The Red Bulletin_0510_GER

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www.redbulletin.com

Ein fast unabhängiges Monatsmagazin / mai 2010

Rachel Atherton

Das famose Comeback der Downhill-Queen

Teri Gender Bender

Sebastian Vettel

Roher Rock ’n’ Roll trifft blutigen Blues. Frisch aus Mexiko!

Mein erster Backflip

FMX aus der Anfängerperspektive

Das Interview zur Formel 1.

Erleben Sie

Print 2.0



Bullhorn

Willkommen! ensation 1: Der Junge hat sich mit gerade einmal 22 Jahren im deutschen S Motorsportselbstbewusstsein bereits einen Platz neben Allzeitgröße Michael ­Schumacher erarbeitet. Geht in die Saison mit dem Anspruch, der jüngste Formel-1-Weltmeister der Geschichte zu werden. (Wobei ihm „der jüngste“ egal ist, Weltmeister reicht.) Ist der schnellste Mann im Feld der Formel 1, das brillanteste Talent, der entschlossenste Arbeiter, der härteste Gegner. Sensation 2: Es macht auf die allernatürlichste Weise Spaß, mit Sebastian Vettel zu plaudern. Der Kerl schaut dir in die Augen, hört dir zu, denkt über deine Fragen nach und formuliert dann eine witzige, gescheite, charmante, präzise Antwort. Wenn die Stimmung danach ist, dann erzählt er, dass er Angst vor Mäusen hat, nämlich wirklich, um im nächsten Atemzug den unglaublichen Druck, der auf ihm lastet, mit einem Satz wegzuwischen: „Druck ist doch ein Kompliment – er zeigt, dass die Erwartungen gestiegen sind, weil du in den letzten Jahren einen guten Job gemacht hast.“ Red Bulletin-F1-Experte Anthony Rowlinson, Engländer und privat sehr befreundet mit Vettels Teamkollege Mark Webber, fühlte Vettel in Kuala Lumpur bei einem ausgedehnten Frühstück auf den Zahn. Rowlinson trat die Heimreise als überzeugter Vettelianer an: „This guy is simply fantastic.“ Viel Spaß bei einer außergewöhnlichen Unterhaltung, das Interview startet auf Seite 38.

CoverBild: Red Bull Racing; Bild: Joseph Lim

Von Malaysia ans andere Ende der Welt, nicht nur geografisch: Vom Multimillionen-Dollar-Glitzern der Formel 1 führt die Reise zu über den afrikanischen Kontinent verstreuten Fußballplätzen – keinen prunkvollen Stadien, sondern kargen Spielfeldern des Alltags. Fotograf Thomas Hoeffgen bereiste Länder wie Nigeria, Sambia, Malawi und natürlich Südafrika und brachte ­wunderbare Aufnahmen mit: wie sich Fußballplätze in Chaos, Armut und Aussichtslosigkeit ergeben – oder sich trotzig dagegen erheben. Bartholomäus Grill, fußballbegeisterter Afrika-Korrespondent der Hamburger Wochen­ zeitung „Die Zeit“, verfasste für das Red Bulletin die begleitenden Texte. „African Arenas“ gibt es ab sofort als Buch (Hatje Cantz Verlag), bis 2. Juni als Ausstellung in Berlin und ab Seite 58 als opulenten Foto-Essay. Red Bulletin-Autor Werner Jessner ist ein Mensch, der wenig gebräuchliche Fortbewegungsarten schätzt; zum Beispiel glüht er die Berge Europas sehr gern mit seinen Mountainbikes hinunter. Jessner war somit die logische Wahl, als das Angebot des sehr freundlichen jungen Freestyle-Motocrossers Petr Pilát an die Redaktion herangetragen wurde, ihn doch bei einem Backflip zu begleiten, quasi als protokollführender Co-Pilát. Lustig war, Jessner auf Piláts Schoß ausnahmsweise ein wenig schweigsam zu erleben. Soweit man das durch den Vollvisierhelm erkennen konnte, war er sogar ein wenig blass um die Nase. Zum Glück überwand er nach der glücklichen Landung seine vorübergehende Wortkargheit rasch: Das Logbuch einer im Wortsinn durchgedrehten Flugreise erwartet Sie ab Seite 68.

Ein Schlachtenbummler der besonderen Art Thomas Hoeffgen ist Deutscher, lebt in New York und fotografierte 1999 eine Fußball-Story in Nigeria. Das Thema „Fußball in Afrika“ ließ ihn danach ein Jahrzehnt lang nicht mehr los. Sein wunderbares Projekt „African Arenas“ schloss Hoeffgen im Vorjahr ab; wir sind stolz, als erste Zeitschrift eine Auswahl der außergewöhnlichen Fotografien präsentieren zu dürfen.

Viel Spaß dabei! Die Redaktion 3


Ihr Red Bulletin kann noch mehr, als Sie denken. Movies, Sounds, Animationen 10

12 Print 2.0 – die zusätzliche Dimension in Ihrem Red Bulletin. In diesem Heft bei folgenden Storys:

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Das neuartige Multimedia-Erlebnis. Wo immer Sie das Auge des Bullen sehen!

Wie’s geht? Umblättern auf Seite 7 oder gleich ins Internet: de.redbulletin.com/ print2.0


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i n h a lt

die welt von red bull im april Ob gescheite Theorien oder extreme Segeltörns, hippe Zukunftsmusik oder uralte Traditionen: Die Richtung stimmt, einfach der Spur folgen.

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Bullevard

08 Kainraths Kalenderblatt 10 Fotos des Monats

18 Red Bull Street Style Was man vor dem großen Finale am 28. April in Kapstadt wissen sollte. 22 Games over Die Stars der Olympischen Winterspiele in Vancouver 2010. 24 Einst & Jetzt Aus der runzeligen Lederkugel wurde ein raffinierter Uni-Absolvent. Getreten wird der Fußball aber noch immer.

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27 Mark Webber Der australische Formel-1-Star im Ganzkörper-Selbstporträt. 28 Bruce willis Die Welt eines harten Action-Helden. 30 Formelsammlung Aua! Was – physikalisch betrachtet – bei einem Rugby-Tackling alles passiert.

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32 Die zahlen des Monats Die Speedrekorde der Tempojunkies.

Heroes

36 Jane Goodall erforschte jahrzehntelang das Verhalten der Schimpansen. Uns erzählte die große Zoologin, warum sie heute gegen Armut, Überbevölkerung und Auswüchse west­ lichen Lebensstils zu Felde zieht. 40 Rajon Rondo ist zwar der Kleinste der Boston Celtics, trotzdem aber ein ganz Großer. Weil er den langen Kerlen clever die Bälle serviert. 46 Glenn Curtiss ist der eigentliche Urvater der Fliegerei. Wir erzählen Ihnen, warum. 6

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bilder: carroux.com/Red Bull Photofiles, Craig Kolesky, Dan Wilton/Red Bull Music Academy, Daniel Vojtech/red Bull photofiles, Getty Images/Red Bull Photofiles, HELGE KIRCHBERGER Photography/Red Bull Hangar-7, Mike Hewitt/Getty Images for Red Bull Air Race; illustration: albert exergian

Action

54 Alles, was Flügel hat Der menschliche Körper funktioniert auch als Flügel. Zumindest für Jon DeVore und seine Skydiver-Kollegen. 58 Arena Afrika Zerstreuung, modernes Männerritual und schiere Magie: Fußball ist in Afrika weit mehr als ein Spiel. 68 Co-Pilát Flip, Flip, hurra: FMX-Rising-Star Petr Pilát nahm uns mit auf einen Backflip.

More Body & Mind

74 Gabriella Cilmi betrachtet Donna Summer als pure Magie und sorgt sich im Hangar-7-Interview um die Gesundheit von Lady Gaga. 75 Küchengeheimnisse Die deutsche Starköchin Cornelia Poletto ­lüftet drei von ihren. 76 Mobilitätspaket Rachel Atherton zeigt uns ihr Gepäck. 78 Smart speisen Der neue Trend: Essen für gute Laune, Schönheit und die grauen Zellen. 80 Kopfüber ins Wasser Die malerischen sechs Schauplätze der Red Bull Cliff Diving World Series 2010. 82 Volles Programm Das Red Bull TV-Fenster auf ServusTV. 84 Hot spots Was ist los rund um die Welt? 86 Die Macht der Nacht Live aus Kapstadt, London und Warschau. 94 Read Bull Diesmal: die Story eines Siegers. 98 Geist mit Körper Christian Ankowitschs Kolumne belebt.

the red Bulletin Print 2.0 Movies, Sounds, Animationen in Ihrem Red Bulletin. Überall, wo Sie dieses Zeichen sehen. 1

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44 de.redbulletin.com/ print2.0 Im Browserfenster sehen Sie das MagazinCover. Klicken Sie auf „Starten Sie Bull’s Eye!“.

Webcam zulassen Sie benötigen eine Webcam. Sollte sich ein Auswahlfenster öffnen, klicken Sie auf „Zulassen“.

Red Bulletin vor die Webcam halten Es erwarten Sie Multimedia-Inhalte wie Movies, Soundfiles oder Animationen.

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K a i n r at h s K a l e n d e r b l at t

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Erfrischung.

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O b e r st e i e r m a r k (AUT)

Flieger erwischt! Paul Steiner und die Jungs vom Red Bull Skydive Team sind für ihre Kreativität in der Luft berühmt. Sagt ja keiner, dass man unterwegs nicht ein bisschen aus dem Flugzeug aussteigen und sich auf den Tragflächen die Beine vertreten kann. Was ein Charlie Chaplin im Filmstudio gespielt hat, setzen die Jungs einfach in 2000 Meter Höhe mit ihren Blaník L-13 in die Realität um. Den letzten Streich von Skydiver Paul Steiner mit den beiden Piloten Ewald Roithner und Kurt Tippl muss man allerdings mit eigenen Augen gesehen haben, sonst glaubt man’s nie und nimmer. (Tipp: Am besten Heft vor die Webcam halten und in Augmented Reality anschauen, Details auf Seiten 4 und 7.) Dass man von einem Flugzeug … und dann noch … und dass die dann … und dass sich das … Kurz gesagt: Was man nicht glauben kann, muss man sehen.

Bild: MARKUS ZINNER/RED BULL photofiles

www.redbullskydiveteam.com

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Bullevard BeflĂźgeltes in kleinen Dosen.

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de.redbulletin.com/print2.0 Das Video vom Flugzeug-Mensch-  Flugzeug Sandwich.


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bild: Predrag Vučković/Red Bull Photofiles

de.redbulletin.com/print2.0 Das Making-of der Luftbrücke.

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I st h m u s vo n Ko r i n t h (GRE)

alter grieche! Periander, der Tyrann von Korinth, hatte im sechsten Jahr­ hundert vor Christus eine Idee: Würde man den Isthmus von Korinth, der das griechische Festland mit dem Peloponnes verbindet, mit einem Kanal durchtrennen, könnten Schiffe sich die gefähr­liche Passage rund um die Halbinsel sparen. Es sollte ­jedoch bis 1893 (nach Christus wohlgemerkt) dauern, bis der 80 Meter tiefe und 85 Meter breite Kanal endlich fertiggestellt war. Die Verbindung am Landweg erfolgt seither über fünf ­Brücken. Was aber, wenn man zusätzlich eine Luftbrücke installierte?, überlegte sich der australische FMX-Superstar Robbie Maddison. Es dauerte eine Woche, bis er sich „den verrücktesten und gefährlichsten Sprung meines Lebens“ zutraute. Das Ergebnis war perfekt, die Landung wie aus dem Bilderbuch. Denn wie sagte schon Periander: „Voreiligkeit ist gefährlich.“ Red Bull X-Fighters: 14. Mai 2010, Gizeh, Ägypten www.redbullxfighters.com


Sa n F r a n c i s co (USA)

Bremsverbot Ein schöner Zeitvertreib für junge Menschen mit dicken Eiern ist Street Luge. Ausgehend von der kalifornischen Longboard-Szene, entwickelte sich Anfang des Jahrtausends eine rührige Community, die es mit ihrer Leidenschaft bis in den Himmel aller ExtremsportEvents schaffte, nämlich zu den X Games und deren Ableger, den Gravity Games. Verbände wurden gegründet, Rennen live im TV übertragen, Regeln definiert (unser Lieblingsbeispiel: „Mechanische Bremsen aller Art sind verboten“). Street Luge wurde vom Underground- zum Wettkampfsport, der es bis Frisco schaffte. So schnell, wie Street Luge populär wurde, verebbte der Boom allerdings auch wieder. Längst ist man zurück im Underground. Nur manchmal hat man das Gefühl, dass heute etwas fehlt.

bild: Christian Pondella/Red Bull Photofiles

www.sk8trip.com

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B e r l i n (ger)

John Seb Creek Wer sagt, dass alte Musik tote Musik sei? Die Flying Steps aus Berlin ganz gewiss nicht. Zweieinhalb Wochen lang interpretierten die vierfachen Breakdance-Weltmeister bei Red Bull Flying Bach das „Wohltemperierte Klavier“, einen, wenn nicht den Klassiker des großen Barock-Komponisten Johann Sebastian Bach. Unter der künstlerischen Leitung von Christoph Hagel (den Sie am Bild persönlich am Bösendorfer sehen) fusionierten in der Neuen Nationalgalerie Berlin an zwölf Abenden Präludien und Fugen mit B-Boying, Hip-Hop, New Style, Soul Lock oder House zu einem modernen, unerhörten, innovativen Kulturerlebnis für alle Sinne. Ob es dem guten alten ­Johann Sebastian gefallen hätte? Man kann davon ausgehen, galt er doch schon zu Lebzeiten als bedeutender Innovator der Musik, der sich nie groß um tradierte Genregrenzen gekümmert hatte.

bild: Ray Demski/Red Bull Photofiles

redbull.de/redbullflyingbach

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Bilder des Monats

Moment mal!

Szenen aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser. Einfach hochladen auf: www.redbulletin.com Unter den Einsendern der veröffentlichten Fotos wird ein druckfrisches Buch zum erfolgreichen Kinofilm „Mount St. Elias“, der in Österreich über 100.00 Besucher in die Kinosäle lockte, verlost.

Beale Air Force Base Zwischen den harten Gewinnerin aus Heft 04/2010: Katharina Gellner

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Vorbereitungseinheiten für Red Bull Stratos bleibt Felix Baumgartner noch Zeit für Ablenkung. Lisa Fürst


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… Startschuss!

Dass Reggie Bush sonst mit etwas weniger runden Bällen zu han­ tieren pflegt, war dem Superstar der New Orleans Saints nicht ­anzumerken.

bilder: Clay Patrick Mcbride/Red Bull Photofiles (2), Garth Milan/Red Bull Photofiles (3), GEPA pictures

Die Red Bulls New York eröffneten Ende März in New Jersey die modernste FußballArena in Nordamerika. In den USA herrsche keine Fußballbegeisterung? 25.000 Fans der Red Bulls New York stürmten am 20. März die neue, super­moderne Arena vor den Toren des Big Apple. R&B-Star Kelly Rowland eröffnete die Fußballparty und schmetterte die US-Nationalhymne ins ausverkaufte Oval. Den Schlusspunkt bildete eine spektakuläre Pyro-Show. Dazwischen zündeten die Red Bulls New York auf dem Naturrasen ein sportliches Feuerwerk und besiegten den FC Santos aus Brasilien in einer schwungvollen Partie 3:1. Unter den Premierengästen fanden sich logischerweise Prominente aus der Welt des Showbiz und des Sports. So wurde der Matchball von der Olympiasiegerin und AlpinGesamtweltcup-Gewinnerin Lindsey Vonn angeliefert. Klarerweise nicht auf Skiern, aber in gewohnt speediger Manier im NASCAR-Boliden, chauffiert von Brian Vickers. Vonn vollzog auch den Ankick – vor den Augen von NFL-Super-

star Reggie Bush und „Kaiser“ Franz Beckenbauer. Die in New Jersey gelegene neue Arena bietet alles, was ein modernes Fußballstadion braucht. Alle 25.000 Sitzplätze sind überdacht, zudem gibt es tausend Business Seats, dreißig exklusive Logen und zwei VIP-Partydecks. Der Look erinnert an das Salzburger Pendant, was kein Wunder ist: Ebenso wie das Red Bull Arena in Wals-Siezenheim wurde es von den Rossetti Architects aus L. A. entworfen. Höchst publikumsfreundlich auch die Technologie: Zwei riesige Videoscreens, ein 360-GradMultimedia-Messageboard und 175 Flatscreens garantieren, dass niemand etwas verpasst, nur weil er gerade in einem der Food-Stores Energie tankt. Der Superstar der Red Bulls New York, Juan Pablo Ángel, zeigte sich von seinem neuen Arbeitsplatz begeistert: „Das Stadion ist Startschuss einer neuen Fußball-Ära in den USA.“ Den virtuellen Rundgang durchs Stadion gibt es auf: redbullarena.us

Rom Lilou steht kopf. Der zweifache Red Bull BC

Bremen (USA) Hohe Luftstände gab es reichlich bei

Linz An diesem Abend wurde die Europäische Kul-

One Champion aus Lyon war auch in Rom am Start. Guido Gazzilli, Red Bull BC One Club Tour

den Sprüngen des neuartigen Motocross-Teambewerbs. Garth Milan, Red Bull RE-MX

turhauptstadt 2009 zu Österreichs Hip-Hop-Mekka. Erwin Polanc, Red Bull Beats & Rhymes

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Tank­ stelle

ie sTehr ese 4 Ronaldo, Kaká, Šuker: Ihr Erfolg hat(te) auch sportwissenschaft­ liche Ursachen.

FuSSball 2020 Wie alle Welt den Fußball verändert: Sechs Thesen zur Zukunft des globalen Sports Nr. 1. These 4: Der wissenschaftliche Kicker. Individualtraining und wissenschaftliches Know-how werden bei den Giganten künftig noch intensiver Doppelpass spielen. Bei Real Madrid kümmerten sich schon in den späten neunziger Jahren drei Fitnesstrainer um Davor Šuker, den kroatischen WMTorschützenkönig 1998. Heute stehen bei den „Königlichen“ Trainer in Mannschaftsstärke auf dem Platz, die in Einzelgruppen spezielle Spielformen pauken. Und Cris­ tiano Ronaldo, mit 94 Millionen Euro teuerster Fußballer aller Zeiten, konsultiert schon mal Usain Bolt, den schnellsten Läufer des Planeten, um sein Sprinttraining noch ausgeklügelter gestalten zu können. Dabei ist Ronaldo für fußballerische Begriffe ohnehin ein Sprintmonster. Während seiner Zeit bei Milan wurde Kaká, heute ein Madrileño, ins berühmte Milan Lab kommandiert, wo nach jedem Training die Hirnströme der Rossoneri gemessen werden und von Ärzten und Physios jeder Muskel der Profis seziert wird. Der international angesehene englische Conditioning Coach Roger Spry erfuhr:

Kagbeni Mountainbiker René Wildhaber holte

„Er sollte aggressiver werden, um seinen robusteren, knochenharten Gegenspielern ein Schnippchen schlagen zu können. Also haben sie ihm einen Sandsack montiert – und er musste ein Kickboxtraining absolvieren.“ Aly Cissokho, der heute mit Olympique Lyon Champions League spielt, schaffte erst gar nicht die Aufnahmeprüfung in die Serie A. Dabei hatte er am Vortag seiner Untersuchung im Milan Lab bei einem Essen mit Vizepräsident Adriano Galliani noch siegessicher in die Kameras gegrinst. Sein geplanter 15-Millionen-Euro-Transfer von Porto fiel durch, weil die Sportmediziner in Milanello die Verletzungsprävention verdammt ernst nehmen: Der angesehene Chiropraktiker Jean-Pierre Meersseman hatte dem heute 22-jährigen linken Verteidiger wortwörtlich auf den Zahn gefühlt und dabei eine problematische Fehlstellung im Kiefer diagnostiziert.

www.area47.at

„In the Hands of the Gods“ – fünf Jungs auf den Spuren ihres Idols Diego Maradona. Der FußballFilm im Red Bull TV: 6. Juni 2010, 22.00 Uhr

Austin Mos Def zieht den sprichwörtlichen Hut vor einer Platz drei beim Urge Nepal. Manchmal musste er phantastischen Kulisse von 6000 Zuschauern im Warehouse offensichtlich nach dem Weg fragen. Sébastien Boué District. Erich Schlegel, Red Bull Thre3Style

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Unter dem Namen Area 47 (benannt nach dem Längengrad, der durch das Gelände führt) eröffnet im Mai in Tirol der wohl kompletteste AbenteuerSpielplatz der Alpenregion. Inszeniert wird alles, was Spaß macht und Mut verlangt: Rutschen am 620-Meter-Seil, Schanzenspringen für Snowboarder, Freeskier und Mountainbiker in eine Water Area, Bouldern an der DeepWater-Soloing-Kletterwand, Slacklinen über Wasser, Skywalken im Hochseilgarten und Megaswingen nach Bungee-Manier von der Brücke, die über die Ötztaler Ache führt. Möglich sind auch Rafting, Canyoning und Floßfahren. Direkt am Wasser ragt noch ein 27-Meter-Sprungturm in den Himmel: Red Bull Cliff Diver Orlando Duque hat sich, so hört man, bereits zum Training angesagt. Das Einzige, was nicht nach Mutprobe klingt: der AREA Dome (eine 8000 Besucher fassende Veranstaltungshalle) und die diversen gastronomischen Oasen am Gelände.

Lienz Über hundert Kajakfahrer ermittelten auf Schnee statt im Wasser ihren Weltmeister. Einige wurden trotzdem nass – im 12-Meter-Wassergraben. Martin Lugger

Text Fussball 2010: Andreas jaros; illustration: heri irawan

Allerdings für Adrenalin: Im Tiroler Ötztal macht das Abenteuer keine Pause.


b u l l e va r d

Meine Welt

Tim Burton

Niedliche Disney-Füchse hatten keinen Platz in seiner Welt. Darum wechselte der Kalifornier das Fach und beschenkte als Regisseur unsere Welt mit phantastischen Filmen. Und einer Frisur, die – zugegeben – etwas exzentrisch wirkt. Flatterhaf ter Höhenflug

Klein Timmy

Mit dem Film „Batman“ setzte der Regisseur 1989 neue Maßstäbe in der Kategorie Hollywood-Blockbuster. Er übertraf nicht nur an den Kinokassen alles, was bis dahin Rang und Namen hatte, auch die Einnahmen der Merchandising-Produkte – allen voran der Soundtrack von Prince – waren sensationell. Jeder wurde reich, besonders Jack Nicholson, dessen Gage als Joker mit 50 bis 60 Millionen US-Dollar kolportiert wurde.

Tim Burton wurde am 25. August 1958 in Burbank, Kalifornien, geboren. Seine Mutter Jean besaß dort einen Laden namens „Cats Plus“, spezialisiert ausschließlich auf Katzen-Accessoires. Und sonst? „Ich hatte zwar nicht so viele Freunde“, erzählte Burton einmal, „aber es gab genug seltsame Filme, bei denen ich jeden Tag ­etwas Neues entdeckte, das mich beschäftigte.“

Museumsre if

Das MoMA in New York hat vor kurzem eine Retrospek­ tive von Burtons Gesamtwerk gezeigt. Eine Ehre, die bisher nur Kalibern wie Picasso, Jackson Pollock, Alfred Hitchcock, Spike Jonze und, aktuell, Henri CartierBresson zuteil wurde. Die Ausstellung umfasst 700 Arbeiten inklusive Zeichnungen und Modellen (etwa ein lebensgroßer Johnny Depp mit Scherenhänden) und gastiert ab Juni im Australian Centre for the Moving Image, Melbourne.

Ausgefuchst Nach einem Trickfilm- und Regiestudium am California Institute of the Arts landete er 1979 bei Disney. Sein erster Job „Cap und Capper“ war eine Vorgabe. „Ich konnte den Disney-Stil einfach nicht imitieren“, erzählte er im Buch „Burton on Burton“: „Meine Füchse sahen alle wie überfahren aus.“

Text: Paul Wilson; Illustration: lie-ins and tigers

Karrieresprung

Mit seinem ersten Kurzfilm – „Frankenweenie“ (1984) handelt von einem Buben, der seinen Hund wiederbelebt – machte er sich zwar bei den Disney-Bossen nicht gerade beliebt, er brachte ihm aber seinen ersten Regieauftrag ein, „Pee-wees irre Aben­ teuer“. 26 war Burton, als er 1985 zu drehen begann, annähernd so alt wie Steven Spielberg bei seiner ersten ­Arbeit „Sugarland Express“ 1974. Die beiden großen Phantasten des ­modernen Kinos sollten dann später für die TV-Serie „Unglaubliche Geschichten“ zusammenarbeiten.

Zu dir oder zu mir?

Burton traf Helen Bonham-Carter 1991 auf dem Set von „Planet der Affen“. Seither sind die beiden ein Paar und besitzen in London drei Häuser nebeneinander. Im ersten wohnte Bonham-Carter schon zuvor. Das zweite kaufte man, als Burton quasi einzog, und mit dem dritten schaffte man mehr Platz für die beiden Kinder. Verbunden ist der Komplex mit überirdischen Gängen.

3-d-wunder land

Im Frühjahr kam der neueste Burton-Film, „Alice im Wunderland“, ins Kino, der wie „Avatar“ auf der aktuellen 3-DWelle schwimmt. In puncto dreidimensionaler Action schlägt Alice die Blauhäuter um Längen. Ehefrau Helen Bonham-Carter besetzte Burton als Rote Königin, und zwar so, wie sie es von ihm gewohnt ist. „Ich kann mich nie darauf verlassen, dass er mich hübsch ­rüberbringt“, spöttelte sie im „Guardian“.

Cannes kann’s Mein Freund Johnny Wie Scorsese und De Niro gelten auch Burton und Johnny Depp als einzigartige Filmpaarung, mit bislang sieben gemeinsamen Produktionen. Während Depp gerne betont, dass der Regisseur ihm mit „Edward mit den Scherenhänden“ die Karriere gerettet habe, sagt dieser über den Schauspieler: „Ich fühle mich Johnny sehr nahe, weil irgendwo ganz drinnen reflektieren wir auf dieselben Dinge.“

In diesem Monat übernimmt Burton einen Job, für den er vermutlich geboren ist: Jury-Präsident der Filmfestspiele in Cannes. „Nachdem ich meine ­Jugend damit verbrachte, mir im Kino drei Filme en suite reinzuziehen, und 48-Stunden-Marathons mit Horrorfilmen absolvierte, bin ich für so etwas gewappnet“, sagte er bei seiner Ernennung. Ob ­jedoch seine exzentrische Frisur die zwölf Tage an der Promenade des Anglais hält, wird sich zeigen. Le 63e Festival de Cannes: 12. bis 23. Mai 2010

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b u l l e va r d

Brett­ balance Die besten Wheelies auf zwei Rädern.

Hanggliderin Corinna Schwiegershausen geht in die Luft, um bei der Heim-WM ihre Titel im Einzelund im Teambewerb erfolgreich zu verteidigen. Viele Drachen-Geschichten beginnen mit „Es war einmal …“. Diese beginnt mit: Es wird sein – und zwar von 8. bis 22. Mai in Schwangau am Tegelberg die diesjährige Hanggliding-WM. Sehr zur Freude von Corinna Schwiegershausen, die mit Öffentlichkeitsarbeit und Sponsorensuche an der Organisation maßgeblich beteiligt war: „Toll – erstmals findet eine DamenWM in Deutschland statt. Mit der Aus­ tragungsstätte verbinde ich viel Positives, hier konnte ich meinen ersten Erfolg bei der Deutschen Meisterschaft feiern.“ Die rund hundert Pilotinnen aus über zwanzig Nationen, die in den Kategorien Drachen, Starrflügler und Swifts starten, dürfen sich nicht von der Postkartenkulisse (die Ziellinie befindet sich am Fuße des Schlosses Neuschwanstein) täuschen lassen. Schwiegershausen: „Das Gelände ist schwierig, die Wetterverhältnisse sind oft wechselhaft. Hier ist Köpfchen gefragt – nicht wie in Texas oder Australien, wo man 250 Kilometer nonstop nur von Wol22

ke zu Wolke fliegt.“ Zur Vorbereitung auf die Heim-WM nahm Schwiegershausen, die es im Jahr auf rund 180 bis 200 Flugstunden mit dem Drachen bringt, an einem Wettkampf in Australien teil. Die wichtigsten Aufschlüsse für den Saisonhöhepunkt wurden jedoch bereits bei Training und Bewerben am WM-Austragungsort in den Jahren zuvor gesammelt. „Unser Team hat durch die Wetterund Geländekenntnisse definitiv einen Heimvorteil, da wir wissen, wann und wo wir am besten landen können.“ Das Ziel der amtierenden Weltmeisterin im Einzel und im Team (hier kommen an jedem Flugtag die zwei Besten pro Nation in die Wertung) kann daher nur „Titelverteidigung“ lauten. Schwiegershausen: „Die Russinnen haben wohl das stärkste Team, aber in unserer Mannschaft stecken totale Begeisterung, gegenseitige Unterstützung und Aufopferung für die Kolleginnen.“ Weltmeisterschaft im Drachenfliegen: 8. bis 22. Mai, Tegelberg/Schwangau; www.dhv.de

Informationen und Anmeldung unter: www.redbullmannymania.com bilder: daniel grund, Jody Morris/Red Bull Photofiles, Gavin Hellier/getty images

Drachen über Neuschwanstein

In den USA und in England haben die Red Bull Manny Mania-Contests bei Skateboardern bereits Tradition. Gezeigt werden dabei Tricks, bei denen man auf zwei Rollen balancierend fährt, ohne mit Nose oder Tail des Bretts den Boden zu berühren. Heuer haben erstmals auch deutsche Amateur-Skater eine Chance, daran teil­zunehmen. Bei zwölf Qualifikations­ bewerben (Auftakt: 29. Mai in Kiel) besteht die Möglichkeit, sich fürs natio­nale Finale am 10. Juli 2010 in Berlin zu qualifizieren. Dem Sieger winkt ein Platz beim internationalen Contest in New York, der vor der Kulisse der ­Manhattan Bridge stattfinden wird. Dort gilt es, sich zunächst gegen die Amateur-Konkurrenz aus 25 Ländern durchzusetzen. Im ProFinale warten dann Wheelie-Großmeister wie Joey Brezinski, Eli Reed, Eric Koston, Chad Muska oder Stevie Williams (Bild).


AUF DER KARRIERELEITER MUSS MAN SCHNELL UND UNERMU¨DLICH SEIN. kunde

KONZENTRIERTE ENERGIE VON RED BULL. DER SHOT, DER FLÜGEL VERLEIHT.


b u l l e va r d

This can can longer

Der bayrische Eiskönig

Der zwanzigjährige Martin Niefnecker holte sich den Gesamtsieg bei der Red Bull Crashed Ice World Championship 2010 – mit einem Heimtriumph in München und Platz 2 in Québec.

Anfang Auf das Red Bull Crashed Ice hat mich ein guter Bekannter und Mitorganisator der Events ge­ bracht. Meine Premiere hatte ich in Prag 2009, wo ich als Sechzehnter bester Deutscher wurde. Vorbereitung Sich gezielt auf das Red Bull Crashed Ice vorzu­ bereiten ist schwierig. Es gibt kaum Vergleich­ bares, um die dabei abverlangten Fähigkeiten zu kombinieren und zu trainieren. An das hohe Tempo gewöhnt man sich am besten beim Ski­ fahren. Daneben spiele ich Eishockey beim EC Peiting. Vor dem Bewerb in München trainierte 24

ich in der Bobbahn von Altenberg – nicht ein­ fach, da so eine Eisbahn doch recht schmal ist. Stimmgewaltig Die Stimmung war schon in München unglaub­ lich. Québec hat dann alles noch übertroffen, mit 120.000 Zuschauern entlang der Strecke. Der Kurs in Kanada war der extremste und an­ spruchsvollste, den ich bislang erlebt habe – ausgesprochen lang und unheimlich schnell, wo steilen Hängen ganz enge Kurven folgten. Sturzflug Stürze gehören beim Kampf Mann gegen Mann dazu. Auch in Kanada sind einige Kollegen un­ sanft abgeflogen. Auf meiner Verletzungsliste stehen zwei Nasenbeinbrüche, ein Fersenbruch und fünf ausgeschlagene Schneidezähne – alles beim Eishockey passiert. Beim Crashed Ice gab es nur ein paar blaue Flecken. Zukunftsvisionen Meine Ziele für 2011 sind die erfolgreiche Titel­ verteidigung und der Sieg in Kanada – dem Mutterland des Eishockeys. Ich hoffe, dass es in Zukunft noch mehr Stationen gibt und sich Red Bull Crashed Ice zu einer richtigen inter­ nationalen Wettkampfserie entwickelt. Mehr Infos auf: www.redbullcrashedice.com

NASCAR: Das ist purer US-Motorsport. Hunderttausende sehen in den Steil­ wandarenen zu, Millionen verfolgen die Rennen im TV. Trotz des komplexen Regelwerks ist klar: Wer weniger oft nachtanken muss, hat am Ende öfter die Nase vorn. Da passt die extragroße Red Bull Racing Special Edition-Dose (0,568 l) gut ins Konzept: Auch des­ halb, weil Red Bull Racing zwei USFahrer (# 82 Scott Speed, # 83 Brian Vickers) im Starterfeld hat. Vickers hat es 2009 mit dem ersten Rennsieg für RBR in den Chase geschafft, ins Playoff der besten zwölf zu Saisonende. Auch heuer schaut es so aus, als könnte es die Crew # 83 wieder schaffen. NASCAR mit den Rennen vom Wochenende: jeden Montag, 23.00 Uhr auf ServusTV

bilder: Daniel Grund/Global Newsroom/Red Bull Photofiles, Dan Mathieu/Red Bull Photofiles, Getty Images/Red Bull Photofiles

Good News: weniger Tankstopps für NASCAR-Fans.


kunde

Wir w端nschen Ihnen bessere Unterhaltung.


B u l l e va r d

EINST UND JETZT

Stuntbikes

Einst Harley-Davidson XR-750, 1972 Der Amerikaner Evel Knievel startete seine Karriere auf Honda, fuhr Norton, Triumph und Laverda, bevor er 1970 jene Partnerschaft mit Harley-Davidson einging, für die er berühmt werden sollte. Er wählte das gut eingeführte Modell XR-750, ein für damalige Verhältnisse relativ leichtes, sportliches Motorrad. Die Modifikationen daran bezogen 26

sich vornehmlich auf das unüberbietbare Stars-and-Stripes-Design. Technisch wurde die Harley mit ihrem knapp 50 PS starken charakteristischen Zweizylindermotor nur geringfügig an die Bedürfnisse des Königs aller Daredevils angepasst. Trommelbremsen vorn und hinten, wahre Hartgummireifen, ein Lenker, der sich schon beim Gedanken

an eine harte Landung verbog, hintere Doppelfederbeine als bloße Idee eines Bandscheibenschoners: Knievels Stunts werden noch ärger, wenn man sich sein Bike ver­ gegenwärtigt. Technisch waren seine Tricks mehr balls als brain: Er beschleunigte hoch bis auf 130 km/h, raste über die Schanze und schaute einmal, was dann passierte.

bild: Eric Long/courtesy of the Division of Work and Industry/National Museum of American History/Smithsonian Institution

1975 scheiterte Stuntman-Legende Evel Knievel spektakulär beim Versuch, mit seiner ­Harley 13 Doppeldeckerbusse zu überspringen. Von der Finesse des Stunt-Weltmeisters Chris Pfeiffer konnte man damals nur träumen, was allerdings auch an der Evolution der Bikes liegen mag.


bild: Bernhard Spöttel

Jetzt BMW F 800 R, 2010 Alu-Brückenrahmen, mittragender Zweizylindermotor mit 87 PS, Doppelscheibenbremse, verstellbares Zentralfederbein, Sechsgang­ getriebe: Die BMW F 800 R repräsentiert den Stand der Motorradtechnik am Beginn des dritten Jahrtausends. Der deutsche StuntWeltmeister Chris Pfeiffer hat in sein Arbeitsgerät ein paar zusätzliche Goodies einbauen

lassen: Akrapovic-Titan-Auspuff, speziell geformte Sitzbank mit integrierter Wheelie-Bar, kürzere Übersetzung, zusätzliche Hinterradbremse für den Mittelfinger, kein ABS, weniger stark gekröpfter Lenker, Axle-Pegs vorn und hinten, keine Lichter und ein Sturzbügel, falls doch einmal was schiefgeht. Der Motor wird mit zwei Litern mehr Öl als normal be-

füllt, um unter allen Umständen gut versorgt zu sein. Ungewöhnlich auch die Wahl des Hinterreifens: „Den Metzeler Marathon in 200erBreite findest du sonst eher an dicken Harleys. Für mich ist die F 800 R wie maßgeschneidert, wendig und durchzugsstark.“ Darum hat BMW eine Chris Pfeiffer Edition aufgelegt. www.chrispfeiffer.com

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Briefe an die Redaktion. Ihr März-Magazin war wieder einmal große Klasse. Darf ich die wissenschaftliche Formel für jeglichen Erfolg beisteuern? Keep one’s wits about one: Immer klaren Kopf behalten, denn nur ein klarer Kopf behält den Durchblick. Werner Müller, Weilheim (D)

Die 18-jährige Mariana Pajon (COL) holte sich bei den South American Games in Medellín, Kolumbien, die Goldmedaillen im BMX-Bewerb für 20- und 24-Zoll-Räder.

Siegerlächeln – egal ob auf zwei oder vier Rädern, auf Schotter oder in der Luft.

Red Bull Air RaceWeltmeister Paul Bonhomme startete mit einem Sieg in Abu Dhabi in die neue Saison. Im Finale setzte er sich gegen Landsmann Nigel Lamb durch.

Der Niederländer Rompelberg hat sein Tempo im Windschatten eines Dragster-Spezialfahrzeugs erreicht, der Kanadier Whittingham jedoch ohne fremde Hilfe liegend mit einem Spezialfahrrad. Die Red.

Motocross-Saisonauftakt in der MX-1-WM in Sevlievo (BUL): Max Nagl (GER) holte sich Lauf eins und belegte im zweiten Lauf Platz 2 – das war der Gesamtsieg.

Noch immer hungrig: Der sechsfache Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb (FRA) gewann nach der Mexiko-Rallye auch die Rallye von Jordanien.

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Leserbriefe an The Red Bulletin richten Sie bitte per Fax an +43 (0)1 90221-28809, per E-Mail an leserbriefe@at.redbulletin.com oder per Post an Heinrich-CollinStraße 1, 1140 Wien. Leserreaktionen werden nur veröffentlicht, wenn sie Name, Adresse und Telefon­nummer bzw. E‑Mail-Adresse enthalten. Die Redak­tion behält sich Kürzungen vor, wenn es Länge und Klarheit erfordern.

Bilder: ANDRéS JARAMILLO BOTERO, Getty Images, imago, KTM Images/Red Bull Photofiles, Citroën/McKlein/Red Bull Photofiles

kurz & dennoch einzigartig

Sie schreiben in Ihrer letzten Ausgabe (4/2010), die Höchstgeschwindigkeit eines mit Muskelkraft betriebenen Zweirads sei 133,284 km/h gewesen, gefahren von Sam Whittingham. Meines Wissens hat Fred Rompelberg in der Salzwüste von Utah am 3. 10. 1995 aber eine Geschwindigkeit von 268,831 km/h erreicht. Anton Karner, per E-Mail


B u l l e va r d Print 2.0

de.redbulletin.com/print2.0  Die erhebende Lebensgeschichte des Australiers.

Mein Körper und ich

Matt hall

Der Red Bull Air Race-Pilot ist noch nie abgestürzt, als Kind war er jedoch eine Art Bruchpilot. Und er meidet penibel die Sonne. Australier wissen ganz genau, warum.

Fit mac h mit

In der Nebensaison bin ich dreimal pro Woche im Fitness-Studio und trainiere eineinhalb ­Stunden mit Gewichten. Anschließend gibt es 45 Minuten Herz-Kreislauf- oder Aerobic-Training, entweder am Rad, am Laufband oder beim Schwimmen. Während der Air Race-Saison ­reduziere ich das auf ein paar Aerobic-Übungen, damit ich in Form bleibe und mich gut fühle. Das dient nur zur Stabilisation. Am Ende des Jahres bin ich dann zwar schwächer und habe weniger Energie, aber ich habe sie gut eingesetzt.

Sonne nschu tzfaktor 30

Früher habe ich es geliebt, am Strand zu liegen, heute meide ich die Sonne. In Australien ist die Aufklärung über die Gefährlichkeit der Sonnenstrahlung allgegenwärtig. Die Ozon­ schicht ist hier sehr dünn, daher kommt es häufig zu Hautkrebs. Ich lebe in der Nähe ­eines Strandes und habe auch einen ­Swimmingpool, gehe aber niemals ohne Sonnenschutz aus dem Haus.

Morg enmen sch

Wenn ich mich in der Früh nicht ­besonders wohl fühle, mache ich ­einen langen Spazier­ gang mit Stretch- und Atemübungen. Nach mei­ ner eigenen Rezeptur, aber mit Elementen aus Yoga und Pilates. Einfach den Kopf frei bekommen, tief durchatmen, gerade stehen, energiegeladen ausschrei­ ten, Schultern zurück und den­ ken: „Ja! Nichts passiert, solange ich mir sicher bin. Das ist vielleicht jetzt nicht mein Rennen, aber mach nur ja nichts Unüber­legtes.“ Und gleich stellt sich

bild: getty images/hamish blair

Tief durch atmen

Bei guten Flügen werde ich nie müde. Mache ich aber Fehler, bin ich nach der Landung erschöpft. Ich muss dann tief durchatmen, die Energie fließen lassen und es als Lektion für die Zukunft nehmen.

Das Genic k hält

Gemessen daran, was mein Genick in den letzten zwanzig Jahren durchge­ macht hat, ist es in guter Verfassung. Nach über einem Jahr Air Race ist es besser beisammen als zu der Zeit, als ich aufhörte, Kampfjets zu

Piloten ist Manches verboten

Ich bin ständig in der Welt unterwegs: zu den Air s ­Races, für Werbezwecke, um den Flieger in Schus da­ zu halten und zu Meetings. Das ist hart. Ich muss bei immer in gutem physischen und mentalen ­Zustand sein, da kann ich mir nicht den Luxus leisten, zu sagen: „Oh, ich habe jetzt Jetlag.“ Ich schaue mir im Flieger lese keine Filme an und trinke keinen Alkohol, sondern r meine bei ich kann so Nur viel. schlafe und ein Buch Ankunft klar denken und bin gut drauf.

Au, das tut weh!

Ich habe mich so oft verletzt, dass es schon nicht mehr lustig ist. Die schlimmsten Verletzungen sind vom Fliegen, abgestürzt bin ich aber noch nie. Vor­sichtig umgehen muss ich mit meinen Rückenverlet­zungen, die zu Lähmungen und starken Schmerzen in den Beinen führen können. Ich habe schon ­länger keine Probleme mehr mit den Bandscheiben, weil ich sehr gut in Form bin und ein gesundes Leben führe. Alle ­anderen Verletzungen stammen aus meiner Kindheit. Ziemlich viele Knochen­ brüche sind vom Radfahren, Surfen oder einfach, weil ich wo ­hinuntergefallen bin. Ein Stuben­hocker war ich nie.

Menüp lan

Ich arbeite mit einem Ernährungs­ experten, der mir einen Plan macht, was ich wann essen soll. Ich brauche das für den Körper, die Gesundheit, für Stärke und Ausdauer. Proteine in der Früh, tags­ über Kohlehydrate und am Abend etwas Süßes, damit mein Körper aufbauen kann, während ich schlafe. Beim Training esse ich fettarmes Eis mit Erdbeeren oder gemischten Früchten.

Das groSSe ganze

Um den Überblick zu behalten und mich zu konzen­ trieren, habe ich zwei Strategien. In der Nebensaison braucht man etwas Langfristiges, wie zum Beispiel Karriereziele festzulegen und zu überprüfen. Während der Rennsaison sind die Ziele kurzfristiger: Man muss fokussiert sein auf das, was im Moment gerade wichtig ist. Da ist entscheidend, dass ich in der Spur bleibe und sicher und fehlerfrei fliege.

My home is my Cockp it

Der erste Schritt zu einem erfolgreichen Rennen? Im Cockpit muss alles passen. Ich fühle mich dort so wohl, dass ich den ganzen Tag da drinnen verbringen könnte.

Infos, News und Ergebnisse auf: www.redbullairrace.com

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Formelsammlung

Alles im Lot?

Der französische BMX-Artist auf unserem Foto hört auf den klingenden Namen Matthias Dandois Delaigue, und den Trick, den er uns zeigt, nennt er „plastic man“. Plastik wäre uns dazu nicht eingefallen, eher die Frage: Wann kippt man mit einem BMXRad um – und wann nicht? Beginnen wir mit unseren Überlegungen beim einfachsten Fall, nämlich wenn ein Radfahrer geradeaus fährt. Er kippt dann nicht um, wenn das Lot des Gesamtkörperschwerpunkts (KSP), also der Vektor der Gewichtskraft (FG), durch die Unterstützungs­ fläche zeigt. Diese ist nicht mit der Auflagefläche zu verwechseln. Die Auflagefläche ist der Kontakt der Reifen mit dem ­Boden. Die Unterstützungsfläche erhält man, wenn man eine imaginäre Gummischnur um alle Auflageflächen spannt. Erstaunlich: Die Unterstützungsfläche eines Fahrrads ist etwas über einen Meter lang und nur wenige Zentimeter breit. Das Lot des KSP muss sich beim Fahren in diesem Bereich befinden, sonst kippt man um. Ist es so gesehen nicht verwunderlich, dass man überhaupt Rad fahren kann? Sehen wir uns nun den speziellen Fall an. Weil Matthias nur auf einem Reifen fährt, sind Auflagefläche und Unterstützungsfläche deckungsgleich – und winzig, nämlich bloß ein paar Quadratzentimeter groß. Wo ist der Gesamtschwerpunkt? Wir schätzen zunächst die Lage der Einzelschwerpunkte von Artist und Rad ab (KSP1 und KSP2). Der Gesamtschwerpunkt (KSP) muss auf der Verbindungslinie liegen. Matthias hat eine Masse von 80 kg, das Rad 10 kg. Deshalb teilt der KSP diese Verbindungs­ linie im Verhältnis 8:1. Damit Matthias samt Rad nicht umkippt, müsste das Lot des KSP durch die Auflagefläche zeigen. Das tut es nicht. Warum kippt Matthias dann aber nicht nach links? Weil er dabei einen Kreisbogen fährt. Dann tritt nämlich, im Gegensatz zum Geradeausfahren, eine zweite Kraft auf, die Zentrifugalkraft FZ. Diese setzt ebenfalls am KSP an und zeigt waagrecht nach außen. Weil hier zwei Kräfte am Werk sind, gilt Folgendes: Artist und Rad kippen nicht um, wenn die Gesamtkraft Fges durch die Auflage­ fläche zeigt, was hier der Fall ist. Vektoren darf man parallel verschieben. Deshalb kann man diese drei Kräfte auch als Dreieck darstellen und ihren Zusammenhang mit Hilfe des guten alten Satzes von Pythagoras berechnen: Fges² = FG² + FZ². Damit man diesen Trick schaffen kann, muss man also intuitiv die Grundzüge der Mathematik ­beherrschen. Was Matthias definitiv tut …

* Mag. DDr. Martin Apolin, 45, promovierter Physiker und Sportwissenschafter, arbeitet   als AHS-Lehrer (Physik, Sportkunde) und Lektor am physikalischen Institut in Wien und ist mehrfacher Buchautor.

Der Flatland-Profi bloggt auf: matthiasdandois.blogspot.com

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bild: Hadrien Picard/Red Bull Photofiles; illustration: mandy fischer

Die eine Kraft hat definitiv etwas dagegen, dass BMX-Artisten mit ihrem Zweirad keinen Purzelbaum schlagen. Also lassen jene ganz cool eine zweite Kraft für sich arbeiten, wie unser Physiker* anschaulich erklärt.

Matthias Dandois Delaigue, 21, ist wohl auch deshalb zweifacher Weltcupsieger im BMX Flatland, weil der Franzose ein Perfektionist ist, wie er von sich sagt: „Ich bin niemals mit mir zufrieden. Das war schon so, als ich noch ein Kind war.“



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zahlen des monats

Das bedeutendste Klubfußballspiel des Jahres und was dahintersteckt: Großverdiener, Torfabriken und Titelhamster.

Das Champions-League-Finale 2010 wird am 22. Mai im BernabéuStadion in Madrid gespielt, als 55. Endspiel der besten europäischen Vereinsmannschaften. Der Premierengewinner 1955/56 (damals unter dem Namen Europacup der Landesmeister) war Real Madrid – mit neun Siegen und drei weiteren Finalteilnahmen auch Rekordhalter. Ermöglicht wurde der europäische Klubbewerb durch die Flutlicht-Ausstattung der Stadien: So konnten die Spiele auch abends unter der Woche angesetzt werden. 1992/93 wurde der Bewerb ­reformiert, die Idee der Gruppenspiele aus der Vorsaison übernommen. Erster Gewinner der CL war Olympique Marseille.

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Das Champions-League-Finale 2010 wird nicht am dritten Tag der Woche (Mittwoch), sondern erstmals zur Primetime am sechsten (Samstag) ausgetragen. Ein Team stemmte den Pokal an einem Freitag in die Höhe: Bayern München gewann 1974 das Wiederholungsspiel gegen Atlético Madrid 4:0, nachdem das Match am Mittwoch davor nach Verlängerung 1:1 geendet hatte (Elfmeterschießen gab’s damals noch nicht). Noch ein Sechser: Das CL-Finale 2011 wird zum sechsten Mal (Rekord) im Wembley-Stadion gespielt.

0,97 Die Torschützenliste in der Cham­ pions League inklusive Meistercup führt ein „Königlicher“ an – Raúl von Real Madrid mit 66 Toren in 135 Spielen. Der treffsicherste Torschütze in der Geschichte ist allerdings Gerd Müller. „Der Bomber der Nation“ gewann mit Bayern München drei Titel und erzielte in diesem Bewerb in 35 Spielen 34 Tore. Dies ergibt eine unerreichte Quote von 0,97 Toren pro Spiel. Drei seiner Treffer gelangen ihm in einem Endspiel, darunter ein Doppelpack im Wiederholungsspiel 1974.

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6.000.000.000 Laut einer aktuellen Studie von MasterCard g­ enerierte die europäische Wirtschaft im Kalenderjahr 2009 durch die Champions League sechs Milliarden Euro. Herauszulesen ist auch, dass der ­Triumph dem FC Barcelona gesamt 110 Millionen Euro einbrachte, während sich die Achtelfinalisten über 50 Millionen an Prämien, Werbeeinnahmen und Merchandising-Verkäufen sowie gesteigerten Spieler-Marktwerten freuen durften. Zum Vergleich: Sechs Milliarden Euro beträgt etwa das Brutto­ inlandsprodukt Moldawiens, dessen Meister S ­ heriff Tiraspol im Play-off gegen Olympiakos P ­ iräus (GRE) mit einem Gesamtscore von 0:3 ausschied.

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Eine Frage für Fußballexperten: Wer ist der Mann, der als Einziger die Champions League mit drei verschiedenen Vereinen gewinnen konnte? Eine ­typische Antwort könnte Ronaldo lauten (der Brasilianer, nicht der Portugiese), der aber trotz seiner zwölf Karrierejahre bei europäischen Spitzenklubs wie Barcelona, Inter, Real Madrid oder Milan nie in einem Champions-League-Finale spielte. Richtig ist Clarence Seedorf. Der Nieder­ länder triumphierte mit Ajax 1995 – acht Wochen nach seinem 19. Geburtstag –, 1998 mit Real sowie 2003 und 2007 mit seinem aktuellen Verein AC Milan.

15 Vor jedem Champions-League-Spiel ist die von Tony Britten nach Georg Friedrich Händels „Zadok the Priest“ (1727) arrangierte dreisprachige Hymne zu hören („Die Meister / Die Besten / Les grandes équipes / The champions“). Allerdings ist der nationale Meistertitel nicht Grundvoraussetzung zur CL-Teilnahme. Um den Bewerb sportlich noch attrak­tiver zu gestalten, wurden in der Saison 1997/98 erstmals NichtMeister zugelassen. Für einige Teams wie den FC Liverpool kein Nachteil: Die „Reds“ gewannen 2005 die Champions League. Der letzte Erfolg der Engländer in der Premier League lag da 15 Jahre zurück. Alle Informationen auf www.uefa.com

Text: Paul Wilson. bilder: AFP, Getty Images (2), Offside Sports Photography, ullstein bild/picturedesk.com, Popperfoto

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ChampionsLeague-Finale


Kostenlose Schaltung.

kunde

“Ich weiß, der große Tag wird kommen.”

Heinz Kinigadner.

Zweifacher Motocross-Weltmeister, Mitbegründer von Wings for Life.

Rund 2,7 Millionen Menschen weltweit sind nach einer Rückenmarksverletzung auf den Rollstuhl angewiesen. Lange Zeit galt Querschnittslähmung als unheilbar. Bahnbrechende Erfolge in Laborversuchen haben jedoch das Gegenteil bewiesen. Wings for Life hat sich dem Ziel verschrieben, Querschnittslähmung heilbar zu machen, und unterstützt die besten Forschungsprojekte zur Heilung des verletzten Rückenmarks. Damit die Frage nach dem „wann“ nicht mehr lange unbeantwortet bleibt.

Jede Spende zählt. Wings for Life. Stiftung für Rückenmarksforschung. Bayrische Landesbank München Kontonummer 11911. Bankleitzahl 700 500 00.

www.wingsforlife.com



Auch wenn sein Familien­ name „Krokodil“ bedeutet: Der Südafrikaner Khotso Mokoena ist einer der bes­ ten Weitspringer der Welt.

Heroes bild: ADRIAN DENNIS/AFP/Getty Images

Helden und ihre Taten: Wer uns diesen Monat bewegt. 36 Teri Gender Bender 38 Sebastian Vettel 44 Khotso Mokoena 46 Rachel Atherton


Heroes

teri gender bender macht Butcher Rock. Ein Genre, dem die Red Bull Music Academy-­ Absolventin aus Mexiko mit ihren kunstblutigen Liveshows als Königin vorsitzt. Mit der Gitarre als Zepter, mit einem Schweinekopf als Krone. Text: Tom Hall, Bild: Dan Wilton

Sie hat ein Mundwerk wie zehn Matrosen. Und ein Faible für Tierinnereien, die sie bei ihren Gigs auf der Bühne verteilt. Ihr Name: Teresa Suaréz alias Teri Gender Bender. Wir treffen das mexikanische BluesPunk-Enfant-terrible in einer kleinen Kirche im Londoner Stadtteil Shoreditch zum Interview, um mit der Zwanzigjährigen über ihr demnächst erscheinendes Debütalbum „Sin, Sin, Sin“ zu sprechen. Zwischen Beichtstuhl und Altar. Ein skurriles Szenario, das wohl kein PR-Manager hätte besser planen können. „Amputationen haben mich immer fasziniert“, legt Suaréz los. Flüsternd, mit tiefer Stimme, den heiligen Hallen angemessen. „Also starre ich die ganze Zeit auf dieses Bein, das da im Tonstudio lehnt, in dem ich aufnehme. Und denk mir, verflucht, wenn dieses Bein da noch lang herumsteht, werde ich noch verrückt. Dann lass ich mir meines auch abnehmen.“ Ein interessanter Start ins Gespräch. Das mit dem Interview in der Kirche übrigens, das hat sich spontan ergeben. Ganz ohne PR-Agentur. Das Gotteshaus schlug Suaréz vor, als sich herausstellte, dass der Lärm im Café gegenüber das Aufnahmegerät überfordern würde. In London ist die Mexikanerin der Red Bull Music Academy wegen: Sie war im Februar Teilnehmerin. Und ist mit ihrer charmant-unverblümten Art schnell zu Everybody’s Darling avanciert, hat mit ihrer wüsten Rock-’n’-Roll-Show – Kunstblut inklusive – im Hipster-Pub Old Blue Last selbst puristische ElektronikNerds überzeugt. Suaréz’ Psychobilly-trifft-Courtney-Love-Blues, gepaart mit markigen Texten über große Feministinnen wie Sylvia Plath, erfindet zwar das Rad nicht neu, ist aber so packend wie einzigartig, so witzig wie schmutzig. Und so unterhaltsam, dass die New Yorker IndieSuperstars Yeah Yeah Yeahs Suaréz’ Band, Le Butcherettes, als Support auf Stadiontour durch Mexiko mitgenommen haben. Ein musikalisches Abenteuer, das die Band wenig später auf Anfrage ihres musikalischen Idols Jack White, Frontmann der White Stripes, 36

mit diesem wiederholt hat. Omar Rodríguez-López, Mars-Volta-Gitarrist und Mitglied der legendären Post-Hardcore-Band At the Drive-In, dagegen hat das kommende Butcherettes-Album produziert. „Ich traf Omar in einer Lagerhalle in Guadalajara“, sagt sie. „Wir spielten dort live, als plötzlich der Strom ausging. Also schnappte ich mir ein Megaphon und den Schweinekopf, den wir als Bühnendeko verwendeten, sprang ins Publikum und sang, so laut ich konnte. Ich glaube, Omar hat sich einfach gedacht, verdammt, was geht denn da ab?“ Ihren Style übrigens nennt das Drums-GitarrenDuo konsequent Butcher Rock. Doch auch wenn das alles nach spontanem Bühnenexzess klingt, nach ­aktionistischem Blutrausch, in dem Projekt stecken Schweiß und Tränen. „Mit fünfzehn bin ich mit meiner Mutter von ­Denver nach Mexiko umgezogen“, sagt sie. „Als Künst­lerin hast du’s dort nicht leicht. Wenn du dich für eine Kunstschule bewirbst, hast du fast keine Chance. Es sei denn, deine Eltern sind reich. Deshalb musste ich mein ganzes Herzblut, all meine Leidenschaft in meine Musik stecken.“ Zutaten, ohne die’s in Mexiko nicht geht. Genauso wenig wie ohne abgetrennte Gliedmaßen. Zumindest in Suaréz’ Fall. Schließlich war es ein amputiertes Bein, das die Musikerin dazu brachte, sich bei der Red Bull Music Academy zu bewerben. „Ich war mit dieser mexikanischen Electro-Band im Studio“, erzählt sie. „Der Sänger hatte kurz zuvor ein Bein verloren, es allerdings präparieren lassen und im Studio aufgestellt. Was den Produzenten und mich total angewidert hat. Deshalb sind wir oft zum Plaudern rausgegangen. Und dabei hat er mir von der Academy erzählt.“ Die Musikerin flüstert noch immer. Eigentlich unbegründet. Denn abgesehen von einigen Flüchen hat sie die übrigen Kirchenbesucher wider Erwarten verschont. Ganz schlau wird man aus Teri Gender Bender nicht. Und das ist, zur Hölle noch mal, auch gut so. News, Videos und Infos: www.myspace.com/lebutcherettes

Name Teresa Suaréz Cosio Geburtsdatum 15. Mai 1989 Wohnort Mexiko City, sie wurde jedoch in Denver, Colorado, geboren Diskografie Das Debütalbum ihrer Band Le Butcherettes erscheint im Sommer. Produziert wurde „Sin, Sin, Sin“ von MarsVolta-Gitarrist Omar Rodríguez-López


Eines vorweg: Teri Gender Bender lebt 足vegan. Probleme, mit totem Tier zu posieren, hat sie offenbar dennoch nicht.


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Sebastian Vettel hat Angst vor Mäusen. Das und ähnlich Überraschendes über den Formel-1-Superstar in einem Interview mit zwei Schwierigkeitsgraden und Müsli-Begleitung. Text: Anthony Rowlinson

Geburtsdatum/-ort 3. Juli 1987, Heppenheim, Deutschland Wohnort Walchwil, Schweiz Beruf Rennfahrer Erfolge jüngster Grand-Prix-Sieger und Pole-PositionMann der Geschichte; 6 Siege, 7 Pole-Posi­ tions, 3 schnellste Rennrunden; Vize­ weltmeister 2009 Web sebastianvettel.com

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Es fühlt sich an wie ein Frühstück daheim: Sebastian Vettel, kurze Hosen, knallrote Pumas, kecke Engelsfrisur, sitzt vor einer sehr ordentlichen Portion Müsli. ­Daneben nippt sein Trainer Tommi Pärmäkoski an frisch gepresstem Orangensaft. Sebastian umgibt eine Aura entspannten Selbstbewusstseins wie ein ­unsichtbarer Energieschild, in der Sekunde spürbar für den Besucher. Allerdings sind wir nicht daheim. Wir befinden uns im Frühstücksraum des 7-SternePan-Pacific-Hotels neben dem Flughafen von Kuala Lumpur. Sebastian Vettel ist zum Arbeiten hier. Das Bild der Gladiatoren in ihren Helmen und ­feuerfesten Overalls will nicht so recht zu den zwanzigjährigen Jungen passen, die sie im zivilen Leben darstellen. Besonders auffällig ist dieser Gegensatz bei Sebastian Vettel. Noch immer kann man ihn sich leichter als kleinen Bruder vorstellen, den man vom Bahnhof abholt, denn als Megastar, der auf den Flughäfen der Welt wie ein Rockstar empfangen wird. Seine bis­herige Karriere in der Formel 1 ist ebenso kurz wie eindrucksvoll: erstes Rennen mit neunzehn Jahren, gleich die ersten WM-Punkte, jüngster Fahrer, Weltrekord. Dann der Wechsel zu Toro Rosso, wo er prompt mit den großen Jungs die Klingen kreuzte und in China hinter zwei Ferrari und einem McLaren einen großartigen vierten Platz holte. In seiner ersten kompletten Saison der erste Sieg (auch das Alters­ rekord), sensationellerweise mit dem italienischen Team Toro Rosso in Monza. Dann Wechsel zu Red Bull Racing, um dort im nächsten Jahr den ersten Sieg in der Teamgeschichte zu sichern und bis zum vorletzten Rennen um die WM-Krone zu kämpfen. Bei Redaktionsschluss hatte er zwei Pole-Positions und einen Sieg zu Buche stehen; leicht hätte es noch mehr sein können. Sebastian Vettel ist ein ganz spezielles Talent, wer würde das bezweifeln. Neben seiner Killer-Performance auf der Strecke – besonders im Regen oder bei veränderlichen, allgemeiner ausgedrückt: schwierigen Bedingungen – ist es diese pfiffige Welterfahrenheit, die den Zweiundzwanzigjährigen auszeichnet.

Im fahlen Neonlicht der Formel 1 ist Vettel eine Discokugel, die von innen leuchtet. Er ist lustig. Unterhaltsam. Gibt seinen Autos Namen. Flucht. Lacht (wie unerhört!). Kokettiert bei der Pressekonferenz nach seinem Malaysia-Sieg damit, vom Siegeschampagner beduselt zu sein. Vettel ist auf der Strecke ebenso hart, wie er abseits locker ist. Mit diesem scheinbaren ­Widerspruch geht er ganz souverän um, zwei Seiten einer vielschichtigen Persönlichkeit. Für dieses Interview haben wir zwei Arten von Fragen vorbereitet: ­einen Stapel mit leichten, einen mit schwierigen. ­Sebastian hat freie Auswahl. „Gehen wir’s an“, sagt er zwischen zwei Löffeln vom eindrucksvollen Müsliberg und greift sich die erste Karte. red bulletin: Was würdest du heute tun, hättest du es nicht in die Formel 1 geschafft? (Leicht.) sebastian vettel: Das ist keine leichte Frage! Ich weiß es wirklich nicht. Mein Abitur ist ja erst dreieinhalb Jahre her. Damals habe ich mich noch nach der richtigen Universität für mich umgesehen. Natürlich war mein Traum immer, Rennfahrer zu werden, aber ich hätte nie gesagt, okay, ich werde sowieso Rennfahrer, ich kann auf Schulbildung verzichten. Was ich studiert hätte? Wahrscheinlich Maschinenbau, irgendwas Handfestes, das man erklären kann. Also weniger das Emotionale, Geisteswissen­ schaftliche …? Ja, genau. Wenn du also heute ein Amateur-Rennfahrer wärst, könntest du an deinen Autos selbst schrauben? Natürlich, das habe ich auch im Kart gemacht, und ich habe es geliebt. Mein Vater und ich haben immer selbst geschraubt. Ein Mechaniker hätte während des Rennwochenendes nämlich 1500 Euro gekostet. Das Geld haben wir lieber in neue Reifen investiert und selbst repariert. Vater war sehr gut, aber halt auch keine fünfundzwanzig mehr, und ich musste meinen Teil beitragen, was auch voll okay war. Ein Fahrer muss immer wissen, was los ist und was kaputt­ gegangen ist, nicht bloß „Reifen“ oder „Motor“ oder

alle bilder: red bull racing

Name Sebastian Vettel


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de.redbulletin.com/print2.0 Mit Seb im Rennsimulator: der 1:1-Test für den GP von Spanien in Barcelona.

Die vielen Gesichter jenes Mannes, der aussieht wie ein Junge und fährt wie ein Mann: Und das ist erst der Anfang! (Für mehr: ­bitte umblättern.)


Heroes

„Auto“. Mich hat ­immer interessiert, wie Dinge funktionieren. Ein komplettes Formel-1-Auto ist so kompliziert, das kann vermutlich kein einzelner Mensch im Fahrer­lager in all seinen Details verstehen. Bei Red Bull R ­ acing arbeiten viele Menschen, und jeder einzelne ist ein Spezialist in seinem Gebiet. Genau das macht es so interessant: Das Auto ist ein Unikat, einzigartig, unverkäuflich, alle Teile spielen zusammen und greifen ineinander, es ist ein Kunstwerk. Manchmal tut es weh, wenn man es auf der Rennstrecke hart rannehmen muss, weil man weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt. Aber andererseits ist genau das unser Job und das Auto genau dafür gebaut. Vettel kämpft sich weiter tapfer durch seinen Müsliberg und schnappt sich die nächste Karte.

„Ich bin keiner, den du eine Woche lang auf einer einsamen Insel in die Sonne legst. Das ist eher ein Schreckensszenario für mich.“

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Bist du der schnellste Fahrer der F1? (Leicht.) Schon wieder eine schwierige Frage. Natürlich will ich es sein, aber ich mag diese Art von Frage nicht. Es gibt so viele Experten da draußen, die sicher sehr traurig wären, wenn sie solche Fragen nicht mehr beantworten dürften. Also frag sie selber. Aber klar, natürlich will ich der Beste sein. Dafür bin ich in der Formel 1. Bloß dabei zu sein war noch nie mein Ansatz. Der meiste Spaß, den man mit angezogener Hose haben kann? (Leicht.) Man könnte ja auch nackt Fahrrad fahren, oder? Das ginge. ­Jeder hat so seine Vorlieben. Ich bin sehr gern aktiv. Natürlich brauche auch ich meine Ruhephasen, selbst wenn ich mich dazu manchmal förmlich zwingen muss. Generell bin ich nicht der Typ, den du eine Woche lang auf einer einsamen Insel in die Sonne legst. Das ist eher ein Schreckensszenario für mich. Ich probiere gern neue Dinge aus, neue Sportarten, am liebsten mit Freunden, dann ein schönes Abendessen und den Tag am Lagerfeuer ausklingen lassen. Stimmt es, dass du die Tour de France im Fern­ sehen verfolgst, während du am Ergometer trai­ nierst? (Leicht.) Woher wisst ihr das schon wieder? Stimmt. Manchmal ist es besser, indoor zu trainieren, weil man die Belastung präziser steuern kann. Ich kann mich noch erinnern, dass ich mit dreizehn einen kleinen Fern­ seher in meinem Zimmer hatte, den Ergometer davor, und wenn ich nach der Schule nach Hause gekommen bin, habe ich die letzten zwei Stunden der Tour de France so verfolgt. Was ist Angst? (Schwierig.) Lange Pause. Jetzt muss er erstmals nachdenken. Ganz schwierige Frage. Auf der einen Seite gibt es die Angst vor bestimmten Tieren, in meinem Fall vor Mäusen … … das ist jetzt ein Witz, oder?! Nein, echt. Ich fürchte mich wirklich vor den Viechern. Aber echte Angst … ich habe keine Angst vor dem Auto und davor, damit wirklich schnell zu fahren. Selbst wenn du abfliegst, kannst du das in der ­Regel erklären: Etwas am Auto ist gebrochen, du hast einen Fehler gemacht, aber das ist nicht Angst, das ist eher „Shit!“, weil du weißt, was jetzt kommt. Davor fürchtest du dich mehr. Angst ist … sagen wir so: Du hast bestimmte Erwartungen, und dann versagst du. Oder es stößt dir etwas Schreckliches zu, du verlierst einen Menschen, das beschreibt mein Angstgefühl eher. Es ist mehr so ein emotionales Ding. Kannst du ungefähr verstehen, wie ich das meine? Schon. – Warum taufst du deine Autos? (Leicht.) Hat sich vor ein paar Jahren einfach so ergeben. Dieses Jahr heißt sie „Luscious Liz“, letztes Jahr hatte ich „Kate“ und „Kate’s Dirty Sister“, im Jahr davor bei Toro Rosso war es „Julia“. Beziehen sich die Namen auf Damen, die du … hmm … persönlich kennst? Er lacht, weil er ahnt, wohin die Reise gehen soll. Nein, nein. Du meinst den Spaß mit ohne Hose? Nun, ich kann den Prozess der Namensfindung schon erklären. Zuallererst: Es muss ein schöner Name sein. Einer, hinter dem sich eine schöne Lady verbergen kann, die aber auch ihre, hmm … wilden Seiten hat. Was zum Beispiel nicht funktionieren würde, wäre


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ein Name wie … ahm, jetzt muss ich vorsichtig sein … ein Name wie … … Daisy? Und dann gibt es da draußen womöglich eine ganz tolle Daisy, die das liest und sich von mir auf den Schlips getreten fühlt. Das will ich nicht. Ist ja alles nicht so wichtig. Die Namen sind hauptsächlich Ausdruck dessen, dass ich die Arbeit all der Menschen am Auto, das, was sie für mich schaffen, zu schätzen weiß. Verlierst du deinen Humor? (Schwierig.) Wie kommst du darauf? Der Druck ist gestiegen. Du bist nicht mehr der jüngste Fahrer in der F1, sondern ein ganz ernst­ hafter Titelaspirant. Schon, aber das zeigt doch nur, dass die Erwartungen gestiegen sind, weil wir in den letzten Jahren einen guten Job abgeliefert haben. Das ist doch ein Kompliment. Das Wichtigste ist, dass man nie vergisst, warum man hier ist. Ich bin sehr glücklich und stolz, es bis in die Formel 1 geschafft zu haben. Letzten Dezember habe ich ein Kartrennen besucht. Die Jungs und auch Mädels haben mich nicht als einen der I­ hren angesehen, einfach als einen Menschen, g ­ egen den man Rennen fährt. Für die war ich etwas anderes, ein Formel-1-Fahrer. Das hat sich für mich ziemlich seltsam angefühlt. Ich war nicht so viel älter als die Kids. Es zeigt aber, wie sie deine Position sehen. Für sie habe ich es geschafft, ich bin an der Spitze ihrer Pyramide angelangt. Natürlich schleicht sich mit den Jahren Routine ein, du fährst an die Rennstrecke wie ­andere ins Büro. Racing ist mein Job, da denkst du nicht „Boah, geil, Formel 1!“, wenn du in deine QualiRunde gehst. Trotzdem: Du darfst nie die Freude verlieren und vor allem nie vergessen, woher du kommst, ganz egal, was du machst. Um auf die Frage zurückzukommen: Ich habe meinen Humor nicht verloren und habe auch nicht vor, das jemals zu tun. Was hat dich im letzten Jahr den WM-Titel gekos­ tet? Hast du es verbockt? (Schwierig.) Diese Frage produziert ein tiefes Stirnrunzeln im bislang so offen-freundlichen Gesicht. Wenn man sich das letzte Jahr ansieht, hatten wir eine sehr, sehr gute Saison, die ganz anders begonnen hat als die diesjährige. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, Rennen zu gewinnen und Weltmeister zu werden, aber das hängt natürlich immer vom eigenen Auto und der Konkurrenz ab. Wir waren sehr stark im Vorjahr. Hat uns ein einziges Ding den Titel gekostet? Am ehesten wohl die Sache mit dem Doppel-­ Diffusor, die einem anderen Team (Brawn, Anm.) ­einen großen Startvorteil gebracht hat, bevor die ­anderen darauf reagieren konnten. Auf der Strecke selber haben wir immer einen vernünftigen Job abgeliefert. Ja, wir haben Fehler gemacht, ja, wir hatten Defekte. Realistisch betrachtet: Menschliche Fehler sind normal, du wirst die niemals völlig ausschließen können. Darum haben wir es auch nicht verbockt. Die Fehler waren wichtig, weil wir aus ihnen gelernt haben. Und das Wichtigste für dieses Jahr war, dass wir im Vorjahr fünfmal nicht ins Ziel gekommen sind, weil wir heute die Gründe dafür verstehen. Wer ist Gerhard Noack? (Leicht.) Er ist ein Mann, der sich als junger Mensch ein Kart gekauft hat und damit fahren wollte. Ohne jetzt res-

Ernster junger Mann: „Letztes Jahr haben wir Fehler gemacht. Das war wichtig, weil wir daraus für die ­aktuelle Saison lernen konnten. Das Wichtigste für dieses Jahr waren die fünf Aus­ fälle im Vorjahr.“

pektlos sein zu wollen: Er war kein Kapazunder hinter dem Lenkrad. Das hat er erkannt. Und er hat gemerkt, dass dieser Junge namens Michael Schumacher viel schneller war, allerdings nicht genug Geld für eine erfolgreiche Karriere hatte. So beschloss er, ihm zu helfen. Von den ganz frühen Jahren bis zum etwa 15. oder 16. Lebensjahr half ihm Gerhard sehr: Er reiste mit Michael, arbeitete als sein Mechaniker, suchte Sponsoren, er war eine echte Vaterfigur, weil er immer für ihn da war. Als Michael vom Kart in den Formelsport aufstieg, wurde seine Rolle kleiner, aber er war immer noch da. Außerdem hatte er eine eigene Kartbahn in Kerpen, die es übrigens noch immer gibt. Zufällig sind wir in einem frühen Stadium meiner Karriere ein Rennen in Kerpen gefahren. Er hat uns gesehen, beschloss zu helfen, und ab da sind wir für sein Team gefahren. Unser Budget damals belief sich auf schlappe 5000 Euro, seine Hilfe war also höchst willkommen. Er begleitete uns durch die Jahre, bis schließlich unser Weg den von Red Bull kreuzte. ­Gerhard hat uns wirklich enorm geholfen. Viele ­Menschen versprechen Hilfe, aber wenn es um tatsächliches Geld geht, werden sie plötzlich ganz still. 41


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Als ich sieben, acht Jahre alt war, konnten wir uns mein Rennfahren leisten, mehr nicht. Für Kindereien wie Teamwear gab es kein Budget. Dann kam Gerhard, und als eins seiner ersten Geschenke – ich kann mich erinnern, als ob es gestern gewesen wäre – bekam ich ein originales Tony-Kart-Team-Shirt. Das war so cool! Er war nicht geizig, im Gegenteil. Nimm dies, nimm das, ein sehr großzügiger Mensch und eine bestimmende Figur in meinem Leben. Er hat einerseits den kleinen Jungen mit kleinen Geschenken motiviert, andererseits hat er sich ganz seriös um die Finanzierung meiner Karriere gekümmert, und vor allem hat er uns geholfen, Red Bull zu finden, was, im Nach­ hinein betrachtet, der entscheidende Faktor für alles Weitere war. Was haben die langen Haare zu bedeuten? (Leicht.) Dass mein Friseur gestorben ist. Nein! Früher habe ich mir jeweils vor Saisonstart die Haare schneiden lassen, aber diesmal habe ich den Winterpelz einfach nicht abnehmen lassen, nur ein wenig getrimmt. Du hasst es, zu verlieren. Stimmt’s? (Schwierig.) Leicht. Natürlich! Nächste Frage. 42

Zu schnell zu viel erreicht? „Nein. Erfolg ist wie eine Droge. Du willst immer höhere Dosen, in immer kürzeren Abständen.“

Streitest du jemals mit Christian Horner oder ­Helmut Marko (den zwei bestimmenden Figuren bei Red Bull Racing, Anm.)? (Schwierig.) Kommt darauf an. Wenn ich einen völlig anderen Standpunkt habe, werde ich den schon mit Nachdruck vertreten, wie das selbstverständlich auch Christian oder Helmut tun. Der Ton bleibt dabei aber stets amikal und höflich. Um ehrlich zu sein: Ich komme mit beiden prima aus. Darum würde ich auch nicht sagen, dass wir streiten. Ich würde es eher Diskussionen nennen. Ich kann mich jedoch an kein einziges lautes Wort erinnern. Hast du zu früh zu viel Sex bekommen? (Schwierig.) Vettel hat die Frage laut vorgelesen und das Wort „Sex“ absichtlich reingeschummelt. Ist es das, was du meinst? Ah, okay. „Hast du zu früh zu viel bekommen?“ Nein. Für jeden, der gewinnen will, ist Erfolg eine Droge. Du willst mehr und mehr, je schneller, desto besser. Ich kann jetzt nur für mich und meinen Weg an die Spitze – oder wie auch immer du das nennen willst – sprechen, aber es ist doch ständig bergauf und bergab gegangen, auf Höhen sind Tiefen gefolgt und umgekehrt. Phasenweise ist es ­gelaufen wie geschmiert, dann hat es sich gespießt: ­Keine Resultate, Fehler von mir, kein Budget, das hat es alles gegeben. Vielleicht hat meine Karriere von ­außen rosig und geschmeidig ausgesehen, immer fröhlich, immer erfolgreich, keine Probleme, aber hinter den Kulissen hat es manchmal ganz, ganz anders ausgesehen. Ich erinnere mich an den Tag, als mein Vater zu Saisonbeginn einen Anruf bekam: „Wir haben kein Budget.“ Wir dachten: Das war’s, wir können ­zusammenpacken. Dann hat sich doch eine Lücke aufgetan, wir konnten die ersten Rennen fahren, die Resultate waren gut, eins fügte sich ins andere, und wir konnten die komplette Saison bestreiten. Es war wirklich nicht leicht. Andererseits: Es ist wichtig, ­solche Phasen zu durchlaufen, weil sie dich stark ­machen. Zu früh zu viel? Das glaube ich nicht. Ja, ich habe große Schritte gemacht. Ja, ich war immer bei den Jüngsten. Ich habe mich dabei aber immer alt ­genug gefühlt und war stets bereit, noch dazuzu­ lernen. Ich bin nie davon ausgegangen, ganz oben zu starten. Ich habe aber sehr wohl erwartet, dass wir, ich, das ganze Team, nach einer gewissen Zeit ganz oben stehen. Wenn wir das nicht geschafft haben, musste ­irgendwo ein Fehler sein. Unser Ziel konnte also nur sein, diesen Fehler zu finden, ihn zu korrigieren und die Situation zu unseren Gunsten zu drehen. Solltest du dieses Jahr Weltmeister werden, wärst du jüngster Champion der Formel-1-Geschichte. (Unbeeindruckt.) Ja, um ein paar Tage oder so (der Rekordhalter ist momentan Lewis Hamilton, der 2008 den Titel mit 22 Jahren und 301 Tagen errang, Anm.). Ob ich damit der jüngste oder älteste Weltmeister der Geschichte wäre, ist mir völlig wurscht. Was zählt, ist der Weltmeistertitel. Der bedeutet mir was. Falsch: Der würde mir richtig viel bedeuten. Wenn ich dabei auch noch der Jüngste wäre – fein, aber eigentlich ist es das Letzte, was mich kümmert. Ist das die hartnäckigste Schale Müsli, die du je bekämpfen musstest? Ja, mit ziemlicher Sicherheit. Schmeckt eigentlich auch nicht mehr sonderlich gut. – Wie weiter?


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Du bist eigentlich gar kein Piefke, stimmt’s? (Leicht.) In meinem Pass steht, dass ich Deutscher bin, also bin ich wohl einer. Ich habe kein Problem damit, und schon gar kein Problem habe ich damit, wenn Leute Witze über meine Herkunft machen. Meistens haben sie ja recht. Bloß das Vorurteil, wir Deutschen hätten keinen Humor, ist unfair. Ich bin sicher, dass es in ­jedem Land der Welt mehr oder weniger witzige Menschen gibt und sich die Verteilung nicht großartig ­unterscheidet. Über manche Vorurteile gegenüber Deutschen kann ich sogar herzlich lachen. Ich bin zum Beispiel sicher, dass viele Engländer glauben, in Deutschland würden alle Menschen noch mit Vokuhila-Frisuren rumrennen. Im Vertrauen gesagt: Die Haarmode in Deutschland unterscheidet sich von jener in Groß­britannien nicht großartig. Okay, es gibt ein paar ­ausgefallene Exemplare bei uns, aber die wird man anderswo wohl auch finden. Würde jedes Land völlig gleich ticken, wäre das auch wieder fad. Wie sollte man einander denn dann verarschen? Das Interview ist fast vorbei; Sebastian sollte sich eigentlich langsam auf die Socken für seinen Track Walk machen. Er scheint aber Spaß an unserem Gespräch zu haben. Außerdem ist der Müsliberg in seiner Schale noch immer nicht besiegt. Also schießen wir nach. Do you ever pig out …? (Leicht.) Was heißt das genau? Sich mit Junkfood anfüllen, Burger, Chips, Bier. Ah, okay! Ja, manchmal. Trainer Tommi schaut Sebastian demonstrativ streng in die Augen. Also … ich meine … nicht oft. Und nichts Schlimmes, Fastfood ist ja nicht gut für dich. Ein oder zwei Mal im Jahr bringen dich nicht um, aber wenn du einmal wöchentlich so Zeug in dich reinstopfst, hast du ein Problem. Nach einer lustigen Nacht mit Freunden kann es schon vorkommen, dass es später wird und wir in ein Fastfood-Restaurant einfallen, das noch ­offen hat. Das ist ja auch der Sinn dieser Lokalitäten: dass Menschen dort spät in der Nacht einfallen und sich zu viel zu fettiges, zu salziges Essen kaufen. Ich sehe das entspannt. Solang du es nicht zur Gewohnheit werden lässt, wird es dich nicht umbringen. Vettel erblickt erstmals den Boden seiner Müslischale und stochert mit seinem Löffel zusehends lustlos in den Überbleibseln. Soll ich dir was sagen? Das ist definitiv das schlechteste Müsli, das ich je gegessen habe. Es schmeckt fürchterlich. Außerdem ist das weder Müsli noch Milch, das ist beides. Müslimatsch. – Was haben wir noch? Hast du Schwächen? (Schwierig.) Ich rede nicht so gern über mich, über Stärken oder Schwächen. Natürlich habe ich Schwächen. Ich bin da nicht besonders stolz drauf. Ich kann ein unglaublich sturer Bock sein. Und ungeduldig: im Straßenverkehr etwa, wenn die vor mir einen Schmarrn ­zusammenfahren. Da kann ich richtiggehend aus­ rasten! Auf der Strecke neige ich auch zur Ungeduld, aber das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich nicht so viel Erfahrung habe wie andere Fahrer. Es gibt auch andere Schwächen, aber da ist es wohl ­zielführender, andere Menschen zu fragen, die das besser beurteilen können. Okay, letzte Frage.

Erzähl uns einen Witz. (Leicht.) Da würde nichts dabei rauskommen. Oder es wäre etwas ohne Hose. Die Frage nach dem Witz kommt in vielen Interviews: „Du bist doch ein lustiger Kerl, komm, erzähl einen Witz.“ Ich finde Witze schon ­super, aber ich bin keiner, der auf Befehl Possen reißt. Guter Humor entsteht mehr aus der Situation heraus, jemand macht oder sagt etwas Lustiges oder landet einfach eine gute Meldung. Man lebt nur einmal, drum ist es wichtig, zu lachen, wann immer man kann. Lust auf Vettel 2.0? de.redbulletin.com/print2.0 „Road to Racing“ – Sebastian Vettel und das Red Bull RacingTeam bei den Grands Prix: am 15. Mai 2010 um 23.05 Uhr in den Highlights im Red Bull TV-Fenster bei ServusTV Sebastians F1-Saison auf www.redbullracing.com

„Ich finde Witze schon super, aber ich bin kein Possenreißer. Witze entstehen aus der Situation. Und es ist wichtig, zu lachen, wann immer man kann.“

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Khotso Mokoena gewann Weitsprung-Silber bei Olympia und WM. Jetzt setzt der Südafrikaner zum großen Sprung in die Geschichtsbücher an. Ausgerechnet seine Schwächen sollen ihm dabei helfen. Text: Steve Smith, Bild: Craig Kolesky

Name Godfrey Khotso Mokoena Geboren 6. März 1985, Heidelberg, South Africa Hält den afrikanischen Weitsprungrekord mit 8,50 m, aufgestellt 2009 beim IAAF Super Grand Prix in Madrid Liebt seinen Sport, sagt aber: „Ich bin ein ganz normaler Typ. In meinem Leben dreht sich nicht alles um Leichtathletik. Mich ganz und gar in meinen Sport zu verbeißen? Das würde mich umbringen.“ Team Mokoena Khotso hat nicht nur einen Trainer, sondern ein ganzes Trainerteam. Unter Cheftrainer Jukka Härkönen arbeiten ein Tempotrainer, ein Gymnastik- sowie ein Pilates-Trainer. The Croc „Mokoena“ bedeutet in der Bantusprache Sesotho „Krokodil“. SMS unterzeichnet er deshalb mit „Crocodile Rock“, die Unterseite seines Handschuhs ist aus Krokoleder gefertigt.

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Weiße Socken und ein einzelner Handschuh sind das Markenzeichen von genau zwei Personen. Die eine gab Billie Jean den Laufpass. Die andere ist Khotso Mokoena. Die Frage nach seinem fingerlosen Hand­ schuh und den strahlend weißen Kniestrümpfen (aus­ genommen, er springt im Nationaldress) entlockt dem Vizeweltmeister und Silbermedaillengewinner einen farblich abgestimmten breiten Grinser. „Hey Mann, das gehört nun mal zu meinem Image. Man sollte bei seinem Job schließlich gut aussehen und ein bisschen Spaß haben.“ Die flapsige Antwort soll keinen falschen Eindruck vermitteln. Bei dem 25-jährigen Südafrikaner han­ delt es sich um einen zielstrebigen, hart arbeitenden Athleten der engsten Weltklasse – bei Olympia und WM, den wichtigsten Wettkämpfen am Globus, holte er schließlich jeweils Silber. Aber: Zweite Plätze stel­ len ihn nicht annähernd zufrieden. „Ich habe eine sehr positive Einstellung“, sagt er, „und die brauchst du auch in diesem Sport, der dir im Training so viel Selbstdisziplin abverlangt. Du musst das Verlangen in dir spüren, der Allerbeste zu werden. Ich denke den ganzen Tag daran.“ So geht das schon seit dem Volksschulalter. Damals versuchte sich der junge Khotso in sämtlichen Leicht­ athletik-Disziplinen, ausgenommen im Kugelstoßen. Am besten glückte ihm das Springen, hoch, weit, dreifach, egal. 2001 wurde er bei der Junioren-WM Fünfter im Hochsprung, 2004 gewann er Gold im Dreisprung der Junioren-WM. Seit 2006 konzentriert er sich ausschließlich auf den Weitsprung. Das erwies sich als durchaus sinnvolle Strategie: Mokoena holte seither eine Goldmedaille bei der Hallen-WM 2008 ­sowie je eine Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Peking und bei der WM in Berlin. Der Dreisprung, so erzählt man sich, würde ihn ­allerdings noch immer reizen. „Korrekt“, bestätigt Khotso, „ich trainiere wieder dafür. Bei den Common­ wealth Games 2010, den zehnten All-Africa Games 2011 und den Olympischen Spielen 2012 will ich an beiden Bewerben teilnehmen.“

Bei seinem Formaufbau, sagt Khotso, laufe alles nach Plan. „Mein Coach und ich haben meinen Bewe­ gungsablauf genauestens analysiert und eine Reihe von Schwächen gefunden“, führt er aus. Und: „Schwächen sind gut, weil das die Bereiche sind, in denen du dich noch verbessern kannst. Ich muss zum Beispiel nach dem Absprung stabiler sein, und ich muss bewusster anlaufen. Der Anlauf bei ­einem Weitsprung ist ja nicht so ‚einfach‘ wie der Sprint beim Hundertmeterlauf – jeder einzelne Schritt hat seine besondere Aufgabe.“ Doch Speed, Kraft und eine ausgefeilte Technik sind nur eine Seite der angestrebten Weitsprung­ medaillen. Das psychologische Element spielt eine bedeutende Rolle. „Ich stelle mir vor jedem Sprung in allen Einzelheiten vor, wie ich präzise Anlauf neh­ me, wie ich weiter springe als alle anderen, sogar, wie ich danach auf dem Podium stehe“, sagt Khotso. Doch wie ist das nach tausenden und abertausen­ den Sprüngen – fühlt man da noch, wenn man auf eine außergewöhnliche Weite zusteuert? Gibt es ­diesen Moment, in dem einem, noch in der Luft, klar wird, dass man nahe an die eigene 8,50-Meter-Best­ leistung herankommen könnte – oder dass man im Begriff ist, sie dieses Mal sogar zu übertreffen? „Und wie man das spürt“, sagt Khotso. „Gleich im Moment des Absprungs. Jeder Sprung fühlt sich anders an, und du weißt es vom ersten Moment an, ob du ihn am Haken hast oder nicht.“ Was Khotso Mokoena definitiv noch nicht am ­Haken hatte, ist Gold bei Olympia oder Weltmeister­ schaften. „Die Sticheleien, dass ich noch kein Gold geholt habe, lassen mich nicht immer kalt. Aber ich mache mir keinen Stress deswegen, weil ich weiß, dass Geduld zum Erfolg führt. Man muss sich einfach immer vor Augen halten, worum es geht: Ich bin da, um Geschichte zu schreiben. Das ist meine Bestim­ mung. Und ich werde nicht lockerlassen, bis ich ­tatsächlich Geschichte geschrieben habe.“ Khotso Mokoenas nächster Auftritt: 3. bis 14. Oktober 2010, XIX. Commonwealth Games, Neu-Delhi, Indien


Khotso Mokoena will der beste Weitspringer der Welt sein. Und er kann Entschlossenheit sehr gut ausdr端cken, wobei es keiner Worte bedarf.


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Rachel Atherton ist eine Frau ohne Nerven und eine Lady mit Narben, große Nachspeisenköchin und kleine Schwester. Vor allem aber ist sie die weltschnellste Frau auf einem Mountainbike. Text: Werner Jessner

Geburtsdatum/-ort 6. Dezember 1987, Salisbury, England Wohnort Llangynog, Wales Beruf Downhill-Pro Erfolge Britische Meisterin, Europameisterin, Weltmeisterin, Gesamtworldcupsiegerin (bisher sieben WorldcupEinzelsiege) Web athertonracing.co.uk

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Der Transporter fetzt die engen, steilen Bergstraßen an der ligurischen Küste hinauf. Am Steuer, rechts, sitzt Dan Brown, Manager, Pressebetreuer, Kindermädchen und im Zweifelsfall eben auch Chauffeur. Daneben George David Atherton, genannt Gee, Downhill-Weltmeister. In der zweiten Reihe liegt ein Mädchen quer über die Sitzbank, groß, muskulös, hellbraune Haare, und schläft tief und fest. Kein normaler Mensch kann unter diesen Bedingungen schlafen. Kein Mensch ­außer Rachel Atherton, der Weltmeisterin 2008. „Für den, der im Nirgendwo englischer Hügellandschaften aufgewachsen ist, fühlt sich das wie eine Wiege an. Ich kann sogar im Laderaum schlafen wie ein Baby.“ Oben auf dem Berg erwacht sie aus einer halben Stunde Power-Nap unter erschwerten Bedingungen. Streckt sich wie eine Katze, schlüpft in die Schützer, routinierte Bewegungen, setzt den Helm auf und kurbelt wieder rüber zum Start. Der Varigotti-Downhill bei Finale Ligure ist technisch, kurz und knackig, der Untergrund aus losen Steinen zeigt wenig Nachsicht bei Linienfehlern. Die Athertons sind zum Testen hier, die Mechaniker Stevie und Andy bauen unten im Tal Bikes im Halbstundentakt um. Heute geht es um verschiedene Reifen und wie sie sich auf unterschiedlich breiten Felgen unter Rennbedingungen verhalten. Den Prototyp des Continental Kaiser, den Rachel Atherton gerade umgeschnallt bekommen hat, fährt sie zum ersten Mal. Auf der Strecke ist das Freelap-System installiert, ein drahtloses System der Zeitnehmung mit insgesamt drei Zwischenzeiten. Das Mädchen, das eben noch am Rücksitz gepennt hat, stellt die Uhr scharf und klinkt sich in ihre Welt ein. Zum sechsten Mal an diesem Tag wirft sie ihr maßgeschneidertes Commençal Supreme DH in die Anlieger, zum sechsten Mal lässt sie es kontrolliert über beide Räder auf den Sprung hin rutschen, zum sechsten Mal beschleunigt sie in der Tretpassage mit der Kraft einer Sprinterin und ist im Ziel mit dem unbekannten Reifen genauso langsam, wie es Gee in seinem Lauf war. Auch die verbale Beurteilung am Datenblatt liest sich ähnlich.

Man ahnt: Dieser Prototyp wird es eher nicht in die Serienproduktion schaffen. Für normale Menschen waren in diesen letzten zehn Minuten gleich vier Dinge unerreichbar: Der schiere Speed. Die Gleichmäßigkeit. Das präzise Feedback an die Mechaniker. Das Umschalten von Stand-by auf Attacke. Wie es begann. Dass Rachel Atherton eine Racerin ist, konnte man früh ahnen, genau genommen ist ihr auch nichts anderes übrig geblieben. Schon mit acht Jahren hat sie ihre ersten BMX-Rennen gewonnen, „ich war ja auch größer als die anderen Mädels“. Im Dorf, in dem die Athertons aufgewachsen sind, gab es nicht viel außer BMX. Selbst Vater Atherton fuhr hie und da Rennen, sein Markenzeichen waren Arbeitshandschuhe, die er sich als Knieschützer auf die Jeans genäht hatte. Unter den Kids war ihr ältester Bruder Dan Leader of the Gang, „das ganze Dorf ist ihm nachgefahren“. Kurz probierte es Rachel mit Reiten und einem Welsh Mountain Cob namens Bramble, den sie ohne Sattel ritt, aber bald verbrachte sie die Zeit lieber doch wieder mit ihren Brüdern. Dazu musste sie schon bald in den Wald ausrücken mit ihrem Körbchen vorn am Rad, denn die Athertons waren inzwischen übersiedelt. Jetzt gab es nicht mehr so viele BMXTracks in der Umgebung, und die Jungs hatten mit­ bekommen, dass Rad fahren bergab ohnehin lustiger ist als in der Ebene. An ihre ersten Downhill-Rennen kann sich Rachel nicht mehr detailliert erinnern, bloß an den brüder­ lichen Rat von Dan: „Willst du ein guter Racer werden, musst du vorher ein guter Rider sein.“ Bis zu diesem Zeitpunkt war Rachel nämlich vornehmlich überhaupt nur bei Rennen auf dem (von den Brüdern übernommenen) Bike gesessen. Zum Gewinnen reichte das, und ums Gewinnen ging es ja schließlich, oder? Die frühen Jahre verschwimmen im Rückblick zu einem großen, glücklichen Road Trip, Wohnen im Campingbus, Lagerfeuer, nette Menschen, Siege,

bild: thomas butler/Red Bull Photofiles

Name Rachel Laura Atherton


Print 2.0

de.redbulletin.com/print2.0 Die Athertons beim Testen in Italien.

Was Sie bislang vielleicht nicht von Downhill-Weltmeisterin Rachel Atherton wussten: Die junge Dame ist eine begnadete S채ngerin (findet sie). Die Lyrics ihrer Raps stammen 체brigens von Bruder Gee.


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Dan (links) ist der älteste Atherton und der Grund, warum Rachel und Gee mit dem Biken begonnen haben. Ironie, dass ausgerechnet ihm die Regenbogenstreifen des Weltmeisters noch fehlen.

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dem von Chausson nämlich auf frappante Weise. ­Waren es bei Rachel die Brüder, die sie forderten und förderten, versuchte Chausson schon als kleines Mädchen, ihrem Internatskollegen Cédric Gracia zu folgen, der in den Neunzigern zur bestimmenden ­Figur im Downhill-Zirkus werden sollte. Rachel sieht im Training mit Männern nur Vorteile: „Sie sind von Natur aus schneller, kräftiger und können daher ­direktere Linien fahren. In der Regel nehmen sie mehr Risiko und verbessern sich schneller als Frauen, außerdem haben sie mehr Biss. Würde ich mit Frauen trainieren, käme ich nicht so schnell ans Limit.“ Im Downhill gibt es kein „zu schwierig“. Männlein und Weiblein fahren selbstverständlich auf derselben Strecke; Downhill ist nicht Skifahren. Die Welt ist für Rachel dann in Ordnung, wenn sie nicht mehr als zehn Prozent auf Gee und die anderen Jungs verliert. Was sie ihren Brüdern zurückgibt? „Ich koche ­gerne und gut, vor allem Nachspeisen. Und hie und da schlage ich Gee bei den Sit-ups.“ Einerseits ist die Konstellation von drei Geschwistern im selben Team natürlich ebenso perfekt wie einzigartig, garantiert andererseits aber auch Zoff: Drei Einzelsportler unter einem Dach, das sind drei Meinungen. Im Familienverbund ist der Erstgeborene Dan, genannt Affy, der Feuerlöscher, wenn bei Gee und Rachel die Zündschnur wieder einmal zu kurz war. Was alles nichts daran ändert, dass die Athertons zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Januar 2009. Nach dem tollen Vorjahr geht Rachel als große Favoritin in die neue Saison. Die Athertons haben ihr verregnetes Wales für zwei Monate gegen Kalifornien getauscht. Bei trockenen und warmen Bedingungen soll der Körper auf die neue Saison vorbereitet werden. An diesem Tag steht ein Einzelzeitfahren mit dem Rennrad auf dem Programm. Auf ­einer gesperrten Straße geht Rachel als Erste auf die Piste, hinter ihr kommen Gee und Dan. Rachel duckt sich tief, will dem Wind möglichst wenig Angriffs­ fläche bieten. Sie fühlt sich stark, hat gut trainiert. Nach ein paar Meilen schießt ein Pick-up ums Eck. Beide verreißen auf dieselbe Seite. Rachel Atherton fliegt über die meterhohe Motorhaube und schlägt in der Windschutzscheibe ein. Blut, da ist überall Blut. Gee biegt als Nächster ums Eck, Passanten haben die Unfallstelle gesichert, er sieht Rachel in ihrem völlig zerfetzten Skinsuit am Boden liegen, „ich habe geglaubt, meine kleine Schwester ist tot“. Ist sie aber nicht. Ihr völlig verschwollenes Gesicht kann sie glücklicherweise nicht sehen, auch das Blut lässt sie relativ unbeeindruckt. Sie gibt präzise Anweisungen: „Meine Schulter ist ausgekugelt, ihr müsst sie mir einrenken.“ Das geht ohne Narkose nur direkt nach der Verletzung, danach schwillt das Gewebe zu sehr an. Auch Dan ist inzwischen angekommen; zu zweit reißen sie am Arm ihrer Schwester, es gibt blaue Flecken, Rachel, damals 21, brüllt vor Schmerz, aber tatsächlich bringen die Brüder ihre Schulter wieder an Ort und Stelle. Alles gut? So eine kleine Schulterverletzung sollte unter Freunden doch in spätestens zwei Monaten ausgeheilt sein? Mitnichten. Rachel hatte schon geahnt, dass sie schwerer bedient war als bloß mit einer Schulterluxation, gibt sie heute zu. Die taube Stelle

bilder: Victor Lucas (2)

v­ erlorene Turnschuhe, Spielen im Dreck und Freundschaften, die, damals geknüpft, noch heute Bestand haben. Selbst als Weltmeister und Worldcupsieger fahren die Athertons, wann immer es sich ausgeht, lokale Rennen, „und ich wünschte, wir könnten heute noch campen. Die nette Atmosphäre im Fahrerlager, die Menschen und die überwältigende Gemeinschaft im Downhill sind einzigartig.“ Gut Freund sein und auf dem Bike das Messer auspacken, das galt auch für die Brüder Gee und Dan. Ihre gesunde Rivalität pushte das sportliche Niveau, davon profitierte auch die Schwester, die im Windschatten mitgezogen wurde. Irgendwann blieb der Vater zum ersten Mal daheim, die Kinder fuhren weiter. Mit siebzehn Jahren wurde Rachel Atherton Weltund Europameisterin bei den Juniorinnen. Schon im Jahr darauf (2006) gewann sie ihr erstes Worldcup­ rennen bei den Großen (Brasilien) und beendete das Jahr als Dritte (von sechzig) der Gesamtwertung. Schließlich das sporthistorische Wochenende rund um den 1. Juni 2008, als die Familie in Andorra den Worldcup dominierte: Rachel gewann den Downhill bei den Damen, Gee bei den Männern, Dan siegte im 4-Cross. Es gibt weltweit keine erfolgreicheren Geschwister im Spitzensport als die Athertons. Später im Jahr setzten sie noch eins drauf, als Rachel und Gee im italienischen Val di Sole die Regenbogen-Jerseys der Downhill-Weltmeister abholten, Erstere mit dem gigantischen Vorsprung von 11,99 Sekunden. In einer Sportart, in der Zehntel- und Hundertstelsekunden entscheiden, ist das mehr als eine Welt, es ist eine Galaxie, unvorstellbar wie ein Fußballer, der im WM-Finale zwölf Tore schießt. Ähnlich überlegen wie Rachel Atherton in Val di Sole 2008 war zuvor nur Anne Caroline Chausson gewesen, mithin die größte Sportlerin, die diesen Planeten je mit zwei Rädern ­berührt hat: zwölffache Downhill-Weltmeisterin, vierfache Weltmeisterin im Dual, dreifache im BMX, 55 Weltcupsiege, zehnfache Europameisterin, neunfache französische Meisterin, Mégavalanche-Siegerin, zum Drüberstreuen der BMX-Olympiasieg in Peking: „Anne Caro ist eine absolute Legende. Ich bin stolz, hie und da mit ihr am Podium gestanden zu sein. Ich glaube aber nicht, dass ich je so gut werden kann wie sie.“ Wenn sie sich da nur nicht täuscht. Ihr Weg ähnelt


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Das schönste Kompliment? „Das bist du gefahren wie ein Mann.“


Das ist kein Stunt, sondern ein normaler Teil einer WorldcupRennstrecke (Valnord, Andorra, um präzise zu sein). Das Werksmaterial der Athertons steht eine Stufe über käuflichen DownhillBikes: leichter, mit maßgeschneiderter Geome­trie und Suspension-Teilen, die nicht am freien Markt erhältlich sind. Downhill ist die Formel 1 des Radsports.

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am linken Oberarm entpuppte sich nach Tagen der Ungewissheit und imposanter US-Arztrechnungen als abgerissener Nerv. Ohne Nerv keine Muskelkraft. Ohne Muskelkraft kein Downhill. Ohne Downhill ­keine Karriere. So einfach ist das. Schließlich Hoffnung: Spezialisten könnten das eventuell tatsächlich wieder hinkriegen, allerdings nicht in ein paar Wochen. Nerven brauchen viel Zeit zum Heilen. Ein Neurochirurg entfernte Rachel im Frühsommer in einer achtstündigen Operation einen Nervenstrang aus dem Fuß und setzte ihn an der Schulter ein. Am Fuß spürt Rachel seither nichts mehr, aber Gefühl und mit ihm die Muskeln im Bereich der linken Schulter und des linken Oberarms kommen langsam wieder zurück, „ob es jemals wieder zu hundert Prozent wird, weiß ich nicht, aber zum Fahren reicht’s allemal“. Ende März 2010, ewige vierzehn Monate nach ihrer Verletzung, ist Rachel ihr erstes Downhill-Rennen gefahren, einen kleinen Maxxis-Cup in Portugal, es hatte geregnet, die Strecke war kaum fahrbar vor Schlamm, Rachel hat mit großem Vorsprung gewonnen. Das perfekte Comeback, von dem zu sprechen sie sich bis dahin geweigert hatte: Racing und Riding sind nämlich zwei Paar Schuhe. Spazieren fahren wird jemanden vom Kaliber der Athertons nie glücklich machen. Was also nimmt sie aus der Zeit seit dem Unfall mit? „Heute bin ich geduldiger. Egal, wie sehr du etwas willst, du hast mehr Zeit, als du glaubst. Vor dem Unfall war ich ein professioneller Mountainbiker und Racer, heute bin ich hoffentlich ein kompletterer Mensch.“

In den ganz dunklen Momenten nahm sie das Regenbogentrikot aus dem Kasten, zog es an und sagte sich leise vor: Rachel Atherton, World Champion. Dann ging es ihr wieder besser. Sie hat sich nach dem Unfall für ein Literaturstudium eingeschrieben (und es später ruhend gestellt, als professionelles Training wieder möglich war), außerdem die Crew von Dirt.tv als Reporterin verstärkt und dort hinreißende Interviews mit den anderen Fahrern im Worldcup geführt, lustig, spannend, auf Augenhöhe. Sie, die nie Vorbilder hatte, entdeckte „Just a Little Run Around the World“, ein Buch ihrer walisischen Landsfrau Rosie Swale-Pope: „Nach dem Tod ihres Mannes ist sie um die Welt gelaufen, durch Alaska, Sibirien, im Winter, ist gestürzt, hat sich Knochen gebrochen, ist aber weiter gelaufen. Frauen wie sie inspirieren mich.“ Ihre Gegnerinnen respektiert Rachel Atherton, „dennoch sind wir professionelle Athleten, und unser Job ist es, schneller zu sein als die anderen. Je näher man einem Menschen steht, umso schwieriger ist es, ihn zu schlagen. Darum lege ich Wert auf Distanz.“ Hier spricht die andere Rachel Atherton, der Vollprofi. Die eine Rachel hasst es, früh aufzustehen. Die andere Rachel weiß, dass sie am Renntag möglichst lang vor ihrem Lauf wach sein muss. Es ist keine Frage, ob sie früh aufsteht. „Profi sein heißt Opfer bringen. Du musst alles deinem Ziel unterordnen. Wenn du es nicht machst, wird es nämlich eine andere tun.“ 200 Tage im Jahr nicht im eigenen Bett schlafen, ständig Wehwehchen rumschleppen, permanent unter öffentlicher Aufsicht stehen: Man muss das alles schon

bilder: Victor Lucas (4)

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sehr wollen, vor allem, weil es im Downhill keine Unsummen zu verdienen gibt. „Klingt wie ein Klischee, ist aber wahr: Wir sind im Downhill, weil wir den Sport lieben. Wäre unser Ziel, viel Geld zu verdienen, hätten wir uns was anderes gesucht: Formel 1, Golf.“ Dort gäbe es auch weniger zerkratzte Schienbeine, wobei Rachel beweist, „dass du gleichzeitig ein Profi und eine Lady in einem harten Sport sein kannst“. Die natürlich getragenen Ohrringe und der elegante Schal zum Abendessen schlagen sich nicht mit Narben. „Klar hätte ich immer gern schöne Beine, Kratzer gehören aber zu unserem Sport. Manche Narben sind wie Geheimwaffen. Sie machen dich stark.“ Sie weiß, dass manche Menschen das nie verstehen werden. England hat derzeit die wohl beste Rennszene der Welt: prima Strecken, große Starterfelder, hohe Leistungsdichte, seriösen Einsatz: „Bei uns hat man begriffen, dass Downhill harte Arbeit ist, ein Sport, in dem man sich nicht mehr bloß auf sein Talent verlassen kann. Normalerweise sollten die besten Racer aus den USA kommen, weil sie die beste Infrastruktur haben. Wir können uns auf keinen Sessellift setzen, man bringt uns mit Anhängern auf den Berg, alles ist nass und dreckig. Wenn du dann oben bist, willst du das Beste aus deinem Lauf holen.“ So haben die Athertons einen scheinbaren Nachteil in einen Vorteil verwandelt: Wer unter schwierigen Bedingungen schnell ist, wird es unter Südfrankreichs warmer Sonne erst recht sein. Integrationsfigur. Was einst eine Freakshow mit Sturzgarantie war, hat sich längst zum spektakulären

Spitzensport gewandelt, der 20.000 Zuschauer nach Maribor, Whistler oder Fort William lockt. Wie kann man Downhill in fünf Worten charakterisieren? „Aufregend, schnell, technisch, kalkuliert, Spaß.“ Adrenalin? „Auch, aber ich würde es nicht so beschreiben. Beim Downhill muss man alert sein, Adrenalin trifft das nicht. Nicht der Hirnloseste wird am schnellsten sein, im Gegenteil.“ Die Entwicklung ihres Sports sieht Atherton positiv: „Downhill wächst langsam und gesund. Die Bürokratie hält sich in Grenzen, Doping ist kein Thema. Wir werden bei jedem Rennen getestet, und ich habe noch von keinem Downhiller gehört, der jemals erwischt worden wäre.“ (Bis auf das eine oder andere kiffende Kid, muss man der Ehrlichkeit halber hinzufügen.) Mag sein, dass Downhill in zwanzig Jahren olympisch ist, „aber das ist nicht wichtig. Entscheidend ist, dass die Leute in zwanzig Jahren ihren Sport noch genauso lieben.“ Rachel Atherton hat das Zeug zum Vorbild für eine neue Generation. Sie wird Downhill auf eine breitere Basis stellen und vor allem für Frauen attraktiver machen. Zeit genug hat sie mit ihren erst 22 Jahren allemal: Steve Peat, der amtierende Weltmeister bei den Männern, wird dieses Jahr 36. Rachels nächstes sportliches Ziel ist, die Regenbogenstreifen der Weltmeis­ terin zurückzuholen, die sie im Vorjahr wegen der Verletzung kampflos abtreten musste. „Ich sehe kein Problem darin“, kokettiert sie und lacht dabei ihr herzliches Kleine-Schwester-Lachen.

Szenen eines Sportlerlebens: Rachel Atherton, Downhill-Welt­ meisterin.

Darauf fahren Sie ab: de.redbulletin.com/print2.0 „The Atherton Project“ auf ServusTV: ab 8. Mai 2010, 22.15 Uhr

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Das ist die eine Seite des Fußballs in Afrika: ­Didier Drogba (Elfenbein­ küste), Stürmer beim FC Chelsea und Afrikas Fußballer des Jahres 2009. Die fuß­ballerische Kehrseite des Kontinents finden Sie ab Seite 58.


Action Ganz schön was los: Was uns diesen Monat bewegt.

Photography: getty images

54 Alles, was Flügel hat 58 FuSSball in Afrika 68 Duo-Backflip


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Alles, was Fl端gel hat Kopf端ber mit bis zu 500 Kilometern pro Stunde auf den Boden zurasen, und das Flugzeug bist du selbst: Willkommen in der wunderbaren Welt von Jon DeVore und der Red Bull Air Force.

Text: Matt Youson, Bild: Christian Pondella/Red Bull Photofiles

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as höchste Lob, das ein Flugsportler seinem Fluggerät machen kann, lautet wohl: „Es hat sich angefühlt wie ein Teil von mir.“ Im Idealfall verschmelzen Mensch und Maschine. Um diesem Zustand möglichst nahe zu kommen, sind Flugsportler quer durch die Bank Tüftler, egal ob beim Red Bull Air Race, beim Hang­ gliden oder in der Aerobatik. Jon DeVore, Manager des Red Bull Air Force-Sky­ diving-Teams, bildet hier keine Ausnahme. Das Beson­ dere an ihm: Sein Flugzeug ist der eigene Körper. Jon und seine professionellen Skydiver sind die ­Pioniere des Menschenflugs. „Wir fallen nicht, wir flie­ gen“, sagt Jon, und diese Unterscheidung ist elementar. Aus dem Flugzeug zu springen und sich fallen zu las­ sen, das könne nun wirklich jeder. Beim Fallen würde ohnehin die Gravitation die ganze Arbeit machen. Skydiving indes hat sich in den letzten Jahrzehn­ ten ungeheuer professionalisiert. „Wir haben so viel mehr drauf als den bloßen Freifall“, erklärt DeVore. „Selbst Fallen in Formation – so eindrucksvoll das auf Bildern auch aussieht – ist ein Ding von gestern. Wir haben den Sport auf einen neuen Level gehoben. Wir machen Free Flying. Nur auf unseren Bäuchen liegend Richtung Mutter Erde zu fallen ist zu langweilig, dar­ um haben wir zu experimentieren begonnen: mit dem Kopf voraus, mit den Füßen voraus, im Sitzen, Stehen, was auch immer funktioniert hat. Wir umkreisten uns in der Luft, wir waren die Ersten, die Kurven flogen.“ Und, fast ein wenig stolz: „Wir haben bewiesen, dass der menschliche Körper als Flügel funktioniert.“ Es wird Zeit für ein wenig Physik. In Bauchlage ist für den menschlichen Körper bei 180 km/h Schluss. Selbst sehr gelenkige Personen, die sich in der Luft stark durchbiegen, schaffen nicht mehr als 210 km/h. „Im Vergleich zu den Geschwindigkeiten, die wir in vertikaler Position erreichen, ist das lächerlich wenig: 260 km/h sind ein guter Mittelwert für vertikale Flugpositionen. Mein persönlicher Geschwindigkeits­ rekord kopfüber sind 510 km/h. Mein Teamkollege Charles Bryan schafft über 530 Stundenkilometer. Das Gefühl dabei ist unglaublich. Zwar geht sich bei diesen Geschwindigkeiten nur mehr eine Minute Freifall aus, aber diese eine Minute ist dermaßen köstlich – du trinkst 60 Sekunden pure Freiheit. Du bist ein Flugzeug. Selbst für Menschen mit so vielen Sprüngen am Buckel wie mich ist das Gefühl über­ wältigend – und zwar jedes Mal aufs Neue.“ Falls Sie gerade fragen wollten: Jons persönlicher Flugschreiber hält bei mehr als 16.000 Fallschirm­ 55


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sprüngen. Und sein Repertoire beinhaltet neben dem ­Human Flight auch eine mehr als solide BASE-JumpErfahrung und als Mittelpunkt Speed-Riding. Was das jetzt wieder ist? Beim Speed-Riding fährt/ fliegt man mit einem kleinen Fallschirm und (in der Regel) Skiern einen möglichst steilen Berg hinunter. Jon wäre jedoch nicht Jon, wollte er dabei nicht der Extremste unter Extremen sein. Sein Ziel beim SpeedRiding: Er will als erster Mensch der Welt die Seven Summits, die jeweils höchsten Gipfel der sieben Kon­ tinente, b ­ efliegen. Jon kommt aus Alaska, Menschen dort sind es gewohnt, sich große Ziele zu setzen. Doch zurück zum Skydiving: „Während der ersten paar tausend Sprünge führt deine Lernkurve sehr steil nach oben. Du lernst etwas, entwickelst ein Gefühl ­dafür, schon kommt das Nächste. Ich will nicht sagen, dass ich nichts mehr lerne, aber die Kurve flacht im Laufe der Jahre definitiv ab. Willst du das Gefühl von früher wieder heraufbeschwören, diesen unglaubli­ chen Rausch, musst du dich selbst herausfordern und neue Dinge erfinden. Ich hole mir meine Kicks nicht mehr beim normalen Skydiving, sondern aus wirklich schwierigen, technisch ausgefeilten Flugmanövern.“ So ganz abgeschlossen hat Jon mit dem „normalen Skydiving“ freilich noch immer nicht. Gemeinsam mit dem Rest der Red Bull Air Force fällt er regel­mäßig bei großen Events vom (nordamerikanischen) Him­ mel. Für einen Menschen, der sehr gern allein mit sich und seinen Gedanken ist, frei wie ein Vogel, ist die Landung in einem vollen Stadion immer wieder ein Flash: „Wenn du nach deinem einsamen Flug in einem vollen NASCAR-Oval, bei einem Red Bull Air Race oder einem großen Footballspiel landest, setzt das eine spezielle Art von Adrenalin frei. Normaler­ weise erregt unser Sport weniger Aufmerksamkeit als – sagen wir – Skateboardfahren, und dann stehst du plötzlich im Rampenlicht und kriegst mehr Applaus als der Star-Quarterback … wow! Für ein paar Sekun­ den bist du der absolute Held, die vollen Tribünen ­jubeln nur dir zu, du spürst dich bis in die Haarspit­ zen. Unsere Show überrascht die Leute, weil wir viel schneller sind als die normalen Fallschirm-Demos, die sie sonst so vorgesetzt kriegen. Ihre Aufregung und ihr Enthusiasmus springen auf dich über. Das fühlt sich immer wieder phantastisch an.“ Keine Frage: Jon ist ein Showman. Das hat er auch bei einem Projekt gemeinsam mit Kirby Chambliss, dem Red Bull Air Race-Gesamtsieger von 2006, bewie­ sen: beim Formationsflug Mensch-Maschine, Kirby in seiner Zivko Edge 540, Jon mit einem Wingsuit. „Flie­ gen mit einem Wingsuit unterscheidet sich stark von Skydiving. Der Suit bremst deinen Fall so stark, dass du in der Luft wirklich Zeit hast. Erst als ich gemein­ sam mit Kirby rumgeflogen bin, habe ich das wahre Potenzial des Wingsuit erkannt. Es ist irre, was man damit alles anstellen kann.“ Chambliss hat zwar selbst über hundert Sprünge am Buckel, dennoch würde er bei diesem Unternehmen keinesfalls mit Jon tauschen: „Ich habe noch nie einen Wingsuit getragen, und das werde ich auch nie. Ich würde mir in dem Ding vor Angst in die Hose machen.“ „Das Gefühl da draußen ist tatsächlich ziemlich arg“, schmunzelt Jon. „Aber es hilft, wenn man sich dabei per Funk unterhalten kann. Würde ich nur den 56

Motor hören können, mich umschauen und dann die­ sen gigantischen Fleischwolf auf mich zukommen ­sehen, würde wohl auch ich unrund werden. So aber höre ich ein freundliches ‚Ich komme jetzt rechts an dir vorbei‘ im Funk, das macht die Chose gleich viel entspannter, wir haben beide Spaß in der Luft und können die Sache richtig genießen.“ Apropos genießen: „Als Nächstes planen wir einen wing-touch flight. Dabei fliegen wir nebeneinander, und ich versuche mit meinem Flügel seinen Flügel zu berühren. Das Problem dabei ist die Geschwindigkeit von Kirbys Rennflugzeug: Er kann die Propeller nicht so weit verstellen, um langsam genug für mich zu ­fliegen. Aber er sagt, dass er das mit einem anderen Motor hinkriegen wird. Sobald er Zeit hat, den Motor zu tauschen, gehen wir das Projekt an. Einstweilen spielen wir nur gemeinsam am Himmel rum.“ Besonders üppig war aber auch Jons Freizeit nicht: Im Vorjahr drehte er nämlich gemeinsam mit dem Rest der Red Bull Air Force „Human Flight 3D“. Der Film soll in diesem Sommer anlaufen und der ­extremsten der Extremsportarten erstmals wirklich gerecht werden: „Wir tun, was wir tun, aber unter Hollywood-Bedingungen. Wir spielen uns selber, nach einem vorgegebenen Skript.“ Der erste Teil von „Human Flight 3D“ wurde in ­Florida gefilmt, danach übersiedelte der Tross in die Alpen: „In der Schweiz haben wir uns auf BASE-Jumps sowie BASE-Jumps mit Wingsuits konzentriert. Viel von den Flügen dort war das, was wir ‚Proximity ­Flying‘ nennen: Dabei versuchen wir nicht wie beim normalen BASE-Jumping möglichst vom Absprung­ ort wegzukommen, sondern fliegen den Bergrücken in knappem Abstand entlang.“ „Human Flight 3D“ kommt zunächst in normale Kinos, danach wird es eine IMAX-Version geben. Viele der Filmtechniken und einiges an Hardware mussten erst während der Dreharbeiten erfunden werden, ­dar­um hat das Projekt auch so viel Zeit verschlungen. „Vor uns hat noch niemand 3-D in der Luft gefilmt“, sagt Jon DeVore. „Wir waren die Pioniere. Klarerweise haben wir auch leere Flugmeilen gesammelt, weil wir erst herausfinden mussten, was in 3-D funktioniert und was nicht. Wir haben immens viel gelernt. Natür­ lich sind wir nicht als Greenhorns in das Projekt ­gestartet. Jetzt aber gibt es wohl niemanden auf der Welt, der unserem Erfahrungsschatz auch nur nahe kommt.“ Die schieren Fakten untermauern diese Ein­ schätzung: Die Red Bull Air Force hat allein in Florida an die 400 Flüge für „Human Flight 3D“ absolviert, dazu kommen über 100 weitere in der Schweiz. Inzwischen arbeitet Jon schon an seinem nächsten Projekt: den Seven Summits. „Schon während der ­Arbeit an ‚Human Flight 3D‘ habe ich meine Ideen dafür stetig verfeinert. Ich habe beschlossen, mich dabei vorerst auf Nordamerika zu konzentrieren und hier zu lernen, was ich lernen muss. Am Anfang werde ich die Cascade Range und die großen Berge der Rockies in British Columbia und im Nordwesten Amerikas befliegen. Das wird wohl ein paar Jahre in Anspruch nehmen. Danach sollte ich gut genug sein für die Seven Summits.“ Alle Infos zum Thema „Human Flight 3D“ unter www.humanflight3d.com und www.redbullairforce.com


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„human Flight 3D“: Der Film zum flug

bilder: Brian Nevins

3-D-Kino boomt. Die spektakuläre ­Technologie auf den Freifall zu über­ tragen war ebenso logisch wie schwierig. Das E ­ rgebnis lässt den Zuschauer Human Flight erstmals wirklich erleben. 3-D-Kino hat viele Möglichkeiten. Man kann zum Beispiel ­einen großen computergenerierten Ewok auf die Zuschauer zutapsen lassen, bis diese in ihren Sitzen die Köpfe einziehen. Noch spektakulärer wäre es jedoch, wenn man sie auf ­einen BASE-Jump mitnehmen könnte: im Freifall von einem Berg hinunter, mit 300 km/h an Bäumen vorbei. Genau das war der Traum von Jon DeVore und seinen Freunden. Sie ahnten allerdings noch nicht, dass sie dabei HD- und 3-DFilmen in der Luft revolutionieren würden. Ähnlich wie für das Red Bull Air Race erst Hardware ­entwickelt werden musste, die Belastungen bis zum Zwölffachen der Erdbeschleunigung (12g) aushält, um Faszination und Speed dieser Sportart einfangen zu können, musste die Red Bull Air Force eine Technologie entwickeln, um ihren Adrenalinrausch in Bilder zu fassen – es gab kein Regal, aus dem man sich hätte bedienen können. Produzent Carl Samson, der schon 2002 mit Jon gearbeitet hatte („Adrenaline Rush: The Science of Risk“), tüftelte mehrere Jahre an den Kameras, Filmtechniken und PostPro­duction-Prozessen für „Human Flight 3D“. Sein Ziel: räum­liche Tiefe in 3-D und teleskopische Flexibilität. Das Ergebnis war eine miniaturisierte HD-3-D-Kamera mit Flash Drive als Speicher, klein genug, um von den Ath­ leten am Helm oder Geschirr des Fallschirms getragen zu werden. Viele der Szenen entstanden mit der Kamera am Bauch des Springers, montiert ans Fallschirmgeschirr. Das 18 Kilo schwere modifizierte System hat zwei Linsen für 3-D-Aufnahmen. Es gibt einen speziellen Sucher, der dem Kameramann die Kontrolle über seine Aufnahmen ­erlaubt, während er selbst mit 300 km/h auf den Erdboden zurast. Zusatzfunktionen wie Zoom- oder Stop-Funktion wurden als unnötige Komplikationen angesehen, auf die man gern verzichten konnte – Skydiving ist kein Sport, in dem man beliebig Wiederholungen machen kann. Der technologische Aufwand hat sich gelohnt, findet Jon DeVore: „Wenn wir unsere Wingsuits anziehen und in 4000 Meter Höhe ­demonstrieren, was Human Flight ist, werden die Zuschauer ihre Köpfe verrenken und beeindruckt sein – verstehen werden sie das Ganze aber nicht. Wir nehmen den Zuschauer mit, er fliegt mit uns. Das ist das Besondere an ‚Human Flight 3D‘.“

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Arena Afrika Fußball in Afrika kann Hass schüren und Nationen spalten, aber auch Brücken bauen und Kriege überwinden. Doch stets bleibt er, was er ist: schiere Magie. Text: Bartholomäus Grill, Bilder: Thomas Hoeffgen

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Das ölreiche Nigeria hat Milliarden von Petrodollars sinnlos verschleudert und versinkt in Chaos, Gewalt und Korruption. Manchmal wundert man sich, dass in diesem Land überhaupt noch irgendetwas funktioniert – außer der Schwerkraft und dem Fußballspiel. Die „Super Eagles“, Nigerias Nationalelf, wurden zu einer Art Bindemittel, das den krisengeschüttelten Vielvölkerstaat zusammenhält. Die Stars werden angebetet oder verflucht,

je nach Ergebnis. In jedem Fall lassen sie die Menschen deren Alltagssorgen vergessen – Fußball wirkt wie Opium gegen die Armut. Gekickt wird überall, selbst an den unmöglichsten Orten wie unter diesem Highway in der Wirtschaftsmetropole Lagos. Und wie der junge Mann vor dem National Stadium im Bundesstaat Lagos träumen alle Nachwuchsspieler davon, ein Star zu werden und die Fußballwelt im Sturm zu erobern: Just do it!

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In Urwalddörfern und Bergnestern, an Sandstränden und in der Savanne, in Flüchtlingslagern, Missionsstationen oder den Slums der Städte – auf meinen Streifzügen durch Afrika sah ich allerorten das gleiche Ritual: Wenn die Gluthitze des Tages nachlässt und die Schatten länger werden, versammeln sich die Buben und Männer zum Kicken. Sie brauchen nicht viel dazu: irgendeinen staubigen, halbwegs ebenen Platz, ein paar Holzpflöcke oder dürre Äste, um die Tore zu markieren, und einen Ball. Sie spielen in alten Badesandalen, Segeltuchschuhen oder bar­fuß. Und wenn sie keinen Ball besitzen, basteln sie sich aus Stoff­­fetzen, Plastiktüten und Palmblättern selber einen. Oder sie verwenden Blechdosen, notfalls auch hohle Kokosnüsse. Und sie spielen und spielen, bis die Dunkelheit wie ein Stein auf ihr Dorf fällt und die Zikaden im Busch ihren metallischen Nachtgesang anstimmen. Fußball ist ein Sport der Armen. Ein Sport Afrikas. Er ist auf diesem Erdteil so allgegenwärtig wie die Machete, die Trommel, der Holzmörser, die Feldhaue, das Tragetuch für Kleinkinder, die Kalaschnikow und lauwarmes Bier. Was soll die Jugend schon tun? Millionen und Abermillionen wachsen in ärmlichen Verhältnissen auf, das Leben auf dem Lande oder in den wuchernden Metropolen hat nicht viel zu bieten. Man trägt ein paar zerschlissene Fetzen am Leib, schläft auf dem nackten ­Hüttenboden, wacht hungrig auf. Rennt ins Freie und jagt hinter der Kugel her. Ob in Ghana oder Kamerun, in Nigeria oder Sambia, in ­Senegal oder an der Elfenbeinküste, in fast allen afrikanischen Ländern identifizieren sich die Menschen in einem Maße mit ihren Soccer-Helden, wie es in Europa unbekannt ist. Nirgendwo auf der Welt, Südamerika ausgenommen, sind sie so fußball­ närrisch wie in Afrika, nirgendwo sind die Hoffnungen der Jungen so groß, eines Tages herauszudribbeln aus der Armut und ein ­Superstar zu werden wie Milla, Kanu, Drogba, Eto’o 60

oder Adebayor. Sie träumen von England, Spanien oder Frankreich, von Ruhm und Reichtum. Wie schnell ihre Hoffnungen zerschellen können, ahnen sie nicht. Denn manche Scouts und Spielervermittler sind nichts ­anderes als moderne Sklavenhändler. Sie reißen die halbwüchsigen Talente aus ihrer Lebenswelt, versprechen ihnen das Para­ dies und verscherbeln sie mit fettem Profit in die zweite Liga Rumä­niens oder andernorts in Europa, wo sie die Sprache nicht ver­stehen, sozial isoliert sind, vereinsamen und oft eingehen wie Blumen ohne Wasser und Sonnenlicht. In ihren Heimatländern wird die kollektive Fußballbegeisterung häufig für politische Zwecke missbraucht: Diktatoren und Demokraten schmücken sich gerne mit den Siegen ihrer National­ teams. Fußball kann Brücken bauen, fragile Staaten zusammen­ halten und manchmal sogar die Fronten eines Bürgerkriegs überwinden, wie das Beispiel Elfenbeinküste lehrt. Er kann aber auch Nationen spalten und ethnischen Hass schüren – beim ­Genozid in Ruanda mordeten auch die Fußballer mit. Doch jenseits dieser Verirrungen bleibt der Fußball in Afrika, was er immer war: eine schillernde Traumfabrik, eine Projek­ tionsfläche der Sehnsüchte, ein Ort der Magie. Bei jedem Match wirken höhere Mächte mit. Sie verbiegen die Linien, verändern die Flugbahn des Balles, benebeln den Schiedsrichter, lähmen den Torjäger. Am Ende gewinnt, wer den besseren Hexenmeister angeheuert hat. Bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika werden die afri­ kanischen Teams den Beistand ihrer Zauberer brauchen. Die Hoffnungen des ganzen Kontinents begleiten sie. Seit dem Ende der Kolonialzeit gab es kein Ereignis, welches das Selbstwertgefühl der Afrikaner stärker beflügelt hätte. Möge erstmals in der mittler­ weile achtzigjährigen Geschichte der Fußball-WM ein schwarzes Team die Coupe Jules Rimet holen. Ke nako, heißt diesmal das Motto des Turniers aller Turniere: Es ist Zeit!


Mannschaftsräume? Umkleidekabinen? Duschen? In vielen der kariösen Fußballstadien Afrikas gibt es diesen Luxus nicht. Die Spieler müssen in der Regel ihre Ausrüstung selber mitbringen und sich am Rande des Platzes oder auf einer wackligen Tribüne umziehen – so wie die beiden Mannschaftskameraden im Queensmead Stadium in ­Lusaka, Sambia. In Abuja, der (seit 1991) Hauptstadt Nigerias, versäumen die Spieler manchmal das Match, weil die schrottreifen Busse bei der Anreise auseinanderfallen. Und malawische Fans, die sich den Eintritt nicht leisten können, müssen sich mit der Außenansicht des Stadions von Blantyre begnügen. Elektronische Ergebnistafeln? Ebenfalls Fehlanzeige! Im Onikan Stadium zu Lagos werden noch immer die Schieferplatten aus der Kolonialzeit verwendet.

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Der schlecht gepflegte Rasen im Independence Stadium zu Windhoek (unten) erinnert an das Fell ­einer räudigen Hyäne. Die Buben von Babylon aber wären froh, wenn sie auf so einem ­Geläuf spielen dürften. Denn sie müssen sich mit ­einem steinharten, staubigen, buckligen Bolzplatz begnügen, der von struppigen Dornensträuchern umsäumt wird. Babylon liegt am Rande der namibischen Hauptstadt, es ist ein squatter camp, eine wilde Siedlung ohne Strom, Wasser und Kanalisation. Die Jungen wachsen auf in einer Welt des Mangels, aber ­irgendwie haben sie es geschafft, ein Paar verrosteter Handballtore aufzutreiben. Und wenn sie in glücklicher Selbstvergessenheit kicken, spielen die widrigen Umstände keine Rolle mehr. Dann geht es wie überall im Universum des Fußballs nur noch um eines: um das ­Runde, das ins Eckige muss.

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Soccer City, das Prunkstück des südafrikanischen Fußballs (links, ganz oben). Die Arena fasst 94.000 Zuschauer und gehört zu den größten Stadien der Welt. Hier, am Rande der schier ­unermesslichen schwarzen Township Soweto, die zu Johannesburg gehört, werden das Eröffnungsspiel und das Finale der Weltmeisterschaft 2010 stattfinden. Der Soccer-Alltag ist im ­Stadion von Meadowlands (links darunter) zu besichtigen: schütterer Rasen, kahles, baum­ loses Umfeld, provisorische Zufahrten – eine Anlage wie tausende und abertausende in Afrika. Das Oval ist eingezwängt zwischen kleinen Häuschen, die ihre Bewohner matchbox houses nennen – weil sie so geräumig sind wie Streichholzschachteln. Aber wenn die Topklubs von Soweto auflaufen, die Orlando Pirates oder die Kaizer Chiefs, dann vertreibt die kollektive Begeisterung alle Tristesse. Auf den Hartplatz zwischen den Hochhausschluchten des berüchtigten Johannesburger Viertels Hillbrow (rechts) wagen sich hingegen nur ganz mutige Sportfreunde. Dieser „vertikale Slum“ wird regiert von Not, Krankheit und Gewalt. Kein ausländischer Fußballfan sollte sich während der WM in diese Gegend verirren. 64


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Dass man sich in einem Fußballstadion befindet, merkt man in Afrika oft erst dann, wenn man die blechernen Sperrzäune passiert und einen Platz auf den Rängen erobert hat. Viele Arenen sind hoffnungslos ver­ altet und baufällig, im reichen Teil der Welt hätte man sie längst dem Erdboden gleichgemacht. Es ist auch nicht ungefährlich, sie zu besuchen. Bei Spitzenspielen ist der Ansturm der Zuschauer gewaltig, und weil die Organisation oft miserabel ist und korrupte Ordner jedermann einlassen, kommt es mitunter zu tödlichen Stampeden. Aber wahre Fans kann das nicht abschrecken. Sie sitzen wie hier im Onikan-Stadion von Lagos auf den Außenwänden, in Baumwipfeln oder auf Strommasten, um das schönste Spiel der Welt zu verfolgen.

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Ein namenloser Platz, die Spieler und Zuschauer klein wie Ameisen, die Linien wie Schemen, die Tore kaum zu erkennen. Und ringsum das Nichts, weites, krachdürres Land, kein Baum, kein Strauch, kein Gras, keine Farben. Aber die Vogelperspektive täuscht. Denn dort unten, ­irgendwo am Rand von Soweto, findet gerade der mit Spannung erwartete Höhepunkt der Woche statt – das Match der Lokalmatadore am Sonntagnachmittag. Es ist vielerorts das einzige kollektive Freizeit­ vergnügen im immergleichen, ereignislosen Alltag auf dem Lande oder in den Armenvierteln Afrikas. Aber es ist nicht nur eine hoch­ willkommene Zerstreuung, sondern auch ein modernes Männer­ ritual das verlorene Traditionen ersetzt.

„African Arenas“ als Ausstellung: 30. April bis 2. Juni 2010, Auswärtiges Amt, Werderscher Markt 1, Berlin 5. Juni bis 18. Juli 2010, Künstlerhaus im Kunst­ KulturQuartier, Nürnberg, Königstraße 93 „African Arenas“ als Buch: Verlag Hatje Cantz, 144 Seiten (Deutsch/Englisch), 35 Euro, ISBN 978-3-7757-2668-9

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cpoilát Rumflippen, backflippen, ausflippen: Petr Pilát, Rising Star des Freestyle-Motocross, nimmt uns mit auf einen Backflip. Mit Werner Jessner, Bilder: Dan Vojtěch

Als es schließlich so weit war, blieb nicht mehr viel Zeit, groß nervös zu werden: Zuerst hieß es, wir springen überhaupt nicht, das Wetter ist zu schlecht, dann vielleicht doch, dann saß ich auch schon auf der KTM, und wir waren in der Luft, kurz d ­ arauf war alles vorbei. So geht das also: Backflip passiv. Ich schüttelte mich wie aus einer Gedankenlosigkeit zurecht und musste ganz viel nachdenken, was genau hier, heute, an diesem Mittwochnachmittag in Tschechien passiert war. Die Tage zuvor waren von einer diffusen Nervosität überlagert gewesen, und die Menschen meines Vertrauens hatten nichts dazu beitragen können, dass sich dieses Gefühl legt. Wenn du dich nicht traust, dann springe eben ich, sagten die einen. Du bist ja völlig blöd geworden, sagten die anderen, denk an deine Tochter (dabei war die einen Tag zuvor selber ihre ersten Vorwärtssalti am Trampolin gesprungen, sie nannte sie Purzelbaum-ohneHände, das glückliche Kind). Schließlich siegte eine Mischung aus Neugier und Urvertrauen: Die Red Bull X-Fighters sind nicht „Jackass“, Petr ist trotz seiner erst neunzehn Jahre einer der weltbesten FMXer. Was sollte also schon groß schiefgehen? Dennoch wollte ich dem Menschen zuvor in die Augen schauen. 68

Innerhalb von Sekunden war alles entschieden. Kräftiger, doch nicht brutaler Händedruck, glasklarer, fester Blick, schon in seinen ersten Sätzen präzise und verbindlich. Dem Mann kannst du vertrauen. „You are the boss“, sagte ich ihm und versprach, in der nächsten Stunde alles zu tun, was er verlangte. Besonders viel Zeit verbrachten wir nicht miteinander, aber diese entscheidenden paar Sekunden werden mich auf ewig mit Petr Pilát verbinden. Dieser Mann hätte mir sehr weh tun können, und zwar ohne böse Absicht. Erst mal räumen wir das Bike ein. Petr hat so ziemlich meine Größe. Bei zweimal 1,90 Meter wird es eng auf einer KTM 200 SX, die ja nur für eine Person gedacht ist. Petr wird hinten sitzen, ich vorn auf dem Tank. Meine Stiefel stehen auf seinen, ich klammere mich im Untergriff innen an den Lenker. Die Ellbogen kommen dort hin, wo noch Platz ist. Ich muss mich möglichst klein machen, damit Petr was sieht. Rumrollen auf dem Gelände, er reißt ein paarmal fest das Gas auf, dass es das Vorderrad aushebt, so ähnlich, sagt er, wird sich der Absprung in der Rampe anfühlen. 200er-Zweitakter halt, sag ich. Ready?, fragt er. Ready.


„Du bist ja völlig blöd geworden, denk an deine Tochter.“

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de.redbulletin.com/print2.0 Festhalten: der Tandem-Flip aus der Onboard-Perspektive.


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Besonders komfortabel ist die Sitzposition tatsächlich nicht, aber die Reise dauert ja eh nicht lang. Das untere Bild lässt die Wucht des Einschlags er­ ahnen: Petr sitzt noch immer auf dem Bike, der Passagier steht hier auf dem Tank.

Im TV schaut ein Backflip ganz schnell aus. Am Bike fühlt sich ein Backflip ganz langsam an. Zuerst siehst du die dunkle Rampe, die sich ewig vor dir aufbaut, dann siehst du ganz lang hellen Himmel, du hast nicht einmal das Gefühl, kopfüber zu hängen, deine Sensoren feuern überfordert tilt-Meldungen ans verwunderte Hirn. Du fühlst dich auch nicht schwerelos oder so, und du hörst keine Engel singen. Zweimal jault die KTM in der Luft auf, das kann kein Zufall sein. Offenbar ist Petr noch immer in command und versucht unsere Rotation durch Gasstöße zu beschleunigen. Logisch: 80 zusätz­liche Kilo da vorn am Tank wollen um die Querachse gewuchtet werden. Erst im letzten Moment wird der Himmel aus dem Gesichtsfeld gezogen, im nahezu selben Moment macht es einen Tuscher, wir versinken bis zum Helm in den Schaumstoffwürfeln, mit denen die Schnitzelgrube gefüllt ist, und irgendwer hat daran gedacht, den Motor abzustellen. (Ich war’s nicht.) Im TV sehen Landungen nach Flips ganz sanft aus. Im echten Leben ist es so, als ob du aus dem zweiten Stock springen würdest, ohne darauf gefasst zu sein. Das Kreuz kracht. Der Nacken schmerzt. Es fühlt sich nach Sturz an. Ein Backflip ist nicht nichts, weder für den Geist noch für den Körper. Petr klatscht ab, die Leute draußen johlen, wie ein Schwimmer suche ich den Rand der Schnitzelgrube. Gar nicht leicht, hier rauszukommen. Zugegeben: Ich bin durch den Wind. Die KTM wird mit einem Kran rausgehoben, Petr kommt nach, alles easy, alles entspannt. High Five, professionelles Coole-Sau-Spielen. 70

So ist das also. Scheißmichan. Der Puls ist jetzt höher als vor dem Sprung, noch immer schießt Adrenalin nach. Wenn man selber ans Limit geht, bleibt ­einem ja die Illusion, die Aktion zumindest dosieren zu können. Hier: Nix. Ist der Backflip per se schon ein Ja-oder-Nein-Ding, wo halbe Sachen schwer verboten sind, hast du als Passagier schon überhaupt keine Möglichkeit, sinnvoll einzugreifen. Höchstens versauen kannst du es, indem du blöde Stunts machst vor lauter Angst. Idealerweise verhältst du dich wie ein Sack Kartoffeln, ­genauso ruhig und mit ähnlich ausgeprägter Eigeninitiative. Räusper: Ich hab euch vorher was verschwiegen. Ich war nicht der Erste, den Petr auf einen Backflip mitgenommen hat. Vor mir war Martin dran. Martin Rerabek ist neun und wiegt 30 Kilo. Es war auch nicht Martins erster Backflip. Für ihn ist das fast Rou­ tine. Martin war Petrs Test-Copilot beim Tandem-Flip. Martin spricht nicht viel, aber das muss man in seiner Rolle auch nicht. Vielleicht noch ärger ist Zbyněk Kobián drauf, immerhin schon zwölf. Der springt mit seiner 85-Kubik-KTM selbst Backflips. Somit ist er um drei Jahre jünger, als Petr Pilát bei seiner Flip-Premiere war, und der war damals jüngster Backflipper der Menschheits­ geschichte, Guinness-Buch-Eintrag inklusive. Čerčany, ein kleines Nest eine Stunde südlich von Prag, ist das FMX-Zentrum zumindest Tschechiens, wenn nicht Europas. Die Kids hier spielen in ihrer Freizeit nicht Fußball oder Hockey, sie


Himmel, endlos Himmel, deine Sensoren senden tilt-Meldungen ans überforderte Hirn.

machen Freestyle-Motocross. Das Gelände in Čerčany ist nicht groß, hat aber alles, was man braucht: Einen Bahnhof, der die Lärmbelastung durch die Bikes irrelevant macht. Dirt-Lande­ hügel. Foampit. Rampen mit unterschiedlichen Radien. Betonierte Anfahrten. Petr kann nicht sagen, wie viele Monate seines Lebens er hier verbracht hat. Zum Aufwärmen haut er Flips am Band raus, Linke vom Lenker, Rechte vom Lenker, beide Hände vom Lenker, No-Hand-Landing, das kleine Einmaleins des FMX. Es gilt dennoch wachsam zu sein: „An einem Tag war ich sicher schon hundert Backflips gesprungen, alles easy. Doch dann, ohne Vorwarnung, ist mir einer komplett ausgekommen. Ich bin mit dem Helm in die Erde eingeschlagen, das Bike war hinüber. ­Interessanterweise kommt dieses Phänomen auch bei den ­Superstars vor: Travis Pastrana ist schon vom Himmel gefallen, Mat Rebeaud genauso.“ „Das beruhigt mich jetzt aber gar nicht.“ „Keine Sorge, mit Passagier bin ich 200 Prozent konzentriert.“ „Wollen wir noch einmal?“ „Okay.“ Mit der Gelassenheit des ersten Backflips in den Knochen nehme ich mir vor, die Sache zu genießen. Wir rücken auf der Sitzbank zurecht, rituelles Abklatschen vor dem Losfahren, in der Kurve zur Anfahrt bemerke ich, dass ich den Lenker blockiere – von wegen gelassen –, lockerlassen, der Motor jault auf, das Vorderrad steigt, Beschleunigung, die Rampe baut sich auf, Adrenalin schießt ein,

herrlich, Petr zieht uns mit dem Gas durch den Radius, „es passiert alles auf der Rampe, in der Luft kannst du nur noch minimal Einfluss auf den Sprung nehmen“, Himmel, endlos Himmel, ich versuche den Kopf in Richtung des Fotografen zu drehen, Posing für Anfänger, noch immer Himmel, die Rotation fühlt sich diesmal schneller an, etwas Beiges kommt von unten, der Nacken kracht, ich musste ja unbedingt cool sein mit meinem Seitwärtsschauen, dann sind wir schon wieder fertig. Hallihallo, an das Zeug könnte man sich gewöhnen! Rollercoaster werden kein Geschäft mehr mit mir ­machen, auch das Bungee-Seil kann dort bleiben, wo es hingehört: in der Kiste mit den Faschingsscherzen für Nervenschwache. Wenigstens die einfacheren Tricks werden als Beifahrer plausibel: Selbstverständlich kann man die Hand unterwegs vom Lenker nehmen. Du musst nur mitzählen, wie weit du bist, damit die Griffel bei der Landung wieder dort sind, wo sie hingehören. (Oder du lernst No-Hand-Landing.) Wie sich diese euphorische Theorie mit der Praxis verträgt, müsste man im Einzelfall ausprobieren. Aus der Foampit krabble ich schon fast routiniert. Einen dritten Versuch schenken wir uns, eine Landung auf Dirt ist wegen meiner Größe und meines Gewichts nicht ratsam. Immerhin: Als Versuchskaninchen habe ich gute Arbeit geleistet. Ein paar Wochen später nimmt Petr den Prager Bürgermeister Pavel Bém mit. Sie landen ihren Tandem-Backflip auf Dirt.  Völlig ausgeflippt: de.redbulletin.com/print2.0 Red Bull X-Fighters: 14. Mai 2010, Gizeh, Ägypten; www.redbullxfighters.com

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bild: Ray Demski/Red Bull Photofiles


More Body&Mind Belebendes für Körper und Geist.

74 Gabriella Cilmi im Hangar-7 75 Köche und ihre Geheimnisse 76 MTB-Ausrüstung 78 Smart Food 80 Red Bull Cliff Diving 82 Red Bull TV-Fenster 84 Tag & Nacht 94 Read Bull 98 Kolumne

So war’s 2009: Zum Finale der Red Bull Cliff Diving World Series trafen sich die weltbesten Cliff Diver am Vouliagmeni-See in Athen. Mindestens so spektakulär wird es 2010: Da geht’s zum Abschluss der Serie nach Hawaii.


more body & mind

Hangar-7-Interview

Gabriella Cilmi

„Schau an, jetzt sind meine Haare schon wieder gewellt.“ Gabriella Cilmi fährt sich durch die langen Strähnen. „Dabei habe ich dem Friseur in Italien noch gesagt, dass ich sie glatt haben will. Vielleicht sollte ich mehr an meinem Italienisch arbeiten?“, sagt sie und lächelt verschmitzt. Die australische Newcomerin ist gut gelaunt. Erstaunlich gut gelaunt, bedenkt man, dass sie seit Wochen von Interview zu Interview und von Konzert zu Konzert hetzt, um ihre zweite Platte zu bewerben, „Ten“. Genau dieser Humor, der Hang zur Selbstironie kommen der Achtzehnjährigen jetzt zugute – und heben sie wohltuend von all den Castingshow-Eintagsfliegen ab. Gabriella Cilmi, eine junge, starke Frau, die genau weiß, was sie will. Die Welt erobern. Oder zumindest die Herzen derer, die auf echte Musik stehen, ob Soul, Rock oder Disco. Und mit ihrem Überhit „Sweet About Me“ sowie dem neuen Album ist sie auf dem besten Weg. red bulletin: Du kommst gerade aus Melbourne, wo du beim Formel-1-Rennen die australische Nationalhymne gesungen hast … gabriella cilmi: Ich war ja so nervös! Erstens: der Grand Prix in meiner Heimatstadt. Zweitens: über 200 Millionen Zuschauer vorm Bildschirm. Natürlich passiert genau dann ein Missgeschick: Der Typ, der den Ton für die TV-Übertragung abgemischt hat, vergaß meine Stimme hochzudrehen. Ich sang, so laut ich konnte, doch niemand hörte mich. Aber die Küsschen, die mir John Travolta nach dem 74

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de.redbulletin.com/print2.0 Gabriella Cilmi singt beim Interview! Plus: die schönsten Bilder von ihrem Auftritt im Hangar-7.

Gabriella Cilmi live im Hangar-7: Sie verleiht den Disco-Tracks ihres neuen Albums einen rockigen Anstrich, begeistert mit „Sweet About Me“ und covert als Zugabe „Whole Lotta Love“ von Led Zeppelin.

Auftritt auf die Wange gegeben hat, haben die Enttäuschung etwas gemildert. Wem hast du beim Rennen die Daumen gedrückt? Meine Familie hat zu Ferrari gehalten, aber mein Favorit war Sebastian Vettel. Und Mark Webber natürlich, schließlich ist er auch Australier, und ich hätte mir für ihn sehr gewünscht, dass er seinen Heim-Grand-Prix gewinnt. Hattest du auch etwas Zeit für deine Familie? Leider nein, ich war nur vier Tage in Melbourne. Und unter permanentem Stress. Aber ich hab sie über Weihnachten ausgiebig gesehen – ein traditionelles Essgelage bei den Cilmis. Mit der ganzen Familie und jeder erdenklichen Art von Fleisch – Rind, Hase, Salami. Der Soul-Song, der dein Leben drastisch verändert hat, heißt „Sweet About Me“. Jeder kennt ihn, aber kaum jemand weiß, wie du zu deinem Plattenvertrag gekommen bist.

Ich wurde auf einem italienischen Straßenfest in Melbourne entdeckt, wo ich mit meiner Familie Geld für die Kirche ­gesammelt habe. Es war extrem lang­ weilig, deshalb bin ich auf eine Talentbühne rauf und hab aus dem Stegreif eine A-cappella-Version von „Jumpin’ Jack Flash“ (von den Rolling Stones, Anm.) ­gesungen. Zufällig war ein PlattenlabelTyp im Publikum, der mich kurz danach unter Vertrag genommen hat. „Jumpin’ Jack Flash“? Wie kommt’s, dass eine junge Frau so, nun ja, angestaubte Musik hört? Mein Onkel war ein großer Musiksammler. Er hat mich auf die Stones oder Janis Joplin gebracht. Und Led Zeppelin, die mich sehr geprägt haben, gerade deren Sänger Robert Plant. Ihr „Houses of the Holy“ ist eine meiner Lieblingsplatten. Du hast einmal gesagt, du seist eine weibliche Version von Robert Plant. Wer wäre denn dein Jimmy Page (Led‑Zeppelin-Gitarrist, Anm.)?

bilder: helge kirchberger

Vom Straßenfestival zur Welttournee, vom Nach­ sitzen in der Mädchenschule zur Award Show mit Lady Gaga. In Gabriella Cilmis ­Leben hat sich in den letzten beiden Jahren allerhand ­getan. Dabei steht die Aus­ tralierin mit achtzehn gerade erst in den Startlöchern.


bilder: helge kirchberger

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Schwierig. Vermutlich Matthew Bellamy von der britischen Band Muse. Jedes Mal, wenn ich ihn live sehe, bin ich hin und weg. In meinen Augen ist er ein Genie. Kannst du dich an den Moment erinnern, in dem du den Durchbruch von „Sweet About Me“ erstmals richtig wahrgenommen hast? Zum ersten Mal hab ich den Song in einer Parfümerie im ­Radio gehört. Ich hab mich ganz verstohlen umgeblickt, ob irgendwer bemerkt, dass es mein Song ist. Und? Hat dich wer erkannt? Keine Spur! Den Erfolg hab ich erst durch meine Familie mitbekommen. Sie haben mich jedes Mal, wenn sie einen Artikel über mich fanden, von Australien aus in London angerufen. Sie wussten am Anfang besser Bescheid über das, was um mich herum passierte, als ich selbst. Dein gerade erschienenes Album ist im Gegensatz zu deinem soulig-rockigen Debütalbum „Lessons to Be Learned“ voll mit Referenzen an die achtziger Jahre. Eine Neuorientierung? Ich wollte etwas Neues ausprobieren. Anfangs wusste ich nicht genau, was, bis mir ein Bandkollege die Donna-SummerPlatte „I Remember Yesterday“ gab. Pure Magie! Vor allem die Songs, die sie mit Giorgio Moroder aufgenommen hat. Alte Synthie-Sounds und die Art, wie sie ihre Stimme einsetzt, dieser wunderschöne hohe Falsetto-Gesang, haben auf „Ten“ definitiv ihre Spuren hinterlassen. Und sie ist definitiv groovier als meine erste Platte. Als ich das Cover sah – du mit Kamera, lediglich in schmale Filmstreifen gehüllt –, ist mir ein Zitat eingefallen. Bei den Brit Awards sollst du über Lady Gaga gesagt haben, dass sie sich endlich mal was anziehen möge. Wie denn jetzt? Da bin ich falsch zitiert worden! Es war kalt bei den Brit Awards, so richtig eiskalt, und Lady Gaga hatte bloß Shorts an. Ich war mehr um ihre Gesundheit besorgt als wegen ihres gewagten Outfits, ehrlich. Falls es mit der Musik nicht mehr so klappen sollte, hast du einen Plan B? Nicht wirklich, aber ich wäre gern Museumsführerin. Echt? Kunst- oder Naturhistorisches Museum? Foltermuseum! Ich mag’s gern blutig. ­Außerdem haben mich Geschichten aus dem Mittelalter immer schon fasziniert. Dass Leuten die Finger abgehackt wurden, wenn sie etwas gestohlen hatten. Muss lustig sein, die Museumsbesucher mit solchen Episoden zu schockieren. Hörproben aus dem neuen Album „Ten“ gibt’s auf: www.gabriellacilmi.com

Schnipp, schnapp: Das Lieblingsmesser von Cornelia Poletto wurde für sie maßgeschmiedet.

Geschmackssache: Die Geheimnisse der Spitzenköche

Nicht ohne mein Messer! Drei Fragen an die Sterneköchin Cornelia Poletto vom Restaurant „Poletto“ in Hamburg – und drei interessante Antworten. Was darf niemals fehlen? „Fleur de Sel“, sagt die Köchin, die zwar aus Deutschland kommt, die Hansestadt aber mit ihrer mediterranen Küche erobert hat. Auch die Gourmet-Kritik, denn Poletto ist eine der acht Frauen des Landes, die mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurden. Gelernt hat Poletto bei Spitzenkoch Heinz Winkler in Aschau. „Damals“, sagt Poletto, „gab es diese feinkörnigen, natürlichen Salze noch nicht. Ich habe mich vor sieben Jahren für das Thema Salz zu interessieren begonnen, weil man mit dieser einfachen Zutat das Aroma erhöhen kann. Etwas Fleur de Sel zum Schluss über ein Steak, hmmmm!

Es gibt ja heute so einen Gewürzhype, da hebt sich das neutrale Salz wohltuend ab.“ Was mochte sie früher gar nicht? „Rosenkohl habe ich als Kind gehasst“, gesteht Poletto, „der lag so gelb am Teller. Grauslich!“ Heute liebt sie das Gemüse, das man auch als Kohlsprossen kennt, sehr. „Einfach nur kurz blanchieren, dann bleibt Rosenkohl schön grün und knackig.“ Ein persönliches No-No heute ist Dille. Das ist aber schon das einzige Kraut, das sie nicht gerne schmeckt. „Ich habe eine Riesenfreude vor allem mit Wildkräutern, Verveine, Zitronen- und Fenchelkraut. Sie sind das i-Tüpfelchen bei jedem Gericht.“ Das wichtigste Gerät in ihrer Küche? „Mein handgeschmiedetes japanisches Messer“, sagt Poletto. Und: „Damit könnte ich überleben, das würde ich auf ‚die ­Insel‘ mitnehmen. Ein Koch ohne gepflegte, scharfe Messer ist kein Koch.“ Cornelia Poletto ist im Mai 2010 Gastköchin im Restaurant Ikarus im Hangar-7, www.hangar-7.com

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Get the Gear

Rachel Athertons Mobilit채tspaket

Bilder: Hadrien Picard (1), Will Thom/Red Bull Photofiles (10)

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Die englische Downhill-Weltmeisterin von 2008 ist 200 Tage im Jahr unterwegs. Manches in ihrem Reisegep채ck durfte man erwarten. Anderes kommt doch eher 체berraschend.


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Rachel Atherton, 22: Die erdige Lady

1 Oakley MX O Frame www.oakley.com „Ein bisschen Rosa ist erlaubt: Die Bike-Industrie entdeckt gerade die Frauen, das spiegelt sich auch in der Optik wider. Mein Lieblingsdesign ist das mit dem violetten Rocker.“ 2 Skins www.skins.net „Meine Skins trage ich fast Tag und Nacht. Ich mag einfach das Gefühl auf der Haut, so einfach ist das.“ 3 Tennisball www.head.com „Den Tennisball nutze ich zur Massage und zum Rumspielen, ein ebenso ­effizientes wie billiges Gadget: Gibt’s umsonst hinter jedem Tennisplatz.“

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4 Commençal Meta 5.5 LTD www.commencal.com „Das Downhill-Bike ist Arbeit, das Rennrad Training. Dürfte ich nur noch ein einziges Mountainbike besitzen, wäre es das Meta 5.5, weil es so vielseitig ist. Ein absoluter Killer!“

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5 Nurofen Painkiller www.nurofen.com „Blessuren sind unvermeidlich. Da schadet es nicht, Schmerzmittel im Gepäck zu haben. Dieses hier verlangsamt deine Reaktionszeit nicht und ­reduziert außerdem Schwellungen.“ 6 PRO Atherton Grips www.athertonracing.co.uk „Man erwartet wahrscheinlich von mir, dass ich ein Produkt gut finde, das ich selbst mitentwickelt habe. Ich meine das aber ehrlich: Das sind die bequemsten Griffe, die es gibt.“

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7 Tagebuch „Ich notiere jeden Tag etwas oder kritzle drin rum. Dabei bevorzuge ich kein bestimmtes Modell, ich kaufe einfach, was mir gefällt. Das aktuelle hat färbige Seiten.“ 8 Theraband www.thera-band.at „Dieses elastische Kunststoffband habe ich bei der Reha nach meiner Schulter-OP entdeckt. Funktioniert auch prima für Krafttraining. Und das Beste: Es braucht kaum Platz.“ 9 Bücher „Wer wie wir dauernd unterwegs ist, kommt ohne guten Lesestoff nicht aus. Letztes Jahr haben mich ‚Just a Little Run Around the World‘ von Rosie SwalePope und ‚Still Alice‘ von Lisa Genova besonders beeindruckt.“ 10 The Body Shop Handcreme www.thebodyshop.com „Man kann ein professioneller Athlet sein und zugleich eine Lady. Ein bisschen Make-up und Handcreme von The Body Shop helfen dabei.“ Die Welt der Athertons: www.athertonracing.co.uk

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Schlau speisen

Essen fürs Hirn? Kein Problem, sagt die Ernährungswissenschaft und ernennt maßgeschneiderten Genuss zum neuen Trend. Und geht sogar noch weiter: Auch gute Laune und Schönheit lassen sich anfuttern.

Marianne Botta ist diplomierte Lebensmittelingenieurin und Ernährungs­ wissenschaftlerin. Die Schweizerin hat mit Spitzenkoch Roland Trettl Schmackhaftes für Beauty, Brain und Mood kreiert. Jetzt zum Ausprobieren in der Mayday Bar.

Wildreisrisotto mit geschmortem Paprikagemüse, Algen und Tofu

Ei und Lachs und Gurke

Sautierte Hühnernüsschen mit Blattspinat, Cashewkernen und rotem Curry

Beauty food Attraktiv und lange jugendlich bleiben: Das geht laut Marianne Botta locker und ohne Diät. Glykation – das Verkleben von Eiweißen mit Zucker – fördert den Alte­ rungsprozess. Daher sind scharf gebra­ tene (Pommes) und dunkel gebackene ­Lebensmittel verpönt, weil es durch große Hitze zu einer Reaktion zwischen Zucker, Kohlehydraten und Eiweißen kommt (was zu Glykation führt). Lieber gedämpft oder gedünstet – das verhindert die Faltenbil­ dung. Auch nicht gut: viel Kaffee, weil zu viel Röststoffe. Eiweiß hingegen braucht man zur Bildung von Keratin, das für feste Haare und die Bindegewebsfasern der Haut benötigt wird. Am meisten davon enthält Tofu. Wer unreine Haut hat, meide Geflügelhaut, Eidotter und Innereien, weil sie Arachidonsäure enthalten, die Entzündungsprozesse in den Hautzellen fördert. Besser zu Weizenkeimöl greifen, das mit seinem Vitamin E auch bei der Heilung von Narben hilft.

Brain Food Wer sich lange konzentrieren muss, darf – logisch – nichts Schweres essen, sonst sackt das Blut in den Magen, und schon kann man nicht mehr optimal denken. ­Vitamin C (in Kiwi, Paprika, Hagebutte) und E (in Weizenkeimen, Nüssen) aller­ dings fördern die Gehirndurchblutung. Ebenfalls wichtig für eine lange Leistungs­ fähigkeit: ein konstanter Blutzuckerspie­ gel. Den hat, wer Pumpernickel isst: Das vollkörnige Brot führt zu einem sanften Anstieg. Ganz schlecht: Traubenzucker – schnell rauf und gleich wieder runter. Wird man müde, helfen Bananen, Dörr­ obst und Nüsse auf die Schnelle. Und viel trinken. Wasser, verdünnte Frucht­säfte und maximal fünf Tassen Kaffee am Tag. Gut für Nerven und Gehirn: Fisch mit ­seinen Omega-3-Fettsäuren. Gegen Eisen­ mangel (führt von Konzentrationsstörun­ gen bis zu Depressionen) sollte man aber dreimal pro Woche rotes Fleisch essen. Vegetarier müssen zu Nüssen greifen.

Mood food Gute Laune bringen Kohlehydrate und wenig Eiweiß, damit die körpereigenen Stimmungsmacher nicht gedämpft wer­ den. Bottas Tipp: Warme Milch mit Honig oder Pasta mit Gemüsesauce – bei diesen Kombis bildet der Körper das Glücks­ hormon Serotonin. Dass Schokolade das kann, ist bewiesen, Botta empfiehlt aber auch Datteln, Feigen und Haferflocken. Die Omega-3-Fettsäuren von Fischen kön­ nen ebenso stimmungsaufhellend wirken wie scharfes Essen. Den Genuss von Chili, Curry, Wasabi oder Ingwer nimmt der Körper als Schmerz wahr und schüttet ­daher Morphine und körpereigene Endor­ phine aus. Positiv auf die Stimmung wirkt dazu noch grüner Tee, der entspannt und stressresistent macht. Richtig glücklich macht die Vanille, weil ein ganz ähnlich riechender Stoff bereits mit der Mutter­ milch aufgesogen wird.

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Smart Food zum Ausprobieren ab sofort in der Mayday Bar im Hangar-7 in Salzburg

Text: Uschi Korda; bilder: HELGE KIRCHBERGER/Red Bull Hangar-7 (3), Sonja Ruckstuhl

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Red Bull Cliff Diving World Series 2010 Zwölf der weltbesten Klippenspringer kämpfen an sechs spektakulären Schauplätzen um den Titel. Wer den Sprung in die Tiefe scheut, bereist die Locations eben als Tourist.

24. Juli 2010 Kragerø, Norwegen Ein schmucker Ort in der südnorwegischen Provinz Telemark als Hotspot für Cliff Diver? Ja, das ist möglich, denn die Küstenstadt Kragerø wird von einem mächtigen Felsen vor den starken Meereswinden geschützt. Ein idealer Platz, um Mut und Können unter Beweis zu stellen. Maler Edvard Munch verlieh dem Ort das Prädikat „Die Perle unter den Küstenstädten“ und verewigte ihn auf mehreren Bildern. Nicht weit entfernt be­ findet sich mit der Stabkirche Heddal ein Wahrzeichen Norwegens. Teile dieser gotischen Kathedrale aus Holz wurden bereits 1240 erbaut. Atemberaubend auch die ­Natur mit Schären, Bergen und endlosen ­Wäldern. www.visitnorway.com

12. September 2010 Hilo, Hawaii, USA Die letzte Station der Red Bull Cliff Diving World Series und der Ort, wo der Champion 2010 gekürt wird. Und eine Art emotionale Heimkehr: Hier wurde der Sport erfunden, bereits im 18. Jahrhundert. Auch das Surfen kommt von hier: Tropisches Klima, vulkanische Felsen und der Pazifik scheinen inspirierend für Wassersporarten mit hohem Gänsehautfaktor. Als Urvater aller Cliff Diver gilt König Kahekili, der seine Krieger rituellerweise über die Klippen von Maui springen ließ. Diesmal bezwingen die Sportler die ­Kawainui-Wasserfälle in perfekter Körper­ haltung, idyllisch inmitten üppiger Vegeta­ tion auf Hawaii, der größten Insel, gelegen. Mehr Infos: www.fallsatkawainui.com

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de.redbulletin.com/print2.0  Tauchen Sie ein in die Welt der Klippenspringer.

6. Juni 2010 Yucatán, Mexiko Noch eine Premiere: Erstmals machen die Klippenspringer Station auf Yucatán. Ihr Ziel ist das weltweit einzigartige wassergefüllte Höhlensystem der Cenotes mitten im Dschungel. Diese als heiliger Platz verehrte Stätte nannten die Mayas „Dzonot“, was von den spanischen Eroberern als „Cenote“ missverstanden wurde. Nur drei Kilometer von den Maya-Ruinen Chichén Itzá entfernt liegt Cenote Ik Kil, auch „Sacred Blue Cenote“ genannt. Ein wahrlich magischer Ort mit üppiger Vegetation und Wasserfällen, die in das kreisrunde Naturbecken münden. Hier dürfen nicht nur die Klippenspringer eintauchen, der Cenote ist auch für normale Besucher geöffnet. www.yucatantoday.com/en/ topics/cenotes-­underwater-sinkholes

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15. Mai 2010 La Rochelle, Frankreich 30.000 Zuschauer drängten sich im Vorjahr im Alten Hafen der französischen Küstenstadt. Auch heuer werden die Cliff Diver von einer Plattform auf dem Tour Saint-Nicolas 27 Meter in den Atlantik springen. Der Turm ist gemeinsam mit dem zweiten Turm, Tour de la Chaîne, das Wahrzeichen einer Stadt, die mit ihren zahlreichen Arkadengängen als architektonisches Meisterwerk gilt. Seit über tausend Jahren wird rund um La Rochelle Salz abgebaut. Allein die grafische Form der Salzgärten, umgeben von den langen Meeresstränden, gibt ein pittoreskes Bild. Für echtes Fleur de Sel würde mancher Spitzenkoch von jeder Klippe springen. Mehr Infos: www.larochelle-tourisme.com

BilDer: Macduff Everton, F1 ONLINE, imago/imagebroker, imago stock&people (2), mauritius images (5), Red Bull Photofiles

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28. August 2010 Sisikon, Schweiz Ein kleiner, verträumter Ort – 382 Einwohner – wird im August zur Hauptstadt der CliffDiving-Szene. Zu Recht, und das gleich aus mehreren Gründen. Sisikon liegt an einem der schönsten Gewässer der Schweiz, dem Vierwaldstättersee, umgeben von den mächtigen Berggipfeln des Uri-Rotstock und der Kaiserstockkette. Feinstes Bergpanorama also für alle, die lieber bergsteigen, klettern oder mountainbiken, anstatt in den kalten See (14 Grad!) zu köpfeln. Ein erfrischendes Erlebnis vor legendenbehafteter Kulisse: Nur drei Kilometer entfernt liegt direkt am See die Tellskapelle, bei der der Freiheitsheld vom Boot des Landvogts Gessler gesprungen sein soll. Mehr Infos: www.sisikon.ch

8. August 2010 Polignano a Mare, Italien Bunt, fröhlich, lautstark ist das Leben an der apulischen Adria. Und genauso wurden auch die Klippenspringer letztes Jahr hier volksfestartig gefeiert. Den Sprung vom 26 Meter hohen Felsplateau in die nur fünf Meter tiefe Bucht vor dem italienischen Dorf absolvierte der spätere Gesamtsieger Orlando Duque in der Manier eines Champions. Vielleicht hat er sich danach einen Teller Pasta genehmigt: Orecchiette, Cavatelli, Fusilli – die apulische Küche gilt als Inbegriff der Cucina ­mediterranea. Zu der auf jeden Fall Olivenöl gehört: Knorrige, uralte Olivenbäume be­ decken das Land wie ein Teppich. Infos: www.apulia.org/index.html

Videos, Photos und Ergebnisse auf: www.redbull.com

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Volles Programm

Red Bull TV: Jede Menge Action auf Ihrem Bildschirm. So sind Sie im Bild

1. Via Kabel (die Liste aller Kabelnetze in Österreich, Deutschland und der Schweiz finden Sie unter www.servustv.com). 2. Via digitale Antenne (DVB-T): Um ServusTV in Ihre Programmliste aufzu­ nehmen, müssen Sie lediglich den Sendersuchlauf starten. 3. Direkt und unverschlüsselt via Satellit (DVB-S). Zum Empfang benötigen Sie nur eine digitale Satellitenanlage mit ent­ sprechendem Empfänger. Zusätzlich zur Verbreitung in der gängigen Standard­ auflösung können Sie ServusTV auch im hochauflösenden HD-Standard empfangen. Dazu benötigen Sie einen HD-tauglichen ­Satellitenempfänger sowie ein HD-fähiges Fernsehgerät. Um ServusTV/ServusTV HD auf Ihrem Satellitenempfänger zu installieren, haben Sie drei Möglichkeiten: 1. Automatisches Update. Viele Satellitenempfänger erkennen neue Sender selbst­ tätig und aktualisieren Ihre Programmliste entsprechend. 2. Sendersuchlauf. Verfügt Ihr digitaler Satellitenempfänger über die Möglichkeit eines Sendersuchlaufs, werden automatisch alle neuen Sender in die Programmliste aufgenommen. 3. Manuelle Suche. Die dafür notwendigen Empfangsdaten lauten: für ServusTV Sat Satellit Astra 19,2 Grad Ost; Frequenz 12.663 GHz, Polarisierung horizontal, Symbolrate 22.000, FEC 5/6 bzw. für ServusTV HD Satellit Astra 19,2 Grad Ost, Frequenz 11.303 GHz, Polarisierung horizontal, Symbolrate 22000, FEC 2/3, Modulation 8PSK, Übertragungsart DVB-S2. Alle Infos dazu unter: www.servustv.com/empfangen.html

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Profile: Maya Gabeira Sonntag, 9. Mai, 22.00 Uhr: Ob Monsterwellen oder Weiße Haie – die Superfrau des Big-Wave-Surfens kennt keine Angst. Der Weg einer klugen Draufgängerin.

Joe Kid on a Stingray Sonntag, 16. Mai, 22.30 Uhr: Jedes Kind hat ein Fahrrad, und jedes Kind hat einen Traum. Vor über dreißig Jahren wurde BMX erfunden – eine besondere Erfolgsstory.

Samstag 8. Mai

Sonntag 9. Mai

Samstag 15. Mai

22.15 The Atherton Project Doku-Soap mit den erfolgreichsten Geschwistern der Mountainbike-Szene. Teil 1: Aller guten Dinge sind drei.

22.00 Profile: Maya Gabeira Mit der brasilianischen BigWave-Surferin in Hawaii

22.10 The Atherton Project Doku-Soap mit den MTBGeschwistern, Teil 2

22.30 The Film Festival 22.45 Highlights in Your Living Room Red Bull: New Year. No Limits. Spirit of the Marathon: VeRobbie Maddison und sein teranen, Neulinge und WeltWeltrekord in Las Vegas klasseläufer auf ihrem Weg zum Chicago-Marathon 23.15 Highlights UCI Mountainbike World 00.20 Talking Music: Cup in Schladming The Session Live-Session New Zealand, 23.45 Volvo Ocean Race Rap Authoritar 23.55 Cliptomaniacs 00.50 Talking Music: 00.25 Adventure Circus The Lecture A-Trak Rampage Evolution: Die Geburt einer neuen Sport01.45 Talking Music: art – Freeride MountainThe Session (WH) biking 01.20 Nightflight Full Moon Party im Alumbra Club, Melbourne

02.10 Talking Music: The Lecture Blu & Exile

05.00 Highlights Red Bull: New Year. No Limits (WH)

03.30 Talking Music: The Lecture A-Trak (WH)

05.30 Highlights UCI Mountainbike World Cup in Schladming (WH)

04.25 Profile: Maya Gabeira (WH)

03.05 Talking Music: 04.30 Cliptomaniacs (WH) The Session (WH)

06.00 Volvo Ocean Race (WH) 06.10 The Atherton Project (WH) 06.35 Adventure Circus Rampage Evolution (WH)

04.50 The Film Festival in Your Living Room Spirit of the Marathon (WH)

22.40 Volvo Ocean Race 22.50 Surf Chronicles, Bells Beach Australia 23.05 Road to Racing Ein Blick hinter die Kulissen des Red Bull Racing-Teams während der laufenden Saison. Mit Sebastian Vettel

Sonntag 16. Mai

22.00 Teamwork – Robbie Maddison Waghalsige Stunts brauchen penible Vorbereitung. Der Motocrosser im Porträt 22.30 The Film Festival in Your Living Room Joe Kid on a Stingray

23.35 Highlights Cold Water 00.10 Talking Music: Classic, Surfen in Tasmanien The Session Live-Session New Zealand, 23.50 Volvo Ocean Race The Septembers 00.00 Cliptomaniacs 00.40 Talking Music: 00.30 Adventure Circus The Lecture Joel Martin Brian Deegan: Disposable 01.35 Talking Music: Hero, FMX The Session (WH) 01.25 Nightflight Special 02.00 Talking Music: Rom – Spazio 900i The Lecture Subpop 04.35 Cliptomaniacs (WH) 02.55 Talking Music: 05.00 Adventure Circus The Session (WH) Brian Deegan (WH) 03.20 Talking Music: 05.55 Surf Chronicles, The Lecture Gold Coast Australia Joel Martin (WH) 06.10 Road to Racing (WH) 04.15 Talking Music: The Session (WH) 06.35 Highlights (WH) 06.50 Adventure Circus Brian Deegan (WH)

04.40 Teamwork – Robbie Maddison (WH)

07.45 Red Bull X-Fighters Kairo (WH von Fr., 14. 5.)

05.10 The Film Festival in Your Living Room Joe Kid on a Stingray (WH)

Bilder: Victah Sailer/Photo Run, Carlos Serrao/Red Bull Photofiles, Mark Watson/Red Bull Photofiles

Das Red Bull TV-Fenster auf ServusTV ist auf drei Arten zu empfangen:


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Metallica – Some Kind Of Monster Sonntag, 23. Mai, 22.00 Uhr Die Hard-Rocker bei den Aufnahmen zu ihrem Album „St. Anger“. Bandleader James „Papa Het“ Hetfield, Drummer Lars „The Viking“ Ulrich und Gitarrist Kirk „The Ripper“ Hammett geraten hinter der Bühne immer wieder so heftig aneinander, dass die Band des Öfteren knapp vor der Auflösung steht. Bei­ nahe gnadenlos hält die Kamera diese Szenen fest und zeigt unbarmherzig die seelischen Abgründe dieser komplexen Charaktere. Eine epochale Doku, die auch Nicht-Fans der erfolgreichsten Metal-Band faszinieren wird.

Black Gold – A Documentary Samstag, 22. Mai, 23.30 Uhr: Auf Tour und hinter der Bühne in New York, Singapur und in der kalifornischen Wüste mit den Indie-Rockern von Black Gold.

Bilder: Annamaria DiSanto (2), O’Neill, Caro/Caro/picturedesk.com, Red Bull Music Academy (2), Lost Art/Red Bull Photofiles

Samstag 22. Mai

Sonntag 23. Mai

On the loose Samstag, 29. Mai, 22.15 Uhr: Video-Diary mit zwei schillernden Kitesurfern: Weltmeister Aaron Hadlow und Ruben Lenten an den besten Spots rund um den Globus. Samstag 29. Mai

23.00 The Atherton Project 22.00 The Film Festival Doku-Soap mit den MTBin Your Living Room Geschwistern, Teil 3 Metallica – Some Kind of Monster 23.30 Highlights Black Gold – A Documentary 00.30 Talking Music: The Session 00.00 Cliptomaniacs Live-Session New Zealand, Knives at Noon 00.30 Volvo Ocean Race

22.15 On the Loose Doku-Soap mit den Kite­ surfern Aaron Hadlow und Ruben Lenten. Weltmeister Hadlow versucht nochmals den Titel zu gewinnen, ­Lenten sucht die ultimative Challenge. Teil 1: Von der Leine gelassen

00.40 Adventure Circus The Life: Das Leben – ein Abenteuer! Wie Top-Surfer leben, was sie lieben, und wie sie leiden

22.45 Surf Chronicles, Santa Catarina, Brazil

01.00 Talking Music: The Lecture Joe Boyd 01.55 Talking Music: The Session (WH) 02.20 Talking Music: The Lecture Russell Elevado 01.35 Nightflight Birmingham

03.15 Talking Music: The Lecture 04.30 Cliptomaniacs (WH) Joe Boyd (WH) 04.05 The Film Festival 04.55 Highlights Black Gold – A Documentary (WH) in Your Living Room Metallica – Some Kind 05.20 Adventure Circus of Monster (WH) The Life (WH) 06.15 The Atherton Project (WH) 06.40 Volvo Ocean Race 06.50 Adventure Circus The Life (WH)

Sonntag 30. Mai 22.00 The Film Festival in Your Living Room Free Solo: Klettern ohne Seil, ohne Gurt, ohne Sicherung. Höhen und Tiefen in der Welt des Kletterers Alexander Huber 23.00 The Film Festival in Your Living Room High Tech Soul –The Creation of Techno Music (Doku)

23.00 Highlights 00.15 Talking Music: Patagonian Expedition Race The Session Live-Session New Zealand, 23.45 Volvo Ocean Race Family Cactus 23.55 Cliptomaniacs 00.45 Talking Music: 00.25 Adventure Circus The Lecture Jazzie B The Tipping Point: Filme01.40 Talking Music: macher Clay Porter („BetThe Session (WH) ween the Tape“, „F1RST“) und sein dokumentarischer 02.05 Talking Music: Blick in die Welt der DownThe Lecture Cluster hill-Mountainbike-Racer 03.00 Talking Music: 01.50 Nightflight Special Time Warp Mannheim, Teil 1 The Session (WH) 04.55 Cliptomaniacs (WH)

03.25 Talking Music: The Lecture Jazzie B (WH)

05.20 Surf Chronicles, Bells Beach Australia

04.15 Volvo Ocean Race

05.35 Highlights Patago­ nian Expedition Race (WH)

04.25 The Film Festival in Your Living Room Free Solo (WH)

06.15 Volvo Ocean Race (WH) 06.20 Adventure Circus The Tipping Point (WH)

05.25 The Film Festival in Your Living Room High Tech Soul – The Crea­ tion of Techno Music (WH)

In the hands of the gods Sonntag, 6. Juni, 22.00 Uhr: Auf den Spuren von Diego Maradona. Fünf junge Street­ styler suchen in Buenos Aires nach ihrem Idol. Diese Reise verändert ihr Leben. Samstag 5. Juni 22.25 On the Loose Doku-Soap mit den Kite­ surfern Aaron Hadlow und Ruben Lenten, Teil 2 22.55 Classic Highlights Tougher Than Iron – The Enduro at Erzberg 23.50 Volvo Ocean Race 00.00 Cliptomaniacs 00.30 Adventure Circus Herakleia: Kletterer sind immer auf der Suche nach der perfekten Location. In einem kleinen türkischen Dorf wurden sie fündig.

Sonntag 6. Juni 22.00 The Film Festival in Your Living Room In the Hands of the Gods 23.55 Talking Music: The Session Live-Session New Zealand, Homebrew 00.25 Talking Music: The Lecture Fennesz 01.20 Talking Music: The Session (WH) 01.45 Talking Music: The Lecture M.I.A.

01.40 Nightflight Mad Club, Lausanne

02.40 Talking Music: The Session (WH) 03.05 Talking Music: 04.50 Cliptomaniacs (WH) The Lecture Fennesz (WH) 05.15 Classic Highlights 04.00 Talking Music: Tougher Than Iron (WH) The Lecture M.I.A. (WH) 06.10 On the Loose (WH) 04.50 The Film Festival 06.35 Adventure Circus in Your Living Room Herakleia (WH) In the Hands of the Gods (WH)

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hot SPOTS

PGA Tour – The Players Championship 6. – 9. 5. 2010 Beim höchstdotierten Turnier der PGA Tour siegte im Vorjahr Henrik Stenson. Camilo Villegas landete auf dem hervorragenden 14. Platz. TPC at Sawgrass, Ponte Vedra Beach, USA

Die besten Events des Monats rund um die Welt.

Surf Opening Podersdorf 30. 4. – 9. 5. 2010 Es hat ja bereits Tradition: Der Surfweltcup macht Station am Neusiedlersee. Neben einem Windsurf-Freestyle-Bewerb und dem Kitesurf Tour Europe Freestyle Race wird im Rahmen der Bacardi Partyweek und des Seaside-Festivals für jede Menge Unterhaltung gesorgt. Podersdorf, Österreich

Red Bull Art of Motion 7. 5. 2010 Die besten Free Runner der Welt demonstrieren ihre einzigartige Körperbeherrschung, Sprungkraft und Beweglichkeit an alltäglichen, urbanen Objekten. Wien, Österreich

WRC NeuseelandRallye 7. – 9. 5. 2010 Bei der ältesten Rallye der Südhalbkugel wird über Schotterwege mit großen Kurvenradien gerast. Den letzten Sieg im Jahr 2008 holte sich Sébastien Loeb. Auckland, Neuseeland

Bilder: imago sportfotodienst, Red Bull Photofiles (3)

Kajak Freestyle 8. 5. 2010 Die Kajakfahrer werden beim „Freestyle Radetzky“, das zur österreichischen und slowaki­ schen Staatsmeisterschaft so­ wie erstmals zum Alpine Rivers Freestyle Cup zählt, außer­ gewöhnliche Moves zeigen. Radetzkybrücke, Graz, Österreich

Challenger World Series 8. – 10. 5. 2010 Das Adventure-Rennen ist Teil der Challenger World Series und wird bereits zum dritten Mal in Südafrika ausgetragen. Kapstadt, Südafrika

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Formel-1-Grand-Prix von Spanien 9. 5. 2010 Im Vorjahr mussten sich Mark Webber und Sebastian Vettel nur den beiden Brawn-Mercedes-Piloten Jenson Button und Rubens Barrichello geschlagen geben. Die beiden Toro Rosso-Piloten Buemi und Bourdais wurden gleich in der ersten Kurve in eine Kollision verwickelt und schieden aus. Circuit de Catalunya, Barcelona, Spanien

FIM Women’s Motocross World Championship 9. 5. 2010 Der zweite Stopp der Weltmeisterschaft führt die besten Motocrosserinnen auf die Iberische Halbinsel. Águeda, Portugal

IFSC Climbing Worldcup 14./15. 5. 2010 Die Japanerin Akiyo Noguchi und der Österreicher Kilian Fischhuber gehen als WeltcupTitelverteidiger in den ersten Boulder-Bewerb der Saison. Greifensee, Schweiz

Red Bull Cliff Diving Series 15. 5. 2010 Saisonauftakt 2010 für die besten Klippenspringer der Welt. La Rochelle, Frankreich

Red Bull Flamenco Flatland 15./16. 5. 2010 BMX-Biker wie Matthias Dandois Delaigue oder Jorge Gomez zeigen ihr technisches Können bei Flamenco-Rhythmen, -Tanz und -Musik. Granada, Spanien

Red Bull Air Race 8./9. 5. 2010 Vor drei Jahren pilgerten eine Million Zuschauer zum Flugkampf unterm Zuckerhut. Sieger wurde der derzeit amtierende Weltmeister Paul Bonhomme. Rio de Janeiro, Brasilien


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FIVB Beachvolleyball World Tour 17. – 23. 5. 2010 Heuer erstmals mit Grand-SlamStatus. Gelingt dem Duo Brink/ Reckermann die erfolgreiche Titelverteidigung? Rom, Italien

Formel-1-Grand-Prix von Monaco 16. 5. 2010 Der F1-Klassiker schlechthin: Monte Carlos enge Straßen mit den berühmten Kurven Rascasse, Sainte-Dévote oder Mirabeau verlangen den Piloten alles ab. Circuit de Monaco, Monte Carlo, Monaco

FIM Superbike World Championship 16. 5. 2010 Im Vorjahr kehrte die World Superbike Series auf die ehemalige Formel-1-Strecke zurück. Dabei war Noriyuki Haga (JAP) in beiden Rennen nicht zu schlagen. Kyalami, Südafrika

Red Bull Urban Hill 21. 5. 2010 Das erste Mountainbike-Downhill-Rennen in Bulgarien führt durch schwieriges Gelände und malerische Altstädte. Veliko Turnovo, Bulgarien

Mountainbike World Cup 22./23. 5. 2010 Die Mountainbike-Cross-CountryElite erwartet ein selektiver und spektakulärer Kurs. Lisi Osl und Co müssen rasante Abfahrten über Wurzelwerk, durch einen alten Sandsteinbruch und einen „freien Fall“ über drei Meter absolvieren. Offenburg, Deutschland

Red Bull Rebatida 22. – 30. 5. 2010 Bei diesem beliebten Fußballspiel in Turnierformat treten jeweils zwei Zweierteams gegen­ einander an, die ausgehend von Penalty-Schüssen oder Frei­ stößen so viele Tore wie möglich zu erzielen versuchen. São Paulo, Brasilien

Red Bull X-Fighters 14. 5. 2010

DTM Valencia 23. 5. 2010

FMX-Stars wie Nate Adams, Robbie Maddison, Dany Torres oder Eigo Sato werden vor den Pyramiden von Gizeh und der Sphinx durch die Luft wirbeln. Gizeh, Ägypten

Das spanische Rennen der Tourenwagen-Meisterschaft zieht heuer von Barcelona nach Valencia auf den Circuit Ricardo Tormo um. Valencia, Spanien

Red Bull Flugtag 23. 5. 2010 40 wagemutige Teams werden sich über die Absprungrampe ins Meer stürzen oder eine sanfte Wasserlandung hinlegen. Caddebostan Park, Istanbul, Türkei

MotoGP Frankreich 23. 5. 2010 Die vierte Station der Weltmeis­ terschaft führt die MotoGP (800 cm³), die neu eingeführte Moto2-Klasse (600 cm³) und die 125-cm³-Klasse auf die berühmteste Rennstrecke Frankreichs. Le Mans, Frankreich

WRC Portugal-Rallye 28. – 30. 5. 2010 Die traditionsreiche Rallye auf den Schotterstraßen Portugals gilt als eine der schwierigsten im Rennkalender. Titelverteidiger ist Sébastien Loeb. Vilamoura, Portugal

Red Bull Maldives Chris Pfeiffer Stunt Show 28./29. 5. 2010 Von Chris Pfeiffers Besuch auf den Malediven haben alle was: die Zuschauer eine atemberaubende Show und der Biker eine wunderschöne Location. Male, Malediven

FIM Motocross World Championship 29./30. 5. 2010 Beim sechsten Stopp der Motocross-Weltmeisterschaft kehrt man auf eine der berühmtesten und historischsten MotocrossStrecken der USA zurück. Glen Helen Raceway, San Bernardino, USA

Formel-1-Grand-Prix der Türkei 30. 5. 2010 Die 5338 Meter lange Strecke ist eine der wenigen, die gegen den Uhrzeigersinn befahren werden. Und sie ist offenbar eine der Lieblingsstrecken von Felipe Massa, der von 2006 bis 2008 dreimal in Folge gewinnen konnte. Istanbul Otodrom Circuit, Türkei

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die macht der nacht Mehr als einmal um die Welt für alle, die nie müde werden.

Melt! Festival Klub Weekender 6. – 8. 5. 2010 Bevor die Melt!-Crew im August nach Ferropolis zieht, mischen sie die Berliner Clubszene auf. Nicht einfach in einer Stadt, in der die Party als Grundrecht des Menschen gilt. Angesichts großer Indie-Club-Acts wie LCD Soundsystem, Yacht oder Tiga sollte die Konkurrenz aber besser klein beigeben. Münze, Berlin, Deutschland

Bilder: Thomas Butler, Andy Hall, Adam Tarasiuk, Red Bull Music Academy

Red Bull Art of Motion & Red Bull Brandwagen Reincarnation 7. 5. 2010 Typen rennen Wände hoch, springen über Balkone. Warum? Na, weil sie’s können! Freerunning ist die aufregendste Outdoor-Betätigung, die der Betondschungel zu bieten hat. Die besten Runner der Welt treffen sich, um Bänke, Autos und andere Hindernisse möglichst dynamisch zu überwinden. Bei der Gelegenheit wird außerdem der in die Jahre gekommene Red Bull Brandwagen verabschiedet und präseniert sein neues Ich mit zwei mobilen Stages, auf denen Bands wie The Beth Edges, Da Staummtisch u. a. konzertieren. Arena, Wien, Österreich

J-Wow (Buraka Som Sistema) 7. 5. 2010 „Sound of Kuduro“ katapultierte Buraka Som Sistema 2008 durch die Clubdecken: angolanische House-Beats, schnell, ungestüm, zwingend tanzbar, gepimpt mit Raps von Gaststars wie M.I.A. Nach einer Welttour ziehen die Mitglieder jetzt solo durch die Lande, auch DJ J-Wow. Social Club, Paris, Frankreich

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Benji B 7. 5. 2010 Hip-Hop, Broken-Beats, Deep­ house. Nur drei Genres, in denen Benji B als Experte gilt, als federführender Förderer junger Talente. Mit seiner Radiosendung „Deviation“ (BBC 1Xtra) und der gleichnamigen Clubnacht hat er Acts wie Fatima groß gemacht und Flying Lotus erstmals nach Europa geholt. Pontis, Southport, England

Joy Orbison 7. 5. 2010 Joy Orbisons „Hyph Mngo“ war 2009 der Track des Jahres, fand der „Resident Advisor“, das Zentralorgan für elektronische Musik. Souliger House trifft 2Step, quirlige Vokalschnipsel legen sich auf elegische SynthSounds. Musik, die die Zukunft in die Gegenwart holt. Sub Club, Glasgow, Schottland

FM4 & RED BUll Music Academy present: La Boum De Luxe Tour 8. 5. 2010 Freitagabend stellt Österreichs Partyvolk das Radio an. FM4 La Boum De Luxe bietet Elektronikfans einen energetischen Einstieg ins Wochenende. Mit Terminen, neuen Platten und Hosts wie DJ Failex. Dieser führt mit der Chicagoer House-Legende Farley Jackmaster Funk beim Auswärtsspiel hinter den Plattenspielern durch die Nacht. Republic, Salzburg, Österreich

Movement Electronic Music Festival 29. – 31. 5. 2010 Seit zehn Jahren pilgern Elektronik-Fans ins Techno-Mekka. Auf der Red Bull Music AcademyStage: Hudson Mohawke u.a. Hart Plaza, Detroit, USA

Juan Son Der Charts-Stürmer aus Mexiko beehrte die Red Bull Music Academy in der britischen Hauptstadt. Und wir waren back­stage mit dabei. London, Großbritannien


more body & mind Robert Serek Der Chef des polnischen „VICE“Magazins machte mit uns einen 24-Stunden-Trip durch seine Stadt: vom deftigen Frühstück bis zum letzten Tanz im Morgengrauen (S. 92). Warschau, Polen

King Midas Sound 12. 5. 2010

Space Dimension Controller 8. 5. 2010 „Dimensionen kontrollieren, im Weltall rumhängen und AstroBabes abschleppen“, bezeichnet Jack Hamill alias Space Dimension Controller als seine Leidenschaften. Wenn der Jungspund sich an seine Drummaschine setzt, entstehen kosmische Hymnen zwischen Space-Disco, Deephouse und Wonkey, mit denen er zum Superstern der Milchstraße avanciert. Twisted Pepper, Dublin, Irland

Camo 8. 5. 2010 Camo alias Reini Rietsch führt ein Leben zwischen Skateboard und Synthesizer, greift aber nun vermehrt in die Tasten. Mit Erfolg: Binnen kurzem hat er sich an die Speerspitze der Drum‑ ’n’-Bass-Bewegung manövriert, Touren durch Australien und Europa inklusive. Łódz´, Polen

Charlie Dark 8. 5. 2010 Vom Club in den Poesiezirkel und zurück: Früher war Charlie Dark Rapper und Mitglied des britischen Trios Attica Blues. Danach widmete er sich der Poesie, trat auf Spoken-Word-Bühnen auf, unterrichtete Kids in London im Reimen und Schreiben. Mit experimentellen Hip-Hop-Beats und Wortgewalt ist er nun wieder voll zurück im Club. PIYN, Auckland, Neuseeland

All Tomorrow’s Parties Festival curated by Matt Groening 7. – 9. 5. 2010

fiction Der Clubname ist Programm. Architektonisch. Auch musikalisch braust der Beat Richtung Zukunft durch die Nacht. Kapstadt, Südafrika

Einem Comic-Zeichner die Kuration eines Musikfestivals zu überlassen scheint etwas gewagt, außer es ist der kultisch verehrte Erfinder der „Simpsons“. Mit Bands wie Panda Bear, The Stooges, The XX oder Joanna Newsom beweist der 56-jährige ehemalige Musikjournalist ausgezeichneten Geschmack. Butlins Holiday Centre, Minehead, England

Bass ist sein Lebenselixier. Ob als Schreddermaschine The Bug oder mit seinem neuen Spoken-Word-Dub-Projekt King Midas Sound, es sind die tiefen Frequenzen, die der Londoner Musiker Kevin Martin mit Vor­ liebe aus der Anlage kitzelt. Palace, St. Gallen, Schweiz

Nuits Sonores 12. – 15. 5. 2010 Lyons Parks, Museen, Industriehallen, ja sogar Schwimmbäder verwandeln sich übers Pfingstwochenende in ein riesiges Festivalgelände. Mit vielen Venues und noch mehr akustischer Frischkost aus der Tupperware von Hot Chip, Optimo, Hudson Mohawke, Gang of Four oder Mayer Hawthorne. Marché Gare, Lyon, Frankreich

Spring Festival 12. – 15. 5. 2010 Um dieses Festival, das die Stadt alljährlich zum Schmelztiegel der elektronischen Musikszene macht, ist Graz zu beneiden. Dieses Jahr sogar mit eigener Red Bull Music Academy Stage, bespielt von Theo Parrish, Moritz von Oswald, Joker, Kode9 und Benji B am Eröffnungabend im PPC. Verschiedene Locations, Graz, Österreich

Le Butcherettes 14. 5. 2010 Kunstblut fließt in Strömen, irgendwo auf der Bühne thront ein Schweinekopf, Teri Gender Bender malträtiert ihre Gitarre. So ungefähr fallen die Gigs des weiblichen Blues-Rock-Duos Le Butcherettes aus Mexiko aus. Pixel Cafe, Querétaro, Mexiko

Nacht der Museen 15. 5. 2010 Die erste „Nacht der Museen“ in Belgrad fand im April 2005 statt. Fünf Museen lockten damals 20.000 Besucher an. Vier Jahre später hat sich diese Zahl verachtfacht. Warum? Wegen der Ausstellungen mit Event-Charakter. Letztes Jahr beispielsweise gab die Kuratorin einer Ausstellung ihrem Lebensgefährten im Museum das Jawort. Titel ihrer Ausstellung: „Was habe ich mir dabei gedacht?“ Belgrad, Serbien

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Curt morgan Gipfel der Welt

Interview

SchneeFlug

Red Bulletin: Worum geht’s in Ihrem neu-

en Projekt „Flight“? Curt Morgan: Wieder um Snowboarden (lacht). Es ist ähnlich wie „That’s It, That’s All“, aber mehr dokumentarisch. Wir machen das jetzt schon so lange, und wenn wir uns im Schnee aufhalten, entwickelt sich etwas daraus. Wir versuchen neues, noch unentdecktes Terrain zu befahren, haben uns auf die Suche nach Bergen gemacht, die noch nicht kaputtgefahren wurden. Wird sich „Flight“ merklich von seinem Vorgänger unterscheiden? Die optische Umsetzung von „That’s It, That’s All“ hat uns so gut gefallen, dass wir das jetzt beibehalten. Wir haben die unterschiedlichsten Kamerasysteme gebaut, mit ziemlich viel Kabelzeugs und High-Speed-Kameraführung. Manche Menschen werden „That’s It, That’s All“ mehr mögen, andere werden mehr von „Flight“ begeistert sein. Ich denke, dass er die Mehrheit eher ansprechen wird. Irgendwelche Ideen, wie der Film aussehen wird? Ich hatte keine Idee, was aus „That’s It, That’s All“ wird, bevor es fertig war. Man kann Snowboarden nicht in ein Drehbuch pressen. Es ist fein, einen Plan zu haben, aber man kann nie dran festhalten. Ursprünglich wollten wir 88

das meiste in Jackson, Wyoming, drehen. Travis (Rice) wollte so verrückt snowboarden wie noch niemand zuvor. Ich wollte einfach eine gute Story erzählen. Und dann war kein Schnee in Jackson. Also gingen wir nach Kanada und drehten dort mehr als zwanzig Lawinenabgänge. Ich würde ja gerne sagen, dass ich einen außergewöhnlichen Plan mit einem außergewöhnlichen, in Stein gemeißelten Skript hatte, an dem wir festhielten. Aber das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass wir die besten Kameras der Welt hatten, eine bewundernswerte Crew, erstaunliche Snowboarder und die Welt als Spielplatz. Als junger Regisseur benutzen Sie ein erstaunliches Equipment. Inwieweit beeinflussen Methoden wie Cineflex Ihre cineastische Vision? Es hat den Weg, wie ich an alle meine Projekte herangehe, geprägt. Da haben wir mein AK-47, meine Pistole und mein Bajonett (lacht). Wie wenn man genügend Pfeile im Köcher hat, um auf jedes nur erdenkliche Ziel zu schießen. Gleichzeitig wird es mit so einer riesigen Ausrüstung auch schwieriger. Weil wir viel Zeit damit verbringen, sie zu installieren und instand zu halten, brauchen wir viel Zeit, um das alles zu verstehen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn aus „Flight“ kein Snowboard-Film ge-

worden wäre, sondern einer über den Versuch, einen Snowboard-Film zu machen. Es wird immer schwieriger, je mehr Elemente man dazu nimmt. Unsere Objektive wiegen heute dreißig Pfund, früher hatten sie nur vier. Dazu kommt ein beträchtliches finanzielles Risiko. Nicht gerade die Überflexibilität, die Snowboard- und Surf-Filme auf der Leinwand transportieren … Wir sind früher der Eingebung des Augenblicks gefolgt. Jetzt müssen wir mehr planen, und ich hasse das. Wir müssen ein Lager an einem Ort aufbauen, mit 36 EquipmentBehältern und einem überdimensionalen Wohnwagen mit irrsinnig vielen Leuten. Wie eine Kindertagesstätte oder ein Kindercamp. Das ist fast so, als würden wir eine Filmschule auf Rädern abhalten. Warum machen Sie das? Ich glaube einfach daran, dass man beim Drehen einen hohen Qualitätsanspruch haben muss. Ich habe Filme für kein Geld mit den einfachsten Kameras gedreht. Ich bin aber an einem Punkt, an dem mir das Drehen nur Spaß macht, wenn ich all diese visuellen Elemente einsetzen kann. Unsere Crew ist jetzt auf 15 Mitarbeiter angewachsen, das ist immer noch zu wenig. Aber ich bin nicht James Cameron, also müssen wir so auskommen.

Bilder: Mark Gallup (3), Andy Sorge/Brain Farm

Vor einem Jahr setzte Curt Morgan mit seinem mitreißenden Snowboard-Film „That’s It, That’s All“ neue Maßstäbe im Genre Actionfilm. Sein neues Projekt „Flight“ könnte die Latte noch einmal höher legen.


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Snowboard-Action, so verrückt, wie man sie noch nie gesehen hat: „Flight“ soll Morgans Kultfilm „That’s It, That’s All“ noch toppen.

Adidas Block Party 15. 5. 2010 Ein Soundsystem, BBQ, Sonne und die ganze Nachbarschaft auf der Straße. So sahen in den siebziger Jahren die ersten New Yorker Block Partys aus. Beim Wiener Pendant verwandeln sich Shops in temporäre Galerien, für den Outdoor-Sound sorgt der Red Bull Brandwagen. Lerchenfelder Straße, Wien, Österreich

Cultura Urbana 15. 5. 2010 Dass Hip-Hop mehr ist als Sprechgesang, weiß jeder, der die Sido-Eingangsphase überwunden hat. Hip-Hop besteht aus vier Elementen: Rap, DJing, B-Boying und Graffiti-Writing. Das Cultura-Urbana-Festival feiert die Subkultur in ihrer Gesamtheit. Mit Workshops, Battles und Hauptacts wie Raekwon oder Looptroop. Telefónica Arena, Madrid, Spanien

Red Bull Big Tune 19. 5. 2010

James Cameron ist das Nonplusultra? Yeah! Ich möchte jetzt gerne einmal versuchen, komplett in 3-D zu drehen. Das ist aber eine ganz andere Dimension. Da sprechen wir von 120 Pfund an Kameras statt von 40. Unsere Ausrüstung erlaubt dem Zuschauer ein besseres Filmerlebnis und stellt uns vor neue Herausforderungen. Ich war sehr zufrieden mit „That’s It, That’s All“; wenn wir mit dem neuen Film die Latte noch höher legen können, ist das gut. Ich glaube, das kann uns gelingen. Vielleicht ist es nur ein Schritt nach links und nicht eine Stufe höher, aber ich will, dass sich die Zuschauer genauso fühlen wie die Snowboarder im Film. Ich will, dass sie nach ein bis eineinhalb Stunden glauben, sie waren bei diesem zweijährigen Unterfangen mit den Jungs beim Snowboarden dabei. Also nicht: hier ein Interview, da ein Action-Shot und dann gute Nacht. Ich will, dass die Leute richtig eintauchen. Wie wurden Sie dazu inspiriert? Ich habe mich immer für Naturkunde inter­ essiert und bin ein großer Fan von „Planet Earth“ auf BBC. Ganz ehrlich: Ohne „Planet Earth“ wäre „That’s It, That’s All“ nicht passiert. Ich wollte keinen komplett anderen Film machen, sondern habe herausgefunden, was die so alles verwenden.

Was ist das Wichtigste bei Ihrer Film­ arbeit? Die meiste Zeit verbringe ich damit, neue Wege zu suchen, um visuelle Stimulationen zu kreieren. Das Schönste für mich ist, jemanden in Trance zu versetzen. Wenn ich zum Beispiel beim Schnitt abgelenkt werde, weiß ich, dass es Scheiße ist. Wenn ich aber einen Song oder ein Sound-Design nehme, das hypnotisiert, selbst wenn es jemandem nicht gefällt, dann habe ich gewonnen. Visuell setze ich alles so um, wie ich darüber denke. Ich will, dass man Grenzen überschreitet, Techno-Style … Wann wird „Flight“ herauskommen? Im September 2011 – das ist der Plan, falls wir nicht ein Zehn-Jahres-Projekt draus machen. Skaten und Surfen sind leichter zu drehen, beim Snowboarden ist es immer ein Kampf mit dem Wetter, du arbeitest dauernd unter den schlechtesten Bedingungen. In Alaska saßen wir stundenlang in der Lodge herum. Wäre die Sonne nicht herausgekommen, hätten wir verloren. Wie beim russischen Roulette: Kommt die Sonne, ist der Snowboarder nicht verletzt, streikt die Kamera nicht – dann kannst du das Ding zusammenbringen. Curt Morgans spektakulärer Snowboard-Film zum Anschauen: www.thatsit-thatsall.com

Hip-Hop-Produzenten im Zweikampf, live auf der Bühne: ins Leben gerufen, um aufsteigenden wie etablierten Musiktalenten eine Chance zu geben, ihr Können unter Beweis zu stellen. Diesmal schleppen die Jungmusiker aus Philadelphia, Pennsylvania, ihre Soundkisten auf die Bühne, um sich mit Beats zu batteln. WCL, Philadelphia, USA

Scuba 21. 5. 2010 Sein taufrisches Album „Triangulation“ wird von der Presse bereits jetzt als Klassiker gehandelt. Als Klassiker, der endgültig klarstellt, dass Dubstep seinen eigenen Hype überlebt hat. Als die Platte, die das elektronische Bass-Genre zu neuer melancholisch-atmosphärischer Blüte führt. Und sowohl im Club als auch im Kopfhörer funktioniert. Trouw, Amsterdam, Niederlande

Dissonanze Festival 21. – 23. 5. 2010 Der Palazzo dei Congressi, ein altes Kongressgebäude, ist in seiner Wucht mindestens so beeindruckend wie das Kolosseum. Ganz ähnlich wie das Aufgebot von Gil Scott-Heron bis Darkstar, von Richie Hawtin bis Pantha du Prince. Palazzo dei Congressi u. a., Rom, Italien

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Opening Festival Area47 21. – 23. 5. 2010

Fiction Kapstadt

Während untertags bei der Eröffnung der Area47, dem „Ultimate Outdoor Playground“, das Red Bull Skydive Team eine Fallschirmshow und Hannes Arch eine Flufghow abziehen werden oder man beim Cliff Diving Workshop mitmachen kann, wird in der Nacht gefeiert. Unter anderem konzertieren The Commitments, Die Dicken Kinder und Brainwash. Ötztal, Österreich

Volte-Face 22. 5. 2010

Die Long Street ist die pulsierende Ader des Kapstädter Nachtlebens. „Und das Fiction“, sagt einer Gäste, „ist das Herz.“

Roni Size 22. 5. 2010 Seit „Brown Paperbag“, seinem Überhit von 1997, ist es einigermaßen ruhig geworden um den Musiker aus Bristol. Als DJ ist er dennoch höchst aktiv. Denn die Eintragung im Guinness-Buch der Rekorde für das meistverkaufte Drum-’n’-Bass-Album aller Zeiten wird ihm wohl so schnell niemand streitig machen. DOB, Belgrad, Serbien

Zwischen den Tanzeskapaden: Chillen am langgezogenen Balkon.

Azkena Rock 24. – 26. 5. 2010 Bob Dylan, Kiss und The Damned entern heuer die Bühne dieses großen Rockfestivals. Trotz langer Tradition handelt es sich aber um keine Senio­renveranstaltung, sondern mit frischen Acts wie Black Lips oder Airbourne um Headbang-Vergnügen für die ganze Familie. Teatro Principal & La Plaza de la Virgen Blanca, Vitoria, Spanien

N-Type 25. 5. 2010 Als bester Dubstep-DJ wurde er ebenso ausgezeichnet wie für seine Radio-Show am gefeierten Londoner Underground-Sender Rinse FM. Und das zu Recht: Seine zähflüssigen Beats überziehen die Dancefloors der Insel wie Lava und hinterlassen am Ende der Nacht ein Bild der ­Verwüstung. Basement 45, Bristol, England

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World’s Best Clubs

Cape Fun Pacman-Mosaik, Party-Balkon, Underground-Sound. Das Fiction ist der hellste Stern in Kapstadts Club-Milchstraße. Es ist Freitagnacht, die Long Street ist belebt, belebter als untertags. Es ist schwül, es ist laut. Man trinkt, man lacht. Aus den offenen Fenstern der Autos dringen dumpfe Bässe, das Partyvolk bespricht das nächste Ziel der nächtlichen Reise, die viktorianischen Verandas sind prall gefüllt. Am dichtesten aber

drängt es sich auf einem Balkon an der Ecke zur Buiten Street. „Kommt rauf“, ruft eine junge Frau ihren Freundinnen auf der Straße zu, „heute läuft Electro!“ Über dem Eingang thront ein schwarzes Schild, Fiction steht darauf, und schon am Eingang wird klar, der Clubname ist Konzept. Poster von Science-Fiction-Klassikern wie „Metropolis“ säumen die Stiege hinauf in den ersten Stock, von wo eine schnalzende Bassdrum dröhnt. Im Club selbst zieht sich das Konzept weiter, wird aber vom klassischen wie schlichten Interieur charmant kontrastiert. Pacman-Mosaik trifft auf funkelnden Luster, Alien-Stencils treffen auf schlichte Sofas. Was in den Augen der Besucher keineswegs einen Widerspruch darstellt. Zumindest nicht zu so später Stunde. Die Aufmerksamkeit gilt den DJs der Killer-Robot-Clique. Sie waren vor vier Jahren hier die Ersten, die Minimal und Elektro groß gemacht haben, am kleinen Dancefloor herrscht Rushhour. „Am Anfang war’s nicht leicht, die Leute für unseren neuen Style zu begeistern. Aber durch DJs wie Richie Hawtin wurde der Minimal-Hype auch in Kapstadt losgetreten“, erzählt DJ Bruno Morphet von Killer Robot. Dieser Hunger auf frische Sounds zeichnet das Fiction aus, der Club hat sich elektronischer Musik verschrieben. Donnerstags Drum ’n’ Bass, freitags Techno, ein eklektisches Potpourri am Samstag. Und während sich einige am Balkon vom Tanzen erholen, braust der Beat drinnen weiter. Richtung Zukunft durch die Nacht. Fiction DJ Bar & Lounge, 226 Long Street, Kapstadt, Südafrika; www.fictionbar.com

Bilder: Andy Hall (2)

Wenn Bass ein Virus wäre, dann wäre Infestus sein Hauptüberträger. Der portugiesische Youngster beschreibt seine Dancehall-Breaks als „eine Hip-Hop-Fusion, die sogar den Sonnenuntergang beben lässt“. Live zu sehen, wenn Infestus mit seinem Multimedia-Tanz-Projekt Volte-Face auf der Bühne steht. Casa das Artes, Famalicão, Portugal


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Juan Son London

Green Room

Bilder: Thomas Butler/Red Bull Music Academy, Dan Wilton/Red Bull Music Academy

Peter Pan Juan Son liebt Kinderkostüme und Musicals. Und den bayrischen KitschKönig Ludwig II., dem der mexikanische Latin-GrammyAnwärter in London ein Ständchen widmete. Weiße Cowboystiefel, silberne Leggins, ein grünes Turtles-Oberteil, Eulen-Make-up, ­goldene Engelsflügel im zerzausten Haar. Keine Frage, Juan Son zieht die Blicke auf sich. Junge Frauen tuscheln, Konzertbesucher grinsen und nicken ihm zu. Der mexikanische Musiker steht selbstbewusst im Publikumsraum des Londoner Roundhouse und lächelt höflich zurück. Er sei das gewohnt, sagt er. „Ich hab mich auf der Bühne schon immer verkleidet. Zum Beispiel als Pizzastück oder Riesenshrimp. Meine Outfits kaufe ich in Spielzeugläden oder in Kostüm­shops für Kinder.“

Juan Son, Absolvent der Red Bull Music Academy, im Londoner Roundhouse beim „A Taste of Sónar“-Minifestival.

Diese Lust auf Eskapismus bildet den r­ oten Faden im Leben des Sechsundzwanzigjährigen. Als Kind zieht er mit seinen Eltern oft um. Von Mexiko nach Texas und wieder zurück. Neunmal wechselt er die Schule. Die Platten seiner Mutter von The Carpenters und ABBA geben dem Jungen in dieser Zeit wohligen Halt. Genau wie DisneySoundtracks und Musicals. „Immer, wenn ich mit meinem Vater nach New York gereist bin, sind wir ins Musical gegangen. Mein Favorit war ‚Das Phantom der Oper‘. Ich konnte mich mit der Hauptfigur identifizieren, weil ich von einem Mädchen an meiner Schule zurückgewiesen worden war. Ich hatte zwar keine Maske, aber ich war fett. Ich hatte sozusagen eine Ganzkörpermaske“, erzählt Juan Son und grinst. Denn keine zwanzig Jahre später ist er es, der angehimmelt wird. Mit seiner Indie-Band Porter verkaufte er allein Mexiko über 40.000 Alben, stand wochenlang an der Spitze der Charts. Fans belagerten seine Hotelzimmer, erwarteten ihn am Flughafen in L. A., als Porter neben Portishead oder Kraftwerk beim Coachella-Festival konzertierten. Heute lebt Juan Son in New York. Von seiner Band hat er sich getrennt, dennoch schreibt er drei Songs pro Woche. Einer davon, „Nada“, war letztes Jahr für den Latin Grammy nominiert. „Am Anfang war’s nicht

leicht, allein auf der Bühne zu stehen“, sagt er, „so nackt, so verletzlich.“ Davon ist nichts zu merken, als Juan Son die Bühne betritt. Laptop, Akustikgitarre und ein kleiner Prinz, der zwischen seinen Songs über Meerjungfrauen-Sushi und Eulen mit den Londonern scherzt. Nur einmal ruft er zur Ordnung auf – wegen der Unruhe im Pu­ blikum. Als er zu seinem neuen Song „Ludwig II“ ansetzt, platzt es aus ihm heraus: „Please shut the fuck up!“ Offene Münder, aufgerissene Augen, Stille. Juan Son dagegen nickt höflich und fährt fort. „Juana Molina hat mal während ihrer Show gesagt: ‚Ich möchte, dass ihr sofort still seid.‘ Was für eine Schlampe, dachte ich damals. Jetzt verstehe ich sie besser“, erklärt Juan Son nach dem Gig. Und er hätte wohl gar nichts gesagt, läge ihm der Song nicht so am Herzen. „In Berlin zeigte mir eine Freundin ihr Neuschwanstein-Tattoo. Ich war so verzaubert von der Schönheit des Schlosses, dass ich gleich nach Bayern gefahren bin. Ludwig II. hat mich zu einer Hommage inspiriert, in der er Wagner seine Hassliebe gesteht“, sagt Juan Son, seine Augen glänzen. So als hätte der Peter Pan des Indie-Pop in Neuschwanstein endlich sein Nimmerland gefunden. Juan Sons Unplugged-Gig vor der London-Show: redbullmusicacademyradio.com/shows/2502/

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Robert Serek kam vor zwanzig Jahren nach Warschau. Anfangs arbeitete er als Assistent an der Wirtschaftsuni. Dann entdeckte er die Partyszene. Und es war um ihn geschehen. Offensichtlich.

Robert Serek

Warschau

Resident Artist

Streetvice

Mein Tag startet im #24. Mit Karottensaft und einem Sandwich, das ganz meiner Person entspricht. In dem Café gibt’s nämlich ein Sandwich namens Serek. Was jetzt aber nicht so speziell ist, wie’s klingt, „serek“ heißt nämlich auf Polnisch „Käslein“. Wenn ich keinen Bock darauf hab, meinen Namensvetter zum Frühstück zu verdrücken, zieht’s mich in ein österreichischtschechisches Wirtshaus ganz in der Nähe: Im U Szwejka (1) geht’s mit einem Mix aus Würstchen, Rührei, dicken Brotscheiben und Cottage Cheese zwar etwas deftiger zur Sache, aber gerade das kann nach langen Partynächten ja ein würziger Segen sein. Und wer dort die Nacht überhaupt zum Morgen machen möchte: Bier kostet dort das ganze 92

Wochenende über nur vier Złoty (einen Euro). Zu den gemütlicheren Optionen nach dem Aufstehen – aber auch zu Mittag – zählt das Przegryz´ (2), ein kleines Restaurant mit hausgemachtem Essen. Der Entenbraten ist vorzüglich, genau wie die Fleischpasteten, zu denen ich dieses exklusive tschechische Bier namens „Zlatopramen“ empfehle. Gibt’s fast nur dort. Was eigentlich eine Frechheit ist. Das Przegryz´ ist ein perfekter Ort, um

beim Gassigehen mit dem Vierbeiner kurz abzuzweigen oder um sich über die Bilder des polnischen Künstlers Marek Raczkowski zu amüsieren. Vorausgesetzt, man kommt dem Humor auf die Schliche. Ein absolutes Pflicht-Café ist das Mie˛dzy Nami (3). Der Laden hat’s derzeit nicht leicht, die Stadtregierung will ihm an den Kragen. Doch es wäre eine Schande, wenn er zusperren müsste. Denn das Mie˛dzy Nami

Bilder: Adam Tarasiuk (5)

Vom Frühstücks-Café in den Club und retour: 24 Stunden im Leben von Robert Serek, Partysan, Hipster und Chef des polnischen „VICE“-Magazins.


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Primavera Sound Festival 27. – 29. 5. 2010

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1 U SZWEJKA, Plac Konstytucji 1 ´, Mokotowska 52 2 PRZEGRYZ 3 MIE˛DZY NAMI, Bracka 20 4 PLAN B, Aleja Wyzwolenia 18 ´LE, Kruczkowskiego 3B 5 POWIS 6 DELIKATESY, Marszałkowska 4 7 PRZEKA˛SKI ZAKA˛SKI, Krakowskie Przedmiescie / Ossolin ´ snskich

Karte: Mandy Fischer

Von oben nach unten: Im Plan B tanzt die Warschauer Jugend durch rauschende Nächte. Vorher gibt’s im Przegryz´ als Unterlage Entenbraten und tschechisches Bier. Bevor das Wochenende mit DJ Jacek Sienkiewicz Sonntagabend im Delikatesy endet.

hat nicht nur eine erlesene Speisekarte – das preiswerte Mittagsmenü ist eine Wucht –, es ist außerdem das älteste Schwulenlokal der Stadt, in dem sich die Trendsetter Warschaus treffen. Unvergleichlich sind Sommerabende im Gastgarten am Gehsteig oder die Ausstellungen internationaler Fotografen. Genug von Essen und Cafés, jetzt geht’s rein ins Nachtleben. Obwohl die Partyszene in Warschau ein komplexes Thema ist. Gerade unter der Woche, wenn die Straßen der Stadt leer sind, musst du wissen, wohin. Zum Glück gibt’s ein paar Bars, in denen immer was los ist. Wie das Plan B (4), das dunkle Herz des Zbawiciela-Platzes, stets gefüllt mit interessanten Nachtschwärmern. Und auch vor dem Laden pulsiert das Leben: Kaffeebecher, ge-

füllt mit Bier, um die Polizisten zu verwirren – auf der Straße Alkohol zu trinken ist hier nämlich verboten –, Mondscheindiskussionen am Rasenstück inmitten eines belebten Kreisverkehrs. Einfach traumhaft. Mittlerweile hat das Plan B aber ernsthafte Konkurrenz bekommen. Powis´le (5) heißt der neue Durchstarter im Nachtleben Warschaus. Unter einer Brücke gelegen, etwas außerhalb in einer Gegend ohne Anrainer, versammeln sich in Sommernächten hunderte Menschen. Das Resultat: An der kleinen Bar musst du oft ewig auf dein Getränk warten. Aber zum Glück ist da eine nahe Tankstelle, um, ähm, nachzutanken. Natürlich gibt’s auch andere Clubs. Clubs, die ganz okay sind, deren aufgetakelte Klientel man nach einigen Drinks schon erträgt. Platinium oder Nine heißen solche Beispiele, in denen man nach einigen Minuten wieder richtig Lust auf das echte Warschau kriegt: auf die Experimental-Elektronik-Nächte von Jacek Sienkiewicz im Delikatesy (6) am Sonntag. Oder Clubnacht-Reihen wie „Hungry Hungry Models“ und „Kokobend“, die ich selber mitveranstalte. Oder DJs wie Boniecki, AM Radio und Artur8, denen es in erster Linie um gute Musik und eine tolle Nacht geht und weniger um den perfekten Club. In den frühen Morgenstunden, kurz bevor die Augen zufallen, geht’s zur letzten nächtlichen Pilgerstätte Warschaus, Przeka˛ski Zaka˛ski (7). Oder, wie es die Warschauer nennen, ins „U Pana Romana“, benannt nach dem Kellner, Herrn Roman, bei dem man einen letzten Shot Wodka bestellt. Wer an diesem Punkt dann schon wieder Hunger verspürt, der geht am besten zurück an den Anfang dieser Geschichte. Die Frühstücks-Cafés in Warschau öffnen schon zeitig. Robert Sereks Blog: www.rs-store.pl/blog

Ein Outdoor-Spektakel mitten in ­Barcelona mit dem aktuellsten Lineup des Sommers. Neben alten Helden wie Liquid Liquid oder Pavement zieht es auch Indie-Newcomer wie Japandroids, The Big Pink oder Monotonix nach Katalanien. Parc del Fòrum, Barcelona, Spanien

Electric Wire Hustle Soundsystem 28. 5. 2010 Soeben von Gilles Peterson an die Pole-Position seiner neuen Compilation gesetzt, gilt das neuseeländische Trio um Drummer Myele „Manzilla“ Manzanza als Hoffnungsträger in Sachen Digital-Soul. Townhall, Christchurch, Neuseeland

Tokyo Kiss Party 28. 5. 2010 Das Land der aufgehenden Sonne als Themennacht im Club des Mondes: mit Faltfächern und bunt verzierten Wandschirmen, mit Sake-Cojitos und Litschi-Champagner und einer japanischen House-Ikone an den DJ-Decks. Half Moon, Salzburg, Österreich

Pinkpop 28. – 30. 5. 2010 Achtung! Knallige Outfits sind hier nicht gefragt. Das „Pink“ im Namen bezieht sich auf „Pinksteren“ – Pfingsten auf Niederländisch. Knallig ist nur das Aufgebot der Acts zwischen Stadion-Rock und IndieMucke: von Green Day bis Yeasayer, von Motörhead bis Temper Trap. Megaland, Landgraaf, Niederlande

Elektro Guzzi 29. 5. 2010 Das Wiener Trio lässt Bass, Gitarre und Schlagzeug live klingen, als kämen die Sounds aus dem Computer. Nachzuhören auch auf dem pressfrischen, selbstbetitelten DebütMeisterwerk. Mellow Festival, Sofia, Bulgarien

Movement Electronic Music Festival 29. – 31. 5. 2010 Seit zehn Jahren pilgern ElektronikAficionados im Mai nach Detroit. In ihr Mekka, wo Techno aus der Taufe gehoben wurde. Beim Jubiläum strahlen große Helden wie Inner City, Model 500 oder Richie Hawtin neben jungen Gesichtern wie Kyle Hall, ­Martyn oder Onur Ozer. Hart Plaza, Detroit, USA

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Grünwald Von Andreas Kurz Ich suchte das Klo. In diesen Angeber­ villen mit ihren hundert Türen kann das manchmal dauern. Hinter einer Tür, in der ein Schlüssel steckte, führte eine Treppe in den Keller. Wütend wollte ich sie wieder schließen, doch ein fremd­ artiges Geräusch weckte meine Neugierde. Es summte sehr hell und intensiv, aber das war keine Waschmaschine oder der Tiefkühlschrank, das war etwas ganz anderes. Neugierig geworden, ging die Treppe runter. So stand ich plötzlich vor dem Kasten, und obwohl ich so ein schwarzglänzendes Ding noch niemals in echt gesehen hatte, wusste ich sofort, was es war. Eine Nirwana 3.0 mit Turbo­ kühlung. Solche Dinger sah man sonst höchstens mal in ’ner Illustrierten. Sie kosten mehr als ein Vermögen, es sind hochkomplexe Einzelanfertigungen, die auf die individuellen Vorlieben ihres Besitzers maßgeschneidert werden. Der Raum war sehr stickig, obwohl mächtige, silbrig glänzende Kühlrohre für Durchzug sorgten. Ehrfürchtig legte ich meine Hand auf die äußere Chromblende. Eine sehr starke Vibration übertrug sich auf mich, Wärme flutete durch den Arm in meinen Körper, es kribbelte wie tausend fleißige Ameisen. Ich fühlte Rührung in mir, tiefe Ergriffenheit, der Anblick dieser Maschi­ ne war überwältigend. Auf dem bläulich leuchtenden Monitor an ihrer Rückseite schimmerten die Grundeinstellungen und gewählten Parameter. Ein Name leuchtete hervor, Söderbohm. Der ganze Apparat widmete all seine gewaltigen Terawatt einzig und allein dieser Sippschaft. Als ich wieder raus in den Garten kam, tanzte meine Frau gerade mit Kraftvogel vom Controlling. Ihrem leeren Grinsen nach zu schließen, hatte sie schon ziem­ lich einen sitzen. „Muss dir was sagen“, raunzte ich ihr zu. „Kann das nicht warten?“ Ich schüttelte den Kopf und ließ mir von einem dieser livrierten Sackgesichter vom Partyservice ein Bier geben. Damit setzte ich mich abseits auf eine Bank. An­ ders als sie fühlte ich mich hier nicht wohl. „Himmel, was ist denn schon wieder?“, fuhr sie mich an, als sie es in ihren hoch­ hackigen Schuhen endlich zu mir ge­ schafft hatte, ohne hinzufallen. „Hab gerade was entdeckt“, tat ich geheimnisvoll. 94

Sie ließ sich neben mich auf die Bank fallen, schüttelte sich die Schuhe von den Füßen und massierte sich die Fußsohlen. „Und was? Den Porsche in der Garage?“ „Ich weiß jetzt, wie Söderbohm es macht.“ Söderbohm war unser Chef, und wir saßen in seinem königlichen Protzgarten am Isarhochufer in Grünwald auf dem jährlichen Mitarbeiterfest. „Was macht?“, fauchte sie mich an. „Dass er so gut ankommt. Dass ihn alle lieben. Dass ihm alles gelingt im Leben und ihm alle Sympathien zufliegen.“ Tinchen verkniff den Mund, als würde sie sich vor was ekeln. „Dein Neid wird dich noch mal auffressen, wirst sehen.“ „Ich bin nicht neidig, das ist es nicht.“ „Natürlich nicht …“ Sie tätschelte mitlei­ dig meinen Arm. „Ich geh wieder tanzen.“ „Warte doch mal, das ist nicht nur ­Gerede jetzt …“ Ich hielt sie am Handgelenk fest, und sie riss sich los. Mit dem Finger deutete sie auf mich.

Wärme flutete durch den Arm in meinen Körper, es kribbelte wie tausend fleißige Ameisen.

„Söderbohm ist der tollste Chef, den wir uns nur wünschen können. Das lass ich mir von dir nicht kaputtreden.“ Die Schuhe in der Hand, stapfte sie ­zurück zu den anderen. Irgendein Frust überkam mich und legte sich schwer auf meine Gesichtszüge. Die halbe Belegschaft der Firma hampel­ te herum, und die meisten versuchten, ein paar Punkte gutzumachen. Keiner schien Probleme damit zu haben, dass unser Chef in einem Palast lebte, der auch gut zu Ludwig dem Vierzehnten gepasst hätte. Alle lachten, als wären sie hier auf einem Wettgrins-Wettbewerb. Meine Frau winkte mir, aber ich rührte mich nicht von der Stelle. Der Abend dämmerte bereits, als die Musik plötzlich stoppte und der Junior­ chef mit irgend so einem Langbein an der Hand auf die Bühne stolperte. Er stotterte unbeholfen ein paar Sätze ins Mikro, die sogar ich noch besser hingekriegt hätte. Soweit ich es verstand, gab er sei­ ne Verlobung bekannt. Die Frau neben ihm war so schön, so perfekt, so nicht von dieser Welt, dass ich kotzen wollte. Sein Vater, also unser Chef, ein kleiner, kantiger Glatzkopf, kam jetzt ebenfalls nach vorne und hielt gerührt eine lau­ nige Ansprache, die vor allem das Wort Schneckerle wiederholte, den Kosenamen seiner von ihm so rasend geliebten Frau. Der Optik nach war die auch nicht viel älter als die Tussi seines Sohnes und mit


illustration: andreas posselt und thomas kussin

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Sicherheit nicht die leibliche Mutter. Alle klatschten stürmischen Applaus, immer wieder, wie Alzheimer-Patienten, die den Anlass sofort vergaßen. Ich k ­ ippte wäh­ renddessen an der Bar auf der Terrasse ein paar Schnäpse runter. Wolfarth, mein Abteilungsleiter, setzte sich neben mich und legte seinen dünnen Arm um meine Schulter. Er war so verschlagen wie ein Skorpion. Und genauso hässlich. „Furthmüller“, sagte er mit schwerer Zunge, und sein Zigarreatem schlug mir heftig auf den Magen. „Fursss … müller … in was für einer tollen Firma dürfen wir nur arbeiten. In der heutigen Zeit …“ „Jaja“, leierte ich. „Futtz … müller, ich glaube, wir haben den besten Chef aller Zeiten … den aller­ besten, weisss… du das.“ „Wolfarth“, sagte ich und sah ihm tief in die Augen dabei, „wer betet eigentlich für dich?“ Er glotzte mich an. „Was … was für ’ne scheisss… Frage is’n das jetzt?“ Ich reckte stolz den Kopf. „Wer ringt um deine Seele, Wolfarth, wenn du die Verlobte vom Junior anstarrst und dir denkst, Grundgütiger, zwischen diese ge­ nialen Schenkel würde ich auch gern mal meinen Kopf stecken?“ Er versetzte mir einen laschen Schlag gegen die Brust. „He, du Sack! Pass bloß auf, wen du vor dir hast …“ „Was ist los, Wolfarth?“, schnauzte ich ihn an. „Keine Angst, dass dein mickeri­

ges Online-Betprogramm zu Hause nicht längst wieder abgestürzt ist?“ „Meiner Seele geht’s blendend“, fuhr er mich an. Ich lächelte sehr matt. Auf der Bühne gab es mittlerweile nicht enden wollende Dankadressen irgend­ welcher subalterner Schleimscheißer und devoter Pissnelken. Unser aller Chef stand milde lächelnd daneben und vertiefte sich ganz in seiner Paraderolle des Bescheide­ nen. Er machte es wirklich gut. Ihn nicht ins Herz zu schließen war fast unmöglich. Auch ich konnte mich seinem Charisma und seiner Ausstrahlung kaum entziehen, die Energiefelder waren einfach zu stark. Ich musste ihn nur ansehen und spürte sofort das warme, angenehme Gefühl in meinem Inneren aufsteigen, als wäre dieser Mann weit mehr als nur ein egois­ tischer Chef in einem teuren Büro, als würde ich mich durch ihn einem Geheim­ nis nähern, der Mitte der Welt oder was auch immer. Irgendwie liebte ich diesen Mann, blieb mir gar nichts anderes übrig, obwohl ich sein Geheimnis ja jetzt kannte. Plötzlich riefen mich irgendwelche Torf­ nasen auf die Bühne, und ich wusste erst nicht, wie mir geschah. „Dir zeig ich’s noch“, knarzte mir Wol­ farth hinterher, als ich über den Rasen zur Bühne eilte. Nach einem sehr dünnen Applaus, der vor allem von meiner Frau erzeugt wurde, erzählten sie noch einmal die Geschichte von dem Brand im Lager, den ich ganz allein gelöscht hatte. Sie vergaßen auch nicht, noch extra darauf hinzuweisen, dass ich mir damit den Zu­ tritt zu dieser Party und zu ihrem erlauch­ ten Kreis verdient hatte. Ich zog dazu das erwartete Jawohl-Herr-Direktor-Gesicht. Was sie nicht erwähnten, war, dass die Betriebsfeuerwehr erst ein Starthilfekabel für den museumsreifen Opel Blitz suchen musste, bevor sie mal in die Gänge ka­ men. Zwei Feuerlöscher mucksten sich nicht, aus den Schläuchen bröselte nur Rost. Mit dem dritten ging es dann so halbwegs. Das Feuer war auch nicht sehr groß gewesen, ein paar Flammen, viel Gestank. Sie schenkten mir einen Reise­ gutschein für eine zweitägige Busfahrt zu den schönsten Barockkirchen des Allgäus. Komplett mit einer Verkaufsveranstaltung dazwischen. Da stiegen mir die Tränen in

„Wolfarth“, sagte ich und sah ihm tief in die Augen dabei, „wer betet eigentlich für dich?“

die Augen vor Rührung und noch ein paar anderen Gefühlen. Ich holte mir ein weiteres Bier vom Fass und verzog mich wieder auf meine Bank. Meine Frau schwang das Tanzbein, und Kraftvogel hüpfte vor ihr herum, als wäre er nicht ganz dicht. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er scharf auf Tinchen sein sollte, trotzdem hasste ich auch ihn. Meinem schlechten Gefühl nach zu schließen, war wieder irgend­ was mit unserer Kultstätte zu Hause. Sie taugte nicht viel, und wenn meine Frau und ich abends mal weg waren, konnte es passieren, dass unser Ältester irgend ’ne dämliche Schlampe mitbrachte und uns alle vorher vom Display löschte. So kriegte er die ganze gute Energie alleine ab und rechnete sich mehr Chancen bei der Kleinen aus. Als ich ihn mal dabei erwischt hatte, war es ihm noch nicht mal peinlich. Wir jungen Seelen hätten’s viel nötiger, dass für uns gebetet wer­ de, meinte er nur, bevor ich ihm eine scheuerte. Vor Jahren hatten wir uns das letzte Mal in die Kultstättenabteilung irgend­ eines Elektrogroßmarktes verirrt. Auch nur wegen der ewigen Wertedebatten im Fernsehen, die gerade mal wieder groß in Mode waren. Wir überlegten damals wie so viele andere auch, unsere gute alte, ab­ genudelte Lord 1.0 gegen etwas Besseres zu tauschen. Die Lord wurde noch nicht in China zusammengeschustert, sondern noch im guten alten Polen. Der Kasten betete den ganzen Tag vor sich hin, und keiner von uns beachtete es groß. Das Wohlgefühl, von dem wir am Anfang im­ mer glaubten, ergriffen zu sein, hielten wir bald für normal. Wie oft hängte sie sich auf, verhaspelte sich in irgendwelchen Psalmen und muss­ te neu gestartet werden. Sie konnte gera­ de mal das Vaterunser, das Ave-Maria und ein paar verzopfte Fürbitten, die keiner kapierte und die wahrscheinlich nur zum Programm gehörten, weil sie rechtefrei zu haben gewesen waren. Auf irgendeiner InterBet ließ ich mir dann ein Vorführmodell aufschwatzen, nur weil ich’s toll fand, dass das Ding innerhalb von dreißig Sekunden eine komplette Hinwendung nach Euronorm 17 schaffte, was damals als außerge­ wöhnlich gut galt. Selbst wenn wir beide ­Kästen gleichzeitig laufen ließen, änderte sich eigentlich nicht viel in unserem Le­ ben, das Ablassvolumen war unter dem Strich einfach viel zu gering. ­Freunde hat­ ten mittlerweile Power-Pray-Machines, grau importiert, noch ohne deutsche Zulassung, bei denen man statt Gott auch Buddha, Guru oder Geist­wesen wählen 95


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kann, den Ritus bestimmen, die Himmels­ richtung der Hin­wendung und was weiß ich noch alles. Unsere Stromrechnung war auch so schon utopisch genug. Irgendwie war es klar, dass ich noch ein­ mal in den Keller schlich. Es ließ mich einfach nicht los. Wir alle liebten unseren Chef. Trotz der Schließung und Verlage­ rung von Werken, der Schikanen gegen die Betriebsräte, der weit unter­tariflichen Bezahlung und der vielen Leiharbeiter, die sie jeden Morgen vor das Werkstor karrten und uns sagten, da seht ihr mal. Egal, wir liebten ihn. Das ließ mir einfach keine Ruhe. Auf dem Monitor zuckten Balkendia­ gramme auf und nieder. Ich loggte mich ein ins Steuerungssystem, als Passwort gab ich Schneckerle ein und wunderte mich nicht mal, dass es sofort funktio­ nierte. Dann markierte ich die ganze Mischpoke und löschte ihn und seine Familie. Ich wollte alles für mich, die ganze gute Energie. Zuletzt schob ich noch die Regler auf maximalen Anschlag. Ich hörte das Ding hinter mir brummen wie eine gewaltige Schiffsturbine, als ich die Treppe hochstieg. Den Schlüssel zur Kellertür warf ich im Salon in den kalten Kamin. Zurück im Garten, fühlte ich mich richtig gut. Keine Ahnung, ob das schon die Wirkung des Kastens war, der jetzt aus allen Rohren für mich betete, unmöglich war es nicht. Ich lächelte gleich mal Elvira Scherzmüller vom Marketing an und wag­ te ein Tänzchen mit ihr. „Du hast etwas Magisches“, flüsterte sie mir lüstern ins Ohr. Das ging mir dann doch zu schnell, ich parkte sie bei Wolfarth, der sich wei­ nend bei mir entschuldigte und gar nicht verstehen konnte, warum er vorhin so unfreundlich zu mir gewesen war. Ich vergab ihm, indem ich meine Finger in ein Weinglas tunkte und auf seine Stirn drückte. Eine Gruppe junger, aufstrebender Kollegen nahm mich in ihre Mitte, sie reichten mir was zu trinken, klopften mir auf die Schulter und wollten meine Hand schütteln. Ich sei ein Held, meinte einer, und die anderen stimmten ihm lautstark zu. Mir wurde es unheimlich, und ich versuchte wegzukommen, aber schnell bildete sich eine ganze Traube hinter mir, die mich verfolgte wie Jünger ihren Mes­ sias. Als die Musik plötzlich abbrach und mich der Chef noch einmal auf die Bühne rief, geriet ich fast in Panik. Tosender Ap­ plaus brandete auf, Hochrufe und immer wieder mein Name, frenetisch. Mein Chef meinte zerknirscht, das vorhin sei nur ein Spaß gewesen, eine Busfahrt, läppisch. 96

Ich sah unseren Chef allein am Rand stehen, ein alter, krank wirkender Mann, einsam und ratlos. Leider habe keiner diesen Scherz verstan­ den. In Wirklichkeit stehe mir ab sofort ein eigener Dienstwagen zu, ein nettes Büro mit Kaffeeautomat und befördert sei ich auch. Er umarmte mich, und sein aufgedonnertes Schneckerle küsste mich auf beide Wangen. Ein Glück, dass wir Sie haben, summte sie mir ins Ohr, als wäre sie bei der Telefonseelsorge. Langsam begann mir die Party Spaß zu machen. Die Regler standen auf Maxi­ mum und bügelten alles nieder. Ich trank Champagner, tanzte sogar, und die Band spielte Abba, In the Rich Man’s World. Es war schon zu vorgerückter Stunde. Ich sah unseren Chef allein am Rande stehen, ein alter, krank wirkender Mann mit hän­ genden Schultern, einsam und ratlos. Ich ging zu ihm und munterte ihn auf, indem ich ihm die Wange tätschelte wie einem Kind. Er jammerte, es gehe ihm leider nicht so gut wie noch am Nachmittag, er wisse gar nicht, warum, aber plötzlich sei es über ihn gekommen, dieses andere Ge­ fühl, an das er sich kaum noch erinnern könne, wie die Rückkehr einer längst überwunden geglaubten Krankheit, zum Verzweifeln. Ich spielte den Ratlosen und riet ihm, ein Aspirin zu nehmen. Dankbar und mit Tränen der Rührung in den Au­ gen drückte er meine Hand, rief dann mit brüchiger Stimme nach seiner Frau und wollte, dass sie ihn begleitet. Doch ihr Ge­ sichtsausdruck war kalt. Wortlos schubste sie ihn fort in Richtung des Hauses. Da tauchte die Zukünftige vom Ju­ nior auf. Es war klar, dass sie in ihrem hübschen Kopf längst an der Verlobung zweifelte. Im Plaudern entfernten wir uns immer mehr von den anderen. Als Rauch aus der schicken Villa quoll, dräng­ te sie mich in den Gartenpavillon, doch mitten im Kuss veränderte sich ihr Blick. Wahrscheinlich hatte es im Keller einen Kurzschluss gegeben. Sie schreckte hoch, sah mich an wie ein Schlossgespenst und rannte in Tränen aufgelöst davon. Da brannte das Haus bereits lichterloh, ich hätte die Regler nicht auf volle Pulle stellen dürfen. Ich schnappte mir mein Tinchen, die ziemlich sauer auf mich war, und mit der Linie 25 schlingerten wir heim zum Max-Weber-Platz.

Mein eigenes Büro bekam ich natürlich nicht. Auch der Firmenwagen wurde mir ohne Begründung gestrichen. Ich blieb der Niemand in der Lagerverwaltung und machte meinen Job wie immer. Da­ bei konnte ich noch froh sein, dass ­alles verbrannt war und keiner rauskriegte, dass ich in diesem Keller gewesen war. Jetzt kauf ich in meiner Freizeit alte ­Betmaschinen zusammen und stell die in meinen Hobbykeller. Ich hab da so ­einen Plan, dass man die doch zusammenschal­ ten können müsste, in Reihe, Kilobyte für Kilobyte. Ich kam von der Vorstellung nicht mehr los, dass da i­ rgendwo für mich gebetet wird. Und zwar so, wie ich es mal kurz erleben durfte. Volle ­Pulle. Und pfeif auf den Strom. Ich glaube, man kann richtig süchtig danach werden. Und, ach ja, bevor ich es vergesse. Sparen Sie sich die Barockkirchen des Allgäus. Schön sind sie zwar schon, keine Frage, aber ihre Betleistung … einfach lächerlich.

Andreas Kurz, Jahrgang 1957, lebt in Gräfelfing bei München. Der Grafiker arbeitete als Journalist, Werbetexter, Illustrator, Kameramann, Drehbuchautor und Regisseur und gewann mehrere Preise bei Literaturwettbewerben. „Grünwald“ brachte Kurz Platz eins beim 13. Münchner Menülesungswettbewerb, der mit Unterstützung von Carpe Diem stattfand. Dabei wurden die besten Texte nicht nur vorgelesen, sondern auch von einem Koch interpretiert. Zu gewinnen gab es dabei tausend Euro und einen Hotel­ aufenthalt. Read Bull: Leser machen Programm Lust bekommen aufs Schreiben? Dann schicken Sie Ihren Text (maximal 10.000 Anschläge) bitte an: readbull@redbulletin.at Mitmachen kann jede(r), ob Amateur- oder Profi­schreiber(in). Das Thema der eingesandten Geschichte ist frei, irgendwo im Text darf eine Dose versteckt sein. Die beste Geschichte – die Siegerin/den Sieger bestimmt eine Jury des Red Bulletin – wird im ­Dezemberheft 2010 abgedruckt und mit zwei­ tausend Euro belohnt. Außerdem werden alle Texte, die bei uns eintreffen, das ganze Jahr über auf de.redbulletin. com/readbull veröffentlicht.


Wir w端nschen Ihnen bessere Unterhaltung.


Ankowitschs Kolumne belebt Körper und Geist

Unser faules Hirn Denken verbraucht viel Energie. Und Unbekanntes ist gefährlicher als Bekanntes. Wieder was gelernt. Dass unser Gehirn faul und voreingenommen ist, hatten wir schon einmal an dieser Stelle. Weil es aber auch noch ziemlich vergesslich ist, komme ich hier nochmals darauf zurück (zumal ich das Thema ­damals, vor knapp einem halben Jahr, bloß gestreift habe). Der Anlass für meinen wenig respektvollen Einstieg ist eine aktuelle Studie. Sie stammt von einer internationalen Wissenschaftlergruppe. Ihr Ergebnis: ­Unser Gehirn liegt nicht einfach so in ­unserem Kopf herum und wartet darauf, dass wir uns seiner bedienen. Vielmehr ist es ziemlich selbständig. So versucht es zum Beispiel vorherzusehen, was wir im nächsten Moment sehen können; es will darauf vorbereitet sein. Kommen wir ­beispielsweise nach Hause, so geht unser Gehirn aufgrund seiner Erfahrung davon aus, dass wir gleich unsere lieben Kinder erblicken werden. Betreten wir dann das Kinderzimmer und schauen in zwei wohlvertraute Gesichter, denkt sich unser Gehirn bloß: „Hab ich’s mir doch gedacht!“ Und kommt erst ins Grübeln, wenn es das große, fein säuberlich in den Teppich ­geschnippelte Loch wahrnimmt, das da am Morgen noch nicht war. Die Studie der Wissenschaftler vom Frankfurter Max-Planck-Institut für Hirnforschung und der Universität Glasgow verlief etwas unspektakulärer, ist aber

Das Gehirn liegt nicht einfach so im Kopf ­herum und wartet ­darauf, dass wir uns seiner bedienen. mindestens so spannend wie das kleine Beispiel mit den Kindern. So setzte man Versuchspersonen vor einen Bildschirm und zeigte ihnen kleine Balken, die sich regelmäßig bewegten. Und siehe da: ­Sobald die Menschen das Prinzip ver­ standen hatten, konnte ihr Gehirn vorher­ sagen, was gleich geschehen würde – und strengte sich nicht mehr groß an. Erst wenn einer der Balken einen unerwar­ teten Hüpfer tat, fuhr das Gehirn seine Anstrengungen wieder hoch – immerhin gab es etwas Unvorhergesehenes zu verarbeiten. All das kann man übrigens sehr schön mittels eines Verfahrens beobachten, das „funktionelle Kernspintomo­ graphie“ heißt, aber das nur nebenbei. Doch warum versucht unser Gehirn so hartnäckig, vorherzusehen, was gleich kommen wird? Diese Frage ist leicht zu beantworten und noch viel leichter nachzuvollziehen: Es will sich nicht unnötig

anstrengen. Denn Denken verbraucht viel Energie, und die gilt es möglichst sparsam einzusetzen (zwanzig Prozent unserer Kräfte verbraucht unser Gehirn, obwohl es nur rund zwei Prozent unseres Körpers ausmacht – gar nicht auszumalen, wenn es dauernd auf Hochtouren arbeiten würde). Weshalb die Wissenschaftler auch zu folgendem Schluss kommen: Unser Gehirn hat eine natürliche Abneigung ­gegen Überraschungen. Viel zu anstrengend! Besser, es kommt, wie es immer schon gekommen ist. Die Gewohnheit unseres Gehirns, in den Energiesparmodus zu gehen, sobald sich die Chance dafür bietet, hat einige Auswirkungen. Manche davon sind ziemlich folgenschwer. Beim Autofahren zum Beispiel. Denn entgegen der Annahme, dass es ziemlich gefährlich ist, wenn wir auf unbekannten Straßen unterwegs sind, verhält es sich genau umgekehrt: Wenn wir eine Straße bereits hundertfach ­gefahren sind, unser Gehirn also ziemlich genau vorhersagen kann, dass nach dem Hügel eine langgezogene Linkskurve kommt und dann ein Loch im Teppich, ach, was schreibe ich denn da … dann fährt es seine Aufmerksamkeit herunter. „Kenne ich!“, denkt es sich – und hat dann sehr große Mühe, sich auf die neue Baustelle hinter dem Hügel einzustellen. Sind wir hingegen in unbekannten Gefilden unterwegs oder stoßen im Zimmer unserer Kinder auf eine internationale Wissenschaftlergruppe, die mit unseren Kleinen den Versuch mit den wackelnden Balken wiederholt – dann weiß unser ­Gehirn, dass es sich anstrengen muss, um das alles zu ordnen. Selbst wenn es weiß, dass ich mir das alles nur ausgedacht habe, um einen überraschenden Schluss für diese Kolumne hinzubekommen. Christian Ankowitsch, 50, ist ein öster­ reichischer Journalist, Schriftsteller und Lebenshelfer. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

Österreich: Herausgeber und Verleger Red Bulletin GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Stefan Wagner (Stv.) Creative Director Erik Turek Art Director Markus Kietreiber Fotodirektion Susie Forman, Fritz Schuster (Stv.) Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitende Redakteure Werner Jessner, Uschi Korda, Nadja Žele Redaktion Ulrich Corazza, Florian Obkircher, Christoph Rietner Grafik Claudia Drechsler, Miles English, Judit Fortelny, Dominik Uhl Fotoredaktion Markus Kucˇera, Valerie Rosenburg, Catherine Shaw Senior Illustrator Dietmar Kainrath Autor Christian Ankowitsch Mitarbeiter Bartholomäus Grill, Tom Hall, Andreas Jaros, Ruth Morgan, Anthony Rowlinson, Steve Smith, Paul Wilson, Matt Youson Illustratoren Mandy Fischer, Heri Irawan, Lie-Ins and Tigers Augmented Reality Martin Herz, www.imagination.at Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Christian Graf-Simpson Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher (Ltg.), Walter Omar Sádaba Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Geschäftsführung Karl Abentheuer, Rudolf Theierl Internationale Projektleitung Bernd Fisa Sonderprojekte Boro Petric Finanzen Siegmar Hofstetter Verlagsleitung Joachim Zieger Marketing Barbara Kaiser (Ltg.), Regina Köstler Projektmanagement Jan Cremer, Sandra Sieder, Sara Varming Anzeigenverkauf Bull Verlags GmbH, Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien; anzeigen@at.redbulletin.com Office Management Martina Bozecsky, Sabrina Pichl Firmensitz Red Bulletin GmbH, Am Brunnen 1, A-5330 Fuschl am See, FN 287869 m, ATU 63087028 Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com Redaktionsbüro London 14 Soho Square, W1D 3QG, UK Telefon +44 20 7434-8600 Fax +44 20 7434-8650 Web www.redbulletin.com Erscheinungsweise Das Red Bulletin erscheint jeweils am ersten Dienstag des Monats als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen – in Österreich: Kleine Zeitung, Kurier, Die Presse, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten; Burgenländische Volkszeitung, Niederösterreichische Nachrichten. In Deutschland: Münchner Merkur, tz. Das Red Bulletin liegt auch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei. In Großbritannien: The Independent. In Irland: Irish Independent. In Nordirland: Belfast Telegraph. In Polen: Gazeta Wyborcza. In Südafrika: Cape Argus, Cape Times, Daily News, Pretoria News, The Star. In Neuseeland: The New Zealand Herald. Gesamtauflage 3,1 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com

Die nächste Ausgabe des Red Bulletin erscheint am 1. Juni 2010.

illustration: albert exergian

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