The Red Bulletin DE 05/20

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DEUTSCHLAND MAI 2020, € 2,50

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN

KRISTINA VOGEL

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Wie die BahnradOlympiasiegerin ihr Leben nach ­ihrem Unfall in die Hand nimmt

DER SENSIBLE HELD

Filmstar JAVIER BARDEM erklärt, wie du mit Sanftmut ganz nach oben kommst



MANY PATHS. ONE TRAIL.

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E DI TO R I A L

WILLKOMMEN

WAS FÜR EIN GEFÜHL!

NEUE STÄRKE IM FOKUS

Der Österreicher Peter Rigaud (u. a. „Vogue“, „Stern“) fotografierte Kristina Vogel in Berlin. Ergebnis: beeindruckende Bilder, die Vogels Stärke zeigen. Ab Seite 54

Zutiefst getroffen war ganz Deutschland vom schweren Unfall der Bahnrad-­ Olympiasiegerin Kristina Vogel im Juni 2018. Heute versteht Vogel ihr Leben mit Querschnittslähmung als Aufgabe, an der sie wächst. Ab Seite 54 erzählt uns die Wings for Life-Botschafterin von ihren neuen Zielen – vom Einsatz für Menschen mit Handicap bis zu ihrem ersten Fallschirmsprung.

NEUER BLICK AUFS BIKEN Unser Autor Werner Jessner übte einen Tag lang MotorradStunts mit TrialProfi Adrian Guggemos. Seine Bilanz: ab Seite 64

VINZ SCHWARZBAUER

Manche Menschen berühren etwas in uns, sobald wir sie nur sehen. Für kaum einen Schauspieler gilt das so sehr wie für Oscar-Gewinner Javier Bardem. Egal ob Killer, Liebhaber oder Familienvater: Bardem spielt seine Rollen mit einer Feinfühligkeit, die unter die Haut geht. Aber wie schafft er das? „Bevor du Menschen berühren kannst, musst du deine eigenen Gefühle verstehen und akzeptieren“, erklärt der Spanier in unserer Coverstory ab Seite 32.

„Der einzige Fehler, den du machen kannst, ist, nichts zu tun.“

SAM JONES/TRUNK ARCHIVE (COVER), KONSTANTIN REYER

Viel Spaß mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

NEUE ART ROCKSTAR

Warum T. C. Boyle als (fast) einziger Autor die Bezeichnung „Kult“ verdient. Ab Seite 88

Wie die Australierin Madison Stewart die Hai-Jagd bekämpft. Ab Seite 46 6

THE RED BULLETIN


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I N H A LT The Red Bulletin im Mai 2020

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COVERSTORY

32 DER SENSIBLE HELD

Oscar-Gewinner Javier Bardem erklärt, warum du erst deine ­Gefühle verstehen musst, um Menschen zu berühren.

5-MINUTEN-COACH

62 RISIKEN MEISTERN

AUF DEM SPRUNG Unser Autor (re.) lernt ­von Trial-Freestyle-Ass Adrian Guggemos.

Apnoe-Taucher Christian Redl erklärt, wie du schlau mit ­Gefahren umgehst.

TRIAL FREESTYLE

64 FAHRSCHULE EXTREM 38 Y ES, SHE CAN

Jasmin Paris, Siegerin des ­Spine Race 2019, über Vorteile von Frauen auf Langstrecken.

TV-SERIEN

42 RUMPF-SPANNUNG

Schauspielerin Ella Rumpf wagt sich in extreme Welten vor. Ihr Treibstoff heißt Angst.

MUSIK

44 DRUM ’N’ BASSGEIGE

Wie die Drum ’n’ Bass-Könige Camo & Krooked ein Konzert mit einem Orchester spielten.

AKTIVISMUS

46 HAI-RETTERIN

Wie die Australierin Madison Stewart gegen die Ausrottung ihrer Lieblingstiere kämpft.

WINGS FOR LIFE

54 DIE KÄMPFERIN

Kristina Vogel erzählt, wie sie ihr Leben trotz Querschnitts­ lähmung in die Hand nimmt.

10 GALLERY XXL 24 ZAHLEN, BITTE! 2 6 PLAYLIST

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Unser Autor lernt MotorradStunts bei Profi-Athlet Adrian Guggemos.

MUSIK

72 SO KLINGT AFRIKA

Alle lieben diesen Sound. Wir ­haben das größte AfrobeatsFestival der Welt besucht.

GUIDE

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

72 AUF DER ÜBERHOLSPUR Afrobeats-Stars wie Rema, 19, erobern aktuell die Pop-Welt.

83 REISEN. Der ÖTILLÖ Swimrun – ­Inselhopping auf Schwedisch. 88 LESESTOFF. T. C. Boyle und die Liga der wahren Kult-Autoren. 90 G AMING. Wie du von „Endless Runner“-Games profitieren kannst. 91 SMARTWEAR. Ein Laufschuh, der dein Training aufzeichnet. 92 M OTORRÄDER. Damit wollen wir im Frühjahr die Kurven kratzen. 94 L AUFGEAR. Sieben Begleiter auf deinem Weg zum Runner’s High.

27 FUNDSTÜCK 2 8 LIFE HACKS 3 0 CLUB DER TOTEN DENKER

6 0 INNOVATOR 9 6 IMPRESSUM 9 8 PERFEKTER ABGANG

54 AUF NEUER MISSION Kristina Vogel kämpft nach ihrem Unfall für Menschen mit Handicap.

THE RED BULLETIN

KONSTANTIN REYER, ANDREW ESIEBO/PANOS, PETER RIGAUD, PERRIN JAMES

LAUFEN


46 AUF TAUCHGANG Madison Stewart nimmt es mit Haien auf – vor allem aber mit deren Jägern.

THE RED BULLETIN

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Geschichten aus dem Grenzbereich

THIAGO DIZ

Je verrückter die Aufgabe, desto prächtiger der Lorbeer: Der Mensch wächst an der Größe der Herausforderung. Wir präsentieren zehn Lauf-Events der Superlative.

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DESERT ULTRA, NAMIBIA

Hot Legs

Jeder Beachvolleyballer weiß: Laufen im tiefen Sand kostet Kraft. In der Namib-Wüste Namibias kommen noch unbarmherzige Temperaturen bis 55 Grad bei Tag und nahe dem Nullpunkt bei Nacht dazu. Und der Wind, der die gewaltigen Dünen aufbaut. Beim Desert Ultra sind endlose 250 Kilometer in fünf Etappen zu bewältigen. Ein paar Teilnehmer sind schon vorher am Sand. THE RED BULLETIN

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MARATHON SÃO PAULO, BRASILIEN

Morgenstund Die 42.195 Meter des klassischen Marathons sind sozusagen die Einstiegsdroge für Laufjunkies. Wer’s nie mit dem Mann mit dem Hammer zu tun bekam, der verlässlich bei Kilometer 30 wartet, hat eine wichtige Erfahrung im Leben versäumt. Doch einen Marathon zu schaffen und einen zu gewinnen sind zwei grundverschiedene Paar Schuhe. Die Spitzengruppe in São Paulo hat jedenfalls keinen Blick für die Schönheit des Sonnenaufgangs.

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THIAGO DIZ


LAVAREDO ULTRA TRAIL, DOLOMITEN, ITALIEN

Bergauf, bergab In der grandiosen ­Kulisse der Dolomiten befindet sich eine der spektakulärsten Rennstrecken für ­ambitionierte Trail­ runner: 120 Kilometer lang, fast 6000 Hö­ hen­meter rauf und wieder runter. Start und Ziel ist in Cortina d’Ampezzo, die Best­ zeit liegt einen Hauch über zwölf Stunden, der Durchschnitt der 1800 Teilnehmer braucht allerdings fast doppelt so lang.

MARATHON DES SABLES, MAROKKO

Wüstes Rennen

ALEXIS BERG (2), CIMBALY/MARATHON DE SABLES

Man wird sich viel­ leicht fragen, was der Läufer bei seiner siebentägigen Gewalt­ tour durch die Sahara in seinem Rucksack mitführt. Nun: ein Überlebenspaket, ­bestehend aus einem Schlafsack, 2000 Kilo­ kalorien Nahrung so­ wie einem Schlangen­ biss-­Set. Das Wasser – pro Tag ungefähr neun Liter – stellt freundlicherweise der Veranstalter zur Verfügung.

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BADWATER ULTRAMARATHON, DEATH VALLEY, KALIFORNIEN, USA

Tiefpunkt Das ist Oswaldo López, ein Kali­for­ nier mit mexikanischen Wurzeln. Er hat sich vorgenommen, eine der härtesten Herausforderungen der Welt zu überstehen: Der Be­ werb startet am tiefsten Punkt ­Kaliforniens – am Badwater Point im Death Valley, 85 Meter unter dem Meeresspiegel. Das Ziel liegt, 217 Kilometer entfernt, nahe dem höchsten Gipfel des Bundesstaats, dem Mount Whitney, 2530 Meter über dem Meer. Man ahnt: Da braucht es Sonnencreme. Und hin und wieder eine Pause.


ULTRA-MARATHON, ANTARKTIS

Ab in den Süden! Start zum definitiv kältesten Marathon der Welt: 250 Kilometer durchs ewige Eis der Antarktis. Um überhaupt hierherzukommen, müssen die Teilnehmer vorher drei Tage mit dem Schiff durch die für seine gnaden­losen Stürme und den hohen Wellengang bekannte Drake-Passage südlich von Patagonien.

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THIAGO DIZ

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BARKLEY 100, FROZEN HEAD, TENNESSEE, USA

Schöner scheitern

ALEXIS BERG

161 Kilometer durch die weglose Wildnis des gefürchteten Frozen Head State Park in weniger als 60 Stunden: Das Barkley 100 ist mehr aufs Scheitern angelegt als aufs Durchkommen. In 30 Jahren schafften es genau 15 Teilnehmer ins Ziel. Der Kanadier Gary Robbins (im Bild) scheiterte bislang am schönsten: 2017 fehlten ihm am Ende exakt sechs Sekunden.

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CHINA ULTRA 168, CHONGLI, CHINA

Nur der Anfang

THIAGO DIZ

Wenn es losgeht in der City nördlich von Peking, schaut ja alles noch total harmlos aus. Aber schon bald führt der Kurs des 120-Kilometer-Rennens hinaus in die Berge und Täler jener Provinz, in der viele Freiluftbewerbe der Olympischen Winterspiele 2022 stattfinden – so Gott will.

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ULTRA-MARATHON, SÜDINSEL, NEUSEELAND

Wille und Weg Die Veranstaltungen, die unter dem Markenzeichen „RacingThePlanet“ angeboten werden, sind ideal für Menschen, die es nicht erwarten können, an ihre Grenzen zu stoßen. Hier genießt gerade ein Brite in den Bergen Neuseelands das süch­ tig machende Gefühl kurz vor der totalen Erschöpfung. Schöner ist es nur noch, in so einem Moment die Zähne zusammenzubeißen – und weiterzumachen.


TOR DES GÉANTS, AOSTATAL, ITALIEN

Halbzeitpause 150 Stunden – also fast eine Woche – ­haben die Teilnehmer bei diesem Berg­ rennen nördlich von Turin Zeit, 330 Kilo­ meter und 24.000 Höhenmeter zu be­ wältigen. Viel Schlaf gönnen sie sich in den Raststationen – hier eine zur Halb­ zeit – trotzdem nicht: Die Angst, es nicht rechtzeitig ins Ziel zu schaffen, läuft ­immer mit.

Das Ende ist nah

THIAGO DIZ, ALEXIS BERG (2)

Ein magischer ­Moment: Die Sonne geht auf über dem mächtigen MontBlanc-­Massiv. Und der Läufer im Bild wird von immer stärkeren Glücksgefühlen über­ mannt. An dieser ­Stelle der Stecke sind 320 Kilometer ge­ schafft. Noch zehn ­Kilometer bis ins Ziel! Der innere Schweine­ hund winselt um Gnade.

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Z AHL EN, BI T T E!

JUBILÄUM

Rasta, Raucher, Rebell 2020 wäre Bob Marley 75 geworden. Hier ein Blick auf sein Leben: Welche Platte machte ihn zum King of Reggae? Wer versuchte, ihn umzubringen? Und wie viele Insekten lebten in seinen Dreadlocks?

Kinder hatte Marley offiziell, von bis zu 46 wird gemunkelt.

Testamente hinterließ der Rastafari seiner unüberschaubaren Großfamilie. Die Anwälte freuten sich.

Jahre alt war Marleys Mutter, eine Sängerin, bei seiner Geburt – sein Vater, ein Hauptmann der britischen Armee, war 60.

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5.

Jahre alt war Marley, als er b ­ eschloss, sein in der ­Nachbarschaft gefeiertes Talent als ­Handleser aufzugeben, um Musiker zu werden.

Platz auf der „Forbes“-Liste der bestverdienenden toten Celebritys: 2019 verdiente seine Familie mit Streams und Marley-­Hi-FiProdukten 20 Millionen Dollar.

2585

130.000.000 Dollar ist heute sein geschätzter Marktwert.

Pfund zahlte ein Bieter 2003 bei ­einer Versteigerung für ein 10,2 Zentimeter langes Dreadlock-Stück des Reggae-Stars samt ­Autogrammkarte.

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72

1977

104:14

28.000.000

wurde Hautkrebs auf einer seiner großen Zehen entdeckt. Wegen seiner Rastafari-Religion lehnte er eine Amputation ab. Marley starb vier Jahre später.

Mal wurde seine posthum veröffentlichte Best-of-Compilation „Legend“ verkauft. Es ist damit das meistverkaufte Reggae-Album aller Zeiten. 24

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CLAUDIA MEITERT

Hope Road war die Adresse in Kingston, wo er 1976 ein Schuss­ attentat überlebte. Es heißt, die CIA sei daran beteiligt gewesen.

verschiedene Insekten wurden nach Marleys Tod angeblich in seinen Dreadlocks gefunden.

ist der Bibel-Psalm, auf den sich Bob berief, wenn es um ­seinen Cannabis-Konsum ging. Auch in seinen Sarg wurde Marihuana ­gelegt.

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GETTY IMAGES (5)

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P L AYL I ST

LA ROUX

Hör auf dein Herz Nach schweren Zeiten feiert Sängerin Elly Jackson, 32, ihr Comeback mit neuem ­Album. Hier ist ihre Playlist gegen Liebeskummer. Mit Synth-Pop-Hits wie „Bulletproof“ oder „In for the Kill“ surfte La Roux vor elf Jahren über alle Radiowellen. Doch dann musste die in London geborene Sängerin Elly Jackson mehrere Hiobsbotschaften verkraften: eine Beinahe-Pleite, die Trennung von Songwriter Ben Langmaid und ihrer Plattenfirma sowie Beziehungsprobleme, die eine Kreativ-Blockade auslösten. Nun ist sie zurück mit dem dritten La-RouxAlbum, „Supervision“ – einem „Soundtrack für eine optimis­tische Zukunft“ –, das für Jackson wie eine kreative Therapie nach ­dieser düsteren Zeit wirkte. Und wenn das Herz blutet, sind folgende Songs ihre besten Begleiter … „Supervision“ ist bereits er­schienen; laroux.co.uk

Ken Boothe

Carly Simon

Depeche Mode

Gerry Rafferty

„Eigentlich ist der SupremesSong besser bekannt unter dem Titel ‚You Keep Me Hangin’ On‘. Er wurde oft gecovert, und ich liebe jede Variante. Am meisten aber bedeutet mir diese Reggae-Version von Ken Boothe. Und der Titel ‚Set Me Free‘ ist das perfekte Motto, um eine Trennung zu überwinden. Dafür bin ich selbst der beste Beweis.“

„Liebeskummer bedeutet für mich selten Wut auf den ExPartner, sondern vor allem in Erinnerungen zu schwelgen an glücklichere gemeinsame Zeiten und Lieder zu hören, die uns verbunden haben. Dabei lande ich fast immer irgendwann bei Carly Simons ‚Why‘, das übrigens viel besser ist als ‚You’re So Vain‘, ihr Hit aus dem Jahr 1972.“

„Ich liebe diese Aufnahme immer noch so sehr, sie ist im wahrsten Sinne erhebend – und deswegen perfekt, um den Liebeskummer zu überwinden. Depeche Mode war die Hauptinspiration für mein erstes Album 2009. Ohne ihren Debütsong aus dem Jahr 1981, ‚Speak & Spell‘, gäbe es vermutlich heute keine La Roux, so wie ihr sie kennt.“

„Manche Lieder sind wie ein Freund, die einen durch Krisen helfen. Für mich ist ‚Right Down the Line‘ so ein Freund. Es ist so schade, dass die meisten nur Raffertys Hit ‚Baker Street‘ kennen. Sie meinen dann: ,Da läuft ständig dieses verdammte Saxophon-Solo im Radio, das nicht aufhören will, das nervt.‘ Aber Rafferty kann so viel mehr.“

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New Life (1981)

Right Down the Line (1978)

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MARCEL ANDERS

Why (1982)

ANDREW WHITTON

Set Me Free (1968)


F U ND ST Ü CK

JOGGING-IKONE

Lauf, Forrest, lauf! SHUTTERSTOCK, GETTY IMAGES

Nike-Cortez-Laufschuhe, Original-Requisit aus dem Film „Forrest Gump“, 1994 Wie wir wissen, hat Forrest Gump, der reine Tor und ein wenig schlichte Protagonist des gleichnamigen Films, eine ganze Menge Dinge unabsichtlich erfunden, unter anderem das Joggen. Das sind die Schuhe, mit denen er laut Drehbuch drei Jahre lang kreuz und quer durch die USA lief, immer dem amerikanischen Traum hinterher.

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L I F E HACKS

SCIENCE-BASTLER

Tricks für dein Badezimmer Pfiffige Lösungen für alltägliche Probleme, Volume 20: wie du dein Badezimmer mit Essig und Rasierschaum im Handumdrehen auf Vordermann bringst – und beim Duschen voll informiert bleibst.

DUSCHKOPF

Saubere Lösung

Der Duschkopf ist voller Kalk? Kein Problem, mit diesem Trick reinigt er sich fast von selbst!

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iPAD

Morning Show unter der Dusche Wer beim Haarewaschen nicht auf News verzichten möchte, braucht Saugnäpfe.

iPad in Plastikbeutel mit drei Saugnapf-Hängern an die Wand heften.

Drück den Plastik­ beutel in die Tasse. Öffne ihn und füll die Tasse halb voll mit Essig.

ZAHNBÜRSTE

2 Zieh den Gummi­

ring über den Griff, stülp den Beutel über den Duschkopf und befestige ihn mit dem Gummi.

Kur mit heißem Wasser Die Borsten stehen wild vom Bürstenkopf ab? Nach einem heißen Bad ist die Zahnbürste wieder adrett.

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1 mind. 70 °C

ca. 1 Min.

Rühre die Zahnbürste in heißem Wasser, danach sieht sie aus wie neu.

SPIEGEL

Voller Durchblick

3 Lass den Beutel rund

Rasierschaum verhindert, dass der Spiegel nach dem Duschen beschlägt. SASCHA BIERL

eine Stunde lang hängen und r­einige die Ritzen ­danach mit ei­ner ­alten Zahnbürste …

… während das Wasser läuft. Et voilà – die Kalk­ rückstände sind verschwunden!

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CLEMENS MAKANAKY

30–60 Min.

Rasierschaum auftragen, kurz einwirken lassen, mit ­Mikrofasertuch abwischen.

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D ER CLU B DER TOT EN DEN K ER

SØREN KIERKEGAARD

Soll ich kündigen, wenn ich mich in meinem Job nicht selbst verwirklichen kann? Die größten Denker aller Zeiten beantworten Fragen unserer Gegenwart, übermittelt durch den Philosophen Christoph Quarch. Diesmal: Søren Kierkegaard erklärt, wie Potenzialentfaltung funktioniert.

K

ündige, und du wirst es bereuen; kündige nicht, und du wirst es auch bereuen. So etwas habe ich einmal geschrieben, als ein Freund mich fragte, ob er heiraten oder die Beziehung quasi „kündigen“ solle. Wirklich geholfen hat’s ihm freilich nicht. Genauso wenig wie dieser Rat dir hilft. Aber weißt du, warum ich das sage? Ich sage es, um dich darauf zu stoßen, wo dein eigentliches Pro­blem steckt: nicht in der Frage, ob du kündigen sollst oder nicht, sondern in der Frage, was du eigentlich damit meinst, du könnest dich nicht selbst verwirklichen. Von wem ist hier die Rede? Wer ist das Ich, und wer ist das Selbst? Hast du da schon einmal drüber nachgedacht? Solltest du tun, denn solange du das nicht tust, ist egal, ob du kündigst oder nicht. Also, wer ist das Ich, das hier fragt, ob es kündigen soll? Hast du ein klares Bild von dir, sodass du sagen könntest: „Also eigentlich bin ich dies und das, aber die Umstände verhindern, dass ich mein Potenzial entfalten kann.“ So funktioniert das aber nicht. Wenn du dir einbildest, du wüsstest, wer du ­eigentlich bist und welches Potenzial du unbedingt entfalten musst, wirst du scheitern. Denn in diesem Fall bist du von dem infiziert, was ich die „Krankheit zum Tode“ genannt habe. Sie tritt auf, wenn du verzweifelt versuchst, du selbst zu sein.

Selbstverwirklichung. Ich verrate auch gleich, warum. Vorher aber muss ich noch die zweite Form der „Krankheit zum Tode“ erklären: jene, die dann auftritt, wenn du verzweifelt versuchst, nicht du selbst zu sein. Diese Variante entsteht, wenn du zu glauben beginnst, du seist das, wozu du de facto geworden bist: angestellt bei einer Firma, in der du dich nicht wohlfühlst, abgestumpft von der Routine, intellektuell unterfordert, von der Chefetage nicht angemessen geschätzt etc. Ich ist hier nicht die Idee, wie du gerne sein willst, sondern die Realität, die du vorfindest, wenn du in den Spiegel schaust. So oder so: Egal ob du dein „eigent­liches Ich“ verwirklichen oder dein „uneigentliches Ich“ loswerden willst – du wirst nicht glücklich. Weder das eine noch das andere stellt ­einen Schlüssel zu mehr Selbstzufriedenheit bereit. Ja gibt es denn keine Lösung? Doch, sie steckt im Wörtchen „selbst“. Darüber hast du noch nie nachgedacht, stimmt’s? Ich schon. Und ich habe eine geniale Antwort auf die Frage nach dem „Selbst“: „Ein Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält.“ Geil, oder? Ich erklär’s: Das Selbst, das du verwirklichen willst – das gibt es nicht. Dein Selbst ist kein bestimmtes Ich, kein festes Ding. Das Selbst ist ein Geschehen, ein Prozess. Für deine Karriereplanung kommt es nur darauf an, dieses Potenzial zu entfalten, anstatt einer fixen Idee von dir nachzulaufen. Du musst Lust haben, nicht ein Ich, sondern ein Selbst zu sein: dich ständig neu zu dir zu verhalten, dich infrage zu stellen, die Herausforderungen des Lebens anzunehmen und als Chance zur Veränderung zu sehen. Vorschnell zu kündigen führt zu nichts. Denn wenn du kündigst, um dein Ich zu verwirklichen, kündigst du in Wahrheit deinem Selbst.

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SØREN KIERKEGAARD (1813 – 1855) gilt als Wegbereiter der Existenzphilosophie, wenn nicht als ­deren erster Vertreter. Er kam aus einem streng religiösen Eltern­ haus und war ein latent depressiver Mensch. Die Verlobung mit der von ihm geliebten Regine Olsen löste er nach wenigen Tagen, weil er bezweifelte, sie glücklich machen zu können. Enttäuscht und verbittert erlag Kierkegaard im Alter von nur 42 Jahren in seiner Heimatstadt Kopenhagen einem Schlaganfall.

THE RED BULLETIN

DR. CHRISTOPH QUARCH

Üble Sache: Wenn du von der Idee besessen bist, du wüsstest, wer dein Ich ist, und du könntest mit der Kraft deines Willens dieses Ich verwirklichen, wirst du keinen Schritt weiterkommen. Egal wie oft du von irgendwelchen Küchenpsychologen gehört hast, du könntest dein Ich verwirklichen, wenn du nur wolltest. Vergiss es. Das führt zu nichts – vor allem nicht zur

BENE ROHLMANN

„ Ein Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält.“ Geil, oder?


SØREN KIERKEGAARD (1813–1855)

Philosoph und unfreiwilliger Berufsberater: „Du darfst nie einer fixen Idee von dir nachlaufen.“

THE RED BULLETIN

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Ecken und Kanten: Bardem setzt sich für eine intakte Umwelt und Flüchtlinge ein, auch wenn das nicht jedem gefällt.

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„ PSYCHOTHERAPIE IST DAS FITNESS­ STUDIO FÜR DIE

SEELE“ Oscar-Gewinner JAVIER BARDEM, 51, erkundet seine Gefühle beim Psychologen. Hier erklärt er, wie die Selbsterkenntnis ihm hilft, Menschen zu berühren. Text RÜDIGER STURM  Fotos SAM JONES / TRUNK ARCHIVE


„ MEINE MUTTER WAR EINE KÄMPFERIN – DAS HAT MICH INSPIRIERT.“

J

avier Bardem trägt neuerdings Brille, was bei ihm ein eher ungewohnter Anblick ist. „Das ist das Alter“,­ sagt der inzwischen Einundfünfzigjährige. Der Spanier hat für seine Rolle als skrupelloser Auftrags­ killer in „No Country for Old Men“ den Oscar ge­ wonnen und spielte in Blockbustern wie „Pirates of the Caribbean“ mit, aber der typische Hollywoodstar ist er bis heute nicht. Der Mann, der von sich selbst behauptet, schüch­ tern zu sein, wirkt selbst dann noch sensibel und verletzlich, wenn er einen ausnehmend brutalen Bond-Bösewicht spielt. Nach Hollywood kommt er nur, wenn er einen Film dreht, sonst lebt er mit seiner ebenfalls berühmten Frau Penélope Cruz und den zwei gemeinsamen Kindern lieber in Madrid. Wie feinfühlig Bardem spielen kann, zeigt er derzeit im Kino im Film „The Roads Not Taken“, in dem er einen an Demenz erkrankten Schriftsteller darstellt. Im Interview in Berlin führt er aus, wie ihm die ­Psychotherapie hilft, ein besserer Schauspieler zu werden, was er von seinen Kindern gelernt hat – und welcher Auftritt für ihn die Hölle war.

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the red bulletin: Stimmt es, dass Sie sich gern beim Therapeuten auf die Couch legen? javier bardem: Ja, ich glaube an die Psycho­ therapie. Und gelegentlich gehe ich da auch hin. Inwiefern hilft Ihnen das? Ich würde das mit einem Besuch im Fitnessstudio vergleichen – nur ist es eben ein seelisches Workout. Ich muss dort meine Gefühle rausholen, sie in Ruhe ansehen und dann säuberlich in einzelne Schubladen packen. In einer Therapie lernt man viel über sich selbst. Können Sie mit Ihren negativen Seiten leben? Wissen Sie, ich bin vor kurzem 51 geworden, mittler­ weile finde ich mich okay, wie ich bin. Klar versuche ich, ein besserer Mensch zu sein, als ich es vielleicht mit 25 war. Aber wenn ich ehrlich bin, dann gibt es natürlich auch Dinge, mit denen ich nie ins Reine kommen werde: Manchmal geht etwa meine Wut mit mir durch. Das ist aber okay. Das ist nun mal meine Natur, und das macht mich auch aus. THE RED BULLETIN


Selbstbild: „Ich bin jetzt 51. Inzwischen finde ich mich okay, wie ich bin.“


Im Dezember überkam Sie der Jähzorn, während Sie eine Rede hielten. Im Rahmen einer KlimaDemonstra­tion haben Sie den Bürgermeister von Madrid als dumm bezeichnet. Danach mussten Sie sich dafür entschuldigen … Weil das nicht angemessen war. Das war getrieben von einem Impuls und einer Energie, die aus der Wut kamen. Und wenn du dich nach deiner Wut richtest, wird es hässlich. Wut ist nicht konstruktiv, nur destruktiv. Je mehr Distanz du zu ihr hast, desto besser. Ich muss einfach akzeptieren, dass es Leute gibt, die das Gegenteil von dem empfinden und ver­ treten, was ich denke. Und nutzen Sie diese Erkenntnisse auch für Ihren Job? Holen Sie dann die Emotionen aus den verschiedenen Schubladen hervor? Natürlich, denn meine Gefühle und Erlebnisse sind ja das Mittel, mit dem ich arbeite. Aber es ist nicht so, dass ich mich direkt bei meinen Erinnerungen bediene. Wenn ich eine Szene spiele, in der mein Kind von einem Auto überfahren wird, dann stelle ich mir nicht vor, das wäre meinem eigenen Kind passiert. Das wäre ja krank. Eine ältere Schau­ spielerin, die gerade ihre Tochter verloren hatte, meinte einmal zu mir, sie habe in all ihren Filmen Trauer und Schmerz falsch dargestellt. Denn zum ersten Mal habe sie begriffen, was das wirklich be­ deutet. Wenn sie nun dieses reale Gefühl als Schau­ spielerin zeigen sollte, dann würde sie das nicht länger als fünf Minuten durchhalten. Du kannst als Schauspieler nicht in die absoluten Tiefen deiner Emotionen eintauchen. Mit welchen Gefühlen arbeiten Sie dann? Du malst dir Gefühle aus, die der verlangten ­Emotion ähnlich sind. Und dann musst du sie ­wieder ablegen. Das Kunststück als Schauspieler ist es, eine Emotion an die Oberfläche zu bringen, die du wiederholen kannst. Aber du darfst dich ­davon nicht überwältigen lassen. In „The Roads Not Taken“, wo ich einen Mann spiele, der an D ­ emenz leidet, war ich nicht den ganzen Tag lang im Demenz-­ Modus. Ich weiß, dass mein Kollege Daniel DayLewis zu so etwas fähig ist. Aber wohl auch deshalb dreht er ja keine Filme mehr. Ich würde dabei ver­ rückt werden. Spielen Sie mit angezogener Handbremse? Das nicht. Aber es gibt Schauspieler, die man für gut hält, weil sie sehr emotional sind. Sie weinen, sie zerfleischen sich selbst vor laufender Kamera, aber du als Zuschauer fühlst nichts. Warum? Weil das nicht attraktiv ist. Emotionen müssen für den 36

Obenauf dank dunkler Seite: Seinen Durchbruch feierte Bardem als Killer in „No Country for Old Men“.

„ DU MUSST DAS PUBLIKUM ÜBERZEUGEN, DASS DU ETWAS FÜHLST.“ THE RED BULLETIN


Zuschauer interessant anzuschauen sein. Das klingt vielleicht etwas kaltherzig, aber das ist die Kunst der Darstellung. Du musst es selbst nicht fühlen, sondern du musst das Publikum davon überzeugen, dass du etwas fühlst. Funktioniert dieses Prinzip denn bei Ihnen auch im wirklichen Leben? Bei mir leider überhaupt nicht. Vor mehreren Jahren durfte ich eine große Rede vor der UNOGeneralversammlung in New York halten – es ging darin um die Flüchtlinge vom Volk der Sahrauis in der Westsahara, die diskriminiert werden. Ich war wahnsinnig nervös, denn es gab, anders als in meinem Job, keine Rolle, hinter der ich mich verstecken konnte. Und ich wusste, wie wichtig diese Ansprache ist. Meine Hände, in denen ich den Text meiner Rede hielt, zitterten. Es war die Hölle! Warum gelingt es Ihnen im Alltag nicht, in eine Rolle zu schlüpfen? Wie die meisten Menschen schränken mich im Alltag doch meine Ängste und moralischen Bedenken ein – ganz im Gegensatz zu meinen Kindern. Die wechseln von einer Rolle in die andere, ohne nachzudenken, ohne alle Vorbehalte. Da denkst du dir: „Verdammt, ich wünschte, ich hätte das drauf.“

„ ICH WILL EIN BESSERER MENSCH SEIN ALS MIT 25.“ Was haben Sie sonst von Ihren Kindern gelernt? Dass du alles neu lernen musst. Wenn du glaubst, dass du schon alles weißt, bringen deine Kids dir bei, dass du dich weiterentwickeln musst. Denn die Welt entwickelt sich auch ständig weiter. Das heißt, du musst offen sein, dich auf die Welt immer wieder neu einlassen. Je älter du wirst, desto mehr glaubst du, alles zu wissen. Aber wenn du nichts dazulernst, dann reduziert sich dein Wissen immer mehr. Was haben Sie in Ihrer eigenen Kindheit und Jugend von Ihrer Mutter erfahren, die ja selbst Schauspielerin war? Dazu muss man wissen, dass sie mich und meine beiden Geschwister praktisch allein aufgezogen hat, weil meine Eltern sich getrennt haben, als ich zwei Jahre alt war. Das war im Spanien der FrancoDiktatur, in den 60er- und 70er-Jahren, damals hatten nur Männer das Sagen. Und Schauspielerinnen galten als Prostituierte. Aber sie war eine Kämpferin – immer mit Würde, immer mit Gelassenheit. Das hat mich zutiefst inspiriert. Sie haben einmal erzählt, Ihre Mutter habe Sie ermutigt, auf Ihre Gefühle zu hören und Ihrer Sehnsucht nach Kreativität zu folgen. Das stimmt, von ihr habe ich wohl mein Einfühlungsvermögen geerbt. Eines Tages sagte sie mir: „Der beste Rat, den ich dir geben kann, ist: Mach deine eigenen Fehler. Wenn du etwas richtig machst, dann wirst du dich freuen, dass du das selbst geschafft hast. Suche dir deinen eigenen Weg, und tue etwas, was dir viel bedeutet. Lass dich von nichts und niemandem abschrecken.“

UNIVERSAL PICTURES

The Roads Not Taken Der Schriftsteller Leo (Javier Bardem) ist demenzkrank. Seine Tochter Molly (Elle Fanning) schleppt ihn von Arzt zu Arzt. Doch Leo ist in Gedanken ganz woanders – bei seiner großen Liebe Dolores (Salma Hayek) in Mexiko, beim Schreiben auf ­einer griechischen Insel –, die Wirklichkeit verschwimmt immer mehr. Regisseurin Sally Potter hat ihren Film über ein ungelebtes Leben mit einer beeindruckenden Starbesetzung inszeniert. THE RED BULLETIN

Eine andere wichtige Quelle der Inspiration für Sie ist Schauspielkollege Al Pacino. Sie haben ihn einmal sogar mit Gott verglichen. War das nicht ein bisschen übertrieben? Ganz und gar nicht. Seit ich ihn getroffen habe, hat meine Bewunderung für ihn noch zugenommen. Dieser Mann ist so gütig, so großzügig. Wenn du ihm sagst: „Ich liebe Ihre Arbeit“, interessiert ihn das überhaupt nicht, denn er will etwas von deiner Arbeit erfahren. Er wird achtzig Jahre alt – und lotet immer noch ­seine Grenzen aus, permanent! Das ist die richtige Einstellung. Abgesehen davon ist er auch supersexy.   37


Jasmin Paris

Immer häufiger siegen Frauen bei Langstreckenläufen. Jasmin Paris absolvierte die 431 Kilometer des Spine Race 15 Stunden vor dem schnellsten Mann. Und pumpte zwischendurch Milch für ihre Tochter ab. Text FLORIAN OBKIRCHER

Beim Spine Race 2019 in Wales, das als härtestes Ultra-Langstrecken­ren­ nen Europas gilt, absolvierte ­Jasmin Paris die Distanz von 431 Kilo­metern in 83 Stunden und 12 Minuten und wurde damit die erste Frau auf dem Siegerpodest. Aber damit nicht ge­ nug. Die Britin brach den Strecken­ rekord der Männer um 12 Stunden (heuer brauchte der US-Amerikaner John Kelly für die Strecke immerhin noch 87 h 55 min), war fast 15 Stun­ den schneller als der schnellste männ­liche Rivale – und verbrachte den Großteil der sieben Stunden Ru­ hezeit ­damit, Milch für ihre damals 14-monatige Tochter abzupumpen. Die 36-Jährige – übrigens keine Profi-Athletin – pausierte mit ihrer Doktorabeit in Veterinärmedizin für eine Woche, um an dem Rennen teilzunehmen. Sie gehört zu den Frauen, die in jüngster Vergangen­ heit in Ultra-Ausdauerwettkämpfen stärker waren als die Männer. Im August gewann die deutsche Rad­ rennfahrerin Fiona Kolbinger als ­erste Frau das Transcontinental Race durch Europa (knapp 4000 Kilo­meter in zehn Tagen). Und im September vorigen Jahres durch­ querte die US-Schwimmerin Sarah

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Thomas als e­ rster Mensch über­ haupt viermal hintereinander den Ärmelkanal (216 Kilometer in 54 Stunden) – ohne Pause. Die Wissenschaft hat mögliche Erklärungen für dieses Phänomen gefunden (siehe übernächste Seite): Je länger und härter ein Rennen ist, desto eher scheinen Frauen ihre männlichen Gegner zu schlagen. In unserem I­ nterview erzählt Power­ frau J­ asmin Paris, wie sie sich das er­ klärt und was sich während dieser Ultra-­Mission in ihrem Kopf abspielte. the red bulletin: In letzter Zeit wurde viel über Frauen berichtet, die Männer im Rahmen von UltraEvents schlagen. Was denkst du darüber? jasmin paris: Diese Frage höre ich oft. Ich bin keine Wissenschaftle­ rin … also, bin ich schon, aber das ist nicht mein Fachgebiet. Aus eige­ ner Erfahrung weiß ich: Je länger ich laufe, desto besser schneide ich im Vergleich zu meiner männlichen Konkurrenz ab. Denn je länger man läuft, desto weniger geht es um Kraft und aerobe Leistung. Es ist reine Kopfsache. Es geht darum, auf sich zu achten, multitaskingfähig zu sein und die Dinge unter einen Hut zu bekommen. Beim Dragon’s Back Race in Wales hat man mir gesagt: Männer hätten eine 50-prozentige Chance zu finishen, Frauen eine 90-prozentige.

Inwiefern? Wenn man 24 Stunden oder länger­ läuft, gibt es Phasen, in denen man sich richtig schlimm fühlt. Die Her­ ausforderung besteht darin, eine solche Phase zu überwinden und sich danach wieder besser zu fühlen. Es geht um die Fähigkeit, Beschwer­ den auszublenden und es durch­ zuziehen – das wiederum hat viel mit Meditation zu tun. Langstrecken zu laufen ist total meditativ, weil man kontinuierlich einen Schritt nach dem anderen macht. Wie ziehst du dich in einem Rennen aus einem Tief heraus? Das werde ich oft gefragt. Die Leute erhoffen sich den ultimativen Rat­ schlag von mir. Aber den habe ich nicht. Es hilft, stur zu sein und sich durchsetzen zu können. Essen ist wichtig – selbst wenn man denkt, man bekommt gerade nichts run­ ter. Denn wenn man sich ein wenig Energie zuführen kann, ist das oft der entscheidende Wendepunkt.

ROBERT ORMEROD

Das stärkere Geschlecht

Warum? Die Frauen, die an Langstrecken­ rennen teilnehmen, sind in der ­Regel besser vorbereitet, auch wenn sie nur zehn Prozent der Teilneh­ menden ausmachen. Außerdem gehen sie bewusster an die Sache heran und haben nicht diese MachoAttitüde von wegen „Ich schaffe das – egal wie hart es wird“. Manche Leute r­ ealisieren nicht, dass Durch­ haltevermögen in Langstrecken­ rennen zwar total wichtig ist, aber 50 Prozent der Kopf ausmacht.

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„Frauen treten bewusster an. Ohne MachoAttitüde.“ Ultraläuferin Jasmin Paris, 36, über die Vorteile gegenüber Männern

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Jasmin Paris

„Am Ende halluzinierte ich. Das war eine nette Ablenkung.“

Je länger, desto besser Es gibt nicht viele Studien, in denen weibliche und männliche Athleten miteinander verglichen werden. Nachfolgend aber sind fünf wissenschaftliche Theo­ rien aufgelistet, die zu erklären versuchen, warum Frauen in Ausdauerrennen besser sind als Männer. Erschöpfung: Laut Dr. Nicholas Tiller (Hallam Uni­ versity, Sheffield) haben Frauen insgesamt mehr langsam kontrahierende Muskelfasern, die wider­ standsfähiger gegenüber Erschöpfung und besser für Ausdaueraufgaben geeignet sind. Tempo: Eine Studie von 2016 zeigt, dass Männer ihre Zieleinlaufzeiten oft überschätzen und ­während des Rennens immer langsamer werden. Frauen können ihre Zielzeit genauer vorhersagen und ein gleichmäßigeres Tempo über das gesamte Rennen hinweg halten. Stoffwechsel: Laut einer Studie aus dem Jahr 2006 verbrennen Frauen Kalorien anders und gewinnen unter reduzierter Anstrengung mehr Energie aus Fett als aus Kohlehydraten. Emotionen: Dr. Carla Meijen (St. Mary’s University, Twickenham) erklärt, dass Frauen emotionaler mit Dingen umgehen. Wenn es um Themen wie Müdigkeit, Schlafentzug und Erschöpfung geht, ist das von Vorteil. Schmerz: Dr. Meijen: „Einige Teilnehmerinnen unse­ rer Studie sagten, dass Ereignisse wie die Geburt ­ihres Kindes ihnen geholfen hätten, mit Schmerz umzugehen. Sie glauben stärker an sich. Dadurch können sie Schmerzen besser überwinden.“

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Man muss auf den Wärme­haushalt achten. Manchmal will man nicht anhalten, um zu essen oder sich wärmer anzuziehen, weil man das für Zeitverschwendung hält. Aber das kann ein fataler Fehler sein. Apropos Wendepunkt: Eugeni Roselló Solé, der lange Zweiter hinter dir war, gab nach 425 Kilo­ metern auf – nur sechs Kilometer vor der Ziellinie … Wenn man ein Rennen wie das Spine Race gewinnen will, geht man bis an seine Grenzen. Manchmal besteht die Gefahr, dass man diese Grenzen überschreitet. Am letzten Tag war es da oben echt kalt, unter null Grad, und sehr windig. Ich hatte sechs Schichten an: drei Leggings und jedes bisschen Kleidung, was ich hatte. Man läuft zwar, aber nicht mehr so schnell – und sich warmzuhalten ist nicht einfach. Ich habe es gerade so geschafft. Eugeni hatte sich entschieden, weniger Equipment zu mitzunehmen. Ein Risiko, was sich letztendlich nicht ausgezahlt hat, weil es einfach zu kalt wurde. Aber das gehört zu den Entscheidungen, die man vor einem Rennen trifft. Wie viel Gewicht will man tragen? Wie schnell will man im Schnitt laufen? Ich glaube, Eugeni ist bis an die Grenzen gegangen, um mich einzuholen. Dann hatte er keine Reserven mehr. Wenn man zu sehr auskühlt und sich zu langsam bewegt, gerät man in einen Teufelskreis. Ich bin sehr froh, dass ihm nichts passiert ist.

Welche der 83 Stunden im Ultra­ lauf war die härteste? Ich glaube, das war irgendwann in der ersten Nacht. Ich war ziemlich erschöpft, gleichzeitig musste ich noch über 320 Kilometer laufen, um meine Tochter wiederzusehen. Die Leute verstehen das oft nicht und denken, dass man immer müder wird. Aber am letzten Tag wusste ich, dass ich vorn lag und abends meine Tochter sehen würde. Das hat die Situation irgendwie angenehm gemacht. Verändert sich die Wahrnehmung, wenn man so lange läuft? Fängt man an zu halluzinieren? Ja. Es war interessant, weil ich wusste, dass ich halluzinierte. Dinge und Konturen verwandeln und verändern sich. Irgendwie war das eine nette Ablenkung. Als ich kurz vor dem Ziel war, hatte ich den Eindruck, dass Menschen am Straßenrand standen. Dabei waren das nur Bäume, aber dein Verstand zeigt dir das, was du sehen willst. Du hast erwähnt, dass der Frauen­ anteil in vielen Rennen nur zehn Prozent beträgt. Wie lässt sich das ändern? In Rennen – und vor allem den größeren – ist eine Anpassung des Geschlechterverhältnisses längst überfällig. Es muss die gleichen Preisgelder und Trophäen für Frauen geben. Dass weniger Frauen teilnehmen, ist für mich keine Entschuldigung. Ein erster Schritt ist, für gleiche Bedingungen zu sorgen. Dann werden auch mehr Frauen mitmachen. inov-8.com; twitter.com/jasminkparis

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NO LIMITS PHOTOGRAPHY/SALOMON SKYLINE SCOTLAND

Jasmin Paris beim Spine Race, einem 431-km-Rennen durch Wales


LESS VIBRATION MORE ENERGY

OFFIZIELLER SCHUHPARTNER


Ella Rumpf

Angst? Die ist mein Treibstoff! Berlinale-Shootingstar Ella Rumpf, 25, wagt sich in extreme Welten vor, liebt intensive Gefühle, holt alles aus sich heraus. Wie? Ihr Treibstoff heißt Angst. Text RÜDIGER STURM  Foto CHRISTIAN SCHNUR

Sie spielte eine Kannibalin in „Raw“, eine Straßenkämpferin in „Tiger Girl“ und geht jetzt als Medium in der Netflix-Serie „Freud“ auf ­Mörderjagd. In ihrer jungen Karriere hat die Schweizerin Ella Rumpf eine ganze Reihe außergewöhnlicher Welten ­erkundet. Bei der Berlinale 2020 wurde sie als einer von zehn europäischen Shootingstars geehrt. Doch das alles hat seinen Preis: Im Grenzbereich des Schauspielens muss sie sich auch ihren Abgründen stellen. the red bulletin: In vielen ­deiner Figuren lotest du extreme Charaktere und Situationen aus. Woher kommt das? ella rumpf: Mich interessiert die Intensität im Leben, deshalb mag ich es, Rollen zu spielen, bei denen es existenziell wird. Ich setze mich gerne mit Themen wie Leben und Tod auseinander und versuche, sie durch meine Arbeit zu verstehen.

Suchst du solche intensiven Gefühle auch außerhalb der Arbeit? Eigentlich nicht. Ich bin nicht der Sportrisikotyp. Die Schauspielerei und dass ich dabei so viel unterwegs bin, das ist intensiv genug für den Moment. Intensität kann auch in der Stille passieren, die ich immer mehr zu schätzen beginne. Was geschieht in deinem Kopf, wenn du beim Dreh in psychische Grenzbereiche eintrittst? Das beherrschende Gefühl ist: Wie kann ich das, was ich innerlich verstehe, in mein Spiel übersetzen – so, dass die Zuschauer mir glauben und nicht denken: „So ein Schmarrn!“? Deshalb ist dann auch viel Angst dabei. Ich gehe oft durch Momente, in denen ich Schiss habe. Bei jedem Projekt muss ich mich überwinden. Wie besiegst du die Angst in ­solchen Situationen? Du musst dich reinwerfen. Einfach machen. Denn du hast keine andere Wahl mehr. Dabei hilft es, sich zu entspannen und ruhig zu bleiben. Wie findest du zur Entspannung? Ich übe das und sage mir: „Du musst deine Angst wegstecken, sonst zerstörst du deine Arbeit.“ Das ist wie ein Schalter, den man umlegt.

Was ist, wenn es nicht geht? Dann muss ich mit der Angst arbeiten und akzeptieren, dass sie dazu­ gehört. Angst ist ja nicht unbedingt etwas Schlechtes. Sie kann einem viel geben. Ich hätte Angst, gar keine Angst zu haben. Eigentlich habe ich Angst, keine Angst zu haben. Denn sie holt sehr viel aus mir heraus und hilft mir, an Orte zu gehen, an die ich normalerweise nicht gehe. Du hast in einem Interview auch von einer „inneren Rastlosigkeit“ gesprochen, die dich antreibt. Befürchtest du nicht, dass du dich innerlich aufreibst? Ich bin rastlos, aber im Lernen und im Wachsen. Das heißt nicht, dass ich mein Leben mit Dingen und Menschen anfüllen muss. Man kann seine Rastlosigkeit durch Bildung stillen, Bildung ist für mich auch zuhören. Ich hoffe, das hört nie auf. Wenn ich merke, dass ich müde ­werde oder nicht so inspiriert bin, dann macht mich das unruhig. Denn das Leben ist kurz, es gibt so viele Dinge, die ich noch tun und lernen möchte. Zum Beispiel? Ich würde supergern nach Südamerika. Die indigene Kultur dort interessiert mich schon so lange. Das Problem ist nur das Fliegen. Wegen der Arbeit fliege ich schon genug, deshalb versuche ich, das im Privatleben zu vermeiden und in Europa zu bleiben. Ich frage mich zunehmend: Kann ich die Welt nicht auch hier entdecken? Muss man denn alles sehen und entdecken? Wie kommst du dann ohne ­Flugzeug nach Südamerika? Es gibt Bücher, Theater, Kino – das bringt einen auch zum Reisen. „Freud“ läuft seit März auf Netflix.

Und das funktioniert jedes Mal? Nicht immer. 42

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„Ich mag Rollen, wo es um Leben und Tod geht.“ Ella Rumpf über die Wahl ihrer Charaktere

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Camo & Krooked

„Wir wussten, unser Leben steht nun drei Monate still.“ Die Perfektionisten Camo & Krooked vor ihrem ersten Analog-Konzert

Drum ’n’ Bassgeige Camo & Krooked sind die Könige des Drum ’n’ Bass. Jetzt wagten sie sich an klassische Musik. Die Welt war für sie neu, der Weg blieb derselbe: mitten durch die Mauer. Text STEFAN NIEDERWIESER  Foto ANDREA BLESÁKOVÁ

Elektronische Musik braucht Bass. Bevor sie dir in die Beine fährt, tritt sie dir in den Magen. Wenn’s in den Eingeweiden nicht mächtig scheppert, bleibt der Dancefloor leer. So einfach ist das, so funktio‑ niert Drum ’n’ Bass. Das österreichi‑ sche DJ‑Duo Camo & Krooked hat dieses Bauchgefühl perfektioniert, seit zwölf Jahren feilen der Salzbur‑ ger Reinhard „Camo“ Rietsch, 36, und der Niederösterreicher Markus „Krooked“ Wagner, 30, an Tunes, die in dem schnelllebigen Genre eine be‑ merkenswerte Konstante bilden: Sie bleiben international an der Spitze. Die Magie von Camo & Krooked heißt Akribie. Ein Beispiel: „Für ein Stück brauchten wir neulich einen Fingersnap, also haben wir ihn rein 44

synthetisch nachgebaut. Das hat zwei Wochen gedauert.“ Kann es ­jemand hören? „Nein.“ Verrückt? „Ja, aber irgendwer muss es ma‑ chen.“ Wenn es darum geht, neue Klangräume zu betreten, nehmen die beiden nie den Weg durch die Tür, sondern stets den durch die Mauer. „Du kannst neunmal gegen die Wand rennen. Beim zehnten Mal bricht sie durch. Aber du nimmst ­alles mit, was du bei den vorigen neun Malen gelernt hast – hoffent‑ lich keine Gehirnerschütterung.“ Für ihr letztes Projekt standen Camo & Krooked nicht nur vor einer Mauer, sondern auch vor einem ­Graben. Einem Orchestergraben, ­um genau zu sein. Bei Red Bull ­Symphonic interpretierten sie ihre

besten Tracks mit einem Orchester – eine Idee, die schon länger auf ih‑ rem Wunschzettel gestanden hatte. Als Helfer für das opulente Werk fungierte Christian Kolonovits, 68, Altmeister des Austropop, Kompo‑ nist und generell Mensch vieler Ta‑ lente. Schon bei den Proben wurde klar: Klassische Musik und Drum ’n’ Bass klingen nicht nur unterschied‑ lich, Arbeitsweise, Energie und Fachbegriffe sind es ebenfalls. C&K (Camo & Krooked) und CK (Christi‑ an Kolonovits) mussten erst eine ge‑ meinsame Sprache finden, die Es‑ senz der Klangfarben, Tunes und Grooves herausarbeiten. Töne, die am Computer synthetisch erschaffen wurden, für ein siebzigköpfiges Or‑ chester übersetzen. Harte Arbeit bis zur Erschöpfungsgrenze, aber er‑ neut hat sich die Akribie in Magie verwandelt. „Wir wussten, unser normales Leben steht drei Monate still. Aber dafür ist das Ergebnis am Ende einzigartig.“ Red Bull Symphonic – Camo & Krooked, Christian Kolonovits, Max Steiner Orchestra, Konzerthaus Wien; die Doku über die Zusammenarbeit ist abrufbar auf Red Bull TV und redbull.com THE RED BULLETIN


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FLÜÜÜGEL GIBT’S AUCH OHNE ZUCKER.

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Mit dem nötigen Biss Als MADISON STEWART, 26, Teenager war, begannen ihre Lieblingstiere aus dem Meer zu verschwinden. Heute bringt sie Haifischer dazu, sie zu schützen. Text LOU BOYD


PERRIN JAMES

Bestell nicht die Haifischflossensuppe: Die australische Natur­ schützerin Madison Stewart hat Haifischer zu Reiseleitern gemacht, die ihren Kampf gegen das Aussterben der Tiere unterstützen.

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„Ich sah eine Hai-Art, mit der ich immer schon hatte schwimmen wollen, zum ersten Mal in echt. Das Tier lag tot auf dem Markt. Das war hart.“

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eder hat einen Wohlfühl­ ort. Für die einen ist es ein Haus, für andere eine bestimmte Stadt oder ein Land. Der Wohlfühlort der australischen Umwelt­ schützerin Madison Ste­ wart liegt unter Wasser – in der Gesell­ schaft von Haien. „Keine Ahnung, wann ich mich in den Ozean verliebt habe“, sagt Stewart. „Ich genieße einfach die Freiheit, mit diesen faszinierenden Tieren zusammen zu schwimmen.“ Stewarts Eltern ermutigten sie von klein auf, die Natur zu erkunden. „Dass ich so früh mit dem Tauchen begann, liegt an meinem Vater. Er nahm mich von der Schule und ließ mich daheim unterrichten, damit wir öfter tauchen gehen konnten.“ Eines Tages – Stewart war gerade vierzehn – wollten sie bei einem Tauchgang am Great Barrier Reef eine große Gruppe Grauer Riffhaie be­ obachten, so wie sie es schon oft getan hatten. Von der Gruppe fehlte jede Spur. Jahre später sagt Stewart: „Meine ­Liebe zu den Haien begann, als sie lang­ sam aus den Meeren verschwanden.“ Die Haifischerei hat in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen. Sollte sich nichts daran ändern, wird sie nach der Einschätzung von Meeresschützern in dreißig Jahren zum unwiderruflichen Verlust vieler Spezies führen. Laut World Wide Fund for Nature sind derzeit fast 40 Hai-Arten durch Überfischung gefähr­ det, jede vierte davon ist vom Aussterben bedroht. In den Medien allerdings sind Haie noch immer nicht gefährdete, son­ dern ihrerseits lebensbedrohliche Meeres­

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bewohner. Dabei werden jährlich bis zu 100 Millionen Haie von Menschenhand getötet – entweder als Beifang (so be­ zeichnet man Fische und andere Meeres­ tiere, die beim Fang einer bestimmten Art unbeabsichtigt im Netz landen) oder indem man ihnen illegal die Flossen ab­ schneidet, bevor sie zum Sterben zurück ins Wasser geworfen werden. Obwohl einige Länder, darunter auch mehrere US-Staaten, den Besitz oder den Verkauf von Haien verbieten, servieren Restaurants und Märkte in China und Vietnam nach wie vor Haifischflossen­ suppe und Haifischfleisch. Geht es nach Madison Stewart, muss sich das ändern. Und zwar schnell. Sie hat schon genug tote Haie gesehen. „Egal wie grauenhaft die Bilder sind, ­irgendwann stumpft man ab. Bei den ­ersten paar toten Haien weinte ich, jetzt ist da nur noch ein Gefühl von Taubheit. Meistens zumindest. Vor kurzem sah ich eine Hai-Art, mit der ich immer schon hatte schwimmen wollen, zum ersten Mal in echt – das Tier lag tot auf dem Markt. Das war hart.“

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ach Jahren des Aktivismus – ­Stewart wurde von der Aus­ tralian Geographic Society als „Young Conservationist of the Year“ ausgezeichnet – musste sie ein­ sehen, wie aussichtslos dieser Kampf war. Nicht nur sie selbst, die ganze Welt war des Anblicks toter Haie müde. Es brauchte neue Wege, um den Wahnsinn zu stoppen. Ihr vor drei Jahren gegrün­ detes Unternehmen „Project Hiu“ („Hiu“ ist das indonesische Wort für „Haifisch“) THE RED BULLETIN


KARINA HOLDEN

Ganz in ihrem Element: Bei Tauchgängen an der Seite von beeindruckenden Haien fühlt sich Madison Stewart besonders wohl.

Die Hai-Tragödie liegt Madison Stewart buchstäblich zu Füßen, als sie ein Dorf auf der indonesischen Insel Lombok besucht, wo massenhaft Tiere getötet werden. THE RED BULLETIN

bekämpft den Haihandel an der Wurzel. Mit einer ungewöhnlichen und un­ gewöhnlich erfolgreichen Me­thode. Denn anstatt die Fischer eines kleinen Dorfes vor der Küste der indo­nesischen Insel Lombok zu verdammen, ladet ­Project Hiu sie zur freundschaftlichen Mitarbeit ein. „Naturschützer kennen diese Insel nur zu gut, sie hassen sie. Man stolpert hier quasi an jeder Ecke über tote Haie“, erklärt sie. „Irgendwann hatte ich genug davon, Fotos zu machen und wieder zu verschwinden. Also beschloss ich, einen ganz neuen Weg zu gehen.“ Den ersten Schritt machte Stewart, als sie mit Freunden ins Dorf zurück­ kehrte und den Haifischer Odi traf. „Am nächsten Tag ging er mit uns schnor­ cheln, und wir merkten, wie schön die   49


Gegend ist“, sagt sie. „Odi erzählte uns vom Fischen: wie wenig es ihm einbringt, dass er tagelang von seiner Familie weg ist und mit einem Fang zurückkommt, der nur fürs Nötigste reicht. Ich dachte mir: Was wäre, wenn wir den Fischern eine Alternative zum Haifischen bieten? – Das war der Grundgedanke von Project Hiu.“ Eine verrückte Idee, wenn man bedenkt: Die Haifischerei-Industrie versorgt indonesische Familien seit Gene­ rationen, viele Menschen auf Lombok sind komplett auf dieses Einkommen ­angewiesen. Wer möchte schon arbeitslos werden, nur weil ein australisches Mädchen sagt, dass es nicht okay ist, Haie zu töten? Stewart wusste, dass das Project Hiu nur funktionieren kann, wenn es eine reizvolle Alternative zum Töten bietet – etwas, was den Handel ­ersetzt, anstatt ihn zu beenden; etwas, was den Arbeitern einen Lebensunter­ halt bietet. Stewart dachte an ihre Ankunft auf Lombok und fand die Antwort im Tourismus. „Wir möchten nicht nur Fischer, sondern auch Naturschützer zu einem Umdenken bewegen“, sagt Stewart. „Wir zeigen, wie wichtig es ist, den anderen zu verstehen. Wir zeigen, dass Menschen Haie nicht aus Hass, sondern aus Mangel an Alternativen töten.“

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as Projekt richtet sich an Touristengruppen bis zehn Personen, die, von Einheimischen geführt, in drei, vier Haifischerbooten den Lebensraum der Haie erkunden. ­„Indem wir Haifischer zu Touri-­Guides machen, verhindern wir, dass diese Boote zum Fischen rausfahren – und schützen damit die Haie“, erklärt Stewart. „Project Hiu ist davon überzeugt, dass nur die Männer Haie retten können, die dazu ­erzogen wurden, sie zu töten.“ Noch sind die Wellen, die Project Hiu schlägt, klein; und manchmal fühlt sich Stewart allein auf weiter Flur. Aber sie weiß, dass ihre Idee Menschen weltweit zum Umdenken bewegen kann. „Ich ­arbeite mit der Gemeinde zusammen und möchte mehr Geld (von Lombok-­ Besuchern; Anm.) in das Schulsystem inves­tieren“, erklärt sie. „Der größte Erfolg der letzten Jahre war für mich, dass so viele Menschen sich für die Reisen ­an­gemeldet haben und wie sie von den ­Einheimischen willkommen geheißen wurden. Sie sehen die toten Haie und steigen am nächsten Tag auf ein Boot – im Wissen, dass sie Haie retten. Jeder Teilnehmer möchte etwas verändern.“ 50

„Wir machen Haifischer zu Touri-Guides, verhindern, dass Boote zum Fischen rausfahren, und schützen so Haie.“


PERRIN JAMES

Cool bleiben: Du wirst viel eher durch einen ­Blitz­ schlag getötet als von einem Hai gebissen.


Stewart agiert vor und hinter der Kamera, um auf das Hai-Drama aufmerksam zu machen. Die Filme „Blue“ und „Sharkwater Extinction“ sind auf DVD und digital erhältlich.

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„Der einzige Fehler, den man machen kann, ist, nichts zu tun.“

leberöl in Make-up-Produkten, und ­Haifischflossensuppe wird noch immer in Chinatowns weltweit verkauft. Was ich damit sagen will: Man kann den ­Haihandel bekämpfen, indem man als Kon­sument Dinge infrage stellt und nichts kauft, was sich negativ auf den Ozean auswirkt.“

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ie Mission, den Ozean und seine Bewohner zu retten, wirkt oft wie ein endloses und unmög­ liches Unterfangen. Können wir das Blatt noch wenden? „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht“, sagt Stewart. „Als ich ­jünger war, wusste ich, dass ich die Hai­ fischerei nicht würde stoppen können, aber ich kämpfte trotzdem weiter – aus Prinzip. Heute sehe ich, wie Menschen auf Lombok einen neuen Sinn in ihrem Leben finden, wie sie mehr Zeit mit ihren Familien verbringen und wie die Haie langsam wieder zurückkommen. Der einzige Fehler, den man machen kann, ist, nichts zu tun. Denn das würde be­ deuten, dass man tatsächlich schon längst aufgegeben hat.“

projecthiu.com THE RED BULLETIN

PERRIN JAMES, KARINA HOLDEN

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on intimen Tauchreisen mit ­ihrem Vater rund um das Great Barrier Reef bis zur Leitung ­einer medienwirksamen Akti­ vistenorganisation – Stewart hat in den letzten neun Jahren einen weiten Weg ­zurückgelegt und dabei auf vieles ver­ zichtet: „Ginge es nach mir, hätte ich meine Unterwasserwelt geheim gehal­ ten“, sagt sie. „Aber Industrie und Regie­ rungen haben ein Vakuum zwischen Ozean und Mensch geschaffen, und sie nutzen diesen Raum. Sie nehmen sich, was sie wollen. Ich muss einfach etwas unternehmen.“ Wer das auch so sieht und Meeres­ bewohner schützen möchte, muss laut Stewart nicht an die Küsten dieser Welt reisen: „Leute schauen manchmal auf meinen Instagram-Feed und denken sich: ‚Ich muss mit Haien schwimmen, um sie zu retten‘“, sagt Stewart. „Aber der Ozean wird von uns allen beeinflusst, ob in Küstennähe oder nicht.“ „Es gibt Haifischleberöl in Nahrungs­ ergänzungsmitteln, und man kann Hai­ knochen kaufen. Es stecken Haie in ­Leckerlis für Haustiere, es gibt Haifisch­



„ Niemand außer mir entscheidet über meine Träume“ Als Bahnradfahrerin gewann KRISTINA VOGEL, 29, zweimal Olympiagold. 2018 erlitt sie bei einem Unfall eine Querschnittslähmung. Hier erklärt sie, wie neue Ziele ihr die Kraft gaben, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Text ANNE WAAK Fotos PETER RIGAUD


Einsatz fĂźr die gute Sache: Kristina Vogel ist Botschafterin des Wings for Life World Run

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ristina Vogel, 29, war zweifache Olympiasiegerin und elffache Weltmeisterin im Bahnradfahren, als im Juni 2018 das Undenkbare passierte: Sie kollidierte im Training mit einem anderen Fahrer und ist seither vom siebten Brustwirbel abwärts querschnittsgelähmt. Doch Vogel zeigte einen erstaunlichen Willen und kämpfte sich trotz schwerster Verletzungen und monate­langem Krankenhausaufenthalt zurück in ein fast ganz normales Leben – nur eben im Rollstuhl. Gemein­ sam mit ihrem Lebensgefährten, dem ehemaligen Radsprinter Michael Seidenbecher, lebt die Polizei­ beamtin in Erfurt, engagiert sich im Stadtrat ihres Heimatortes und ist in diesem Jahr erstmals Bot­ schafterin des Wings for Life World Run. Beim Fotoshooting ist sie bestens gelaunt und beeindruckt alle Anwesenden mit großem körper­ lichen Einsatz. Im Interview erzählt sie, wie sie den Unfall erlebte, wer ihr danach Kraft gab und woher ihre Zielstrebigkeit kommt. the red bulletin: Vor fast zwei Jahren er­ eignete sich der Unfall, der dein Leben un­ widerruflich verändern sollte. Während eines Trainings in Cottbus bist du mit einem nieder­ ländischen Nachwuchsfahrer kollidiert. Seit­ dem sitzt du im Rollstuhl und kannst zwar ­deine Arme bewegen, vom siebten Brustwirbel abwärts aber spürst du nichts mehr. Was war dein erster Gedanke nach dem Sturz? kristina vogel: Die Erinnerung an den Sturz selbst ist weg. Ich habe die Augen geöffnet und wusste sofort: Okay, das hier ist wirklich ernst. Meine Unfallhelfer haben mir die immer sehr ­engen Schuhe ausgezogen. Als die von mir weg­ getragen wurden, ich das Ausziehen aber gar nicht gemerkt hatte, habe ich schon befürchtet, dass das mit dem Gehen nichts mehr wird. Anschließend fiel ich in ein Koma. Als ich zwei Tage später mei­ nen Lebensgefährten fragte, ob ich wieder laufen

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„ Ich sage immer: Machen ist wie Wollen – nur krasser.“ können würde, wusste ich die Antwort eigentlich schon, bevor er den Kopf schüttelte. Da­bei hatte ich die ersten zwei Wochen im Krankenhaus an­ dere Sorgen als das Nicht-gehen-Können. Bei der Schwere der Verletzungen, die ich erlitten hatte, stand es 50:50, ob ich überleben würde. Was hat dir nach dem Unfall geholfen? Meine Familie und mein Lebensgefährte Michael. Die ersten drei, vier Wochen war ich im Kranken­ haus nicht eine Stunde allein, ich musste nie nur für mich leiden. Das war es auch, was am Unfall am meisten geschmerzt hat: dass ich den anderen damit wehgetan habe. Ich komme mit den Folgen klar, und es liegt an mir, was ich daraus mache. Die anderen können nur zugucken. Das ist eine eher ungewöhnliche Sichtweise. Meine Mama sagt immer, dass einem Gott nur so viele Aufgaben gibt, wie man auch bewältigen kann. Ich glaube nicht an Gott, aber ich glaube ans Glauben. Weil ich denke, dass Glauben dem Menschen ganz viel Halt gibt. Ich dachte also: Okay, anscheinend muss ich das hier jetzt machen. Man wächst mit seinen Aufgaben. Dabei war dein Unfall vor zwei Jahren nicht der erste schwere Zwischenfall in deinem Leben. Schon 2009 lagst du zwei Tage im Koma, nach­ dem dir ein Kleinbus auf einer Trainingsfahrt die Vorfahrt genommen hatte. Ja, so ein Unfall reicht eigentlich einmal im Leben. Zumal ich schon damals mehr als genug Zeit im Krankenhaus verbracht habe. Aber mit der Gefahr muss man als Sportlerin immer leben, und be­ sonders Bahnradfahren ist mit mehr als 70 km/h eine sehr schnelle Sportart. Da macht man sich schon Gedanken über Stürze. Aber dass ein Unfall so schwere Folgen haben und ich im Rollstuhl landen könnte, hätte ich nie gedacht.

Klarer Fokus: Als Einwandererkind lernte Vogel früh, sich durchzusetzen. THE RED BULLETIN



Selbstbewusst: Kristina Vogel lässt sich nicht unterkriegen.

Wie hast du es nach dem ersten Unfall geschafft, ein derart beeindruckendes Comeback zu feiern? Nicht einmal zehn Monate danach bist du bei den deutschen Meisterschaften angetreten und hast das beste deutsche Ergebnis der vergangenen zwanzig Jahre eingefahren. Ich war mit dem Sport noch nicht fertig. Ich hatte noch so viele Ziele und wollte beweisen, dass nie­ mand außer mir über meine Träume entscheidet – und ganz bestimmt kein Autofahrer, der sich über­ schätzt und denkt, er schafft es vielleicht noch über die Kreuzung. Ich sage immer: Machen ist wie Wollen, nur krasser. Nach der Querschnitts­ lähmung vor zwei Jahren wusste ich ja, dass ich es schon einmal geschafft hatte und dass ich das wieder kann. Und ich glaube daran, dass man umso schneller vorwärtskommt, je schneller man eine Situation akzeptiert. Wenn ich etwas will, muss ich etwas dafür tun. War diese Zielstrebigkeit der Grund für deine Karriere als Athletin, oder wird man im Spitzensport zwangsläufig so durchsetzungsstark? Das spielt beides zusammen, Erziehung und mentales Talent, wenn man es so nennen will. Als Russlanddeutsche, deren Eltern aus Kirgisien hier­ herkamen und schnell Arbeit finden und sich in eine neue Umgebung integrieren mussten, wusste ich, dass ich mich anstrengen und hart arbeiten muss. Meine Erfahrung: Je mehr du erreichst, desto größer werden deine Träume. Und mit den Aufgaben wächst auch der Wille. Es muss aber doch Momente gegeben haben, in denen du verzweifelt warst. Die gab es, aber das waren eben Momente. Du willst zum Beispiel das erste Mal essen gehen, 58

kommst aber nicht ins Restaurant, weil es davor Treppen gibt. Also wirst du da nie wieder hingehen können, ohne dass dich zwei Leute hochtragen. Aber ich bin ja immer noch ich und lasse mich von einer Treppe oder Bordsteinkante nicht auf­ halten. Mit meinem Rollstuhl und der richtigen Balance komme ich heute auch auf unebenen Straßen klar. Stimmt es, dass du bereits am Krankenbett eine Liste mit Dingen angefertigt hast, die du noch machen willst im Leben? In dem halben Jahr im Krankenhaus habe ich viel Zeit mit Krankenschwestern verbracht. In den Unterhaltungen wurde mir klar, dass ich aufgrund meiner Karriere viele Sachen noch nie gemacht hatte, die für andere in meinem Alter ganz normal sind. Ich war zum Beispiel nie auf einem Konzert gewesen. Irgendwann dachte ich mir, ich brauche eine dieser „Bucket Lists“, auf denen Dinge wie ein Fallschirmsprung oder eine Reise nach New York stehen. Heute erinnert mich die Liste daran, mir auch mal Zeit für mich selbst zu nehmen. Als du dich beim Shooting vorhin vom Sitzen am Boden wieder in den Rollstuhl gehievt hast, hast du Hilfe mit den Worten „Das bisschen lasst mir mal“ abgelehnt. Ist der Verlust der Selbständigkeit für dich das Schlimmste an der Querschnittslähmung? Ich bin ja selbständig. Es sind die, die mir dabei zuschauen, die sich unbehaglich fühlen und mir helfen wollen. Darin zeigt sich, wie wenig Berüh­ rungspunkte die Leute mit Behinderten haben. Bei Sachen, die ich kann, lasse ich mir auch mal helfen. Aber solange ich etwas noch nicht kann, möchte ich das nicht. Das sind meine Heraus­ THE RED BULLETIN


GEMEINSAM FÜR DIE GUTE SACHE STARTEN Warum du per App beim Wings for Life World Run 2020 antreten solltest. DU VERBÜNDEST DICH MIT DER WELT

DU BEWEGST ENTSCHEIDENDES

Von Peru über Deutschland bis Australien: Rund um den Globus starten am 3. Mai zeitgleich alle Teilnehmer zum Wings for Life World Run – wegen der Corona-Pandemie ausschließlich über die App. Diese signalisiert den Start und meldet, wenn dich das virtuelle C ­ atcher Car eingeholt hat. Sämtliche Einnahmen fließen in die Forschung zur Heilung von Querschnittslähmung. Alles Infos unter: wingsforlifeworldrun.com

Ein neues Molekül, das die Heilung von Nervenzellen fördert, eine elektrische Stimulation eines Hirnnervs, die das Training der Handfunk­ tionen optimiert, eine Plattform, auf der Forscher ihre Erkenntnisse teilen können: Mit solch wegweisenden Ansätzen treiben Forscher auf der ganzen Welt die Heilung von Querschnittslähmungen voran und profitieren dabei von der Unterstützung durch die Wings for Life Stiftung. Mehr Infos: wingsforlife.com

forderungen. Das Ein- und Aussteigen aus dem Auto hat mich viel Zeit und Kraft gekostet, aber seit es geht, bin ich entspannter und nehme auch mal Unterstützung an.

„Je schneller du eine Situation akzeptierst, desto schneller kommst du voran.“

Seit kurzem bist du Botschafterin des Wings for Life World Run. Was bedeutet dir diese ­Aufgabe? Ich freue mich sehr, dazu beitragen zu können, dass noch mehr Leute von dieser Veranstaltung erfahren. Was für eine tolle Vorstellung, dass überall auf der Welt mehr als 100.000 Menschen gleichzeitig loslaufen und mit ihrem Startgeld und Einsatz die Rückenmarksforschung unterstützen. Ich konnte im vergangenen Jahr selbst noch nicht antreten, aber als da in München im Olympiapark 20 Minuten lang immer neue Leute starteten – erfahrene Läufer, Rollstuhlfahrer, sogar welche auf Krücken –, da musste ich weinen. Dank Rückenmarksforschung, wie sie die Wings for Life Stiftung unterstützt, gibt es Fortschritte in der Behandlung von Querschnittslähmung. Erste Patienten, wie der Schweizer David Mzee, konnten sogar schon wieder erste Schritte gehen. Siehst du hier auch Chancen für dich? Dass ich noch erlebe, dass Querschnittsgelähmte wieder vollständig geheilt werden, bezweifle ich – vielleicht aus Selbstschutz. Ich will mein Glück nicht von Medizinern abhängig machen, sondern es selbst in die Hand nehmen. Davon abgesehen glaube ich aber fest, dass wir durch solche Forschung in den nächsten dreißig Jahren enorme Fortschritte sehen werden. Styling SOO-HI SONG/SHOTVIEW Haare & Make-up NATALIA SOBOLEVA/LIGANORD Outfit ADIDAS

THE RED BULLETIN

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INNOVATOR Der Roboter­anzug mit Motoren an Hüften und Knien lässt Querschnittsgelähmte wieder gehen.

IDEAS FOR A B E T TE R FU T U R E

Gesundheit

Diese Idee E macht Beine Kleine Schritte mit großen Folgen: Mit einer bahnbrechenden Technologie lässt der Wiener Gregor Demblin, 42, Querschnittsgelähmte wieder gehen.

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kso GT™. Was schwer auszusprechen ist, steht für eine unglaubliche Erleichterung. Die vom USUnternehmen Ekso Bionics so benannte Entwicklung – eine Art Roboteranzug, der über der Kleidung getragen wird – erlaubt Querschnittsgelähmten dank kleiner Motoren wieder eine Fortbewegung zu Fuß. So wie Gregor Demblin. Der Wiener, querschnitts­ gelähmt seit einem Bade­

Die Therapie mit dem Exoskelett ist gut für Kreislauf, Organe und Psyche.

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INNOVATOR Sessions

IN ALLER KÜRZE ZWEI IDEEN, DIE UNS APPETIT MACHEN

Lernen von Pionieren In unserem neuen Podcast erklären Gründer, Forscher, Sportler und Musiker ihr Erfolgs­ rezept – und geben Tipps für den Alltag.

F

acebook-Chefin Sheryl Sandberg fördert Talente mit großem Einfühlungsvermögen, Ama­zon-­Boss Jeff Bezos verfolgt seine Ziele mit einzigartiger Beharrlichkeit: Menschen, die unsere Welt neu er­fin­den, haben Stärken ent­wickelt, von denen jeder lernen kann – wenn man sie nur danach fragt. Genau das haben wir uns mit unserem Podcast ­„INNOVATOR Sessions“ vorgenommen. Darin sprechen Journalistin Laura Lewandowski und Unternehmer und Designer Flemming Pinck mit Gründern, ­Forschern, Sportlern und ­Mu­sikern über die Rezepte

Aus der aktuellen INNOVATOR-Ausgabe: Diese Gründer erfinden unsere Ernährung neu.

Gregor Demblin nach den ersten Schritten seit 25 Jahren

unfall, war nach 450 Schritten mit dem Exoskelett zu Tränen gerührt. Das Gefühl wiedergewonnener Freiheit wollte er weitergeben. Mit zwei Freunden gründete er 2018 die Firma tech2people – und brachte den 150.000-EuroGehbehelf nach Österreich: In Wien hat Demblin damit mittlerweile ein T ­ herapiezentrum für mobilitätseingeschränkte Menschen aufgebaut. tech2people.at

THE RED BULLETIN

INDOOR-ERNTE Sonnenunabhängig, computergesteuert, wassersparend: So kannst du mit Max Lössls Gewächskästen daheim Salat, Kräuter und Gemüse anbauen. agrilution.de

Mehr Ideen für eine bessere Zukunft gibt es im aktuellen INNOVATOR. Infos und Abo unter: ­redbulletininnovator.com

EKSO BIONICS, ACHIM BIENIEK, AGRILUTION, HONEST FOOD COMPANY, LUKAS WENTZKE

„Es war un­ glaublich. Ich konnte meinen Mit­menschen auf Augenhöhe begegnen.“

BESSER LIEFERN Darf’s etwas schärfer sein? Robin Steps erkundet in aufwendigen Tests, was seine Kunden mögen, und passt sein Liefer-Food dann den regionalen Geschmäckern an. honestfoodcompany.de

­ inter ihrem Erfolg. Das Be­ h sondere: Alle Gäste bringen drei Tipps mit, was du von ihnen lernen kannst. Dazu verraten sie ihre wichtigsten Tools und Inspirations­ quellen. Als erster Gast erklärt Philipp Westermeyer, Gründer von OMR, dem „Festival für das digitale Universum“, wie es ihm gelingt, internationale Stars zu gewinnen – und wie du von seiner Erfahrung im Netzwerken profitieren kannst. Erster Tipp: Gib dir Mühe bei deinen Absagen!

Jetzt reinhören: INNOVATOR Sessions – jeden Montag neu, überall, wo es Podcasts gibt

Zwei neue Stimmen für den INNOVATOR: Flemming Pinck und Laura Lewandowski befragen die Podcast-Gäste.

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5-M IN U TE N-C OACH

00:00

01:59 SO SCHÄTZ DU RISIK T EN RICHTIG EIN

00:18

Vorbereitung ist das Wichtigste. Punkt. Durch eine solide Vorbereitung ver­ ringert sich das Risiko des Scheiterns oder eines Unfalls. Training und Ritu­ale helfen hier enorm. Durch Training wird man stärker und bekommt mehr Selbstvertrauen. Mit mehr Selbstvertrauen wiederum kann man näher an seine Grenzen gehen. Rituale hingegen ­helfen, ruhig und entspannt zu bleiben, wenn der große Moment gekommen ist. In meinem Training läuft jeder Tag nach den gleichen Mustern ab, womit sich selbst der Weltrekordtag wie ein normaler Trainingstag anfühlt. Für den Gletscher-Tauchgang war ich mit meinem Team viele Male vor Ort, wir haben alles getestet, was möglich war. Je mehr Informationen man vom Setting hat, desto unwahrschein­ licher sind später Überraschungen. Wir haben das Abseilen trainiert, uns an die Wassertemperatur von bis zu minus 0,6 Grad gewöhnt. Denn ganz ­ehrlich: Ich bin bekennender Warm­ duscher, ich hasse eiskaltes Wasser! Und ich benutze lediglich einen f­ ünf Milli­meter dünnen Neoprenanzug.

Steh zu deiner Entscheidung

Hab keine Angst, hab Respekt

Was auch immer man vorhat: Alles ­beginnt mit einer Entscheidung. Für mich gibt es keine richtige oder falsche, sondern nur die Entscheidung an sich. Ab dem Moment, in dem ich sie treffe, hinterfrage ich sie nicht mehr. Es hat keinen Sinn, in der Vergangenheit zu leben, ein „Was wäre ge­wesen, wenn“ hilft dir niemals weiter – man kann es nicht mehr ändern. Ist die Entscheidung gefallen, gibt es nur noch eine Devise: Zieh es durch! Das ist deshalb so wichtig, weil die härtesten Probleme oft erst am Ende einer Aktion lauern – in meinem Fall in jener Phase, in der die höchsten Sicherheitsvorkehrungen abrufbar sind. Es wäre ein Leichtes, einfach zu einem Safety-Taucher zu schwimmen und aus der Pressluftflasche zu atmen. Allerdings hätte ich dann nie die Gewissheit, ob ich es vielleicht nicht doch geschafft hätte. Darauf würde es mein restliches Leben keine Antwort geben.

Angst bremst und limitiert dich, somit ist Angst schlecht, wenn man vernünftige Entscheidungen treffen will. Wichtig hingegen ist Respekt vor der Sache. Wer Respekt hat, schätzt das Risiko besser ein und versucht es – im Bereich seiner Möglichkeiten – zu minimieren. Aber: Ein Restrisiko bleibt immer, ­garantierte Sicherheit gibt es nicht! Doch Risiko lässt sich – im Gegensatz 03:07 zur Angst – kalkulieren. Bei einer 50:50-Chance würde ich niemals einen Tauchgang machen. Ich muss mir schon zu 95 Prozent sicher sein, dass alles klappt, damit ich abtauche. So war’s auch beim Weltrekord am Gletscher. Noch nie ist ein Mensch Niemand kommt ohne Team aus, auch durch einen Gletscher getaucht. So Einzelsportler haben viele Mitarbeiter viele unbekannte Variablen: die Höhe, im Hintergrund. Sowohl für den Supdie Temperaturen, das enge, dunkle port als auch für die Sicherheit. Das Loch … aber genau das liebe ich. Es ist Wichtigste dabei ist für mich das totale die Herausforderung, das Unbekannte, Vertrauen in meine Teammitglieder. und am Ende ein richtig kalkuliertes Es geht dabei nicht darum, VerantworRisiko. Genau das treibt mich an.

Vertraue deinem Team

01:58 62

THE RED BULLETIN

SIMON SCHÖPF

Christian Redl, 44, hält als Apnoe-Taucher mehrere Weltrekorde, die meisten davon unter Eis. Zuletzt tauchte er als erster Mensch auf 3200 Meter Seehöhe 23 Meter tief in einen nur einen Meter breiten Gletscher­schacht. Hier verrät er, wie man derartige Risiken richtig kalkuliert.

Setz auf Routine mit Ritualen

MARTIN AIGNER

Der normale Wahnsinn


03:28

tung abzuwälzen, sondern mithilfe einer eingespielten Crew näher an meine Grenzen gehen zu können – manchmal auch darüber hinaus. Bei weitem nicht jeder meiner ­Rekordversuche war von Erfolg gekrönt. Insgesamt bin ich dreimal unter Wasser bewusstlos geworden – ohne Safety-­Team ein Todesurteil. Aber jedes Mal war einer meiner Leute sofort zur Stelle, und ich konnte aus jeder Niederlage etwas Wertvolles für mich und meinen weiteren Weg mitnehmen. Das verdanke ich allein meiner Crew.

04:13

Bereite dich nicht zu viel vor

„Iceman“ Christian Redl

Bei seinem jüngsten Tauchgang ohne Pressluftflasche betrug die Temperatur im Schacht des Hintertuxer Gletschers am Ende tatsächlich –0,6 °C, was durch Anomalien bei einem Mix aus Eis- und Schneeschmelze, gemischt mit Regenwasser, möglich ist. Es war der elfte Weltrekord des Niederösterreichers Christian Redl, der siebente unter Eis. Sein Spitzname ­„Iceman“ ist somit selbsterklärend.  christianredl.com

„Ich bin schon dreimal unter Wasser bewusstlos geworden – ohne Team ein Todesurteil.“ Christian Redl

So seltsam es klingt: Steht der entscheidende Moment kurz bevor, ist es besser, du blendest ihn, so gut es geht, aus – so bleibst du ruhiger. Es kostet einfach wahnsinnig viel Energie, wenn man sich zu lange vorbereitet. Ich habe hier für mich eine Regel aufgestellt: Zwei Minuten vor dem Start des Tauchgangs müssen reichen. In dieser Zeit atme ich entspannt und bereite den Körper auf den Tauchgang vor. Ich geh den gesamten Tauchgang geistig durch, mit allen Empfindungen, Meter für Meter, Sekunde für Sekunde. Der erste Atemzug nach dem imaginierten Auftauchen ist gleichzeitig der letzte reale, bevor ich den echten Tauchgang starte. Dann kopiere ich den geistigen Tauchgang eins zu eins, nur eben in der Realität. Meinen Weltrekord im Gletscher hätte ich – aufgrund der extremen Temperaturen und der Ablenkung durch das Kamerateam vor Ort – ohne diese mentale Fokussierung ­ver­mutlich nicht geschafft.

05:00 THE RED BULLETIN

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DER AZUBI Werner Jessner, Jahrgang 1975, seit 1993 vorsichtig auf dem Bike

FAHRSCHULE FÃœR

ADRIAN GUGGEMOS, 26, macht Dinge mit dem Motorrad, einen Normalo ab? Wir haben den Trial-Star Text WERNER JESSNER


DER PROFI Adrian Guggemos, Jahrgang 1993, seit 2000 entfesselt auf dem Bike

RED B DER UL SELB SLETIN V ERS TUCH

FORTGESCHRITTENE die sonst keiner kann. Wie viel von seinem Genie färbt auf für einen Tag zum Fahrlehrer gemacht.

Fotos KONSTANTIN REYER   65


DIE INSTANZ In der RTL-Show „Das Supertalent“ ver­­blüffte Adrian nicht nur Groß­ mütter und MinivanFahrer, sondern auch ein­gefleischte Motor­radfahrer mit seinen Skills.


DAS BIKE

Niedrig, leicht, wendig und auf das absolute Minimum reduziert: Die TXT Racing von Gas­Gas hat einen Zweitaktmotor und erinnert in vielen Details an ein Downhill-Mountainbike mit Motor. Extraweich, extragriffig: die Reifen.

A

n manchen Tagen spuckt das Handy ganz besonders Unfassbares aus, und es ist jedes Mal ein Feiertag: Hurra, Adrian Guggemos, ­vielen auch als @ag141 bekannt, hat ein neues Video gedreht! Der junge Deutsche springt darin mit seinem Trial-Bike an unfahrbar scheinenden Orten Backflips, fährt nur auf dem Vorderrad rum, turnt verblüffend federleicht mannshohe Hindernisse bergwärts und scheint offensichtlich seine eigene Freundin überfahren zu wollen, so wie er volle Kanone auf sie losrast, nur um dann ansatzlos und ohne Rampe über sie hinwegzusetzen. In hartem Gelände, in dem selbst sehr gute Motorradfahrer normalerweise nur in Zeitlupe herumhopsen, bewegt sich Adrian wie im Flow. Sein Credo: „Ich will Spaß haben und neue Stunts auf zwei Rädern realisieren.“ Seinen Spaß teilt @ag141 mit über 100.000 Instagram-Followern, denen

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kollektiv die Münder offenstehen, wenn er unterschiedliche Spielarten des Motorradfahrens zu seinem eigenen hochoktanigen Cocktail mixt. Begonnen hat er seine Karriere auf dem Trial-Bike mit sieben Jahren, und bereits nach der Schule wechselte er nahtlos zu einer ­Profi-Karriere als Show- und Stunt-Rider. Seither tourt er von Show zu Show, von Videodreh zu Videodreh und lebt davon, die Welt mit seinen Skills zu verblüffen. „Wer einen guten Plan A hat, braucht keinen Plan B“, lautet sein selbstbewusstes Motto. Auch Insta-Stars sind nur Menschen, und Menschen kann man etwas fragen, wenn man etwas nicht versteht. Zum Beispiel das: Wie schafft man es, ohne Rampe über einen Menschen hinweg­ zuspringen? Kleine Anfrage: Adrian, wie geht das? Kann man das lernen, und würdest du dich trauen, Rollen zu tauschen? Wenn du ein so guter Coach wie Rider bist, müsste das doch möglich sein … ­Immerhin bringe ich mehr als

25 Jahre Motorrad-Erfahrung mit, wenngleich hauptsächlich im Straßenverkehr. Meister Guggemos versprach nichts und gab sich zurückhaltend. Am Tag nach unserem Training im heimatlichen Schorndorf bei Stuttgart hatte er einen ziemlich wichtigen Termin bei Bike-Hersteller GasGas, und dort halb überfahren aufzutauchen, verbot der Menschen­ verstand. Aber er würde schauen, wie weit er einen Amateur an einem Tag bringen könnte, bot er an. Aus dem Bus entlud er zwei TrialBikes – vom Typ TXT Racing 300 von GasGas, um genau zu sein. Ein hoch ­spezialisiertes, extrem geländegängiges Motorrad ohne Sitzbank, 70 Kilo leicht. Mit einem Zweitaktmotor, der nicht auf maximale Leistung, sondern extremes Drehmoment optimiert ist: Nicht um Geschwindigkeit geht es, sondern um Kraft aus niedrigen Dreh­zahlen. Das Getriebe hat sechs Gänge, und man kann in jedem davon losfahren, „aber für alles, was wir heute üben, reicht der zweite“, so Adrian.   67


„Wenn mein Kopf vorher geraucht hat, dann brennt ihm jetzt gleich eine Dichtung durch.“ Vermutung des Laien: Dass der ­ upplungshebel „meines“ Motorrads so K wackelt, liegt wahrscheinlich daran, dass du damit schon so oft gestürzt bist und das Motorrad während eines Stunts weg­ werfen musstest, oder? Adrian Guggemos lächelt nachsichtig. „Nein, die beweg­ lichen Hebel sind Absicht. Für die wirst du noch dankbar sein.“ Übrigens bedient man hier – im Unterschied zu Straßen­ motorrädern – Bremse und Kupplung mit den Zeigefingern allein. Denn die rest­ lichen drei braucht es, den Lenker unter allen Umständen sicher zu führen, so der Insta-Star, der seine GasGas mit einem einzigen Tritt auf den Kickstarter anwirft, während der Berichterstatter ein klein wenig Rumpelstilzchen spielen muss, ­bevor der Motor losknattert – leiser als gedacht. „Einer der Hauptvorteile von Trial-Bikes: Man wird nicht als aggressiv

wahrgenommen, sondern als interessant – selbst wenn man mitten in einem Indus­ triegebiet herumturnt wie wir heute.“ Was von den recht bald auftauchenden handyfilmenden und daumenreckenden Passanten eindrucksvoll bestätigt wird.

E

rste Übung: ein Stoppie, auch als Nose-Wheelie bekannt, bis sich die Schilder unserer Helme berühren. Im Prinzip eine simple Sache, weil fein­ motorisch hauptsächlich der Zeigefinger der rechten Hand beteiligt ist – an der Vorderbremse. Wir haben es mit einer Zielbremsung zu tun, wie sie jedermann in der Fahrschule üben muss, bloß mit dem Unterschied, dass das Hinterrad ­dabei absichtlich den Boden verlässt – eine Bewegung, die der Fahrer durch sukzessives Verschieben des Schwer­ punkts nach hinten ausgleichen muss.

Käme der Schwerpunkt vor der Achse des Vorderrads zu liegen, überschlüge es Ross samt Reiter nach vorne – und da kommt leider schon Adrian des Wegs, ebenfalls allein auf dem Vorderrad unterwegs. Nach ein paar Versuchen gelingt dieser Stunt bereits passabel, was auch daran liegt, dass man bloß den Bremshebel loslassen muss, um das Heck wieder zu Boden zu bringen. Dieses Wissen stärkt den Mut: Geil, ich bin ja gar nicht so untalentiert! Schwieriger fällt mir die nächste Übung: der gute alte Wheelie, das Fahren auf dem Hinterrad. Adrian warnt vor der aggressiven Charakteristik des Motors: Es würde nicht viel benötigen, um das Vorderrad in die Höhe zu reißen. Danke für die Warnung, ich hatte etwas in die­ ser Richtung vermutet. In der Theorie ist auch klar, wie das Vorderrad wieder kon­ trolliert nach unten kommt, bevor man auf den Rücken knallt, doch wie immer verwirrt die schiere Anzahl an Mitteln, die es dafür flüssig zu kombinieren gilt: Schwerpunkt verlagern – Gas reduzieren – Kupplung ziehen – Hinterbremse treten. Das alles geschmeidig auf die Reihe zu kriegen beschäftigt Einsteiger eine ganze Zeitlang. Mir raucht der Kopf, und

DIE TROCKENÜBUNG Sieht unterhaltsam aus, hilft aber ungemein: das Be­ wegungs­muster in einzelne Segmente zu zerlegen und mit dem unsichtbaren LuftMotorrad zu üben, selbst wenn ein Fotograf dabei zuschaut. Auf diesem Bild üben wir, das Hinterrad für den Bunny­ hop zu entlasten.

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NICHTS FÜR AMATEURE Aus zwei Metern runterzu­ hüpfen, schafft nicht jeder. Aus eigener Kraft hier raufzu­ springen, schaffen noch weit weniger. Aber das ist eine ­andere Geschichte.

DER STOPPIE Die Bremse so zu dosieren, dass man auf dem Vorderrad präzise an der Linie zu stehen kommt, während das Hinterrad in der Luft ist, kann man auch im Alltag üben. (Okay, sollte man vielleicht besser nicht.)


DER WHEELIE Der Experte erkennt zwei Stile: Adrian im Hintergrund f채hrt perfekt balanciert, w채hrend der Amateur das Vorderrad durch brachiales Gasgeben in der Luft h채lt, also best채ndig beschleunigen muss. Und das geht nur so lange gut, bis er hochschalten muss.


die Arme brennen. Zwischendurch zeigt Adrian, wie Wheelies im Idealfall aus­ sehen: Bei ihm schleift der hintere Kot­ schützer auf der Straße, so steil richtet er das Bike auf. Er macht dann auch Whee­ lies im Kreis. Einhändige. Einbeinige. Wozu braucht dieser Mann überhaupt ein Vorderrad? Trotz mäßigen Erfolgs meinerseits werde ich etwas übermütig.

„A

ls Nächstes möchte ich lernen, über dich drüberzuspringen“, eröffne ich ihm in einer Pause, um ihn ein wenig zu erschrecken. „Ah, den Bunnyhop willst du lernen“, sagt der Meister. „Das ist ganz easy. Schau!“ Schnappt sein Bike, um damit wie ein Hase kreuz und quer auf dem Asphalt herumzuspringen, beide Räder hoch in der Luft, ohne dass er eine Absprung­ rampe dafür benötigen würde. Was aussieht wie Magie, ist doch nur Physik, erklärt Adrian trocken, und die Zutaten dafür hätten wir allesamt bereits geübt: Mit der Vorderbremse lässt man die Front wie beim Nose-Wheelie nach unten tauchen, um sie danach wie beim normalen Wheelie durch schlag­artigen Einsatz von Gas und Kupplung nach oben schnellen zu lassen. Gleich­zeitig muss aber der Schwerpunkt des Fahrers weit nach vorne, um das Heck zu ent­ lasten und das Hinterrad vom Boden zu kriegen. Zusätzlich drückt man nun den Lenker von sich weg, um das Hinterrad weiter anzuheben, weil sich das gesamte Bike dabei in der Luft um die Achse der Fußrasten dreht. Schon diese Beschreibung klingt kom­ pliziert? Die praktische Umsetzung ist noch viel komplizierter! Zu den großen Bewegungen aus den Oberschenkeln, dem Rumpf und vor allem dem Schulter­ gürtel kommen die winzig kleinen mit Gashand und Kupplung, und plötzlich ist glasklar, dass die vermeintlich wackelig montierten Armaturen eine massive Er­ leichterung sind, weil sie die Bewegung des Lenkers weniger stark mitmachen, der Fahrer sich also nicht auch noch darauf konzentrieren muss, das auszugleichen. Wenn mein Kopf vorher geraucht hat, dann brennt ihm jetzt gleich eine Dich­

DER BUNNYHOP Man ahnt es bereits: Wieder einmal wird das Hinterrad auf dem oberen Bild zu spät den Boden ver­lassen. Warum Adrian (unten) den Kopf so komisch hält? Weil er während des Bunnyhops eine 180-GradDrehung macht, einfach so.

tung durch. Das Vorderrad ist regelmäßig in der Luft, gegen Mittagspause bequemt sich auch das Hinterrad hie und da vom Boden. „Sauber, weiter so!“, feuert mich Adrian an und mahnt, nicht mit Muskel­ kraft gegen das Bike zu kämpfen, sondern die Kraft des Motors und die in den ­Federelementen gespeicherte Energie zu nutzen, um mich vom Boden abzu­ drücken. „Schau, so! Leg dich auf den Boden.“ Spricht’s und springt in einer ein­ zigen ansatzlosen Bewegung über mich drüber, locker einen halben Meter hoch. Fehlenden Einsatz konnte man mir an diesem Nachmittag nicht vorwerfen. Ich übte und übte und übte, um wenigstens ein kleines bisschen von Adrians 20-Jahre-­ Erfahrungsvorsprung abzutragen und die Bewegung geschmeidig werden zu lassen. Kurz bevor die Kräfte mich end­ gültig verließen und die Blasen an den Handflächen aufplatzten, stellte ich die Frage aller Fragen: „Darf ich jetzt endlich

„Darf ich jetzt endlich über dich drüberspringen?“ THE RED BULLETIN

über dich drüberspringen?“ Wortlos ­holte Adrian eine Red Bull Dose hervor, stellte sie vor mir auf den Asphalt und sagte: „Wenn du 20-mal fehlerfrei drüber­ kommst, überleg ich es mir.“ Im Anlauf musste ich mir erst gar nicht vorstellen, die Dose sei die Beine eines Menschen, noch dazu eines erfolgreichen Athleten und eines Helden für Hunderttausende, um Nervenflattern zu bekommen. Ich war zittrig, viel zu spät löste sich das Hinterrad vom Boden, ein blechernes Scheppern ersetzte jenes Geräusch, das im richtigen Leben ein wehklagender Adrian Guggemos gewesen wäre. Einen Trick ein paar Mal hinzubekom­ men ist tatsächlich etwas ganz anderes, als ihn verlässlich zu beherrschen, das wurde mir in diesem Moment klar. Adrian Guggemos musste gar nichts sagen, als ich die GasGas wortlos in seinen Bus ver­ lud. Der Unterschied zwischen Möchte­ gern und Profi ist größer, als Ersterer in seiner Euphorie oft meint. Daran kann der beste Fahrlehrer nichts ändern. Und Adrians nächstes Video wird mich nach diesem kleinen Einblick in seine Welt noch ein klein wenig sprachloser hinter­ lassen, als es bisher immer der Fall war. Adrian Guggemos auf Instagram: @ag141

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PANOS

Publikum beim „Afro Nation“ in Ghana – es ist Afrikas größtes Urban Music Beach Festival.


Text FLORIAN OBKIRCHER Fotos ANDREW ESIEBO

SO KLINGT

AFRIKA

Von Obama bis Beyoncé: Alle lieben ­AFROBEATS. Wir haben das größte Festival des boomenden Genres in Ghana besucht. Und aktuelle und künftige Stars gefragt, w ­ arum die ganze Welt so verrückt danach ist.

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G

erade war es backstage noch ganz entspannt. Der Trubel auf der Hauptbühne war nur gedämpft zu hören, er mischte sich mit dem sanften Rauschen des ­nahen Ozeans. Menschen saßen auf Holzbänken, nippten Bier und plauderten über die Live-Acts, die sie eben gesehen hatten. Ein paar Musiker bereiteten sich auf die Show vor. Vom nahen Foodtruck wehte der Duft von Brathuhn und JollofReis herüber. Doch dann bricht das Chaos los. Dreißig junge Männer und Frauen rauschen ­herein, in hippen Kleidern und DesignerSneakern, dicke Goldketten um den Hals. Sie trinken Hennessy Cognac und Champagner aus der Flasche, flankiert von humorlos dreinblickenden Securitys in Militäruniformen mit Maschinengewehren. Alle im Raum springen auf und holen ihre Smartphones heraus, um den Mann im Auge des Orkans zu knipsen, den Mann, um den sich hier alles dreht: Davido. Wir befinden uns in Ghana, und der 27-jährige Nigerianer ist heute Headliner bei „Afro Nation“, Afrikas größtem Urban Music Beach Festival. Im Januar 2019 hatte ihn Freund und Fan Idris Elba in der ausverkauften Londoner O2 Arena auf der Bühne präsentiert. Das Video ­seines 2017er-Hits „Fall“ toppte kürzlich 74

Sein Milliardärsvater wollte, dass er in den USA Wirtschaft studiert. Davido wurde ­lieber einer der größten Popstars Nigerias.


„Als ich in Amerika lebte, galt Afrika als uncool. Doch jetzt möchte jeder unsere Musik machen.“ Davido


Mit Support des ­kanadischen Superstars Drake wurde Wizkid 2016 der erste Weltstar der Afrobeats-Szene.

Vor wenigen Jahren per­ formte Wizkid Songs vor 300 Menschen in East London. Jetzt füllt er die O2 Arena.


158 Millionen Views auf YouTube. Und sein von der Kritik gefeiertes neues Album „A Good Time“ brachte ihm den Titel „King of Afrobeats“ ein. Bescheidenheit zählt eher nicht zu seinen Tugenden: Als Sohn eines milliardenschweren Geschäftsmanns liebt er die große Bühne genauso wie die dicke Hose. Als Davido gestern Abend in Accra eintraf, holte ihn eine SUV-Eskorte des Präsidenten vom Flughafen ab. Der Star winkte staunenden Passanten vom Schiebedach seines Range Rover Evoque aus zu. Eigentlich sollten wir jetzt ein Interview mit ihm führen. Doch mit uns kämpfen Dutzende Fans, Freunde und Journalisten um die Aufmerksamkeit des Kings. Handschlagrituale wollen ausgeführt, „Yooooo!“s ausgetauscht und Gläser angestoßen werden. Als wir in sein Zelt dürfen, schwärmt Davido davon, wie das west­ afrikanische Pop-Genre Afrobeats in den vergangenen Jahren die weltweiten Charts eroberte. „Es ist unser neues Öl“, sagt er über das wirtschaftliche Potenzial der ­Szene. „Als ich in Amerika lebte, war es uncool, Afrikaner zu sein. Jeder brachte Afrika nur mit Korruption und Armut in Verbindung. Aber jetzt redet jeder über die Kultur, das Essen, und alle wollen afrikanische Musik machen.“ Nach drei Minuten zerrt ihn seine Schwester vom Tisch weg – Zeit für seinen Auftritt. Aber vorher müssen die b­eiden noch ihr gewohntes Ritual zele­ brieren. Während sie ihm die Hand auf den Kopf legt, bildet seine Crew einen Kreis. „Lobet den Herrn“, ruft sie, als sich der Kreis geschlossen hat. „David, du bist ­gesegnet, du wirst geliebt, du wirst die Crowd richtig wegballern. Amen.“ Applaus, Umarmungen, Jubel. Supermodel und Davido-Fan Naomi Campbell hat mitgebetet. Auf dem Weg Richtung Hauptbühne sagt sie: „Die Menschen haben unglaublich Lust auf Afrika. Die Welt ist endlich aufgewacht und hat erkannt, dass es diesen wunderschönen Kontinent gibt, den sie bisher ignoriert hat. Aber das Beste ist, dass Afrika den Rest der Welt nicht braucht. Auch Afrobeats braucht uns nicht. Wir brauchen es.“

„Alle Welt schaut nach Westafrika. Das ist eine Riesen­ chance für uns.“ R&B mit synkopierten Dancehall-Rhythmen und lokalen Genres wie Highlife und Jùjú. Dabei entstehen melodiöse, unbeschwerte Songs, bei denen das Stillsitzen schwerfällt. Schlagartig bekannt wurde der Sound 2016 durch die Hit-Single „One Dance“ des kanadischen Superstars Drake. Sie enthielt nicht nur Afrobeats-Elemente, sondern featurte mit dem nigerianischen Künstler Wizkid auch einen der größten Namen der Szene. „One Dance“ war damals mit mehr als einer Milliarde Streams das meistgespielte Lied auf Spotify. Nun wollte jeder mit dem neuen Sound ex­ perimentieren. Rap- und R&B-Künstler von Snoop Dogg bis Chris Brown arbei­ teten mit Afrobeats-Künstlern wie Davido, Burna Boy und Mr Eazi zusammen. Und auch Beyoncé wählte für ihr Album „The Lion King: The Gift“ großteils Afrobeats-Künstler aus. „Ich wollte ein ­authentisches Album machen, das die Schönheit echter afrikanischer Musik ­feiert“, sagte sie. „Dass sich hier der ganze Kontinent präsentieren kann, macht Afro Nation so einzigartig“, erklärt Moonchild Sanelly.

Die 31-jährige Sängerin mit den blauen Locken ist streng genommen keine Afrobeats-Künstlerin. Sie verschmilzt in ihrem Sound Electro Funk, Rap und das südafrikanische House-Genre Gqom. Dass Afrikaner auf der ganzen Welt dafür zusammenarbeiten, ist für sie der Kern des Erfolgs: „Alles schaut derzeit nach Westafrika, das ist eine Riesenchance für uns“, sagt sie. Neben der Zusammen­ arbeit mit dem ghanaischen Künstler ­Okuntakinte verschaffte ihr der Beitrag zu Beyoncés „The Lion King“-Album ­einen wahren Karriere-Boost. „Vorher streamten mich ein paar Tausend Leute, danach Millionen. Und die Schecks, die ich kriege, sehen jetzt auch ein bisschen anders aus.“ Noch vor zehn Jahren wäre so etwas unvorstellbar gewesen. Doch was hat sich geändert? „Durch Afrobeats haben junge Afrikaner in Afrika, aber auch in Europa und den USA ein neues Selbstbewusstsein entwickelt, einen Stolz auf ihre Wurzeln“, sagt der Radio- und Fernseh-DJ Ade Olajide, der bei Afro Nation die Menge anheizt. In jeder Umbaupause tanzt er, erzählt Witze und holt Frauen für einen improvisierten Twerking-Wettbewerb auf die Bühne. Olajide zitiert die Lyrics des britisch-nigerianischen Grime-Stars ­Skepta im Remix von Wizkids 2015erHit „Ojuelegba“: „When I was in school, being African was a diss. Sounds like you need help saying my surname, miss.“ Seine Interpretation: „Früher standen

La Même Gang Die junge Crew um Sänger­ KwakuBs hält sich nicht an Konventionen.

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frobeats (nicht zu verwechseln mit Afrobeat, einer Mischung aus Jazz und Funk, die der nigerianische Musiker Fela Kuti in den 1970er-Jahren weltbekannt machte) ist ein Über­ begriff für zeitgenössische Popmusik aus Westafrika, vor allem aus Nigeria und Ghana. Seine Künstler mischen Rap und

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viele Afrikaner der ersten und zweiten Generation nicht zu ihren afrikanischen Wurzeln. Ihre Nachnamen waren eine Angriffs­fläche, die meisten konnten sie nicht einmal richtig aussprechen. Selbst Schwarze karibischer Herkunft verspot­ teten die a ­ frikanischen Kids. Aber mit dem Durchbruch von D’Banj und Wizkid waren da auf einmal angesagte Typen, die wie US-Rap-Stars aussahen, und die Kids dachten sich: ‚Hey, diese Jungs sind richtig fresh, die verpassen Afrikas Image einen ganz neuen Anstrich.‘ Viele von ­ihnen hat das richtig befreit. Sie began­ nen, sich mehr mit ihrer Herkunft zu identifizieren.“ Olajide weiß, wovon er spricht. Seine 13-jährige Tochter ist nämlich das beste Beispiel: „Ich spreche Yoruba (Teil der ­Niger-Kongo-Sprachen; Anm.) mit ihr“, sagt er, „aber sie hat sich wegen der Musik,­ die sie hört, einen nigerianischen Akzent angewöhnt. Afrobeats hat etwas unge­ mein Verbindendes, auch über Länder­ grenzen hinweg. Meine Tochter wächst in einer Welt auf, in der Davido für sie ­genauso Superstar ist wie Justin Bieber.“

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inen großen Anteil an der Entwicklung hat natürlich das Internet. „Der ulti­ mative Gleichmacher“, wie Olajide es nennt. Denn wer soziale Medien hat, braucht keine klassischen Gatekeeper wie die traditionellen Radiosender, die mit Afrobeats ohnehin nur wenig anfan­ gen konnten. Dazu kommt, dass immer mehr ausländische Künstler entdecken,

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„Meine Tochter wächst in ­einer Welt auf, in der Davido für sie genauso Superstar ist wie Justin Bieber.“ Ade Olajide

Großes Bild: Fans bei Afro Nation. Links: Für Ade Olajide ist Afrobeats ein langersehnter Grund für viele Afrikaner, auf ihre Wurzeln stolz zu sein.


dass sie eigentlich ziemlich viel mit ihren afrikanischen Kollegen gemeinsam haben. „Künstler wie Drake und Skepta merken, dass es zwischen ihnen und ­Burna Boy oder Wizkid nur einen Unterschied gibt: den Wohnort“, sagt Olajide. „Sie haben den gleichen Lebensstil und stehen auf die gleichen Dinge. Eine Zusammenarbeit ist da nur logisch.“ Auch nicht zu unterschätzen: der finan­ zielle Aspekt. „US-Künstler und Platten­ labels haben erkannt, dass sie zwei riesi­ ge Weltmärkte verbinden können“, sagt BBC-Journalistin und Afrobeats-­Expertin Hannah Ajala. „Nigeria allein hat 200 Millionen Einwohner und einen Musik­ markt, der jedes Jahr rasant wächst – in den vergangenen fünf Jahren hat er sich verdoppelt.“ Beim Afro-Nation-Festival konzentrie­ ren sich alle diese Aspekte wie unterm Brennglas. 18.000 Fans sind da, um ihre Stars zu bejubeln: lokale Größen wie Wizkid und Davido, Acts aus anderen ­afrikanischen Ländern wie das tansani­ sche Rap-Duo Navy Kenzo, Innoss’B aus dem Kongo und Moonchild Sanelly aus Süd­afrika, internationale Gäste wie der Brite Yxng Bane.

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er Mann, der im Hintergrund die Fä­ den zieht, ist Ruddy Kwakye. Es ver­ geht kaum ein Moment, in dem er nicht angefunkt wird oder ihm jemand auf die Schulter klopft und fragt: „Ruddy, hast du kurz Zeit?“ Der Ex-Radio­ moderator und Markenbotschafter von MTV Base Africa erzählt uns von den ­Krisen, die der ghanaischen Musik­ industrie nach den Militärputschen der 1960er- und 1970er-Jahre zusetzten. „Dank der Unterstützung unseres ers­ ten Präsidenten Kwame Nkrumah gab es eine lebendige Musikszene. Wir hatten professionelle Aufnahmestudios und wa­ ren drauf und dran, eine richtige Musik­ industrie aufzubauen“, erzählt er. „Aber dann gingen wir durch dunkle Zeiten. Studios wurden geschlossen, Musik- und Kinosäle zu Kirchen umfunktioniert. Erst Mitte der 1990er-Jahre wurde das Radio liberalisiert, und die Szene konnte wieder wachsen.“ In dieser Zeit begannen etliche Musi­ ker, den traditionellen Sound mit R&Bund Rap-Einflüssen zu verschmelzen und legten so den Grundstein für Afrobeats. Heute gibt es laut Kwakye in Accra rund sechzig lokale Radiosender, die das Genre feiern. Auf die Frage nach dem wirtschaft­ lichen Potenzial von Afrobeats verweist 80

„Dank Beyoncé gingen meine Streaming-Zahlen innerhalb von Wochen in die Millionen.“ Moonchild Sanelly der 39-Jährige auf den Erfolg von Afro Nation und den Wohlstandsmotor des ­lokalen Tourismus. „Aber wir müssen mit dem Aufbau der Infrastruktur beginnen“, sagt er. „Es ist schön, wenn du mich in dein Haus einlädst. Aber wenn du es in eine Bar verwandelst, werde ich jeden Tag wiederkommen.“ Warum ist ausgerechnet Ghana zum Zentrum der neuen Szene geworden? „Für Ghana sprechen die politische und wirtschaftliche Stabilität des Landes. Unser Land ist offen, das macht es ein­

fach, eine Veranstaltung wie diese zu ­organisieren. Aber wir müssen auf der Hut sein. Andere Länder sehen unsere ­Erfolge und sind uns auf den Fersen.“ Heute ist das liberale und politisch stabile Ghana ein Paradies für Kreative aus der ganzen Welt. Die „New York Times“ bezeichnete Accra als „Africas ­Capital of Cool“, das britische „Time Out“ kürte das historische Fischerviertel Jamestown zu einem der angesagtesten Stadtbezirke der Welt. Nxwrth, ein 23-jähriger Producer mit leuchtend pinken Mini-Dreads, findet sein Land aber immer noch muffig. „Ich versuche, Ghana mit meinen Tunes zu verändern.“ Mit Kick-Drums und schwe­ rem Subbass sind seine Tracks „Know Me“ und „Stone Island“ näher an Trap als am klassischen Afrobeats. Und: Er feiert einen individualistischen Lifestyle, der bei manchen Landsleuten aneckt. „Die Ghanaer sind ziemlich konservativ, vor THE RED BULLETIN


„Partys, protzen – das ist die alte Generation. Ich bin die Zukunft. Ich möchte Vorbild sein.“ Rema

streams schaffen. Da lokale AfrobeatsRadiosender die Songs von La Même Gang boykottieren, motivieren sie sich eben gegenseitig und landen so in inter­ nationalen Musik- und Modepublikatio­ nen. „Wir tragen die Kleidung unserer Freunde in unseren Videos – sie machen Merch für uns“, sagt La-Même-Banden­ mitglied Darkovibes. „Du weißt schon: Wer weit gehen will, sollte gemeinsam gehen. Wer schnell vorankommen will, allein.“

Z Links: Südafrikas Moonchild Sanelly steuerte einen Song zu Beyoncés „The Lion King“Album bei. Rechts: Rema, 19, ist der Shootingstar der Szene.

Lokaler Szenekenner und Afro-Nation-Veranstalter: Ruddy Kwakye ist eine lebende Legende. THE RED BULLETIN

allem, was ihre Moral angeht“, sagt ­KwakuBs vom in Accra ansässigen Musik­kollektiv La Même Gang. Er chillt gerade mit seinen Jungs, alle Anfang zwanzig und stark tätowiert, im Schlaf­ zimmerstudio des Produzenten Nxwrth. Während KwakuBs den Gesang auf­ nimmt, zocken einige von ihnen Nin­ten­ do Switch, andere spielen mit ­Nxwrths Hund Astro (benannt nach Travis Scotts Album „Astroworld“). „Man kann nicht einfach einen be­ stimmten Look tragen, kann nicht ein­ fach einen Bruder umarmen. Wir sind ­tätowiert und haben gefärbte Haare, das finden viele nicht cool – aber das ändert sich. Wir sind Teil einer neuen Welle.“ Zu dieser neuen Welle gehören auch lokale Modelabels wie „Free the Youth“ und Designkollektive wie „The Weird Cult“, mit denen gleichgesinnte Künstler sich pushen und durch ihre Zusammen­ arbeit eine Plattform abseits des Main­

ur neuen Generation gehört auch der 19-jährige Rema aus Benin City, Nige­ ria. Sein Track „Iron Man“ war 2019 einer von Barack Obamas absoluten Lieblingssongs, die gleichnamige ­Debüt-EP schaffte es an die Spitze der ­Apple Music Charts in Nigeria. Doch ­Rema sagt, dass er es nicht wegen, son­ dern trotz des großen Afrobeats-Booms nach oben geschafft hat. Denn obwohl ihm anfangs jeder riet, sich auf Afrobeats zu konzentrieren, ließ er sich von unterschiedlichen Einflüssen inspirieren und kombinierte Rap mit ­arabischem Sound, eingängige Melodien mit spiritueller Tiefe. Für ihn eine sehr persönliche Entscheidung: Remas Vater und sein Bruder starben, als er noch ein Kind war. Das Rappen in der Kirche brachte Hoffnung und Motivation in sein Leben. Seine Karriere startete schleppend. Aber als er von Don Jazzy – Co-Song­ writer von „Oliver Twist“ und Besitzer von Nigerias größter unabhängiger Platten­ firma Mavin Records – unter Vertrag ge­ nommen wurde, ging es steil bergauf. Im Gegensatz zu seinen Idolen Wizkid und Davido hält Rema nicht viel von ­glamourösem Lifestyle. Er wirkt ruhig und nachdenklich, trinkt und raucht nicht, protzt nicht mit teurer Kleidung. Wenn man ihn nach dem Grund fragt, ­lächelt er. „Das ist ganz einfach“, sagt er, „sie sind die alte Generation. Ich bin die Zukunft. Ich möchte ein Vorbild für die Kids sein.“ Minuten später betritt er unter ­tosendem Applaus in schwarzem BatikT‑Shirt und Jogginghose die Bühne. „Ich bin ­Rema“, sagt er. „Und überall, wo ich hinkomme, sagt man mir, dass ich die Zukunft bin.“ Ein Meer von Smart­phones fängt diesen Moment ein, um ihn in die Welt zu übertragen. Der Siegeszug westafrikanischer Pop­ musik hat gerade erst begonnen. afronationghana.com

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SUPER

HUMAN STORIES FROM PEOPLE WHO HAVE TRAVELLED TO THE VERY LIMITS OF HUMAN ENDURANCE HOSTED BY ROB POPE LISTEN ON


GUIDE Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

JAKOB EDHOLM

INSELHÜPFEN FÜR FORTGESCHRITTENE: ÖTILLÖ Swimrun

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GUIDE Reisen

ÖTILLÖ SWIMRUN

Stockholm-Syndrom Eineinhalb Marathons laufen, zehn Kilometer schwimmen: J­ onas Colting erklärt, warum ihn die Faszination ÖTILLÖ auch nach drei Siegen nicht loslässt.

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­ erschärft. Doch der beste Teil blieb: Bei v ÖTILLÖ darf jeder mitmachen, der sich die Tortur zutraut. Das nötige Equipment kos­ tet nicht viel: Laufschuhe, Neoprenanzug, Schwimmbrille, fertig. Schwimmveteranen wie ich benutzen zusätzlich Handpaddel, Wadenschützer gegen Krämpfe und einen speziellen Wetsuit mit zusätzlichen ­Taschen und Reißverschluss vorne. Laufen, schwimmen, laufen, schwimmen: Die Anforderungen des Rennens sind einfach zu merken und schwierig umzusetzen. Die Quälerei beginnt gleich mit der längsten Schwimmstrecke von 1,75 Kilometern. Aber auch die 24 Inseln mit rutschigen Felsen und schwierigen Cross-Country-Abschnitten sind nicht ohne. Für viele ist die längste Laufdistanz kurz nach der Halbzeit der Knackpunkt – sie ist 19,7 Kilometer lang. Da ist wichtig, dass man sich immer auf das konzentriert, was direkt vor einem liegt. Nur nicht zu weit nach vorne denken! Richtig viel Zeit kann man auch beim Wechsel vom

Schweden Stockholm Sandhamn

Anreise Der nächstgelegene inter­ nationale Flughafen ist der Flughafen Stockholm/­ Arlanda. Zum Start in Sand­ hamn auf Sandön (schwe­ disch für „Sandinsel“) gelangt man mit einer Fähre von der KlarabergsviaduktenBrücke neben dem Stock­ holmer Stadtbahnhof.

FLORIAN STURM

s ist kurz vor sechs Uhr morgens, die Sonne hat sich noch nicht über den Horizont gestemmt, und es ist verdammt kühl. An der Startlinie tummeln sich 400 Männer und Frauen, stretchen, wärmen sich auf, sammeln Kräfte. Die werden sie bald brauchen. Vor ihnen liegt ein Endurance-Wettkampf der forscheren Gangart: die ÖTILLÖ Swimrun-WM. So mancher Teilnehmer wird mehr als 13 Stunden unterwegs sein. Dann ist es endlich sechs. Der Startschuss fällt, die Teilnehmer springen in die Baltische See. Alles begann 2002 mit einer verrückten Wette an einem feuchtfröhlichen Abend. Zwei einheimische Brüder, ein Pub-Besitzer und sein Kumpel forderten einander zu einem Rennen durch den Stockholmer Schärengarten heraus, die zweitgrößte Inselgruppe der Ostsee. Zwei gegen zwei, ein Wettlauf mit Schwimmpassagen. Binnen vier Jahren wuchs die bizarre Wette zum alljährlichen Swimrun „ÖTILLÖ“ heran, was auf Schwedisch so viel wie „von Insel zu Insel“ bedeutet. Der Name passt: Das Rennen führt über 24 Inseln, von Sandön im Norden bis Utö im Süden. Zwischen Start und Ziel liegen 74,68 Kilometer, davon 65 Kilometer auf ­festem Boden und 9,5 im Wasser. Be­sonders wichtig: Auf der ganzen Strecke darf man sich nie weiter als 15 Meter von seinem Teampartner entfernen. Als leidenschaftlicher Triathlet (Jonas Colting gewann 6 WM- und EM-Medaillen; Anm.) stehe auch ich am Start, diesmal im Team mit meiner Frau Elin. Ich habe allen anderen etwas voraus: Als Einziger im Feld habe ich noch keine ÖTILLÖ-­ Austragung verpasst. Darum weiß ich aus eigener Erfahrung, wie sehr sich ÖTILLÖ über die Jahre verändert hat. Am Anfang herrschte noch pure Anarchie: Einmal gewann ein niederländisches Paar, weil es mit Luftmatratzen an den Start ging, während der Rest von uns durch die raue Ostsee kraulte. Da­ nach hat man die Regeln ein bisschen

JAKOB EDHOLM, PIERRE MANGEZ

E

Am Start noch leicht: Partner dürfen sich bei ÖTILLÖ nicht mehr als 15 Meter voneinander entfernen. THE RED BULLETIN


Qualen in Zahlen Gesamtstrecke: 74.680 m Trail-Lauf: 65.135 m Schwimmen: 9545 m Schwimmabschnitte: 23 Längste Schwimmstrecke: 1750 m Längste Laufstrecke: 19.700 m

Start

Ziel

10 km

Wer keine Zeit liegen lassen will, legt schon auf den letzten Metern an Land die Schwimmutensilien an.

Handpaddel erleichtern Teilnehmern die Schwimmstrecken. Luftmatratzen sind mittlerweile verboten. Blindtext: Rutschiee Felsen unweesame Trails und eefrorene Fineer sind nur einiee Blindtext blind. THE RED BULLETIN

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GUIDE Reisen

Inselhüpfen: Rutschige Felsen, unwegsame Trails und gefrorene Finger sind nur einige der Schwierigkeiten, die zwischen Sandön im Norden und Utö im Süden auf die Teilnehmer warten.

ÖTILLÖ Swimrun World Championships: 31. August; otilloswimrun.com

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Tut schön weh Colting über die schlimmsten und schönsten Renn-Momente Munkö: Die Horrorinsel (Laufdistanz: 2450 Meter) „Mein schlimmster Albtraum. Überall kantige, rutschige Felsen, umgestürzte Baumstämme und Brombeersträucher. Und im Kopf nur eine Frage: WTF???“ Nämdö: Der Treffpunkt (Laufdistanz: 8300 Meter) „Man läuft 500 Meter zur Ver­ pflegungsstation und die gleiche Strecke wieder zurück – zer­ mürbend! Doch manchmal bleibt Zeit für einen kurzen Plausch.“

Vorreiter: Die schwedischen Schwimmerinnen Fanny Danck­ wardt und Desirée Andersson vom Team Envol siegten ver­ gangenes Jahr im Damenrennen. Ihre Zeit: 9:05:29 Stunden

Utö: Die Endphase (Laufdistanz: 3650 Meter) „Egal wie kaputt du bist, hier ­bekommst du noch einmal einen wahnsinnigen Adrenalinschub. Ein letztes Mal raus aus dem ­Wasser und über die Felsen, dann über den Schotterweg ins Ziel. ­ Es fühlt sich an wie eine Ehren­ runde.“ THE RED BULLETIN

JAKOB EDHOLM

Land ins Wasser liegen lassen. Am bes­ ten, man zieht schon während des Laufs Wetsuit und Badehaube über und legt Handpaddel an. Von 2008 bis 2010 konnte ich das Ren­ nen drei Jahre in Folge mit meinem dama­ ligen Partner gewinnen. Wir lagen auch 2011 vorne. Doch dann machten meinem Partner gesundheitliche Probleme einen Strich durch die Rechnung, und wir muss­ ten aufgeben. Am liebsten erinnere ich mich an unseren ersten Sieg, am auf­ regendsten war der 2010: Weil ein paar Kids die Orientierungspfeile geklaut hat­ ten, verirrten wir uns und büßten 20 Mi­ nuten Vorsprung ein. Mit Wut im Bauch hängten wir uns voll rein und holten bis ins Ziel noch drei Minuten Vorsprung h ­ eraus. Heute, im Team mit meiner Frau, habe ich keine Siegesambitionen. Ich freue mich auf die bekannte Strecke, auf einen tollen Tag an der frischen Luft – und auf die Mutter aller Workouts als Draufgabe.


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GUIDE Lesestoff

BEST OF BESTSELLER

Der Kultautor Er wird gefeiert wie ein Rockstar. Er liebt Underdogs und Exzentriker. Er ist verdammt cool und verflucht komisch. Und ganz nebenbei ist T. C. BOYLE, 71, einer der besten Schriftsteller der Gegenwart.

M

it dem Begriff „Kultautor“ ist das so eine Sache: Er ist schnell zur Hand, wenn es dar­um geht, einen Schriftsteller medial derart aufs Podest zu stellen, dass er über jeden Zweifel erhaben ist. Das ist praktisch, hat aber seine Tücken. Denn heute wimmelt es am literarischen Firmament von sogenannten Kultautoren, was der Strahlkraft des Einzelnen naturgemäß nicht so gut

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bekommt. Spätestens seit selbst belletristische Glühwürmchen wie der brasilianische Glückskekspoet Paulo Coelho als Kultautoren ge­ handelt werden, bedeutet die Bezeichnung eigentlich kaum mehr als einen Dienstgrad über „Bestsellerautor“. Es zahlt sich also aus, ein ­wenig zurückzublättern zu jenem Kapitel der Gegenwartsliteratur, als der Begriff „Kultautor“ noch richtig

fetzte. Zu den Schreibern, für die er überhaupt erst erfunden wurde. Und dabei stößt man u ­ nweigerlich auf einen Namen: Tom Coraghessan Boyle. Der 1948 in Peekskill, New York, geborene Ausnahmekönner wird mit ergreifender Beharrlichkeit auch als „Rockstar der US-­Literatur“ gefeiert – was allerdings ­weniger mit seinem Output als vielmehr mit seinem Outfit zu tun hat. Tatsächlich ­präsentiert sich Boyle, der in schwierigen Verhältnissen aufwuchs (Vater: Alkoholiker, Mutter: Alkoholikerin, Sohn: THE RED BULLETIN


GUIDE Lesestoff

Der erste Absatz

VINZ SCHWARZBAUER

JAKOB HÜBNER

„Während die meisten jungen Schotten seines Alters Röcke lüpften, Furchen pflügten und die Saat ausbrachten, stellte Mungo Park seinen nackten Hintern vor al-Hadsch Ali ibn Fatoudi, dem Emir von Ludamar, zur Schau. Man schrieb das Jahr 1795.“

Herumtreiber), auch mit über 70 Jahren in der Öffentlichkeit vorzugsweise so, als käme er direkt von einem RamonesGig. Als Analogie zu seiner Literatur greift „Rockstar“ jedoch zu kurz. Denn wenn Boyle seinen geradezu hypnotischen Erzählrhythmus aufzieht, steckt da von klassisch geschliffener Prosa bis zum lässig hingeschlenzten Rotz alles mit drin, was die Register hergeben. Wie Boyle aus diesem stilistischen Potpourri Sprach­bilder von kristalliner Reinheit und feinstem Humor destilliert, fällt in die Kate­ gorie „literarische Alchemie“. T. C. Boyle wird auch gern als „Neuerfinder des historischen Romans“ bezeichnet. Viele seiner Werke kreisen mehr oder weniger konzen­ trisch um historische Persön­ lichkeiten – wobei sich d ­ iese wie das Line-up einer hand­ verlesenen Freakshow ausmachen: Mit dabei sind etwa Cornflakes-Erfinder John Harvey Kellogg („Willkommen in Wellville“), ­Sexualforscher Alfred Charles Kinsey („Dr. Sex“), Architektur ­visionär Frank Lloyd Wright („Die Frauen“) oder LSD-Guru Timothy Leary („Das Licht“). In all diesen Romanen manifestiert sich eine weitere Meisterschaft von T. C. Boyle: das nahtlose Verschweißen von sauber recherchierten Fakten und frecher Fiktion. Einen etwas anderen Boyle ­erlebt der Leser in einer Phase, in der er sich sehr direkt mit gesellschafts- und umwelt­ politischen Themen aus­ einandersetzt („Ein Freund der Erde“, „América“, „San Miguel“, „Hart auf Hart“). Hier legt er nicht nur seine Finger THE RED BULLETIN

mit gewohnter Eleganz in ­offene Wunden, sondern erhebt mit­unter auch den Zeigefinger. Das muss man mögen. Zur Höchstform schwingt sich T. C. Boyle aber dann auf, wenn er mit Verlierern tanzt und mit sozialen Underdogs spazieren geht. Wenn das Schicksal unbarm­herzig seine Ohrfeigen verteilt, ist T. C. in seinem Element. Wie ein literarischer Blitzableiter, der himmlische Empathie und höllischen Zynismus in irdischer Komik erdet. Formvollendet nachzulesen in „Grün ist die Hoffnung“, „World’s End“, „Der Samurai von Savannah“ oder „Drop City“. Und dann gibt’s da noch ­„Wassermusik“: die sagenhaft ­tragikomische Geschichte des schottischen Entdeckers Mungo Park, der bei einer ­Expedition in Afrika unbedingt die Mündung des Niger er­ reichen will und grandios scheitert. In diesem Buch verdichtet sich alles, was Tom Coraghessan Boyle als Schriftsteller so einzigartig macht. Es ist der erste Roman, den er ­geschrieben hat. Und der machte ihn bereits 1982 zu dem, was er bis heute ist: zum Kultautor.

T. C. BOYLE: „WASSERMUSIK“ 1982 als „Water Music“ erschienen, 1987 erstmals auf Deutsch, 2014 von Dirk van Gunsteren neu übersetzt; dtv

LESETIPPS

Kult-Auslese Exzellente Exzentrik: wenn schon extrem, dann bitte auch extrem gut.

DOUGLAS ADAMS Kult am Rande zum Sakralen: Mit seiner großartigen „Anhalter“-„­Trilogie in fünf Teilen“ hat der leider viel zu früh verstorbene Großmeister des feinen britischen Humors einen intergalak­ tischen Meilenstein der skurrilen Science-­Fiction geschaffen. Empfehlung: „Die Letzten ihrer Art“, Heyne

MARTIN AMIS Mit „Gierig“ rollte der britische „Meister einer ‚neuen Widerwärtigkeit‘“ („New York Times“) bereits 1984 jenen Perverser-Teppich aus, den Bret Easton Ellis’ „American ­Psycho“ (1991) später blutrot färbte. Amis beherrscht aber auch die leisen Töne. Empfehlung: „Im Vulkan“ (hg. von Daniel Kehlmann), Kein & Aber

PHILIPPE DJIAN Keiner flaniert so virtuos durch den Grenzbereich zwischen pulsierendem L­ eben und literarischer Reflexion. Berühmt wurde der Franzose mit dem Roman „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“, der eigentlich das Mittelstück der sogenannten „Zorc-­ Trilogie“ bildet. Empfehlung: „Rückgrat“, Diogenes

WALTER MOERS Der berüchtigte deutsche Comic-Satiriker („Das kleine Arschloch“) verdingt sich auch als „Übersetzer“ des dichtenden Lindwurms ­Hildegunst von Mythenmetz aus Zamonien. W ­ illkommen in der Märchenhaftanstalt für großartig Abnorme! Empfehlung: „Rumo & Die Wunder im Dunkeln“, Piper

TOM ROBBINS Des Wahnwitzes fetteste Beute: Die Romane des ­„wildesten Schriftstellers der Welt“ („Financial Times“) sollte man nicht im Bücher­ regal aufbewahren, sondern im Giftschrank. Über W ­ irkung und mögliche u ­ nerwünschte Neben­wirkungen informieren … Empfehlung: „Pan Aroma – Jitterbug Perfume“, rororo

HUNTER S. THOMPSON Querschläger: Der Erfinder des Gonzo-Journalismus war ein unberechenbares ­literarisches Vollmantel­ geschoss. Ob Roman, Essay oder Analyse: Wo Hunter ­zuschlägt, bleiben richtig große Löcher – durch die man die Welt dann radikal anders betrachten kann. Empfehlung: „Königreich der Angst“, Heyne

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GUIDE Gaming

Feedback-Schleife

KONZENTRATION

Die Weisheit im Spielefinger

Eine weitere Voraussetzung, um den Flow zu erreichen, ist ständiges Feedback. „Anders als am Arbeitsplatz oder im Studium, wo man lange auf Rückmeldungen warten muss, erfolgt Feedback bei EndlessRunner-Games in Echtzeit – wenn man etwa einen Fehler macht und gegen ein Hindernis läuft. Es ist eine ständige Herausforderung, und man hat keine Zeit, sich ablenken zu lassen. Das ist Spielen in Reinform.“ Außerdem sorgt das Feedback unterschwellig dafür, dass man sich gut fühlt.

Ein Forscher erklärt, wie unser Gehirn von „Endless Runner“-Games am Handy profitiert.

Games sind spielerische Lernsysteme: Man lernt, um zu spielen, und spielt, um zu lernen. Mit ihrer linearen Einfachheit beschleunigen EndlessRunner-Games diese Dynamik. „Sobald man auf ein ­neues Hindernis stößt oder eine weitere Fähigkeit erlangt, setzt man neues Wissen unmittelbar ein. Und zwar immer

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Runner’s High

„Belohnung setzt Dopamin frei“, so Barr über das Glückshormon im Gehirn. Mit dem nicht abreißenden Strom von Hindernissen, die es erfolgreich zu überwinden gilt, ist ein Endless-Runner-Game, das morgens im Zug gespielt wird, ein regelrechter Dopamin-Booster für den Tag. „Man geht besser gelaunt zur Arbeit. Das Gehirn läuft bereits auf Hochtouren.“

wieder“, erklärt Barr. „Es ist das sofortige Anwenden neuer Fähigkeiten, das den Lerneffekt richtig in Fahrt bringt.“

Go with the Flow

Der kognitive Flow-Zustand wird erreicht, wenn man sich einer Aufgabe stellt, die nicht unmöglich zu meistern ist, aber eine permanente Herausforderung darstellt. Man fällt in eine Art Trance und ist empfänglich für tiefes Lernen und ein Gefühl der Zufriedenheit, weil man etwas geschafft hat. „Game-Designer möchten die Spieler in diesem Zustand halten. Endless Runner eignen sich dazu ganz besonders: Sie setzen auf eine Art Wechselspiel, weil mit zunehmenden Skills auch die Herausforderung steigt. Man will weiter dranbleiben.“

Gute Entscheidungen

„Das Game gibt dir Feedback in Echtzeit.“

Studien zeigen, dass Games, die stetes Mitdenken und ­Eingreifen erfordern, die ko­ gnitiven Fähigkeiten verbessern. „Es steht weit weniger auf dem Spiel als im wahren Leben. Aber wenn man im Game das ständige Treffen von Entscheidungen unter Druck übt, kann das die Panik vor Entscheidungen im rich­ tigen Leben vermindern. Und in Endless-Runner-Games folgt eine Entscheidung auf die nächste.“ JOE ELLISON

Laufend lernen

Virtueller Star: Für kurze Zeit konnten Spieler von „Temple Run 2“ den Usain-BoltAvatar freispielen.

Dr. Matthew Barr von der Universität Glasgow untersucht im Buch „Graduate Skills and Game-Based Learning“, inwiefern Games kritisches Denken fördern.

IMANGI STUDIOS

Smartphones haben uns eine Vielzahl an großartigen, neuen Dingen beschert, wie mobiles Internet, den Selfie-Stick oder TikTok. Außerdem verdanken wir ihnen die sogenannten „Endless Runner“-Games, also Jump-and-Run-Spiele, die sich nur mit einem Finger spielen lassen. Das ist nicht nur für Gelegenheits-Gamer spannend, sondern auch für Verhaltensforscher, die sich fragen, warum diese Spiele so beliebt sind. Zum Beispiel „Temple Run 2“ aus dem Jahr 2013, das in den zwei Wochen nach seiner Veröffentlichung 50 Millionen Downloads verzeichnete, oder „Subway Surfers“, das am zweithäufigsten herunter­­ geladene iOS-Spiel der Gaming-Geschichte. Spiegelt die Anziehungskraft dieser Games in Wirklichkeit ein verborgenes mensch­ liches Bedürfnis wider? Gaming-Forscher Matthew Barr von der Universität Glasgow hat sich dieser Frage ausführlicher gewidmet.

THE RED BULLETIN


GUIDE Smartwear

UNDER ARMOUR

Fortschritt mit Technik

TIM KENT

TOM GUISE

Der Laufschuh, der das Training mit Sensoren aufzeichnet. Und plötzlich geht gar nichts mehr. Manchmal sagt der Kopf nein, manchmal sind es die Beine, und manchmal geben sie im Duett w. o. Im Englischen gibt es dafür ein Wort: „bonking“. Gemeint ist damit ein Zustand plötzlicher Müdigkeit, ein abrupt auftretendes Gefühl völligen Energieverlusts und totaler Kraftlosigkeit – so, als wärst du auf einmal gegen eine Wand gedonnert. Darum heißt dieses Phänomen auch „hitting the wall“. Ausgelöst wird es durch den Abbau von Glykogenspeichern in Leber und Muskeln. Oder einfacher gesagt: Dein Tank ist – ohne jede Vorwarnung – staubtrocken. Mitarbeiter der US-Sportmarke Under Armour beobachteten dieses Phänomen 2016 mehrfach beim Boston-Marathon – und sie ­erkannten, dass sein Verständnis den Weg zu besserem Laufen ebnen könnte. Die Voraussetzungen ­dafür waren perfekt. Drei Jahre zuvor hatte das Unternehmen MapMyRun gekauft – eine App, mit der Läufer ihr Training mit denen Mil­ lionen anderer Sportler ­vergleichen können. 2018 brachte Under ­Armour den ersten „HOVR Connected“-Laufschuh auf THE RED BULLETIN

den Markt. Ausgestattet mit Sensoren, erfasst er Tempo, Schrittfrequenz und -länge des Trägers und liefert sie an MapMyRun. Die anony­ misierten Daten verwendete Under Armour, um mehr über das gefürchtete „bonking“ herauszufinden. Die Auswertungen ergaben, dass der Laufstil eine entscheidende Bedeutung hat. Konkret: Wer seine Schrittfrequenz (Schritte

pro Minute) im Vergleich zur Schrittlänge häufig ­ändert, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, gegen die Wand ­zu rennen als jemand mit gleichmäßigem Laufstil. ­Also: „Bonking“ vermeidet, wer möglichst gleiche Schritte macht. Die Sensoren des HOVR Machina halten dich diesbezüglich auf dem Laufenden.

Der Machina von ­Under Armour: ­gedämpft wie ein Schuh für die Langstrecke, leicht wie ein Sprinter. Eine spezielle Zwischensohle schützt die Sensoren.

underarmour.com

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GUIDE Motorräder

Kratzt die Kurven!

WEGWEISEND SP CONNECT MOTO BUNDLE Einfach durch die Landschaft zu c­ ruisen kann ein Vergnügen sein. Wer aber Plan und Ziel hat, lässt sich dabei unterstützen. Und montiert sein Smartphone mit dieser Halterung ­sicher am Lenker seines Bikes. Preis: 99,99 Euro; sp-connect.de

Ein Bike wie eine Raubkatze, eines für alle Fälle, eines mit Leistung im Überfluss und eines, in das wir uns ein kleines bisschen verliebt haben. Text WOLFGANG WIESER, FABRICE BRAUN

BIKE-VERGNÜGEN

Angriffslustig KTM 1290 SUPER DUKE R Erinnert an eine Raubkatze vor dem Sprung: vor Spannung bebend, kraftstrotzend – bei KTM nennen sie diese Super Duke das „Beast“. Die dritte Generation hat einen neuen Stahlrohrrahmen, der das Handling verbessert, die Sitzposition ist weiter nach vorne gerückt. Der Motor hat weiter 1301 cm³, aber jetzt 180 PS (um 3 PS mehr), und das bei nur noch 189 Kilo (6 kg weniger). Das „Beast“ ist also noch angriffslustiger geworden. Wir träumen davon, wie wir uns mit diesem Bike in die Kurven schmiegen. Wer jetzt schnurrt, ist nicht so leicht zu be­antworten. Preis: ab 21.299 Euro; ktm.com

Der neue Stahl­rohr­ rahmen macht das Biest noch handlicher.

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THE RED BULLETIN


GUIDE Motorräder

VIELSEITIG BMW F 900 XR Ein Bike, das in der Stadt genauso viel Spaß macht wie auf ausgedehnten Überlandfahrten. Die F 900 XR ist mit ihrem 105-PS-Reihen-Zweizylinder mit 895 cm³ ein komfortabler Allrounder mit spielerischem ­Handling. Ideal für (Wieder-)Einsteiger. Preis: ab 11.400 Euro; bmw-motorrad.de

FLÜGELFLITZER

Die nackte Kanone DUCATI STREETFIGHTER V4 Darf’s ein bisschen mehr sein? Die neue Streetfighter V4 ­bietet Leistung im Überfluss: Abgeleitet von der Rennrakete Panigale V4, hat sie deren 208 PS starken V4-Motor geerbt. Bei nur 201 Kilo kommt das Power-Naked-Bike auf ein ­Leistungsgewicht von 1,04 PS pro Kilo. Aerodynamikflügel er­höhen den Anpressdruck, um so viel Kraft auch auf die Straße zu bekommen. Preis: ab 19.990 Euro; ducati.com

JAPANISCHER RASEN HONDA CBR 1000 RR-R FIREBLADE SP Die neue Fireblade wurde k­ ompromisslos für die Rennstrecke entwickelt. Der 218-PS-Motor dreht ohne Ende, dazu gibt’s ein aktives Fahrwerk und jede Menge elek­ tronische Helfer. Noch schärfer: die Version SP. Preis: 26.690 Euro; honda.de

HERZLINIEN

Amors Pfeil HUSQVARNA MOTORCYCLES VITPILEN 701 VERLEIHT FLÜGEL RED BULL SPECT EYE WEAR WHIP-001 Wenn Freestyle-Motocross-Champ Luc Ackermann e­ inen Douple-Backflip macht, trägt er die Whip-001. Ab jetzt gibt’s die stylischen Goggles für alle, in sechs Farben, mit austauschbaren Linsen und Tear-off-­ System mit Abreißfolien für den richtigen Durchblick. Preis: ab 79 Euro; specteyewear.com THE RED BULLETIN

Vitpilen ist Schwedisch und heißt „weißer Pfeil“. Wobei wir ­angesichts dieses wunderschönen Motorrads eher in Amors Visier geraten sind: Ja, wir haben uns verliebt! In seine sexy Kurven, in diese einzigartige Mischung aus Retro und Science-Fiction und in diese Leichtigkeit des Seins (zarte 159 Kilo). Und haben wir schon die neuen Speichenräder erwähnt? Und dieses wunderbare Blau? (Seufz …) Preis: 9.999 Euro; husqvarna-motorcycles.com   93


GUIDE Laufen

Und los! Eine Uhr, die weiß, wo’s langgeht, extra dämpfende Sohlen und jede Menge Vitamine – ­sieben neue Begleiter für deinen Weg zum Runner’s High.

HEISS ERSEHNT Die Offline-Karten ­heben mit Heatmaps beliebte Routen hervor.

Text WOLFGANG WIESER, FABRICE BRAUN

GPS-SPORTUHR

Wegweiser Suunto 7 Ein Fall für zwei: Dieses Modell kombiniert die Stärken von Smartwatch und Sportuhr. Es ist die erste Uhr der Finnen mit Wear OS von Google, verfügt also über Google Play, Google Assistant und kann Apps aus dem Play Store laden. Die Suunto 7 ist aber auch resistent gegen Stöße oder Schlamm und wasserdicht bis 50 Meter. Praktisch: Mit den Offline-Karten findet man auch ohne HandyEmpfang den Weg aus jedem Wald hinaus. Preis: 479 Euro; suunto.com

STRASSEN-LAUFSCHUH

Asphalt-Ass Salomon Sonic 3 Balance Bekannt ist Hersteller Salomon vor allem für seine Trailrunning-Schuhe. Der Sonic 3 Balance richtet sich aber an Läufer, die viel auf der Straße trainieren und optimale Dämpfung brauchen. Eine Zwischensohle aus einem Schaumstoff-Mix reduziert die Vibrationen beim Aufkommen – und verringert so die Ermüdung. Preis: 139,95 Euro; salomon.com 94

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GUIDE Laufen

RUNDUM-BETREUER GARMIN FORERUNNER 245 Physio-Check, persönliche Trainingspläne, Laufcoach – diese Uhr verrät dir sogar, ob du startklar für den nächsten Lauf bist oder besser noch regenerieren solltest. Dazu kommt eine regelmäßige Laufanalyse. Preis: 299,99 Euro; garmin.de

MARATHON-SCHUH

Die Rennmaschine Nike Zoom X Vaporfly Next%

LEICHTE SOHLE NEW BALANCE FRESH FOAM TEMPO

Athleten wie Marathon-Star Shalane Flanagan haben die Nike-Entwickler zu diesem Schuh inspiriert – selbstbewusst wird er als „unser schnellster Rennschuh aller Zeiten“ gepriesen. Eine durchgehende Kohlefaserplatte hilft, aufs Tempo zu drücken, der Zoom X-Schaum bewirkt eine Energierückgabe. Dazu ist das Modell wasserdicht. Preis: 275 Euro; nike.de

Mit 215 Gramm bei den Frauen und 250 Gramm bei den Männern ist dieses Modell ein Leichtgewicht. Die Fresh Foam X-Mittelsohle dämpft angenehm. Preis: 140 Euro; newbalance.de

TRAILRUNNING-SCHUH

GeländeSpezialist Hoka One One Speedgoat 4

KRAFT-PAKETE NATURE VALLEY SNACKRIEGEL Zur Stärkung für Läufe über längere Distanzen kann ein Riegel vor oder nach der Einheit helfen – etwa aus dem Variety Pack von Nature Valley. Der glutenfreie Snack deckt 20 Prozent des täglichen Vitaminbedarfs. nature-valley.de THE RED BULLETIN

GUTER GRIP Die gummierte Sohle und die Stollen bieten auf nassem und ­trockenem Boden Halt.

Der Mann hat mehr Ultra­ marathons gewonnen als jeder andere auf der Welt: US-Lang­ strecken-Spezialist Karl Meltzer (Spitzname: „Speedgoat“) stand Pate für diesen neuen Trail­ running-Schuh. Das Modell bietet bergauf viel Grip am Boden, bergab sicheren Halt im Schuh. Dafür verantwortlich sind unter anderem 3D-gedruckte Overlays. Für mehr Laufkomfort ist die Zehenpartie weiter geschnitten. Preis: 140 Euro; hokaoneone.eu   95


Impressum

GLOBAL TEAM

THE RED BULLETIN WELTWEIT

Aktuell ­erscheint The Red Bulletin in sechs Ländern. Am Cover unserer britischen Ausgabe: Fußball-Jung­ star Trent AlexanderArnold. Im Interview ­erklärt der ChampionsLeague-Sieger mit dem FC Liverpool, warum sein Erfolgsweg längst noch nicht beendet ist. Mehr Storys abseits des Alltäglichen gibt’s auf: redbulletin.com

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2020

DIE ASTON MARTIN RED BULL RACING OFFICIAL TEAMLINE 2020 IST DA. AB SOFORT ERHäLTLICH AUF REDBULLSHOP.COM / REDBULLSHOPUS.COM UND IN DEN RED BULL WORLD STORES IN SALZBURG UND GRAZ.


Perfekter Abgang

Staubtrockene Angelegenheit

Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 12. Mai 2020. 98

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Las Vegas mal anders: Beim legendären Offroad-Rennen Mint 400 jagen die Fahrer 400 Meilen (rund 643 km) rund um die Hauptstadt des Glücksspiels. Autor Hunter S. Thompson verhalf dem Mint 400 mit seinem Roman „Fear and Loathing in Las Vegas“ 1971 zu weltweiter Bekanntheit. Hier kämpft US-Fahrer Bryce Menzies im März um den Sieg (am Ende wurde er Zweiter).


3 TIPPS VON JEDEM GAST FÜR DEINEN ALLTAG

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Foto: R. Schedl

#GETDUKED NOCH SCHÄRFER KTM 890 DUKE R Die KTM 890 DUKE R liefert genau das, was du von einer „R“ erwartest. Eine angriffslustige Sitzposition wie auf der Rennstrecke, WP-Federung aus dem Rennsport und beeindruckende 121 PS: eine Maschine für höchste Präzision und mit noch mehr Punch.

Gezeigte Fahrszenen bitte nicht nachahmen, Schutzkleidung tragen und die anwendbaren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung beachten! Die abgebildeten Fahrzeuge können in einzelnen Details vom Serienmodell abweichen und zeigen teilweise Sonderausstattung gegen Mehrpreis.


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