventionell: Ein Knöchelbruch zwang ihn dazu, Hollekim die ­Anweisungen vom Auto aus zu geben, per WalkieTalkie. Die beiden reisten dennoch rund um die Welt, um von den bekanntesten Locations zu springen. „Es war ein ziemlich brutaler Start“, sagt Hollekim. „Mehr oder weniger musste ich alles a ­ lleine lernen. Nicht nur, mich zu überwinden, s­ ondern auch mir selbst zu vertrauen.“ Angst zu überwinden, hatte Karina Hollekim schon als Kind gelernt. Die Familie war auf der Rückreise von einem Urlaub, Karina saß hinten im Auto, die Mutter am Beifahrersitz. Ein anderes Auto krachte in die Beifahrerseite, verletzte die Mutter schwer. Karina blieb unverletzt, musste aber mit ­ansehen, wie ihre Mutter von Sanitätern aus dem Auto gezogen und abtransportiert wurde. Ihre Mutter erholte sich nie ganz von diesem ­Unfall. Sie hatte Gedächtnisstörungen, benötigte spezielle Pflege. Nach der Trennung ihrer Eltern führte Hollekim in ihrer Jugend ein doppeltes Leben. Tagsüber spielte sie Fußball mit Freunden und ging (meist mit Burschen) so oft wie möglich Ski fahren. Wenn sie heimkam, kümmerte sie sich um die Mutter. Bevor sie zu Bett ging, überprüfte sie noch, ob

die Mutter nicht versehentlich den Herd eingeschaltet hatte. 1992 bekam Hollekim ihren ersten Sponsorvertrag als Freeskier. Sie arbeitete später zwar ein paar Monate lang für eine IT-Firma, aber wenn man mit sechzehn Geld dafür bekommt, das zu tun, was man am liebsten tut, ist man für einen Nine-to-five-Job ziemlich verloren. Freeskier, Skydiver, BASE-Jumper zu sein war kein einfacher Job. Sie hatte jedesmal Angst, sagt sie, auf jedem Berggipfel. Aber es war wie eine Sucht, diese primitivste aller Emotionen zu beherrschen, zu bezwingen. Und sie zu nützen. „Dein Körper gehorcht dir besser, wenn Angst im Spiel ist“, ­erklärt Karina. „Du bist fokussierter, wachsamer. Angst treibt dich an, zu einer besseren Leistung.“ Karina Hollekim brachte es auf etwa 400 BASEJumps. Einen davon von „Fatima’s Hand“, einem 600 Meter hohen Felsen in Mali, der unter BASEJumpern als besondere Herausforderung gilt. Mehr als einmal überwand Hollekim mitten in der Nacht Absperrungen von Antennen oder Hochhäusern. In Tarnkleidung kletterte sie auf den 350 Meter hohen Turm des Stratosphere-Hotels in Las Vegas und sprang hinunter. Und als einzige Frau wagte sie ­einen Ski-BASE-Jump, bei dem die Freeskierin am Ende einer Abfahrt über einen Felsabriss sprang. Der Unfall – und Gedanken an die Zukunft. Sekunden nach dem Sprung aus dem Flugzeug in der Schweiz sieht man auf den Aufnahmen ihrer Helmkamera ihre Freunde, wie sie rund um sie durch die Luft fliegen. Der Fallschirm öffnet sich, aber irgendetwas stimmt nicht: Das Grün der Büsche auf dem Felsen rast in unvermindertem Tempo auf sie zu. Hollekim durchschlägt das Gebüsch, das Bild zackt rechts, links, nach oben und unten. Ein Sanitäter ist schnell da, beugt sich über sie. Zu hören ist nichts außer Hollekims flachem Atem. Als Hollekim nach den ersten Operationen aufwachte, war ihr Vater an ihrer Seite. In den Tagen darauf folgten Freunde aus der ganzen Welt. Ihr Krankenzimmer wurde zu einer Art Jugendherberge. Wirkliche, richtige, große Angst kam, als sie ein paar Tage später im Rollstuhl zu einem Vortrag geführt wurde. Im Raum waren Menschen mit Amputationen, Menschen, die nach Unfällen im Rollstuhl saßen. Thema des Vortrags war das Meistern des ­Lebens mit einer Behinderung. „Ich gehöre hier nicht her“, sagte sie sich. Die Gedanken an den Unfall und an eine mögliche Zukunft im Rollstuhl ließen sie in ihrem Krankenbett 33


bild: Stefan Aufschnaiter/Red Bull Photofiles

20 seconds of joy. Karinas eindrucksvoller Film „20 Seconds of Joy“ ist ab 27. Juli euro­ paweit auf DVD erhält­ lich. Bei ausgewählten öffentlichen Vorfüh­ rungen des Films wird Karina persönlich an­ wesend sein, für An­ fang Juni sind Termine ­unter anderem in Mün­ chen und Berlin vorge­ sehen – alle Infos auf: 20secondsofjoy.com


Heroes

Second Life: Aus der Extremsportlerin wurde eine Expertin in Sachen Motivation, Durchhaltevermögen und Zuversicht. in Oslo aus dem Schlaf aufschrecken. Ihr ­Vater saß neben ihrem Bett, wachte auf, wenn sie aufwachte, versuchte sie abzulenken und zu ­beruhigen. „Ich war bestrebt, ihr Kraft zu geben“, sagt Sønsterud. Er selbst zweifelte daran, dass seine Tochter jemals wieder ganz gesund werden würde. Die kurze Phase des Selbstmitleids wurde jäh ­beendet. Ein Personal Trainer des Spitals kam in ihr Zimmer, schob den Vorhang vor ihrem Bett zur Seite und warf ein Paar Boxhandschuhe auf ihren Schoß. „Ich bin Alan, dein Personal Trainer“, begrüßte er sie. „Du hast fünf Minuten, um dich fertig zu machen.“ Das war der Beginn des langen Wegs der Reha­ bilitation: vier Monate in einem norwegischen ­Spital; sechs Monate im Rollstuhl; monatelanges Training in CERS, einem Rehabilitationszentrum in Südfrankreich. Ein Jahr nach dem Unfall konnte sie die ersten Schritte ohne Krücken machen – nur um sie nach ­einer weiteren der vielen Operationen an ihrem ­linken Oberschenkel sofort wieder zu benötigen. „Ich habe in dieser Zeit gelernt, mich auf das zu ­konzentrieren, was ich kann“, sagt Hollekim, „nicht auf das, was ich nicht kann.“ Bis heute hat Hollekim neunzehn Operationen über sich ergehen lassen. Die letzten zwei im Herbst 2008 waren besonders riskant. Bakterien hatten die ­Heilung ihres rechten Beins behindert, hätten eine vollständige Rehabilitation unmöglich gemacht – Hollekim wollte sie durch diese Operationen entfernt haben. Sie überredete ihren norwegischen Arzt dazu, die Operation durchzuführen, als sie ihren Freund in Argentinien besuchte, von einer Telefonzelle aus. „Mir war klar, dass diese Operation das Bein kosten könnte“, sagt sie. „Aber es war wahrscheinlich der BASE-Jumper in mir, der diese Entscheidung getroffen hat.“ Hollekim kann auf ein unerschöpfliches Reservoir an Anekdoten, Erfahrungen und Emotionen zurückgreifen, wenn sie in Vorträgen in aller Welt ihre ­Geschichte erzählt. Ein Jahr nach dem Unfall kam die erste Anfrage – mittlerweile ist es fast ein Fulltime-Job geworden. Aus der Athletin Karina Holle­ kim wurde die Vortragende Karina Hollekim, eine Spezialistin für Motivation, Durchhaltevermögen und Zuversicht. Sie zeigt während der Vorträge Videos von ihrem Unfall und erzählt von ihrem Weg, von der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit, gegen die sie so lange gekämpft hat. Hollekim wirkt erstaunlich gelassen bei ihrem Vortrag, spricht fast beiläufig, als wäre es gar nicht ihre eigene Geschichte, als wäre alles jemand anderem, ganz woanders, in einer an-

deren Zeit passiert. In gewisser Weise muss das auch auf das Publikum so wirken: Die sonnengebräunte, großgewachsene Norwegerin auf der Bühne hat ­wenig gemein mit dem blassen und verunsichert wirkenden Mädchen in den abschließenden Szenen ihres Films „20 Seconds of Joy“. Sie ist überrascht, wenn Leute sie bemitleiden. „Meine Geschichte ist doch nicht traurig!“, sagt sie. „Sie ist aufbauend. Man muss eine Geschichte immer als Ganzes sehen, und am Ende ist das doch ­keine traurige Geschichte.“ Der Catwalk und die Schmerzen. Die wenigen Sonnenstrahlen, die sich durch die grauen Wolken über dem Trainingszentrum gekämpft haben, sind mittlerweile verschwunden. Hollekim sitzt nicht mehr auf dem Ergometer, sondern stapft Schritt für Schritt auf einem Laufband. David Denifl, ihr Physiotherapeut, steht vor ihr und hält ihr einen körpergroßen Spiegel entgegen. „Du weißt, worauf du achten sollst, oder?“, fragt er. „Die Hüften.“ „Und die Knie. Halt sie gerade!“, sagt er. Auf seiner Rückkehr zu der Bewegung, die er von früher kennt, nimmt der Körper den Weg des geringsten Widerstands. Für Hollekims Körper war dieser Weg manchmal wie eine Autobahn, dann wieder eine enge, kleine Serpentinenstraße. Manchmal stoppte er oder drehte einfach um. Hollekim ignorierte das alles und trieb ihren Körper an weiterzugehen. Das Resultat ist das, was sie ironisch ihren Catwalk-Walk nennt, ein entschlossenes Stolzieren, bei dem die rechte Hüfte tiefer abtaucht, als sie müsste, das rechte Knie bei jedem Schritt leicht nach innen dreht, was den Rücken stark belastet und zu anstrengend ist, um mehr als ein paar hundert Meter zu gehen. „David“, sagt Karina und grinst, „mag meinen Catwalk-Walk nicht.“ Denifl stellt sich hinter Hollekim, legt seine Hände auf ihre Hüften und bewegt sie, während sie geht. „So ist das richtig“, sagt er. „Was wir nicht wissen“, sagt er auch, „ist, wie viel Schmerzen sie dabei hat.“ Karinas Beine werden nie mehr genug Kraft haben, um wieder BASE-jumpen zu können, das steht fest. Sie hat akzeptiert, dass eine hundertprozentige Wiederherstellung nicht möglich ist. Wohin führen sie diese unzähligen Stunden auf den Laufbändern und Ergometern? „Ich werde tun, was ich kann, um den hundert ­Prozent so nahe wie möglich zu kommen.“

Das linke Bein hat’s im August 2006 weniger schlimm erwischt: „nur“ vier offene Brü­ che, rechts waren es siebzehn. Sie kann mittlerweile wieder gehen – allerdings noch nicht ganz so rund, wie ihr Physio­ therapeut in Thalgau das gerne ­hätte.

Das Video-Interview mit Karina Hollekim: redbulletin.com/hollekim/de

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Heroes

Adrian Newey

konstruierte das Auto, das hinter dem ersten Doppelsieg des Red Bull Racing-Formel-1-Teams steckt. Rasen hat für den ­Engländer allerdings auch eine ganz andere Bedeutung. Text: Anthony Rowlinson, Bild: David Short

Name Adrian Newey Geburtstag 26. Dezember 1958 Job Technischer Direktor von Red Bull Racing Hätten Sie’s gewusst? Anders als viele Formel1-In­ge­nieure zeichnet Newey seine Designs mit der Hand, auf einem großen Zeichenbrett. Newey am Steuer Der Engländer Newey ist ein begeisterter Amateur-Rennfahrer. Nach einem schweren Unfall mit einem klas­ sischen Ford GT40 im Jahr 2006 befindet sich Newey im Moment in ­einer von Freunden verordneten Auszeit. Statistik Neweys Autos haben bisher zwölf Formel-1Weltmeisterschaften für Fahrer und Hersteller gewonnen (neun für Williams, drei für McLaren). Web www.redbullracing.com

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Adrian Newey, oberster Technikchef von Red Bull Racing, ist ein kluger Kopf. Sein aktuelles Formel-1Auto, den RB5, chauffierten Sebastian Vettel und Mark Webber beim Grand Prix von China 2009 auf die Plätze eins und zwei. Eines seiner 2008er-Designs, der STR3, gewann den italienischen Grand Prix für das Red Bull-Schwesterteam Toro Rosso, ebenfalls mit Vettel hinterm Lenkrad. Insgesamt, in der Fahrer- und der Team­wertung, ­haben Neweys Designs zwölf Formel-1-WM-Titel gewonnen. Verfolgt man die Formel-1-Szene regelmäßig, weiß man das. Was man vielleicht nicht weiß, ist, dass Newey sich das Rennen von Schanghai zu Hause in Berkshire im Fernsehen anschaute: Zu viel Arbeit am Reißbrett stand an, Stichwort Diffusor. Und was man ebenfalls nicht weiß: Nach Vettels Sieg holte Newey einen seiner Oldtimer aus der Garage und vollführte auf dem ­Rasen vor seinem Haus Donuts. (Dabei lässt man im ersten Gang die ­Hinterräder am Stand derart durchdrehen, dass das Auto Pirouetten um die stillstehenden Vorderräder dreht. Schlecht für die Grünfläche, gut für das Adrenalin.) Wer Newey kennt, ist nicht überrascht, denn: ­Obwohl er als Superhirn der Formel 1 gilt (und ein Asset ist, um das die Konkurrenz Red Bull Racing beneidet), hat er Benzin im Blut. Und er ist, wie einer seiner früheren Teamchefs schwärmte, „der Ehrgeizigste von allen: Wenn er antritt, will er gewinnen.“ Ein großes Lob für einen Ingenieur, der in einer Welt zu Hause ist, wo jeder, der sich nicht piranha­ gleich seiner Rivalen entledigt, als kurios gilt. Es war vorhersehbar, dass Newey nicht herumjammert, wenn er über Schanghai spricht, trotz etwas Schädelbrummen infolge der Siegesfeiern: „Wir wussten, dass wir in China auf dem richtigen Weg sind, aber wir dachten, dass die Entscheidung etwas knapper ausfällt. Wir haben nicht geahnt, dass wir den anderen einfach auf und davon fahren.“ Der Doppelsieg in China war ein Wahnsinnsresultat für Red Bull. Der erste Erfolg, seit das Team dabei ist, seit 2005. Während das Schwesterteam Toro

Rosso bereits 2008 mit Vettels Sieg in Monza seine Unschuld verlor, hat der „Heim-Sieg“ etwas Spezielles, gesteht Newey: „Die Design-Abteilung in unserer Fabrik in Milton Keynes ist bereits im Vorjahr belohnt worden. Aber zu sehen, dass genau das Auto, an dem du jeden Tag arbeitest, gewinnt, ist etwas handfester. Du kannst den Sieg quasi angreifen, wenn die Mannschaft vom Rennen heimkommt.“ Zu diesen realen Dingen kommt plötzlich eine Vielzahl irrealer. Etwa die Zuversicht, die als Ruck durch die Mannschaft geht, die erkennt, dass sie ­genau das Ziel erreichen kann, wofür sie engagiert wurde – Rennen zu gewinnen. „Siege sind etwas ­Seltsames“, sagt Newey. „Gewinnst du nicht, sieht es so aus, als könnte man nie die Spitze erreichen. Gewinnst du dann, ist alles so einfach.“ Die Herausforderung für RBR heißt nun: aufbauen auf diesem historischen Resultat. Und weiter zeigen, dass ein kleines Team mit einem Budget, das es nicht mit dem eines Herstellerteams wie McLaren-Mercedes, BMW Sauber, Toyota oder Ferrari aufzunehmen vermag, trotzdem die Großen schlagen kann. Wie soll das gehen? Newey hat da einen Plan: „Als wir uns das aktuelle Auto ausgedacht haben, um den tiefgreifenden Änderungen des 2009er-Reglements zu entsprechen, gab uns das die Chance, von Grund auf über das Design nachzudenken. Eine Herausforderung, aber auch aufregend. Unser Sieg hat gezeigt, dass einige dieser technischen Zugänge gut sind, obwohl wir, als wir das Auto präsentierten, nervös waren. Auch deshalb, weil wir merkten, dass wir in eine andere Richtung unterwegs waren als unsere Gegner. Unsere einzige Hoffnung war, dass wir aus guten Gründen anders waren, aber vor dem ersten Rennen weißt du das halt nicht.“ „Jetzt“, sagt Newey, „müssen wir die gemachten Erfahrungen umsetzen, damit wir vor jenen Teams bleiben, die bessere Möglichkeiten haben.“ Gelingt das, gibt es nur einen Verlierer: Neweys Rasen. Formel-1-Grand-Prix von Monaco: 24. Mai 2009 Aktuelle Blogs unserer F1-Helden: redbulletin.com/f1/de


Adrian Newey, der oberste Technolo­gie­ verantwortliche von Red Bull Racing, gilt als „most competitive man“ der Formel 1. Was bedeutet: Der Engländer kann alles, nur nicht verlieren.


Heroes

thierry marx bevorzugt die feine Klinge. In der Küche bei der Suche nach dem optimalen Geschmack, in der Freizeit beim Schwertkampf auf der Suche nach sich selbst. Text: Uschi Korda, Bilder: Philipp Horak

Name Thierry Marx Geburtsdatum/-ort 19. September 1962, Paris Beruf Starkoch im Château Cordeillan-Bages in Pauillac im Médoc, ­Südfrankreich Hobbys Kendo, Judo, Jiu-Jitsu, Ultra-Trail, Fallschirmspringen Erfolge 2 Michelin-Sterne für seine Küche; 1. Dan in Kendo, 3. Dan in Judo, 3. Dan in Jiu-Jiutsu Web cordeillanbages.com

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Behutsam, fast zärtlich wickelt Thierry Marx die Bänder seiner Ausrüstung um den Körper und knotet die Enden ganz ordentlich zu einer hübschen Masche. Wir sind mitten in Bordeaux, jener Stadt, die dem Rest der Welt als Synonym für Genuss, französische Kulinarik und edle Weine gilt. Und Thierry Marx ist einer der Zeremonienmeister in diesem Epizentrum leiblicher Sinnesfreuden. Ausgezeichnet mit zwei Michelin-Sternen und dem Image eines Revoluzzers, zeigt er im Château Cordeillan-Bages in Pauillac, dass man die klassische französische Küche durchaus wohlschmeckend modernisieren kann, ohne sie dabei zu entwurzeln. Jaja, das Ge­spenst der Molekularküche geht auch in der Grande Nation um, aber Marx weiß schlau damit umzugehen. Doch davon später, denn jetzt betritt der Koch erst einmal einen Turnsaal, der auch so riecht, wie man sich das vorstellt. Männerschweiß statt Kräuter­aromen, Bambusschwerter statt Küchenmessern, dunkelblauer Waffenrock statt blütenweißer Kochschürze – und gleich werden zehn Franzosen im besten Alter und barfuß unter Anleitung eines traditionellen Kendo-Meisters spitze Schreie ausstoßen. Mann gegen Mann wird an Angriff, Abwehr und Atemtechnik gearbeitet und die richtige Schritthaltung geprobt. Grazil umtänzelt Marx seinen ­Gegner, mit unbewegter Miene und der Aura eines Wissenden. Seit seinem sechsten Lebensjahr beschäftigt er sich mit asiatischer Kampfkunst. Kendo, den Schwertkampf, der auch zur Ausbildung der japa­nischen ­Polizei gehört, praktiziert er erst seit vier Jahren. „Das Wichtigste beim Kendo ist“, sagt Marx, „dass man weiß, wer man ist.“ Auf der Suche nach sich selbst hat es der Franzose nicht leicht gehabt. Und er hat es sich manchmal nicht leicht gemacht. Seinen Kampfgeist und seine Kaltschnäuzigkeit, sagt er, habe er von seiner Mutter mitbekommen, die als Alleinerzieherin versuchte, ihn in einem Armenviertel von Paris durchzufüttern. Den Geruch von frischem Baguette und Kaffee, was sich die beiden täglich in stillen Momenten der Zwei-

samkeit gönnten, kann er noch heute in seinem Kopf abrufen. So wie den Duft exotischer Gewürze der ­afrikanischen und vorderasiatischen Küchen, die ihn später durch seine Jugend in Ménilmontant, dem 20. Pariser Arrondissement, begleiteten. „Hier fühlte ich mich wie ein Immigrant unter Immigranten in einem Immigrantenviertel“, beschreibt er das damals recht heruntergekommene Pariser Quartier, in dem er bei den Großeltern aufwuchs, als seine Mutter ihn nicht mehr durchbringen konnte. Von Opa Marx, einem gestandenen Kommunisten und Handwerker, lernte er viel über Integrität, Loyalität und die Kraft eines gut gemachten Jobs. Aber auch, dass man für seine Ideen und seine Werte streiten muss. Eine gute Basis, die ihm wenig später noch helfen sollte, als man die Familie mitsamt dem restlichen Pariser Proletariat einfach in eine 25 Kilometer von der City entfernte Satellitenstadt aussiedelte. Champigny-sur-Marne nannte sich die Betonwüste, heute bekannt als Keimzelle der berüchtigten Banlieues. Entwurzelt und orientierungslos hingen die Halbwüchsigen in den kahlen Stiegenhäusern herum, hörten Hard Rock und wussten nicht, wohin mit der überschüssigen Zeit, Energie und Kraft. „Es war nur ein schmaler Grat, der dich dort von der Kriminalität trennte“, erinnert sich Marx. „Ich war verloren, aber nicht verzweifelt. Und ich suchte einen Ausweg.“ Als Fußballer zu dürftig, schrieb er sich schließlich in einen Judokurs ein und war sofort fasziniert vom Kampfgeist, gepaart mit großem Respekt vor dem Gegner. Seit damals ist die japanische Kultur ein bestimmender Teil seines Lebens, der nicht nur seine Kochkunst, sondern auch seine Persönlichkeit prägte. Zwei Stunden lang haben die Kendo-Schüler jetzt in Bordeaux ihre Kampfstellungen geübt, und Thierry Marx nimmt vorsichtig den vergitterten Kopfschutz ab. Mit einer respektvollen Verbeugung verlässt er den Saal. Leicht humpelnd, doch die Frage nach Schmerzen wischt er mit einer fast abfälligen Handbewegung beiseite. Das zweite Mal hat er sich jetzt


„Ich wollte ein erfolgreicher Koch werden“, sagt Thierry Marx. „Nur dann ist man frei, und niemand kann einen zwingen, Dinge zu tun, die man nicht machen will.“


Der Meister in seinem Kraftzentrum, der Küche. Übrigens: Hätten Sie auf Anhieb gewusst, was das rechts abgebildete Gericht sein mag? (Es sind Spaghetti.)


Heroes

am Bein verletzt. Das wird ihn aber nicht daran hindern, am nächsten Tag wieder in seiner Küche zu stehen, als ob nichts geschehen wäre. „Ganz wichtig beim Kendo ist, dass man in deinem Gesicht keine Gefühle erkennen kann“, sagt Marx. Das sei mit Atemtechnik zu erlernen, und damit wir uns etwas vorstellen können, spielt er es gleich vor. Ein tiefes Einatmen, und vor uns steht ein Mann mit einer so ausdruckslosen Mimik, dass wir nicht wissen, ob er uns jetzt gleich zum Teufel schicken oder vor lauter Freude umarmen wird. „Das ist das Gefährliche, denn wenn ich jemanden böse anschaue, weiß er ja gleich, dass ich ihn angreifen will.“ Sich zu beherrschen, das hat er gelernt, als man ihm aufgrund seiner Herkunft bei der Suche nach ­einer Lehrstelle immer wieder die Tür vor der Nase zuschlug. Doch Oma Marx verschaffte ihm schließlich einen Job bei einem Pariser Patissier, und Thierry Marx schnupperte endlich in eine Welt hinein, die ihm Sicherheit gab und in der er seine Kreativität ausleben durfte. Er konnte kleine Kunstwerke à la Petits Fours fabrizieren und dabei zusehen, wie allein ihr Anblick bei den Kunden genussvolle Vorfreude auslöste. Das Wissen um die Wichtigkeit der Form der Präsentation vertiefte er Jahre später, als er bereits als Koch in Japans besten Häusern arbeitete. Dass er schließlich Koch wurde, war ein Willensakt auf seinem Lebensweg, auf dem ihn die Suche nach sich selbst noch so manchen Umweg einschlagen ließ. Einer davon führte ihn nach seiner Patis­ sier-Lehre zum Militär und von dort direkt in den ­Libanon-Krieg. Eine dunkle Zeit, über die er noch heute nicht sprechen will und aus der er schwer ­verwundet zurückkehrte. Die physischen Schrammen heilten schnell, an den seelischen laborierte er lange. Wieder einmal fand er dann keine geregelte Arbeit, musste sich mit Gelegenheitsjobs wie Wachdiensten durchbringen, bis er als Abwäscher in einem Kloster unterkam. Wütend auf eine Welt, die ihm keine Chance gab, beschloss er, sein Leben zu ändern. Und um ­jeden Preis erfolgreich zu werden. Er meldete sich in einer Kochschule an, machte sein Bakkalaureat in Abendkursen und heuerte bei den großen Meistern Joël Robuchon und Alain Chapel an. „Rückblickend war Maître Chapel mein bestimmender Master. Robuchon war sehr technisch, aber die Technik muss man eines Tages vergessen. Chapel hatte eine sehr pure, geradlinige Kochkunst, in deren Zentrum ganz allein das Produkt und sein Geschmack standen.“ Eine Küchenphilosophie, die man durchaus auch Thierry Marx zuschreiben kann, obwohl er mittlerweile eine eigene, neue Handschrift gefunden hat. Wieder bindet Thierry Marx behutsam die Schürzenbänder zu einer feinen Masche und streicht bedächtig ein paar Kittelfalten glatt. Diesmal werden wir ihm jedoch in das andere Kraftzentrum seines ­Lebens folgen, die Küche. Nein, sagt er, damals in den Ban­ lieues habe er nicht davon geträumt, einmal in ­einem Château zu residieren. Nur von einem Bauernhof und ein paar Pferden, für ihn der Inbegriff von Geborgenheit und Luxus. Zehn Jahre sind es nun, dass er hier in Pauillac seine kreative Heimat gefunden hat, in der er all das umsetzt, was er auf seiner ruhelosen

Ess-Erlebnis: Überraschung ist wichtig. Nur so kann man den Esprit der Gäste öffnen. Suche nach Perfektion und einem eigenen Stil quasi im Vorbeigehen mitbekommen hat. Außer nach Japan führte ihn seine Wanderschaft als Koch nach Sydney, Melbourne, Singapur, Bangkok und New York. Dazwischen heimste er in Frankreich zweimal mit einem eigenen Restaurant zwar Sterne, Ruhm und mediale Aufmerksamkeit ein, endete aber wirtschaftlich im Desaster. Es war auch nicht Liebe auf den ersten Blick, die ihn im Château Cordeillan-Bages seine Sachen auspacken ließ, es war eher die Vernunft, hatte er doch mittlerweile Frau und Tochter zu ernähren. Weder die militant aufgereihten Weinstöcke noch die langen, grauen Winter kamen seinem kosmopolitischen Denken und seiner Sehnsucht nach Wärme entgegen. „Aber ich wusste“, sagt Marx, „dass nur acht Monate im Jahr geöffnet war und ich in den vier Wintermonaten um die Welt ziehen kann.“ Noch heute fühlt er sich hier manchmal als Fremder, obwohl er Land und Leute längst ins Herz geschlossen hat. Es ist zwölf Uhr mittags, und das Speisezimmer im Château ist voll besetzt. Mit unbewegter Miene, so als hätte er gerade tief eingeatmet, steht der Meister an einem Pult in seiner Küche, von dem aus er alles im Blick hat. Es ist mucksmäuschenstill, und alle arbeiten ruhig und konzentriert an ihren Plätzen. „In meiner Küche gibt es kein lautes Wort und keine Hektik. Das ist nicht gut fürs Essen“, erklärt Marx die ungewohnte Ruhe. An die zwanzig Frauen und Männer unterschiedlichster Nationen basteln an den Kunstwerken, die der Chef kreiert hat, in einer Choreografie, die ohne Worte auskommt und reibungslos abläuft. „Mir ist egal, wo einer herkommt und was in seinem Lebenslauf steht. Wichtig ist, dass er was lernen und über sich hinauswachsen will.“ Zu viel hat Thierry Marx schon am eigenen Leib erfahren, als dass er einen Suchenden abweisen würde. Schwer zu sagen, wie lange es ihn selbst hier noch halten wird. Momentan jedenfalls hat er mit seiner Kochkunst einen Weg gefunden, der ihm Ruhe und Erfüllung bringt. Und für den ihn die Gäste lieben. Leicht, vollendet in Geschmack und Form kommen seine Gerichte auf den Tisch, aber nie so, wie man es erwarten würde. Überraschung ist das Zauberwort seiner Kunst, für die er sich die technischen Mittel der Molekularküche zunutze macht, um zum Beispiel den puren Geschmack einer traditionellen Zitronentarte herauszuarbeiten. Dafür werden Zitrone und Teig zuerst komplett in ihre Strukturen zerlegt und dann ganz neu wieder zusammengesetzt. Mit den tech­ni­ schen Hilfsmitteln der Molekular­küche. Und seien Sie sich gewiss: Es wird die beste Zitronen­tarte Ihres ­Lebens sein. Sie sieht halt nur anders aus.

Molekularküche Ein Ausdruck, mit dem weder Köche noch Gäste glücklich sind, weil es ein viel zu technischer Terminus für den genussvollen Vorgang des Kochens und Essens ist. Der Begriff wurde 1990 vom französischen Physikochemiker Hervé This geprägt. Im Grunde geht es nur darum, mit neuen Techniken den Geschmack eines Produkts zu optimieren. Godfather dieses Küchenstils ist der Spanier Ferran Adrià, der die Methodik bis zur Grenze ausreizt. Heraus kommt ein optisch anspruchsvolles, aber recht intellektuelles Essen. Schlauere Köche wie Thierry Marx haben erkannt, dass das weder Spaß macht noch Sinn ergibt, und setzen die Technik sparsam ein. Marx zum Beispiel meint, dass man ein Produkt, zum Beispiel eine Karotte, zuerst in ihrer Struktur erkennen, dann zerlegen und wieder neu zusammensetzen muss. Dann hat sie den intensivsten aller Karottengeschmäcke, kommt aber vielleicht als Kugel daher. Und er vergisst dabei nicht auf die regionale Küche. Darum gibt es bei ihm auch Gänseleber, Spaghetti mit Pilzsauce oder eine destrukturierte Zitronentarte.

Thierry Marx ist im Mai Gastkoch im Restaurant Ikarus. Rezepte, Köche, Genuss-Blogs: redbulletin.com/essen/de

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Action Ganz schön was los: Was uns diesen Monat bewegt.

44 Taurus World Stunt Awards 58 SXSW Music ­Festival 64 Red Bull X-Fighters 70 Jim Carrey

Wenn es heikel wird am Set – und wie hier etwa eine Fechtszene auf e­ inem haus­hohen Mühlrad für „Fluch der Karibik 2“ ansteht –, halten sich Filmstars wie Johnny Depp oder ­Orlando Bloom vornehm zurück. Dann kommt die Zeit der Stuntmen: Als Doubles riskieren sie Tod und Teufel und erhalten dennoch selten den ­Applaus, der ihnen gebührt.


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bild: Kobal Collection


­Die Taurus World Stunt Awards zeichnen jene aus, die sonst als Double im Schatten der Stars stehen – von links Jill Brown (Best High Work, 2001), Ben Cooke (Best High Work, 2007), Lisa Hoyle (Best Fight, 2007), Adam Kirley (Best High Work, 2007), ­Arnold Schwarzenegger (Best Action Movie Star, 2001) und Burt Reynolds (Lebenswerk-Taurus, 2007). Die Stars machen gute Figur beim Überreichen: etwa Harrison Ford, der 2007 Gary Powell als ­besten Stunt Coordinator mit dem Taurus Award prämieren durfte.


S U R U A T D L R WO T N U ST S D R A W A 9 0 0 2

n, gelt, erschosse rü rp e v t, n n rbra tion Sie werden ve s für diese Ac u la p p A n e d urus erhängt, doch gibt es die Ta lb a sh e D . e r e kriegen and nkeschön des a D s a d s: d r Awa World Stunt emeinde, die tg n tu S e in se an . Filmbusiness n Hollywood o v n e ld e H n son wahre thony Rowlin

Bilder: Cinetext, Getty Images (3), Maury Phillips, Rex Features (2)

ilds und An reen, David W Text: Chris G

Nichts ist bombastischer als Amerika. Niemand spielt auf dem Klavier der Phantasie so perfekt wie Hollywood. Und in diesem Land der Filmmärchen, wo ­allein die Vorstellungskraft tatsächlich Flügel verleiht, gibt es eine Show so großartig und grenzenlos, dass für sie tatsächlich gilt: „So sieht es aus, wenn Träume Wirklichkeit werden.“ Diese Einmaligkeit ist die Verleihung der Taurus World Stunt Awards (TWSA), ein Spektakel im ­Herzen von Hollywood, mit der Ehrung der sonst so unbedankten Mitglieder des Filmgeschäfts, der Gemeinde der Stuntmen und -women. Damit die Stars umso heller strahlen können, machen diese unerschrockenen Frauen und Männer ihre gefährliche Arbeit im Verborgenen. Zum Frühstück werfen sie sich aus dem obersten Fenster eines zwölfstöckigen Hauses, mittags hüpfen sie auf einem dahinrasenden Zug von Waggon zu Waggon, und am Nachmittag binden sie sich, falls das Drehbuch es verlangt, ein Seil um den Bauch, um von einem Flugzeug in die Tiefe zu baumeln. Und alles nur d ­ eshalb, damit eine bestimmte Kameraeinstellung gedreht werden kann und ein Traum eines Regisseurs Realität wird. Die Stuntfrauen und Stuntmänner Hollywoods, die wahren Helden der Filmindustrie, sind ein uneitler Haufen. Sie sind froh darüber, dass für sie Platz ist in einer Parallelwelt neben jener der Stars. Dort bestimmt nicht die Größe der Schlag­zeilen in den Zeitungen die Anerkennung und auch nicht die Anzahl der Paparazzi (und schon gar nicht der Oscar, denn der ist für diese Art von Heldentum nicht vorgesehen).

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Action

Es ist vielmehr das beifällige Nicken ihrer Anhänger, wenn die Stuntmen und -women härteste Schläge einstecken oder ein Auto um genau den Hauch sorgfältiger verschrotten, als man es für möglich gehalten hatte. Wie erweist man diesen Menschen, die das Rampenlicht scheuen, Reverenz? Wie beeindruckt man sie? Ganz einfach: Man überreicht ihnen bei einem eleganten Dinner die fabelhaften TaurusSkulpturen als Ehrenpreise in den wichtigsten Stunt-Kategorien, so wie heuer am 16. Mai in Los Angeles. Oder man stellt eine schillernde Show auf die Beine, wie etwa 2007. Einen Abend mit Live Acts, bei denen sogar hart­gesottene Stunt-Legenden wie Terry Leonard („Jäger des verlorenen Schatzes“) vor Vergnügen glucksen. Damit ist garantiert, dass wenigstens an einem Tag im Jahr der Stuntgemeinde, deren Anteil am Filmgeschäft größtenteils unbedankt bleibt, jener Applaus zuteil wird, den sie verdient. Applaus statt Prügel. Die TWSA waren ein Traum, den Red Bull-Erfinder Dietrich Mateschitz träumte und den er 2001 erstmals inszenierte. Nicht als Auftritt selbstgefälliger Schulterklopfer, sondern als Abend, der die zentrale Wahrheit von Hollywood in den Mittelpunkt stellt: ohne Stuntmen und Stuntwomen keine Filme. Die Show auf Basis dieses simplen Konzepts erwies sich von Anfang an als richtig – sowohl bei denen, die gefeiert werden sollten, als auch bei den Schauspielern, deren Reputation von jeher aufgeputzt wird durch die Prügel, die Stuntmen für sie beziehen. Die A-List der Hollywoodstars wie Harrison Ford, Gerard Butler, Arnold Schwarzenegger, Alec Baldwin, Keanu Reeves, Michelle Rodriguez, Quentin ­Tarantino und Daryl Hannah (und, und, und – die Liste ist noch deutlich länger) haben dem TWSA bereits ihre Reverenz erwiesen. Indem sie gekommen sind, zeigten sie jenen gegenüber ihre Dankbarkeit, die für sie – im wahrsten Sinn des Wortes – den Hals riskiert haben. Der Kommentar von Bruce Willis, dessen Double Larry Rippenkroeger sich bei den Dreharbeiten zu „Die Hard 4.0“ schwer verletzte, ist beispielhaft: „Wenn du je einen Actionfilm gedreht hast – und ich habe ein paar gemacht –, verstehst du, wie viel die Mitglieder der Stunt-Community mit dem Zauber des Kinos zu tun haben.“ Natürlich nimmt an diesem Abend die Creme der weltbesten Stuntpeople teil. Veteranen wie Terry ­Leonard und Jeannie Epper ebenso wie junge Heißsporne vom Schlag einer Zoë Bell, Award-Gewinnerin von 2005, die sich als Double von Uma Thurman in „Kill Bill“ etablierte. Bell schafft gerade den raren Sprung auf die andere Seite, als Schauspiel­kollegin von Gerard Butler im Film „Citizen Game“, der noch 2009 herauskommen soll. Obwohl: „Nur Schauspielerin sein?“, fragt Bell. „Das wäre hart, wenn es ­bedeuten würde, dass ich meine Stunts nicht mehr ­selber machen dürfte. Aber vielleicht sehe ich das anders, wenn ich vierzig bin und Kinder habe.“ Show unter freiem Himmel. Die durchdachte Mischung aus Spektakel, dem Auftrieb von Stars und dem Stallgeruch, der typisch ist 46

Am roten Teppich

Jede Menge Stars sind bei den Taurus World Stunt Awards zugegen, um der Stunt­gemeinde zu applaudieren. ­Reihe eins (jeweils v. li. n. re.): der fliegende Felix Baumgartner, Dennis Hopper und Harrison Ford, Keanu Reeves und Red Bull X-Fighters-Star Robbie Maddison; Reihe zwei: David Spade und Josh Duhamel, Wrestler Hulk Hogan, Snowboarder Shaun White, das Trio Will Ferrell, Burt Reynolds und John C. Reilly, Sarah Michelle Gellar, die Stuntmen Kirk Maxwell und Jeremy Fry, Daryl Hannah; Reihe drei: Stuntwoman Angela Uyeda, Dompteur Randy Miller und sein Tiger Tara, Matthew McConaughey, Jessica Alba, Dwayne „The Rock“ Johnson mit Tim Trella, Tamara Feldmann; Reihe vier: Regisseur Quentin Tarantino mit den Stuntwomen Zoë Bell und Monica Staggs, ein anonym bleiben wollender brennender kanadischer Stuntman, Model Katie Lohmann, Stuntwoman Jeannie Epper mit Enkelin, Ken Watanabe; Reihe fünf: Mr. T, Kiefer Sutherland, Rebecca Romijn, Stuntman Terry Leonard, ­Johnny Knoxville, Sängerin Christina Milian.


Bilder: Eric Charbonneau (3), Getty Images (7), Maury Phillips, Rex Features (11), Alexandra Wyman (5)

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Action

für die ehrlich-hemdsärmeligen Stunt­menschen, ­mache die TWSA einzigartig, so der ver­antwortliche Produzent Mitch Geller: „Bei den TWSA treten viele Stars auf, und wir sind auf jeden einzelnen stolz. Doch wir vergessen nie, worum es an ­diesem Abend geht, nämlich um die Ehrung der ­Mitglieder der Stuntgemeinde. Es ist ihre Nacht, und dieser ­Gedanke steckt hinter jedem Programmpunkt.“ Die Show selbst präsentiert sich auf einer gewalti­ gen Open-Air-Bühne, einer Stunt City in den Studios der Paramount Pictures, 5555 Melrose Avenue. Rauch und Musik, Feuerschein und Scheinwerferlicht bilden die Szene: für Free Runner, die der Schwerkraft ein Schnippchen schlagen, für den netten Herrn von nebenan, der plötzlich Feuer fängt und als mensch­ liche Fackel auf der Bühne herumspaziert, für Autos, die durch Wände krachen und auf der Bühne landen, für Menschen, die aus Fenstern fallen, für Schwertkämpfe und Pistolenduelle. Eine Veranstaltung wie diese verlangt höchste ­logistische Präzision und ausgefeiltes Timing. Bereits der kleinste Fehler wäre fatal, zudem besteht das ­Publikum aus den schärfsten Kritikern des Planeten Hollywood: Sitzreihe für Sitzreihe Stunt-Professionals, die alle Tricks kennen, wie der leitende Produzent Andrew Stephan weiß: „Die Show ist deshalb eine einzige Herausforderung – du musst Zuschauer beeindrucken, die schon beinahe alles gesehen haben.“ Ein Fürsprecher namens Schwarzenegger. Die Show müsse aber auch unterhaltsam sein, „es geht darum, Entertainment großzuschreiben“, sagt Michael Dempsey, ebenfalls Produzent der TWSA. „Ernste Momente ja, aber wir wollen es nicht übertreiben.“ Abwechslung ist der Schlüssel für spannende Unterhaltung, weiß Dempsey: „Der Er­folg dieser Show beruht darauf, eine Vielzahl unterschiedlicher Elemente zusammenzufügen. Es bedarf k ­ eines Themas, das alles andere überragt. Du brauchst alles – kurze, aufregende Filmsequenzen, Live-Stunts, dazu ein bisschen ­Komik und Klamauk …“ Und natürlich braucht man auch Stars. „Es macht immer eine Menge Arbeit, bis man eine tolle Gästeliste beisammenhat“, sagt Dempsey, „einfach, weil es viele Shows gibt, zu denen die Stars eingeladen werden. Aber das Schöne an den Taurus Awards ist: Viele Schauspieler unterstützen ihre Stuntmen gerne.“ Das sollten sie auch. Hätte etwa Stuntman Billy D. Lucas in den letzten Jahren nicht so viele Schläge eingesteckt, wäre heute vielleicht ein anderer Kaliforniens Gouverneur. „Keiner fühlt sich der StuntWelt mehr verbunden als Arnold Schwarzenegger“, sagt Lucas über den Mann, den er öfter gedoubelt hat als jeden anderen. „Er kommt deshalb auch jedes Jahr zur Preisverleihung, ist die treibende Kraft hinter der Show. Mitzuerleben, wie Stars uns Tribut zollen, das gibt dem Abend die stärksten Momente. Sie unterstützen uns und geben uns, was uns gebührt. Es ist großartig, einen Abend für uns zu ­haben, an dem wir für unsere Arbeit geehrt werden und für die Risiken, die wir auf uns nehmen.“ Taurus World Stunt Awards: 16. Mai 2009, Übergabe der Preise an die Gewinner, Los Angeles, USA­ Mehr Stunt-Action auf: redbulletin.com/taurus/de

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Bühne frei!

Oscar-Verleihungen sind Kindergeburtstage dagegen: 2007 war die Bühne in den Studios der Paramount Pictures in L. A. ein Hauptdarsteller der Taurus-Show. Rechts: Burt Reynolds bekommt von Arnold Schwarzenegger den Taurus Award für sein Lebenswerk, darunter entsteigt Präsentator Dwayne „The Rock“ Johnson mit dem Taurus einem live zerstörten Auto und präsentiert sich (weiter unten) unversehrt mit Stuntman Tony Angelotti. Die Bühne übersteht Explosionen, ­Brände und Ehrungen (rechts Mitte): Hier übergibt Stuntwoman May Boss den Taurus für deren Lebenswerk an Jeannie Epper. Auch das Musikprogramm hat Klasse: 2007 sang (ganz unten rechts) Pop-Legende Joe Cocker.


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Hilfe für die Helden

Stuntmen riskieren jeden Tag ihr Leben. Doch was passiert, wenn etwas schiefgeht?

Bilder: Getty Images (7), Maury Phillips, Reuters

Es ist bloß ein kurzer Wow!-Moment in einem Film, vollgepackt mit Actionszenen, eine besser als die andere. Schauspielstar Johnny Depp als Captain Jack Sparrow versucht, an einen Pfahl gefesselt, auf einer einsamen Insel dem Ungemach, von Kannibalen verspeist zu werden, zu entkommen. Jack/Johnny stürzt dabei in eine Schlucht, an die 50 Meter tief, durchschlägt auf dem Weg nach unten drei morsche Brücken, der Pfahl mit dem Mann daran verkeilt sich kurz zwischen den Schluchtwänden. Immer noch festgebunden, fällt Jack/Johnny weiter, in einer Serie rasanter Drehungen, denn das Seil, an dem er hängt, spult sich ab wie ein Jo-Jo und ist schließlich bis zum Zerreißen gespannt, als Jacks/Johnnys Körper endlich zum Stillstand kommt. An nur ­einem Knöchel hängt er, haarscharf abgebremst, über dem Dschungelboden. Das Publikum lacht über diesen Irrwitz, denn natürlich übersteht Captain Sparrow der Szene völlig unversehrt. Jack/Johnny hat das nicht weh getan, denn an seiner Stelle stürzte sein Stunt-Double ab, der Amerikaner Tony Angelotti. Aber diese Medaille hatte eine Kehrseite: Stuntman Angelotti hat sich bei diesem Stunt für Johnny Depp lebensgefährlich verletzt. Ein Jahr dauerte es, bis er wieder gehen konnte, bis eine Vielzahl von Operationen und intensive Rehabilitation seinen Körper wieder einsatzfähig machten. Was genau war schiefgegangen? Eine Vorrichtung, die Ange­lottis Sturz hätte weich abbremsen sollen, versagte. Also fiel er mit ­unvermindertem Tempo, und am Ende der Luftfahrt, als das Seil ganz ausgerollt war, stand ein brutaler Ruck. So heftig war der plötzliche Halt, dass Angelotti, der nur mit einem Bein am Seil hing, einen offenen Beckenbruch erlitt, dazu Risse der Bauch­ decke und der Leisten und massive innere Blutungen. Bei vollem Bewusstsein und von Höllenqualen gepeinigt, wurde er ins Spital gebracht, der Anfang eines langen, schmerzhaften Leidenswegs. Beim ehemaligen Leistungsturner hinterließ der Unfall nicht nur körperliche Narben. „Das ist etwas, von dem du hoffst, dass du es nie erleben musst“, sagt Angelotti. „Wenn so etwas passiert, sind immer außerordentliche Umstände verantwortlich. So etwas lässt sich nicht voraussehen.“ Diese Unfälle beeinflussen Menschen stets auf unterschiedliche Weise, sagt Angelotti: „Manche sagen: ‚Aus, ich gebe meinen Job auf und mache etwas anderes.‘ Andere wie ich wollen wieder zurück, auch wenn das eine gewaltige Herausforderung ist.“ Angelotti und seine Kollegen akzeptieren seit Jahren das Risiko als Teil ihrer Arbeit: Sie wissen, dass eine schwere Verletzung gleichbedeutend sein kann mit dem Ende der Karriere und dass es keine finanzielle Absicherung gibt. Tony Angelotti allerdings war einer der wenigen Glücklichen, die während der Rehabilita­ tion finanziell unterstützt wurden. Das Geld kam von der Taurus World Stunt Awards Foundation: 2001 ins Leben gerufen von Red Bull-Gründer Dietrich Mateschitz, bietet diese Stiftung jenen Stuntmen Unterstützung, die sich während ihres Jobs verletzten und deshalb mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Angelotti: „Das Einzige, was wir an Unterstützung bekamen, ehe es die Stiftung gab, war die gesetzliche Grundversorgung. Das war gerade so viel, dass man durchkam. Aber ich kenne Kollegen, die ihre Häuser und Autos verkaufen mussten, um zu überleben, weil sie hinterher ja nicht mehr arbeiten konnten. Nur die Taurus World Stunt Awards Foundation erkennt jene Risiken an, die wir in unserem Beruf eingehen müssen.“ Der Nutzen der Stiftung hat sich schon oft erwiesen. Mitch ­Geller, der leitende Produzent der TWSA: „Die Stiftung hat einen großen und tatsächlich messbaren Effekt auf das Leben von ­verletzten Stuntmen und -women. Sie sind sehr dankbar, dass ­jemand, der 10.000 Kilometer weit weg zu Hause ist und den sie noch nie getroffen haben, so eine Stiftung ins Leben ruft und ­so viel Zeit und Geld in diese Show und diese Stiftung investiert. Diese Berufsgruppe ist es nicht gewohnt, dass man sich so um sie kümmert, wie Dietrich Mateschitz es tut.“

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DIE MAGIE DE S nts e m Mo ren Stunts? Wie funktionie Fachs verraten es d n te es B er Vier d llsten Tricks. to r re ih e ig n ei uns reen Text: Chris G

Fliegende Fäuste

TONY ANGELOTTI

Viele Stuntmen kommen aus der Kampfsportszene, Sie waren früher ­allerdings Turner. Es macht Spaß, Kampf und Akrobatik zu kombinieren, speziell, wenn das Ergebnis zu einem Bestandteil der Gerissenheit und Genialität des Helden wird – etwa bei Zorro oder Captain Jack Sparrow. So in der Art: „Ich hüpfe jetzt von diesem Balkon, samt Salto, lande am Boden, prügle mich mit Soldaten, dann geht’s auf und davon.“ Sie kämpfen jedoch mit Stil. Als wir uns die Kampfszenen für Jack Sparrow ausdachten, wurde uns gesagt: Es muss schwerelos aussehen. Sparrow kann aufregende Dinge tun, aber nur, wenn es sein Gegner erfordert – er hat stets ein Ass im Ärmel. Als wir gesehen hatten, wie Johnny Depp seinen Sparrow anlegt, haben wir die passenden Fecht­ szenen entwickelt. Als Johnnys Double versuchte ich immer zu denken wie Jack Sparrow und habe mich gefragt: „Wie würde Johnny das machen?“ Depp hat ­einen eigenen spielerisch-einfallsreichen Ansatz, den versuchte ich zu kopieren. Einige dieser Piratenszenen sind l­ängst Stuntklassiker. Die Fechtszene am Strand im zweiten Teil von „Fluch der Karibik“ war ein Marathon. In vollem Tempo über die Länge eines Footballfeldes – und das kostü­miert, 50

auf einer Sandbank und im Wasser. Zu ­sagen, diese Szene war für Herz und Hirn anstrengend, ist eine Untertreibung. Aber von der Kreativität her bot die Szene phantastische Möglichkeiten. Meine Partner Thomas DuPont und Mark Wagner und ich hatten zwar die Vorgaben aus dem Drehbuch, aber darüber hinaus gab es nach dem Fallen der Klappe nur eine Ansage: „Burschen, gebt richtig Gas.“ Grob geschätzt: Wie viele Kämpfe haben Sie schon hinter sich? Himmel, wo soll ich anfangen zu zählen? Wenn ich die Liveshow in Disney World dazurechne, wo ich täglich gekämpft habe, sind es etliche tausend. Was macht einen guten Kampf zu ­einem hervorragenden? Die Choreografie braucht einen Wow!Faktor, vielleicht mit Elementen, die bis­ her noch nie zu sehen waren, oder dank akrobatischer Einlagen. Wenn du dann mit deinem Partner loslegst, ist es wie beim Tanzen: Eines fügt sich zum andern, jeder Säbelhieb, jedes Ausweichmanöver, jeder Salto passiert in perfektem Timing, es fließt richtig, und wenn du fertig bist, weißt du, dass es nicht hätte besser sein können. Kommt dann der Regisseur strahlend gelaufen und sagt: „Mein Gott, so etwas Tolles habe ich noch nie gesehen …“, hilft das natürlich auch. (Lacht.)

Bilder: David Clerihew, Kobal Collection (2)

Geboren: 1967 in Miami, Florida/USA Zu sehen in: „Die Maske des Zorro“, „Starship Troopers“ und „Fluch der Karibik“ beim Fechten, in Prügelszenen und was sonst alles dazu gehört.

Tony Angelotti doubelt beim Fechten die Größten – auch Pirat Johnny Depp (Mitte rechts).


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Action

Feuer und Flamme

MARK CHADWICK

Bilder: David Clerihew, Kobal Collection

Geboren: 1961, Ypsilanti, Michigan/USA Zu sehen in: „The Dark Knight“, „The Punisher“ und „Bedtime Stories“, und zwar in die Luft gesprengt und bei lebendigem Leib angezündet.

Marc Chadwick hat in vielen Filmen mit dem Feuer gespielt, auch in „The Dark Knight“ (o.).

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Sie haben ja bereits einen Taurus für Ihre Arbeit im Film „The Punisher“ ­gewonnen. Ja. Dieser Job hat mir gezeigt, wie sich die Technologie entwickelt hat und man trotz all der Explosionen heil bleiben kann. Ich musste in diesem Film auf fünf Propangasbomben stehen. Vorher sagte ich im Scherz: „Tatsächlich? R ­ eicht nicht eine?“ Sie haben auch Erfindungen auf dem Gebiet der Feuerstunts gemacht. Ich habe die Technologie nur weiter­ entwickelt. Als ich in meinem Job anfing, ­beruhte eine Menge der Abläufe auf Aberglaube, nicht auf Wissenschaft. Man hat etwa den ganzen Körper mit Babypuder bestreut, weil man dachte, wenn du schwitzt, verwandelt sich der Schweiß in störenden Dampf. Verrückt und völlig ­unwissenschaftlich. Wenn dir in den Flammen so heiß wird, dass dein Schweiß verdampft, bist du tot. Was geht schief, wenn etwas schiefgeht? Es heißt: Sind Feuerstunts gut, sind sie sehr gut; sind sie schlecht, können sie schrecklich ausgehen. Es gibt Momente, in denen du weißt, jetzt sollten die Flammen verlöschen, doch die Sicherheitstruppe ist noch fünf Sekunden weit weg. Da kannst du nicht viel machen, musst einfach deinen Fluchtreflex überwinden, ruhig bleiben und warten, bis man dich löscht. Da kommt die Routine ins Spiel. Hilft Erfahrung? Feuer ist gut beherrschbar. Stellen Sie sich vor, Ihr Arm brennt. Senken Sie ihn jetzt, schlagen die Flammen womöglich ins ­Gesicht. Heben Sie ihn hoch, wandert das Feuer zu den Fingern. Halten Sie ihn horizontal und bewegen ihn vor und zurück, bleiben die Flammen ziemlich genau dort, wo Sie sie haben wollen. Mit meinem stark isolierten Anzug kann ich gleichsam zu Menschen sprechen, zu Stuntmen, manchmal zu Schauspielern, und ihnen erklären, was jetzt passieren wird, wie ­etwas funktioniert, was sie im Voraus bedenken sollten. Welche Schauspieler haben Sie schon angezündet? Vince Vaughn in „Be Cool“; er hat recht nett gebrannt. Und Criss Angel ein paar Mal in seiner Show. Letzte Woche habe ich meine Frau angezündet – sie ist eine Stuntwoman. Sie stand neben einer Naph­ tha­lin-Bombe und kam brennend aus den Flammen. Wir haben vorher detailliert ­darüber gesprochen, was sie erwartet. Grundsätz­lich versucht man so viele Informationen weiterzugeben wie irgend möglich, dann ist es klar und ganz einfach. Wer ging einfacher in Flammen auf, Ihre Frau oder Vince Vaughn? Vince Vaughn, keine Frage. (Lacht.)


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Action

Schnelle Lady

DEBBIE EVANS

Bilder: David Clerihew, Kobal Collection, Rex Features (3)

Geboren: 1958 in Long Beach, Kalifornien/USA Zu sehen in: „The Matrix Reloaded“, „The Fast and the Furious“, „Mr. & Mrs. Smith“ und „Wanted“ – und dabei immer auf der falschen Seite des Highways unterwegs, wenn sie nicht gerade um Kurven driftet oder Autos aufs Dach legt.

Stunts auf zwei oder vier Rädern gefällig? Call Debbie Evans, sie kommt ohne Bremsweg aus.

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Wie lange sitzen Sie schon hinterm Lenkrad? Ich bin schon mit sechs Motorrad gefahren. Mit elf habe ich ein Einrad bekommen. Am nächsten Tag fuhr mein Vater zur Arbeit, und als er abends heimkam, bin ich ihm auf dem Einrad entgegen­ gefahren. Normale Wheelies mit dem Fahrrad waren überhaupt kein Problem – ich hätte stundenlang so fahren können. Einmal habe ich sogar einen Wettbewerb am Sunset Beach gewonnen. Meinem Vater hat am meisten gefallen, wenn ich die Burschen besiegt habe: Da hat er sich schiefgelacht. Stunt-Arbeit ist schon für Männer hart. War es schwierig, als Frau in diesem Gewerbe Fuß zu fassen? Es hat eine Weile gedauert, bis ich akzeptiert wurde. Sogar heute muss ich manchmal noch beweisen, dass ich die Richtige für den Job bin: nicht meinen Kollegen, aber der Filmcrew, die da bisweilen ihre Zweifel hat. Doch ich hab da eine Taktik: Ich sage gar nichts, lächle einfach und lass sie zweifeln. Und dann zeig ich’s ­ihnen. (Lacht.) Welcher Stunt wird Ihnen ewig in Erinnerung bleiben? Im Film „The Fast and the Furious“ musste ich mich bei einem Sattelschlepper mit dem Auto zwischen Zugmaschine und Anhänger hineinzwängen und mich hinterher überschlagen. Der Lkw hatte keine Sicherungsbügel vor den Hinterrädern – hätte ich einen Fehler gemacht, wäre ich überrollt worden. Aber wenn du so einen schwierigen Stunt zeigst, bist du unterwegs wie in einem Tunnel. Ich lasse die Bewegungen im Kopf immer und immer wieder ablaufen, bis ich sehe, wie alles ­passiert. Und wenn es nicht flutscht im Kopf, dann weiß ich, dass da irgendwo noch etwas korrigiert gehört. Das ­Schwierige an diesem Stunt war: Ich musste ihn drei Mal absolvieren. Nach dem ersten Mal gab’s Mittagessen. Und beim zweiten Mal war ich ein bisschen überhastet: Irgendwie fühlte es sich unter dem Lastwagen plötzlich sehr eng an – da war wohl zu wenig Adrenalin im Spiel. War’s beim zweiten Mal einfacher? Wenn du eine Verfolgungsszene drehst, folgst du einer bestimmten Ideallinie oder merkst dir die Kurven. Dann weißt du, was dich erwartet. Unter einem Sattelschlepper durchzuschlüpfen ist ins­ gesamt schwieriger. Beim zweiten Mal waren wir schneller, und der Lastwagen schlingerte, es war also wie tanzen: Ich musste den idealen Moment abwarten, dann rüberziehen und unten durch. Es war ziemlich wild.


action

Taurus d Worl Stunts d Awar

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Action

Hoch hinunter

BOB BROWN

Bilder: David Clerihew, Taurus World Stunt Awards (2)

Geboren: 1958, San Mateo, Kalifornien/USA Zu sehen in: „Terminator 2: Tag der Abrechnung“, „Die Maske“, „Waterworld“ und „Face/Off“ beim Springen von Klippen, Gebäuden und durch offene Fenster.

Bob Brown ist am liebsten in Action – hier beim Taurus-Live-Stunt im Jahr 2002.

Die besten Videos der Stunt-Helden auf:­ redbulletin.com/stunts/de

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Sie waren zuerst Turner? Und dann Wasserspringer. Das Training am Trampolin war die Basis von allem, was ich je gemacht habe. Es hat sehr viel mit Wasserspringen gemeinsam – da geht es um kinästhetische Wahrnehmung, den richtigen Radius und ein profundes Verständnis von Drehungen und Salti. Wenn du Wasser- und Trampolinspringen kombinierst, ist das großartig. Du wirst dann ein lebendes Objekt der Physik. Inwiefern hat diese Kombination Ihr Repertoire als Stuntman erweitert? Ich bin Stuntkoordinatoren immer in den Ohren gelegen mit meiner Idee, dass ich aus großer Höhe Salti und Überschläge machen kann, die den Sprung so aussehen lassen, als hätte man ihn nicht unter Kontrolle. Das würde besser aussehen als fade Geradeaussprünge. Schlussendlich durfte ich das einmal vorzeigen. Manchen Koordinatoren – etwa dem legendären Ronnie Rondell, auch ein Ex-Wasserspringer – gefiel das dann sehr gut. Und schon war ich der „High Fall Guy“. Die herausforderndsten Sprünge? Einen davon machte ich zwei Mal, für den Film „Rage“ und für eine MTV-Show namens „Senseless Acts of Video“. Ich flog dabei mit einem Helikopter über einen 150 Meter hohen Wolkenkratzer und sprang auf dessen Dach – 55 Meter unter mir –, auf einen Airbag. Beim ersten Mal hätte ich den Airbag beinahe verfehlt, ich kam ganz links auf, nur zwei, drei Meter vom Rand. Damals hatte ich gerade einen anderen Job, ich doubelte Billy Baldwin in Florida, und bin extra für diesen Sprung angereist, und dann hätte ich es fast verschissen. Zwei Jahre später hat mich MTV gefragt, ob ich den Stunt wiederholen wolle. Die hatten von diesem Sprung gehört, und dieses Mal habe ich es bombensicher hingekriegt. Einen berühmten Sprung haben Sie auch für Red Bull inszeniert … … bei den Taurus World Stunt Awards 2002. Ich wollte eigentlich weg von den extremen Dingen, wo du dir richtig weh tun kannst, aber da gab es diese eine Idee, die ich immer schon durchziehen wollte: angezündet durch ein Zimmer rennen und dann durch ein geschlossenes Fenster eines Hochhauses springen, mindestens aus dem 20. Stockwerk. In einem Film konnte ich diesen Trick nie herzeigen, weil mir niemand die dafür notwendige Vorbereitungszeit zugestehen wollte. Aber Dietrich [Mateschitz] sagte: „Mach, was du willst – produziere es, führe Regie, du darfst dafür auch ­deine eigene Crew mitbringen.“ Das war mein radikalster Job, alle verrückten Elemente verpackt in einen Stunt.


Taurus d Worl Stunts d Awar

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Einmal Amerika

Die bemerkenswerte Geschichte von The Cheek und GoldieLocks beim Festival South by Southwest in Austin, Texas. Text: Nick Amies, Bilder: Jamie-James Medina

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„All right, Austin“

, krächzt de

e. „We are The r Typ auf der Bühn

Wie ein Ufo glüht die hell leuchtende Bühne zwischen den adretten Einfamili­ enhäusern und Carparks von Downtown Austin, Texas. Die Schaulustigen, die das gespenstisch pulsierende Licht und der mit nichts Irdischem erklärbare Krach zum Red Bull Moontower gelockt haben, staunen wie hypnotisiert, gefasst auf den unvermeidlichen Moment, in dem sich Aliens in einem wabernden Nebel mate­ rialisieren, der sich in den letzten Minu­ ten über ihr Viertel gelegt hat. Tatsächlich löst sich ein Wesen aus der Backstage-Luftschleuse. Und als sich der Nebel aus Trockeneis verflüchtigt, entpuppt es sich zur allgemeinen Über­ raschung als weitgehend menschlichen Ursprungs. „Alles klar, Austin?“, krächzt das Wesen. „Wir sind The Cheek, und meine Stimme ist im Arsch.“ Wir spulen fünf Tage zurück. Die ostangelsächsischen Pop-Punk-Schlitzohren The Cheek erreichen Texas mit substan­

Cheek and my vo

ice is f***ed.“ Da

nn legen sie los.

ziellem Schlafdefizit und stattlichem Hangover. Ziel: das Festival South by Southwest (SXSW). Vor nicht viel mehr als 24 Stunden hat das Quintett aus Suf­ folk einen durchgeknallten Tokio-Trip be­ endet, danach einen surrealen Mini-Stopp in der britischen Heimat eingelegt, und jetzt tut es sich in Austin um. Der erste volle Austin-Tag der Cheek ist der Mitt­ woch. Sie haben zwei Shows vor sich. Das Umfeld ist ausgesprochen selt­ sam. Austins Lower East Side versammelt in dieser Frühlingswoche das gesamte Spektrum menschlicher Daseinsformen: Indie-Kids neben Rockfans neben XL-Fa­ milien neben platinblonden Cheerleadern in Stilettos und hautengen Sommerkleid­ chen. In seinem zweiundzwanzigsten Jahr hat sich SXSW von einem schrägen Cowboy-und-Blues-Festival zu so etwas wie dem unehelichen Kind der PopkommMesse und des Melt!-Festivals gemausert. Tagsüber diskutiert die hohe Industrie hin­

ter verschlossenen Konferenzraumtüren die Zukunft von Musik, Film und Multi­ media, während draußen der Nahkampf mit Fans und Konsumenten gepflegt wird – Magazine, Plattenlabels und Sponsoren schmeißen Partys und Showcases mit den heißesten Neuentdeckungen und dem neuesten Material etablierter Acts. Zum wirklichen Leben erwacht das SXSW bei Nacht. In den Straßen flirrt dann die Luft vom Duell der Straßen­ bands um Aufmerksamkeit und vom ­Geschnatter der Massen in den brechend vollen Bars, die an den offenen Fenstern nach ein bisschen Sauerstoff schnappen. Alles und jeder hier ist überzogen vom süßlichen Duftgemisch aus billigem Fusel und fettem Fast Food, bestens konser­ viert von der Dunstglocke texanischer Luftfeuchtigkeit. Am Gehsteig vor dem BD Riley’s, ei­ nem der vielen Irish Pubs auf der East Sixth, wirken The Cheek wie ein Haufen 59


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Studenten, die viel zu früh viel zu heftig abgefeiert haben. Es fällt schwer, sich die­ se in den Asphalt sickernden fünf Häuf­ chen Elend als jene Band vorzustellen, die im vergangenen Jahr beim Underage Festival fast im Wortsinn das Partyzelt weggefegt hat, die als Headliner der Lake Stage am Latitude 2008 eine Rekordzahl an Crowd-Surfern aufweisen konnte und die vom „NME“, dem berühmten „New Musical Express“, für ihre zweite und durchaus wüste Single kritischen Respekt und eine Nominierung zur Platte der ­Woche erntete. Jetzt tragen The Cheek mit giftigem Schweiß getränkte T-Shirts, die aussehen wie aus der Altkleidersammlung geborgt. Und sie haben ausreichend damit zu tun, das Mittagessen im Magen zu behalten. „Als wir zum ersten Gig gefahren sind, hat uns der Jetlag-Hammer getroffen“, sagt Thom Hobson, der lakonische Bas­ sist der Band. „Aber irgendwie haben wir uns aufgerafft. In einer Stunde geht’s weiter.“ Die angesprochene Performance, ein kurzes Set auf einer Industry Party am anderen Ende der Straße, geriet mit Hilfe einer defekten Tonanlage und eines lustlosen Publikums, das sich mehr für das Geschehen auf seinen BlackBerryDisplays als für jenes auf der Bühne inter­ essierte, zum Desaster. Für ihren SXSWShowcase müssen The Cheek nun alles mobilisieren. Wo sie die Energie zum Performen hernehmen wollen? Thom ­reagiert, als hätte man ihm die dümmste Frage der Welt gestellt: „Oh Mann, aus der Musik natürlich.“ Die Musik setzt die Band tatsächlich unter Strom. Als sie im BD Riley’s den Opener „Just One Night“ anreißen, ha­ ben sich jene, die eben noch wie Schein­ tote auf dem Bürgersteig lungerten, in ein Quintett zuckender Wahnsinniger verwandelt. Punkige Posen, die Augen weit aufgerissen, die Gesichter verzerrt, auf ihre Instrumente eindreschende Gi­ tarristen, ein ekstatisch tanzender Sänger Rory Cottam: Es ist erstaunlich, dass die Show auf der esstischgroßen Bühne ohne gröbere Verletzungen zu Ende geht. Unterdessen werden immer mehr Menschen angezogen von der Mischung aus aufgedrehter Exzentrik und schlecht gelaunten Riffs, die schon eine Reihe ­britischer Sonderlinge von XTC bis Blur zu Helden gemacht hat. Als Rory beim Schlusssong „Slow Kids“ ins offene Fens­ ter des Pubs klettert und für die Passan­ ten eine Show abzieht, wird offensicht­ lich, dass The Cheek ihre Hausaufgaben im Pflichtfach Rocktradition gemacht ha­ ben. Denn nichts freut die geneigte Menge mehr als die Aussicht auf den Bauchfleck 60

Das Leben der Rockstars in der SXSW-Austin/ Texas-Edition. The Cheeks und GoldieLocks schwärmen bei Sonnenaufgang: „Es war der Hammer.“


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„Der Kleine Panda ist das aktuell gültige Rock-AccesoireTierchen. Affen sind so … Achtziger.“ eines abenteuerlustigen Frontmanns, direkt vor ihren Augen. Obwohl der Sänger un­ versehrt bleibt, überbringt die explo­sive und vollkommen unverantwortliche Thea­ tralik der Schlusssong-Performance die gewünschte Botschaft: Rory mag zwar keine elegante Landung am Asphalt hin­ gelegt haben, dafür sind The Cheek in den Herzen der Zuhörer angekommen. Tags darauf hängen The Cheek apa­ thisch im Gartenmobiliar des Red Bull House, das die Band während des Festi­ vals gemeinsam mit der aufstrebenden Dubstep/Grime-Sensation GoldieLocks bezogen hat. Es ist ihr erster freier Tag, und keiner weiß, was tun und wo. Den unter Schlafentzug leidenden Gehirnen geziemend, ist die Unterhaltung bizarr und bruchstückhaft. Sie reicht von einem kurzen Exkurs über den Kleinen Panda als „das“ Rock-Accessoire-Tierchen – ­„ Affen sind sooo … Achtziger“, sagt Ali Bartlett, tiefsinniger Drummer von The Cheek – bis zur Diskussion, ob es bei einem Fotoshooting cool rüberkäme, halbnackt in Skimasken zu wresteln. GoldieLocks ist in diesem Ambiente die Antithese der aufgewühlten Border­ line-Persönlichkeit der Band. Herausge­ putzt mit Sommerkleidchen, stylischem Filzhut und riesigen Sonnenbrillen, lässt sie im Schatten einer Birke die Seele ­baumeln, als wäre sie Ehrengast auf der Yacht eines griechischen Reeders. Die junge Engländerin wirkt völlig unbeein­ druckt von den Reisestrapazen oder der Aussicht auf ihre erste richtige ÜberseeShow. „Ich habe schon mal in New York gespielt“, näselt die Rapperin und Produ­ cerin, „aber das hier sind meine ersten echten US-Gigs.“ Neben ihrem SXSWShowcase und ihrem samstägigen ZweiUhr-morgens-Auftritt auf der Red Bull Moontower Stage wird GoldieLocks ein DJ-Set bringen. „Ich habe nur vier CDs mit“, sagt sie lässig, „das muss wohl rei­ chen.“ Angesichts der Tatsache, dass sie bereits für Mutya Buena und die Mitchell 61


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Brothers remixt hat und ihre eigenen Songs auf ihrer MySpace-Seite schon fast eine Million Mal angeklickt wurden, wird sich das Publikum darüber wohl keine allzu großen Gedanken machen – zumal bei dieser Lady gute Vibes im Preis inklu­ diert sind. Schon bald findet ein jeder wieder Kraft zum Feiern, woran ein Aufgebot ­lokaler Promis und internationaler Party­ people großen Anteil hat. Kaliber wie Lady Sovereign und Daisy Lowe reiben ihre Schultern an dem komischen Kauz, der am Highway 71 eine Stripshow ­betreibt, und einem Typen, der wie ein Hell’s Angel aussieht, der zweimal falsch abgebogen ist. Im feuchten Nebel und der verschwitzten Dunkelheit verschwim­ men Gelächter und eine Unmenge unter­ schiedlicher Sprachen und Akzente, die Stimmung steigt, die Hemmungen fallen. Am Freitag steht ein Besuch bei einer Erscheinungsform wirklich traditionellen texanischen Lebens an: einem Schieß­ platz. Der Einsatz diverser Schießeisen wird freilich auf den nächsten Tag ver­ schoben, eine kluge Entscheidung ange­ sichts allzu vieler zittriger Hände nach der eben erst überstandenen Partynacht. GoldieLocks entschwindet, um sich für ihre erste Show des Tages vorzuberei­ ten. Alle anderen sind für abhängen und dann nachkommen. GoldieLocks’ Gig in der Beauty Bar, ­einem Venue, der wie ein Fünfziger-­ Jahre-Haarsalon designt ist, läuft prima. „Dafür, dass ich sagen könnte, ich habe Amerika gerockt, war die Masse vielleicht nicht ausreichend repräsentativ, aber sie waren voll dabei“, sagt GoldieLocks. „HipHop aus dem Süden ist ziemlich basslastig, so wie Grime und Dubstep, drum sind sie ziemlich reingekippt, denke ich.“ Auf die Frage, ob es sie irgendwie beeinflusst, dass jede Menge Entschei­ dungsträger der Industrie bei den SXSWGigs dabei sind, antwortet sie typisch entspannt: „Ich spiele für die Fans, nicht für die Anzugtypen. Das macht einfach Spaß. Vielleicht treffe ich andere Künst­ ler, mit denen sich eine Zusammenarbeit ergibt, aber der Hauptgrund, warum ich da bin, ist einfach, um zu performen.“ Am späteren Abend rollen drei Fünftel der Cheek beim Showcase des „Billboard“Magazins an, zum exklusiven AkustikKonzert von Graham Coxon. Nach einer intimen halben Stunde in Gesellschaft des Blur-Gitarristen und sieben seiner neuen Songs sind Rory und Thom vor Ehrfurcht erstarrt. „Wie geil war das denn?“, so der Sänger rhetorisch. „Abso­ lut scheißgenial“, fügt der Bassist hinzu. Als aus Freitag Samstag wird, fahren 62

Charlie, soeben noch am Totenbett, kriegt am Ende sogar das Mädchen. Ja, das ist die heilende Kraft der Musik. The Cheek kriegen eine wichtige Lektion in TexasKunde verpasst: Shooting Range! Ganz Austin ist während des SXSW auf den Beinen. Fast ganz Austin (siehe links).

die kompletten Cheek mit GoldieLocks und dem Rest der Entourage am Red ­River bei Lady Sovereigns Gig im Club de Ville vor. Es folgt eine lange, chaotische Nacht, die unter anderem eine ausge­ dehnte Crowd-Surf-Periode sowie Thoms Erstürmung der Bühne am Ende der Black-Lips-Show einschließt. Eine halbe Stunde vor Stagetime am Moontower zeigen The Cheek dann ­wieder beträchtliche Verschleißerschei­ nungen. Ein kränkelnder Charlie hat sich in einen wenig schmeichelhaften, viel zu großen Kapuzenpulli gewickelt und nimmt einen weiteren kräftigen Schluck Hustensaft. „Mir geht’s dreckig“, brummt er aus einer Wolke von Tourgrippe her­ vor. So sieht er auch aus. Die Band hat sich die ganze Woche lang gegen das ­Unvermeidliche gewehrt, doch schluss­ endlich hat Letzteres die Oberhand be­ halten. Am Samstag ist die große Nacht, ein Blick auf den maroden Gitarristen lässt aber Zweifel daran aufkommen, ob es die Band überhaupt bis hinter die Mi­krofone schafft. Nach allem, was bisher


bild: Rex Features

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geschehen ist – dem Feiern, den Auftritten, dem konstanten Kulturschock –, sehen The Cheek aus, als gehörten sie eher ins Bett als auf die Bühne. Aber wie schon fünf Tage zuvor, als sie, innerlich noch auf Tokio-Zeit gepolt, in einem Irish Pub an der Austin Street alles aus sich heraus­ holten, gelingt es ihnen auch diesmal. Dunkelheit hängt über der Bühne, nur von einzelnen psychedelischen Lichtern durchrissen, als sich The Cheek durch ihre ersten paar Songs schnaufen, bis sie beim eingängigen „You Let Me Go“ Boden unter den Füßen bekommen. Als der ver­ zweifelte Appell „Give Me Your Hand“ über die Zuschauer rollt, steigern sich die Jungs zur Bestform. Sogar Charlies Stimme hält bis zum Ende. Die Burschen pushen sich mit entschlossenem Körpereinsatz zu ei­ nem weiteren großen Finale, ehe sie Aus­ tin in eine gute Nacht entlassen. Als GoldieLocks die frühen Morgen­ stunden mit einem Hauch lässiger Ab­ geklärtheit würzt, lässt sich die Menge ­begeistert mitreißen. Die Sängerin be­ arbeitet das Publikum mit Wellen von ­erderschütternden Bässen und frechen Reimen und hat bald ein Meer hochge­ streckter Hände vor sich. Der Triumph ist ihr praktisch nicht mehr zu nehmen, als sich die Staatsgewalt einmischt. Auf ein­ mal umringt ein Geschwader von Strei­ fenwagen voller mürrischer Cops den ­Venue, das Ende der Veranstaltung wird über Lautsprecher bekanntgegeben. Die Musik ist aus, die Party noch lange nicht: Heim­gehen will noch keiner, und die Aufforderung, „sich zu zerstreuen“, wird ignoriert. Der Großteil der Menge hängt noch gemeinsam bis zum Sonnenaufgang ab, erst dann verabschiedet sich das briti­ sche Kontingent in Richtung Heimat. „Das war ein tolles Festival“, sagt Christian, „du kannst herumlaufen, ohne dich umzusehen, und glaubst, du bist in Reading oder in Glastonbury, aber wenn du aufschaust, sind rund um dich all die­ se Wolkenkratzer und diese wuchernde Riesenstadt. Es ist irre.“ „Allein diese ganzen Bands und diese Venues auf einem Fleck zu haben haut dich um“, lässt Thom unter einer mäch­ tigen Fischerkappe heraus vernehmen. „Das ist wahrscheinlich der beste Platz, den man sich für ein Festival in der Stadt vorstellen kann. Es war der Hammer.“ Die Unpässlichkeiten sind vergessen, The Cheek feiern, und Charlie, gerade noch am Totenbett, kriegt in einem holly­ woodreifen Ende sogar das Mädchen. Jaja, die heilende Kraft der Musik. Das texanische Foto-Tagebuch von GoldieLocks: redbulletin.com/sxsw/de www.redbullmusicacademy.com

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bild: Jörg MItter/Red Bull Photofiles

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La Monumental Plaza de Toros México, die größte Stierkampfarena der Welt: 42.000 Fans verfolgten in Mexico City die Red Bull X‑Fighters in Action.


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El NiÑo über Mexiko

Ein Siebzehnjähriger schrieb in Mexico City Geschichte. Levi Sherwood gewann Red Bull X-Fighters – und begründete damit vielleicht eine neue Ära im FMX-Sport. Text: Alex Lisetz


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Levi Sherwood punktet bei seinen Tricks mit extremer Überstreckung. „Ein alter Mann wie ich“, sagt Deutschlands FMXStar Busty ­Wolter, „würde sich da die Schultern auskegeln.“

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„Un,

dos, tres“, sagt Eigo Sato, hält einen, zwei, drei Finger in die Kamera und spannt ein sehr diszipliniertes Lächeln übers Gesicht: „Cadena tres.“ Die TV-Reporterin ist zufrieden mit der Grußbotschaft von Japans FMX-Legende an ihre Seher, streckt den Daumen in die Höhe. Eigo wirkt hingegen eher verwirrt. Es ist ein wenig die Szene, die man aus „Lost in Transla­ tion“ kennt, nur mit umgekehrten Vorzeichen, und sie findet in der Plaza de Toros von Mexico City statt, der größten Stierkampfarena der Welt, dem Schauplatz des Red Bull X-Fighters-Saisondebüts 2009. Im Korral stehen heute statt Kampfstieren aufgebockte Motorrad­torsos. In den leeren Wassertränken liegt Werkzeug. Und durch die für schmalhüftige Toreros dimensionierten Nischen in den weißgetünchten Mauern quetschen sich gut im Futter stehende Reporter und wichtige Fragen: wie Mat Re­beaud mexikanisches ­Essen schmeckt, zum Beispiel. („Gut.“) Oder was Adam Jones den Fernsehzuschauern in ­Japan ausrichten möchte. („Schöne Grüße.“) Erschwerenderweise macht der Stress des anstehenden Saisonstarts die absolut besten FMX-Piloten

„Mat ist ein Vorbild, ich habe viel von ihm gelernt.“

bilder: flohagena.com/Red Bull Photofiles (2), Balazs Gardi/Bull Photofiles

Levi Sherwood

der Welt zu den ziemlich schlechtesten Interviewpartnern der Welt. Die Höflichen, Zurückhaltenden wie Petr Pilát oder Thomas Pages präsentieren sich vor TV-Kameras so locker wie Entführungsopfer. Ein Alphatier wie Mat Rebeaud gibt sich mit Worthülsen zufrieden. Und Cameron Sinclair, üblicherweise dank eines erstklassigen Testosteronspiegels insgesamt nicht auf den Mund gefallen, zeigt Kommunikationstalent wie ein Buchhalter. Nur einer plaudert, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan: Levi Sherwood, Neuseeländer, 17, Frohnatur mit Pickeln und Dauerlächeln. Als „easygoing, aber unglaublich zielstrebig“ beschreibt ihn sein Vater Dave. Seine Freude darüber, „wie geil es ist, an Red Bull X-Fighters teilnehmen zu dürfen“, nimmt man Levi ehrlich ab. Sherwood schraubt an seinem Motorrad herum, bringt Flip Levers an, tauscht die Federgabel gegen eine mit längerem ­Federweg aus. „Du hast mehr Vertrauen in dein Bike, wenn du alles selber gemacht hast“, sagt er. Alle halten das hier so. Manche basteln allein wie Eigo Sato, andere im Team wie Petr Pilát (sein Mechaniker ist nebenbei auch sein Vater) oder Andrè

Villa. „Meine Mechanikerin, mein Mental Coach, meine Freundin“, stellt er Micha vor. Micha ist blond, ungefähr so hübsch wie die gesamte Finalmannschaft von „Germany’s Next Topmodel“ zusammen und ähnlich selbstbewusst. „Angst um Andrè? Niemals“, sagt sie und verdreht theatralisch die Augen, „ich weiß ja, dass er alles unter Kontrolle hat.“ Bei Mat Rebeaud ist das gerade nicht der Fall. Er hat ein falsches Motorrad geliefert bekommen, er will ein Ersatzmodell, er ist wirklich übel gelaunt. Und er ist nicht der Einzige, der ein Problem hat: Dany Torres hat Luft im Lenkungsdämpfer, Jeff Fehr keine in den Lungen: Er kämpft mit Atemproblemen, die dünne 2200-Meter-Luft tut ihm nicht gut. „Passt mir auf Levi auf“, sagt Rebeaud, „wenn er die Nerven behält, kann er für eine Überraschung sorgen.“ Mat ist so etwas wie der Mentor von Levi, er hat ­gemeinsam mit ihm trainiert, er hat ihm seinen M ­ anager Russell Stratton vermittelt und ihm etliche Tricks beigebracht. Zu diesem Zeitpunkt hält man Mats Prognose für eine nette, aufmunternde Geste des großen Champions an den kleinen Rookie. Donnerstagmittag nehmen die Fahrer erstmals den Kurs unter die Räder. Die Stimmung unter den elf Fahrern ist gedämpft, weil sie eigentlich zwölf Fahrer sein sollten. Vor einem Jahr hatte Jeremy Lusk hier mit ihnen herumgeblödelt, vor sechs Wochen ist er in Costa Rica nach einem missglückten Hart Attack Indian Air Backflip und einer Woche im Koma gestorben. Red Bull X-Fighters wird der erste große Event nach dem Unglück sein. Keinen der Fahrer lässt das kalt. Dass man sich einen verdammt riskanten Job ausgesucht hat, will aber keiner an sich ranlassen. „Unfälle können immer passieren“, sagt Mat Rebeaud, „dann dürfte man ja auch nicht mehr Auto fahren.“ Seine Ziele für Mexico City hat er dennoch niedrig gesteckt: „Spaß haben. Und nicht stürzen.“ Daraus wird schon beim ersten Trainingslauf nichts. Mats Motor hat just in der Absprungphase zu einer Backflip Combo einen Aussetzer, er kommt zu Sturz und muss die restlichen Trainingsläufe mit bösen Rückenschmerzen absolvieren. Doch Rebeaud ist einer, der bei Problemen zur Hochform aufläuft: Er gewinnt das Qualifying vor Eigo Sato und Thomas

„Levi wird es mir schwermachen, den Gesamtsieg zu verteidigen.“ Mat Rebeaud

Pages. Auf Platz vier springt Levi Sherwood, die Hände am Lenker, die Beine wie bei einem Handstand senkrecht in der Luft. Tsunami nennt man diesen Trick – und Sherwoods Interpretation davon ist für den Deutschen Busty Wolter, der letztes Jahr selbst hier fuhr und heuer als Event-Reporter unterwegs ist, „der beste Trick des Tages“. Rebeaud ist jetzt wieder entspannt genug, seine eigentliche Seite zu zeigen: die des Spaßvogels. Er klettert auf Mauern, er formt mit den Fingern im Scheinwerferlicht Schattentiere an der Hausmauer, er rülpst herzhaft, als der nervöse Aufnahmeleiter 67


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absolute Ruhe für nächtliche Filmaufnahmen an­ ordnet. Dany Torres ist dagegen, so seine Freundin Christelle, gerade „superschlecht drauf“. Bei ihm heißt das, dass er Kraftausdrücke wie „leider“ und „schade“ verwendet. Und dass er ganz leise seufzt, als ihn der Fahrer seines Shuttlebusses nach halbstündiger Irrfahrt in eine falsche Tiefgarage führt. Er kann wegen der Probleme mit seinem Bike die Hälfte seiner Tricks nicht springen und ist verzweifelt darüber, bleibt aber nach außen hin die Liebenswürdigkeit in Person. Mit Christelle erwartet er gerade ein Baby, „genau zwischen Madrid und London soll es zur Welt kommen“, sagt er und meint das nicht geografisch: Der Geburtstermin liegt zwischen den beiden Red Bull X-Fighters-Events. 24 Stunden später ist Torres nicht wiederzuerkennen. 42.000 Fans sind in die weltgrößte Stierkampfarena geflossen, schwenken nach Stierkampf-Art weiße Taschentücher, feiern die modernen Moto­ reros auf ihren Maschinen. Torres hat das Publikum mit jeder Geste, mit jeder Bewegung in der Hand, seine Sprünge sitzen präzise, seine Show strahlt ­Power und Selbstbewusstsein aus. Nicht nur er, auch die anderen netten Jungs aus dem Fahrerlager haben eine magische Verwandlung mitgemacht. Der schüchterne Tscheche Pilát, gerade mal achtzehn, spielt mit dem Publikum wie ein Popstar, der unauffällige Mexikaner Johan Nungaray wirft nach dem Lauf sein Bike in den Sand und tanzt, schwingt die Hüften, wackelt mit dem Hinterteil. Einige Fans haben Kettensägemotoren dabei, um ihrem Beifall Ausdruck zu verleihen. Man hört nur ein zartes Säuseln, so laut ist es in der Arena. Als Levi Sherwood antritt, ist die Stimmung erstmals am Überkochen: „El Niño“ nennt ihn der Stadionsprecher, „impresionante, impresionante“ bejubelt er jeden seiner Sprünge. Levis Lauf ist perfekt, smooth, abwechslungsreich. Nerven zeigt er erst

„Mit 13 wollte mir mein Vater FMX ver­ bieten, heute ist er mein Mechaniker.“ Petr Pilát

nach Ablauf seiner eineinhalb Minuten: Beim Warten auf die Jurywertung legt er sein Bike mitten auf der Steilwand ab, kann es nicht mehr halten, muss es funkenschlagend runterrutschen lassen. Aber das bisschen zerkratzter Lack ist egal, er ist in der nächsten Runde, und da wartet kein anderer als Mat ­Rebeaud auf ihn. Zwei Mitfavoriten sind zu diesem Zeitpunkt schon draußen: Thomas Pages, Dritter im Qualifying, scheitert an Cameron Sinclair und ist ­darüber unglaublich deprimiert („Ich hab alles verbockt, wie immer, wenn’s um was geht. Was bin ich nicht für ein verdammter Loser“). Dany Torres, ­Mexiko-Sieger von 2007, kommt nicht über die Qualifikationsrunde hinaus. Jetzt warten alle auf das Duell von Mat Rebeaud und El Niño. Doch vorher treten noch zwei große Kaliber im Semifinale an: Cameron Sinclair, das ­tätowierte Muskelpaket vom Metal-Mulisha-Team, 68

Red Bull X-Fighters World Tour 2009 … und so geht’s weiter: 30. Mai, Calgary Wo sonst die Calgary Stampede statt­ findet, die größte Freiluft-Ausstellung der Welt, macht Ende Mai erstmals die größte FMX-Eventserie der Welt Station. ­Local Hero beim neuen Tourstopp in Ka­ nada ist Jeff Fehr.

16./17. Juli, Madrid Gleich zwei Tage lang steht die Plaza de Toros de Las Ventas, die bedeutendste Stierkampf­ arena der Welt, im Zeichen der Red Bull X‑Fighters. Nach seinen Siegen in Mexico City und Warschau will Dany Torres hier ­endlich gewinnen.

27. Juni, Fort Worth Nach dem starken Debüt im Vorjahr gas­ tieren Red Bull X-Fighters zum zweiten Mal in den Fort Worth Stockyards – und mixen FMX-Lifestyle mit Cowboy-Attitü­ de. Ein Heimspiel für Adam Jones und Jeremy Stenberg.

22. August, London Das Red Bull X-Fighters-Saisonfinale geht zum ersten Mal in Großbritannien über die Bühne. Spätestens hier wird nach einer auf­ regenden Saison der Gesamtsieger 2009 ­gekürt werden: Mat Rebeaud, Eigo Sato, Levi Sherwood – oder ein ganz anderer?


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präsentiert als Highlight seines Programms einen ­Saran Wrap Backflip zu Nac Nac, Eigo Sato kontert ­unter anderem mit einem entschlossen durchgezogenen Cliffhanger Backflip. Damit ist Sato, mit dreißig der Älteste im Feld, im Finale. „Ich habe immer ­gedacht, dass verrückte Träume nur jungen Leuten erfüllt werden“, wird er später über den größten ­Erfolg seiner Karriere sagen. Doch gegen wen muss er antreten? Gegen Re­ beaud oder gegen Sherwood, gegen den Meister oder seinen Lehrbuben? Mat Rebeaud packt Indys aus, Tsunamis, Backflips, El Niño legt Cordova Flips dazu, die Arena ist nahe der Ekstase. Dann die Entscheidung der Juroren: Levi Sherwood, der siebzehnjährige Newcomer, hat im direkten Duell den Vorjahrsgesamtsieger ge-

„Ich habe gedacht, verrückte Träume werden nur jungen Leuten erfüllt.“ Eigo Sato

bilder: flohagena.com/Red Bull Photofiles (3), jörg Mitter/Red Bull Photofiles (2)

Einfach ein bisschen rumhängen: Diesen Trick nennt man Tsunami Backflip. Und der Fahrer, der ihn ausführt, ist noch zu jung für den Motorradführerschein. Aber alt genug, um in Mexico City zu gewinnen.

schlagen und steht im Finale seines ersten Red Bull X-Fighters-Events. Die Menge tobt, Levi ist wie in Trance. Er hat erst vor fünf Jahren mit dem FMX begonnen, ist eigentlich der normale Junge von nebenan, der gern skaten geht und „professionelles Sonnenbaden“ zu seinen Hobbys zählt. Zum FMX hat ihn sein Vater Dave gebracht, ein Speedway-Crack mit Boxernase, dem, so sagt er, „immer Levis Selbstdisziplin gefehlt hat“. Die Familienverhältnisse sind kompliziert, Levi hat ein halbes Dutzend Halbgeschwister, sein Halbbruder Ryan ist auch FMX-Rider – sehr zum Missvergnügen von Levis Mum, die deshalb vor Sorge halb umkommt und hofft, dass der FMX-Fimmel nur eine vorübergehende Spinnerei ist. Seit Jahren macht sie Dave Vorwürfe, die Kids zu diesem Sport verleitet zu haben. Doch Levi absolviert das Finale so unbekümmert wie die Vorrunden: Er besticht durch Vielseitigkeit, zeigt Tsunami, Cordova Flip, Indy Ruler Flip, das meiste – sein Markenzeichen – extrem überstreckt. „Ein alter Mann wie ich würde sich da die Schultern auskugeln“, scherzt Busty Wolter. „El Niño, el Niño!“, brüllen ihn 42.000 zu seinem ersten Red Bull XFighters-Sieg. „Das ist der tollste Tag in meinem Leben“, sagt er nachher. „Die Titelverteidigung in der Gesamtwertung wird jetzt schwerer, als ich dachte“, fügt Mat Rebeaud hinzu. El Niño bringt sogar die Siegerinterviews professionell hinter sich. Nur in den Momenten, in denen er sich unbeobachtet glaubt, erkennt man, was gerade in ihm vorgeht: Er schluckt, er muss alle paar Sekunden tief Luft holen, er ist völlig durch den Wind. Levi ahnt, und mit ihm alle um ihn, dass das der erste Schritt zu einer bedeutenden Karriere war, dass er einer der ganz Großen des Sports werden kann. „Na toll“, sagt Vater Dave. „Und wie soll ich das jetzt seiner Mum erklären?“ Red Bull X-Fighters Tour 2009: www.redbullxfighters.com Alle News, die besten Videos, die Blogs der FMX-Stars auf: redbulletin.com/redbullxfighters/de

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Das Grinsen des

Jim Carrey Jim Carrey ist einer der lustigsten Schauspieler der Welt. Ein Blick in den Maschinenraum des Komikers. Und eine Übersicht über seine besten Filme. Text: Christian Seiler, Illustrationen: Gluekit

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Once bitten (Einmal beißen bitte) Regie: Howard Storm Handlung: Am interessantesten an diesem Film ist, wie jung Jim Carrey in seiner ersten Hauptrolle aussah und für welchen Ramsch er sich hergab. Er spielt in dieser Adaption eines Vampirfilms einen High-School-Schüler, der seine Freundin erobern will, jedoch in die Fänge einer Vampirgräfin (immerhin Lauren Hutton!) gerät. Viel Ulk, Gekreische, Blut, am Schluss Sex. Und Schülerhumor. Beste Szene: Jim tanzt mit zwei Girls und wird von einer Hüfte k. o. geschlagen. Grins-Faktor:

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Jim Carrey ist nicht unbedingt ein Vorbild für Kinder, denen man das Grimassenschneiden abgewöhnen möchte. Wenn ihn im Film „Liar, Liar“ (deutscher Titel: „Der Dummschwätzer“), in dem Carrey einen Anwalt spielt, sein Sohn besorgt fragt, ob Grimassen im Gesicht stecken bleiben können, antwortet er: „Ach was. Es gibt Leute, die leben ganz ausgezeichnet davon.“ Jim Carrey ist der Tiger Woods des Grimassenschneidens. Manch­ mal muss er nur die Augenbrauen heben, und das Publikum bricht in Gelächter aus. Meistens ist das aber nur der Anfang: Jim Carrey ist ein Ganzkörpergrimassenschneider. Wenn er erst einmal in Fahrt ist – und das ist er in jedem seiner weit über zwanzig Kinofilme –, breitet sich das Zucken, das ihm von tief innen ins Gesicht gestiegen ist, epidemisch aus, beschleunigt sämtliche Extremitäten, bis sie in einem scheinbar wilden Durcheinander, furioso, auszuschlagen beginnen. Das Beunruhi­ gende daran ist, dass sich niemals ein Ende abzeichnet, bis Carrey am Boden liegt, seine Wohnung, sein Büro, seine Stadt dem Erdboden gleichgemacht hat. Seine Grimassen haben Kraft, ungeheure Kraft. Zerstörungskraft. Großaufnahme. Carrey hebt die Augenbraue. Der Mann, der für eine Hauptrolle besser bezahlt wird als sämtliche seiner Kollegen, musste freilich die buchstäbliche amerikanische Teller­ wäscherkarriere hinlegen, bevor er als hofierter Star in Hollywood landete. Carrey, Jahrgang 1962, wuchs in Kanada auf. Seine Eltern lebten in einem Vorort von Toronto, vier Kinder, die Mutter von Depressionen geplagt und hypochondrisch, der Vater Saxophonist, der sich aus Exis­ tenzangst dafür entschied, Buchhalter zu werden und ein paar Jahre später erst recht seinen Job verlor. Zu sechst hauste die Familie in ei­ nem Wohnmobil auf dem Gelände einer Metallwarenfabrik. Jim ging tagsüber zur Schule und arbeitete nachts als Hausmeister. Er war lustig. In seiner Klasse war er der, der alle unterhielt. Das kam ihm ganz normal vor, denn sein Vater war auch lustig, unterhielt auch alle, außer seiner Familie: die war pleite. Jim, der als Zehnjähriger bereits Auftritte in der „Sesamstraße“ ­absolviert hatte, drängte ins Rampenlicht. Er war ein guter Personen­ imitator, und er konnte erstklassig Grimassen schneiden. Als er sech­ zehn war und die Schule sausen ließ, um sich in den Kellerbühnen To­ rontos als Stand-up-Comedian zu versuchen, ermutigte ihn sein Vater: Er wollte seinem Sohn die Fehler, die er gemacht hatte, ersparen.

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Earth Girls are easy (Zebo der Dritte aus der Sternenmitte) Regie: Julien Temple Handlung: Drei außerirdische Typen mit merkwürdigen Mützen landen ihr Raumschiff in einem Swimmingpool, der zufällig der attraktiven Valerie (Geena Davis) gehört. Die verliebt sich nach seinem Friseurbesuch prompt in Mac (Jeff Goldblum), während Wiploc (Jim Carrey) versucht, das Unvermeidliche mit den pubertärsten Scherzen des Universums abzuwenden. Beste Szene: Wiploc hüftenlocker beim Table-Dance. Grins-Faktor:

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Ace Ventura: Pet Detective (Ace Ventura – Ein tierischer Detektiv) Regie: Tom Shadyac Handlung: Ace Ventura (Jim Carrey) spürt verlorengegangene Haustiere auf. Er kann mit Tieren sprechen und benimmt sich wie sie. Der Film rast dahin wie ein „Tom und Jerry“-Comic. Beste Szene: Als Jim mit Ballettröckchen und Schlingensief-Frisur den durchgeknallten Football-Spieler gibt. Grins-Faktor:

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Bilder: picturedesk (4)

Ace Ventura, Bruce Allm채chtig, Der Riddler, Die Maske

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Action

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The Mask (Die Maske) Regie: Chuck Russell Handlung: Eine Unterweltstory, eine Bankräuberstory, eine Liebesgeschichte, eine Comic-Legende: In Wahrheit ist dieser Film eine totale Versuchsanordnung für die Mimik und die Pointen eines entfesselten Jim Carrey, egal ob er als der Bankangestellte Stanley Ipkiss oder die grüngesichtige Maske auftritt. Am Schluss kriegt er Tina (Cameron Diaz) und schmeißt seine Maske in den Fluss. Schade. Beste Szene: Stanley wird im Nachtklub „Coco Bongo“ von Gangstern gestellt und zaubert eine Batterie von Waffen ans Tageslicht. Grins-Faktor:

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Dumb and dumber (Dumm und dümmer) Regie: Peter Farrelly, Bobby Farrelly Handlung: Die etwas trotteligen Freunde Harry und Lloyd reisen quer durch Amerika, weil sich Lloyd in Mary verliebt hat, die in ein Erpressungsdrama verwickelt ist. Lloyd findet den Koffer mit dem Lösegeld, und gemeinsam machen sich er und Harry in Aspen ein herrliches Leben – das in der Katastrophe enden muss. Klamauk, aber wirklich unterhaltsam. Lustigste Szene: Lloyd verabschiedet sich von Fahrgast Mary, und sie fragt: „Was wäre mit einer Umarmung?“ Dieses Gesicht! Grins-Faktor:

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Jim war wirklich lustig, das bestätigte bald ganz Toronto. Er machte Tom Jones nach und Sammy Davis jr., und der Enthusiasmus, mit dem seine Besucher darauf reagierten, motivierte ihn, das Ganze auch in den USA zu versuchen. Es dauerte nicht lange, bis Jim Carrey auch in Los Angeles als Geheimtipp der Underground-Komikerszene galt. Die Leute kreischten, wenn er mit verstellter Stimme Quatsch redete. Sie klopften sich auf die Schenkel, wenn er die Augenbrauen hob. Sie schrien spitz, wenn er auf James Dean machte. Standing Ovations, jeden Abend. Vermutlich wäre Jim Carrey nicht zum Superstar geworden, wenn er an dieser Stelle nicht nachgedacht hätte, wohin ihn diese Sorte Erfolg führen würde. Nein, sagte er zu sich. Ich will nicht nach Las Vegas. Ich will ins Kino. Er spielte Nebenrollen in TV-Produktionen, trat im Vorprogramm des bekannten Entertainers Rodney Dangerfield auf – und traf eine zweite, denkwürdige Entscheidung: Er verzichtete darauf, Stars zu imi­ tieren. Er wollte, dass die Leute über seine Scherze lachten. Das war mutig, denn seine Karikaturen von Showgrößen waren der Grund, war­ um ihm das Publikum zulief, und das ungeschriebene Gesetz im ShowBusiness lautet: Du kriegst keine zweite Chance. Aber Carrey wollte zeitgenössisch sein, unberechenbar und, ja, ­gefährlich. Er wollte auf der Bühne Witze über die Schmerztabletten reißen, die seine Mutter nahm, und er wollte, dass die Leute darüber lachten. Er wollte eine Stunde lang darüber sprechen, was ihm gerade durch den Kopf ging, und er wollte nicht mehr den Unterkiefer vor­ schieben und „Mr. Bojangles“ anstimmen. Er wollte nicht harmlos sein. Er wollte weh tun. Er sagt, dass er sich bei seinen Auftritten fühlte wie van Gogh: jeden Abend ein Ohr weniger. Aber sobald im Saal die beklommene Ruhe enttäuschter Erwartun­ gen einfuhr, tat Carrey, als würde er seine Frau anrufen: „Nein, Schatz, die Vorstellung läuft großartig, bald müssen wir uns keine Sorgen mehr machen wegen der Ratenzahlungen …“ Gehobene Augenbrauen, rollende Augäpfel. Schon hatte er das ­Pu­bli­kum wieder in der Tasche. Jim bekam eine eigene TV-Show („The Duck Factory“), die nach dreizehn Ausgaben wieder abgesetzt wurde. In „Once Bitten“ („Einmal beißen bitte“) gab er sein Kinodebüt. Francis Ford Coppola besetzte ihn auf einer Nebenrolle seiner Komödie „Peggy Sue Got Married“ („Peggy Sue hat geheiratet“). Die erste Hauptrolle übernahm Carrey 1987 in „Earth Girls Are Easy“ („Zebo der Dritte aus der Sternenmitte“), einem ziemlich fragwürdigen Science-Fiction-Geblödel, irgendwo zwischen B- und C-Movie. Erst als er 1990 bei der Sitcom „In Living Colour“ anheuerte, wen­ dete sich das Blatt. „In Living Colour“ war für Jim Carrey das Sprung­ brett, endlich das Umfeld zu bekommen, das er brauchte, um seine ­Fähigkeiten angemessen ausspielen zu können. Ein zerbeultes Auto mit zerschlagener Windschutzscheibe rast auf die Kamera zu. Links, vom Beifahrersitz aus, lugt ein Hund aus dem Seitenfenster. Er hat weiße Locken und eine Struwwelfrisur. Der Hund lässt die Zunge heraushängen, scheint zu grinsen. Er bellt.

20 Millionen Dollar: Für seinen Film „Die Nervensäge“ bekam Carrey die höchste Gage, die bis dahin ein Schauspieler kassiert hatte. 72

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Batman Forever Regie: Joel Schumacher Handlung: Großer Showdown, den der Riddler (Jim Carrey) mit dem Kumpan Two-Face heraufbeschwört, um die Superhelden Batman und Robin endgültig zu besiegen. Bis zum Misslingen werden sämtliche Handlungsmöglichkeiten ausgereizt, damit der superintelligente Riddler, der Fratzen reißt wie kein Mensch zuvor, seinen Fuß auf Batmans Brust setzen kann. Am Schluss explodiert sein Kopf, weil er zu viel weiß. Kein gutes Omen für Kluge. Beste Szene: Wie der Riddler nach einem großen Solo selbstironisch fragt: „War das nicht ein bisschen zu viel?“ Grins-Faktor:

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The Cable Guy (Die Nervensäge) Regie: Ben Stiller Handlung: Der Fernsehtechniker Chip (Jim Carrey) soll seinem Kunden Steven nur einen Kabelanschluss herstellen, doch stattdessen mischt er sich offensiv in Stevens Leben ein. Intensives Geblödel, niveaulose Scherze, aber auch plötzliche Geniestreiche. Beste Szene: Chip mischt beim Basketballspielen eine ganze Mannschaft auf. Grins-Faktor:

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Liar, Liar (Der Dummschwätzer) Regie: Tom Shadyac Handlung: Der skrupellose und entsprechend erfolg­ reiche Anwalt Fletcher Reede (Jim Carrey) kann nach einem entsprechenden Wunsch seines Sohnes nur mehr die Wahrheit sagen. Auf dem Weg zum Happy End liefert Jim Carrey substanzielle Dialoge, furiose Schauspielkunst und eine neue Qualität des humorvollen Dramas. Beste Szene: Als Fletcher bei der Sitzung aller Anwälte diese wüst beschimpft – und dafür nur beipflichtendes Gelächter erntet. Grins-Faktor:

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action

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Truman Burbank, Lloyd Christmas, Der Grinch

Bilder: picturedesk (3)

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The Truman Show (Die Truman-Show) Regie: Peter Weir Handlung: Am 10.909. Tag seines Lebens bemerkt der Versicherungsvertreter Truman Burbank, dass er seit seiner Geburt Hauptdarsteller einer Reality-Show ist. Er versucht zu fliehen, und wie er das versucht, ist Gegenstand dieser dramatischen Medien­ satire, die nichts Echtes, nur kalkulierte Emotionen vorführt – außer bei Truman selbst, den Jim Carrey extrem zurückhaltend, aber sehr ergreifend spielt. Spannendste Szene: Wie Truman der Beobachtung durch 5000 Kameras mit einem Taschenspielertrick entkommt. Grins-Faktor:

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Rechts, vom Fahrersitz aus, lugt Jim Carrey aus dem Seitenfenster. Er hat eine Schwalbenschwanzfrisur und heißt Ace Ventura. Ace lässt die Zunge heraushängen, grinst unübersehbar. Dann bellt auch er. In der Rolle des Tierdetektivs Ace Ventura schaffte Jim Carrey den Durchbruch. Die Komödie traf den Geschmack des großen, des ganz großen Publikums, und weil sie ganz auf die individuellen Fähigkeiten Jims zugeschnitten war, auf seine oszillierenden Gesichter, auf sein ­katatonisches Gehen, auf sein Talent, noch so banale Szenen in wenigen Augenblicken in ein Tollhaus zu verwandeln, reagierten die Studios mit hysterischer Euphorie. Binnen weniger Monate entstanden die Nach­ folgekomödien „The Mask“ („Die Maske“), ein Hochamt des Gesichter­ schneidens, und „Dumb and Dumber“ („Dumm und Dümmer“), ein gleichzeitig trotteliges, aber auch romantisches und durchaus anrüh­ rendes Roadmovie. Jeder dieser Filme spielte mehr als hundert Millionen Dollar ein. Jim Carrey hatte diesen Erfolg gewollt, er hatte ihn regelrecht be­ schworen. 1990, als Millionengagen für ihn noch absolut außer Reich­ weite waren, hatte er sich selbst einen Scheck ausgestellt, „für geleiste­ te Schauspielarbeiten“. Die Summe lautete auf zehn Millionen Dollar, eine zu diesem Zeitpunkt lächerlich hohe Summe. Einzulösen sei der Scheck, so Carrey zu Carrey, am 23. November 1995, zu Thanksgiving. 1991 starb Jims Mutter. 1994, als seine Karriere gerade richtig in Fahrt kam, starb auch sein Vater. Jim hatte eben einen Vertrag für ­seinen nächsten Film unterschrieben, die Summe belief sich, Zufall?, Fügung?, auf exakt zehn Millionen Dollar. Jim nahm den Scheck, den er an sich selbst ausgestellt und während all der Jahre als Glücksbrin­ ger mit sich herumgetragen hatte, und steckte ihn seinem Vater in die Tasche des Anzugs, mit dem er begraben wurde. Er soll auch dir Glück bringen, Daddy. Jim Carrey spielte den „Riddler“ in der Comicverfilmung „Batman For­ever“ (1995), er legte einen zweiten „Ace Ventura“ („When Nature Calls“, deutsch: „Jetzt wird’s wild“, 1995) nach, und für die Rolle als „Cable Guy“ (deutsch: „Die Nervensäge“, 1996) bekam er die höchste Börse, die bis dahin an einen Schauspieler bezahlt worden war: 20 Mil­ lionen Dollar. Interessant, dass Jim Carrey ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt dar­ über nachzudenken begann, ob er bis ans Ende seiner Tage als Herold der brachialen Pointe, als Scherzkeks um jeden Preis agieren wollte.

Me, Myself & Irene (Ich, beide & sie) Regie: Bobby und Peter Farrelly Handlung: Jim Carrey spielt den Streifenpolizisten Charlie Baileygate, der nach einem Zusammenbruch unter Bewusstseinsspaltung leidet und, sobald er seine Medikamente vergisst, ein zweites Ich, den ekelhaften Hank Evans, zum Vorschein bringt. Irene, eine hübsche Blondine, taucht auf, Charlie und Hank rittern auf aberwitzige Weise um sie, was sich zu einem komischen Doppel-Solo für Jim Carrey auswächst. Keine Überraschung am Schluss, Charlie schaltet Hank aus und kriegt Irene. Beste Szene: Als Hank sich an der Tankstelle mit vier Schlägern anlegt (und mit E‑Schock-Gerät erlegt wird). Grins-Faktor:

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How the Grinch Stole Christmas (Der Grinch) Regie: Ron Howard Handlung: Der Grinch (Jim Carrey) ist ein missmutiges, grün behaartes Geschöpf, das in einer Berghöhle lebt und den Bewohnern des nahen Dorfes Weihnachten vermiesen möchte. Die Story des Kinderbuchautors Dr. Seuss war in den sechziger Jahren zu einem ZeichentrickfilmKlassiker verarbeitet worden, auf dessen Spuren der völlig in seinem Metier befindliche Jim Carrey wandelt. Er ist der Grinch, und das Oscarprämierte Make-up scheint zwischendurch gar nicht mehr vorhanden zu sein. Klar gibt es ein Happy End. Beste Szene: Als der Grinch aufwacht und sich selbst virtuos darin bestärkt, warum es das Beste ist, alle anderen zu hassen. Grins-Faktor:

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Action

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The Majestic Regie: Frank Darabont Handlung: Hollywood in den fünfziger Jahren: Der Drehbuchschreiber Peter Appleton (Jim Carrey), der zu Unrecht verdächtigt wurde, ein Kommunist zu sein, verliert bei einem Autounfall sein Gedächtnis und wird von einer ganzen Kleinstadt für einen vermissten Kriegshelden gehalten. Etwas simpler, sentimentaler Historienfilm. Beste Szene: Peter spielt beim Kleinstadtfest schulterhängend am Piano Rock ’n’ Roll. Grins-Faktor:

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Bruce Almighty (Bruce Allmächtig) Regie: Tom Shadyac Handlung: Der TV-Journalist Bruce (Jim Carrey) trifft Gott persönlich, der ihm darauf für eine Woche Allmächtigkeit überträgt. Mit dieser Macht teilt Jim seine Suppe wie das Rote Meer, lässt Widersacher im Sender blöd aussehen und erfüllt pauschal, was sich die Menschen in ihren Gebeten an ihn gewünscht haben. Beste Szene: Bruce sieht ungläubig mit an, wie Millionen Lotto-Gewinner demonstrieren, weil ihr Haupttreffer nichts wert ist: Er hat sie alle gewinnen lassen. Grins-Faktor:

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Eternal Sunshine of the Spotless Mind (Vergiss mein nicht!) Regie: Michel Gondry Handlung: Um seine Beziehung zu Clementine zu retten, unterzieht sich Joel (Jim Carrey) einer komplizierten Prozedur, die sein Gedächtnis löschen soll – eine Behandlung, die Clementine bereits hinter sich hat. Virtuose Hauptdarsteller (Carrey und Kate Winslet) und ein Oscargekröntes Drehbuch. Beste Szene: Clementine und Joel verbringen eine romantische Nacht auf dem Eis. Grins-Faktor:

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Er wollte nicht. Nach der Komödie „Liar, Liar“ (deutsch: „Der Dummschwätzer“, 1997) ließ sich Jim Carrey auf seine ersten drama­ tischen Rollen ein. In Peter Weirs Mediensatire „The Truman Show“ (1998) gab er, ohne auf seine Qualitäten als Komiker zu setzen, einen Mann (Truman Burbank), der irgendwann bemerkt, dass er von Geburt an Teil einer Reality Show ist. In Miloš Formans „Man on the Moon“ (deutsch: „Der Mondmann“, 1999) übernahm er nach realem Vorbild die Rolle des selbstzerstörerischen Comedian Andy Kaufman. Er spielte gleichzeitig Andy Kaufman und dessen anarchistisches ­Alter Ego Tony Clifton mit beachtlicher Hingabe. „Am Set blieb Jim ­jeden Tag konsequent in einer dieser Rollen“, erzählt Regisseur Miloš Forman in einem Interview. „Als Tony Clifton brachte er beispielsweise stinkenden Limburger Käse mit und beleidigte die gesamte Crew. Das trieb mich anfangs zur Weißglut, doch bald fand ich Gefallen an die­ sem aufregenden Spiel, denn das Ergebnis war phänomenal. Nur den echten Jim Carrey habe ich bei unseren Dreharbeiten nie kennen­ gelernt. Nicht ein einziges Mal!“ Während Jim im öffentlichen Leben Erfolge feierte, den Bogen vom Klamaukhelden zum ernstzunehmenden Schauspieler geschlagen hatte und scheinbar frei aller Sorgen tun konnte, was er wollte, versank er abseits des Rampenlichts in tiefe Melancholie. Sein Privatleben funktionierte nicht. Zwei Ehen scheiterten. Seine Fans feierten Jim Carrey als den lustigsten Menschen auf der Welt, aber er musste sich am Set seiner Filme Taschentücher ausborgen, um die Tränen zu trocknen, die ihm immer wieder unvermutet über die Wangen liefen. Doch er zerbrach nicht an den Depressionen, mit denen er ständig zu kämpfen hat. Wer den Dingen auf den Grund gehen will, sagt er, fällt zwangsläufig auf die Schnauze. Wer außergewöhnlich sein will, muss außergewöhnliche Schmerzen aushalten können. Carrey drehte wieder Komödien, er drehte sie mit Inbrunst. Als er nach „Me, Myself & Irene“ (deutsch: „Ich, beide & sie“, 2000) an „How the Grinch Stole Christmas“ (deutsch: „Der Grinch“, 2000) arbeitete, verwandelte er sich mit einem Maximum an Einfühlungsvermögen in das Biest mit dem grünen Fell – denn genau so, sagte Carrey, „fühlte ich mich“. Er wuchs. Er wuchs über die Rollen hinaus, die ihm angeboten ­wurden. Carrey füllte die merkwürdigen, meist im Kern unglücklichen Typen, die er im Kalter-Krieg-Melodram „The Majestic“ (2001) und dem märchenhaften „Bruce Almighty“ (deutsch: „Bruce Allmächtig“, 2003) verkörperte, mit komischer Authentizität, einer sehr raren Dis­ ziplin. In „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“ (deutsch: „Vergiss mein nicht!“, 2004) gelang ihm ein gültiger Beitrag zum Thema Ver­ gessen, und in „Yes Man“ (deutsch: „Der Ja-Sager“, 2008) gibt Carrey nicht nur bekannt, wie gern er Red Bull trinkt, er bringt auch ein philo­ sophisches Denkspiel – was passiert, wenn ich jede Frage mit Ja beant­ worte – locker und bedenkenswert über die Rampe. Am Anfang von „Der Mondmann“ steht Jim Carrey allein im Schwarz einer Bühne. Nur ein Scheinwerfer ist auf ihn gerichtet. Er sagt mit komischer Stimme: „Ich habe allen Blödsinn raus­ geschnitten. Jetzt ist der Film zu kurz.“ Dann wartet er lang. Sehr lang. Dann sagt er: „Das ist das Ende des Films.“ Aber das stimmt nicht. Das stimmt zum Glück nicht. Der Trailer zum Film „Der Ja-Sager“, mehr Kino-News auf: redbulletin.com/kino/de

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Lemony Snicket’s: A Series Of Unfortu­ nate Events (Lemony Snicket – Rätsel­ hafte Ereignisse) Regie: Brad Silberling Handlung: Graf Olaf (Jim Carrey) ist Vormund von drei Waisenkindern, denen er das Vermögen ihrer Eltern abjagen möchte. Olaf scheitert, das Rennen geht weiter in einer gewaltigen Fantasy-Welt. Skurrilste Szene: Graf Olaf bleibt mit seinem Auto auf den Bahngeleisen stehen, und der Zug kommt … Grins-Faktor:

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The Number 23 (Number 23) Regie: Joel Schumacher Handlung: Mysteriöse Zusammenhänge führen Hundefänger Walter (Jim Carrey) vor Augen, dass er Autor des Romans „The Number 23“ ist: Das hat Konsequenzen. Er war an einem Mord beteiligt, den er auch gesteht. Vordergründiger Thriller, der die geheimnisvolle Zahl 23 durchdekliniert. Beste Szene: Als sich Walter eruptiv an den Mord, den er beging, erinnert. Grins-Faktor:

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Yes Man (Der Ja-Sager) Regie: Peyton Reed Handlung: Der skeptische Kreditberater Carl (Jim Carrey) lässt sich von einem Guru dazu motivieren, sein Leben neu zu ordnen, indem er statt mit Nein auf jede Frage mit Ja antwortet. Das macht sich bezahlt: Er wird befördert, macht den Pilotenschein und fängt eine Beziehung mit Allison (Zooey Deschanel) an. Etwas kratzig, aber grundkomisch, mit Jim als gereiftem Komiker. Beste Szene: Als Ja-Sager Carl per E-Mail gefragt wird, ob er sich seinen Penis vergrößern lassen will. Grins-Faktor:

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Kostenlose Schaltung.

“Mit Einsatz und Überzeugung ans Ziel.” Dr. med. Stephen Strittmatter.

Vincent Coates Professor für Neurologie, Neurologische Fakultät, Yale Universität, USA. Mitglied des Wings for Life Beratergremiums.

Die Heilung einer Rückenmarksverletzung galt lange Zeit als unmöglich. In wissenschaftlichen Experimenten ist es jedoch gelungen, verletzte Nervenzellen zu regenerieren – und damit die vermeintliche Unheilbarkeit zu widerlegen. Basierend auf dieser revolutionären Erkenntnis in der Grundlagenforschung ist es heute medizinisch-wissenschaftlicher Konsens, dass Querschnittslähmung beim Menschen eines Tages heilbar sein wird. Es bedarf jedoch noch intensiver Forschungsarbeit, um den Durchbruch in der Humanmedizin erreichen zu können. Um den Tag, an dem dieses Ziel verwirklicht werden kann, ein Stück näher rücken zu lassen, arbeitet die Wings for Life Stiftung mit den weltweit renommiertesten Wissenschaftlern zusammen. Durch Selektion und Unterstützung der besten Forschungsprojekte auf höchstem Niveau investiert Wings for Life gezielt in den Fortschritt - und somit in eine Zukunft ohne Querschnittslähmung.

Jede Spende zählt. Wings for Life - Rückenmarksforschung e.V. Bayrische Landesbank München. Kontonummer 11911. Bankleitzahl 700 500 00.

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FORMEL 1: MIT KERS?

AUF DER RENNSTRECKE SIND WIR ZUHAUSE.

D I E N E U E M OTO R S P O RT-Z E I T S C H R I F T. J E D E N D I E N STAG N E U ! Rennberichte, Interviews und Hintergrundstorys aus der ganzen Welt dess Motorsports. Mit SPEEDWEEK sind Sie hautnah dabei. News aus Formel 1, DTM, WRC, MotoGP, Superbike-WM, Motocross, Red Bull Air Race u. v. a. bringen das Oktan im Blut zum Brodeln. W W W. S P E E DW E E K . D E


More Body &Mind Belebendes für Körper und Geist.

bild: DAN & CORINA LECCA

78 Sicher biken mit chris pfeiffer 80 Dinner with Gisela pulido 82 Festival-Mode 84 Tag & Nacht 94 Red Bull Dog 96 Read Bull 98 Kolumne

Barbie lebt – und Ken weicht nicht von ihrer Seite. Warum? Das enthüllen die stolzen Eltern Phillipe und David Blond auf Seite 93.


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Sicher Motorrad fahren mit Chris Pfeiffer Chris Pfeiffer, 39, hat vor kurzem seinen WM-Titel im Stuntriding verteidigt.

Dauernd auf der Waffel liegen – das muss nicht sein. Red Bulls Katze auf Rädern, der charismatische Stunt-Weltmeister unseres Vertrauens und Filmheld einer eigenen DVD*, illustriert allgemeingültige Basics für eine unfallfreie Saison im Sattel.

Vor dem Losfahren: Blick nach hinten! (Gilt auch im Highseat. Und bloß nicht drausbringen lassen, wenn es unterm Hinterrad seltsam knirscht.)

* Chris Pfeiffer: Stunting for Life, DVD, 2008, D/E, 80 Minuten. Der Trailer auf: redbulletin.com/pfeiffer/de

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Mach ­Pause! (Motorradfahren fordert Körper und Geist. Darum muss man den beiden hin und wieder auch was zurückgeben.)

Schau dorthin, wo du hinfahren willst! (Allgemeingültige Binsen­ weisheit. Dazu muss man aber erst einmal wissen, wohin man will.)

Bremse dosiert! (Vorn hast du mehr Power. Du kannst dich aber auch ganz tadellos verkühlen. Wer ABS am Bike hat: Trick bitte nicht nachmachen, schmerzt.)

Erwarte das Unerwartete!

bilder: bernhard spöttel

(Und reagiere dann spontan. Der Bunnyhop gelingt mit Enduros leichter als mit Chris’ neuem Stuntbike, einer BMW F 800 R.)

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Dinner with …

Gisela Pulido Sie sammelt Stofftiere, lacht über Pluto, hört Snoop Dogg und zählt Rallye-Star Carlos Sainz zu ihren Fans: Das Red Bulletin traf die weltbeste Kitesurferin Gisela Pulido zum Dinner im Hangar-7.

Auf den ersten Blick ist Gisela Pulido ein ganz normaler Teenager – flauschige Winterstiefel, ein etwas zu großer Kapuzenpullover, eine fesche Brille auf der Nasenspitze, ein schüchternes Grinsen übers kindliche Gesicht. Beim Hangar-7Dinner zeigt sich „Gigi“ allerdings nicht nur als schlagfertige Gesprächpartnerin, sondern auch als vielschichtige Persönlichkeit: Sie ist ebenso hochprofessionelle Weltklasseathletin wie clevere Geschäftsfrau und lustiges, unbeschwertes Mädchen. red bulletin: Als Zehnjährige bist du nach Tarifa (an Spaniens Südspitze ­gleich bei Gibraltar; Anm.) gezogen – nur wegen des Sports, nur mit dem Vater. Die Mutter blieb in Barcelona. Wer hatte diese Idee? gisela pulido: Ich! Die Bedingungen in Barcelona sind nicht gut genug, um professionell zu trainieren. Ich habe also meinen Vater gebeten, dass wir irgendwo hinziehen, wo ich Profi werden kann. Denn das war schon damals mein Ziel. Vermisst du deine Mutter? Natürlich, aber wir telefonieren jeden Tag. Kann dein Vater deine Mutter ersetzen? Er ist alles für mich: Er trainiert mich, gibt mir Tipps, quatscht mit mir über alle Sorgen, sogar über Jungs. Und er gibt mir Geborgenheit, wie eine Mutter. Es ist eher ungewöhnlich, dass eine Zehnjährige dem Sport ­alles unter­ ordnet. Woher kam diese Härte? Ich bin total wettbewerbsorientiert. Als Kind war ich in einem Schwimmverein. Vor Wettkämpfen haben alle Eltern zu ihren Kindern gesagt: „Sei nicht nervös, dabei sein ist alles.“ Ich fand das doof. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, nervös zu sein: Ich wollte einfach nur gewinnen. Egal worin? Egal worin. Wenn ich beim „Mensch 80

Wunderkind Gisela hält den Guinness-Weltrekord der jüngsten Kitesurf-Weltmeisterin.

Mit zehn Jahren gewann die heute Fünfzehnjährige ­ihren ersten Weltmeister­titel. Nach vier weiteren in Folge versuchen die Konkurrentinnen nun, ihre Tricks zu ­kopieren. Ihre härteste Widersacherin war in der letzten Saison die sechs Jahre ältere Brasilianerin Bruna Kajiya. Gisela gewann immerhin noch sechs der zehn Tourstopps, will sich 2009 aber steigern.

­ rgere Dich nicht“-Spielen gegen meinen ä Vater verloren habe, habe ich mich am nächsten Tag hingesetzt und geübt, ­Sechser zu würfeln. Diese Einstellung brachte dir fünf Weltmeistertitel im Kitesurfen. Hast du überhaupt noch sportliche Ziele? Ja! Ich will, dass Kitesurfen olympisch wird und ich eine Goldmedaille gewinne. Für Spanien. Das ist mein größter Traum. Du bist seit Jahren Weltklasse in dei­ ner Disziplin, hast eine Kiteschule er­ öffnet und ein Haus gebaut … … zur Altersvorsorge. Klingt alles ziemlich erwachsen. Hm, darüber hab ich noch nie wirklich nachgedacht. Aber ja, ich lerne auf meinen Reisen die ganze Welt und auf den Events viele interessante – meist ältere – Leute kennen, das bildet, wahrscheinlich bin ich wirklich schon ziemlich erwachsen. Wie reagieren denn deine Schul­ kollegen darauf? Bist du eine altkluge Außen­seiterin? Überhaupt nicht! Sobald ich nach Hause komme, bin ich wieder eine ganz nor­ male Schülerin. Ich bin ja in der Schule nicht so ernst wie unter Erwachsenen, ich lache sehr viel mit meinen Freunden. Die würden sich ja über mich lustig ­machen, wenn ich so „gescheit“ daher­ reden würde! Hast du viele Freunde? Ja, allerdings mehr Jungs als Mädchen. Ich habe eine Clique von fünf, sechs Jungs, mit denen ich immer kiten gehe. Die sind wirklich gut, da kann ich mir noch einiges abschauen. Bleibt überhaupt Zeit für Freunde? Wenn ich daheim bin, gehe ich bis 15 Uhr zur Schule, danach kite ich, anschließend mache ich noch ein wenig Kraft­ training und dann noch die Hausauf­ gaben. Die Tage sind also ziemlich voll. Aber an den Wochenenden gehen wir gerne in eine ganz bestimmte Pizzeria, da gibt es die leckersten Pizzen der Welt,

bilder: Bernhard Wolff (2), Red Bull Photofiles

Text: Jan Cremer, Bilder: Bernhard Wolff/Leslie


da hängen alle Jugendlichen rum, hören Musik – etwa meinen Liebling Snoop Dogg. Manchmal gehen wir auch abends ­zusammen schwimmen. Hast du Vorbilder? Nicht wirklich, aber ich möchte so viele Weltmeistertitel wie Kelly Slater holen (der US-amerikanische Surfer ist neun­ facher Weltmeister; Anm. d. Red.). Außerdem finde ich Lionel Messi super, ich ­liebe nämlich Fußball. Und speziell den FC Barcelona! Als ich jünger war, wurde Barcelona mein erster Sponsor. Ich habe sogar das Vereinslogo auf einigen meiner Kiteboards. Carlos Sainz ist übrigens auch ein Vorbild … aber andererseits hat er mir auch gesagt, dass er ein Fan von mir ist. Wie erwachsen bist du als Kitesurfe­ rin? Anders gefragt: Wie sehr kannst du dich in deinem Sport noch weiter­ entwickeln? Zwischen zehn und vierzehn war ich doch nicht gut! Ich bin sehr stark gewachsen und musste mir den Vorsprung über die

„Ich würde sagen, ich bin bei vierzig oder fünfzig Prozent von dem, was ich ­erreichen kann.“

Technik holen. Jetzt bin ich älter und werde körperlich immer stärker. Ich würde sagen, ich bin bei vierzig oder fünfzig Prozent von dem, was ich erreichen kann. Orientierst du dich technisch an den Jungs? ­Unter den Frauen hast du ja so gut wie keine Konkurrenz. Nein, nicht an den Jungs – nur an Aaron! Aaron Hadlow, dem englischen Welt­ meister der Herren? Ja, genau, er macht einfach alles perfekt. Es sieht bei ihm so ruhig und langsam aus. Wenn man sich seine Tricks auf ­Video anschaut, braucht man nicht auf Slow Motion zu schalten, sie sind so sauber und ruhig ausgeführt. Und bleibst du für immer Kitesurferin? Nein, ich will später Moderatorin werden, im Fernsehen, für Extremsport. Vorher will ich aber Journalismus studieren, auf Englisch. Die Fotostory vom Dinner, Blogs, Videos und Interviews mit der Kitesurf-Weltmeisterin auf: redbulletin.com/pulido/de Alle Gastköche im Jahr 2009: www.hangar-7.com

BMW Motorrad

DER NACKTE WAHNSINN!

DIE NEUE BMW F 800 R.

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Freude am Fahren

9. MAI LIVE AB EM BE I D E I N TORRAD BMW MO R! PARTNE


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Schön trocken … … und immer in der Welle bleiben. Mehr braucht man nicht bei Outdoor-Festivals. Nur gute Musik wäre dann noch hilfreich.

Im Uhrzeigersinn von rechts oben: Power Mon­key eXplorer: solarbetriebenes Ladegerät, damit der Saft nie ausgeht, ¤ 73,50 (www.cotswoldoutdoor.com); Norrona Bitihorn Dri-Jacke: superleicht, wasserdicht und macht sich ganz klein, ¤ 192,50 (www. ellis-brigham.com); Hunters Gummistiefel, ¤ 62,25 (www.blacks.co.uk); Sowot Waschgel: beseitigt ohne Wasser Schmutz und Schweißgeruch, ¤ 2,79 (www.sowot.eu); Marmot Wave II-Schlafsack: wärmt auch im österreichischen Sommer, ¤ 73,60 (www.ellis-brigham.com); Howies JimiBörse: mit Geldspange und für vier Kreditkarten, ¤ 17 (www.howies.co.uk); Vango Juno-Tipi 300: Zelt mit Reflektoren, damit man seinen Unterschlupf wiederfindet, ¤ 57 (www.cotswoldoutdoor.com).

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auswahl: huw williams, bilder: simon vinall

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hot SPOTS

Die besten Events des Monats rund um die Welt.

Mack Kills Your Spot 1. – 15. 5. 2009 Mr. Unbreakable alias Mack McKelton, einer der härtesten Railskater der Welt, fordert Skateboard-Deutschland heraus und bittet, ihm die härtesten Rails des Landes zu nennen. ­Diese will er dann mit den lokalen Skatern knacken. RailVorschläge einreichen unter: www.redbull.de/ mackkills­yourspot

BILDER: Getty Images, Joerg Mitter, Red Bull Photofiles (2)

Juan Pablo Ángel und Co emp­ fan­gen die Houston Dynamos. Im Vorjahr begruben die Roten Bullen die Major-League-Sieg­ träume der Texaner bereits in der ersten Play-off-Runde. New York, USA

PWA World Cup 16. – 22. 5. 2009

Der größte Mountainbike- und BMX-Contest in Europa feiert fünfjähriges Jubiläum. Mit am Start: Local Hero Michael Beran. Trutnov, Tschechien

Der JinHa Beach gilt als einer der besten Windsurf-Spots Süd­ koreas. Ausgetragen wird ein Slalom für Damen und Herren. JinHa Beach, Ulsan, Südkorea

Red Bull Street Style 9./10. 5. 2009

DTM Hockenheim 17. 5. 2009

In der FIFA-Weltrangliste ist ­Albanien zwar nicht sehr weit vorne zu finden (Platz 91). Dies sagt aber nichts darüber aus, wie es punkto trickreicher Solo­ umgang mit dem Ball aussieht. Tirana, Albanien

Die Saison 2009, an der die Auto­ fabrikanten Audi und Mercedes teilnehmen, umfasst heuer zehn Rennen in sechs Ländern. Den Auftakt macht Hockenheim. Hockenheimring, Deutschland

Teahupoo gilt als einer der berühmtesten Surf-Spots im Pazifik und ist für seine kraft­ vollen, hohl brechenden Wellen bekannt. Und gefürchtet, weil 50 Zentimeter unter der Wasser­ oberfläche ein Korallenriff liegt. Teahupoo, Taiarapu, Tahiti

North West 200 14. – 17. 5. 2009 Das wohl schnellste MotorradStraßenrennen feiert sein 80-jähriges Jubiläum. Jedes Jahr pilgern bis zu 150.000 Zuseher an die Strecke, die zwischen den Städten Portrush, Portstewart und Coleraine verläuft. Coleraine, Nordirland

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Einmal mit dem Segelboot rund um die Welt – eine Herausforde­ rung, der sich seit 1973 die bes­ ten Segler stellen. Mit dabei ist Irlands Green Dragon Team. Galway, Irland

New York Red Bulls – Houston Dynamo 16. 5. 2009

Bike Hall Contest 7. – 9. 5. 2009

ASP World Tour – Billabong Pro Teahupoo 9. – 20. 5. 2009

Volvo Ocean race 23. 5. – 6. 6. 2009

Gaisbergrennen 20. – 23. 5. 2009 Bei diesem Rennen historischer Automobile sind viele Fahrzeuge älter als ihre Piloten. Zu errei­ chen gilt es allerdings nicht die schnellste, sondern die ausgegli­ chenste Zeit, der sportliche Ehr­ geiz ist dennoch ungebrochen – wie hoffentlich auch der Motor. Salzburg, Österreich

Red Bull Art of Motion 22. 5. 2009 Das Free-Running-Spektaktel feiert sein Comeback in seinem Ursprungsland Österreich. Dabei müssen sich die Sportler mit besonders trickreichen Bewe­ gungsarten wie Spins, Salti und atemberaubenden Jumps durch die Gegend bewegen. Wien, Österreich

Red Bull Air Race 9./10. 5. 2009 Die kalifornische Millionen­ stadt ist zum dritten Mal ­Austragungsort. Im Vorjahr siegte Paul Bonhomme vor Mike Mangold und Kirby Chambliss. Big Bay, San Diego, USA


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Surf Festival Fehmarn 21. – 24. 5. 2009

IXS Dirt Masters Winterberg 21. – 24. 5. 2009 1200 Teilnehmer und rund 30.000 Zuschauer machen das Dirt Masters zu Europas größtem Freeride-Festival. Bikepark Winterberg, Deutschland

Tagsüber gibt’s Fachsimpeln mit den besten Windsurf-Pros plus Regatten, am Abend dann Feiern auf der Sonneninsel. Außerdem steht eine sensationelle Film­ premiere am Programm. Welche? Wird noch nicht verraten! Fehmarn, Deutschland

50th Masters Water ski and Wakeboard Tournament 22. – 24. 5. 2009 Die weltbesten Athleten werden an diesem prestigeträchtigen Einladungsevent, das 2009 seinen 50. Geburtstag feiert, teilnehmen. Dallas Friday, Adam Errington oder JD Webb mat­ chen sich um den Siegerscheck in der Höhe von 135.000 Dollar. Pine Mountain, Georgia, USA

WRC Rally d’Italia Sardegna 22. – 24. 5. 2009 Die Rallye nahe Porto Cervo ist von engen, sandigen und unebenen Bergstraßen geprägt. Sébastien Loeb kommt auch mit diesen Verhältnissen gut zurecht, immerhin holte er sich hier im Vorjahr den Sieg. Olbia, Sardinien, Italien

The Flying Bulls 24. 5. 2009 Eine der Hauptattraktionen des diesjährigen, 50. Narzissenfes­ tes werden die Aerobatics-Ma­ növer wie Loopings, Backflights oder Rollovers der Helikopter­ piloten der Flying Bulls sein. Grundlsee, Österreich

Formel-1-Grand-Prix von Monaco 24. 5. 2009 Der Ritterschlag für jeden Formel-1-Piloten ist ein Sieg im Fürstentum Monaco. Im Vorjahr gewann Lewis Hamilton den stark vom Regen geprägten Grand Prix. Monte Carlo, Monaco

Red Bull Cliff Diving Series 8. 5. 2009 Die besten zwölf Klippensprin­ ger, u. a. Orlando Duque, stürzen sich vom historischen Tour SaintNicolas 26 Meter in die Tiefe. La Rochelle, Frankreich

IFSC Climbing World Cup 29./30. 5. 2009 Das Highlight für die österrei­ chische Boulderszene steht in Wien auf dem Programm. Alle heimischen Weltklassekletterer wie Anna Stöhr, David Lama oder Kilian Fischhuber haben bereits ihre Nennung abgegeben. Wien, Österreich

Red Bull Rookies Cup 30. 5. 2009 Nach dem Saisonauftakt in Jerez (ESP) geht es für die talentierten Jungbiker auf ihren 125-ccmMaschinen in Italien weiter. Mugello, Italien

Ina Delta Rally 30./31. 5. 2009 Motorrad-Artist Chris Pfeiffer wird während der größten kroa­ tischen Rallye durch das Orts­ gebiet der Hauptstadt Zagreb seine Körper- und Maschinen­ beherrschung demonstrieren. Zagreb, Kroatien

FC Red Bull Salzburg – SCR Altach 31. 5. 2009 Beim 36. und letzten Spiel der Bundesligasaison 2008/09 emp­ fängt man noch einmal den Klub aus dem Ländle. Verabschiedet sich Trainer Co Adriaanse mit dem Meistertitel aus Salzburg? Red Bull Arena, Salzburg, ­Österreich

Ironman Brasilien 31. 5. 2009 Athleten aus 43 Ländern nehmen am einzigen Lang­ distanz-Triathlon auf südame­ rikanischem Boden teil. Für die malerische Kulisse der Insel Florianópolis werden die Aus­ dauersportler während der 3,86 km Schwimmen, 180,2 km Radfahren und 42,195 km Lau­ fen wohl keine Augen haben. Florianópolis, Brasilien

FIM World MotoXGrand-Prix 31. 5. 2009 Die siebente Station der MotoX World Championship führt ins Herz Englands, wo es um den Sieg und wichtige Punkte in den Klassen MX1 und MX2 geht, in denen der Italiener David Philip­ paerts und der Südafrikaner Tyla Rattray die Titelträger sind. Mallory Park, Großbritannien

Red Bull City Scramble 31. 5./1. 6. 2009 Enduro-Biker Chris Birch lädt internationale Athleten zu einer einzigartigen Enduro-CrossChallenge im Hafen Aucklands. Auckland, Neuseeland Mehr Hot Spots auf: www.redbulletin.com

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die macht der nacht Mehr als einmal um die Welt für alle, die nie müde werden. Cut Chemist 5. 5. 2009 Der Ex-DJ von Jurassic 5 greift gern tief in die Plattentasche. Und holt dort neben HipHopBeats und Latin-Funk seltsame Hörspiele heraus. The Metro Theatre, Sydney

MQ Summer Opening 7. 5. 2009 Im Sommer ist die Entspannung im Hof des MuseumsQuartiers essenziell. Zur Eröffnung fährt der Brandwagen vor, auf seinem Dach rocken die Grazer FunkJazzer Tyrone. MuseumsQuartier, Wien

James Pants 8. 5. 2009

Bilder: crowdstrudel, Jamie-James Medina, mike ruiz, wolfgang stecher

Die Tracks des US-Amerikaners bewegen sich irgendwo zwischen HipHop und Old-SchoolElectro, klingen am Ende aber doch immer, als kämen sie aus einer fremden Galaxie. Natural History Museum, New York

Tim Sweeney & The Juan Maclean 8. 5. 2009 Die Disco-Punks vom hoch­ gelobten New Yorker DFA-Label unternehmen einen Europaausflug. The Juan Maclean haben außerdem ihr neues Album „The Future Will Come“ im Gepäck, Disco-Feinspitz Tim Sweeney begleitet die Band als DJ. Panorama Bar, Berlin

7 Jahre Club Fusion 8. 5. 2009 Als House-Botschafter bereist der Wiener DJ Markito die Welt, um rechtzeitig zum siebten Jahrestag des Club Fusion wieder in seiner Stadt zu sein. Passage, Wien

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Black Gold Das Duo hat mit „Rush“ ein vielbeachtetes Debütalbum ­vorgelegt und live im Fillmore die Fans begeistert (S. 88). New York

Dissonanze Festival 8./9. 5. 2009 Das Dissonanze ist das italienische Pendant zum katalanischen Sónar Festival. Traditionsreich und mit einem Line-up ausgestattet, das die Elektronik-Jünger zum Jubeln bringt. So werden u. a. Atom™, Lindstrøm oder Dixon zu den Plattenspielern greifen. Palazzo dei Congressi, Rom

RED BULL Music Academy Taster 8. – 10. 5. 2009 Zur Einstimmung auf die Red Bull Music Academy nächsten Winter in London finden derzeit weltweit Sessions statt. In Amsterdam nehmen Synthe­ sizer-Pionier Tom Oberheim und Dub(step)-Techno-Maestro ­Martyn zum Couchtalk Platz. Rooms of Red Bull, Amsterdam

Night of the Jumps 9. 5. 2009 Bevor die FIM Freestyle MX World Championship-Serie in die Sommerpause geht, ist noch einmal ordentlich Action angesagt. Die Motocrosser zeigen in den Disziplinen Freestyle, Whip Contest und Hochsprung atemberaubende Stunts. Im großen Freestyle-Finale wird schlussendlich noch einmal ordentlich in die Trickkiste gegriffen. SAP Arena, Mannheim

Mix hell Fünf Kinder und Musik: Das DJ-Couple erzählt, wie gut es sich damit in der brasilianischen Metropole leben lässt (S. 91) São Paulo


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Marco Passarani & Culoe De Song 9. 5. 2009 The Blonds Das New Yorker Fashion-Designer-Paar Phillipe und David Blond wird am 16. 5. beim 17. Life Ball für extravagante Auftritte am Catwalk sorgen. Ihre Assoziationen zu Clinton, Wien und Keszler: auf Seite 93. Rathaus, Wien

Culoe De Song war letztes Jahr Teilnehmer der Red Bull Music Academy in Barcelona, nun steht der Südafrikaner vor seinem großen Durchbruch: Das renommierte Berliner Inner­ visions-Label veröffentlicht seine smoothen House-Perlen, in Bologna stellt er gemeinsam mit Academy-Tutor Marco Passarani sein Talent als DJ unter Beweis. Cassero, Bologna

Pursuit Grooves & Onra 9. 5. 2009 Pursuit Grooves aus New York und Onra aus Paris haben sich im Februar 2008 kennengelernt. Nach Wien reist das dynamische Duo mit jazzigen Broken-Beats und souligen Dance-Tracks. Club U, Wien

Festival de Mayo 11. 5. 2009 Eigentlich hat sich die größte Veranstaltung Mexikos, das Festival Cultural de Mayo, ja der Hochkultur verschrieben. Dennoch waren die Festivalleiter von der jungen Minimal-Queen Akiko Kiyama derart angetan, dass sie beim Japanschwerpunkt als Vertreterin reduzierter TechnoBeats antreten darf. Guadalajara, diverse Locations

Alice Russell 12. 5. 2009 Wenn moderner Soul einen Namen hat, dann ist dieser ohne Frage Alice Russell. Ihre Soloalben und Arbeiten mit Mr. Scruff oder Quantic – beide aus dem renommierten Ninja-TuneStall – zählen zu den beeindruckendsten Stimmerlebnissen. Glee Club, Birmingham

Space club Der hippste Club in Floridas Metropole öffnet nur Samstagnacht. Schluss ist erst, wenn wirklich keiner mehr kann … Und dann ab an den Strand (S. 90)! Miami

John Acquaviva 15. 5. 2009 Gemeinsam mit Richie Hawtin hat er in Kanada 1989 das wegweisende Techno-Label Plus-8 gegründet. Seitdem zählt der DJ und House-Produzent zur Speerspitze elektronischer Musik. Sound Bar, Chicago

A Taste of Sónar 15. 5. 2009 Das Sónar macht einen Betriebsausflug nach London. Dort quartiert es sich für eine Nacht beim Short Circuit Festival ein und präsentiert einen Vorgeschmack auf das eigene Line-up: Erol Alkan, Moderat oder Jeff Mills bringen katalanisches Flair an die Themse. The Roundhouse, London

DJ Tiesto Live 16. 5. 2009 Tiesto gilt als der beste und teuerste DJ der Welt. Kein Wunder, denn der niederländische Trance-Gott reist nicht nur mit Plattentasche, sondern außerdem mit einer UFO-ähnlichen DJ-Kanzel und einer Armada an Lasern durch die Welt. Olympiahalle, Innsbruck

Harmonic 313 16. 5. 2009 Der britische Rave-Pionier Mark Pritchard ist Harmonic 313. Er baut auf wummernde HipHopBeats mit fiepsigen Übertönen und jeder Menge flächiger Detroit-Anleihen. Mit seinem neuen Album ist er gerade auf Tour durch seine Wahlheimat Australien. White Rhino, Brisbane

Fighting 4 the south 16./17. 5. 2009 Streetdance und B-Boying Competition mit Lil Tim und einer riesigen Aftershowparty. Singen, diverse Locations

Futuresonic Festival 14. – 16. 5. 2009

M.I.A 17. 5. 2009

Das 14. Futuresonic Festival mit seinen mehr als 50.000 Elektronik-Fans zählt zu den wichtigsten Institutionen elektronischer Musik. Neben Kode 9, Daniele Baldelli, EFDEMIN oder Toddla T wird heuer auch die österreichische Durchstarterin Soap & Skin eine der zahlreichen Bühnen in Manchester entern. Manchester, diverse Locations

Mit dem Oscar hat’s dann doch nicht geklappt, den Golden Globe für die Filmmusik von „Slumdog Millionaire“ hat sie aber in der Tasche. Obwohl die Sängerin erst vor wenigen Wochen Mutter geworden ist, steht sie schon wieder auf der Bühne und zelebriert ihre großen Hits zwischen HipHop, Grime und Electro. Fillmore Auditorium, Denver

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The Green Room

New York Rush Hour In dieser Stadt wird ja bekanntlich nie geschlafen. Das Pop-Rock-Duo Black Gold hält diese Tradition auch wirklich aufrecht. „Wir mussten heute raus aus den Federn, als der Hahn krähte“, sagt Eric Ronick. Während Than Luu, die andere Hälfte von Black Gold, noch versonnen vor sich hinstarrt, versucht sich Eric mit Kaffee auf Trab zu halten. Das mit dem Hahn ist wirklich nicht gelogen. ­Bereits um 6.15 Uhr traten die beiden zum Radiointerview an, um ihr Debütalbum „Rush“ zu promoten. Nach einer Nacht mit späten Taco-Imbissen und Bob-Marley-Tourvideos – Recherche, wie sie behaupten – stünden i­hnen leichte Ermüdungserscheinungen durchaus zu. Aber nichts da. Aufgedreht fiebert das Duo seinem Auftritt im legendären Rock-Club Irving Plaza entgegen, der sich seit dem Vorjahr Fillmore nennt. Nach ein paar Stunden mit Black Gold hat man allerdings den Eindruck, dass sie praktisch immer aufgedreht sind. Fröhlich, energiegeladen und manchmal durchaus ernsthaft, sind sie nicht gerade das, was man sich unter typisch launischen Rockstars vorstellt. Outfitmäßig gehen sie aber als solche durch. Than, 38, tritt eher elegant in Jeans und einem engen goldenen Cardigan über weißem T-Shirt auf. Eric, 32, gibt sich mehr sportlich in einem „I’m Special“-T-Shirt plus schwarzen Jeans und schwarz-goldenen Nikes. Obwohl sie gleich zum ersten Mal als Duo im Irving Plaza auftreten werden, sind Than und Eric keine Unbekannten in der Musik­ szene, haben u. a. mit Panic at the Disco, Ambulance Ltd und M Ward gespielt. „Wir trafen uns, als Eric mit Ambulance Ltd und The Killers auf Tour war“, erzählt Than, der damals als Drum-Techniker dazustieß. Zwei Jahre später haben sie als Black Gold ihr erstes ­Album aufgenommen und einen Senkrechtstart hingelegt, von dem neue Bands in diesem übersättigten Markt nur träumen dürfen. Nach einem schnellen Soundcheck – Than bearbeitet die Kickdrum, während Eric das Keyboard einstellt und dabei die Tonleitern rauf und runter dudelt – wird das Duo von der Bühne kommandiert. Es bleibt noch eine kurze Pause zum Entspannen im Green Room, bevor die Show beginnt. In dem kargen Raum hinter der Bühne stehen lediglich eine Couch, ein paar Schmink­ 88

black gold NYC


Bilder: Jamie-James Medina (3)

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tische und einige Flaschen Alkohol herum. Im Moment aber begnügen sie sich mit Wasser, Chips und Ingwer-Drops. „Normalerweise bin ich nicht nervös“, sagt Than, „aber heute schwirren ein paar Schmetterlinge durch meinen Bauch. Ich habe mir gewünscht, hier aufzutreten, seit ich mich zum ersten Mal zu einem Prince-Konzert hereingeschlichen habe.“ „Dieser Typ schummelt sich wirklich überall rein“, lacht Eric, und Than nickt zustimmend: „Sogar den Secret Service habe ich einmal ausgetrickst, um Bill Clinton die Hand zu schütteln. Ich kam ihm so nahe, dass ich ihn problemlos hätte erschießen können.“ Than greift zur Akustikgitarre, und sie bringen sich mit eher härteren Versionen von „Tainted Love“ und George Harrisons „ByeBye, Love“ auf Touren. Ihr Album „Rush“, das sie letztes Jahr in den Red Bull Studios in Los Angeles aufgenommen haben, wurde treffenderweise als „Orchester-Rock“ bezeichnet. Ihr Sound ist aber ein Mix aus verschiedensten Genres, zwischen denen sie hin und her switchen und trotzdem authentisch bleiben. Zwanzig Minuten sind es noch bis zur Show, und es müssen vorher dringend noch ein paar Rituale absolviert werden. Than zum Beispiel braucht noch jede Menge Wasser, ­etwas Hampelmann-Action und manchmal Yoga. Eric wiederum gönnt seinen Finger­ knöcheln einige Push-ups und sich selbst ein paar Tonleitern und einige Stamperln ­Whisky. Endlich Showtime, und Black Gold flitzen auf die Bühne. „Was geht ab, New York?“, ruft Eric ins Publikum. „Wir sind Black Gold, und wir kommen von hier.“ Trockene Gitarrenriffe leiten über zu Thans Drums, in die sich Erics Stimme schmiegt – gleich bei ihrem ersten Song „Idol“ wippt die Menge enthusiastisch mit. Einige Nummern später beginnen die Mädels bei „Plans & Reveries“, das im August als Single ausgekoppelt wird, zu tanzen. Jetzt schreitet Eric über die Bühne und bewegt dabei seinen Keyboard-Hocker im Rhythmus des Klatschens der Fans. Nach dem Konzert wirft sich Than auf die Couch und ist erstmals sichtlich müde. „Ich glaube, es ging ganz gut“, sagt er bescheiden. Zu bescheiden, denn die Menge kann recht unangenehm werden, wenn ihr etwas nicht gefällt. Heute aber hat sie vom zweiten Song an begeistert mitgeklatscht und -gewippt. Eric steht auf und schultert das Verkaufspult, um noch ein paar CDs an den Mann zu bringen. Routinearbeit, die ihn aber irgendwie glücklich zu machen scheint. „Wir sind nur eine Mini-Band, die gerade durchstartet. Das kann ernüchtern, wenn man, wie wir, schon große Touren mitgemacht hat. Doch diese Knochenarbeit gehört dazu und gibt einem ein gutes Gefühl.“ Live-Dates und Soundproben von Black Gold auf: redbulletin.com/blackgold/de

Tony Allen 18. 5. 2009 Sein Bandboss Fela Kuti hat einmal über ihn gesagt, wenn er Tony Allen nicht hätte, dann bräuchte er vier Drummer. Großes Lob von einem, der gemeinhin als Erfinder des Afro-Beat gilt. Doch Tony Allen steht Fela Kuti in Sachen Legendenstatus um nichts nach: Blur-Kopf Damon Albarn engagierte Allen als Drummer für sein Projekt The Good, the Bad & the Queen, Elektronik-Größen wie Carl Craig oder Waajeed wollen ihn remixen. Teatro Fernán Gómez, Madrid

Nuits Sonores 20. – 24. 5. 2009 Auch heuer brechen wieder klangvolle Nächte über Lyon herein. Vier Tage lang verwandelt das Festival die französische Stadt in einen Hotspot der elektronischen Musik: Carl Craig, Cut Chemist, Radio Slave oder die österreichische Red Bull Music Academy-Absolventin Clara Moto sorgen dafür, dass die Tänzer nicht zur Ruhe kommen. Der französische Techno-Veteran Laurent Garnier wird hier übrigens exklusiv sein neues Album präsentieren. Lyon, diverse Locations

Springnine 20. – 24. 5. 2009 Das Springfestival verwandelt Graz alljährlich in ein Dorado für Elektro­ niker. Von Pop (The Gossip) über Baile-HipHop (Diplo) oder Downbeat (Tosca) bis hin zu Drum ’n’ Bass (Goldie) wird jedem Besucher zumindest ein Herzenswunsch erfüllt. Die Red Bull Music Academy lädt täglich zu einer Workshop-Session ins Landesmuseum Joanneum: 21. 5.: Jussi Pekka, Juri Hulkkonen; 22. 5.: Goldie; 23. 5.: Hank Shocklee www.springfestival.com Graz, diverse Locations

sound city 21. – 23. 5. 2009 Drei Tage lang wird Liverpool zur Musikstadt. Konzerte und Gigs gibt es in den besten Locations und sogar an Kultstätten wie der St. George’s Hall. Auf der einzigen Outdoor-Bühne am St. Peter’s Square dürfen die Teilnehmer des Red Bull Bedroom Jam beweisen, wie viel Talent sie wirklich haben. Liverpool, diverse Locations

iXS Dirt Masters Festival 22./23. 5. 2009 Am Freitagabend gibt es FMX-Action mit der Upforce Crew sowie Live-Acts von Dan Dryers, Social Distrust und Blessed by Hate. Für Samstag haben Die Happy und The Kilians zugesagt. Winterberg

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Fennesz 22. 5. 2009 Österreichs Exportschlager in Sachen experimenteller Elektronik ist in Japan ein Popstar. Denn Christian Fennesz schafft in seinen Stücken den perfekten Spagat zwischen rauen Sound-Drones und verspielter Harmonie. Davon zeugt auch sein aktuelles Album „Black Sea“. Unit Dakanyama, Tokio

Amerikas wichtigstes ElektronikFestival findet seit dem Jahr 2000 in der Mutterstadt des Techno, in Detroit, statt und wurde schon von so klingenden Namen wie Carl Craig oder Derrick May kuratiert. Dieses Jahr mit dabei: Flying Lotus, Tiefschwarz, Loco Dice oder Ellen Allien. Außerdem gibt’s einen Stage der Red Bull Music Academy. Hart Plaza, Detroit

The Maccabees 27. 5. 2009 Die Indie-Band aus South London tourt durch die Lande und stellt dabei ihr sehnsüchtig erwartetes zweites Album „Walls of Arms“ vor. The Academy, Dublin

Mutek Festival 27. – 31. 5. 2009 Das Festival des kanadischen Elektronik-Labels feiert heuer das zehnjährige Bestehen. Kein Wunder also, dass die Zahl der Gratulanten sehr groß ist: Red Bull Music Academy-Lecturers wie Carl Craig, Appleblim und Wolfgang Voigt werden ebenso da sein wie Jaki Liebezeit, Drummer der legendären Krautrock-Combo Can. Montréal, diverse Locations

Villette Sonique Festival 27. – 31. 5. 2009 Liquid Liquid, Goblin, DJ Hell. Das Line-up dieses Pariser Festivals liest sich wie das Who’s Who des Avantgarde-Pop im 20. Jahrhundert. Paris, diverse Locations

Primavera Sound Festival 28. – 30. 5. 2009 Gibt es ein spanisches Festival, das dem Sónar das Wasser reichen kann, dann ist es wohl dieser Indie-RaveMonster-Jam. Yo La Tengo und My Bloody Valentine, Aphex Twin und Squarepusher, Art Brut und Gang Gang Dance werden dabei sein. Parc del Fòrum, Barcelona

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Space Miami

World’s Top Club

Miami Nice Der Sonntag beginnt Samstagnacht im Space Club. Und ­endet zu Mittag am Strand. Miami im Frühling: die Winter Music Conference ist ausgeklungen, Springbreak gerade vorbei. Und damit auch die Wochen, in denen der größte Club der Stadt so gut wie nie geschlossen hat. Irgendwie scheint sich der Rhythmus der Stadt verlangsamt zu haben, und im Space Club brauchen die Bass-Boxen eine Pause. Nur mehr samstags gibt’s jetzt große Party. Aber auch nur für VVVIPs und jene, die geduldig genug sind, in der Schlange vor dem BPM-Tempel anzustehen. Geschätzte 300 Menschen warten auf der Straße, als gegen 23 Uhr die Türen geöffnet werden. Üblich wäre mehr als das Doppelte, doch die Nacht ist ja noch jung – gegen drei Uhr morgens sieht das dann ganz anders aus. Der Space ist Homebase der besten Dance-DJs der Welt. Paul van Dyk, Erick Morillo, Louis Puig und Co drücken sich hier die Klinke in die Hand und legen der Hitze der Nacht auf den insgesamt fünf Dancefloors noch eins drauf und auf. Wer es weniger elektronisch mag, ist im ersten Stock besser aufgehoben. Hier sorgt HipHop für den Sound, der eigentlich wesentlich typischer ist für diese Gegend. Kühler ist es trotzdem nicht –

für keinen der fünf Sinne. Wer einmal auf der Space-Terrasse Booty Dance genossen hat, darf mit Recht behaupten, etwas vom Klima Floridas am eigenen Leib erfahren zu haben! Die Party geht, solange getanzt wird – und wird spätestens Sonntagmittag an den Strand verlagert. Space Miami, 34 NE 11th Street, Miami, FL 33132; www.clubspace.com; die besten Clubs der Welt: redbulletin.com/clubs/de

Bilder: Wolfgang Stecher (3)

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Die Lieblingsspots von Mix Hell: 1. Paulista Grill Churrascaria, Rua João Moura, 257 2. Surface To Air, Alameda Lorena, 1989, Jardim 3. Studio P, Rua Augusta, 591, Consolação 4. Glória Dance & Nightclub Rua 13 de Maio, 830, Bela Vista

mix hell são paulo

Resident Artist

Happy DJ Family

bilder: crowdstrudel, flavio samelo

Igor Cavalera und seine Frau Laima Leyton, besser bekannt als Mix Hell, verraten uns ihre Lieblingsplätze in São Paulo. São Paulo ist eine Metropole: riesig, chaotisch, heiß und extrem facettenreich. Und: São Paulo ist vor allem nicht mit Rio de Janeiro zu vergleichen, obwohl es Samba und Baile Funk auch bei uns gibt. Nur der Karneval und der Strand, die sind in Rio besser. Natürlich trifft man auch in São Paulo auf internationale Gleichförmigkeit – keine Frage. Es sind aber die unendlich vielen schönen Spots und Eigenheiten, die diese Stadt so einzigartig machen, wie zum Beispiel jede Menge Gebäude ganz ohne Werbebanner. Viele Paulistanos ziehen ihr eigenes Ding durch, wobei sie sich international und – mehr als die Bewohner von Rio – an Europa orientieren. Das war auch so, als ich mit meinem Bruder Max die Metal Band Sepultura gegründet habe: Einerseits war es Metal, wie er in den USA oder Europa gespielt wurde, wir brachten

aber ein stärkeres perkussives Element ein. Jede Musik aus Brasilien basiert auf Drumsounds. Das war schon beim Samba so und ist heute bei Baile Funk auch nicht anders. Manche Metal-Fans fragen mich jetzt natürlich, warum ich plötzlich elektronische Musik mache. Viele sind richtig geschockt. Nur: Für mich ist Mix Hell eine logische ­Konsequenz meines aktuellen Lebens. Ich bin rund um die Uhr mit meiner Frau Laima und unseren fünf Kindern zusammen, auf Tour und im Studio. Es mag zwar für viele Fans eine andere Musik sein, für uns ist es jedoch die gleiche Energie. Einen Act, den man in São Paulo unbedingt sehen sollte, ist das „Turbo Trio“, mit drei Jungs aus ganz verschiedenen Ecken von Brasilien. Ihr Sound hat viel von Baile Funk aus Rio, gemixt mit einer ordentlichen Brise Karibik. Sie haben eine irre Live-Show und spielen oft im Studio P (3), einem Club, in dem immer wieder lokale Bands auftreten. Einer unserer Lieblingsspots ist „Surface To Air“ (2). Das ist eigentlich eine Boutique, in der zahlreiche Fashion-Designer ihre Outfits verkaufen. Wir haben mit ihnen eine kleine Kollektion von „Mix Hell Fashion“ gemacht und kaufen unsere Klamotten meistens dort. Das Beste an „Surface To Air“ ist aber, dass es eine „Secret Bar“ gibt, also einen inoffiziellen Club. Hier haben wir letztes Jahr unsere Hochzeit gefeiert – ein

glamouröses Fest und ein einzigartiges Erlebnis. Wenn große Acts in São Paulo auftreten, schauen sie meistens noch für einen kleinen Gig hier vorbei. Wir haben dort zum Beispiel vor kurzem mit ­Justice gespielt, nachdem sie auf ihrer Tour ein Riesenkonzert in der Stadt gegeben ­hatten. In den Club passen gerade einmal 200 Menschen hinein, und die Tipps, wann Partys steigen, bekommt man lediglich ins Einkaufssackerl gesteckt. Wenn es ums Essen geht, sind wir recht trivial. Es gibt in der Stadt Dutzende schicke Restaurants, in denen man gut und teuer essen kann. Wenn wir Gäste haben, gehen wir aber immer zu Churrascaria Paulista Grill (1) – der richtige Platz für Fleischliebhaber, weil die Teller groß und voll sind. Hier können wir auch ohne Probleme unsere Kinder mitnehmen, und internationale Stars wie Tiga oder 2manyDJs lieben das Essen hier. Die besten großen Partys gibt es im Clube Glória (4), einer ehemaligen Kirche. Auf der Kanzel, von der früher der Priester gepredigt hat, steht heute der DJ und predigt der Fangemeinde seine Musik. Wir hatten dort unsere erste Residency und spielen immer wieder gerne im alten Gotteshaus, weil die Stimmung einfach einmalig ist. Fast ein bisschen so wie bei einer Hochzeit! Mix Hell: 16. Mai 2009, Erste Liga Club, München; 22. Mai 2009, Springfestival, Graz Hörproben und Videos: redbulletin.com/mixhell/de

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mr hudson mayrhofen

Springbreak im Schnee Beim Snowbombing feiern britische Fans und Musiker alljährlich das Ende des Winters. Heuer mittendrin: Mr Hudson & The Library. „Was für eine Kulisse!“, sagt er und zieht die Ray-Ban nach oben. Es ist ein milder Nachmittag in Mayrhofen, der mächtige Tuxer Gletscher glänzt im Sonnenlicht. Ben alias Mr Hudson ist sichtlich beeindruckt. Vor zwei Jahren sei er schon einmal hier gewesen, sagt der Brite. Wie auch diesmal als Live-Act beim Snowbombing Festival, aber diese Kulisse sei immer wieder beeindruckend. Seit bereits zehn Jahren fällt am Ende der Saison eine 3000 Köpfe starke Herde junger Engländer samt über 100 britischen DJs und Bands ins Zillertal ein. Um eine Woche lang die Pisten unsicher zu machen. Und um zu feiern, als gäbe es kein Morgen. „Verrückt“, kommentiert Mr Hudson das bunte Treiben, „aber irgendwie charmant.“ Vor der Mayr­ hofner Tennishalle, die zum Racket Club umfunktioniert wurde, wartet der Musiker auf den Soundcheck. Vor zwei Jahren hat er in einem der kleineren Venues gespielt, diesmal ist er für die Hauptbühne gebucht. Daran ist wohl ein gewisser Herr Kanye West nicht ganz unschuldig. Vor einem Jahr ist der US-amerikanische HipHop-Überstar auf Mr Hudsons & The Librarys Debütalbum „A Tale of Two Cities“ gestoßen und hat es geliebt. „Kanye 92

meldete sich genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich zweifelte schon an mir selbst, weil ich all meine Kraft in die Platte gesteckt hatte und sich der große Erfolg nicht einstellen wollte“, sagt Mr Hudson, als er Richtung Bühne spaziert. Früher ist er recht einsam durch englische Bibliotheken getourt, nun begleitet ihn und seine Band The Library ein ganzer Stab an Betreuern. „Büchereien haben eine verdammt gute Akustik, im Gegensatz zu großen Hallen. Da gibt’s oft zu viel Echo.“ Mr Hudson entert die Bühne, klatscht mit seiner Steeldrummerin Joy ein und schnallt sich die Gitarre um. Nicht irgendeine, es ist eine seltene, halbakustische Höfner aus den fünfziger Jahren. Er habe eine noch schönere zu Hause, sagt er, diese habe ihm sein Bassist Raph auf einem Flohmarkt in Dänemark gekauft. Während andere Musiker beim Soundcheck noch mit ihren Kräften geizen, legen Mr Hudson & The Library schon jetzt voll los. Ben tänzelt vom linken zum rechten Bühnenrand, die anderen grinsen und nicken mit. Diese Energie, die in dem Briten steckt, diese freundliche Coolness macht ihn zum großen Entertainer. Während des Abendessens im nahen Strass Hotel erzählt er dann von seinem dies-

jährigen Snowbombing-Plan: Morgen wolle er zum ersten Mal in seinem Leben eine Piste runterwedeln. Ob per Snowboard oder mit Skiern, das wisse er noch nicht. „Weißt du, meine Eltern hatten nie genug Geld für einen Skiurlaub, außerdem hat es sich bis jetzt noch nie ergeben“, sagt er und genehmigt sich ein Verdauungsschnäpschen. Zurück im Racket Club, sieht Mr Hudson auf die Uhr. Der Bassist scheint am Weg zum Venue verlorengegangen zu sein. Als der vermisste Raph schließlich auftaucht, eilt die Band auf die Bühne. Mr Hudson begrüßt seine Landsleute mit der Ansage „Put your glühwein in the air like you just don’t care!“ und legt los. Obwohl sich die Halle erst im Laufe des Konzerts füllen wird, springt der Funke schon beim ersten Stück über. Von seiner neuen, herzergreifenden Frickel-Single „There Will Be Tears“ bis zum hiphopoiden „Bread and Butter“. Als Schlussnummer wählt er seinen größten Hit: „Too Late, Too Late“, dieses reggaeeske Meisterwerk, das an die frühen Police erinnert. Der Jubel hält noch Minuten an, eine Zugabe allerdings ist nicht drin, das Festivalprogramm ist straff geschnürt. Außerdem hat Mr Hudson schon weitere Pläne: Backstage läutet sein Handy, es ist die befreundete Band The Noisettes, die auch beim Snowbombing gespielt haben und sich gerne auf einen Drink treffen würden. „War mir ein Vergnügen, ich hab noch was vor“, verabschiedet sich der blonde Beau ­höflich und verschwindet in die Nacht. Ob er’s angesichts dieses Nachtflugs am ­nächsten Tag dann wirklich auf die Ski geschafft hat, werden wir wohl nie erfahren. Aktuelle Tourdaten, Soundproben und Videos auf: redbulletin.com/mrhudson/de

Bilder: Colin Friend (2)

Backstage


more body & mind

Charity Event

Blondinen mit Witz und roten Schleifen

Urban Art Forms Festival 28. – 30. 5. 2009

Beim Life Ball 2009 präsentiert US-Stilikone Patricia Field das derzeit hippste Designer-Duo von New York: The Blonds. Wir haben Phillipe und David Blond zum Word-Rap gebeten. Euer liebster Blondinenwitz? Jeder, der mit „Kommt eine Blon­ dine in eine Bar …“ anfängt.

life ball

Euer Verhältnis zu Patricia Field? Sie ist eine wunderbare Freundin und natürlich die Styling-Göttin schlechthin.

wien

Kennt ihr Gery Keszler? Ja, er ist ein Lebensretter!

Britney Spears oder Madonna? Hello?!?

Katy Perry oder Bill Clinton (Stargäste beim Life Ball 2009)? Finden wir alle beide großartig!

Bild: Dan Lecca

Eure Assoziationen zum Thema „Wasser“, dem Motto des Life Ball 2009? Leben, Friede, Ruhe und natürlich Meerjungfrauen!

… und zu Wien? Ist wunderbar!!!

Blond oder Brünett? Na was glaubt ihr?!

Ein Rave unter dem burgenländischen Sternenhimmel. Mit Psytrance-, Drum ’n’ Bass- und Techno-Stage. Sowie mit besonderer Betonung der visuellen Komponente. So werden ­neben Headlinern wie Kraftwerk, Sven Väth oder Dubfire auch tausende Laser-Beamer im Einsatz sein. Wiesen

Prins Thomas 30. 5. 2009 Er hat den vergessenen Genres Space- und Balearic-Disco zu neuem Glanz verholfen. Die Tracks seines Labels Full Pupp sind geprägt von wunderlichen Space-Sounds und schwülstigen Melodien. Pavilion, Cork

Red Bull Soundclash 30. 5. 2009 Zwei Bands treten im musikalischen Duell gegeneinander an. Den Sieger kürt wie immer das Publikum. Brno

Hiphop Connection Festival 30./31. 5. 2009 Graffiti, Rap, Breakdance, DJing. Bei diesem Wiener Festival stehen alle vier Elemente der HipHop-Kultur im Rampenlicht. Als Headliner ist der Wu-Tang-Wunderwuzzi Raekwon gebucht, außerdem erhält der Red Bull Brandwagen im Rahmen des Events seinen alljährlichen Farbwechsel. Arena, Wien

Red Bull X-Fighters 30. 5. 2009 Barbie oder Ken? Beide, weil Barbie gehört zu Phillipe und Ken zu David.

Versace oder Chanel? Blond!

Kate Winslet oder Scarlett Johansson? Marion Cotillard und Meryl Streep.

Eure persönlichen Helden? Unsere Eltern.

L. A. oder NYC? L. A. ist für uns Sonne, Spaß und Hollywood. NYC ist Fashion, Energie und Heimat.

Nick Cave oder Pet Shop Boys? Natürlich die Pet Shop Boys. Ihre Songs beschreiben unser Leben! :-))

17. Life Ball: 16. Mai 2009, Rathaus, Wien Interviews und Videos: redbulletin.com/lifeball/de

Die Red Bull X-Fighters machen heuer erstmals in Kanada Halt. Die weltbesten Freestyle-Motocrosser wie Robbie Maddison, Dany Torres oder Mat Rebeaud lassen den Zusehern den Atem stocken. Beim Saisonauftakt in Mexiko siegte sensationell der erst 17-jährige Australier Levi Sherwood. Stampede Park, Calgary

Red Bull Tourbus 31.  5.– 31. 7. 2009 Raus aus dem Proberaum, rauf aufs Busdach. Ab sofort können sich Newcomerbands für eine eigene Deutschlandtour mit dem Red Bull Tourbus bewerben. Einfach Bandvideo hochladen, die meisten Fanstimmen sammeln und die Juroren überzeugen. www.redbulltourbus.com Mehr Nacht-Events auf: www.redbulletin.com

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02.02.2009

9:32 Uhr

Seite 1

DAS COLAVON RED BULL.

STRONG & NATURAL.

Setzt die Segel! Wenn man bedenkt, dass unser Körper zu knapp 70 Prozent aus Wasser besteht, ist es gut, zu wissen, wie man damit umgeht.

„I don’t see how sending out flares is going to save us.“ (Unübersetzbarer Wortwitz, steht doch das englische Wort „flares“ für Glockenhosen wie auch für Leuchtsignale.)

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Illustrationen: Kainrath, Cartoonstock.com (2)

Gegenüber der Jugend hat die offene See kaum noch Chancen: „Das ist ja fast so toll wie in Sea World!“


more body & mind

Da scheint irgendwer irgendwo Steuerbord mit Backbord verwechselt zu haben: „Du lieber Himmel, Kapitän, Sie haben recht: Wir stecken in einer Flasche!“

„Mach’s gut, mein Lieber, ich hole dich dann in einer Woche wieder ab.“

RB_SC_BULL_176x126,5_AD2

„Die Nierenform war eine gute Idee. Sie wird uns immer daran erinnern, was du verkauft hast, damit9:34 wir uns Uhr den PoolSeite leisten können.“ 02.02.2009 1

STRONG & NATURAL. Cocablatt

Kolanuss

Zitrone/Limette

Nelke

Zimt

Kardamom

Pinie

Ackerminze

Galgant

Vanilleschoten

Ingwer

Muskatblüte

Kakao

Süßholz

Orange

Senfsamen

Illustrationen: Cartoonstock.com (4)

Das Cola von Red Bull ist eine einzigartige Komposition an Inhaltsstoffen, allesamt

Kolanuss als auch das Cocablatt verwendet. Sein natürlicher, nicht zu

Darüber hinaus enthält das Cola von Red Bull keine Phosphorsäure, keine Konser-

100 % natürlicher Herkunft.

süßer Cola-Geschmack kommt

vierungsstoffe sowie keine

Außerdem ist es das einzige

durch die Verwendung der rich-

künstlichen Farbstoffe und

Cola, das sowohl die Original-

tigen Pflanzenextrakte zustande.

Aromen.

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Read bull

Meeting Martin Hartwell Zwei Winter, die keine waren, aber jetzt hat er wieder voll zugeschlagen, der Winter. Putin in Moskau wartete schon voll Ungeduld auf Eiseskälte in Europa. ­Endlich kann er sein Spielchen mit uns treiben. Er will das Gas verteuern. Den vorgeschobenen Streit mit der Ukraine glaubt niemand so recht. Mir ist das egal, ich heize mit Öl und Strom. Ich weiß, dass das Poker auf der „Titanic“ ist, aber mein Zimmer ist wohlig warm, und der Selbstbetrug funktioniert. Der Fernseher läuft, und ich bin schon halb bei Morpheus. Alte und Kleinkinder haben so manches gemeinsam. Keine Zähne, wenig Haare, und sie können ­augenblicklich einschlafen. Die Werbung unterbricht gnadenlos, das dürftige ­Programm verleiht Flüüügel … Flüüügel. Im Halbschlaf vernehme ich den Werbespot und denke noch: Das ist doch die Stimme von Götz Kauffmann, den ­erkenne ich sofort. Oder? Beim GIS-Spot dachten wir alle, es ist Peter Matic, dann war er es doch nicht. Flüüügel … Flüüügel … jetzt fliege ich. Ich bin zurück Anfang der siebziger Jahre und fliege nach Norman Wells in den kanadischen Northwest Territories, knapp unter dem Polarkreis. Ich muss verrückt sein, denn es wird Winter, und ich habe bis Ende März einen Vertrag als Küchenchef unterschrieben. Monatelang Nacht, Temperaturen unter 40 Grad minus und nichts als Eis, Schnee und Wind. Das Einkommen ist zwar beträchtlich, aber nicht so, dass es diese Unbilden wert wäre. Es ist ganz einfach die Neugier. Der Sommer in Banff war herrlich und die Arbeit ohne große Mühe, da juckt der Teufel. Jetzt sind wir im Anflug. Der Captain ist ein Hundsfott. Gestern in Edmonton, im King George, hat er versucht, bei ­meiner Braut zu landen, ist ihm nicht ­geglückt. Aber hier in Norman Wells ­landet er präzise und sicher. Dabei ist das, gleich nach Hongkong, der schwierigste Anflug. Nur zweimal darf er den Versuch wagen, dann muss er ohne Lan96

Illustration: Andreas Leitner

Von Anton M. Rehberger


Read bull

dung nach Inuvik weiterfliegen. Ein dritter Versuch würde den Treibstoffvorrat so stark verringern, dass der Weiterflug gefährdet wäre. Trotz Icefog legt er eine glatte Landung hin. Die Airline PWA weiß, was sie an ihm hat. „Piggly Wiggly Airlines“ nennt sie der spöttische Volksmund. Wir steigen aus, und der Hauch der Arktis empfängt uns. Zu meinem ­Erstaunen fühlen sich die 47 Grad minus ganz normal an. Die Kälte ist trocken, und die Daunenfüllung unserer Jacken schützt hervorragend. Die ersten Wochen verfliegen schnell. Kein Tag, nur Nacht, ewiger Sternenhimmel und Nordlichter, so schön, dass man vergisst, wie schnell man erfrieren kann beim Zuschauen. In der Kantine sitzen die Oilrigger und „fressen“. Sie bekommen fast alles, was sie begehren. Standard Oil bezahlt alles, Hummer aus Nova Scotia, Lachs aus dem Restigouche, Beef aus Alberta. Alles wird eingeflogen, nichts ist zu teuer. Das Kochen ist jeden Tag ein Fest: ein Traum, nie sparen müssen. Nur Alkohol gibt es keinen, der hat schon zu viele „heimgeholt“ in den NWT. Also Hummer ja, Champagner nein … und der Küchenchef ist der beliebteste Mann rundum. Was sonst sollen die durchwegs unter Dreißigjährigen schon anfangen in ihrer Freizeit. Da sitze ich nach meiner Schicht in der Kantine mit den Boys am Garn­ spinnen. Jäger haben ihr Latein, die Nordlichter erzählen den Southern ­Rookies Lügengeschichten, dass sich die Balken biegen und der Pol schmilzt. Wer hier durchreist, ist in der Kantine willkommen. Arktische Gastfreundschaft, eine Selbstverständlichkeit, weil oft lebensrettend. So kommen auch die Buschpiloten hin und wieder vorbei. Einer ist groß ­gewachsen und mit grauem Wuschelkopf. Er hat ein Lufttaxi-Unter­nehmen mit drei alten Viersitzern. Einen davon fliegt er selbst. Fort Norman Airlines heißt sein Unternehmen großkotzig. Wenn er keinen Tisch für sich alleine f­ indet, geht er grußlos ohne wärmenden Kaffee. Ein seltsamer Eigenbrötler, denke ich und spreche das auch aus. Mein Tischnachbar lacht mich aus. Das ist der Martin Hartwell, auch ­Eatwell genannt, von Cannibal Airlines. Wer? Na der Hartwell, ist doch nicht so ­lange her. Jetzt dämmert es. Er ist es, der im Januar/Februar nach einem Bruch in der Nähe von Great Bear Lake 43 Tage ohne Notausrüstung überlebt hat. Er war von Coppermine mit einem Inuit-Jungen und

Einer der Busch­ piloten ist groß ­gewachsen und mit grauem Wuschel­ kopf. Wenn er kei­ nen Tisch für sich alleine findet, geht er wieder, grußlos und ohne wärmen­ den Kaffee. einer Krankenschwester nach Yellow­ knife unterwegs. Der Junge hatte akute Blinddarmentzündung und sollte in ­Yellowknife operiert werden. Die Nurse war sofort tot. Der junge Eskimo und Hartwell überlebten, Hartwell mit Brüchen an beiden Beinen. Die Suche nach dem überfälligen Flugzeug wurde, wie üblich, nach 24 Stunden ­erfolglos abgebrochen. Keiner der drei hatte wirklich eine Chance. Wieso hat Hartwell überlebt? Der kleine Eskimo half mit seiner Erfahrung, bevor er an seiner Appendizitis starb. Die Eskimos lehren ihre Kinder schon früh Über­ lebensweisen im Eis. Hartwell und seine zwei Passagiere galten als so gut wie tot. Im Februar wird das Erdöl in Barrels ausgeflogen. Eine Pipeline war in Planung, wurde aber nie Wirklichkeit. Also „fliegt“ das Öl nach dem Süden. Immer im Februar, wenn der Boden steinhart gefroren ist, Tag und Nacht, im 24-Stunden-Takt, fliegen die schweren Hercules das Öl nach Edmonton. Eine der Hercs nahm über dem Bärensee ein Signal auf und blieb über der Signalstelle, bis ein Helikopter eintraf. Was sie fanden, erstaunte alle: Hartwell lebte. Ohne Not­ ration, ohne Ausrüstung und ohne Feuer. Von der Krankenschwester und dem ­Inuit-Jungen fehlten einige „Bestand­ teile“, alles, was weich und leicht zu kauen war. Das machte aus ihm „Martin ­Eatwell“. Die Weißen mochten nicht mehr mit ihm fliegen, den Dene und ­Inuit war das egal, seine Preise waren niedrig, nur das zählte. Ich versuchte noch oft, mit ihm ins Gespräch zu kommen, aber er war eher einsilbig. So viel erfuhr ich doch: Sein Name war Hartwig, gebürtig aus Hamburg, und er war Pilot der deutschen ­Marine im letzten Krieg. Er war einer der Aufklärer, die von einer Abschussrampe achtern mit Raketen abgeschossen und –

nach der Landung auf Schwimmkufen – mit einem Kran wieder an Deck gehievt wurden. Nach 1945 war den Deutschen kurzfristig das Fliegen verboten, aber Fliegen war Hartwigs Leben. So ging er nach ­Kanada und wurde Buschpilot im Norden. Der Name wurde anglisiert. Und er konnte sich behaupten bis, ja: bis zum Unglück. Ich wollte auch nicht mit ihm fliegen, das Gefühl mit einem Kannibalen im Cockpit war doch zu mulmig. Also flog ich mit der Konkurrenz die Weihnachtsfeiertage nach Williams Lake zur Jagd. ­Einer der Trapper hatte uns eingeladen. Weihnachten in der Eiswüste im Blockhaus. Das hat seinen Reiz, dachte ich, mit Truthahn, Dosenmais und einer Kiste Whisky zogen wir los. Randy Andy, der Schwarm der Inuitgirls, flog uns, trotz Icefog, und machte Bruch. Die Schneedecke am zugefrorenen Williams Lake war ungewöhnlich hoch, und Andy stellte das Flugzeug mit der Nase in den Schnee. Weiter kein Schaden, nur Ausfliegen war nicht mehr möglich. Es ging ein Funkspruch nach Norman Wells, aber alle waren irgendwo Xmas feiern und nicht mehr nüchtern. Nur einer war in der Lage, Martin Hartwell. Er flog uns aus, am Stephanitag, besser gesagt: am Boxing Day. Ich saß hinter ihm und hatte kein mulmiges ­Gefühl, nur den Gedanken, dass es zurückgeht. Flüüügel … Flüüügel … Ja, Martin Hartwell verlieh uns Flügel.

Leser machen Programm Schicken Sie Ihren Text bitte an: readbull@redbulletin.at Das Thema ist frei, doch irgendwo kann eine Dose versteckt sein. Die besten Texte (4000 bis 5000 Anschläge) werden ­abwechselnd mit den Storys professioneller Autoren veröffentlicht.

Anton M. Rehberger,

Jahrgang 1944, gelernter Koch und als solcher weltweit unterwegs. Erste Schreibversuche in Kanada (auf Englisch): zuerst Kochrezepte, dann Artikel über Geschichte und Politik. 97


Ankowitschs Kolumne belebt Körper und Geist

Liebe geht durch die … … Nase? Ja, doch beileibe nicht nur die Liebe: Auch Erinnerungen lassen sich einfach riechen. Mal angenommen, es ist ein strahlend schöner Frühsommertag und Sie gehen morgens aus dem Haus. Und mit einem Mal überfällt Sie die Erinnerung an jenen Moment, als Sie – neu in der Stadt – das erste Mal Ihre Straße hinuntergegangen sind: Der Himmel war blau und weit, die Luft klar und noch ein wenig kühl, Ihr Blick auf unendlich gestellt, und alles schien möglich. Wenn Sie sich nun fra­ gen, wie es kommt, dass Sie dieses Bild nach den vielen Jahren plötzlich so klar vor Augen haben, dann müssen Sie sich bloß an die eigene Nase fassen. Sie ­haben Ihre Erinnerung ganz einfach ­gerochen. Gerochen? Ja, gerochen! Um das nachvollziehen zu können, müssen wir nur einen Blick ins mensch­ liche Gehirn werfen. Dort gibt es einen Teil, der für die Verarbeitung von Gerü­ chen zuständig ist. Er heißt limbisches System, und man kann nur ungefähr ­sagen, welche Areale er umfasst. Dafür wissen die Hirnforscher von Tag zu Tag genauer zu sagen, wie sehr es dieses Sys­ tem in sich hat: Es ist nämlich nicht nur dafür zuständig, dass wir den Geruch ­eines strahlenden Frühsommermorgens von jenem eines Vorarlberger Alpenkäses unterscheiden können. Das limbische System bewertet auch Ereignisse, Erinne­ rungen und die damit verbundenen Ge­ fühle. Mit einem Wort: Es ist eines der

Der unwiderstehliche Geruch, den ein Baby verströmt, garantiert ihm die größtmögliche ­Zuwendung. wichtigsten Schaltzentren im Gehirn und ständig damit beschäftigt, Dinge zu beur­ teilen, zu archivieren und wieder hervor­ zuholen. Wer also etwas lernt, bekommt ebenso mit ihm zu tun wie Menschen, die sich an etwas erinnern oder ihre Nase in alles hineinstecken müssen. So kommt es, dass wir bestimmte Gerüche mit be­ stimmten Ereignissen und Gefühlen ver­ binden, uns also der Geruch heißer Dach­ pappe an die Ferienwochen auf dem Land erinnert, die wir regelmäßig bei ­unseren Großeltern verbracht haben. Die ganze Sache hat freilich einen ent­ scheidenden Haken: Von alledem bekom­ men wir oft gar nichts mit! Wir nehmen also, ohne es zu ahnen, den Hauch eines bestimmten Parfums wahr und haben im

nächsten Moment den dringenden Wunsch, eine bestimmte Person anzu­ rufen – und rufen sie an; nicht wissend, dass uns der Lieblingsduft dieses Men­ schen dazu gebracht hat. Dass Gerüche so stark und unbewusst auf uns wirken, hat weitreichende Fol­ gen. Im Guten wie im weniger Guten. So finden wir beispielsweise Partner sym­ pathisch, deren Körpergeruch uns (un­ bewusst) signalisiert, dass wir genetisch sehr verschieden sind (es also biologisch gesehen toll wäre, wenn wir miteinander Kinder hätten). So können wir gar nicht damit aufhören, unser Baby zu umarmen und es mit uns rumzuschleppen (weil es einen unwiderstehlichen Geruch ver­ strömt, der ihm die größtmögliche Zu­ wendung garantiert). So setzen wir uns in einen teuren Wagen und bringen ihn nach wenigen Tagen wieder zurück, weil irgendetwas an ihm nicht stimmt (wie es der Firma Rolls-Royce einmal passiert ist, deren Autos plötzlich anders rochen, weil man neue Materialien verwendet hatte; die Firma bekam ziemliche Probleme deswegen). Und so gehen wir in einen Shop, finden die dortigen Verkäufer sehr sympathisch und kaufen mehr, als wir wollen (weil der Laden von einem ­Geruchsdesigner präpariert wurde, der genau weiß, welche Düfte man versprü­ hen muss, um uns zu verführen). Um diesem Automatismus zu ent­ gehen, bleibt uns nur eines: aufmerksam bleiben! Ohne es zu übertreiben. Denn während wir innehalten sollten, wenn wir mit drei Jeans, zwei Pullovern und einer Jacke die Kasse ansteuern, obwohl wir nur ein T-Shirt kaufen wollten, kön­ nen wir das Denken ruhig bleibenlassen, wenn uns der Duft des Frühsommers in die Nase steigt und wir uns durchstarten sehen in eine blauschimmernde Zukunft. Christian Ankowitsch, 49, ist ein öster­rei­chischer Journalist und Schriftsteller. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

Herausgeber und Verleger Red Bulletin GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Stefan Wagner (Stv.) Creative Director Erik Turek Art Director Markus Kietreiber Fotodirektion Susie Forman, Fritz Schuster (Stv.) Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitende Redakteure Werner Jessner, Uschi Korda, Andreas Kornhofer, Alexander Macheck Redaktion Ulrich Corazza, Felix Fuchs, Peter Hofer, Daniel Kudernatsch, Florian Obkircher, Lucas Perterer, Christoph Rietner, Simon Schreyer, Clemens Stachel, Nadja Žele Grafik Claudia Drechsler, Dominik Uhl Fotoredaktion Markus Kucˇera, Valerie Rosenburg Senior Illustrator Dietmar Kainrath Autoren Christian Ankowitsch, Christian Seiler Mitarbeiter Nick Amies, Chris Green, Alex Lisetz, Ruth Morgan, Anthony Rowlinson, Andreas Tzortzis, David Wilds Illustratoren Mandy Fischer, Gluekit, Andreas Leitner, Adam Pointer, Lie-Ins and Tigers Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Christian Graf-Simpson, Nenad Isailovic Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Geschäftsführung Karl Abentheuer, Rudolf Theierl Projektleitung Bernd Fisa Sonderprojekte Boro Petric Finanzen Siegmar Hofstetter Verlagsleitung Joachim Zieger Marketing Barbara Kaiser (Ltg.), Regina Köstler Projektmanagement Jan Cremer, Jürgen Eckstein, Dagmar Kiefer, Sandra Sieder, Sara Varming Anzeigenverkauf Bull Verlags GmbH, Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien; anzeigen@ at.redbulletin.com Office Management Martina Bozecsky, Claudia Felicetti Firmensitz Red Bulletin GmbH, Am Brunnen 1, A-5330 Fuschl am See, FN 287869 m, ATU 63087028 Sitz der Redaktion HeinrichCollin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com Redaktionsbüro London 14 Soho Square, W1D 3QG, UK Telefon +44 20 7434-8600 Fax +44 20 7434-8650 Web www.redbulletin.com Erscheinungsweise Das Red Bulletin erscheint jeweils am ersten Dienstag des Monats als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partner­ zeitungen – in Österreich: Kleine Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Die Presse, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten; Burgenländische Volkszeitung, Niederösterreichische Nachrichten. In Deutschland: Münchner Merkur, tz. In Großbritannien: The Independent. In Irland: Irish Independent. In Nordirland: Belfast Telegraph. Gesamtauflage 2,1 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com

DAS RED BULLETIN ERSCHEINT JEDEN ERSTEN DIENSTAG IM MONAT. DIE NÄCHSTE AUSGABE GIBT ES AM 2. Juni 2009.

illustration: andreas leitner

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HAFTUNGSAUSSCHLUSS Nicht zur Nachahmung geeignet! Bei den abgebildeten Fahrern handelt es sich um professionelle Motorradfahrer. Die Bilder sind auf abgeschlossenen Rennstrecken oder abgesperrten Straßen entstanden. KTM macht alle Motorradfahrer darauf aufmerksam, sich im Straßenverkehr an die gesetzlichen Vorschriften zu halten, die vorgeschriebene Schutzbekleidung zu tragen und verantwortungsbewusst zu fahren.

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