The Red Bulletin DE 06/22

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batteln a z z o B sh nd oundcla mzjay u Badmó eim Red Bull S p-Krone – b - Ho nds Hip vas und Sido. la h c s t um Deu t von Kool Sa tz n te r s t ü

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E D I TO R I A L

WILLKOMMEN

EMIL LEVY (COVER), HANNES BERGER, JESPER GRONNEMARK/RED BULL CONTENT POOL

TOM MACKINGER

LASST UNS FEIERN

STARKES DUO

Die Frankfurter Fotografinnen Nada Lottermann (re.) und Vanessa ­Fuentes (li.) fotografierten für uns BikeKünstler Fabio Wibmer in seiner Wahlheimat Monaco. Ihre Bilder: ab Seite 46.

Diese Ausgabe zu machen war uns mal wieder ein Fest. Und für den Beat sorgten die Deutschrapperin Badmómzjay und ihre Kollegen: Bozza, Sido und Kool Savas. Am 19. Mai feiern wir mit den vier Musikern den Red Bull Soundclash. Aber vorher trafen wir sie zum Warm-up, um mit ihnen über den besten Rapper aller Zeiten und die perfekte Punchline zu sprechen. Und noch etwas möchten wir in diesem Monat feiern: das Zweirad. Weil es uns zügig durch den Stadtverkehr lotst, im Sommer zum Badesee fährt und uns dazu bringt, sportlich über unsere Grenzen hinauszuwachsen. Dafür sagen wir danke mit einem großen Bike-Special ab Seite 27. BahnradWeltmeisterin Emma Hinze beschreibt darin zum Beispiel, wie sich 70 km/h auf einem Rad ohne Bremsen anfühlen, und Radrenn-Profi ­Anton Palzer erklärt uns, worauf es bei Radrennen ankommt. Unter uns: Rasierte Beine gehören auch dazu.

IRON LADY

Daniela Ryf macht aus jeder Situation das ­Beste. Diese Fähigkeit bescherte ihr den Ironman-Titel. Und diesen Siegerkranz. Seite 16.

12.287

Kilometer von zu Hause entfernt kann die Afghanin Afsana Nawrozi nun ohne Angst Rad fahren. Ihre berührende Story: ab Seite 62.

Gute Unterhaltung mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

ADRIAN ZEIGT’S UNS

MTB-Athlet Adrian Guggemos macht Bike-Tricks, seit er 6 ist. Seine Fahrschule: ab Seite 68.

THE RED BULLETIN

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I N H A LT The Red Bulletin im Juni 2022

COVERSTORY

18 GIPFELTREFFEN

Bühne frei für die Stars des Deutschrap: Bozza und Sido, Badmómzjay und Kool Savas beim Red Bull Soundclash.

BIKE SPECIAL

28 GLÜCKSRAD

Fotograf Russ Ellis und seine Hommage an den Radsport.

LIEBE Russ Ellis vereint seine zwei Leidenschaften: Fotografieren und Radsport

MOUNTAINBIKEN

Lust, mal Mountainbiken auszuprobieren? MTB-Ass Adrian Guggemos zeigt, wie es geht.

Christoph Strasser hat den härtesten Radmarathon der Welt gewonnen – sechs Mal!

BAHNRAD

42 AUF DEM HOLZWEG

Die Bahnradweltmeisterin Emma Hinze über Angst vor Stürzen und Splitter im Po.

70 AUS LIEBE ZUM BIKE

Für maximalen Spaß auf zwei Rädern: neue Bikes, coole Gadgets und packende Events.

GUIDE

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen 79 REISEN. Mit dem Kajak zu den paradiesischen Inseln Sansibars

MOUNTAINBIKEN

44 HÖLLISCH GUT

Vali Höll ist die Königin des Downhill-Mountainbikens.

84 BIOHACKING. Volle Konzentration: mit einer Kappe auf dem Kopf

40 LEIDENSCHAFT Christoph Strasser weiß, wie man das härteste Radrennen der Welt gewinnt. RUSS ELLIS, PHILIPP HORAK, JASON PERRY, LOTTERMANN AND FUENTES

40 S CHLAFLOS IN AMERIKA ­

85 P LAYLIST. Die Zwillinge von Ibeyi verraten ihre vier Lieblingssongs.

HOMESTORY

46 ­DER FABELHAFTE FABIO Ein Besuch bei Bike-Künstler Fabio Wibmer in seiner neuen Wahlheimat Monaco.

RADRENNEN

56 DAS RENNRAD-ABC ­

Radprofi Anton Palzer erklärt den Rennradsport: von A wie Ausreißer bis Z wie Zug.

Die berührende Geschichte von Afsana Nawrozi, Afghanistans bester Radfahrerin.

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BIKES & EQUIPMENT

ULTRACYCLING

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62 FREIE FAHRT

68 FAHRSTUNDE

PORTFOLIO

6 GALLERY 12 ZAHLEN, BITTE! 14 FUNDSTÜCK

NEUES LEBEN

86 INNOVATION. Dieses Sport-Shirt revolutioniert das Training. 88 L ESESTOFF. Thriller-Autor Terry Miles geht auf Hasenjagd. 90 KALENDER. Unsere Highlights in den kommenden Wochen 92 B OULEVARD DER HELDEN. Drei Forscherinnen und ihr hin­ gebungsvoller Einsatz für Affen

15 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW 16 MEIN ERSTES MAL

96 IMPRESSUM 98 CARTOON

62 LEBEN Kann in den USA endlich frei Fahrrad fahren: die Afghanin Afsana Nawrozi

THE RED BULLETIN


46 LÄSSIG & LEICHT Bike-Akrobat Fabio Wibmer und seine konstante Motivation: „Ich wollte immer bes­ ser als ich selbst sein.“

THE RED BULLETIN

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MATERA, ITALIEN

Mut zur Lücke Uralte Steinmauern, steile Treppen, malerische Gassen: Dass die zauber­ hafte Altstadt von Matera im Süden Italiens als Kulisse von Parkour-Wett­ bewerben beliebt ist, wundert keine ­Sekunde. Vielmehr verblüfft es, wenn im Vorfeld solcher Veranstaltungen plötzlich Menschen in absurden Höhen über die Straßen fliegen. Und auf der ­anderen Seite sicher auf schmalen ­Mäuerchen landen, als wäre es nichts. Fotografin Anna Rossini hat so einen magischen Moment mit ruhigem Zeige­ finger festgehalten. rossinianna.it

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ANNA ROSSINI/RED BULL ILLUME


PARIS, FRANKREICH

Wo ist das Vögelchen? Was braucht ein brillantes Foto? Erstens: einen hübschen Hintergrund – in diesem Fall „Le Dome“, den berühmtesten Skater­ spot von Paris. Zweitens: eine beein­ druckende Handlung – hier ein von Noah Mahieu perfekt ausgeführter „Slappy Nosegrind“, elegantes Schleifen auf der vorderen Boardachse. Drittens: Balance, hier hergestellt von der Taube, die Mahieu mit seinem Manöver aufgescheucht hatte. „Das war ein glücklicher Zufall“, freute sich Fotograf Clement Chouleur. Instagram: @el_choubi 8


CLEMENT CHOULEUR/RED BULL ILLUME


REIN RIJKE/RED BULL ILLUME


ZANDMOTOR, HOLLAND

Eisbrecher Wenn die Temperaturen in den Nieder­ landen unter null fallen, dann entstaubt eine ganze Nation die Eislaufschuhe, schleift die Kufen und wartet sehn­ süchtig darauf, dass die Seen und Teiche endlich komplett zugefroren sind. Da machst du dir als Fotograf nicht ­unbedingt Freunde, wenn du eine Kite­ surferin als Eisbrecher in die Fluten schickst – nur um ein interessantes Bild zu schießen. Andererseits: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. zoutfotografie.nl

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Z AHL EN, BI T T E!

„TOP GUN“

Wie die Zeit verfliegt Tom Cruise kehrt als Fliegerheld ins Kino zurück: „Top Gun: Maverick“ soll 36 Jahre nach dem Original noch einmal durchstarten. Wie alt die Pilotenbrille ist, wie viel die Fortsetzung kostete. Und warum der Film die U.  S. Navy am meisten freute.

1937

1969

6

500

3

182

Folgen von „Emergency Room“ drehte Anthony Edwards, der Cruise’ Partner „Goose“ gespielt hatte, nach „Top Gun“.

Mal wurde der britische ­ egisseur Tony Scott († 2012) R während der Dreharbeiten von „Top Gun“ gefeuert – er brachte den Film dennoch zu Ende.

357.288.178

15

Millionen Dollar kostete die Produktion 1986. Die Fortsetzung verschlang 152 Millionen Dollar.

Dollar spielte „Top Gun“ ein. Es war der bestbesuchte Film 1986. 12

THE RED BULLETIN

CLAUDIA MEITERT

Prozent mehr Bewerbungen erhielt die U. S. Navy im Jahr nach „Top Gun“.

Spezialkameras im Cockpit bringen Flugszenen nun erstmals in 6K-Qualität in die IMAX-Kinos.

Oscar gewann „Top Gun“ 1987 – für den Song „Take My Breath Away“ der Gruppe Berlin.

bis 8 g – diese Fliehkräfte mussten die Akteure in „Top Gun: Maverick“ bei den Flugaufnahmen tatsächlich aushalten.

wurde in Kalifornien die EliteJagdflugschule Navy Fighter ­Weapons School eröffnet. Sie trägt intern den Namen „TOPGUN“ und diente als Vorbild für den Film.

wurde die Ray-Ban-Sonnenbrille „Aviator Classic RB 3025“ ­entworfen, die Tom Cruise ­sowohl im Original als auch in der Fortsetzung trägt.

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7, 5

HANNES KROPIK

Filme hatte Tom Cruise ­bereits gedreht, bevor er 1986 mit „Top Gun“ zum ­globalen Superstar wurde.

km/h, das sind Mach 1,8 – also die 1,8-fache Schallgeschwindigkeit –, erreicht die F-18, die Maverick und seine Kollegen fliegen.

GETTY IMAGES (2)

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F U ND ST Ü CK

WOLFGANG WIESER

Jakob Schubert, 31, Kletterweltmeister aus Innsbruck

JAKOB SCHUBERT

TOBIAS HALLER/NODUM SPORTS, SIMON RAINER

Fingerspitzengefühl Das Gerät, mit dem sich der Champion aufwärmt Dieses Stück Holz spendet Wärme. Allerdings nicht im offenen Kamin. Es sorgt für ein feuriges Brennen in den Armen, wenn man sich mit den Fingerspitzen daran hochzieht. Kletterweltmeister Jakob Schubert benützt dieses Flash Board, das mit einem Karabiner an geeigneter Stelle aufgehängt wird, um in Schwung zu kommen, bevor er in den Fels steigt – wie zuletzt am „Sleepwalker“, einem gewaltigen Brocken bei Las Vegas.

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THE RED BULLETIN


DAS F IK T IVE PHILO S O PHEN -IN T ERV IE W

SOKRATES SAGT:

„Coaches? Such dir lieber einen guten Freund zum Reden!“ Wer es sich leisten kann, engagiert einen Coach: für die Fitness, für den seelischen Frieden, für den beruflichen Erfolg. Im alten Athen war es ähnlich – doch fanden die damaligen Trainer in Sokrates einen scharfen Kritiker. Im fiktiven ­Interview mit dem Philosophen Christoph Quarch erklärt er, was ihn bis heute am Prinzip des Coaching stört.

DR. CHRISTOPH QUARCH

BENE ROHLMANN

the red bulletin: Herr Sokrates, Sie haben sich mit den sogenannten Sophisten legendäre Wortgefechte geliefert, weil diese Leute ihren Kunden in Aussicht stellten, ihnen die Kunst des guten Lebens beizubringen. Was hatten Sie denn daran auszusetzen? Sokrates: Nur eine winzige Kleinig­ keit, mein Freund: Sie hielten nicht, was sie versprachen. Keiner von denen hat je das Leben seiner Kunden besser gemacht. Du kannst übrigens Du zu mir sagen.

sein, also buchst du den Fitness-Coach. Du glaubst, du musst charismatisch auftreten, also buchst du jemanden, der weiß, wie das geht. Du glaubst, du musst empathisch reden, also buchst du einen Empathie-­ Coach. Aber hast du dich je gefragt, ob du das wirk­ lich brauchst? Könnte es sein, dass du einfach nur die Erwartungen anderer erfüllen willst? Oder einer fixen Idee hinterherhechelst, die du dir in den Kopf gesetzt hast? Klar, gute Coaches helfen dir, so zu werden, wie du sein willst. Aber wer sagt dir, dass das, was du sein willst, auch wirklich gut für dich ist?

Du vermutlich? Aber wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung, was gut für die Leute ist, mit denen ich mich unterhalte. Das ist es doch gerade! Ich kann Men­ schen nicht optimieren. Ich bin kein Experte. Ich habe kein Wissen, das ich zu Markte tragen könnte. Ich kann sie nur in ein Gespräch verwickeln, bei Na schön. Aber siehst du das nicht dem sie lernen, sich selbst in Frage ein bisschen zu eng? Immerhin „Du musst selbst waren die Sophisten ausgezeichnete herausfinden, was zu stellen: ihre Werte, ihre Ziele, rausfinden, was Redner, die Menschenmengen ihre fixen Ideen. Ich hole sie aus ihrer gut für dich ist. begeistern konnten – und diese Komfortzone und lade sie ein, zu Fähigkeit auch weitergaben. denken. Das müssen sie aber selbst Das kann dir Ganz unbenommen. Eure Coaches und abnehmen.“ machen. Du musst schon selbst her­ keiner abnehmen.“ Keynote Speaker können das ja auch. ausfinden, wer du bist und was es Ich bewundere sie sehr dafür. Ich frage heißt, ein schönes, gutes und wahres mich nur: Wird jemand ein guter Mensch, weil er groß­ Leben zu führen. Das kann dir keiner abnehmen. artig zu reden versteht? Wird einer dadurch mutig, Auch ich nicht. weil er einen mitreißenden Vortrag über Mut hört? Aber ist das nicht auch eine Art von Coaching? Natürlich nicht sofort, aber Coaches können Stimmt, warum eigentlich nicht? Ob das allerdings doch gute Ratschläge geben, wie man sein Leben als Business funktioniert, weiß ich nicht. Es geht ja optimieren kann – zum Beispiel für das Auftreten nur darum, gute Gespräche unter Freunden zu führen. in der Öffentlichkeit oder die Kommunikation. Wenn Coaches das tun, haben sie meinen Segen. Jaja, die Selbstoptimierung. Darauf seid ihr alle scharf, ihr neuzeitlichen Menschen. Und deshalb SOKRATES, 469–399 v. Chr., gilt als der Archetyp des griechiseid ihr bereit, jedem, der euch so etwas verspricht, schen Weisen. Berühmt wurde er für seine Aussage „Ich weiß, absurde Honorare zu zahlen. Aber das ist oft raus­ dass ich nichts weiß“, mit der er zu erkennen gab, dass man bei ihm keine theoretischen Kenntnisse erlernen kann, dafür geschmissenes Geld, mein Freund. Genau wie meine aber in die Kunst des Denkens eingeführt wird. Sein Anliegen sophistischen Zeitgenossen kommen eure Coaches war es, Menschen aus dem Gefängnis ihrer Meinungen und gern mit schlauen Ideen: „Tu dies, tu das! Wende ­Konventionen zu befreien, um sie zu einem naturgemäßen und diese Methode an, benutze jenes Tool, buche noch menschenwürdigen Leben zu befähigen. ein Seminar – und dann läuft das Ganze.“ Aber was ist daran auszusetzen? Dass dir das nichts nützt, wenn du nicht verstanden hast, was gut für dich ist. Du glaubst, du musst fit

THE RED BULLETIN

CHRISTOPH QUARCH, 57, ist deutscher Philosoph, Gründer der Neuen Platonischen Akademie (akademie-3.org) und Autor zahlreicher philosophischer Bücher, zuletzt: „Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philosophische Antworten auf alltägliche Fragen“, legenda Q, 2021.

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M EIN ERST ES M A L

DANIELA RYF

„Meine Krise rettete meine Karriere“ Erfolge pflastern ihren Weg: Daniela Ryf ist vielfache man die Ursache für meine Probleme: eine bakterielle Ironman-Weltmeisterin und die weltweit erfolgreichste Darmfehlbesiedlung und ein Candida-Pilz im Magen. Triathletin. Wer auf Wikipedia die Liste ihrer Siege anHeute staune ich, wie gut ich diese Durststrecke schaut, kommt aus dem Scrollen gar nicht mehr herüberwunden habe. Ich habe nie die Hoffnung auf­ aus. Doch für die heute 34-­Jährige gegeben, dass es morgen besser aus Solothurn lief bei weitem werden kann. Meine Familie und nicht immer alles glatt: 2018 mein Umfeld in Solothurn haben wurde sie Sekunden vor dem mir dabei sehr geholfen. Und der Start des Ironman Hawaii von Beginn meines Studiums hat mir einer Qualle verbrannt. Trotz gezeigt, dass Sport nicht alles ist. ­geschwollener Arme und Angst Andererseits hab ich durch die vor dem Ertrinken gewann sie viele A ­ rbeit am Schreibtisch gemerkt, wie sehr ich die Bewegung den Wettbewerb – und stellte in meinem ursprüng­lichen Beruf noch dazu einen Streckenrekord mag. Ich erkannte, wie gut Leisauf, angespornt vom Medusentungssport und der dazugehörige Feuer. 2010 holte sich Daniela Lebensstil zu mir passen. eine Pilzinfektion, die zunächst nicht entdeckt wurde. Die Folge: Zugleich reduzierte ich das Eineinhalb Jahre lang wurde ihr ­Triathlon-Training und wandte vor jedem Lauf übel, und kein 0:00 –41:29 mich mehr den Ironman-Wett­ Arzt konnte ihr sagen, warum. Daniela Ryf bewerben zu. Das nahm Druck Hier erzählt die sympathische Mein erstes Mal – der Podcast raus und ließ mich den Sport aus Kämpferin, wie sie lernte, diesen neuer Perspektive sehen. Wenn ­ersten Tiefpunkt ihrer Karriere man es so betrachtet, hat mir zu überwinden. Und wie sie es die Krise meine Karriere gerettet, schafft, in widrigsten Momenten „Erfolg heißt nicht, weil ich dadurch erst meine BaHöchstleistungen abzurufen – lance gefunden habe. Mit meiner indem sie ihren Fokus auf die alles zu gewinnen, geänderten Einstellung kann Performance legt. sondern das Beste ich im Sport wie im Leben vieles aus jeder Situation zum Besseren wenden: Manch„Meine erste große Krise kam mal erlebst du Niederschläge, gleich nach meinem ersten grozu machen.“ ßen Erfolg beim Weltcup 2010 die schwer zu verdauen sind. Daniela Ryfs Erfolgsrezept in Seoul. Ich hatte das Rennen Dann kannst du entweder den gewonnen und war so gut unterKopf in den Sand stecken oder wegs wie nie zuvor. Was ich aber noch nicht wusste: schauen, was das Gute an der Situation ist. Das ist der Bei diesem Rennen hatte ich einen Magenvirus auf­ Grund, warum ich nie aufhören werde, mich zu entwickeln und immer besser zu werden.“ geschnappt. Der machte sich auf dem zehnstündigen Rückflug nach Zürich bemerkbar: Vom vielen Über­ geben zerrte ich mir das Zwerchfell und kam vollkommen erschöpft zu Hause an. Diese Erschöpfung stellte sich als langwieriger heraus, als ich gedacht hatte: Ich war durchgehend sehr müde, und mein Immunsystem war komplett überfordert. Vor jedem Training wurde «MEIN ERSTES MAL» IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE, in der mir übel. Daraus entstand dann auch eine negative ­Heldinnen und Helden über ihre erste große Krise sprechen. Die Folge Spirale im Kopf und eine mentale Krise. Ich wusste mit Daniela Ryf, in der sie von Qualen, Quallen und ihrem schlimmsten ja nicht, ob meine Erschöpfung nicht ein Mangel an Flug erzählt, gibt’s im Podcast-Kanal von The Red Bulletin – auf allen gängigen Plattformen wie Spotify und auf redbulletin.com/podcast Motivation war! Erst nach anderthalb Jahren fand

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THE RED BULLETIN

IGNAZ KOENIG/RED BULL CONTENT POOL

Sie ist die beste Triathletin der Welt. Vor zehn Jahren fiel sie in ein tiefes Loch. Jetzt erzählt Daniela Ryf, warum das das Beste war, was ihr passieren konnte.


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WHAT AR E YOU BU I L DIN G F O R ?


Deutschrap

RED BULL SOUNDCLASH

DIE HIP-HOP-SHOW BADMÓMZJAY KOOL SAVAS

Der 47-Jährige gilt mit vier Nummer-eins-Alben als einer der einflussreichsten Deutschrapper. Text JONAS VOGT Fotos EMIL LEVY

2020 brachte die Berlinerin ihre erste EP raus. Nur ein Jahr später gewann sie den MTV Europe Music Award.


Sie sind die Stars der Stunde des Deutschrap: BADMÓMZJAY und BOZZA. Am 19. Mai rappen sie beim Red Bull Soundclash in Dortmund um die Hip-Hop-Krone. Unterstützt werden sie von KOOL SAVAS und SIDO.

DES JAHRES BOZZA

Der Hamburger schrieb erst Songs für andere Stars wie Shirin David. 2018 feierte er sein Debüt als Solokünstler.

SIDO

Acht Alben, und alle in den Top 10. Auf Spotify folgen dem Berliner Rapper 4,8 Millionen Menschen.

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A

m 19. Mai kommt es in der Dortmunder Westfalenhalle zum Gipfeltreffen der deutschen Hip-Hop-Szene. Beim Red Bull Soundclash treten vier der größten Rap-Stars Deutschlands in zwei Teams auf zwei Bühnen in einer ­Halle gegeneinander an – u ­ nd zwischen ihnen die Fans. In fünf Runden mit unterschiedlichen Challenges versuchen die Teams das Publikum zu überzeugen. Denn am Ende wählen die Fans die Sieger. Auf der einen Seite steht die „Newcomerin des Jahres 2020“, Badmómzjay. Sie hat sich zur Unterstützung Kool Savas als Coach auf die Bühne geholt. Ihnen gegenüber: ­Bozza und sein Mentor Sido. Zum Aufwärmen haben wir beide Teams zum Gespräch gebeten: über Beleidigungen unter der Gürtellinie und warum eine Rap-Show wie der Bau eines Hauses ist.

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Die Gegner können kommen. Kool Savas steht bereit, um es mit allen aufzunehmen.

TEAM BADMÓMZJAY

Sie wollen den Red Bull Soundclash mit Talent und Disziplin gewinnen: Badmómzjay und Kool Savas. the red bulletin: Worauf freut ihr euch beim Red Bull Soundclash am meisten? badmómzjay: Auf die Atmosphäre. Ich habe ja noch nicht oft vor so vielen Leuten gespielt. Wenn man da abreißt, hat man noch mal ein ganz anderes Standing. kool savas: Es wird spannend sein zu sehen, ob die Ideen fruchten – wenn

man auf der Bühne steht und sieht, dass ein Plan aufgeht. Mal ganz generell: Worin liegt der Reiz eines solchen Rap-Battles? badmómzjay: Es macht irre Spaß, wenn auch mal wer zurückschießt. Man steht ja sonst meist im Studio und schießt seine Texte raus, aber hier kommt was zurück. THE RED BULLETIN


Deutschrap

„Ich bin gut – aber ich bin noch nicht so lange im Game wie Savas.“ BADMÓMZJAY kool savas: Die Konstellation ist super. Wir haben weibliche und männliche Energie, wir haben Yin und Yang. Jordan­ (Badmómzjays b ­ ürgerlicher Name ist ­Jordan Napieray; Anm.) ist so jung, und ich bin so alt. Und wir schaffen es trotz­ dem, diese Energie zu vereinen. Da pral­ len Gegensätze auf­einander, und das ist immer interessant.

Die Markenzeichen von Badmómzjay: freche Lyrics und knallrote Haare

Bei solchen Duellen geht es darum, über den Gegner herzuziehen. Welche Beleidigungen treffen am härtesten? kool savas: Meistens geht man ja nicht bis zum Äußersten und lässt zum Bei­ spiel die Familie des Gegenübers raus. Wenn man sich kennt, darf es auch schon mal ein bisschen härter sein, weil man ja weiß, dass man sich nichts Böses will. Es gibt auch Vorwürfe, von denen die ­anderen denken, dass sie einen treffen, die einem aber egal sind. Ich hör zum Beispiel oft „Du bist alt“. Ja, bin ich. Und? Warum seid ihr das bessere Team als eure Gegner Sido und Bozza? badmómzjay: Wir sind sehr organisiert und sehr talentiert. Wir nehmen die ­Sache ernst und ziehen unser Ding durch. Wir hängen uns richtig rein. THE RED BULLETIN

„Ich höre von meinen Gegnern zum Beispiel oft, dass ich alt bin. Ja, bin ich. Und?“ KOOL SAVAS

Woran merkst du diesen Alters­ unterschied? kool savas: Wir sind ja komplett anders sozialisiert. Jordan ist im Internetzeit­ alter groß geworden. Ich komme aus einer Zeit, wo man noch Vinyl geschnit­ ten hat. Das ist ein großer Benefit. Wir profitieren davon, dass ich das schon so lange mache und viele Situationen schon durch hab. Und ich profitier davon, dass Jordan einfach ein Marketing-Genie ist. Wir haben beide unseren Kopf, haben einen Anspruch an Qualität und wissen, was wir feiern. badmómzjay: Savas ist natürlich schon viel länger im Game als ich. Er hat live so eine unglaubliche Technik, stand schon unzählige Male auf großen Bühnen. Da kann ich sehr viel mitnehmen. Ich bin gut, aber natürlich noch nicht so lange dabei. Was wäre das zum Beispiel, was du ihr mit auf den Weg geben kannst? kool savas: Man sollte nie zu selbst­ sicher sein. Ich habe das mehrfach erlebt, dass die Leute mit so breiter Brust auf­ tauchen, dass sie gar nicht mehr reflek­ tieren, was sie tun. Je mehr man sich selbst konstruktiv in Frage stellt, desto besser wird dann das Endergebnis. Noch was? kool savas: Es ist ein Marathon. Wer lang im Game bleiben will, muss auch langfristig denken. Wenn man zu schnell 21


schießt, wird man sich schnell untreu. Man sollte immer aufpassen, dass man sich noch in den Spiegel schauen kann.

Kann auf jeden Fall schon posen wie die ganz Großen des Rap: Bozza

Und, Jordan: Was kann Kool Savas von dir lernen? badmómzjay: Ich höre oft, ich sei gut im Marketing, aber es ist ein bisschen komplizierter. Ich bin auch auf Insta­ gram ich selbst. Wenn du etwas nur machst, um dich zu vermarkten, dann checken das die Leute. Die beste Wer­ bung ist, ehrlich zu tun, was du fühlst. Wie bereitet ihr euch auf eure Gegner vor? kool savas: Wir kennen die beiden ja, haben mit beiden auch schon Musik ge­ macht. Wir schauen aber mehr darauf, was unsere Stärken sind. Was können wir machen, was sind die Überraschungs­ momente? Eine Show ist, wie ein Haus zu bauen: Man schaut sich das Grund­ stück an, zeichnet Pläne, und dann entwickelt sich das. Ich glaub, unsere Gegner sollten lieber uns studieren. Woran merkt man auf der Bühne, dass man seine Sache gut macht? badmómzjay: Am wichtigsten ist natür­ lich die Antwort der Fans. Du siehst, wenn sie Spaß haben und ausrasten. Dann checkt man: Das funktioniert ­gerade. Flößen eure Gegner euch Angst ein? badmómzjay: Angst nein, Respekt ja. kool savas: Sonst würden wir das gar nicht machen. Wir würden nicht ­gegen Leute antreten, die wir nicht ­respektieren. Auf einer Skala von eins bis zehn, wie sicher seid ihr euch eures Sieges? kool savas: Das ist eine provokante Frage. badmómzjay: Ja, wenn man da hoch pokert und dann nicht abliefert, ist das peinlich. Ich sag acht. kool savas: Acht ist gut. Welche Botschaft wollt ihr euren Gegnern an dieser Stelle noch mit­ teilen? kool savas: Seid ausgeschlafen. badmómzjay: Wir sind ready.

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TEAM BOZZA

Bozza und sein Team-Partner Sido über Erfolg, kleine Bühnen und ihre Siegchancen. the red bulletin: Sido, du hattest mit „Mein Block“ vor fast zwanzig Jahren deinen Durchbruch. Was bedeutet dir die Nummer heute noch? sido: Alles, was ich da beschreibe, habe ich wirklich aus meinem Leben gekannt. Das ist in meinem Block, in meinem Vier­ tel alles passiert. Mittlerweile glaub ich, das war das erste Mal, dass ich mich poli­ tisch engagiert habe. Ich habe auf meine Art Missstände angesprochen. Ich glaub, einige Menschen in Deutschland haben erst durch diese Nummer erfahren, dass Menschen wirklich so leben.

Bozza hat vor zwei Jahren seine erste Single unter deinem Label Def Jam Germany veröffentlicht. Was ­würdest du einem aufstrebenden Rapper wie ihm raten? sido: Bleib dir treu und lass dir von ­niemandem was anderes sagen. Umgib dich immer mit den besten Menschen, die es ehrlich mit dir meinen. bozza: Siggi (Sidos bürgerlicher Name ist Paul Hartmut „Siggi“ Würdig; Anm.) ist immer am Ball geblieben, hat seine Sache durchgezogen. Da kann man sich schon vieles abschauen. THE RED BULLETIN


Deutschrap

Und umgekehrt, was kann ein alter Hase von Bozza lernen? sido: Ungestüm sein. Das verlernt man irgendwann. Viele Rapper haben früher auf kleinen Battle-Bühnen angefangen. Musstest du das auch machen, Bozza? bozza: Nein, das macht man kaum noch. Karrieren starten heute anders. Das wäre auch nicht so mein Ding ­gewesen.

„Das Wichtigste in einem Battle? Fokussiert zu bleiben.“ BOZZA

sido: Das ist eigentlich schade. Der Riesenvorteil von Minibühnen ist, dass man lernt, mit geringem Risiko vor Publikum zu spielen. Dort kannst du auch mal scheiße rappen, ohne dass es sich sofort herumspricht oder es ein Video davon gibt. Was ist das Wichtigste, wenn man in ein Battle geht? sido: Ein gesundes Maß an Selbstvertrauen. Wenn du da reingehst und denkst, dass es schlimm wird, dann wird es auch schlimm. bozza: Man muss fokussiert bleiben. Beim Red Bull Soundclash tretet ihr gegen Kool Savas und Badmómzjay an. Was war euer erster Gedanke, als ihr die Namen gehört habt? sido: Dass es interessant wird. Man ist nicht von vornherein sicher, wer das Ding nach Hause schaukelt. Das sind gute Gegner.

„Wenn du denkst, es wird schlimm – dann wird es auch schlimm.“ SIDO Habt ihr die beiden vorher studiert? bozza: Nein, ich konzentriere mich auf mich. Wir wollen einfach eine gute Show abliefern. sido: Man will ja auch überrascht ­werden. Als ich gegen Haftbefehl spielte (Red Bull Soundclash 2015; Anm.), da habe ich ihm zugeguckt wie ein Fan. Die Mucke, die Beats, die Performance – das war so geil! Aber am Ende habe ich gewonnen.

Blickt seinem zweiten Red Bull Soundclash gelassen entgegen: Sido

THE RED BULLETIN

Aber irgendwie müsst ihr euch doch vorbereitet haben? sido: Das ist unser Geheimnis. Wir sind mit allen Wassern gewaschen und ver­raten nichts. Die Leute sollen sich einfach überraschen lassen. 23


Die Zukunft des Deutschrap: Badmómzjay und Bozza (re.)


Deutschrap

FLOTTER VIERER

Rap-Stars sind bekannt für ihr schnelles Mundwerk. Deshalb zum Abschluss: ein paar flinke Antworten. Bester Rapper aller Zeiten? sido

bozza

badmómzjay

kool savas

Notorious B. I. G.

50 Cent

J. Cole

Nas

Wenn ich nicht Rap machen würde, würde ich … sido

bozza

… Pornos synchronisieren.

… Gold rauben.

badmómzjay

kool savas

… vielleicht als … aufgeschmissen Kfz‑Mechatroniker sein. arbeiten.

Worauf zielen die besten Punchlines: Aussehen, Intelligenz oder Talent? sido

bozza

badmómzjay

kool savas

Aussehen und Intelligenz, das ist lustiger.

Ich versteh nichts von Punchlines.

Aussehen ist immer lustig, da lachen alle.

Auf die Persönlichkeit.

Der größte Fehler vieler Rapper? sido

bozza

badmómzjay

kool savas

Selbst­ überschätzung.

Selbst­ überschätzung.

Etwas sein wollen, was sie nicht sind.

Selbst­ überschätzung.

Welcher Rapper sollte lieber aufhören? sido

bozza

badmómzjay

kool savas

Jeder, der nur Ketten, Autos und Weiber will.

Menschen, die eigentlich nichts mit Rap zu tun haben wollen.

Wie viel Platz hab ich?

Da gibt es so einige.

Warum ergänzt ihr beide euch? bozza: Wir kennen uns gut und wissen um die Stärken und Schwächen des ­anderen. Siggi hat die Erfahrung und ich ein bisschen mehr Energie. Na ja, das trifft auch auf eure Gegner zu. Also, was ist eure Strategie? bozza: Das Wichtigste ist, so zu sein, wie wir sind. Damit fährt man am besten. sido: Gewinnen! Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie sicher seid ihr euch, dass ihr gewinnt? sido: Mehr als fünf, aber nicht zehn. Vielleicht sieben oder acht. bozza: Gute 7,5. Ziemlich bescheiden für zwei Rapper. Neuer Versuch: Was habt ihr, was die nicht haben? sido: Darüber habe ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht. Es wird schon irgendwas geben. Was ist eure Ansage an eure Gegner? bozza: Wir schlafen nicht, wir arbeiten. sido: Erwartet nichts, und rechnet mit allem. Tickets und weitere Infos zum Red Bull Soundclash unter: redbullsoundclash.de

Das Beste am Rapgame ist … sido

bozza

badmómzjay

kool savas

… S. I. D. O.

… dass ich meinen Traum leben kann.

… die Energie der Fans.

… dass es sich so schnell ändert. Anstrengend, hält aber jung.

Welche Note würdet ihr der deutschen Rap-Szene geben? sido

bozza

badmómzjay

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Gebt uns zumindest einen Tipp, was wir erwarten können. bozza: Was man sagen kann: Wir haben auf jeden Fall viel gebrainstormt und Ideen gesammelt. sido: Gerade bei so einem Event wie dem Red Bull Soundclash darf man nicht zu ­geradlinig denken und muss über den Tellerrand schauen. bozza: Vor allem wollen erst mal wir Spaß haben. Und wenn wir Spaß haben, dann merken das auch die Leute. sido: Wir werden eine unvergessliche Show liefern. Die Leute können sich ­darauf verlassen, dass sie für ein paar Stunden die Welt um sich herum ver­ gessen werden.

Styling TIM HEYDUCK/SHOTVIEW Make-up VANESSA LICHTWALD/@NESSBEAUTYSTUDIO Zweiteiler Badmómzjay DAILY PAPER Hoodie Kool Savas SEAN JOHN Shirt Bozza und Hoodie Sido BALENCIAGA

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BIKESPECIAL

RUSS ELLIS

Auf 50 Seiten feiern wir das Fahrrad mit allem, was es uns beschert: Glückshormone, Wadenkrämpfe, Seelenwohl. Profis, Amateure und Fotografen zeigen, was die Freude am Zweiradfahren ausmacht.

Radsportfan Russ Ellis ist überzeugt, den besten Job der Welt zu haben: Der Brite wird dafür bezahlt, Fotos von seinem Lieblingssport zu machen – wie hier und auf den nächsten Seiten.

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Savoir-vivre

Tour de France, 2020 „Ich sah dieses wunderbare alte Auto am Straßenrand und fragte den Besitzer, ob ich aus seinem Wagen heraus ein Foto machen dürfte“, erzählt Russ Ellis. Voilà: das einzigartige Gefühl der berühmtesten Radrundfahrt der Welt auf einen Blick.


Bike-Special Portfolio

Sattelfest

Der britische Fotograf Russ Ellis ist einer der wenigen, die dem Radsport einen würdigen Rahmen verleihen können – vielleicht, weil er sein Handwerk auf der Straße gelernt hat. Protokoll ANDREAS WOLLINGER 29


Bike-Special Portfolio

Heißes Pflaster

Paris – Roubaix, 2019 Das Rennen, das seit 1896 an einem Sonntag im April in Nordfrankreich stattfindet, ist Russ Ellis’ „Lieblingsveranstaltung der ganzen Saison. Die brutale Strecke – teils auf Kopfsteinpflaster, teils auf Feldwegen – ist immer für großartige Fotos gut.“ Wie man hier sieht: ein Bild wie ein Gemälde aus dem Louvre.

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DER FOTOGRAF

RUSS ELLIS Der im englischen Nottingham geborene Russ Ellis, 45, ist ein Spätberufener: Erst seit 2015 begleitet er den Radsport als Fotograf. Damals fragte ein Fachmagazin an, ob er das berühmte Rennen Paris  – Roubaix fotografieren wolle. „Das war ein Wendepunkt für mich“, erinnert sich Ellis. „Mir wurde klar, dass ich damit ­meinen Lebensunterhalt verdienen will.“ Seither lebt er seinen Traum: Er verbindet seine beiden größten Leidenschaften – das Fotografieren und den Radsport – und

„Bevor ich die Kamera herausnehme, sauge ich die Atmosphäre auf.“ Russ Ellis

wird dafür auch noch bezahlt. Der späte Einstieg kommt der Qualität der Fotos jedenfalls entgegen: Man spürt in ihnen Russ Ellis’ früher gemachte Erfahrungen in der Straßenfotografie ebenso wie seine Fähigkeit, drei Schritte zurückzumachen, um aus der Distanz besondere Schwingungen und Stimmungen einzufangen. „Wenn ich zu einem Rennen komme“, beschreibt Russ seine Arbeitsweise, „gehe ich zuerst nur herum und sauge die Atmosphäre auf, bevor ich die Kamera überhaupt herausnehme.“ cyclingimages.co.uk

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„Ich möchte, dass sich die Leute meine Bilder an die Wand hängen wollen.“ Russ Ellis

Rahmenhandlung

Tour Down Under, Australien, 2020 „Die Stelle nahe Adelaide, an der wir anhielten, um Fotos zu machen, sah irgendwie austauschbar aus. Also suchte ich nach einem interessanten Blickwinkel und entdeckte diesen alten Reifen am Straßenrand.“ Sieht doch gleich viel besser aus!

Muddy faces win races

Cyclocross, Zeven, Deutschland, 2017 „Cyclocross, das sind kleine, schnelle Rund­ kurse mit Schlamm, Schotter und Asphalt für aufregende Rennen mit unvorhersehbarem Aus­ gang.“ Im Bild links: der belgische U23-Welt­meister Michael Vanthourenhout.

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„Wenn du dir die Fotos anschaust, musst du das Gefühl haben, dabei gewesen zu sein.“ Russ Ellis

No Time to die

Giro d’Italia, 2020 Die 200 Kilometer östlich von Neapel gelegene Stadt Matera ist für ihre Höhlensiedlungen – die Sassi – bekannt, die sich auch hervorragend als Kulisse für den Giro d’Italia machen. „Und ein gewisser James Bond hatte hier eine aufregende Autoverfolgungsjagd in seinem letzen Film als 007“, weiß Russ Ellis.

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Bike-Special Portfolio

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Bike-Special Portfolio

Donnerwetter!

Critérium du Dauphiné, Frankreich, 2020 „Ein Gewittersturm erwischte das Feld völlig unvorbereitet auf den letzten zwei Kilometern der zweiten Etappe.“ Dass Fotografen auf Schönwetter hoffen, ist übrigens ein Gerücht. „Bei Schlechtwetter machen Schlamm, Regen und kübelweise Drama deinen Job.“

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„Ich versuche immer, künstlerische Bilder zu machen, die alle Emotionen einfangen.“ Russ Ellis

Radler rasen vorbei Tour de France, 2018

Wer sagt, dass Radfahrer das Wichtigste bei einem Radrennen sind? Auf Russ Ellis üben Zuschauer fast größeren Reiz aus: In ihren Gesichtern spiegelt sich das Rennen; außerdem lässt sich auf die Art das höllische Tempo der Teilnehmer besser zeigen.

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Bike-Special Portfolio

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„Es ist ein Traum, mit meinen Hobbys Geld verdienen zu können.“ Russ Ellis

Come together Giro d’Italia, 2018

„Diese drei Fans in fast identischem Aufzug begegneten mir auf der 18. Etappe des Giro. Wie sie so über den ­Zebrastreifen gingen, erinner­ten sie mich an das berühmte BeatlesAlbum ‚Abbey Road‘ – ein super Schnappschuss.“

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Bike-Special Ultracycling

Christoph Strasser

zu sein, würde ich niemals starten. Es ist einfach kein Spaß, wenn du körperlich nicht optimal in Form bist. Gar kein Spaß.

radelt schier schlaflos 5000 Kilometer zu Rekordsiegen beim Race Across America. Die Form dafür holt er sich im Keller – und mit Songs, die er schon hundert Mal gehört hat. Text WERNER JESSNER

Foto PHILIPP HORAK

Das Race Across America gilt als härtester Radmarathon der Welt. Rund 5000 Kilometer von der West­ küste der USA bis zur Ostküste – in maximal 288 Stunden. Neunmal trat der Österreicher Christoph Strasser, 39, bei diesem legendären Rennen an, sechsmal konnte er gewinnen. Wirklich spannend war es in den letzten Jahren nicht mehr: „Straps“, wie seine Freunde ihn nennen, saß längst geduscht und massiert mit dem einen oder anderen Sieger­ getränk im Hotel, als sein knappster Verfolger noch versuchte, die vor ihm liegende Nacht auf dem Renn­ rad zu überstehen. 2022 macht der Dominator eine Pause. Das eröffnet anderen eine Siegeschance und uns die Gelegenheit für ein Gespräch. the red bulletin: Wie viele Stunden trainierst du aktuell pro Jahr? CHRISTOPH STRASSER: Nicht so viel. In einem Jahr ohne RAAM (Race Across America; Anm.) bloß 1000 bis 1300. Moment: Das heißt, du sitzt trotzdem täglich rund vier Stunden auf dem Fahrrad? Fünf Stunden pro Tag Rad zu fahren ist easy. Der Großteil passiert ohne­ hin am Ergometer in meinem Keller. Da ist das Training effizienter und weniger gefährlich, vor allem im Winter.

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Wie drückst du das geistig durch? Täglich für Stunden im Keller zu verschwinden, um aus dem Sattel des Ergometers eine Wand anzuschauen, muss doch unglaublich langweilig sein. Ich schaue während des Trainings ­einen guten Film, schreibe E-Mails oder telefoniere. Immer dieselbe Strecke mit dem Rad zu fahren ist auch nicht sehr spannend. Und am Ergometer gibt es keine roten Am­ peln, keine langweiligen Abfahrten oder unkonzentrierten Autofahrer. Ich mag meinen Keller. Indem man sein Büro mit einem Ergometer ausstattet und in jeder verfügbaren Minute draufhockt, dominiert man den Klassiker aller Ausdauer-Radrennen? Ich möchte auf keinen Fall überheb­ lich rüberkommen, weil ich sehr ­genau weiß, welche Leistung es ist, beim RAAM auch nur ins Ziel zu kommen. Aber ich habe über all die Jahre wohl mehr investiert als alle anderen. Zeitlich, in allen Details. Man muss es sich auch finanziell leisten können, alles auf ein Rennen zu konzentrieren. Und ich bin dran­ geblieben, während viele nach ein, zwei, drei Starts nicht wieder­ gekommen sind. Heute habe ich mehr Erfahrung als der Rest, zudem ein perfekt eingespieltes Team. Blöd wäre, wenn du neunmal am Start stehen würdest und jedes Mal schlecht vorbereitet wärst. Wenn ich nicht völlig überzeugt wäre, bereit

Macht das RAAM denn überhaupt Spaß? In einer Woche nur sechs, sieben Stunden zu schlafen, am Rad zu essen … Man sollte nicht den Fehler machen, zu erwarten, glücklich zu sein, wenn man es ins Ziel schafft, ob als Sieger oder nicht. Es ist so ein Klas­siker, den viele von uns kennen: Schule fertig machen, danach Studium, ein Job, dann einen Award kriegen oder eine Beförderung, F ­ amilie gründen, eine Wohnung oder ein Haus kau­ fen, immer weiter. Man denkt: Wenn ich das Nächste geschafft habe, wird es richtig geil. Bloß funktioniert das in aller Regel nicht. Richtig super ist es nur, wenn der Moment super ist. Auch ein Sieg wird dich nicht zu ­einem anderen Menschen machen. Im Grunde ­ändert er gar nichts: Wenn du vorher ein Arsch warst, wirst du nachher auch einer sein. Und wenn du zuvor zufrieden warst, wirst du es auch nachher sein. Das ist eine u ­ ngemein befreiende Er­ kenntnis, weil sie Druck nimmt. Wann also ist das RAAM richtig super? Wenn wir rollen, mein Team und ich, blödeln wir die Schmerzen weg, einer legt einen Song auf, den wir bereits hunderte Male gehört haben, eigentlich kann ihn eh keiner mehr ­hören, aber in dem Augenblick bringt er dich total in den M ­ oment: jetzt, du und deine Crew, unterwegs ins Ziel. Wirst du das RAAM heuer im Juni verfolgen? Auf jeden Fall! Ich bin Fan mit jeder Faser meines Körpers. Folge Christoph Strasser auf Instagram: @straps_377

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„Wenn du vorher ein Arsch warst, wirst du ­nachher auch einer sein.“ Extremsportler Christoph Strasser, 39, über die Bedeutung von Siegen

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Bike-Special Bahnrad

Emma Hinze raste ohne Bremsen mit 70 km/h über steile Holzwände fünfmal zum Weltmeistertitel und weiß eines ganz genau: Die Liebe ist größer als die Angst vor dem Sturz. Text WERNER JESSNER

Foto ARNE MILL

Komplimente kommen manchmal von ungewohnter Stelle. Als Emma Hinze, 24, jüngst innerhalb von Cottbus umzog, war einer der ersten Gratulanten ihr Postbote: „‚Schön dass Sie nun in meinem Bezirk wohnen‘, sagte er“, erzählt die fünffache Weltmeisterin mit einem Lächeln. Spätestens nach ihrer olympischen Silbermedaille im Teamsprint gemeinsam mit Lea Sophie Friedrich ist die gebürtige Hildesheimerin auch jenen Menschen ein Begriff, die mit Bahnradsport nicht so viel am Hut haben und bloß wissen, dass dort auf Holzbahnen mit überhöhten Kurven im Kreis gefahren wird. Wir helfen gern: Im Wesentlichen gibt es drei Disziplinen. Im Sprint tritt man im K.-o.-System paarweise gegeneinander an, im Keirin (Kampf­ sprint) ist man zu sechst auf der Bahn, und im Teamsprint geht es zu dritt (bei den Frauen bislang zu zweit) um die schnellste Zeit. Gemein haben alle die aerodynamisch optimierten Bahnräder ohne Gang­ schaltung, ohne Freilauf – und ganz ohne Bremsen. Bei Geschwindig­ keiten jenseits der 70 km/h endet jeder Fehler mit Schmerzen. Doch die potenzielle Gefahr blendet Emma, die von Bahnsport-Legende Kristina Vogel wegen ihrer Fahrweise zum „Mädchen mit den dicksten Eiern“ geadelt wurde, konsequent aus.

the red bulletin: Ihr brettert ohne Schutzkleidung mit 70 km/h Rad an Rad über die Bahn. Wie gehst du mit dem Risiko um? emma hinze: Man ist sich des Risikos bewusst, blendet es im Rennen aber aus. Die anderen Fahrerinnen wollen ja auch nicht stürzen. Aber klar geht uns manchmal der Platz aus. Kommt vor. Körperkontakt ist in der Regel nicht vorsätzlich. Dein wilder Blick am Start ist berüchtigt. Taktik oder Konzen­ tration? Ich versenke mich in einen Zustand, den ich brauche, um gut Rennen fahren zu können. Wenn ich damit Gegnerinnen einschüchtere: auch gut (grinst). Was sind die gängigsten Ver­ letzungen? Splitter im Po vom Rutschen auf der Holzbahn, Brandwunden. Und ein Schlüsselbein ist auch schnell durch. Wie überwindet man sich, erst­ mals ohne Bremsen und Freilauf durch ein steiles Oval zu brettern? Als Kind wächst man so rein, bis es selbstverständlich wird. Kürzlich bin ich spaßeshalber gegen die übliche Richtung gefahren, also im Uhrzeiger­ sinn. Das war super merkwürdig und hat mir klargemacht, dass schon speziell und schwierig ist, was wir tun. Warum gibt es keine Bremsen? Weil es gefährlich wäre, wenn eine Kontrahentin schlagartig stehen bleiben könnte. Wir verzögern nur durch Ausrollen, das dauert viel ­länger.

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Entscheidender als die fehlenden Bremsen ist der starre Antrieb: Wer zu treten aufhört, wird von den sich weiterdrehenden Pedalen schlag­ artig über den Lenker katapultiert. Wie fühlen sich 70 km/h auf dem Rad an? Geil! Man spürt, wie man in die ­Kurve reingedrückt wird, und weiß dadurch instinktiv, ob man schnell ist oder nicht. Da unsere Aero-Helme die Ohren abdecken, hört man den Fahrtwind kaum, höchstens das Geräusch des Scheibenrades. Und manche Bahnen klappern. Wenn wir gemeinsam mit Männern trainieren, die noch um 5, 6 km/h schneller fahren, spürt man dieses Geschwindigkeits­plus infolge des Windschattens deutlich. Da drückt es dir den Kopf richtig runter. Die deutsche Bahnsport-Legende Kristina Vogel sitzt nach einem Sturz 2018 im Rollstuhl. Wie bist du mit ihrem Unfall umgegangen? Im ersten Moment war es schwierig. Aber es ist eben der Sport, den ich liebe, darum war aufzuhören keine Sekunde Thema. Angst hemmt und provoziert Fehler. Schon aus Selbstschutz versuche ich immer so zu fahren, wie ich eben fahre, und keine negativen Gedanken zuzulassen. Kann man Mut lernen? Ich denke, man kann sich an Herausforderungen rantasten. Hältst du dich für einen mutigen Menschen? Also vom Zehnmeterturm springe ich sicher nicht (lacht). Höhe ist nicht so meines. Achterbahnen auch nicht. Als Beifahrerin im Auto bin ich eher ängstlich, aber wenn ich selbst schnell fahre, ist das voll okay. Vielleicht ist das das Entscheidende: dass ich bei dem, was ich tue, die Kontrolle behalte. Instagram: @emma_hinzee

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„Splitter im Po, Brandwunden, und ein Schlüsselbein ist auch schnell durch.“ Emma Hinze, 24, über die gängisten – und weniger schlimmen – Blessuren in ihrem Sport.

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Bike-Special Mountainbiken

Vali Höll hat es von der Sturzpilotin zur ersten österreichischen Gesamtsiegerin im Mountainbike-Downhill-World-Cup geschafft. Wie? Mit Ehrgeiz, aber nicht um jeden Preis. Text WERNER JESSNER

Foto PHILIPP HORAK

Es hat sich etwas geändert in Saalbach. Unten im Tal reden die Leute beim Einkaufen über Valentina „Vali“ Höll und verabreden sich, um sie ­gemeinsam via öffentliche Leinwand anzufeuern. Public Viewing im Mountainbike-Rennsport – das hat es vor ihr in Österreich noch nicht ­gegeben. Oben am Berg hat sich auch etwas geändert, wenn Vali ausnahmsweise einmal zu Hause ist und nicht irgendwo auf der Welt ­testet, trainiert oder Rennen fährt. Normalerweise gilt auf den Down­ hill-Tracks ein ungeschriebenes Gesetz: Der Schnellste der Gruppe fährt vor, der Rest folgt. Vali Höll ist bei diesen Ausfahrten mit ihren Jugendfreunden, mit denen sie auf dem Bike sitzt, seit sie denken kann, locker die Schnellste. Und trotzdem fährt sie freiwillig ganz hinten: „Ich mag da nicht stressen oder sie unter Druck setzen. Ich bin sozialer geworden, seit ich so viel unterwegs bin.“

One Höll of a Ride

Trotzdem muss man sich Vali Höll als extrem ehrgeizige Frau vorstellen, sie selber sagt „überehrgeizig“. „Ich will einfach immer mein Bestes ­geben. So klein und unbedeutend kann ein Rennen gar nicht sein, dass ich mit einem zweiten Platz happy wäre.“ Bei zwei Vorbereitungsrennen diesen Frühling kam sie jeweils als Zweite ins Ziel: Einmal hatte sie einen schleichenden Platten, einmal ein verbogenes Pedal. Vali goes grrr:

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„Ich musste mir vorsagen, dass es besser ist, in der Vorbereitung technische Probleme zu haben als dann, wenn es wirklich zählt.“ Lockerheit war es auch, was sie in der legendären letzten Saison gelernt hat, als sie, auf Platz 4 in der Gesamtwertung liegend, zu den ­letzten beiden Saisonrennen in die USA nach Snowshoe, West Virginia, flog: „Wenn ich unter die Top 3 käme, wäre es schön“, lautete zu diesem Zeitpunkt die Einstellung nach ­einem von Stürzen geprägten Jahr. Der Rest ist Geschichte: Vali dominierte beide Rennen. Auch weil ausgerechnet die erfahrene und in der Gesamtwertung führende Französin Myriam Nicole Nerven zeigte und stürzte. Am Ende holte sich Vali die Krone. Blickt sie heute auf diesen Tag zurück, kommt eine weitere Seite der Saalbacherin zum Vorschein: Sie ist eine Frau mit hoher sportlicher Integrität. „Mir kam es beinahe unverdient vor, als ich die Gesamt­ wertung gewonnen habe. Myriam hätte unter normalen Umständen nur ins Ziel rollen müssen.“ Genau wie Vali bei so vielen Rennen, die sie dominiert und nach Zwischenbestzeiten weggeworfen hatte. Aber: To finish first, you first have to finish.

Ein starkes Team

Mit dem Selbstvertrauen ihrer 20 Lebensjahre und der Gewissheit, in der Sportart jederzeit dominieren zu können, hat sie nun auch ihr Umfeld selbstbewusst umgekrempelt. Weg mit fremden Ideen, mehr Fokus auf das, was sie wirklich braucht.

Mit der früheren französischen Enduro-Rennfahrerin Cécile Ravanel ist eine neue Trainerin an die Stelle ihrer Paten­tante als Vertrauens­ person getreten. Und statt auf einen Linien-Coach, der für sie im Training das Gelände liest und interpretiert, vertraut sie seit Snowshoe ihrem ­eigenen Gefühl und i­ hrem Auge für die schnellste Linie – und das soll auch so bleiben. Die Weltspitze in den DamenRennen ist in den letzten beiden Jahren irrsinnig breit geworden, das Feld sehr kompetitiv. „Mit einem Sicherheitslauf ohne große Fehler kommst du mittlerweile nicht mehr aufs Podest“, sagt sie und findet das gut, weil es der Akzeptanz des Sports guttut.

Vertraute Kontrahentinnen

Parallelen zu ihrer Landsfrau, der erfolgreichen Snowboarderin Anna Gasser, drängen sich auf: zwei starke Frauen, die ihren Sport pushen und sich – und das ist das Besondere – trotzdem für andere freuen können. Vor allem Letzteres kann Vali Höll unterschreiben: „Ich würde mir niemals anmaßen, für den DownhillSport so viel geleistet zu haben wie Anna fürs Snowboard. Eines haben wir gemeinsam: Es ist schöner, sich im Ziel mit den anderen Mädels zu freuen, als allein mit einem Pokal im Eck zu stehen.“ Das gilt auch umgekehrt: „Wenn meine Kollegin und Freundin, die Schweizerin Camille Balanche im Ziel eine halbe Sekunde schneller war als ich, dann freue ich mich für sie über ihre Leistung. Am Ende fahren wir gegen die Uhr, nicht gegeneinander.“ Den UCI Mountainbike World Cup könnt ihr bis 4. September auf Red Bull TV verfolgen: redbull.com/UCI-live

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„Am Ende fahren wir gegen die Uhr, nicht gegen­ einander.“ Weltcup-Siegerin Vali Höll, 20, setzt auch in der DownhillElite auf Freundschaft.

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Bike-Special Kopfzeile Homestory

Held mit Humor: Fabio betrachtet die Welt durch eine goldene Brille.


DER FABELHAFTE FABIO

„Es gibt nichts Größeres als die erste Million Klicks.“

Wie man unbändigen Ehrgeiz in lässige Leichtigkeit verwandelt: „Ich wollte immer besser als ich selbst sein.“ Ein Besuch bei Bike-Künstler Fabio Wibmer in dessen neuer Wahlheimat Monaco. Text WOLFGANG WIESER

Fotos LOTTERMANN AND FUENTES 47


Bike-Special Homestory

F

enster stehen sperrangelweit offen, Vorhänge flattern in einer lauen Brise. Auf Balkonen mit verschnörkelten Gittern aus Schmiedeeisen trocknet Wäsche. Smaragdblaue Wellen schwappen träge gegen den Strand, zwei junge Frauen in Bikinis stehen kichernd in der Gischt. Es ist Frühling an der Côte d’Azur, und wer seine Sonnenbrillen im regnerischen Deutschland vergessen hat, muss die Augen zusammenkneifen. Alles strahlt, alles leuchtet, die kräftige Sonne macht gute Laune. Auf dem Markt werden Veilchen- und Lavendelseifen angeboten, in den engen Gassen ist das Leben zurück – es ist ein großes Plappern und Klappern, und mittags gibt es dampfende Muscheln und gegrillten Oktopus. Leben wie Fabio in Frankreich, denke ich, das ist aber knapp daneben. Denn der 26-jährige Bike-Artist lebt seit letztem Herbst im Fürstentum Monaco. „Ich habe glücklicherweise eine coole Wohnung gefunden, von wo ich sogar einen Blick aufs Meer habe.“ Glücklicherweise sagt er tatsächlich zweimal. Und weil es sich richtig anfühlt, bleibt das hier auch so stehen: „Das erste Mal aufzuwachen und vom Schlafzimmer aufs Meer zu schauen, das war schon recht cool.“ Als ich Fabio zum Gespräch treffe, hat er ein zwölfstündiges Shooting mit dem Frankfurter Fotografinnen-Duo Nada Lotter­mann & Vanessa Fuentes in Monaco hinter sich. Die beiden Frauen arbeiten international, oft mit Schauspielern und Musikern. Sie mögen Fabio. „Ein supersupernetter Typ, total sweet. Man merkt, er denkt mit. Er ist sehr zurückhaltend, gleichzeitig aber auch sehr aufmerksam. Und wenn es um ein Foto geht, ist er zu hundert Prozent da.“ 48

Es ist ein langes Gespräch, das Fabio und ich in einem Hotel in Nizza führen. Und wie immer ist er wach und höflich, gut gelaunt und konzentriert. Er erzählt von seinen Anfängen, seinen Verletzungen und seinem Bemühen, der Beste zu sein. Und am Schluss habe ich verstanden, wie Fabio es schafft, seinen unbändigen Ehrgeiz in lässige Leichtigkeit zu verwandeln. Beginnen wir aber so, wie es sich gehört: mit dem Anfang. Dein Auftritt, Fabio! Also ich komme aus Oberpeischlach. Das ist ein ganz, ganz kleines Dorf in Österreich. Da wohnen nur 100 Leute. Es liegt knapp zehn Kilometer von Kals am Großglockner entfernt. 20 Minuten von unserem Dorf hat es einen Würstelstand gegeben, dort sind wir als Buben hin, um uns eine Currywurst oder eine Bosna zu holen. Es ist dorthin nur aufwärts gegangen, und keiner hat Bock darauf gehabt. Dafür sind wir beim Heimfahren abwärts gezischt. Und dann hat einer einen Wheelie gemacht – Vorderrad in die Luft und zwei, drei Meter fahren. Mein erster Rekord ­waren sieben Meter, dann hab ich mich über dreizehn gefreut.

Knapp 15 Jahre später ist der Osttiroler Bub ein Idol. Seine Bike-Videos haben mehr als eine Milliarde Klicks, mit Sick! und Nineyard hat er zwei erfolgreiche Fashion-Kollektionen entwickelt. Dass ihm die Ideen ausgehen, ist nicht zu befürchten. Auf seinem Handy notiert der 1,88 Meter große Blondschopf jeden Einfall („brutal viele Seiten“). Was sich noch geändert hat? Statt Würstel isst Fabio lieber Pasta Arrabiata,­ er mag Löwen und Löwenzahn, sein Lieblingslied ist „Numb/Encore“ von Linkin Park und Jay-Z. Und wer ihn nach seinem Lieblingsfilm fragt, erhält eine schnelle Antwort: „‚The Fast and the ­Furious‘, und zwar Teil 2, der war zwar ein bisschen old school, aber da ist es noch so richtig ums Autofahren ­ge­gangen.“ Zurück nach Osttirol. Mein Heimatdorf ist ein richtiges Bergdorf. Mit vielen Hängen. Dort ­haben wir Sprünge gebaut, wie blöd haben wir jeden Tag gegraben. Und dann haben wir angefangen, mit unseren Handys Videos zu drehen. Das hat mir sehr getaugt: etwas aufzunehmen und es allen zu zeigen: Hey, schau, was wir gemacht haben! Die wichtigste

„Wir haben Sprünge gebaut, wie blöd haben wir jeden Tag gegraben.“

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Entspannt und gut gelaunt: Fabio in einem T-Shirt aus seiner Sick-Kollektion


Bike-Special Homestory

Richtungsweisend: Fabio im Tunnel am Yacht-Hafen

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Inspiration war ein Video von Danny MacAskill. Das ist ein schottischer Trialbiker, der hat alles revolutioniert. 2009 hat er ein Video rausgebracht („Inspired Bicycles“), und es hat Danny in einer Art und Weise gezeigt, wie das noch nie zuvor zu sehen war. Das hat mich so gepackt, dass ich mir gedacht habe: Genau so was will ich machen! Und ja, von da an war ich wirklich ­jeden Tag auf dem Bike. Fabio dreht „Street Trial 2012“. Via Face­ book schickt er das Video an sein Idol Danny MacAskill. Der Schotte geizt nicht mit Unterstützung und teilt Fabios Video. Der Zuspruch ist enorm. Fabio nennt es heute seinen ersten Triumph. Triumph Nummer zwei ist sein Sieg bei einem Wettbewerb eines Action­ kamera-Produzenten. Er macht mit, weil er es als Chance sieht, „den Leuten zu zeigen, was ich auf dem Radl anstellen kann“. In „Fabiolous Escape“ narrt er die Polizei – inklusive Balanceakt auf einem­ haarsträubend schmalen Brett, das zwei Dächer verbindet. Der sogenannte Halleluja-Moment, also die zündende Idee dazu, kam ihm in der Kirche, drei Minuten von seinem Elternhaus entfernt. „Da bin ich gerne hin’gangen, weil ich da sehr viel Zeit gehabt habe, über Ideen nachzudenken.“ Dass er mit dem Video, an dem die Hälfte der Einwohner Ober­ peischlachs mitwirkt, gewinnen könnte, erwartet er nicht. Tut er aber – aktuell hält es bei mehr als 94 Millionen Aufrufen. Ich war schon immer sehr, sehr ehrgeizig. Ich wollte immer der Beste sein. Auch besser als ich selbst, besser als am Tag zuvor. Aber ich habe nie ­daran gedacht, vom Radfahren zu leben. Bis ein erster Sponsor auf mich zukam. Und dann kam auch das Management dazu, Rasoulution, wo der Tarek mir sehr weitergeholfen hat. Tarek Rasouli ist Europas wichtigster Bike-Manager. Für Fabio wird er zu einem Wegweiser. Dass seine Leidenschaft Basis für ein Unternehmen sein könnte, wird klarer. Mittlerweile hat Fabio sich eman­ zipiert, ist längst sein eigener Chef. Mit dem wachsenden Erfolg seiner Videos wächst das Interesse an Merchan­ dising-Produkten. Fabio beginnt Caps zu designen. Freimütig gibt er zu, anfangs THE RED BULLETIN

„nicht so viel Plan“ gehabt zu haben. Doch er entwickelt auch hier enormen Ehrgeiz. Sein Leben besteht zu diesem Zeit­ punkt aus Radfahren, Videoschneiden und Designen. Das gefällt ihm, weil sich alles zu einem Bild fügt. Er erkennt, dass er nicht nur seine Berufung, sondern auch seinen Beruf gefunden hat. Doch dann verletzt er sich bei einem Dreh – und zwar bei einem Sprung aus einem Helikopter. Ich bin lange von Verletzungen verschont geblieben. Und dann ist es doch passiert. In Saalbach haben wir „Fabiolous Escape II“ gefilmt. Mein Plan war, dass ich mit dem Bike in der Hand aus einem Heli springe, in der Luft aufs Bike draufgehe und auf dem Schnee lande. Das hat gut funktioniert. Dann wollten wir es aus einem anderen Winkel filmen. Ich bin aufs Schlüsselbein gefallen, Schlüsselbein gebrochen. Das war das erste Mal, dass ich für längere Zeit außer Gefecht war. Ich bin dann zwei, drei Jahre ver-

letzungsfrei geblieben. Klar, Schürfwunden und Prellungen gehören dazu, aber nichts Gröberes. Und dann waren wir in Frankreich unterwegs. In dem Jahr bin ich wieder ein bisschen mehr Motocross gefahren. Um mich an große Sprünge ranzutasten. Und dann habe ich so einen Sprung, bei dem ich das Bike querstelle, 30-, 40-mal hinter­ einander gemacht. War kein Problem. Bis ich unabsichtlich an der Vorderbremse angekommen bin. Warum, weiß ich bis heute nicht. Ich musste abspringen und bin erst auf meinem Fuß gelandet, hab noch gedacht: „Das ist was Gröberes“, und dann auf dem Kopf – und weg war ich. Die Folge: ein komplizierter Bruch des Sprunggelenks. Bike-Pause, mental kein Problem für den Optimisten. Er schafft es, sich mit anderen Projekten abzu­ lenken, arbeitet an Ideen, die er vor der Verletzung notiert hat. Langsam wird alles wieder heil. Eines Tages will er mit Freund und Manager Alex hinter seinem Haus in Innsbruck „ein bisschen biken“. Auf dem Trail gilt es, zwischen zwei Bäumen durchzuspringen. Etwas, was Fabio be­ reits zigmal gemacht hat. Doch dieses Mal springt er gegen einen Baum. „Ich bin aufgestanden und habe mir gedacht: Das gibt es jetzt nicht.“

„Ich dachte noch, das ist was Gröberes, und dann war ich weg.“

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Kopfzeile

Blick über Monaco: Sonne, Meer und Stadt – hier zu leben macht kreativ.

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Bike-Special Homestory


Schlüsselbein kaputt, der ohnehin ramponierte Knöchel wieder gebrochen. Die Ärzte verordnen absolute Ruhe. Die gute Nachricht: Mittlerweile haben Fabios Videos auf YouTube insgesamt mehr als eine Milliarde Klicks. Wann genau er diese erste Milliarde erreicht hat, weiß er nicht. Erinnern kann er sich an die erste Million. Die hat er im Krankenhaus erlebt. Damals, als er sich beim Sprung aus dem Heli das Schlüsselbein gebrochen hatte. Am Tag nach der OP checkt er seinen Account. Und stellt fest, dass er die magische Marke genommen hat: „Es gibt nichts Größeres als die erste Million Klicks.“ Wer seine Videos sieht, bewundert die lässige Leichtigkeit. Tatsächlich sind sie harte Arbeit. 21 Tricks sind in „Home Office“ zu sehen. Der einfachste ist ein Sprung vom Dach seines Hauses in den Pool – das funktionierte beim ersten Mal. Dafür musste er 430-mal mit dem Vorderrad seines Bikes einen Dartpfeil Richtung Scheibe schießen, bis er in der 17 stecken blieb. 600-mal versuchte Fabio einen Ball mit dem Hinterrad in einem Basketballkorb zu versenken. Erst bei Versuch Nummer 601 landete er im Korb. Ist das nicht zermürbend? Nein, das ist cool. Natürlich kann man schon mal angepisst sein, wenn man Sachen zwei-, dreihundertmal probiert und es funkt nicht. Aber dann hat man den einen Schuss, wo es fast funktioniert, und dann wächst die Hoffnung: Okay, wenn ich das lang ­genug probiere, wird es hinhauen. Und die Sache ist die: Je öfter man etwas probieren muss, desto besser ist das Gefühl, wenn man es schafft. Es geht also um diesen einen Moment, in dem klar ist, dass ein Ziel erreichbar ist. Um die Vorfreude. Um die Gewissheit, wieder einen T(r)ick besser geworden zu sein. Oder wie Fabio sagt: „Besser als ich selbst.“

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„Wenn ich es lange genug probiere, wird es hinhauen.“

Auf Fabios Spuren Drei Videos, die eine erstaunliche Entwicklung des BikeKünstlers offenbaren – zum Staunen QR-Code scannen

Street Trial 2012

A Day in My Life

Fabiolous Escape II

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Bike-Special Homestory

HANNES BERGER

Luftikus – Fabio vor einem Einkaufszentrum im benachbarten Nizza

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Dafür, und das weiß er auch, braucht er Ruhe und absolute Konzentration. Und das ist – abgesehen vom Meer vor dem Schlafzimmerfenster – mit ein Grund, warum er nach Monaco über­ siedelt ist. Als er noch in Innsbruck wohnte, standen jeden Tag Fans vor seiner Haus­ türe. Und wenn er durch die Stadt radel­ te, fühlte er sich beobachtet: „Das kann ich nicht so gut ausblenden, und das hat mich in einer Entwicklung ein bisschen gestört. Hier bin ich einfach ganz für mich selbst.“ Tatsächlich kann er auf der Prome­ nade Pirouetten drehen. Oder in der aus der Formel 1 berühmten Mirabeau-Kurve für ein Posting auf Instagram posieren – „was able to pop some wheelies again“, steht unter dem Bild.

Hier kann er probieren, probieren, probieren. Und daran arbeiten, einen­ stets neuen, immer besseren Fabio zu erschaffen. Dass das geht, hat er auf dem Rad gelernt, dass das auch fürs Leben „funkt“, auch. Eines der ersten Videos, die Fabio nach seinen jüngsten Verletzungen pos­ tete, zeigt ihn auf einem weißen CanyonBike, in weißem Nineyard-Outfit. Sein rechter Fuß steckt in einer dicken Schiene. Er radelt entspannt dahin, Vorderrad in der Luft, Wheeeeelie! Es geht nicht mehr um sieben Meter oder um dreizehn. Heute fährt Fabio, solange und so weit er will. Auf Fabio abfahren: @wibmerfabio

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Bike-Special Radrennen

DAS GROSSE RENNRAD-

ABC

Wie pinkeln Rennradfahrer? Und was bitte ist ein Hinterradlutscher? Radprofi ANTON PALZER ­erklärt uns den Radsport von A bis Z. Text MAXIMILIAN REICH

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A

B

Ein einzelner Fahrer oder eine Gruppe, die sich ab­ setzt vom P ­ eloton, wie das Hauptfeld genannt wird. Die Gründe dafür sind ­unterschiedlich: Der Fahrer meint, die Etappe gewinnen zu können, oder will für fünf Minuten Ruhm im Fern­ sehen, d ­ amit die Sponsoren ihn ­sehen oder die Oma. „Die übrigen Fahrer seines Teams bleiben inzwischen hinten im Windschatten des Pelotons“, sagt Anton Palzer.

Etappen in den Bergen mit steilen Anstiegen. Die Stre­ cken sind je nach Steigung in vier Kategorien unterteilt. Je höher die Kategorie, desto mehr Punkte bekommen die Fahrer für ihre Platzierung. Der Fahrer mit den meisten Punkten trägt als Führender der Bergwertung ein beson­ deres Trikot. Bei der Tour de France ist es ein w ­ eißes mit roten Punkten.

wie Ausreißer

wie Bergetappen

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HELGE ROESKE/RED BULL CONTENT POOL

Bei Radrennen geht es nicht darum, bloß kräftiger in die Pedale zu treten als alle anderen, um zu gewinnen. Also doch – natürlich auch. Aber es geht vor allem um die richtige Taktik und um Teamarbeit. Und der Wind­ schatten spielt auch eine Rolle. Das wusstest du alles nicht? Dann solltest du jetzt unbedingt weiterlesen. Denn dieser Guide macht dich zum Experten für die nächsten Radrennen.


ANTON PALZER, 29

ist seit vergangenem Jahr Radprofi. Der Oberbayer fährt für das Team Bora-hansgrohe.

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Bergspezialist: Vor seiner RadKarriere wurde Anton Palzer zweimal Weltund dreimal Vize­ weltmeister im Skibergsteigen.

C

wie Captain „Der Kapitän hat den Auftrag, das Rennen zu gewinnen“, sagt Palzer. Die anderen ­Fahrer im Team sind dazu da, ihn d ­ abei u ­ nterstützen. Bei Etappenrennen über mehrere Tage ist der Kapitän meistens ein Bergfahrer.

D

E

Stammt ab vom französischen Wort domestique, was „Dienstbote“ bedeutet. Wird oft auch Wasserträger genannt, klingt halt nicht so elegant. Sein Job: dem ­Kapitän Windschatten zu spenden und – genau – Wasserflaschen vom hinterherfahrenden Begleitfahrzeug zu holen. „Die Helfer sorgen dafür, dass der Kapitän so ­wenig Energie wie möglich verbraucht“, sagt Anton Palzer.

Eine Disziplin bei Etappenrennen, bei der die Fahrer nacheinander gegen die Uhr fahren. Blöd: Es gibt keinen Windschatten. ­Deshalb ­tragen die Fahrer spezielle Helme. Nein, nicht um die Frise zu schützen. „Die Aero­dynamik ist beim Zeitfahren extrem wichtig“, sagt Palzer. „Die Kapitäne trainieren dafür extra im Windkanal. Für Helfer, die keine Zeitfahrspezialisten sind, ist das Einzelzeitfahren nicht so wichtig. Sie gucken eher, dass sie hier Kraft ­sparen für die nächste Etappe.“

wie Domestik

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wie Einzelzeitfahren

Windige Typen: Im ­Windkanal feilen die Profis an Ausrüstung und Haltung.

F

wie Formation Wind ruiniert nicht nur die Frisur, er kostet auch Kraft. „Windschatten bedeutet 20 bis 30 Prozent Kraftersparnis“, sagt Anton. Darum fahren die Teams in einem Pulk mit dem Kapitän in der Mitte, um diesen, so gut es geht, vor dem Wind zu schützen.

G

wie Geld Der Sieger der Tour de France bekommt 500.000 Euro. „Die Prämien werden dann zu gleichen Teilen unter den Mitfahrern und Mitarbeitern verteilt“, sagt Palzer. Andernfalls würden sich die Wasserträger die Plackerei wohl auch zweimal überlegen. THE RED BULLETIN


Bike-Special Radrennen

H

wie Hinterradlutscher Fahrer, die sich die meiste Zeit im Windschatten Willst du Kräfte sparen, anderer Fahrer musst im Windschatten ­ ausruhen, statt du fahren. So wie der Hintermann hier auf dem Bild. selbst mal vorne zu fahren. Sind ungefähr so beliebt wie ein ­Reißnagel im Vorderreifen. „Wenn man zu dritt in die Fluchtgruppe geht und einer leistet ­keine Führungsarbeit, dann ist es schwierig durchzukommen“, sagt Palzer.

I

J

Der Spanier gewann in den Neunzigern fünfmal die Tour de France, wie vor ihm schon Jacques Anquetil und Eddy MerckX. Niemand war erfolgreicher – außer ein gewisser Lance A. aus Texas. Doch das ist eine ganz eigene Geschichte. Zudem fängt sein Name nicht mit „I“ an.

Achtet unter anderem ­darauf, dass kein Fahrer ­einem Kontrahenten den Weg ­abschneidet oder die Ver­packung seiner Power-­ Riegel in den Straßengraben wirft. „Müll ist ein großes Thema. Man darf leere ­Flaschen nur in den aus­ gewiesenen Müllsektoren auf der Strecke entsorgen. Es gibt Rennen, da kosten Fehltritte 500 Schweizer Franken“, erklärt Palzer.

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wie Indurain, Miguel

Hat gut lachen: Miguel ­Indurain ist einer der größten Radprofis aller Zeiten. THE RED BULLETIN

wie Jury

K

N

Die Zeitspanne, innerhalb der ein Radprofi das Etappenziel erreichen muss, um nicht ­disqualifiziert zu werden. Hängt immer von der Zeit des Etappen­siegers ab. Beispiel: Anton Palzer erreicht nach fünf Stunden als Erster das Ziel, und die Karenzzeit beträgt 10 Prozent – dann müssen die übrigen Fahrer spätestens 30 Minuten nach ihm über die Ziellinie fahren.

Während einer Bergetappe verbraucht ein Radprofi bis zu 7000 Kalorien. Deshalb essen die Fahrer schon zum Frühstück Nudeln und Reis und während des Rennens noch einmal 500 Gramm Kohlehydrate in Form von Riegeln und Getränken. Das entspricht eineinhalb Packungen Spaghetti. Denn das Schlimmste, was einem Radprofi passieren kann, ist ein Hungerast – also wenn die Kohlehydratreserven aus den Körperzellen komplett aufgebraucht sind. „Dann hat man überhaupt keine Energie mehr, sieht nicht mehr richtig und fühlt sich, als wäre einem schwindlig“, sagt Palzer.

wie Karenzzeit

L

wie Loch

wie Nudeln

Die Lücke zwischen dem ­Peloton und den Aus­reißern. „Man guckt sich erst mal die Flucht­gruppe an. Ist da jemand drin, der die Etappe oder das Rennen g ­ ewinnen kann? Wenn ja, dann fährt man das Loch zu, also schließt auf. Andernfalls lässt man es reißen. Das heißt, man lässt sie fahren“, sagt Palzer.

M

wie Mechaniker Zuständig für die Wartung und Reparatur der Durst oder ein Defekt am ­Räder. Ist über Rad? Für solche Fälle gibt es das Begleitfahrzeug. Funk mit den ­Fahrern verbunden. Sitzt gemütlich im Begleitfahrzeug des Teams, das dem Fahrerfeld folgt. 59


Bike-Special Radrennen

O

wie Oberschenkel „Fühlen sich ein bisschen so an, wie wenn man zu lange im Ikea ­rumsteht“, sagt Anton Palzer über die Schmerzen im Oberschenkel ­während ­eines Rennens.

P

Q

„Manche pinkeln während der Fahrt. Ein Teamkollege schiebt währenddessen von hinten an, damit man den Anschluss ans Feld nicht verliert. Das kann aber nicht jeder. Die anderen steigen halt kurz ab“, sagt Palzer.

Die Fahrer sind über Funk mit den Betreuern im Begleitfahrzeug verbunden, um sich auszutauschen, also zum Beispiel über Probleme am Rad, Rennstrategien oder um zu fragen: Ist es denn noch weiheeeit?

wie Pinkeln

R

wie … äh … Quasseln

wie Rasur Radfahrerbeine sind glatt wie ein nasser Fahrradsattel. „Wir kriegen ja jeden Die Rasur: makellos. Tag eine Massage. Die Bräunungsstreifen: na ja … Wenn man da ­haarige Beine ­hätte, würde man ständig Haarwurzelentzündungen bekommen“, erklärt Anton Palzer.

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S

T

So ein Sprinter wiegt deutlich mehr als ein Bergfahrer und würde wohl eher ohne Sattel fahren, als mal das Beintraining aus­fallen zu lassen. Sein Job: den Zielsprint am Ende e­ iner Etappe gewinnen oder zumindest die Punkte für eine Top-15-­ Platzierung einzufahren. „Der Sprinter macht seine Arbeit erst dann, wenn alle anderen Fahrer verbraucht sind.“ Abhängig vom Ziel des Teams oder wie flach die Etappen sind, besteht eine Mannschaft aus mehr Bergfahrern oder Sprintern.

„Während der Vorbereitung im November und Dezember machen wir Kniebeugen. Sonst trainiert ein Profi fast zu 100 Prozent am Rad und meistens allein“, sagt Palzer. 30.000 Kilometer spulen die Profis im Jahr ab, was der Strecke von Deutschland nach Austra­lien und zurück entspräche.

wie Sprinter

wie Training

U

wie Unfall Radprofis sind harte Hunde. Beweis: „Bei der Tour de ­Suisse habe ich mit 50 km/h ein Schlagloch übersehen. An den Unterschenkeln und den Händen hatte ich keine Haut mehr. Trotzdem fährt man weiter“, sagt Chuck Nor… – äh, Anton Palzer.

Müssen beim Schlussspurt noch mal alle Kräfte mobilisieren: die Sprinter.

V

wie Verpflegungszone Streckenabschnitte, an ­denen die Betreuer am ­rechten Straßenrand stehen dürfen, um den vorbei­ fahrenden Fahrern Getränke und Snacks zu reichen. Hat ein bisschen was von Staffel­ übergabe. Na ja, wenn man beim Staffellauf mit Bananen rennen würde.

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30.000 Kilometer fahren Radprofis im Jahr zu Trainingszwecken – und die meisten davon allein. Wie hier Anton ­Palzer 2021 in ­Kühtai, Österreich.

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wie Watt

Die Leistung von Radfahrern wird in Watt gemessen. Dazu sind die Tretkurbeln mit Messsystemen ausge­stattet. „Als Bergfahrer sollte man mindestens fünf bis sechs Watt pro Kilogramm Körper­ gewicht schaffen“, sagt ­Palzer. Zum Vergleich: Wer nur Rad fährt, um sonntags Brötchen vom B ­ äcker zu ­holen, bringt es höchstens auf zwei Watt.

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wie Youngster Der Slowene Tadej Pogačar war bei ­seinem Tour-de-France-Sieg 2020 nicht ganz 22 Jahre alt und damit der jüngste Champion seit Henri Cornet im Jahr 1904. Aber: „Das Alter ist nur eine Zahl“, sagt der 29 Jahre alte Palzer. „Alejandro Valverde ist 42 und gewinnt immer noch Rennen.“

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wie Zug „Der Zug stellt sich un­gefähr 15 Kilometer vor der Ziel­ linie auf“, erklärt Palzer. Dabei fahren die Sprinter ­eines Teams in einer Reihe hintereinander. Der stärkste Sprinter bildet das Schluss­ licht, damit er möglichst lange Windschutz erhält. Der Erste in der Reihe heizt nun los und fährt ungefähr bis Kilometer zehn. Wenn er nicht mehr kann, schert er aus, und der Zweite im Glied übernimmt den Sprint, bis auch dieser wieder raus­ fährt. 200 Meter vor dem Ziel nimmt dann der eigent­ liche Sprint-Star die Sache in die Hand und fährt um Sprint-Trikot und Sieg.

wie X-Ray Die Dopingkontrolle für das Bike. Mit einem mobilen Röntgengerät werden vor dem Start stichprobenartig Räder der Profis gescannt, ob Mini-Motoren in den Unter­ sätzen versteckt wurden. THE RED BULLETIN

So sehen Sieger aus: Tadej Pogačar gewann 2020 und 2021 die Tour de France. Folge Anton Palzer auf Instagram: @antonpalzer

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Afsanas große Reise AFSANA NAWROZI, 18, ist die beste afghanische Radrennfahrerin, die es bisher gab. In ihrem Geburtsland wurde sie bedroht, jetzt schöpft sie in den USA neue Kraft für die Frauen in ihrer Heimat. Text JAMES STOUT

Fotos JASON PERRY


Bike-Special Neues Leben

„Ich sage mir immer wieder: ‚Afsana, du bist stark‘“, sagt Nawrozi, die im Januar in der Nähe von Sedona, Arizona, fotografiert wurde.

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Bike-Special Neues Leben

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Neue Welt: Afsana kennt die Trails in Sedona nach wenigen Monaten in- und auswendig.

edona liegt im US-Bundesstaat Arizona. Das muss man nicht wissen, aber man kann. Wenn man sich fürs Mountainbiken interessiert, dann weiß man das sogar ziemlich sicher: Das 10.000-EinwohnerNest am Fuß des Colorado-Plateaus, eine Autostunde nördlich von Flagstaff, ist für Mountainbiker so was wie der Arlberg für Skifahrer, man muss einmal hier gewesen sein und sich einmal über die Trails runtergeworfen haben. In der Regel haben einen die Trails dann nämlich auch mindestens einmal abgeworfen. Afsana Nawrozi kam im Oktober 2021 nach Sedona. Sie hat sich mehr blaue Flecken geholt als die meisten anderen, so viele, bis keine neuen mehr dazu­ kamen, weil sie alle Trails so gut beherrschte, dass sie Berg und Pisten einfach nicht mehr abwerfen konnten. Und das ist gar nicht das Verwunderlichste an dieser Geschichte: Afsana Nawrozi ist erst 18 Jahre alt. Sie ist eigentlich Straßen-­Radrennfahrerin. Und aus ­Afghanistan. Jetzt steht sie in den Red Rocks von Sedona, lehnt sich an ihr lila Mountainbike und sagt: „Zu Beginn bin ich dort ständig gestürzt. Jetzt verstehe ich gar nicht mehr, was ich so schwierig fand. Läuft doch ganz entspannt!“ Es ist gerade sehr viel entspannt im Leben von Afsana, dementsprechend ­locker führt sie uns über ihren HighschoolCampus in Sedona, und doch wird immer wieder klar, dass diese Lockerheit und die Entspannung hart erkämpft sind.

Sie erzählt von der Frauenfeindlichkeit, mit der sie in ihrem Geburtsland zu kämpfen hatte, von den Widerständen, die sie als weibliche Sportlerin zu überwinden hatte. Irgendwann deutet sie auf die Narbe auf ihrer Schulter. Sie stammt von einer Schlüsselbein-Operation, der sie sich nach einem Zusammenstoß mit einem Auto unterziehen musste, und sie sagt, dass sie keine Sekunde glaubt, dass das ein zufälliger Unfall war. Als Radfahrerin gehörten Belästigungen und Anfeindungen zu ihrem Alltag in Afghanistan, jede Ausfahrt fühlte sich wie eine Mutprobe an. Afsana erzählt, dass sie einmal in Bamyan an einem nationalen Rennen teilnehmen wollte. Nach einer Trainingseinheit lauerte ihr dort eine Gruppe Männer auf, die sie mit Steinen und Schlamm bewarfen. Bamyan ist nämlich nicht nur die Radsport-Hauptstadt Afghanistans, sondern eben auch eines der Zentren der Taliban, und in ­deren Köpfen ist die Vorstellung, dass Frauen auf Rädern um die Wette fahren dürfen, nicht so normal wie in der restlichen Welt. „Ich hatte furchtbare Angst und weinte“, sagt Afsana Nawrozi heute. „Aber am nächsten Tag nahm ich am Rennen teil. Ich sage mir einfach immer: ‚Afsana, du bist stark.‘“ Die Männer, die sie damals mit Steinen beworfen hatten, weil sie sich als Mädchen erdreistet hatte, Fahrrad zu fahren, waren Taliban. Die ultrakonservative politische Kraft kontrolliert Afghanistan seit dem Jahr 2021 wieder – ihr Heimatland, das sie sehr vermisst, in

In Afghanistan bewarfen sie Männer mit Steinen, weil sie als Mädchen Fahrrad fuhr. 65


Bike-Special Neues Leben

dem ihre Eltern, ihre sechs Geschwister und ihre Freunde leben, aber in das sie nicht zurückkann. Eine Rückkehr wäre zu gefährlich für sie. Und ihre Radkarriere wäre mit einem Schlag zu Ende. Und wohl nicht nur die, sondern jede Form von Zukunftsaussicht, die man als selbstbestimmte Frau haben kann.

Ihr Motor: Ehrgeiz und Idealismus

Nawrozi ist selbstbestimmt, ohne jeden Zweifel. Ingenieurin möchte sie einmal werden, sagt sie, „oder Fahrradprofi“. Beides ist möglich, und auch für Zweiteres hat sie alle Voraussetzungen: Seit 2016 trainiert sie sehr zielstrebig, und sie gilt schon seit ihren ersten Rennen als außerordentlich talentiert. Nur kurz nachdem sie begonnen hatte, den Radsport wirklich ernst zu nehmen, belegte sie bei ihrem ersten Rennen den vierten Platz. Als 15-Jährige wurde sie Mitglied des afghanischen Rad-Nationalteams. Sie trainierte allen Taliban-Widrigkeiten zum Trotz im Trainingszentrum rund um Bamyan und stellte dort jede Menge Streckenrekorde auf. In Afghanistan war sie also nicht irgendwer, darum ist es also nicht ganz von der Hand zu weisen, dass ihr Zusammenstoß mit dem Auto 2019 vielleicht wirklich mehr als bloßer Zufall war. Hatte wirklich irgendein ultra­orthodoxer Taliban ein Exempel an der Radfahrerin statuieren wollen? Falls es böse Absicht war: Um ein Haar wäre diese auch erfolgreich ge­wesen. Denn auch wenn Afsana körperlich sehr rasch wieder fit war, bei dem Unfall ging ihr Fahrrad zu Bruch. Ein neues Bike konnte sich aber weder sie noch ihre Familie leisten. Die Karriere schien deshalb zu Ende, bevor sie außerhalb von Afghanistan noch richtig begonnen hatte. Dass Afsana heute auf dem Bike sitzt, liegt an Ahmad Farid Noori, dem Gründer der Non-Profit-Organisation MTB Afghanistan: Er erkannte ihr Potenzial und organisierte ein neues Rad. In ihrer neuen Heimat Arizona gibt es jede Menge Rennen, bei denen sie sich ­beweisen kann, besonders interessiert sie der Trend zum Long-Distance-Gravel-­ Racing. „Ich fahre nicht, um zu gewinnen. Ich fahre, um Biking für Frauen in Afghanistan zu etwas ganz Normalem zu machen!“, sagt sie. Es ist eine Mischung aus sportlichem Ehrgeiz und aktivistischem 66

„In Afghanistan ist man zuallererst Aktivistin, dann Bikerin.“ Idealismus, die sie antreibt. „In Afgha­ nistan ist man zuallererst Aktivistin und dann erst Bikerin. Man muss für seine ­Leidenschaft einstehen und kämpfen!“ Wie steinig und manchmal verschlungen Nawrozis Lebensweg verläuft, zeigt auch ihre Reise nach Sedona. Vergangenen Sommer erhielt sie die Nachricht, dass sie in Arizona einen Schulplatz auf ihrer Traumschule bekommt. Sie machte den ersten Flug ihres Lebens in die pakistanische Hauptstadt Islamabad, um sich ihr Visa für die USA abzuholen. Nach ein

paar Tagen hätte es wieder nach Kabul zurückgehen sollen, um sich für das folgende Schuljahr und dann für die Uni vorbereiten zu können. Doch es kam anders. „Als ich losgeflogen bin, war noch alles normal“, erzählt sie heute. Doch kaum war sie in Pakistan angekommen, änderte sich die Lage dramatisch. Die ganze Welt war Zeuge, als im August 2021 die Taliban innerhalb weniger Tage das Land überrannten. Auch Afsana bekam das Drama vor dem TV-Gerät bei ihrer Gastfamilie in Pakistan mit. Sie hatte Angst um ihre Heimat, um ihre Zukunft. Und obwohl ihr alle Angehörigen ausdrücklich sagten, sie solle in der Ferne bleiben, wollte sie eigentlich zurück zu ihrer Familie. Doch es ging nicht mehr, die Taliban schlossen nämlich die Grenze zu Pakistan. Afsana saß also mit einem

Neue Wege in Arizona: Afsana Nawrozi will dieses Jahr in den USA Straßen-, Mountainbike- und Gravelrennen bestreiten. THE RED BULLETIN


Optimistischer Blick nach vorn: Afsana Nawrozi hat sich wunderbar in ihrer neuen Heimat in Arizona, USA, eingelebt.

ablaufenden Visa in einem anderen Land fest. Der Rückweg nach Hause war ver­ sperrt, der nächste Schritt in die USA nicht möglich: Die US-Einreisebehörden waren mit der Flut der Visa-Anträge von Flüchtenden aus Afghanistan heillos überfordert. Zu dieser Zeit traten wir in Kontakt, wir schickten einander E-Mails, wäh­ rend Afsana in Pakistan festhing. Es kann ihr damals nicht gut gegangen sein, zu viel war damals komplett un­ sicher. Ich lernte Afsana dennoch als grundpositives Mädchen kennen. Als Mädchen, das wirklich jede Nachricht mit einem Smiley beendete. 90 Tage blieb Nawrozi in Islamabad. Sie verbrachte viel Zeit bei ihrer Gast­ familie, aber hin und wieder schlich sie sich raus, um laufen zu gehen. Sie nahm sogar an zwei Marathons teil. Die meiste Zeit jedoch verbrachte sie mit Warten: auf eine Rückmeldung der amerikanischen Botschaft, wie es um ­ihren Pass und ihr Visum stünde, und ­natürlich auch auf Nachrichten von ihrer Familie. Im Oktober hielt sie endlich das ersehnte Visum in der Hand. Ein paar Tage später war sie unterwegs nach Chi­ cago und dann weiter nach Arizona, nach Sedona. THE RED BULLETIN

Neue Kultur, neues Schulsystem

War es richtig, nach Sedona zu gehen, obwohl ihre Familie in Afghanistan blei­ ben musste? Afsana denkt sehr viel dar­ über nach. Sie wurde ein paar Jahre nach dem Sturz der ersten Taliban-Dik­ tatur geboren. Was es heißt, unter dem Regime der ultraorthodoxen Hardliner zu leben, weiß sie also nur aus Erzählun­ gen, Erfahrung mit Diskriminierung hat sie aber trotzdem. Afsana und ihre Fami­ lie sind nämlich Hazara, ihre Religion ist zwar ebenfalls der Islam, sie sind aber trotzdem eine ethnische Minderheit in

„Ich fahre, um Biking für Frauen in meiner Heimat zu etwas ganz Normalem zu machen.“

Afghanistan. Ihre Familie hatte es in ­Afghanistan immer schwer. Das hat sie geprägt und ihren Kampfgeist geweckt. Und den braucht sie auch heute. Die neuen Herausforderungen in Afsanas ­Leben haben nichts mit Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt zu tun, schwierig sind sie aber trotzdem: Sie muss den Übergang in ein anderes Schulsystem schaffen, in eine andere Kultur, und sie muss akademische und sportliche Kar­ riere in Balance halten. Zum Glück hat sie dabei Unterstützung: Die ehemalige Profi-­Bikerin Starla Teddergreen und ihr Ehemann Gino Zahnd besorgten Afsana neue Räder, achteten auf sie und unter­ stützten sie bei der Eingewöhnungs­ phase. Sie mieteten sogar ein Ferienhaus nahe Sedona, um auf den Trails gemein­ sam mit ihrem Schützling zu biken. Mittlerweile bekommt Afsana mehr Support, als sie sich erträumt hätte. Sie hat sich wunderbar in ihrer neuen Hei­ mat eingelebt. Manche Dinge findet sie dennoch gewöhnungsbedürftig. Sie hatte nie ein eigenes Zimmer, deshalb ist es für sie manchmal unangenehm, ohne ihre Schwestern im selben Raum zu schlafen. Welche Rennen sie momentan an­ peilt? „Zu viele!“, sagt sie und lacht. Sie hat jetzt so viele Straßen-, Mountainbikeund Gravel-Events zur Auswahl, dass sie gar nicht in ihre Ferien passen. Diese Vielseitigkeit hat vielleicht mit ihrem Idol zu tun, dem dreifachen Welt­ meister Peter Sagan. Der ist berühmt für seine Sprints, seine technischen Skills, aber auch dafür, wie er auf seinem Stra­ ßenrad Treppen auf und ab fährt. Er ist auch berühmt für sein „Why so serious?“Tattoo und seine Fähigkeit, Überlegen­ heit und Lockerheit zu kombinieren. Er nimmt keinen Rückschlag zu ernst und lässt sich auch nicht vom Erfolg ver­ ändern. Das bewundert Afsana an ihm. „Baraka buri“ (gesprochen) war eine der ersten Phrasen, die mir Afsana in ­ihrer Muttersprache Dari beibrachte. Das bedeutet so viel wie „Los geht’s!“ und scheint eine Art Lebensphilosophie für sie zu sein, aber auch ein Aufruf an junge Frauen, ihr Leben so zu leben, wie sie das möchten – gegen alle Hindernisse. Wo Nawrozis Reise hingeht, weiß sie noch nicht, aber das ist auch okay für sie. Denn egal wohin dieser Weg hinführt: Ihr Bike wird sie begleiten. 67


Bike-Special Mountainbiken

ADRIAN GUGGEMOS, 28

Der Motocross- und Mountainbike-Athlet aus Schorndorf be­­geis­tert auf Instagram knapp 150.000 Fans mit seinen Kunststücken auf zwei Rädern. Neugierig? Dann folge Adrian auf Instagram: @ag141

1.

Die Grundposition

Die Grundposition ist die Aus­ gangsstellung für die folgenden Tricks und wenn man über einen Trail rollt. Dabei sind die beiden Pedale auf gleicher Höhe, damit die Hüfte gerade ist. Den Oberkörper nach vorne beugen, bis sich der Kopf über dem Lenker befindet. Die Knie nicht ganz durchstrecken, sodass man einen angenehmen Stand hat. Den Lenker greift man mit beiden Händen von oben. Dabei dreht man die Ellbogen nach außen. Die Zeige­ finger sind immer an den Handbrem­ sen und die Augen vor das ­Vorderrad gerichtet.

Ein Crashkurs im Mountainbiken MTB-Ass ADRIAN GUGGEMOS erklärt die fünf wichtigsten Skills, die jeder Anfänger beherrschen sollte. Text MAXIMILIAN REICH

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THE RED BULLETIN


„Die wichtigste Regel beim Mountainbiken lautet: Üben, üben und noch mal üben.“

3.

Auf der Stelle stehen

Geht am einfachsten auf ebenem Untergrund. Dazu in der Grundposition den Lenker einschlagen, damit das Vorderrad quer steht. Das macht das Balancieren einfacher. Die Vorderbremse anziehen und nun ein bisschen mit den Pedalen spielen, damit sich die Spannung im Fahrrad aufbaut. Es hilft, wenn man mit den Augen einen Punkt in der Ferne fixiert. Übung braucht man trotzdem.

ANNIKA BERGFELDER @ANNIKARIDES

TOM MACKINGER

2.

4.

Steilkurven fahren

In einer Steilkurve ist der Untergrund schräg. Deshalb hält man auch das Bike schräg – und damit auch den Oberkörper. Denn der Körper ist immer die vertikale Verlängerung des Bikes. Das Gewicht bleibt dabei zentral über dem Rad. Schultern und Hüfte werden in Fahrtrichtung eingedreht. So weit klar? Gut, also weiter: Die Kurve außen anfahren, niemals innen. Wobei ­„anfahren“ vielleicht das falsche Wort ist. Denn man tritt in der Kurve nicht, sondern rollt. Und bitte nicht ruckartig bremsen, s­ ondern die Bremse konstant anziehen und schleifen lassen.

Treppenfahren

Je schneller man fährt, umso flüssiger kommt man die Stufen runter. Anfänger üben das Manöver aber bitte erst mal langsam: Mit dem Körper ein Stück runtergehen, und wenn das Vorderrad über die Kante rollt, nach hinten lehnen, um zentral zu bleiben. Statt ruckartig zu bremsen lieber konstant schleifen lassen. Sonst spickt’s das Hinterrad hoch, und man fliegt über den Lenker. Suboptimal. Vor der letzten Stufe löst man die Bremse und richtet den Oberkörper auf, um den Einschlag beim Auftreffen auf den Boden abzufedern.

THE RED BULLETIN

5.

Drop

Bei einem Drop hüpft man von etwas runter, zum Beispiel von einer Bordsteinkante oder Mauer. Dazu nimmt man wieder die Grundposition ein, senkt den Oberkörper ein Stück und rollt auf die Kante zu. An der Kante den Lenker hochziehen und die Pedale mit den Fersen gefühlt unter sich durchdrücken. So halten, bis auch das Hinterrad über die Kante gerollt ist. Deshalb: lieber nicht zu langsam, sonst muss man das Vorderrad ewig hochhalten. Bei einer Landung auf einer flachen Stelle sollten beide Räder gleichzeitig aufkommen, in einem Gefälle zuerst das Hinterrad. 69


Bike-Special Bikes & Equipment

OH, YOU PRETTY THINGS!

Keine neue Bike-Saison ohne InnovationsFeuerwerk: Hier kommt unsere kleine, feine Auswahl an 2022er-Teilen für maximalen Spaß auf zwei Rädern. Text WERNER JESSNER

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THE RED BULLETIN


Nächste Evolutionsstufe SPECIALIZED KENEVO SL Die Lösung für alle, denen normale E-Bikes zu träge und schwer sind: Das Kenevo SL wiegt um 5,5 Kilo (!) weniger als sein normaler Bruder. Trotzdem kriegt Specialized bei diesem Wert 320 Wh Akku-Kapa­ zität und einen supernatürlich ansprechenden E-Motor mit 240 Watt unter das Carbon-Kleid. Das fahr­ dynamische Highlight: der Hinterbau mit sechs Drehpunkten, wie ihn Downhill-Champ Loïc B ­ runi im UCI World Cup fährt. 15.000 Euro; specialized.com

Direkter ­Fahrspaß: Kenevo SL bedeutet das Ende übergewichtiger E-Bikes. THE RED BULLETIN

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Bike-Special Bikes & Equipment

Mobiler Lift-Ersatz KTM MACINA PROWLER EXONIC Ein Bikepark-Gerät, das auch Uphill kann: Mit 180 (vorn) bzw. 170 Millimeter Federweg steckt ­dieses Bike alles weg – und das dank hoch­wertiger Fox-FactoryFederele­­mente besonders geschmeidig. Auch das „Mullet“ genannte Layout mit 29-ZollVorderrad und 27,5 Zoll hinten weist bergab den Weg. Für BergaufPower sorgt der Bosch-­Antrieb mit 750‑Wh-Akku, der leicht abzunehmen und dessen Ladezustand ­jederzeit am Display ablesbar ist. 10.390 Euro; ktm-bikes.at

Nennt sich „Mullet“ (Vokuhila): größeres Vorder- als Hinterrad

Raus in die Berge TATONKA BIKE BACKPACK MTB 14

Feiner Schein LUPINE ALPHA Wenn Trial-Legende Tom Öhler ­wieder einmal etwas länger an seinen Stunts feilt, ist er auf dem Heimweg froh über seine Lupine ­Alpha, die den Trail selbst in der Nacht taghell ausleuchtet. Sechs Linsen – drei verschiedene Typen – ­ergeben eine maximale Helligkeit von 570 Lux. Das ist das 57-Fache (!) der vom deutschen Gesetzgeber für Radlichter vorgeschriebenen Leistung. Und dank Schnellverschluss ist die Lupine untertags blitzschnell demontiert. 1090 Euro; lupine.de

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Ein guter Bike-Rucksack ist eine ­Investition für viele Jahre. Gute Chancen auf eine lange Bindung hat man mit dem 14 Liter fassenden Bike Backpack MTB des EdelHerstellers Tatonka. Das Volumen reicht sowohl für die Tages- wie auch die Wochenend-Tour. Und doch sind es die vielen Features, die bestechen: Vom ergonomischen Tragesystem bis zu Helmhalterung und Regenhülle packt der hübsche Kerl alles. 125 Euro; tatonka.com

14 Liter Volumen: guter Kompromiss aus Platz und Bewegungsfreiheit THE RED BULLETIN


Nie im Stich ABUS AIRDROP MIPS Der erste Fullface-Helm von ABUS hat das MIPS-System als Basis, wie es auch in vielen High-End-Helmen verwendet wird. Zusätzlich hat die Visierbefestigung des AirDrop ­Sollbruchstellen, um Verletzungen vorzubeugen. Gleiches gilt für die Kanten des Kinnbügels, die das Schlüsselbein schützen. Und schließlich lässt er sich mit QUIN kombi­ nieren, einem Sensor, der Stürze erkennt und bei schweren Detonationen selbständig hinterlegte Notfallkontakte ­alarmiert. Ab ca. 240 Euro; abus.com

Kluger Kopf: ruft bei Bedarf selbständig um Hilfe

Klüger pendeln

Gegen die Rampensau

STROMER ST3 PINION

GIANT REVOLT E+

Das Stromer ST3 vertraut auf ein gekapseltes 9-Gang-Getriebe mit Carbon-Zahnriemen. Vorteil: Wartungsfreiheit und eine Übersetzung von sagenhaften 568 Prozent, die sogar im Stand geschaltet werden kann. Dank des riesigen 983-Wh-Akkus sind pro Ladung 180 Kilometer drin. Der 820 Watt starke Motor im Hinterrad schiebt dabei – wo erlaubt – bis 45 km/h an. GPSTracking sorgt dafür, dass das feine Teil nicht unerwünscht verschwindet. Ab 8258 Euro; stromerbike.com

Die E-Revolution am Fahrrad macht auch vor dem klassischen Rennrad nicht halt. Im aerodynamisch optimierten U ­ nterrohr des Revolt E+ steckt ein 500-Wh-Akku, der seine Leistung an einen Shimano-Motor weiterleitet. So kommt der Fahrer des 17,8 Kilo schweren Rennrads mit Alurahmen unter Idealbedingungen bis zu 160 Kilometer weit. Jedoch noch ­ent­scheidender: Steile Rampen verlieren e­ ndgültig ihren Schrecken. 5199 Euro; giant-bicycles.com

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Bike-Special Bikes & Equipment

Am Bike liegt’s nicht

Jedermanns Kumpel

GHOST NIRVANA 4X

ROSE BONERO

Tomáš Slavík hat im Fourcross alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, von WM bis Crankworx. 2022 ist bereits seine zehnte (!) Saison für das deutsche Ghost-Team. Für alle, die zwischen Dirtjumps und Pumptracks auf den Spuren des Champs rollen wollen, gibt es das Nirvana 4X: ­direkter, wendiger Alurahmen, Singlespeed, Scheiben­ bremsen und eine X-Fusion Slant 34 RC Federgabel für mehr Sicherheit bei harten Landungen. 1399 Euro; ghost-bikes.com

Ob groß (XXL mit 29-Zoll-Rädern) oder Kind (XS mit 27,5 Zoll), ob erstes Mountainbike oder eins zum Wieder-Aufsteigen, ob Trainingsgerät oder Genuss-Tourer: Das brandneue Bonero des deutschen Herstellers spricht ganz bewusst eine sehr breite Zielgruppe an. Für den Alurahmen mit sinnvollen ­Details wie Montage-Möglichkeiten für Gepäckträger sind drei Ausstattungslinien mit je 12 Gängen und 14-Zentimeter-Feder­weg-Gabeln im Programm. Ab ca. 1499 Euro; rosebikes.de

Olympischer Superheld SCOTT SPARK RC Das Spark ist mit zwei Olympia­ siegen und mehreren WM-Titeln das erfolgreichste Race-Fully der Welt. Weil das Bessere der Feind des ­Arrivierten ist, kommt die aktuelle Generation mit 120 Millimeter Feder­ weg und flacherem Lenkwinkel für noch mehr Performance bergab. Perfekt gelöst: der integrierte, vor Dreck geschützte Dämpfer und die innenverlegten Züge plus Kabel. 9999 Euro; scott-sports.com

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Siegerkonzept: gleich schnell rauf, schneller runter


Early Adopter HAIBIKE ALLMTN SE

Haibike AllMtn SE: Klassiker in Bestausstattung

Der deutsche Hersteller Haibike war einer der Ersten, die den Trend zum E-MTB erkannten. Dementsprechend ausgereift präsentiert sich das AllMtn SE aus Carbon in seiner aktuellen Version. Der Motor kommt von Yamaha, der Akku fasst 600 Wh. Bei der Ausstattung geht dem Connaisseur das Herz auf: Hier wird die beste Schaltung am Markt (SRAM XX1 Eagle) mit den besten Bremsen (Shimano XTR) und Öhlins-Feder­ elementen kombiniert. 10.000 Euro; haibike.de

Nachhaltig anschmiegsam MONS ROYALE MOMENTUM 2.0 Die neuseeländische Marke hat sich ganz der Nachhaltigkeit verschrieben und setzt dabei auf die Wolle von Merinoschafen: temperaturregelnd, weich und antibakteriell. Selbst bei speziellen Funktions-Produkten wie der robusten Momentum 2.0 Short kommt innen Merinowolle zum Einsatz. Klug gesetzte Nähte, verstellbarer Bund und durchdachte Taschen machen sie sowohl in der Männer- als auch Frauen-Version zum langjährigen Bike-Partner. 140 Euro; monsroyale.com

Im Namen des Cousins ZANIER GABRIEL WIBMER SIGNATURE GLOVE

Logisch: Nachhaltigkeit heißt auch Langlebigkeit.

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Fabio und Gabriel Wibmer drücken der MountainbikeWelt ihren Stempel auf (und fast wie nebenbei auch der Motorrad-Welt). Der jüngere Wibmer hat es dabei zu seinen ­eigenen personalisierten Handschuhen von Spezialist ­Zanier geschafft: innen aus Silikon-Druck, außen weich, an den Fingerspitzen Touchscreen-sensitiv. Plus natürlich seine eigene Farbe und Signaturen innen wie außen: Style satt, diese Wibmers! 39,99 Euro; zanier.com

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21. Oktober

Red Bull Rampage Die Regeln bei Red Bull Rampage sind simpel: heil den Hang runterkommen. Der Clou: Die Fahrer buddeln sich mit Schaufeln vorher ihre eigene, möglichst kreative Strecke. Live auf: Red Bull TV.

Wir haben für euch die spektakulärsten Bike-Events des Jahres zusammengetragen. (Gern geschehen!)

28. Mai

3. bis 5. Juni

Im hessischen Gelnhausen findet ein besonders schräges Radrennen statt: Das Red Bull Hill Chasers. Es führt 500 Meter die steilste Straße Deutschlands hinauf – mit bis zu 32 Prozent Steigung. ­Mitmachen kann jeder. redbull.com/hillchasers

Jedes Jahr kommen BMX-Profis aus allen Ecken der Welt nach Flensburg, um beim Contest „Butcher Jam“ (der Park war früher ein Schlachthof) ihr Können zu zeigen. Na ja, und bestimmt auch ­wegen der After-Show-Party danach. sportpiraten.com

Red Bull Hill Chasers

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Butcher Jam

THE RED BULLETIN

BARTOSZ WOLINSKI/RED BULL CONTENT POOL, LONG NGUYEN/RED BULL CONTENT POOL, BUTCHER JAM/HANS FRIEDRICH, TVB TIROLER OBERLAND NAUDERS/FLORIAN ALBERT, LEO GROSGURIN, FLORIAN HAGENA/RED BULL CONTENT POOL, A.S.O./CHARLY LOPEZ

Save the Date


Bike-Special Events

24. und 25. Juni

Race Across the Alps Von wegen erholsam: In den Alpen findet das härteste Eintagesradrennen der Welt statt: das Race Across the Alps. Die Fahrer müssen über 525 Kilometer 14.000 Höhenmeter überwinden. Klingt das nach Erholung? raceacrossthealps.com

2. und 3. September

Red Bull District Ride Im Spätsommer verwandelt sich die Nürnberger Altstadt in ein Slopestyle-Paradies. Beim Red Bull District Ride zeigt die Bike-Elite mitten in der Stadt vor 100.000 Fans auf sechs Obstacles ihre besten Tricks. redbull.com/districtride

24. bis 28. August

1. bis 24. Juli

Die besten Mountainbiker und Mountainbikerinnen der Welt treffen einander in diesem Sommer im beschaulichen 1000-Einwohner-Örtchen Les Gets in Frankreich und kämpfen auf spektakulären Trails um den Weltmeistertitel. lesgets2022.com

Die Tour de France ist das größte Radrennen der Welt. Zum 109. Mal kämpfen die Fahrer um das Gelbe Trikot des Führenden. Die 21 Etappen führen diesmal über 3328 Kilometer durch vier Länder: Dänemark, Frankreich, Belgien und Schweiz. letour.fr

Mountainbike-WM

THE RED BULLETIN

Tour de France

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TEAM

BADMÓMZJAY

TEAM

BOZZA

2 TEAMS. 2 STAGES. 1 SHOW. 19. MAI – WESTFALENHALLE, DORTMUND


GUIDE Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

REIF FÜR DIE INSEL

MATT STERNE

MATT STERNE

Mit dem Seekajak auf der ostafrikanischen Insel Sansibar


GUIDE Reisen

Matt Sternes Blick aus dem Zelt

„Wir paddeln drei Inseln an. Eine kurze Zeit gibt es nur uns, die See und den Himmel.“ Reiseautor Matt Sterne, unterwegs südlich von Sansibar, Tansania

D

zu Boot zu. Wir befinden uns auf einer ie Stille der Daus kann ganz dreitägigen Kajaktour von Insel zu Insel. schön gefährlich sein. Diese Nachts kampieren wir in freier Wildbahn. arabischen Segelboote sind Die Idee zu diesem Ausflug stammt schnell, elegant und lautlos. von Nick Haan, einem Kalifornier, der Es kann passieren, dass sie die letzten dreißig Jahre in Ostafrika versich von hinten an dich ranschleichen – bracht hat. Er spricht fließend Suaheli besonders wenn dein Kajak eher klein ist und spielt ganz gut Gitarre – und du dir vor der Südspitze besonders nach dem Genuss von Sansibar das Herz aus einiger Gläser Whisky am der Seele paddelst, um von Lagerfeuer. Jetzt ist er mein einer Insel zur nächsten zu Reisegefährte, der einen gelangen. Mein Kajak-Guide perfekten Startpunkt für die Nick und ich haben die Mor­ Kajaktour auswählte. Seine gen­sonne im Rücken, warmes Wunschliste war lang: Der Ort Wasser auf dem Schoß, den musste abseits der typischen Geschmack von SonnenTouristendestinationen liegen creme auf den Lippen und – also nicht bei Sansibar ein Ziel, das nur als winziger Stone Town auf der Haupt­ Streifen am Horizont schiminsel Unguja oder nahe dem mert. Um nicht schlappzu­ machen, schreien wir einanMatt Sterne knüpfte eine Kitesurfing-Hotspot Paje –, der Ermutigendes von Boot neue Verbindung zur Natur. der Sonnenuntergang musste

Walzenseesterne schmücken Niamembe Island.

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MATT STERNE

„Diese Tour schult den Charakter.“

Daraus könnte Oktopus in Kokossauce werden. THE RED BULLETIN


Begegnung mit ­einer Dau, einem arabischen Segelboot, auf dem Weg nach Uzi Island

gut sichtbar und ein Aussichtspunkt auf einen kleinen Strand vorhanden sein. Nick wurde nach zehn Jahren fündig: The Hideout bietet Zeltplätze für bis zu zehn Personen, einen überdachten Essbereich und einen kleinen Privatstrand.

Unverhofft kommt oft

Eines der fünf Zwei-Personen-Zelte im Hideout, von wo aus die Kajak-Tour startete THE RED BULLETIN

„Wind und Wellen sind relativ ruhig, und die Geografie ist vielfältig – mit zahlreichen kleinen Inseln, Mangroven, Korallenriffen und Sandbänken“, erklärt Nick. „Für den Kajakfahrer ist das die ultimative Spielwiese.“ Es ist auch Sansibars größtes Meeresschutzgebiet – Hotelriesen, Souvenirgeschäfte und Cocktailbars sucht man hier vergeblich. „In der Bucht gibt es zehn Inseln, drei davon fahren wir an“, klärt Nick mich vor unserer Tour auf. „Wir müssen den Wind berücksichtigen und uns nach den Gezeiten richten, die gerade ziemlich extrem sind.“ Das 81


GUIDE Reisen

SANSIBAR Sansibar Paje Unguja Kuu Niamembe Island Pungume Island

Uzi Island

Afrika

Unguja Ukuu ist eine Siedlung auf der Insel.

konnten wir schon beobachten: Das Was­ ser zog sich nach einer Flutphase rasch zu­rück – wie wenn ein Zauberkünstler ein Tischtuch rasch abzieht – und war ­danach nur in weiter Ferne zu erahnen.

Paddel-Workout in purer Natur Am Tag eins geht es Richtung Niamembe Island. In den ersten zwei Paddelstunden lerne ich, wie man das Kajak gerade hält. Ein kurzes Mittagessen am Strand, dann paddeln wir weitere zwei Stunden, bis wir die kleine, dicht bewaldete Insel Pun­ gume erreichen. Wir kampieren auf einer winzigen Lichtung, das Plätschern der Gezeiten liefert die Hintergrundmusik. Am nächsten Vormittag ist der Wellen­ gang heftiger, und aus der geplanten Kajak-Zeit von drei Stunden werden fünf. Immer wieder schnellt eine Dau an uns vorbei. Seit Tausenden von Jahren sind diese Boote im Indischen Ozean unter­ wegs. Touristen mit Schwimmwesten in roten Kajaks, die wie manisch zwischen den Inseln hindurchpaddeln, stellen 82

Die Tour südlich von Sansibar Der Weg zum Meer Zu der All-inclusive-Tour werden die Reisenden in Stone Town abgeholt. Für Essen und Trinken ist gesorgt. Auf der beschriebenen Tour paddelte Matt Sterne am ersten Tag 13, am zweiten 16 und am dritten 9 Kilometer, im Durchschnitt verbrachte er jeden Tag vier Stunden im Kajak. Die Tour gilt als anstrengend, Erfahrung ist aber nicht erforderlich. Mehr Infos und Ausflugsbuchung auf kayakzanzibar.com

einen neuen Anblick für sie dar. Wir kämpfen uns weiter voran, die Augen geblendet, die Schultern angespannt wie Krabbenzangen. Eine kurze Zeit gibt es nur uns, die See und den Himmel. Und bei aller Anstrengung birgt diese Erfah­ rung auch etwas ungemein Friedliches. Als wir endlich in Uzi Island ankommen, wanken wir von unseren Kajaks wie betrunkene Matrosen. Abends süffeln wir Rum aus Kokosnüssen und machen ein Lagerfeuer am Strand. Erst am Morgen unseres letzten Paddeltages kommen wir an wogenden Palmen und von Höhlen durchsetzten Felsformationen vorbei. Wir fahren durch einen unberührten Mangrovenwald und kommen auf der anderen Seite im Hide­ out wieder heraus. Mit dem Blick auf den Sonnenuntergang lasse ich den Aus­ flug Revue passieren: Als luxuriös kann man die Tour nicht bezeichnen, aber die sternenklaren Nächte und der Aben­ teuercharakter haben das wettgemacht. Nick sagt: „Ich will, dass sich die Leute entspannen. Sie haben aber auch die Gelegenheit, sich persönlich weiterzu­ entwickeln. Beim Kajakfahren knüpft man eine besondere Verbindung mit der Natur. Die möchte ich teilen, denn letzt­ lich ist sie das, wonach wir alle suchen.“ Matt Sterne ist Reisejournalist und -fotograf und lebt in Kapstadt, Südafrika. Instagram: @sternejourneys THE RED BULLETIN

MATT STERNE, SIMON WATSON

The Hideout Eine tausend Jahre alte Siedlung Im Süden von Sansibars größter Insel Unguja gelegen, diente Unguja Ukuu vom 6. bis zum 10. Jahrhundert als Handelsposten, lange bevor arabische Händler Stone Town aufbauten, die heutige Altstadt von Sansibar-Stadt. Das Suaheli-Fischerdorf zeigt sich skeptisch gegenüber Fortschritt. Zwischen Kokosplantagen und Mangrovenfeuchtgebieten gibt es für die 4.000 Einwohner eine Schule, ein paar Moscheen und einen Fußballplatz.


/ E N G I N E E R E D

I N

D O L O M I T E S

SALEWA.COM

T H E


GUIDE Biohacking EFFEKTIVER ARBEITEN

Die Kappe zur Konzentration Profi-Biohacker Andreas Breitfeld verrät uns jeden Monat einen Trick, der dein Leben verbessert. Dieses Mal: wie du Aufgaben durch die passende Kopfbedeckung besser erledigst.

Die Kappe wirkt wie ein niedriger Raum: das Sichtfeld ist begrenzt, der Fokus liegt auf der Aufgabe am Bildschirm, in ­diesem Fall der Excel-Tabelle.

Raumhöhe

Wahrnehmung

Arbeitsart

hoch

freiheitsorientiert

kreativ

niedrig

eingegrenzt

detailliert

Kreativität braucht Luft nach oben

Leider ist das Warum in dem Fall noch nicht ganz geklärt, aber wir wissen aus der „Cathedral Study“ definitiv, dass sich die Deckenhöhe auf die Gehirnaktivität auswirkt. Wie der Name vermuten lässt, haben den Effekt vermutlich zunächst die Architekten der Gotteshäuser entdeckt. So wird bei einer niedrigen Decke detailliertes Arbeiten (oder ein inneres Gebet) 84

BIOHACKING umfasst, ver­einfacht gesagt, alles, was Menschen eigenverantwortlich tun können, um Gesundheit, Lebensqualität und Langlebigkeit zu verbessern.

DIE BIOHACKING-PRAXIS Der Performance-Lifestyle-Podast für alle, die mehr über Biohacking (und sich selbst) erfahren wollen. QR-Code scannen und reinhören. THE RED BULLETIN

SASCHA BIERL

ANDREAS BREITFELD, 49, ist Deutschlands bekanntester Bio­hacker. Er forscht in s­ einem speziellen Lab in München.

ANDREAS BREITFELD

Wieso mache ich das?

gefördert, während eine hohe Decke oder Arbeiten im Freien kreative Prozesse (bzw. Gedanken an Gott) befeuert. Grund für die Wirkung des Caps dürfte das eingeschränkte Sichtfeld sein, das im Gegenzug den Blick auf Details schärft – und bei Fokus auf Zahlen und Tabellen das sogenannte Mathe-Zentrum in der äußeren Hirnrinde aktiviert. Unbewusst scheint der Effekt schon länger im Büro angekommen zu sein. Wer erinnert sich nicht an die typische Comic-Darstellung von Buchhalter oder Kassier mit Ärmelschoner und Visor …

PRIVAT

A

rbeit am Computer ist zentraler Teil vieler Berufe, und auch ich ­verbringe einen Großteil meines Tages vor dem Rechner. Jedoch ist der Rechner nicht immer am selben Platz, sondern wird je nach Aufgabe umgestellt. Wenn das nicht geht, setze ich ab und zu eine Baseballkappe auf, gerade wenn es um Verwaltungskram geht.

Wer Gedanken schweifen lassen möchte, sollte ihnen Raum(-höhe) geben. Wer hingegen trockene Excel-Tabellen bearbeiten muss: Die gelingen besser bei tiefer Decke.


GUIDE Playlist IBEYI

„Unsere Inspiration ist Prince“ Die Zwillingsschwestern des Musikduos Ibeyi stellen vier Lieblingsnummern vor, die ihren einzigartigen Stil prägten.

SULEIKA MULLER

MARCEL ANDERS

Im Alter von zarten 19 Jahren veröffentlichten die französisch-afrokubanischen Zwillinge Naomi und Lisa-Kaindé Diaz – besser bekannt als Ibeyi – ihr gleichnamiges Debütalbum. Die Musikmagazine feierten den sparsamen Elektrosoundmix aus Yoruba-Gesängen (vorherrschend in Nigeria, Benin und Togo), kubanischem Jazz und Stimm­ akrobatik à la Björk. Die Hommage an den legendären Perkussionisten des Buena Vista Social Clubs und verstorbenen Vater der Schwestern, Angá Diaz, gewann schnell einen prominenten Fan: Beyoncé! Sie besetzte die Diaz-Schwestern in dem Kurzfilm zu ihrem Album „Lemonade“. Die heute 27-jährigen Zwillinge verstehen ihr ­drittes Album mit dem Titel „Spell 31“ als Plädoyer für Empathie und Verständnis. Während der Produktion hat die beiden die Natur inspiriert – und diese vier Scheiben.

QR-Code scannen und Ibeyis Playlist lauschen. facebook.com/Ibeyi

ANGÁ DIAZ

ROSALÍA

MESHELL NDEGEOCELLO

KENDRICK LAMAR

REZOS (2006)

SAOKO (2022) Naomi: „Diesen Song hat Rosalía schon vor langer Zeit geschrieben, Anfang dieses Jahres wurde er ­endlich veröffentlicht. Ich bin der Meinung, dass sie zu den Besten gehört, sie ist absolut großartig. Wir haben ihre Karriere von Anfang an verfolgt und sind begeistert. Wie sie Flamenco mit Pop mischt, ist brillant. Dieses Lied hier ist ein Mix aus Reggaeton und Jazz – das ist richtig gut gemacht.“

PLEASE DON’T LET ME BE MISUNDERSTOOD (2012)

H.O.C (2010)

Lisa-Kaindé: „Das ist ein genialer Song von unserem Dad, in dem er die Namen aller verstorbenen ­Musiker aufzählt, die ihn im Leben begleitet haben. Für den Track „Los Muertos“ auf unserem neuen Album haben wir seine Stimme gesampelt – jetzt musiziert er mit uns quasi noch mal. Und wir nennen seinen Namen, die seiner Eltern und auch die Namen von Musikern wie Prince, die uns im Leben weitergebracht haben.“ THE RED BULLETIN

Lisa-Kaindé: „Diese Nummer liegt mir am Herzen, weil ich seit meiner Teenagerzeit Fan von Meshell bin und wahnsinnig viel durch ihre Musik gelernt habe. Obendrein habe ich den Song durch Nina Simone entdeckt, die ihn ursprünglich aufgenommen hat, und die ist überhaupt meine Göttin. Ninas Song, gesungen von Meshell – die perfekte Kombination aus meinen beiden Göttinnen.“

Naomi: „Ehrlich gesagt hätte ich jeden Rap von Kendrick Lamar auswählen können. Diese fantastische Nummer stammt von seinem vierten Solo-Mixtape „Overly Dedicated“. Ich bin ein großer Fan von ihm und halte ihn für absolut großartig. Er hat die Musik von Grund auf verändert. Ich knie nieder vor Ehrfurcht! Ob wir gern mit ihm arbeiten würden? Äh – ja bitte, danke. Ein Wort von ihm und wir sind dabei!“

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GUIDE Innovation

IDEAS FOR A B E T TE R FU T U R E

sind. Herausgekommen ist das Sportshirt QUS, mit dem sich Brustgurte, Puls­uhren oder herkömmliche LaufApps erübrigen. In dieses Shirt (Preis: 398 Euro) sind zwei Sensoren ­integriert, die alle relevanten Daten messen: auf der e ­ inen Seite GPS-Infos­wie gelaufene Kilometer, Höhen­meter oder Geschwindigkeit, auf der anderen Vital-Daten wie Herzfrequenz, Atemfrequenz oder Herzfrequenz­variabilität. „Bei uns wird nichts hochgerechnet, sondern tatsächlich am Körper gemessen. ­Untersuchungen zeigen, dass Pulsuhren bei abrupten Be­ wegungen um bis zu 30 Schläge pro Minute falschliegen“,

Dein Shirt misst dich fit Speed, Herzfrequenz, Atem – das Shirt QUS misst alle wichtigen Daten, die Sportler für optimales Training brauchen.

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A

m Anfang stand ein ­Zitat von Kevin Plank, dem Gründer des USSportartikelherstellers Under ­Armour: „Denkt mal darüber nach, dass ihr mehr über euer Auto wisst als über euren­ ­Körper.“ Stimmt eigentlich, dach­te sich Hannes Steiner, 44, CEO des österreichischen Textil­unternehmens sanSirro. Und überlegte sich, wie man so einfach, aber auch so präzise wie möglich alle Daten er­ fassen könnte, die für sporttreibende Menschen nützlich

Das Smartphone zeigt, wie’s um die persönliche Power bestellt ist – alle ­bedeutsamen Parameter werden abgebildet.

THE RED BULLETIN

SANSIRRO, NICESHOPS, RED BULL RING, GIAN PAUL LOZZA

SPORT

WOLFGANG WIESER

… und los! Für alle, die im Training ­durchstarten wollen: Der Daten-Dress ­verhilft zu neuer Dynamik.


IN ALLER KÜRZE SCHNELLE LIEFERUNG Klimaneutrale Pakete und eine Rennstrecke mit Zukunft

Ein schöner Rücken kann nicht nur entzücken: Hier befindet sich der Chip, der die gemessenen Daten bündelt und versendet.

sagt Marko Stanković, Brand Ambassador und Head of ­Sales von sanSirro. Sämtliche erfassten Daten werden in einem Chip gespeichert, der am Shirt befestigt ist und die Werte in Echtzeit an eine App sendet. So kann man schon während der Belastung abchecken, ob die Form passt oder ob nicht etwa ein Infekt dafür sorgt, dass die Puste schneller ausgeht als sonst. Stan­ković, ein ehemaliger ­Profi-Kicker, erklärt: „Herzund Atemfrequenz k ­ orrelieren miteinander. Weichen die Be­ ziehungs­daten von der Norm ab, sieht man das auf e ­ inen Blick.“ D ­ a­mit erspart man sich falsche Belastungen und ver­meidet Verletzungen. „QUS ist eine hochwertige Technologie, verpackt in einem Shirt, das ganz normal waschbar ist“, sagt Stanković. Letzteres klingt banal, ist aber einer der springenden Punkte, an denen die Kon­kur­renz bis jetzt gescheitert ist. sansirro.com

THE RED BULLETIN

NICE SHOPS Digital und trotzdem grün shoppen? Das geht: Die Niceshops aus der Steiermark versenden klimaneutral. Die Pakete sind dank eines patentierten Sys­ tems wiederverwendbar. niceshops.com

GAMING

Wir spielen Leben! Johanna Pirker unterrichtet an der Technischen Universität Graz Spiele-Entwicklung. Sie ist überzeugt, dass uns Games zu besseren Menschen machen.

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ie spielt Keyboard in der Grazer IndieBand Coinflip C ­ utie, lernt jedes Jahr eine neue Sportart (zuletzt Rennradfahren), mag London, die Bücher des Psychiaters Viktor Frankl und „Nothing Else Matters“ von Metallica. Und sie ist überzeugt, dass uns Gaming zu besseren Menschen macht. „Ich glaube“, sagt sie, „dass Spiele es schaffen, uns Empathie zu lehren“, also Verständnis für Mitmenschen. Drei Spiele können das schon jetzt, meint Johanna Pirker. „Gorogoa“ ist ein virtuelles Puzzle, das aus Tausen-

Johanna ­Pirker, 33, lehrt in Graz.

den von zauberhaften handgezeichneten Illustrationen besteht – ursprünglich sollte das Artwork als Graphic Novel erscheinen. In „Life is Strange“ kann man mit dem Protagonisten Max durch die Zeit reisen. Und „Path Out“ ist pure Realität: Die österreichische Produktion erzählt die wahre Geschichte des syrischen Flüchtlings Abdullah Kamar.

ERICH WOLF Er jobbte als Strecken­ posten und war KunstflugEuropameister. Heute lenkt Erich Wolf den Red Bull Ring am Spielberg in der Steiermark. Und der gilt längst als Zukunfts­ labor der Autoindustrie. redbullring.com

Die aktuelle steirische Ausgabe des INNOVATOR. ­Infos und Abo unter: ­redbulletininnovator.com

Blick in eigene Welten: Johanna Pirker mit Virtual-­ Reality-Brille

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GUIDE Lesestoff

MYSTERY-THRILLER

Hasenjagd Sie wollen nur spielen: „Rabbits“-Autor Terry Miles macht aus einem Underground-Game einen Thriller mit Suchtpotenzial.

M

enschen, die sich kopfüber in den Treibsand von Verschwörungs­ theorien stürzen, ihre Um­ gebung fieberhaft nach ver­ borgenen Mustern abscannen und aus jedem Rülpser eine geheime Botschaft heraus­ hören, lassen sich grob be­ trachtet in zwei Kategorien einteilen: Aluhut oder Narren­ kappe. Sie sind entweder ein dringender Fall für den Psycho­doktor, oder sie sind

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Alternate-Reality-Game(ARG-)Spieler – wobei das eine das andere nicht aus­ schließt. Denn der besondere Nervenkitzel von ARGs liegt paradoxerweise im sogenann­ ten „This Is Not A Game“Konzept. Offenbar macht die ­crossmediale Schnitzeljagd durch die Grauzonen zwi­ schen fiktiven Ereignissen und realen Erlebnissen erst dann richtig Spaß, wenn man sie ernst nimmt. Das Spiel wird so Teil deines Lebens.

Oder, wenn du Pech hast, wird dein Leben Teil des Spiels … In diesem Dorado für Para­ noia jeglicher Geschmacks­ richtung schürft auch der ­kanadische Filmemacher, Pro­ duzent und Autor Terry Miles, der bisher vor allem mit sei­ nen gefeierten Mystery-Pod­ cast-Serien für Follower und Furore sorgte. Eine davon heißt „Rabbits“, laut Miles „ein Name für ein namenloses Spiel, das angeblich existiert“. Unter demselben Titel ver­ THE RED BULLETIN

VINZ SCHWARZBAUER

Text JAKOB HÜBNER


„Rabbits“, Klappentext-Intro: „Es ist ein normaler Arbeitstag. Du siehst auf die Uhr: 4.44. Du checkst deine Mails, und 44 ungelesene Nachrichten ­warten auf dich. Schockiert realisierst du, dass heute der ­ 4. April ist – der 4. 4. Und als du in dein Auto steigst, um nach Hause zu fahren, zeigt der Kilometerzähler 44.444 km an. Zufall? Oder hast du gerade Rabbits für dich entdeckt?

öffentlichte Miles 2019 auch seinen ersten Roman – aller­ dings nicht als Zweitverwer­ tung des erfolgreichen Pod­ casts, sondern als eigen­ ständiges Spin-off aus dem gleichen, in Seattle angesie­ delten Mystery-Game-Setting – und auch dieser schlug in der Community asteroiden­ haft ein. Auf Deutsch erschien „Rabbits. Spiel um dein ­Leben“ im März 2022. An dieser Stelle eine kleine Warnung: Wer die eingangs erwähnten Symptome aus erster Hand kennt, sollte sich besser zweimal überlegen, dieses Buch aufzuschlagen. Denn Terry Miles arbeitet hier ohne reflexive Distanz oder ­lineare Strukturen und pflanzt den Leser direkt in das chro­ nisch überhitzte Gehirn seines Ich-Erzählers K – der natür­ lich ein obsessiver „Rabbits“Spieler ist. „Ich heiße K. Nur ein Buch­ stabe. Ich sage euch jetzt zweierlei. Erstens: K ist eine Abkürzung. Zweitens: Ihr wer­ det nicht erfahren, wofür.“ K ist ein hochintelligenter Nerd mit einer genialen Be­ gabung für Mustererkennung. Die treibt ihn zwar regelmäßig an den Rand des Wahnsinns, macht ihn andererseits aber zum nahezu perfekten „Rab­ bits“-Spieler. Denn bei „Rab­ bits“ dreht sich alles um das Aufspüren und Deuten von Diskrepanzen und Ko­inzi­den­ zen – also Abweichungen im Realitätsgefüge und kumu­ lierte Zufälle, die sich überall und jederzeit in der r­ ealen oder virtuellen Welt mani­ THE RED BULLETIN

festieren können. Überschau­ barer hingegen sind die Re­ geln. Es gibt nämlich nur eine: Die Spielenden dürfen nicht über „Rabbits“ sprechen. Wer ­gegen diese Regel verstößt, schwebt in Lebensgefahr. Dass es sich dabei keines­ wegs um einen morbiden Marketing-Gag handelt, däm­ mert K spätestens, als ihn nach einem konspirativen Treffen der legendäre „Rab­ bits“-Gewinner Scarpio davor warnt, dass „mit dem Spiel ­etwas nicht stimmt“ – und er am nächsten Tag spurlos ver­ schwindet. Was K und seine beiden Mitstreiter Chloe (Ks beste Freundin und ein bisschen mehr) und Baron (IT-­Genie und vorzugsweise stoned wie eine Felswand) freilich nicht davon abhält, nur noch tiefer in das geheim­ nisvolle Labyrinth des Spiels vorzudringen – ohne zu ah­ nen, dass gerade die gefähr­ lichste „Rabbits“-Runde aller Zeiten begonnen hat …

TERRY MILES „RABBITS. Spiel um dein Leben“ Deutsch von Kai Andersen (Penguin Verlag)

BUCHTIPPS

Kopfkino mit Promis Vier weltbekannte Filmstars, die auch als Buchautoren gute Figur machen.

TOM HANKS Als einer der erfolgreichsten Charakterdarsteller Hollywoods hat der zweifache ­Oscarpreisträger offensichtlich auch literarisch ein feines Gespür für „Schräge Typen“ entwickelt. Sein gleichnamiger Story-Sammelband aus dem Jahre 2019 ist ein nos­ talgischer Streifzug durch den American Dream, in dem auch die Ironie des Schicksals stets ein Wörtchen ­mitzureden hat. „Schräge Typen“ (Piper)

CARA DELEVINGNE Die 29-jährige Britin, die den heiklen Sprung vom Laufsteg auf die Leinwand mit be­ wundernswerter Bravour ­schaffte, gibt sich auch in ihrem D ­ ebütroman keine Blöße. Eine ebenso intensive wie rotzfreche Coming-of-AgeStory mit durchwegs überzeugenden Charakteren, die nicht zuletzt durch den gut dosierten Einsatz von Thriller-­Elementen über sich ­hinauswächst. Stark! „Mirror, Mirror“ (Fischer)

ETHAN HAWKE Spätestens mit seinem vierten Roman, in dem sich Wut, Sex, Alkohol, Sehnsucht und Verzweiflung zu einem dramatischen Männerbild der Gegenwart verdichten, stellt Ethan Hawke klar, dass er definitiv kein Neben­erwerbs­autor ist, sondern in der literarischen Profiliga spielt. Die Art, wie der Schauspielstar hier mit seinen eigenen Dämonen tanzt, ist schlicht großartig. „Hell strahlt die Dunkelheit“ (KiWi)

DAVID DUCHOVNY Bekannt ist er vor allem für seine Rollen als Fox Mulder („X-Files“) und Hank Moody („Californication“). Weniger bekannt ist, dass David ­Duchovny in Princeton und Yale Englische Literatur studierte, ein saucooler Hund ist und ziemlich abgefahrene ­Romane schreibt, von denen bisher zwei – „Heilige Kuh“ (2016) und „Ein Papagei in Brooklyn“ (2017) – auf Deutsch zu haben sind. „Heilige Kuh“ (Heyne)

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GUIDE Kalender

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und 18. Mai OMG! DAS OMR FESTIVAL Auf dem OMR Festival in Hamburg dreht sich alles um digitale Plattformen. Wie geht digi­ tales Storytelling, und wie vermarktet man sich auf Social Media? Speaker sind u ­ nter anderem die You­Tuber Rezo und Fynn Kliemann. omr.com

4 bis 12. Juni DIE GENERALPROBE

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bis 5. Juni LET’S ROCK AM RING

bis 21. Mai KLEBRIGE KUNST

Mai STADTVERKEHR

Schon mal von Tape Art gehört? Das ist Kunst aus Klebebändern, die … Ach, bevor wir hier lange schwafeln: einfach die Tape Art Convention in Berlin besuchen. Auf 1000 m2 zeigen hier Tape-Künstler und -Künstlerinnen aus der ganzen Welt ihre Werke. Dazu finden zahlreiche Workshops statt. tapeartconvention.com

Es ist das Highlight der Formel-1-Saison: der Große Preis von Monaco. Hier einen Sieg einzufahren ist etwas ganz Besonderes, denn der Kurs führt mitten durch die Stadt. Platz? Fast null. Jeder Fehler endet meist in den Leitplanken. Im vergangenen Jahr gewann Max Verstappen. Wie schlägt sich der Weltmeister diesmal? redbullracing.com

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3

Endlich wieder im Matsch tanzen und zelten: Nach zwei Jahren Corona-­ Pause kehrt das OpenAir-Festival Rock am Ring zurück in die Eifel. Mit dabei: Green Day, Casper, Bush, Jan Delay und viele andere. Tickets gibt es ab 110 Euro. rock-am-ring.com THE RED BULLETIN

GETTY IMAGES, FABIFA, GETTY IMAGES/RED BULL CONTENT POOL, LUKAS WAHL, THOMAS LEIDIG

In den 80er-Jahren galt das „Weissenhof“ u ­ nter den Profis als beliebtestes Tennis­ turnier des Jahres. Björn Borg und Andre Agassi haben hier schon gewonnen. Und auch heute noch erfreut sich das ATP-Turnier großer Popularität. Viele Stars nutzen das Event in Stuttgart als Vorbereitung für Wimbledon zwei Wochen später. Dieses Jahr schlagen unter anderem Nick Kyrgios (Foto) und Andy Murray auf. ServusTV überträgt das Spektakel live im Free-TV und digital bei ServusTV On. theweissenhof.com


ZITTER DICH SCHLANK Wie du mit Kälte Fett verbrennst. Mit welchen Tipps & Tricks du dein Leben verbesserst.

Der Biohacking-Podcast von The Red Bulletin. Jeden Dienstag neu.

AN D BREITF REAS E LD Profi-B (rechts), ioha im Gesp cker, r mit Buc äch h a u to r STEFAN WAGNE R


B O U L E VARD DER HEL DEN

JANE GOODALL, DIAN FOSSEY, BIRUTĖ GALDIKAS

DIE TRÄUME DER AFFEN Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Folge 13: drei Forscherinnen und ihre innige Beziehung zu Menschenaffen.

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MICHAEL KÖHLMEIER

BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT

GETTY IMAGES (4)

M

anchmal ist ein Mentor nötig, ­verwischt. Wenn ein Schimpansenweibchen und wenn er ein guter Mentor sie direkt angesehen habe, habe sie sich ent­ deckt gefühlt und ein schlechtes Gewissen ist, kann er Unerhörtes in Gang bekommen – einerseits; andererseits habe sie setzen. Louis Leakey war ein guter auch Konkurrenz und Kampfbereitschaft in Mentor. Er stammte aus England, sich gespürt. Eines Nachts habe sie geträumt, lebte aber in Kenia, er war Paläoanthro­ sie sei von einem Felsen gestürzt, von Schim­ pologe. Was tut so einer? Er erforscht pansen gefunden und in ein Schimpansen­ ­unsere Vorfahren, unsere weiten Vorfahren, MICHAEL KÖHLMEIER Der Vorarlberger krankenhaus getragen worden. Eine Schim­ die ­Hominiden. Das sind jene, von denen Bestsellerautor gilt pansenärztin in einem weißen Mantel habe sich der Mensch und der heutige Affe ab­ als bester Erzähler ihr gesagt, es sei aus mit ihr, finito, gleich gespalten haben. deutscher Zunge. werde sie den Löffel abgeben, gleich werde Mr. Leakey ist nicht genug zu loben, Zuletzt erschienen: sie über den Jordan hüpfen. er muss ein freier, vorurteilsfreier Mann der Roman „Matou“, Es gebe nur eine Möglichkeit für sie ­ge­wesen sein. Ihm verdanken wir, dass drei 960 Seiten, Hanser Verlag. zu überleben, aber die käme sicher nicht große Forscherinnen ungehindert Karriere ­in­frage, also solle sie sich auf den Tod vor­ machen konnten: Jane Goodall, Dian Fossey bereiten, der Tod übrigens sei ein Affe. Damit habe sich und Birutė Galdikas. Sie wurden von Leakey ermutigt, die Schimpansenärztin umgedreht, sei auf alle viere sich mit dem Leben und Zusammenleben der Menschen­ nieder­gesunken und wollte davonlaufen. Goodall aber affen zu beschäftigen. habe ihr nachgerufen: Halt! Was für eine Möglichkeit? Jane Goodall hatte nicht studiert, sie hatte eine Bitte! Die Ärztin habe gesagt: Umwandlung. Da sei sie Schule für Sekretärinnen besucht. Ihr Traum aber sei es aufgewacht. Und habe laut lachen müssen. immer gewesen, Afrika zu bereisen. Bereits bei ihrem Jedenfalls habe sie den Traum ernst genommen. ersten Besuch lernte sie Louis Leakey kennen. Der war Sie habe in sich gesucht, sie habe sozusagen ihr Inners­ von ihrer Intelligenz, ihrer Auffassungsgabe, ihrem tes abgesucht, ob da irgendwo ein kleiner Fetzen Schim­ Ideen­reichtum und ihrem Einfühlungsvermögen so fas­ ziniert und überzeugt, dass er sie – wohl wissend, dass panse stecke, und tatsächlich, sie habe so einen Fetzen sie über keinerlei Kenntnisse auf dem Gebiet der Paläo­ gefunden. Den habe sie gehegt und gepflegt, gefüttert anthropologie verfügte – schon nach wenigen Wochen und gekost, er sei herangewachsen, und nun sei sie zu in sein Team aufnahm. knapp einem Drittel eine Schimpansin. Mit sechsundzwanzig ließ sich Jane Goodall end­ Der amerikanische Cartoonist Gary Larson, der sich gültig in Tansania nieder und stellte sich die Lebens­ in seinem Werk intensiv mit Tieren auseinandergesetzt aufgabe, die Schimpansen im Gombe-Stream-National­ hat, ließ in den Siebzigerjahren ein T-Shirt drucken, dar­ park zu studieren. In einem Gespräch erzählte sie viel auf ist eine Zeichnung von einem Schimpansenpaar zu später, schon nach kurzer Zeit habe sich in ihren Ge­ sehen. Das Weibchen pflückt ein blondes Haar aus dem danken der Unterschied zwischen Tier und Mensch Fell des Männchens und sagt: „Warst du schon wieder


Von links oben im Uhrzeigersinn: Affenforscherinnen Dian Fossey, Jane Goodall und Birutė Galdikas

THE RED BULLETIN

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B OU L EVAR D DE R HE L D E N

bei dem Flittchen Goodall!“ Jane Goodall nahm es mit Humor. Als ihr geraten wurde, dagegen vorzugehen, lachte sie nur. Alles, was nütze, um darauf aufmerksam zu machen, wie wir Menschen mit den Tieren umgehen, begrüße sie, und Humor wirke mitunter besser als Wut. Jane Goodall ist bis heute eine kräftige Kämpferin für die Rechte der Tiere. Ihre empirischen Forschungen sind vorbildlich.

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m Alter von dreiundfünfzig Jahren wurde Dian Fossey in ihrer Hütte im Karisoke Research Center erschlagen. Ein Kampf war vorausgegangen. Mrs. Fossey war eine starke, unerschrockene Frau, die sich vor nichts und niemandem fürchtete. Sie war bewaffnet, verlor ihren Revolver aber in dem Kampf. Die Mörder schlugen ihr den Schädel ein und ließen sie liegen. Erst glaubte man, es seien Wilderer gewesen. Die Wilderer wurden von Dian Fossey erbarmungslos verfolgt, wobei sie mitunter Methoden anwandte, die von manchen Stellen scharf kritisiert wurden. Ihren Studenten und Assistenten riet sie, sich zu bewaffnen, und wenn sie auf Wilderer träfen, nicht lange zu verhandeln, sondern zu schießen. Gegen die Theorie, dass sie von Wilderern getötet worden sei, spricht, dass diese sie leichter im Wald hätten töten ­können als in dem bewachten Camp. Inzwischen gilt es als am wahrscheinlichsten, dass bezahlte Killer von einer der Tourismusorganisationen beauftragt worden waren. Hätte ein Mord im Wald stattgefunden, wäre das für das Geschäft nicht gut ge­ wesen, man wollte die Touristen ja in den Wald locken. Dian Fossey hatte sich mit vielen angelegt. Die Touristen störten und zerstörten das Zusammenleben der ­Gorillas, davon war sie überzeugt. Ihr Ziel war es, dass der Tou­ rismus in den Wäldern von Ruanda verboten wird. Die Wilderer hasste sie wie den Teufel. Sie hatten ihren Liebling erschossen, ihm die Hände abgehackt und den Kopf abgesägt. Aus den Händen waren Aschenbecher für verrückte Amerikaner gemacht worden, der Kopf wurde ausgestopft und in einer Bibliothek in England an die Wand gehängt. Ihr Liebling war Digit. Digit war ein Gorillamännchen – gegen diesen Aus­ druck hätte sich Mrs. Fossey empört, und empören konnte sie sich wie keine andere. Digit war ein Gorilla­ mann. Zehn Jahre lang hatte Dian Fossey ihn und seine Familie beobachtet, die Hälfte der Zeit hatte sie mit ihnen zusammengelebt. Die Gorillas hatten Vertrauen zu ihr gewonnen, sie gaben ihr ihre Babys, damit sie auf sie aufpasse oder sie in den Schlaf singe.

Dian Fossey wollte die Gorillas nicht nur beobachten, sie wollte Teil ihrer Gesellschaft werden.

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Nach dem Tod von Digit zog sich Dian Fossey immer mehr von den Menschen zurück, sie lebte im Wald, be­ wacht von bewaffneten Studenten. Die Einheimischen nannten sie Nyirmachabelli, das heißt „die Frau, die einsam im Wald lebt“. Mit noch nicht dreißig Jahren war sie aus Kalifornien nach Afrika gekommen, sie war beseelt von dem Ge­ danken, die Menschenaffen, insbesondere die ­Gorillas, zu studieren. Louis Leakey war beeindruckt von der Frau und führte sie ein in sein Fach. In einem Interview sagte sie, als sie den ersten Gorilla gesehen habe, einen mächtigen Silberrücken, habe sie gewusst, sie werde ihr Leben in diesem Wald beenden, sie werde nie wieder zurückkehren in die Zivilisation. Sie wollte nicht nur die Familienstrukturen und das Kommunikationsverhalten dieser prächtigen Tiere be­ obachten, sie wollte ein Teil ihrer Gesellschaft werden. Sie beobachtete den Umgang der Geschlechter mitein­ ander, nannte es Liebe und Sorge und Hass, machte kei­ nen Unterschied zwischen den Gefühlen der Menschen und denen der Affen. Sicher, sie unternahm Reisen, hielt Vorträge, warb auf der ganzen Welt für ihre Pro­ jekte und dafür, Menschenaffen wie die Schimpansen und die Orang-Utans, vor allem aber die Gorillas, recht­ lich und ethisch auf eine ähnlich hohe, wenn nicht gar auf die gleiche Stufe mit dem Menschen zu stellen. Ihre Heimat aber war der Wald um das Karisoke ­Research Center. Sie erzählte, sie habe zusammen mit Digit eine Form der Verständigung entwickelt, die weit über den Austausch von Alltäglichkeiten hinausging. Es sei ihnen sogar gelungen, einander von ihren Träumen zu erzählen. In einem seiner Träume habe Digit seinen Tod vorausgesehen, und er habe sie gewarnt, dass auch sie auf der Hut sein solle. Das Leben von Dian Fossey wurde 1988 unter dem Titel „Gorillas im Nebel“ mit Sigourney Weaver verfilmt.

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ie Jane Goodall und Dian Fossey hatte der große Louis Leakey auch Birutė Galdikas entdeckt und für das Leben der Menschenaffen begeistert. Im Unterschied zu den beiden Kolleginnen forschte sie aber nicht in Afrika, sondern in Asien. Auf Borneo ­gründete sie mit Hilfe der Leakey Foundation eine Forschungs­ station. Dort untersuchte sie das Verhalten der OrangUtans. In einem Vortrag nannte sie die Vertreter dieser Primatengattung die schönsten Lebewesen, die Gott er­ schaffen habe. Lachend fügte sie hinzu, die meisten Bio­ logen und Zoologen, das sei bekannt, neigten dazu, Gott als nicht notwendige Zugabe der Evolution zu sehen, den meisten Biologen und Zoologen sei allerdings auch noch nie ein frei lebender Orang-Utan begegnet. Diese Tiere seien für sie ein Gottesbeweis. Birutė Galdikas hat litauische Wurzeln und wuchs in Kanada auf. In Los Angeles studierte sie Psychologie und Anthropologie. In dem erwähnten Vortrag erzählte sie, sie habe sich für den Menschen hauptsächlich inte­r­ essiert, um Erkenntnisse zu gewinnen, die ihr beim Stu­dium der Tiere nützlich sein können. Als Kind sei sie

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Im Traum fürchtete sich Birutė Galdikas vor dem Affen. Als sie aufwachte, wollte sie sein wie er. immer gelaufen, normal zu gehen, habe sie nicht fertiggebracht. Der häufigste Satz, den ihre Mutter zu ihr ­gesagt habe, sei gewesen: Geh normal, Kind! Sie habe sich nicht wie die meisten Mädchen in ihrem Alter ein Pferd gewünscht, sie habe sich gewünscht, ein Pferd zu sein. Irgendwann habe ihr Vater zu ihr gesagt: Meine Kleine, das muss ein Ende haben. Wenn du in die Schule kommst und deinen Banknachbarn erzählst, dass du ein Tier sein möchtest, dann lachen sie dich aus und spielen nicht mit dir. In der Nacht vor ihrem ersten Schultag habe sie geträumt, sie sei ein Pferd und sie lebe unter den Tieren. Den Menschen gab es nicht und würde es nie geben. Der Vater aller Tiere, der jeden Morgen,

j­ eden Mittag und jeden Abend die Suppe zubereitete, war ein riesengroßer Affe mit Armen so lang und Fingern so dünn, dass er in jedes Geschäft der Stadt greifen konnte, um die feinen Dinge herauszuklauben, die er über die Suppe streute. Im Traum habe sie sich vor dem großen Affen gefürchtet. Aber als sie aufwachte, habe sie sich nicht mehr gewünscht, ein Pferd zu sein – sondern ein Affe. Heute lebt Birutė Galdikas wieder in Kanada. Sie ist Professorin für Anthropologie an der Simon Fraser University in Burnaby in der Provinz British Columbia, im Westen des Landes an der pazifischen Küste. Immer wieder aber zieht es sie in den Regenwald von Borneo zu ihren geliebten Orang-Utans.

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