The Red Bulletin_1209_CH

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Grizzly Bear / Roland Trettl / Torey Pudwill / Matthew Halsall / Thomas Herzig / Kristen Stewart / Graeme Obree

Das Magazin abseits des Alltäglichen

September 2012

Musik nur mit Maske

Panda-Rapper Cro stürmt die Charts Storm Surfers

t Jettz-App e l b Ta ti s g r a e r-

Die Sucht nach der endgültigen Welle

nt heruden a l

R e d Bu l l A l pe

Über Grimsel, Furka, Susntebn revet mit nur einem Hintern

Wahre helde n knattern hödis


SMOLEJ & FRIENDS, WIEN

Portugals Fußballstars machen die Welle*:

Grüezi Primeira Liga! www.laola1.tv

SPIRI T OF SPORTS

* FC Porto, Benfica Lissabon, Sporting Lissabon und alle anderen Stars der Primeira Liga LIVE.


DIE WELT VON RED BULL

September MASCHINE MENSCH Graeme Obree jagt den Speedrekord am selbstgebauten Liegefahrrad

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KRISTEN STEWART Vampir-Geliebte, Top-Verdienerin: Stationen einer steilen Karriere.

COVERBILD: DAN CERMAK. BILDER: PAUL CALVER, GETTY IMAGES, GIAN PAUL LOZZA, PALANI MOHAN

WILLKOMMEN! Wie ist New York, wenn man der Stadt nah genug kommt, um hinter ihre Klischees zu blicken? Wie sieht der Alltag aus in der Stadt, die niemals schläft? Kommt man als junger Musiker unter die Räder, oder wird man zu kreativen Höchstleistungen gepusht? Und was muss man tun, um sich durchzusetzen? Im Frühjahr 2013 macht die Red Bull Music Academy in der Welthauptstadt der Musik Station. Als Warm-up für die Wochen, die musikalische Talente aus aller Welt hier verbringen werden, ließen wir uns von drei jungen Musikern erzählen, wie das so ist in NYC. Nämlich wirklich ist. Ab Seite 50: Nick Hook (verdiente mit Azealia Banks so viel Kohle, dass er sein Studio renovieren kann), Tiombe Lockhart (schlug sich als Sekretärin durch) und Jesse Boykins (schlief ein Jahr bei Freunden auf der Couch), „So schaffst du’s in New York“. Spannende Unterhaltung wünscht die Redaktion.

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RED BULL STRATOS Exklusiv: Felix Baumgartner über den aktuellen Zeitplan seines Rekordsprungs.

” Drachenfliegen

ist eine Religion für uns. “ (der Dorfälteste)

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DIE GEISTER DES WINDES Das Kite Festival auf Bali ist eine Hommage an den Wind und die Natur. Wir zeigen die schönsten Bilder.


DIE WELT VON RED BULL

September SO SCHAFFST DU’S IN NEW YORK Der Big Apple ist das härteste Pflaster im Musikbusiness. Drei junge Künstler erzählen uns, wie man sich trotzdem hochboxt.

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DAS WORKOUT DER STARS So macht sich Profi-Skater Torey Pudwill Brett-fit.

DIE LETZTE KEHRE

Der Wiener Philosoph Konrad Paul Liessmann über die Faszination des Straßenrennrads. Eine Meditation.

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” Wir wissen, dass

uns die Leute für verrückt halten. “

DIE WELLENJÄGER Mit Surfern, Meteorologen und einem Filmteam auf der Suche nach dem spektakulärsten Big-Wave-Material der Welt.

10 Bilder des Monats 16 Kurzmeldungen: Schlagball-Götter, Pop-Art, kunterbuntes Schuhwerk 20 Einst & Jetzt: Mountainbikes 24 Formelsammlung: Cliff Diving 26 Glückszahlen: Ryder Cup

BILDER: MIKO LIM, ATIBA JEFFERSON/RED BULL CONTENT POOL, NEWS VUKOVITS MARTIN, ROD OWEN

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DIE WELT VON RED BULL

” Meine

Mucke kannst du Mama vorspielen. Sie wird mitswingen. “

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BILDER: NORMAN KONRAD, GETTY IMAGES, DANIEL GEBHART DE KOEKKOEK, JOERG MITTER/RED BULL CONTENT POOL

„ICH GLAUBE AN … PANDABÄREN“ Der Rap-Star im Interview: Warum Massenhysterie-Meister Cro eine Bärenmaske trägt. Und was sich dahinter verbirgt.

82 NEW ORLEANS BACKSTAGE

Drag Bingo, Nackt-Karaoke, Kleinkunst: Die KulturMetropole New Orleans hat mehr zu bieten als Jazz. Zwölf Insider-Tipps für einen unvergesslichen Trip.

76 AM ENDE WAR DAS WORT

Der Wiener Architekt Thomas Herzig verdient sein Geld mit dem Bau von Luftschlössern – und agiert damit in jener Tradition, die gotische Baumeister mit Hightech-Schmieden wie Apple verbindet.

more

Body & Mind 84 GET THE GEAR Ein Blick ins Labor von Hangar-7-Koch Roland Trettl

92 TOP-EVENTS

Die wichtigsten Termine im August – weltweit

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DER TÖFFLI-WAHN

Blitzendes Chrom, baumelnde Fuchsschwänze und bärige 30 km/h Höchstgeschwindigkeit: Einen Tag und 3500 Höhenmeter lang erweckt Red Bull Alpenbrevet den Mofa-Kult zum Leben.

96 TV-PROGRAMM

Das Red Bull TVFenster bei ServusTV

97 MUST-HAVES

Dinge, die man einfach haben muss

98 KOLUMNE

Lebenshilfe mit

94 SAVE THE DATE Christian Ankowitsch Die Top-Events vor 98 IMPRESSUM deiner Haustür

88 NIGHTLIFE

Out Now: Grizzly Bear/Safari bei Nacht/Best Clubs: The Hoxton in Toronto/Cocktail: Del Rio/Take 3: Vampire Weekend/Night Snack: Bitterballen


RED BULL STRATOS

„Jetzt müssen wir cool bleiben“

Felix Baumgartner über den Schaden an seiner Kapsel, den neuen Zeitplan und warum es wichtig ist, Profi zu bleiben.

manche Teile wartest du Wochen. Wir können und dürfen es uns nicht leisten, mit potentiell schadhaftem Equipment abzuheben. Am Beispiel unserer Batterien: Ist die innere Struktur beschädigt, könnte die Stromversorgung zusammenbrechen oder, schlimmer noch, ein Kurzschluss die Kapsel abfackeln. Natürlich wäre eine Pause von nur zwei, drei Wochen zwischen vorletztem und letztem Sprung ideal gewesen, weil wir alle am Zenit unseres Könnens waren. Jetzt müssen wir dieselbe professionelle Einstellung beibehalten, die uns schon zweimal an die Grenze des Weltalls geführt hat. Wenn die Kapsel repariert ist, überprüfen wir sie in der Druckkammer; sind alle Systeme okay, geht’s direkt nach Roswell, und in den ersten zwei Oktoberwochen erfolgt der große Sprung. Wir sind Profis, die ihr Ding ruhig und überlegt durchziehen. Mit dieser Einstellung habe ich all meine früheren Projekte zum Erfolg geführt. Ja, ich fühle mich wie ein Tiger im Käfig. Nein, wir werden die Arbeit von fünf Jahren nicht im letzten Moment gefährden. Wenn ich es nicht schaffe, dauert es womöglich wieder sechzig Jahre, bis sich jemand an ein Projekt dieser Dimension wagt. Wir sehen uns hoffentlich im Oktober, drückt mir die Daumen!

Die fehlenden Ersatzteile kann man nicht im Supermarkt kaufen. Ruppige Landung. Beim Rekordsprung unerheblich, jetzt extrem lästig: Die Kapsel landete nach dem erfolgreichen zweiten Testsprung so unglücklich, dass die nun nötigen Reparaturarbeiten das Projekt Red Bull Stratos um zwei Monate verzögern.

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BILDER: JOERG MITTER/RED BULL STRATOS, BALAZS GARDI/RED BULL STRATOS

D

er zweite Testsprung hat wie im Bilderbuch geklappt: Zwar waren die Tage und Nächte davor kräfteraubend, und vor dem Ausstieg dauerte es schier ewig, bis sich auf 29.610 Metern die Tür der Kapsel geöffnet hat. Während der ersten 16 Sekunden meines Freifalls hatte ich keine Kontrolle über meine Position (beim ersten Testsprung war bereits nach sechs Sekunden alles wieder im Lot), aber wir dürfen mit Fug und Recht sagen: Wir haben zweimal gezeigt, dass wir es können. Darum habe ich anfangs gar nicht geglaubt, dass bei der Landung der Kapsel etwas schiefgegangen ist. Ich habe es von einem Mitglied der Crew gehört, welche die Kapsel nach der Landung birgt. Zunächst habe ich der Nachricht keine besondere Bedeutung beigemessen: Schon beim ersten bemannten Flug war die Kapsel unsanft in der Wüste gelandet, aber genau für diesen Fall hatten unsere Techniker ja die Crush Pads an der Kapsel-Unterseite platziert, um die Wucht des Aufpralls zu dämpfen. Projektleiter Art Thompson hat die Hiobsbotschaft leider bestätigt, und spätestens beim Abladen der Kapsel vom LKW war allen klar, dass wir ein Problem haben: Die Kapsel hat ausgesehen, als hätte sie einen Zusammenstoß mit einem Alien gehabt. Ergebnis der Untersuchungen in der Fabrik: Selbst wenn meine Überlebenszelle intakt geblieben ist, muss man doch große Teile des Life-Support-Systems austauschen. Mit einem Formel-1Chassis, das an die Wand gefahren ist, stellst du dich ohne sorgfältige Kontrolle ja auch nicht mehr an den Start. Ersatzteile für meine Kapsel gibt es nicht im Supermarkt, sie müssen space-approved sein, kommen teilweise von kleinen Spezialfirmen, die zum Beispiel auch die NASA beliefern. Auf

Felix Baumgartner



shop.swatch.ch




TU R PAN , C H I NA

ABGEFAHREN DES MONATS

Packende Downhill-Action an den entlegensten Orten der Welt – so lautete die Vorgabe von Regisseur Derek Westerlund für sein neues Bike-Epos „Where the Trail Ends …“. Ob US-Fahrer Cameron „Cam“ Zink (hier im Bild) seine Steilhügel-Abfahrt in der Wüste Gobi übersteht, kann man sich ab 21. September zu Hause ansehen – ohne Schürfwunden und in High Definition. „Where the Trail Ends …“: erhältlich ab 21. September Infos: www.wherethetrailends.com Bild: John Wellburn/Red Bull Content Pool

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L AN G J Ö KU LL , I S L AN D

TIEFGEKÜHLT DES MONATS

Die Eishöhlen des Langjökull-Gletschers auf Island sind von vergänglicher Schönheit. Geformt aus gefrorenem Schmelzwasser, existieren sie meist nicht länger als ein Jahr. „Höhlen dieser Größe bilden sich extrem selten“, erzählt Fotograf Tyler Stableford, der den Reisejournalisten Mark Jenkins am Langjökull begleitete. Was Stablefords Foto so wertvoll macht? Die Höhle am Bild ist mittlerweile geschmolzen. Mark Jenkins’ Reisetagebuch: www.thehardway.com Bild: Tyler Stableford

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WEI SSER NIL , UGANDA

DURCHGESPÜLT

„Wir fühlen mehr Demut als Stolz“, sagte Kajak-Profi Steve Fisher nach der Erstdurchfahrung der Inga-Stromschnellen nahe der kongolesischen Stadt Matadi. Bis zu 70.800 Kubikmeter Wasser schießen dort pro Sekunde den Kongo-Fluss hinunter, was die „Inga Falls“ zu den mächtigsten Stromschnellen der Erde macht. Um sich optimal auf die Expedition vorzubereiten, trainierte die Crew auf den nicht minder gefährlichen Wasserfällen des Weißen Nils in Uganda – garantiert kein Badespaß Der Film zur Expedition: „Congo – The Grand Inga Project“, erhältlich auf DVD und als Download; Infos: www.ingaproject.com Bild: Greg Von Doersten/Red Bull Content Pool

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DES MONATS


NEU: FLÜGEL FÜR JEDEN GESCHMACK.

GESCHMACK – CRANBERRY, LIMETTE ODER HEIDELBEERE. WIRKUNG – RED BULL.


Bullevard Beflügelndes in kleinen Dosen

Strike am Schirm Im Herbst kehrt Clint Eastwood auf die Leinwand zurück – als Baseball-Scout im Drama „Trouble with the Curve“. Als Einstimmung darauf: die vier besten BaseballMovies der Filmgeschichte.

„DER GROSSE WURF“ (1942) Die Lebensgeschichte der Baseball-Ikone Lou Gehrig. Kollegen wie Babe Ruth spielen sich selbst.

„DAS LETZTE SPIEL“ (1973) Oscar-gekröntes Drama: Robert De Niro als minderbemittelter Fänger mit Todesdiagnose.

SCHÖN SCHRILL

Zwischen Manga und Mickey Mouse: die bunte Welt des Takashi Murakami. Wenn Andy Warhol die Pop-Art erfunden hat, dann hat Takashi Murakami sie perfektioniert: kreischbunte Blumen mit furchteinflößend grinsenden Gesichtern, niedliche Tierchen mit Riesenaugen im Farbenrausch. Sein Stil schreit, er zieht den Betrachter in seinen Bann – ob dieser will oder nicht. Und die Menschen wollen: Der fünfzigjährige Japaner ist einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart. Auch, weil er die Grenzen von Kunst und Kommerz überwindet: Für Louis Vuitton designt er Taschen, für Kanye West entwirft er Plattencover. Sein letztes Großprojekt: „Ego“ in Qatars Hauptstadt Doha, die erste Einzelausstellung eines Künstlers im Nahen Osten überhaupt und seine größte Werkschau bisher. Der Höhepunkt: ein 100 Meter langes Gemälde buddhistischer Mönche in apokalyptischem Comic-Stil. Mehr davon gibt’s in Murakamis neuem Buch zur Ausstellung.

Murakami lässt Pop-Art auf japanische Kultur prallen.

www.takashimurakami.com „ANNIES MÄNNER“ (1988) Köstlich: Kevin Costner als alternder Fänger mit Susan Sarandon als spielervernaschendem Luder.

„SUGAR“ (2008) Ein dominikanischer Junge reist in die USA, um es als Werfer in die Major League zu schaffen.

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BILDER DES MONATS

MOMENT MAL!

Szenen aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser. Einfach per Mail an: phototicker@redbulletin.com Unter den Einsendern der veröffentlichten Fotos wird eine Trinkflasche des Schweizer Herstellers SIGG im speziellen Red Bulletin-Design verlost.

San Francisco

Stefan Bradl stimmte sich auf der berühmten Lombard Street für den Grand Prix von Laguna Seca ein. Cameron Baird


Gut besohlt Sportschuhe für spezielle Einsätze

NIKE HYPERKO BOXSCHUHE Manny Pacquiao ist der einzige Weltmeister in acht Gewichtsklassen. Seinen Schuh gibt es um 200 Dollar.

BILDER: PICTUREDESK.COM (3), GETTY IMAGES (2), KOBAL COLLECTION (2), SHAWN BRACKBILL, NAIM CHIDIAC/RED BULL CONTENT POOL, PRESS, NIKE, GEOX, ADIDAS

Lilou, ab sofort zu erleben in der sechsteiligen Serie „Break’n Reality“

Ein Jahr Breakdance Omar O. Delgado, Ali Ramdani und Fabiano Carvalho Lopes alias Roxrite, Lilou und Neguin: Drei der größten Stars in der Geschichte des Breakdancing haben ein Jahr lang in Begleitung von Kamerateams gelebt – und eröffneten dem Zuseher erstmals ganz persönliche Einblicke in Alltag, Familie, Training und Reisen. Entstanden sind sechs je 24-minütige Blicke ins Innerste des B-Boying, atemberaubende Bilder, große Emotionen, unvergessliche Momente. Als Höhepunkt treffen die drei Superstars bei der Weltmeisterschaft in Moskau zum großen Showdown aufeinander. „Break’n Reality“ heißt die vom Red Bull Media House produzierte Serie, die ab sofort auf iTunes, PlayStation Network und Xbox Live bereitliegt. www.redbull.com/breaknreality

GEOX F1 RED BULL Feuerfest, leicht, funktional und bequem: Sebastian Vettels Gasfuß steckt in einem Geox um 300 Dollar.

FRISCHE OHREN Velvet-Underground-Ikone John Cale mit neuer Platte und Rap-Empfehlungen. Er hat die Rockgeschichte geprägt wie wenige andere: als Songschreiber von The Velvet Underground an der Seite von Lou Reed. Und als Entdecker von Künstlern wie Patti Smith und Iggy Pop. Als Solomusiker pendelt der siebzigjährige Multiinstrumentalist John Cale zwischen poetischem Pop, Avantgarde – und neuerdings Hip-Hop-Anleihen, wie sein neues Album zeigt. Sie verwenden Auto-Tune auf Ihrer Platte, bekannt als Cher-Effekt. Und gerade im Hip-Hop sehr angesagt … Das stimmt. Aber man darf den Effekt nur in kleinen Dosen einsetzen, er nervt ziemlich schnell. Ich höre zwar Rap-Musik, aber ich verwende Auto-Tune, um eine Roboter-

stimme zu modellieren. Ihr liebster Hip-Hop-Act? Mit Snoop Dogg würde ich gerne zusammenarbeiten. Oder mit Kokane: Der Typ hat drei Stimmen, eine hohe Marvin-Gaye-Stimme, eine gemäßigte und dann noch dieses Knurren. Er verwendet alle drei in nur einem Song. „Sag hallo zur Zukunft, goodbye zur Vergangenheit“, lautet eine Textzeile. Ihr Lebensmotto? Absolut. Ich möchte mich nicht wiederholen. Und nichts schreiben, was schon einmal da war. Mein Geheimnis: Ich höre kaum Radio. Das hält die Ohren frisch und schützt vor unnötigem Pop-Schmutz. „Shifty Adventures in Nookie Wood“ erscheint am 1. Oktober; www.john-cale.com Seit fünfzig Jahren musikalischer Visionär, auch dank RadioAbstinenz: John Cale

ADIDAS ADIZERO DISCUS/HAMMER Flacher Aufbau und speziell polierter Bereich im Vorfuß: Höhere Drehgeschwindigkeiten für Diskus- und Hammerwerfer gibt’s schon ab 110 Dollar.

DAS GEWINNERBILD

Madrid

25.000 Zuschauer sorgten für eine einzigartige Stimmung in der Plaza de Toros. Jörg Mitter, Red Bull X-Fighters

Agra Für den britischen Freerunner Ryan Doyle steht das Taj Mahal (in Uttar Pradesh, Nordindien) kopf. Sebastian Marko

Dallas Ohne Kompromisse. Beim Finale von Red Bull Game Breakers (einer Football-Variante) gab es harte Duelle um die Pille. Garth Milan 17


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Einmal Dany Torres sein: mit dem Red Bull X-Fighters Game für iPhone, iPad oder iPod Touch

Trick-Spiel

Spannung pur: Der Kreativität der Spieler sind kaum Grenzen gesetzt.

Lyme Regis

Österreichs WakeboardAss Dominik Hernler zeigte beim Red Bull Harbour Reach die besten Tricks. Ben Dean

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„Sein wahrhaftiges Gefühl authentisch rüberbringen“: Tyron Ricketts, Weltreisender

NICHTS WIE WEG!

Tyron Ricketts war trotz großen Erfolgs als Schauspieler und Rapper am Ende seiner Kräfte. Die Therapie: ein Rucksack, ein Surfbrett und ein Ticket um die Welt. Die Vita des gebürtigen Österreichers Tyron Ricketts kann sich sehen lassen: Moderator des VIVA-Magazins „Word Cup“, Film- und Fernsehstar (etwa im Kult-Roadmovie „Knockin’ on Heaven’s Door“), Rapper bei Mellowbag und den Brothers Keepers. Umso überraschender kam die Entscheidung des Neununddreißigjährigen, aus allen Projekten auszusteigen und einen Neuanfang zu wagen. „Das war während meiner Zeit als Kommissar in der Krimiserie ‚SOKO Leipzig‘. Eines Morgens wachte ich auf, und die Batterie war leer. Deshalb habe ich gekündigt und mir ein Around-the-World-Ticket gekauft“, erzählt Ricketts. Seine Reise führte ihn zu den schönsten Surf-Spots rund um den Globus. Nach sechs Wochen griff er zum ersten Mal zu Stift und Papier. „Ich hatte in den letzten Jahren Schiss davor gehabt, Songs zu schreiben, weil mein Style nichts mit den gängigen Gangsta-Rap-Klischees zu tun hat. Unterwegs wurde mir bewusst, dass es nicht darum geht, sich anzupassen: Man muss nur sein wahrhaftiges Gefühl authentisch rüberbringen“, so der Berliner. Resultat seiner künstlerischen Wiedergeburt ist das Album „Weltenreiter“ mit 13 Songs: „Es geht um eine Reise – äußerlich um die Welt, innerlich zum eigenen Selbst. Die Texte können eine Brücke für Leute sein, die Ähnliches erfahren wollen.“ „Weltenreiter“ und das gleichnamige Buch sind seit 31. August im Handel erhältlich www.facebook.com/tyronrickettsofficial

Denai Alam

Mohammed Balooshi gab den Motocrosstalenten wertvolle Tipps mit auf die Strecke. Victor Fraile, Red Bull Under My Wing

Salzburg

Ein einzigartiger Schwarm aus 210 (Alucobond-)Vögeln zieht über das Gelände des Hangar-7. Helge Kirchberger

BILD: PRESS

Die Red Bull X-Fighters World Tour hat sich über die Jahre zur größten und bestbesuchten Freestyle-Motocross-Serie der Welt entwickelt. Die allerbesten Fahrer zeigen dabei waghalsige Tricks auf den gewaltigen Rampen und Sprunghügeln. Passend zur World Tour 2012, gibt es jetzt das Mobile Game für iPhone, iPad oder iPod Touch, inklusive aller Tour Stops. Was die Gamer erwartet: • vier actiongeladene Game Modes, • alle sechs originalen Schauplätze der Red Bull X-Fighters World Tour 2012, • die Chance, als Red Bull X-Fighters 2011-Champion Dany Torres an den Start zu gehen, • die Möglichkeit, sich Fahrer, Bikes und verschiedene Tricks freizuschalten, • die Möglichkeit, Freunde im Game herauszufordern, und • die Chance, um einen Platz in den Bestenlisten zu kämpfen. Für die Fans in Österreich, Deutschland und der Schweiz gibt es jetzt für kurze Zeit eine besondere Aktion: Alle Apple Smartphone- und Tablet-Besitzer können sich die Vollversion des Spiels bis 22. Oktober gratis aus dem App Store herunterladen. So funktioniert’s: einfach auf der Website www.redbullxfighters.com/gamespecial vorbeischauen, den persönlichen Download-Code abholen und im App Store einlösen. www.redbullxfighters.com/gamespecial


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MEINE WELT

KRISTEN STEWART

Die Verkörperung einer romantisch Liebenden schlechthin ist zugleich Spitzenverdienerin in Hollywood. Seit kurzem überschattet jedoch ein privater Fehltritt die makellose Karriere des „Twilight“-Stars.

PE ITS CH EN

HOLLYWOOD -HAU SHA LT

-P LOT Der Bestseller des Jahres 2012, der SadomasoRoman „Fifty Shades of Gre y“, stammt aus der Feder eines „Twilight“-Fans . Die Britin E. L. James schrieb eine nicht ganz jugendfreie Geschichte über Bella und Edw ard. Sie postete die Story, die Rechte wur den für Millionen verkauft. Welche Sch auspieler für die Verfilmung vorges chlagen wurden? Dreimal dürfen Sie raten.

Kristen Jaymes Stewart wird am 9. April 1990 in eine Filmfamilie geboren – Vater: Produzent, Mutter: Drehbuchautorin, Wohnort: Los Angeles, Kalifornien. Ihre ersten Vorsprechtermine besucht sie bereits als Kleinkind, obwohl da vom späteren Prinzessinnen-Look noch nichts zu bemerken ist. „Schauen Sie sich Kinderbilder von mir an“, gesteht Stewart in „Vanity Fair“, „ich sehe aus wie ein Junge!“

PRO MI- PÄR CHE N

Die Kino-Romanze zwischen Stewart und Pattinson setzt sich im richtigen Leben fort. Fotos der beiden werden für 100.000 Dollar gehandelt. Dem „Forbes“-Magazin zufolge verdient Stewart von Mai 2011 bis Mai 2012 rund 34,5 Millionen Dollar, was sie zu Hollywoods Top-Verdienerin macht. Im Juli fliegt ihre Affäre mit Rupert Sanders auf. Killer-PR für „Twilight“ oder das Ende einer jungen Liebe?

PANIK-PREM IERE

Ihr burschikoser Look verhilft Stewart 2001 zur ersten Sprechrolle: der rebellischen Samantha Jennings im Independent-Streifen „The Safety of Objects“. Bereits ein Jahr später erreicht sie als Jodie Fosters zuckerkranke Tochter im US-Thriller „Panic Room“ ein Massenpublikum. In beiden Fällen erinnert Stewart – vor allem was die Frisur betrifft – an den jungen River Phoenix.

TEXT: PAUL WILSON. ILLUSTRATION: LIE-INS AND TIGERS

KA RR IER E-K IC KSTA

KIN O-K IND

Auch wenn Stewart und Pattinson zusammen wohl keine Kinder mehr bekommen werden, wären ihre Nachkommen ziemlich sicher menschliche Wesen geworden – trotz der Kreatur halb Vampir, halb Mensch, der Bella und Edward im Film das Leben schenken. Auch in ihrer ersten Rolle nach „Twilight“, dem Drama „Cali“, geht’s für Stewart zur Sache. Die Themen im Film: vorgetäuschter Tod und Vergeltung.

RT

geschäft wächst: Im Stewarts Reputation im Film iller „Undertow“ Thr n zu Unrecht unterschätzte „Billy Elliot“von te Sei der an sie (2004) spielt Rolle in Sean ihre Für l. Hauptdarsteller Jamie Bel erntet sie 07) (20 d“ Wil the o „Int Penns Drama Stewart der der h, auc viel Kritikerlob. Penn ist es empfiehlt, die cke dwi Har ine her Cat Regisseurin eines Teenager-Fantasygerade an der Verfilmung Romans arbeitet …

KRIBB EL-KUS S

Im Haus von Catherine Hardwicke werden 2008 die „Twilight“-Rollen gecastet. Kristen Stewart spielt Bella Swan. Ein junger Mann aus England, der schon in den „Harry Potter“-Filmen mitspielte, gibt Edward, den Vampir, in den sich Bella verliebt. Stewart und dieser Robert Pattinson küssen sich, alle im Raum spüren das Kribbeln, „Twilight“ spielt seine Produktionskosten zehnfach ein: Eine Film-Saga ist geboren.

BLÖDEL-BELLA Eine Hollywood-Regel lautet: Hast du Erfolg, wirst du parodiert – höchstwahrscheinlich in einem Film von Jason Friedberg und Aaron Seltzer. Nach „Scary Movie“ und „Meet the Spartans“ dreht das Duo 2010 die Twilight-Parodie „Vampires Suck“. Statt Kristen Stewart als Bella Swan tritt Jenn Proske als Becca Crane auf. Wie sie die Rolle anlegt? „Mit tiefer Stimme sprechen und lachen – Kristen tut das nämlich nie.“

GRENZ-GANG

Vor ihrem letzten „Twilight“-Auftritt (Teil 5 kommt im November in die Kinos) spielt Stewart in der Verfilmung des Jack-Kerouac-Klassikers „On the Road“ – in manchen Einstellungen textilfrei. „Ich gehe gerne an meine Grenzen“, sagt Stewart über die Sexszenen in dem Film. Millionen männlicher Teenager (und vermutlich auch anderen) gefällt’s. Kerouacs Klassiker im Kino – Infos zur Premiere von „On the Road“ unter: www.ontheroad-themovie.com

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EINST UND JETZT

Mountainbikes Rechts die Speerspitze der Evolution, links die „blau-silberne Mauritius“ der Mountainbike-Sammler. Ein Duell zwischen Carbon-Fieber und herbem Alu-Charme.

LANG, FLACH, TIEF

Anfang der Neunziger galt: je gestreckter die Sitzposition, desto sportlicher. Viel Druck am Vorderrad, aerodynamische Position, aber schlechte Kontrolle im Gelände.

STARRGABEL

Die Federgabel wurde zwar schon 1990 erfunden, viele Cross-Country-Fahrer lehnten sie zunächst jedoch ab. Sie waren der Meinung, damit bloß Kraft zu vergeuden.

SCHALTUNG

Shimano Deore XT war State of the Art: 7 Gänge hinten, 3 Ritzel vorn bügelten jeden Berg. Der Spuk ovaler Kettenblätter („Biopace“) war gerade erst verschwunden.

MARONÉ KAMPFMASCHINE

Das Red Bull Maroné-Team mit den Racern Gerhard Zadrobilek, Ekkehard Dörschlag und Manfred Kornelson räumte auf seinen Bikes aus Peter Maronés Salzburger Edelschmiede im seit 1991 bestehenden MTB-Worldcup und bei großen Rennen wie dem Red Bull Dolomitenmann mächtig ab. Hochgezogene Kettenstreben, sportliche Sitzposition und der Nimbus des Siegers machen die Kampfmaschine heute zur blau-silbernen Mauritius für Sammler.

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Brachialkunstwerk: ultrasteifer VierkantHinterbau aus Alu. Gesamtgewicht des Bikes: 13,44 kg.

TEXT: WERNER JESSNER

1992


Gewichtsersparnis in 20 Jahren: 5,5 Kilo.

MODERAT

Man sitzt heute deutlich entspannter auf dem Bike. Breitere Lenker und kürzere Vorbauten sorgen für lebendigeres Handling.

SCHALTUNG

10 Ritzel hinten, 2 Kettenblätter vorne: Die SRAM XX hat um einen Gang weniger (!) als die alte 3 × 7-Schaltung und ist deutlich leichter.

FEDERGABEL

Die luftgefederte DT Swiss XRC 100 Race hat 10 cm Federweg, ist vom Lenker aus blockierbar und wiegt mit 1270 Gramm so viel wie eine alte Starrgabel.

BILDER: KURT KEINRATH

2012

SCOTT SCALE SL

Geschwindigkeit kommt aus Gewichtsersparnis plus Funktion: Rahmen, Federgabel, Lenker, Vorbau, Sattel, Sattelstütze, Kurbel und Felgen (!) sind aus Carbon gefertigt und jeweils auf optimale Funktion getrimmt. Scheibenbremsen und Federgabel sind auch im Cross Country längst Standard. Was das Scale in Verbindung mit einer gemütlicheren Sitzposition bergauf, aber auch bergab deutlich schneller macht als das Maroné. www.redbulldolomitenmann.com

Mit 899 Gramm gilt der Scale SL als leichtester MTB-Serienrahmen der Welt. Bike-Gewicht: 7,91 kg.

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DIE NEUE SPRACHE DES JAZZ

MATTHEW HALSALL

Trompete wird cool und Jazz sexy, sobald Matthew Halsall Luft holt. Weil er Hip-Hop und Elektronik liebt. Und weil er ein Genie ist.

Geburtsort/-datum 11. September 1983, Warrington, England Erstkontakt Als Sechsjähriger besuchte er mit seinen Eltern ein Big-BandKonzert. Danach wollte er eine Trompete. Fürs Erste gab’s aber nur ein Horn, für die Trompete war er noch zu klein. Lob Gilles Peterson über den Trompeter: „Wenn ich mich für eine britische Jazz-Band entscheiden müsste, dann wäre es ganz klar die von Matthew.“

Musiker, DJ & Labelbetreiber in Personalunion: Halsall liebt Multitasking.

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Dass ihm das Publikum folgt wie in Trance, wenn er Trompete spielt, ist keine neue Erfahrung für den 29-jährigen Matthew Halsall. Er war gerade mal 14, als er beim Wigan Youth Jazz Orchestra als Trompeter vorspielte und es dem Leiter der weltbesten Jugend-Big-Band die Sprache verschlug. Er engagierte Halsall auf der Stelle, Matthew war damals fünf Jahre jünger als sämtliche Mitglieder des Orchesters. Und die erste Konzertreise führte den Jungen, der davor kaum aus seiner Heimatstadt Manchester rausgekommen war, nach Kuala Lumpur. „Das war schon aufregend“, sagt er mit einem Lachen. Matthew ist ein Genie an der Trompete, was ihn nicht abhält, hart daran zu arbeiten, noch besser zu werden, ständig an seiner Technik zu feilen, sein Spiel zu verfeinern. „Als Musiker ist man immer unterwegs“, sagt er und lässt augenzwinkernd offen, ob er damit seine musikalische Entwicklung meint oder das kosmopolitische Leben eines absoluten Ausnahmekönners. Schließlich hat er Kontinente ebenso bereist wie verschiedenste musikalische Stilrichtungen: Er spielte in klassischen Ensembles, war in Funk-, Soul- und Reggae-Bands – nur um vor einigen Jahren in den Schoß des Jazz zurückzukehren. Er hat es sich aber dabei nicht in den Klassikern gemütlich gemacht, sondern hat seine eigene, ganz neue Sprache des Jazz entwickelt: entschleunigt, sanft und

Halsall mit seinen Markenzeichen: Arbeiterkappe und Trompete.

beseelt, melodiös, gehaltvoll, intensiv … und absolut modern. „Matthew spielt nur, was gespielt werden muss“, sagt JazzLegende Nat Birchall. „Jede Note sitzt, jeder Ton hat eine tiefere Bedeutung. Seine Musik ist sehr spirituell.“ Ein anderer Fan des Jungstars ist BBC-Radio-1-Moderator und Musik-Guru Gilles Peterson: Im Frühjahr zeichnete er Halsalls letzte Platte „On the Go“ als Jazz-Album des Jahres aus. Peterson seinerseits hat Halsall auf den Geschmack elektronischer Musik gebracht. „Mit seinen Radiosendungen und DJ-Sets hat er mir die Magie von Hip-Hop und Elektronik-Jazz eröffnet“, sagt Halsall. „Ich begann viele Schallplatten in die Richtung zu kaufen, Sachen wie Mr. Scruff und Matthew Herbert. Und irgendwann fing ich dann selbst aufzulegen an.“ Obwohl sein Herz für die Trompete schlägt, wechselt Halsall regelmäßig zwischen Konzertraum und Club, zwischen Blasinstrument und DJ-Pult. „Das hält die Ohren frisch“, sagt der Brite, den man nie ohne sein Markenzeichen trifft, die Arbeiterkappe. Aus dem Wunderkind mit der Trompete wurde ein Meister in beiden Welten – und er ist damit prädestiniert, Jazz neu zu definieren. „Das ist auch meine Vision“, sagt er. Eine Vision, der er mit dem neuen Album „Fletcher Moss Park“ einen großen Schritt näher kommt: Es ist ein orchestrales Werk mit elektronischer DNA.

„ Als JazzTrompeter hast du’s nicht leicht. Weil dich die Kids als altmodisch abstempeln. Aber ich will das ändern.“

Das neue Album zum Vorhören auf www. matthewhalsall.com

TEXT: FLORIAN OBKIRCHER. BILDER: SIMON HUNT, RICHARD KABY

Name Matthew Halsall


B U L L E VA R D

KURZ & DENNOCH EINZIGARTIG

BILDER: SVEN MARTIN, HONDA, C BAHN/USOS, JOERG MITTER/RED BULL CONTENT POOL. ILLUSTRATION: DIETMAR KAINRATH

Wo die Sieger des Monats ihre Premieren feierten.

Überraschend: Mit einer fehlerfreien Fahrt holte sich Brook MacDonald, 19 (NZL), beim MTB-Downhill in Val d’Isère seinen ersten Weltcupsieg.

Für die Geschichtsbücher. Honda-Pilot Jonathan Rea, 25, ist der erste britische Champion des prestigeträchtigen Suzuka 8 Hours in Japan.

Nicht zu stoppen. Der Australier Julian Wilson, 23, durfte sich beim Nike US Open of Surfing über den bislang wichtigsten Sieg seiner Karriere freuen.

Premierenerfolg im Red Bull X-Fighters Mekka Madrid. In einem packenden Finale verwies Levi Sherwood, 20 (NZL), Lokal matador Dany Torres auf Platz 2.

FALL



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FORMELSAMMLUNG

SPRITZTOUR

Je sauberer die Red Bull Cliff Diver eintauchen, desto mehr Punkte gibt‘s von den Kampfrichtern.

TEXT: APOLIN MARTIN. ILLUSTRATION: MANDY FISCHER. BILD: V. CURUTCHET/RED BULL CONTENT POOL

So sieht Anspannung aus: Michal Navratil (CZE) taucht beim ersten Stopp der Red Bull Cliff Diving World Series 2012 in Bonifacio, Korsika, ins Mittelmeer ein.

IDEALFALL. DAS SAGT DER PHYSIKER* Die Red Bull Cliff Diver springen aus bis zu 28 Meter Höhe – das entspricht der Höhe eines acht- bis neunstöckigen Hauses! Wie schnell prallt man da aufs Wasser? Die Geschwindigkeit errechnet sich, unter Vernachlässigung des Luftwiderstands, aus v = √2gh , wobei g die Erdbeschleunigung (9,81 m/s²) ist und h die Sprunghöhe in Metern. Das ergibt in unserem Fall saftige 23,4 m/s (etwa 84 km/h). Dieses hohe Tempo ist der Grund, warum Cliff Diver stets mit den Füßen voran eintauchen. Bei der Sprungbeurteilung kommt der Endphase eine entscheidende Bedeutung zu. Wichtig ist senkrechtes Eintauchen. Nun kommt der Drehimpuls (L) ins Spiel, das Produkt aus Trägheitsmoment (J) und Winkelgeschwindigkeit (ω), also L = Jω. Das Problem: Solange der Springer in der Luft ist, ist L konstant, er kann daher die Drehung niemals komplett abstoppen. Das Trägheitsmoment in der gestreckten Position ist jedoch rund dreimal so groß wie in der gehockten. Deshalb kann am Ende des Sprunges bei einem gehockten Salto die Drehung um den Faktor 3 verlangsamt werden: Es gilt L = Jω = 3Jω/3. Ein eins achtzig großer Springer braucht zum Eintauchen 8 Hundertstelsekunden (t = s/v = 1,8 m/23,4 m/s ≈ 0,08 s). In dieser Zeit dreht er sich kaum merkbar weiter. Um Über- und Unterdrehen zu vermeiden, ist beim Öffnen der Position jedoch perfektes Timing nötig. Damit das Wasser möglichst wenig spritzt, gilt es, bis zum Eintauchen des gesamten Körpers so wenig Energie wie möglich aufs Wasser zu übertragen. Diese Energie (E) entspricht Kraft (F) mal Weg (s). Der Weg ist die – nicht veränderbare – Körpergröße. Die übertragene Energie ist somit proportional zur Kraft (E ~ F). Diese Kraft (Wasserwiderstandskraft) entspricht FW = 0,5ρcW Av². Die Wasserdichte (ρ) ist eine Konstante, die Aufprallgeschwindigkeit (v), die ja von der Höhe abhängt, ebenso. Nimmt man vereinfacht an, dass die Geschwindigkeit während des Eintauchens konstant bleibt, gilt für die übertragene Energie E ~ cW A: Möglichst stromlinienförmiges Eintauchen hält den Strömungswiderstandskoeffizienten cW klein. Auch die Anströmfläche A muss möglichst klein gehalten werden. Beide Werte hängen teilweise voneinander ab. Nicht ganz angelegte Arme oder Überdrehen vergrößern sowohl cW als auch A – und dann spritzt es eben mehr. ERNSTFALL. DAS SAGT DER KLIPPENSPRINGER „Korrektes Eintauchen trainiere ich mit Sprüngen aus 15 Meter Höhe“, sagt Michal Navratil (CZE), Drittplatzierter der Red Bull Cliff Diving World Series 2011. „Ich springe einen Doppelsalto mit einer halben Schraube, versuche meine Position in der Luft festzustellen und meine Beine dort hinzubewegen, wo ich landen möchte.“ Die mentale Vorbereitung auf einen Wettkampfsprung beginnt Navratil am Vorabend des Bewerbs im Hotelbett: „Ich versuche mich zu entspannen und lasse den Sprung in meinem Kopf in Zeitlupe ablaufen, bis alle Bewegungen sitzen. Am besten funktioniert dieser Prozess kurz vor dem Einschlafen. Auf der Plattform selbst hast du keine Zeit mehr nachzudenken. Da musst du wissen, was du tust.“ www.redbullcliffdiving.com; www.michalnavratil.com * Mag. DDr. Martin Apolin, 47, Physiker und Sportwissenschaftler, arbeitet als AHSLehrer und Lektor an der Fakultät für Physik in Wien und ist mehrfacher Buchautor.

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B U L L E VA R D

ZAHLEN DES MONATS

RYDER CUP

Für die Spitzengolfer aus den USA und Europa zählt beim prestigeträchtigsten Teambewerb, der Ende September im Medinah Country Club nahe Chicago stattfindet, die Ehre mehr als jedes Preisgeld.

1000

Tony Jacklin

1

Billy Casper (USA) blieb bei seinen acht Ryder-Cup-Teilnahmen zwischen 1961 und 1975 (7 Siege, 1 Remis) sowie als non-playing captain 1979 ungeschlagen und erzielte mit 23½ Punkten die meisten für die USA. Trotz seiner stattlichen Erscheinung blieb der 100 Kilo schwere „Buffalo Bill“ stets im Schatten der „Big Three“ Jack Nicklaus, Arnold Palmer und Gary Player. Auf europäischer Seite ist Nick Faldo (ENG) mit elf Teilnahmen, 46 bestrittenen Matches und 25 erzielten Punkten „Mr. Ryder Cup“.

26

192

The Ryder Cup

Mit M it 26 Titeln (25 Siege, einmal reichte ein Remis reglementgemäß zur Titelverteidigung) liegt die USA gegenüber Europa/Großbritannien (12 Titel, einmal mit Remis) in Front. Zwischen 1935 und 1985 verblieb mit einer Ausnahme 1957 der Cup in den USA. Die heftigste Abfuhr erlitt der britische Kapitän Henry Cotton 1947 in Portland, Oregon, gegen das hochkarätig besetzte US-Team mit Ben Hogan und Sam Snead. Im letzten Single verhinderte Sam King (ENG) mit einem Sieg gegen Herman Keiser den „Clean Sweep“: Das 1 : 11 war dennoch ein Debakel.

8

Jack Nicklaus

1969 erlebte Golf im Zuge des Ryder Cup einen Höhepunkt sportlicher Fairness. Am letzten Grün versenkte US-Golf-Ikone Jack Nicklaus seinen Birdie-Putt. Gegner Tony Jacklin blieb ein 60-cm-Putt, um das Match in einem Remis enden zu lassen. Hätte Jacklin verfehlt, wären die USA Gesamtsieger gewesen. Nicklaus jedoch „schenkte“ Jacklin den Putt, wie es die Regeln erlauben, und besiegelte somit den finalen Endstand von 16:16. „Ich war überzeugt, dass du einlochen würdest; ich wäre aber nicht darauf vorbereitet gewesen, dich scheitern zu sehen“, flüsterte Nicklaus hinterher dem Briten zu, mit dem ihn in der Folge eine enge Freundschaft verband.

Bernhard Langer

Samuel Ryder

1991, auf Kiawah Island (South Carolina), soll der als Perfektionist geltende Bernhard Langer seinen Vierball-Partner Colin Montgomerie gefragt haben, wie weit ein im Durchmesser 15 cm messender Sprinklerkopf von der Fahne auf dem Grün erfernt sei. „192 Yards“ (ca. 176 m), habe er gesagt, erzählte der Schotte später. Nicht genau genug für den Deutschen: „Vom vorderen oder hinteren Rand des Sprinklerkopfs?“ Später versagte Langers Gründlichkeit: Er verschob den Putt zur Titelverteidigung.

18

Billy Casper

Walton Family

Beim Ryder Cup 1995 im Oak Hill Country Club schlug die große Stunde des kaum bekannten Philip Walton, dessen bestes Ergebnis bei einem Major-Turnier Platz 13 bei den British Open 1989 gewesen war. Bei seinem einzigen Ryder-CupAuftritt verlor der Ire zunächst mit Partner Ian Woosnam den „Vierer“, holte jedoch im abschließenden Einzel auf Loch 18 den siegbringenden Punkt. Im Interview gab er später zu Protokoll: „Vielleicht kennen mich die Amerikaner jetzt. Erzählt ihnen einfach, dass ich zu all den Waltons aus der Fernsehserie gehöre.“ 39. Ryder Cup, 25. – 30. September 2012, Medinah, Illinois, USA; www.rydercup.com/2012

TEXT: ULRICH CORAZZA. BILDER: SHUTTERSTOCK (2), CORBIS, GETTY IMAGES (5)

1927 fand der erste Golfvergleichskampf zwischen den USA und Großbritannien (seit 1979 spielt ein europäisches Team) statt, der seither alle zwei Jahre an wechselnden Orten ausgetragen wird. Initiiert wurde der Bewerb vom englischen Gartensamenhändler Samuel Ryder. Die von ihm gestiftete 43 cm hohe Goldtrophäe krönt eine kleine Figur, die Abe Mitchell darstellt, den Ryder seinerzeit für 1000 Pfund im Jahr als Privattrainer verpflichtete. Die Premiere versäumte Mitchell aufgrund einer Blinddarmentzündung; er holte seine Teilnahme allerdings 1929, 1931 und 1933 nach.

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ACTION

Die Geister des Windes Ihre Reisfelder zu bewässern ist den Bauern auf Bali zu wenig. Sie beschwören zur Sicherheit auch noch die Götter – mit fabelhaften fliegenden Geschöpfen. Text: Jeremy Torr, Bilder: Palani Mohan

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ACTION

Die Drachen über die Felder zu lenken bringt eine reiche Ernte – und macht Spaß.

Der

Passat frischt auf, ungefähr im Mai, und in Bali ändert sich das Wetter. Die Regenzeit geht zu Ende: Starke, trockene, saubere Winde aus dem Süden vertreiben die Regenwolken, und die Reisfelder liegen ausgedörrt und karg unter unseren Füßen. Aber oben am Himmel schaut die Welt ganz anders aus, er füllt sich mit Leben. Blau wie eine Postkarte, voller flauschiger Wolken. Vögel flitzen durch die Luft. Bambusdickichte flüstern im Wind. Doch bei allem Wohlgefühl wissen die Bauern: Sie werden bewässern müssen, um eine gute Reisernte zu bekommen. Aber hier in Bali verlassen sich die Bauern nicht aufs Bewässern allein. Sie rufen sicherheitshalber auch noch die Geister des Himmels zu Hilfe.

Shiva und die Drachen

„Ich baue Drachen und fliege sie, seit ich knapp zehn Jahre alt war“, erzählt Si Nyoman Adnyana, ein respektierter Dorfältester und lokaler Historiker: „Jetzt bin ich 77, da kommen eine Menge zusammen.“ Si Nyoman ist einer der Gründer des Bali Kite Festival. Dabei findet jedes Jahr am Pantai Padang Galak Beach im Süden Balis auch ein Wettkampf statt. Der ist mehr als ein Festival, er ist eine Hommage an den Wind, die Jahreszeiten, die Erde und die Balance der Natur, die eine gute Ernte schenken soll. „Es geht nicht nur ums Fliegen, obwohl das 30

für sich genommen gut ist“, erklärt Adnyana. „Sie sind ein Teil unserer Kultur.“ Drachenfliegen ist auf Bali eine Religion – und das ist keine Übertreibung. Die meisten Flugobjekte sind schwarz, rot und weiß und tragen Streifen, Muster oder Karos. Die Farben repräsentieren HinduGottheiten. Die Legende weiß zu berichten, dass sogar Gott Shiva das Drachenfliegen liebte. Die Drachen werden nach traditionel-


Teamarbeit.

Die Dorfgemeinschaften arbeiten monatelang, bis die Objekte fertig sind für den Transport zum „Flugplatz“. Großartig die drachenförmigen Janggaans, die mit wertvollen Masken geschmückt werden.

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Bodenpersonal.

Es bedarf dutzender kräftiger Männer und präziser Abläufe: zunächst, um die gewaltigen Flugdrachen in die Luft zu bekommen – dann, um sie zu bändigen.


ACTION

Ein Drachen misst bis zu zehn Meter und wiegt bis zu 400 Kilo. Trotzdem erhebt er sich elegant in den Himmel.

len Mustern aus Bambusstäben gebaut, mit Stoff bezogen und von Rattanbändern zusammengehalten, die im Flug trillern. Schweben die Drachen über verdorrten Feldern, so sagen die Balinesen, bringt der Klang zweier loser Rattanbänder – eines oben, eines unten – den Äckern eine Botschaft von Harmonie und Fruchtbarkeit, von der Symbiose des Geists und der Natur, von Purusha und Prakriti. Und verhilft so zu einer guten Ernte. Die Drachen über die Reisfelder zu steuern ist also mehr als ein Sport, es ist eine Feier der Erneuerung. Und populär: 50.000 Einheimische strömen jedes Jahr zum Bali Kite Festival. „Für unser Banjar, unsere Dorfgemeinschaft, hat das Festival eine große Bedeutung“, sagt Kadek Suprapta, der Organisator des schwarzgekleideten DanginpekenBanjar-Teams: „Schließt sich jemand einem Banjar an und findet heraus, dass die kein Drachenflugteam haben, geht er wahrscheinlich zu einem anderen Banjar.“ Beim Anblick des ersten Drachen wird einem klar, wie hoch das Prestige dieses Festivals ist: Das sind keine Flugdrachen mehr, denen wir in unseren Parks begegnen, das sind wahre Monster. Es dauert Monate, bis ein großer Janggaan-Drachen fertig ist. „Er kann drei bis vier Meter Spannweite haben und etwa zehn Meter lang sein. Mit dem 200 Meter langen und bis zu zwei Meter breiten Schweif wiegt er über 400 Kilogramm“, beschreibt Kadek. Zehn Teammitglieder tragen den Riesen zum Start. Der Verkehr kommt zum Erliegen, wenn das Banjar seinen Drachen zum Flugfeld überstellt. Das hat allerdings auch mit der Prozession von 70 bis 80 Banjar-Mitgliedern zu tun, die dem Drachen folgen und Gongs schlagen, Banner und Flaggen schwenken, kleinere Drachen und Opfergaben tragen. Kadek: „Letztes Jahr bauten wir einen fast zu großen: 75 Leute waren nötig, ihn zu fliegen.“

Die Macht der Maske

Multipliziert man das Danginpeken-Team mehrfach mit hundert, jedes mit einigen Drachen, und addiert man tausende von Zu33


Guter Fang.

Bei aller Religiosität und Folklore haben kleine Drachenformen auch einen ganz praktischen Nutzen. Sie werden, mit Schnur, Haken und KÜder versehen, zum Fischen verwendet.

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ACTION

Jahr ziert die Maske einen neuen Drachen und hilft, die Balance zu finden. „Die Balance ist entscheidend“, erklärt Kadek. „Die Drachenbauer sollten glücklich verheiratet und erfahren sein, damit der Drachen schnell und sicher fliegt und gut klingt.“ Das Team Danginpeken scheint einiges richtig zu machen. Made Lumbun, der Designer des Teams, ist 61 und baut die gleichen Modelle wie sein Großvater. Bislang hat er Drachen für 25 Festivals gestaltet. Seit 1956 holte sein Banjar 15 Klassensiege – eine beeindruckende Bilanz. Das Erfolgsgeheimnis? „Die Maske“, sagt Kadek ernst. „Sie gibt uns Macht, denn sie und die Verzierung unseres Drachen entspringen unserer Tradition.“

Mehr als nur ein Team

schauern, hat man jene Menschenmenge zusammen, die den Startplatz des Festivals verstopft, ein abgeerntetes Reisfeld am Strand, über dem der Wind bläst. Besonders prächtig sind die Janggaan-Drachen, geschmückt mit jeweils einer einzigartigen Maske. Sie trägt oft eine Krone aus purem Gold, wird von einem Priester gesegnet und mit rituellen Gaben bedacht, bevor sie sich in die Luft erheben darf. Jedes

Auch die Leistung der Mannschaft zählt, die aus jungen Männern, zwischen 14 und 27 Jahre alt, besteht. Sie müssen gut trainiert sein, um die großen Drachen tragen, starten und fliegen zu können. Alle sind an einheitlichen T-Shirts, passenden Udengs, den gewickelten Kopfbedeckungen, und PilotenSonnenbrillen zu erkennen. Viele tragen Gesichtstücher wie Cowboys oder schwarze Balaklavas. Das hier ist eine verschworene Mannschaft, kein Zweifel. Man könnte sie für eine Streetgang halten, wäre da nicht ihre Ehrfurcht vor dem Drachen, den anderen im Team und der Maske. Harte Kerle, aber diese Härte erwächst aus Stolz, nicht aus aggressivem Widerstand gegen die Gesellschaft. Teil der Gemeinde, der

MÄNNERSACHE

Traditionell ist das Bauen und Fliegen der Drachen in den Banjars Männersache. Die Frauen arbeiten jedoch mit: Sie stellen die kleinen Satab her, aus Bambusspänen geflochtene Blumen. An allen wichtigen Punkten des Drachens befestigt, garantieren sie Harmonie im Flug. Die Bali Kite Association veranstaltet das Bali Kite Festival am Pantai Padan Galak Beach bei Sanur an Balis Südküste übrigens jedes Jahr zu Beginn der trockenen Jahreszeit, normalerweise Ende Juli.

VIER KLASSEN

Das Bali Kite Festival kennt drei traditionelle Klassen (Bebean/Fisch, Pecukan/ Blatt und Janggaan/Drache), definiert durch den Umriss der Drachen, sowie die freie Creasi-Klasse. Die Bebean gehen hunderte von Jahren zurück. Die Pecukan symbolisieren Gut und Böse und sind am schwierigsten zu fliegen. Die großartigsten sind die Janggaan – riesig, eindrucksvoll und aus religiöser Sicht am wichtigsten. Jeder dieser Drachen trägt einen Kopfschmuck oder oft sogar eine goldene Maske im Wert von 2000 und mehr US-Dollar.

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ACTION

Die Drachen im Himmel über Bali fliegen nicht nur, sie leben.

Ruhe bewahren.

Ein Himmel, bevölkert von Drachen, verlangt nach cooler Choreographie. Andernfalls löst sich das Ergebnis monatelanger Mühe beim Absturz binnen weniger Sekunden in seine Einzelteile auf.

Kultur, des Stammes zu sein: das ist es, was die Teams dazu treibt, immer größere und eindrucksvollere Drachen zu bauen. Auch Ketut Tara ist motiviert. Er ist 22 und seit annähernd vier Jahren im Segara-Manik-Team. Ketut nimmt einen Zug von der Nelkenzigarette und lässt die Muskeln in seinem sehnigen Arm spielen. Ein unkonventioneller Typ: ein Plug im Ohrläppchen, Tattoos, ziemlich rauer Ton. Seine Loyalität zum Banjar brachte ihn zum Drachenflieger-Team. „Wir sind keine Gangster. Aber wir müssen stark sein, denn wir machen das hier, um zu gewinnen. Aber auch wenn wir nicht siegen, ist es gut. Wir sind einfach glücklich, hier zu sein“, lacht er. Ein Zugang, der für Außenseiter nicht ganz leicht zu verstehen ist. Auf Bali erlangt man Coolness nicht mit Designerkleidung, einem heißen Moped oder Tricks auf dem Skateboard. Auf Bali ist es cool, Teil eines traditionellen Festivals zu sein. Es geht um die perfekte Mischung aus Coolness und Tradition, sagt Kadek. „Technologie muss uns Fortschritt bringen, aber sie muss auch helfen, unsere Kultur zu entwickeln“, sagt er. „In diesem Fall heißt das: größere, bessere, siegfähige Kites.“ Die Spannung wächst. Die für die Leinen Zuständigen ziehen an die 400 Meter davon über das trockene Reisfeld, schlängeln sich zwischen anderen Teams durch, über Kanäle, an Essensständen und hunderten Zuschauern vorbei – sogar über die Mauer zum Meer. Die Starter kauern unterdessen wie gespannte Federn unter dem Drachen und erwarten das Zeichen des Teamleaders. Gar nicht einfach, den richtigen Moment zu erwischen – vielleicht ist ein anderer Kite im Weg, vielleicht kommt ein Scherwind auf, vielleicht steht jemand auf dem Schweif. Das 37


ACTION

WILDE TIERE

Balinesische Drachen werden nach Aussehen, der Umsetzung traditioneller Baukunst, ihren Flugeigenschaften und ihrem Ton beurteilt. Ein Komitee von Preisrichtern bestimmt den Sieger, oft nach tagelangen Beratungen. Anders geht es bei Drachenkämpfen in Pakistan, Myanmar, Vietnam, Indien und einigen Gegenden Thailands zu: Hier gewinnt, wer zuletzt in der Luft ist. Oft sind etliche Drachen gleichzeitig oben, die Halteleinen mit Glassplittern bewehrt, um die Leine des Gegners im Sturzflug zu kappen oder dessen Segelfläche zu zerfetzen. Beliebte „Waffen“ sind kleine Enterhaken oder scharfe Metallleinen. Gekämpft wird, bis der Verlierer zur Erde taumelt – geschlagen in einem gnadenlosen Spiel.

Alt und neu

Klangwolke.

Am Ende des Fests feiern alle, die Sieger am meisten: Bewertet werden neben Form und Flugverhalten auch die Töne, die der Drache in lichten Höhen von sich gibt.

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Technologie kann auch heißen: Wie baut man den besseren Drachen?

teameigene Gamelan-Gong-Orchester steigert die Musik bis zur Raserei, der Kommentator schreit Ermutigungen, und dann katapultiert das Team den Kite in die Luft. Der taumelt zuerst, eine Brise drückt ihn zur Seite. Dann strafft sich die Leine mit einem Knall und das riesige Etwas aus Stoff und Bambus erhebt sich in die Luft. Rauer Jubel brandet auf, der Drachen steigt weiter, das Team ist längst ein einziger Freudenschrei.

Balis Drachen fliegen nicht nur, sie leben. Die elastischen Bänder machen jede Bewegung mit, die Bambusstreben verbiegen sich im Wind, verändern Umriss und Profil. Es summt und schwirrt, die Schweife schlenkern spielerisch hin und her, während die Teams an den Leinen schwitzen, um mehr Höhe zu gewinnen als die Gegner. Bisweilen verhaken sich zwei Riesen, es gibt Abstürze und Verletzte: Bei 1200 Startern an den drei Tagen gehört das dazu. Für Bali ist das Festival ein wesentlicher Teil seiner Kultur. Kadek: „Wenn wir im Banjar zusammenkommen, um den Drachen zu bauen, sprechen und arbeiten wir miteinander. Wir bedienen uns traditioneller Fertigkeiten und wissen: Wir gehören zusammen.“ So stark die Tradition ist: Sie bestimmt das Leben nicht allein. Ein Teammitglied sagt das so: „Ich bete jeden Tag im Tempel. Aber ich gehe auch jedes Wochenende in den Nightclub, um Spaß zu haben.“ Es sieht ganz so aus, als beherrschten die Drachenflieger von Bali die Kunst, Purusha und Prakriti in Balance zu bringen, perfekt. www.balikitefestival.com


* Apple, the Apple logo, iPhone, and iPod touch are trademarks of Apple Inc., registered in the U.S. and other countries. iPad is a trademark of Apple Inc. App Store is a service mark of Apple Inc. ** Gültig bis 22. Oktober 2012 nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Es gelten die Teilnahmebedingungen auf www.redbullxfighters.com/gamespecial. Keine Barauszahlung möglich. Verloren gegangene oder gestohlene Codes werden nicht ersetzt. Soweit gesetzlich zulässig übernimmt die Red Bull Media House GmbH keine Gewährleistung für die Codes.


ACTION

CRO

„Ich glaube an … Pandabären!“ Warum Massenhysterie-Verursacher Cro eine Bärenmaske trägt. Und was sich dahinter verbirgt. Text: Manuel Kurzmann, Bilder: Norman Konrad Der Mann, der Stuttgart zurück auf die Rap-Landkarte brachte, rollt per Skateboard zum Interviewtermin heran, ein kurzes „Hallo, ich bin Carlo (Cros bürgerlicher Name: Carlo Waibel; Anm.), sorry für die Verspätung“, dann pflanzt er sich auf die Couch. So sieht er also aus, der zwanzigjährige Über-Nacht-Superstar: dunkelbraune Augen, Kurzhaarschnitt, Dauerlächeln, ein paar Bartstoppel, Shorts, Sneakers und ein graues T-Shirt. Fotografieren dürfen wir ihn so aber nicht, macht sein Manager klar, vor der Linse gibt’s Cro nur mit Pandamaske. So kennen ihn die Fans, und bei diesem Versteckspiel soll es auch bleiben. Ein Typ, Marke knuddelsüßer Bär, rappt über sonnige Tage im Park als Gegengift zu Möchtegern-Gangsta-Rappern, die Kids von einem Ghettoleben vorlabern, das sie nicht führen. Für seine Debüt-Single „Easy“ kassierte Cro die Goldene Schallplatte, sein im Juli erschienenes Album „Raop“ belegte auf Anhieb Platz eins in den deutschen und österreichischen Charts.  : Nervt es dich, dass dieser Panda-Typ die ganze Bewunderung einheimst und keiner dein Gesicht kennt? : Mein Privatleben ist mir zu wichtig, um es aufzugeben – ohne diese Dosis Normalität könnte ich nicht überleben. Mir klatscht der Erfolg im Moment voll in die Fresse. Das kam alles völlig überraschend, vor allem für mich. Sobald die Maske weg ist, bin ich ja immer noch derselbe: der Carlo aus Stuttgart, der gerne mit seinen Leuten abhängt. Dein Rap-Kollege Sido wurde, lange vor dir, auch dank seiner Totenkopfmaske berühmt. Die meisten Leute sehen mich als eigen40

ständigen Künstler und nicht als einen Typen, der versucht, Sido nachzumachen. Ich würde schon mal gerne mit ihm quatschen – vielleicht kann er mir ein paar Tipps geben. Gewisse Hardliner meinen ja, deine Musik hätte nichts mit Hip-Hop zu tun. Ich sage ja auch, dass meine Musik kein

Rappt über sonnige Tage im Park statt über Drugs, Crime ’n’ Ghetto: Cro auf der Bühne

Hip-Hop ist. Ich mische Rap und Pop, mache also „Raop“. Warum soll ich außerdem über Dinge wie Drogen texten, wenn ich im wirklichen Leben keine nehme? Meine Mucke kannst du Mama zeigen, und sie wird auch mitswingen. Was sagen deine Eltern zu deiner Berufswahl? Bei Papa hat es eine Weile gedauert, bis er mit der Sache warm wurde, aber jetzt

findet er es auch cool. Meine Mutter meinte immer: „Mach einfach dein Ding, Junge.“ Ich denke, sie sehen das alles ganz entspannt, weil ich eine abgeschlossene Ausbildung als Mediendesigner habe und auch ohne Musik ganz gut über die Runden kommen würde. Du zeichnest ja auch Cartoons und hast ein eigenes Modelabel. Bleibt dafür noch Zeit? Derzeit ist es gerade schwierig, ich kritzle nur hin und wieder was im Bus oder in Hotels. Oder bastle, wie jetzt gerade. Ich meine: Ich reise herum, mache Musik, chille dazwischen ein bisschen und nenne es Arbeit. Besser geht’s nicht. Was machst du, wenn du nicht gerade ein Rockstarleben führst? Aufstehen um neun, weil die Sonne mich küsst, draußen sind 30 Grad. Ich schnapp alle Kumpels, und wir fahren an den See. Abends geht’s auf ’ne Homeparty – dann fall ich ins Bett und weiß: Der morgige Tag wird genauso genial. Wirkt das umgedrehte Kreuz auf deiner Pandamaske in diesem Sonnenscheinbild nicht störend? Wieso, sieht doch cool aus! Also kein Hinweis auf deine religiösen Ansichten? Ich bin weder gläubig noch Antichrist. Irgendeine höhere Macht wird es schon geben, aber ich nenne sie nicht Gott oder Allah. Ich glaube an … Pandabären (lacht). Das sind lockere Tiere, die immer gut drauf sind. … und vom Aussterben bedroht. Das ist schade. Vielleicht versteigere ich meine erste Pandamaske und spende das Geld dem WWF. Oder ich übernehme eine Patenschaft in irgendeinem Zoo, wer weiß. www.cromusik.info


Dieser Mann löst in Deutschland Massenhysterien aus, kassiert Goldene Schallplatten und ist – hinter der Maske – „der Carlo aus Stuttgart, der gerne mit seinen Leuten abhängt“.


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DIEWellen

JÄGER Surfer, Meteorologen und ein ganzes Filmteam erforschen Stürme und Strömungen quer über die Ozeane. Ihr Ziel: das spektakulärste Big-Wave-Material der Welt zu filmen. Text: Josh Rakic, Bilder: Rod Owen

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Ganz der Vater: Big-Wave-Surfer Ross Clarke-Jones zieht seinen Sohn Kanan (schemenhaft links hinter dem Jet-Ski zu erkennen) in dessen allererste große Welle. Schauplatz: ein berüchtigter Break vor der Südküste von New South Wales, Australien.


ACTION

ÜBER MEER

das

Tasmanische

rast der Wind mit bis zu 280 Kilometern pro Stunde, die Wellen bäumen sich bis zu 20 Meter hoch auf. Nach den Messungen des Big-Wave-Meteorologen Ben Matson tobt da draußen gerade dieselbe Menge Energie wie jene, mit der der Hurrikan „Katrina“ 2005 gegen die Golfküste der USA krachte. „Das ist unser Swell“, sagt Matson – eine Dünung, deren enorme Power für Riesenwellen sorgen wird. Und das bedeutet grünes Licht für die Crew der Filmdokumentation „Storm Surfers“. Das Team wird vor der Südküste von New South Wales stationiert, etwa 930 Kilometer nördlich der Zyklonwinde und Riesenwellen. Der Job von Ben Matson besteht aus zwei Teilen. Der einfachere ist es, extreme Surf-Bedingungen aufzuspüren. Der schwierigere: zu entscheiden, ob sie potentiell tödlich sind oder nicht. „Vor Tasmanien“, erklärt er, „gibt es die größten Wellen, aber sie sind zu groß zum Surfen. Wir wären zwar bereit, haben JetSkis und alles, was man braucht, aber der Orkan macht es unmöglich loszulegen. Wir können nicht einfach dumm herumsitzen und nichts tun. Also gehen wir zu Plan B über.“ „Das ist wie eine Expedition ins Hochgebirge“, fährt der Meteorologe fort. „Wir haben unser Equipment mit Jet-Skis in Westaustralien, Tasmanien und New South Wales gelagert. An jedem Standort wartet eine Crew nur auf das Go. Ich bin ziemlich sicher, dass wir hier noch einen ziemlichen Swell kriegen werden.“ Sollte die erwartete Dünung doch nicht kommen, ist es Matsons Verantwortung: Bei den Arbeiten an „Storm Surfers 3D“, der jüngsten Dokumentation des Teams, verursachte jeder durch falsche Wetterprognosen verlorene Tag zusätzliche Kosten von 50.000 Dollar. An der nahen Bootsrampe haben sich 21 Crew-Mitglieder versammelt und bereiten ganze Waggonladungen von Filmund Surf-Equipment auf den Einsatz vor. „Dieser Swell ist Ergebnis einer Wetter44

„Storm Surfers 3D“-Co-Regisseur Justin McMillan (re.) und die Crew-Mitglieder als Location-Scouts.

lage, die sich vor ungefähr einer Woche abgezeichnet hat“, erzählt Matson. „Als in den Australischen Alpen Schnee zu fallen begann, habe ich mich mit der Prognose festgelegt. Es stimmt, es kommt jetzt so ziemlich allein auf mich an, das ist eine Menge Verantwortung. Das zehrt schon an den Nerven.“ Es ist 4.30 Uhr morgens, stockfinster und eiskalt. Die Crew der „Storm Surfers“ befindet sich am Strand des Murramarang-Naturreservats in South Durras, New South Wales. Während Matson an seinem Frühstückstisch die letzten Daten der Wellen auf seinem iPhone analysiert, unterhalten sich die Surfer-Legende Ross Clarke-Jones und der zweifache ASPSurf-Weltmeister Tom Carroll. Die beiden sind mittlerweile 46 und 50 Jahre alt und haben größere Angst vor dem Ruhestand als davor, von einer Monsterwelle dahingerafft zu werden. Clarke-Jones und Carroll sind seit 25 Jahren so eng miteinander befreundet,

wie man nur befreundet sein kann. Sie haben sogar schon etwas von einem alten Ehepaar: Während sie an der Bootsrampe auf ihre Jet-Skis warten, streiten sie tatsächlich darüber, wessen Surfbretter wohl im Wagen Platz haben. Sollte jemals jemand auf die Idee kommen, eine Kreuzung von „Ein verrücktes Paar“ und „Tag der Entscheidung“ (1978; der Film handelt vom Heranwachsen dreier surfender Kalifornier; Anm.) zu drehen, wären diese Jungs die Idealbesetzung der Hauptrollen. „Wir wissen, dass uns jeder für verrückt hält. Und wir gehen uns auch gegenseitig auf den Wecker“, sagt Clarke-Jones mit diesem für ihn so typischen Grinsen. „Ich nerve ihn ständig wegen seines schlechten Fahrstils und so. Aber das ist einfach eine australische Freundschaft, wir meinen das nicht so ernst. Es gab natürlich auch Zeiten, in denen wir uns angeschrien haben, es sogar körperlich wurde. Aber so ist das Leben, Freunde machen das durch. Ich liebe ihn. Und wir haben ja auch eine Menge gemeinsam durchgemacht. Die Rivalität auf der ProTour, allerhand Geschäftskram, Scheidungen, Jobs, Vater werden, das alles. Es ist cool, dass wir immer noch surfen und wie zwei kleine Kinder sind. Das macht Spaß, und ich denke, das ist es auch, was uns jung hält.“ Carroll und Clarke-Jones sind seit den Dreharbeiten zur Surfer-Komödie „Mad Wax“ im Jahr 1987 unzertrennlich. Carroll, schon damals ein Idol des Surfsports, schleuste Clarke-Jones bei diesem Film ein. Carroll beendete seine Surf-Laufbahn im Jahr 1993 und blieb der Szene aus familiären Gründen fast ein Jahrzehnt fern. Clarke-Jones hingegen hat die Welt der großen Wellen nie verlassen. Er war ein Pionier der sogenannten Tow-in-Revolution der späten 1990er, als Surfer begannen, sich und andere per Jet-Ski in die großen Wellen zu ziehen. „Storm Surfers“ war Clarke-Jones’ Chance, sich für den damaligen Gefallen zu revanchieren und mit seinem Freund wieder zusammenzukommen. Im Jahr 2005 produzierten Regisseur Justin McMillan und Autor Chris Nelius mit „The Sixth Element“ eine Dokumentation mit und über Clarke-Jones. Ein Jahr später erweiterte sich das Trio um Carroll zum Quartett und drehte den Big-WaveFilm „Red Bull Tai Fu“. Mit Matson und seinen szenebekannten Fähigkeiten, Monsterwellen vorherzusagen, waren die „Storm Surfers“ geboren, eine Gruppe mit einer klaren Mission: die größten noch nicht gesurften Wellen rund um den Globus zu jagen, während andere nur warten und hoffen, dass sie kommen.


„Billabong XXL Big Wave Award“-Gewinnerin Maya Gabeira richtet ihre Finnen ein (oben). Kanan Clarke-Jones sieht sich an, was ihn erwartet.

Oben: Die einheimischen Surfer Paul Morgan und Brett Burcher machen sich bereit für die Big-Wave-Session. Unten: Gabeira steht schon um sechs Uhr morgens im Mittelpunkt.

Unten: die Crew bei Vorbereitungen auf den Dreh am Reef Break in New South Wales, Australien.


ACTION

2008 feierte „Storm Surfers, Dangerous Banks“ sein Debüt am Discovery Channel. Zwei Jahre später folgte „Storm Surfers: Neuseeland“; „Storm Surfers 3D“ wird noch in diesem Jahr in die Kinos kommen. Clarke-Jones plant allerdings schon weiter. „Was treibt mich in diesem Alter an, so was zu machen? Moment: Alter? Ich fühle mich noch immer wie ein Kind, und ich bekomme einfach immer noch einen Kick davon“, sagt er. „Ich liebe das Abenteuer. Die Wellen machen mir keine Angst. Angst macht mir, es irgendwann nicht mehr tun zu können. Es ist ein aufregendes Gefühl der Vollkommenheit, nachdem man auf einer Welle geritten ist. Ich liebe Dinge, die mich in Aufregung versetzen. Und große Wellen schaffen das. Es macht mir keine Angst, im Gegenteil, ich liebe es. Es macht mir auch nichts aus, eine Weile unter Wasser zu sein. Nach 25 Jahren ist es dort unten wie ein zweites Zuhause.“

An

der Bootsauffahrt ist mittlerweile alles an Bord

geladen, unter anderem zwei 3-D-Kameras im Wert von je 150.000 Dollar. Die Crew macht sich auf den Weg zu ihrem Ziel – einem Reef Break, das ungefähr eine Meile vor dem Basislager an der Küste in New South Wales wie aus dem Nichts entspringt. Die exakte Position des Surfspots ist ein gut gehütetes Geheimnis. Er ist berühmt dafür, echte „Bomben“ zu produzieren, riesige Wellen, die beim Auftreffen am Riff buchstäblich aus dem Inneren heraus explodieren. „Bricht eine große Welle in sich zusammen, klingt das wie eine 747“, erzählt ein aufgeregter Clarke-Jones an Deck. „Ich bin zwar noch nie hinter einem Jet gestanden, aber du kennst doch das Gefühl, wenn du in der Nähe eines Flughafens bist. Dann wirst du einfach ausgespuckt. Du wirst einfach rausgeworfen. Derart riesige Wellen sind innen drin wie ein großer Spiegel. Alles leuchtet, und überall reflektiert es.“ Die auf der Anfahrt schon fast greifbare Spannung kehrt sich schnell in Enttäuschung um, als die größten Wellen des Breaks gerade mal eine Höhe von drei Metern erreichen. Der Lärm des Ozeans ist ohrenbetäubend, aber die Crew ist ganz still. Für Carroll, Clarke-Jones und Surferin Maya Gabeira, die extra aus Los Angeles angereist ist, sind die Wellen einfach nicht groß genug. Clarke-Jones ist ratlos. Er weiß, dass die Wellen unten an der Küste um ein Vielfaches größer sind, aber er kann jetzt nicht einfach abhauen. Es ist schließlich kein Soloprojekt. „Ich halte es nicht aus, wenn ich weiß, dass es

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Safety first: Der Rettungswesten-Prototyp von Surf-Weltmeister Tom Carroll ist zu schnell aufgegangen. Er nennt ihn „Pamela Anderson“.

woanders größere Wellen gibt und ich hier festsitze“, ist er fast zornig auf den Ozean. „Ich will zu den großen Wellen, ich weiß, dass sie ganz nah sind. Aber ich kann nichts machen. Das frustriert mich wahnsinnig, ehrlich. Es fühlt sich an, als wäre ich eingesperrt. Dafür lebe ich, das ist nervenaufreibend. Aber du kannst in diesen Situationen nicht nur an dich denken. Hier ist eine 20-köpfige Crew. Sie alle leiden. Das ist eben schwer.“ Clarke-Jones’ 14-jähriger Sohn Kanan ist dagegen erleichtert. Er kann sein Debüt bei den „Storm Surfers“ unter „sicheren“ Bedingungen geben. Kameramänner und Produzenten versuchen trotzdem das Beste herauszuholen, indem sie wie wild in der Gefahrenzone hin und her rennen. „Natürlich würden wir es lieber sehen, wenn die Jungs jeden Tag auf sechs Meter hohen Wellen reiten. Aber letztendlich


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Wie Monsterwellen entstehen Im Prinzip sind große Wellen das Resultat großer Winde: Sturmwetterlagen bauen Spannungen zwischen Wind und Wasser auf. „Die größten surfbaren Wellen der Welt findet man meistens an westwärts gerichteten Küstenlinien“, sagt StormSurfers-Meteorologe Ben Matson. „Das liegt daran, dass Wettersysteme in den größten Meeresbecken der Welt – dem Indischen Ozean, Pazifik und Atlantik – generell von West nach Ost ziehen und dabei enorme Luftmassen in Bewegung setzen, die ihrerseits ‚Swells‘ auslösen. So was nennt man dann einen ,Fetch‘.“ Entscheidend für die Größe der Wellen sind Riffe und Sand, die sich dem Swell, der Dünung, als Widerstand entgegenstellen und Wellen aufwerfen. Aber die drei wichtigsten Faktoren, die

Monsterwellen an den idealen Stellen entstehen lassen, sind die Windgeschwindigkeit sowie die Zeitspanne und die Distanz, die der Wind über den Ozean gezogen ist. „Die meisten der ganz großen Swells sind nicht surfbar“, erzählt Matson, „weil sie oft von starken Seewinden begleitet werden, die die Oberfläche aufwühlen. Big-Wave-Surfer brauchen viel Geduld, wenn sie auf die idealen Bedingungen an ihren Lieblings-Breaks warten. Man wartet Monate, manchmal sogar Jahre, ehe die perfekte Kombination aus Wellengang, Wind, Gezeiten und Wetter zusammentrifft. Erst wenn die ‚weitgereisten‘ Wellen endlich die Küste oder das Riff treffen, sich zu verlangsamen anfangen und an Höhe gewinnen, sind sie zum Surfen geeignet.“

Das Riff in New South Wales kann Wellenwände von bis zu sechs Meter Höhe und mehr aufwerfen. Tom Carroll hat eine große Welle erwischt (oben).

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Die tödlichsten

BREAKS DER WELT

Kanan Clarke-Jones macht auf seiner ersten großen Welle gute Figur.

sind die Geschichte und die Charaktere der Schlüssel“, sagt Co-Regisseur McMillan. „In dieser Doku, ‚Der gefährlichste Job Alaskas‘, ziehen sie auch nicht immer einen vollen Topf mit Fischen hoch. Eigentlich tun sie das in den seltensten Fällen. Aber gerade das macht es interessant, das macht es menschlich. So etwas gibt der Geschichte einfach Farbe.“ Durchnässt, durchgefroren und niedergeschlagen kehrt Carroll zum Boot zurück, nachdem er den Break mit seinem Jet-Ski persönlich inspiziert hat. Auch ClarkeJones ist deprimiert, aber muntert seinen Kumpel scherzhaft mit der Bemerkung auf, dass er sich glücklich schätzen soll, Es gibt nur wenige Dinge, die einen 3-D-Wasserüberhaupt auf einem Jet-Ski sitzen zu Kameramann so begeistern wie die Aufnahme können. Vergangene Woche hätte Carroll eines gewaltigen Abgangs. Gratulation, Dean Cropp! schließlich sie beide in Westaustralien fast umgebracht. Der Fehler, der beinahe töd„Nein, du bist einfach ein Verrückter“, lich ausgegangen wäre, passierte in Cow unterbricht Clarke-Jones. „Er hätte mich Bombie, einem der berüchtigtsten Bigecht umbringen können. Das Ding steuerWave-Breaks Australiens. Bei gewaltigem te genau auf meinen Kopf zu. Aber dann Wellengang und heulendem Wind zog klammerte er sich zum Glück daran fest. Carroll seinen besten Freund mit einem Die meisten wären wohl abgesprungen, Jet-Ski in eine Monsterwelle, die exploaber er ist ein Freund und hat versucht, dierte und Carroll und seinen 600 Kilodie Maschine von mir wegzusteuern.“ gramm schweren Jet-Ski zurück in die „Zu seiner Verteidigung muss man Welle sog. Die beiden Männer und die aber auch sagen“, fährt Clarke-Jones fort, Maschine stürzten über den viereinhalb „dass man auf dem Jet-Ski richtig viel um Meter hohen Wasserfall, und beinahe die Ohren hat, allein schon die Kamerahätte der Jet-Ski sie unter sich begraben. linse sauber zu halten, mit den anderen Die Crew rechnete schon mit dem Leuten im Team zu kommunizieren, wähSchlimmsten. Carroll muss sich deswegen rend du den Helm aufhast. Damit hat immer noch einiges anhören. jeder zu tun, überhaupt Tom.“ Clarke„Ross streut gern Salz in die Wunden, Jones lächelt seinen besten Freund an, aber das bin ich gewohnt“, schmunzelt der erwidert das Lächeln. Carroll. „Seine ersten Worte danach waDas ganze Team weiß, dass Filmmateren so was wie ‚Was zur Hölle ist dir denn rial sich am besten verkauft, wenn darin da eingefallen?!‘. Uh, es hätte wirklich der Kampf von Menschen um ihr Leben schrecklich ausgehen können. Das hat zu sehen ist. Deshalb wird die Szene auch mich irgendwie aufgeweckt. Schon in der in den Film hineingeschnitten. „Das ist Schule stand in meinen Zeugnissen: ‚Carwie beim Autorennen. Wenn einer plattroll ist ein Tagträumer.‘ Und das war ich gemacht wird, wollen das die Leute sehen“, immer schon, mein ganzes Leben lang.“ sagt Clarke-Jones. „Als Rennfahrer oder 48

WAIMEA, HAWAII Die Mutter aller Big-Wave-Breaks zeigt sich nur alle paar Jahre. Aber dann produziert sie Wellen von über 18 Metern, und das keine 100 Meter von der Küste entfernt. Wenn die Wellen eine Höhe von acht Metern erreichen, veranstaltet Waimea das Eddie Aikau Big Wave Invitational, einen der prestigeträchtigsten SurfBewerbe der Welt. MAVERICKS, KALIFORNIEN Der berühmteste Break der Westküste, der für seine Größe (7 bis 15 Meter) und Power, die Monster-Felsblöcke und die sogar noch größeren Weißen Haie, die im Wasser lauern, bekannt ist – ein potentiell tödlicher Mix. TEAHUPO’O, TAHITI Der Swell trifft 800 Meter vor der Küste auf ein nur einen Meter unter der Wasseroberfläche liegendes messerscharfes Riff. Die meist nur drei Meter hohen Wellen mögen diesen Break nicht so bedrohlich wirken lassen wie andere, aber was ihm an Höhe fehlen mag, macht er durch brachiale Gewalt und Power mehr als wett. BANZAI PIPELINE, HAWAII Banzai forderte mehr Menschenleben als alle anderen Surf-Breaks der Welt gemeinsam. Etwa 25 Surfer haben hier ihr Leben gelassen, allein fünf in den letzten sieben Jahren. Wenn es ernst wird, erreichen die Wellen Höhen von bis zu sechs Metern. DUNGEONS, KAPSTADT, SÜDAFRIKA Die 25-Fuß-(7½-m-)Monster sind am Austragungsort des Red Bull Big Wave Africa nur mit einem Boot erreichbar. Surfern kann es passieren, dass sie nach einem Wipe-out über eine Minute lang im eiskalten, von Haien wimmelnden Wasser gefangen sind.

Surfer willst du natürlich nicht crashen, aber es ist einfach so: Das ist es, was die Leute sehen wollen. Ein Crash liefert gute Bilder, und ein Crash in 3-D wird sehr gute Bilder liefern.“ Und so kommt das Grinsen zurück in Clarke-Jones’ Gesicht und wird zu einem Lachen. „Storm Surfers 3D“ feiert seine Premiere beim Toronto International Film Festival. Den Trailer gibt es bei: www.redbull.com/stormsurfers


6.OKT.

2012

3xRUDERN 3xRUDERN3xLAUFEN 3xLAUFEN ZUGERSEE & VIERWALDSTÄTTERSEE 27 KM, 9 FREUNDE, 6 ETAPPEN, 2 SEEN, 3 LANDSTRECKEN & 1 BOOT.

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Nick Hook (links) mit seiner Cubic-ZirconiaBandkollegin Tiombe Lockhart und dem Electro-Soul-S채nger Jesse Boykins.


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„ Jeder Spaziergang hier ist inspirierender als ein ganzes Leben anderswo“

S O SC HAFFST DU’S

I N NEW YORK Musiker träumen. Der Big Apple ist der Ort, von dem zte Möglichkeiten Er bietet jungen Talenten unbegren an die Schläfe. und hält ihnen gleichzeitig die Pistole se läuft – in der Stadt, Drei Künstler erzählen, wie der Ha die niemals schläft. Text: Cor tney Harding, Bilder: Mik

o Lim

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ick Hook hat’s eilig. Flink schlängelt er sich auf dem Fahrrad zwischen hupenden Autos durch. Er wechselt auf den Gehsteig und stoppt unvermittelt vor einem Sandwich-Laden. Die Bremsen quietschen, das Hinterrad hebt vom Boden ab. Es ist früh am Morgen, doch der 33-Jährige hat schon einen 5-KilometerLauf und eine Pilates-Stunde hinter sich. Jetzt wird kurz gefrühstückt. Während die Kellnerin ihm einen Espresso zubereitet, erzählt er von seinen Tagesplänen. In einem Tempo, das Eddie Murphy vor Neid verstummen lassen würde. Mit einem Schwung, den man so nur in einer Stadt findet: in New York. „Ich muss mein Solo-Album schnell fertigkriegen. Aber ich brauch noch einen Namen dafür“, sagt er, zückt sein Smartphone und jagt einen Aufruf per Twitter raus: „Vorschläge für einen Plattentitel?“ „Außerdem muss der neue Track für Azealia Banks heute fertig werden“, sagt er und kippt den Kaffee auf einen Sitz am Tresen runter. Vor einem Jahr entdeckte er die junge Rapperin aus Harlem und nahm ein Stück mit ihr auf. „212“ hieß es und verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Internet. Der akustische Molotowcocktail aus aufgekratztem Electro-House und Hip-Hop bescherte Banks den großen Durchbruch und 52

machte sie zur angesagtesten Jungmusikerin der Stunde. Mit dem Geld, das dabei für Hook abgefallen ist, baut er gerade sein Tonstudio aus. Genau dorthin machen wir uns jetzt auf den Weg. Ein altes Industriegebäude in Brooklyn. Große, staubige Fenster, bröckelnder Verputz. Hook jagt die rauen Betonstiegen hinauf. „Sorry, das Studio ist immer noch eine Baustelle“, sagt er. Seine Stimme hallt durch den Schacht. Im fünften Stock liegt sein Loft. Analoge Synthesizer türmen sich rund um seinen Arbeitstisch, ein riesiges Mischpult ist mit dem Computer verbunden. Er fährt ihn hoch. Am Bildschirm erscheint ein grauer Bildschirm mit bunten Balken: die DNA seiner neuesten Indie-Dance-Nummer „Villa“. Nach zwei Stunden konzentriertem Kopfwippen am Monitor legt Hook die Kopfhörer ab und eine Pause ein. Rauf aufs Dach! Die Sommersonne brennt, die Hitze ist kaum auszuhalten. Dafür ist der Ausblick auf Manhattan unglaublich. „Ich möchte nirgendwo anders leben“, sagt er. „Ich war gerade in Los Angeles. Es war toll, aber dort geht alles so schleppend voran. Es nervt, dass man dort ewig braucht, um von A nach B zu kommen. In New York schwingst du dich aufs Rad oder setzt dich in die U-Bahn. Und bist in weniger als 20 Minuten fast überall.“ New York – die Stadt der Träume. Vor allem für Musiker. DJs, Rapper,

Nick Hook (li.) musste lange nebenbei kellnern, um als Musiker in New York zu überleben. Tiombe Lockhart (Mitte) schlug sich als Sekretärin durch. Jesse Boykins jobbte als Nachtportier, ehe ihm der Durchbruch gelang.


„ICH LIEBE die Wucht dieser Stadt. Du musst dich durchschlagen, du musst dich ihrem Tempo anpassen.“

Songschreiber, Studio-Artists. In keiner anderen Metropole auf diesem Planeten findest du mehr Glücksritter, die für ihre Leidenschaft kämpfen. Hunderte Konzertorte und Clubs sind über die gesamte Stadt verteilt. Legendäre, altehrwürdige Spielstätten wie der Madison Square Garden, wo Stars von den Rolling Stones bis Rihanna absteigen. Auf der anderen Seite: marode Kellerlokale, zum Beispiel das 285 Kent, wo man junge Bands vor deren großem Durchbruch im kleinen Kreis live erleben kann. In New York kannst du wählerisch sein: Du brauchst einen Schlagzeuger

oder Background-Sänger, um dein Album aufzunehmen? Kein Problem. Wenn du auf der Suche nach einem Vertrag bist, hast du alle wichtigen Plattenfirmen – große wie kleine – im Umkreis weniger Quadratkilometer versammelt. Und mehr noch: Wenn du deine Platte bewerben willst, kannst du alle wichtigen Musikmagazine an einem Nachmittag abklappern. Und am Ende hast du dann immer noch Zeit, um dich auf einen Soy Latte mit den hippen Musik-Bloggern in Brooklyn zu treffen. „Ich liebe die Wucht dieser Stadt“, sagt Tiombe Lockhart. „Du musst dich durch53


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schlagen, du musst dich dem Tempo anpassen“, sagt sie. „Trotzdem könnte meine Kunst nirgendwo anders entstehen. Ich lebe im dominikanischen Viertel. Jeder Spaziergang hier ist inspirierender als ein ganzes Leben anderswo.“ Lockhart wuchs in Atlanta auf. Bereits im Kinderchor entdeckte man ihr Talent. Nach der Schule ging’s nach New York, um Jazz zu studieren. Kurz darauf bekam sie schon einen Plattenvertrag. Die Zeichen standen auf Karriere, da wurde sie von einem Tag auf den anderen entlassen.

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einahe hätte ich meinen Musik-Traum aufgegeben“, sagt sie. „Ich wechselte in die Investmentbranche und arbeitete als Sekretärin. Die sagten, aus mir könne eine gute Bankerin werden.“ Doch Tiombes Mutter ließ nicht locker. „Meine Mum ermutigte mich. Ich traf einen Produzenten nach dem anderen. Meistens wollten die nur, dass ich für sie singe. Ich nahm mit Hip-Hop-Künstlern wie den Platinum Pied Pipers auf, ich war auf dem Cover des Musikmagazins ‚XLR8R‘. Aber das fühlte sich alles nicht richtig an.“ Eines Nachts landete sie in einer japanischen Bar. Hinterm Tresen: Nick Hook, der dort als Kellner jobbte. Die zwei verstanden sich auf Anhieb und gründeten

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noch in der gleichen Nacht eine Band: Cubic Zirconia. Von da an ging’s bergauf. New York verlangt seinen Bewohnern einiges ab. In einer Stadt, in der selbst Investmentbanker auf wenigen Quadratmetern hausen, haben es Musiker doppelt schwer. Geld für die Miete, Kohle, um die Stromrechnung des Proberaums zu bezahlen – im Big Apple sind selbst erfolgreiche Bands mit derartigen Ängsten konfrontiert. Denn der Moloch zeigt sich oft launisch: Viele Künstler verschwinden schneller wieder, als sie aufgestiegen sind. Hook erlebte das am eigenen Leib. Als Jugendlicher spielte er Gitarre in einigen Highschool-Bands. Bis ihn ein Freund auf elektronische Musik brachte. Mit einfacher Software produzierte er ständig neue Tracks. An eine musikalische Karriere dachte er jedoch nicht. „Mein Freund Todd Weinstock spielte Gitarre in einer Hardcore-Band namens Glassjaw. Als er

„ICH JOBBTE als Musiklehrer und Nachtportier in einer Jugendherberge.“

Jesse Boykins zog nach New York, um Jazz zu studieren, und fand seinen eigenen Sound: elektronischen Soul.



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Nick Hook in seinem Reich, einem Loft im New Yorker Stadtteil Brooklyn, umgeben von Synthesizern und Mischpulten.

sich von denen trennte, rief er mich an und lud mich nach New York ein“, erzählt er. „Wir verbrachten zehn Tage im Studio, es war großartig. Von da an pendelte ich zwischen St. Louis und New York.“ Mit Weinstock gründete er die Band Men, Woman & Children. Die Zukunft sah rosig aus: Plattenvertrag mit Warner Brothers. Gemeinsame Auftritte mit Kalibern wie Panic! At the Disco. Das Debütalbum erzielte allerdings nicht die erwarteten Verkaufszahlen. Folge: kein Plattenvertrag mehr, Band aufgelöst und jede Menge Schulden. Um über die Runden zu kommen, arbeitete Hook als Kellner. „Ich führte ein Hundeleben“, sagt er, „es ging nur ums Überleben.“ Die Begegnung mit Lockhart gab seiner Karriere dann neuen Auftrieb. Seine Produktionen waren so gut, dass er einen der begehrten Teilnehmerplätze bei der Red Bull Music Academy letzten Herbst in Madrid ergattern konnte. „Wenn ich Leuten erkläre, was die Red Bull Music Academy ist, denken viele ans Burning Man Festival“, sagt Hook. „Es ist ein Sommercamp mit Musik und Spaß. Mit dem feinen Unterscheid: Du lernst Kollegen aus aller Welt kennen und kriegst die Chance, mit Legenden zusammenzuarbeiten. Ich habe in Madrid einen Song mit Bootsy Collins geschrieben!“ Über seine Academy-Kontakte bekam Hook Aufträge als DJ in Japan und Neuseeland.

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ew York ist Heimat der schrillsten Typen und Paradiesvögel. Einer, der selbst hier heraussticht, ist Jesse Boykins. Gegen seine wilde Mähne wirkt sogar Angela Davis’ Afro wie ein Militärschnitt. Boykins trägt knallige Shorts und Plateauschuhe. Als er das Fotostudio betritt, sind sofort alle Augen auf ihn gerichtet. Wirft sich auf Zuruf in perfekte Pose: Kurz lächelt er vor der Linse, dann klingelt sein Handy. Jesse schaltet um aufs Geschäftliche: Termine für die anstehende Europa-Tour. Sein neues Album erscheint im Oktober. Boykins zog zum Studieren von Miami nach New York. „In der Oberstufe sang ich im Grammy Jazz Ensemble. Danach lud mich eine New Yorker Musikhochschule ein“, erzählt er. „Am Anfang war es hart. Neben meinem Vollzeitstudium 56

„ICH TAT Azealia Banks einen Gefallen, als sie noch keiner kannte.“

arbeitete ich als Musiklehrer für Kinder und als Nachtportier in einer Jugendherberge an der Lower East Side.“ Seit seinem Abschluss schlägt sich Boykins als Profimusiker durch. Es klappt „ganz gut“, sagt er. Allerdings nur mit Unterstützung seiner Freunde. „Ein ganzes Jahr schlief ich bei einem Kumpel auf der Couch“, sagt er. „Er glaubte an mich. Er entwarf sogar ein Logo für mich, noch bevor ich meine Solokarriere gestartet hatte.“ Sein Ding fand er schließlich im R & B. Allerdings nicht im großspurigen, polierten Bling-Bling-R & B, wie ihn Usher und R. Kelly zelebrieren. Der 27-Jährige zählt neben Frank Ocean zu einer neuen Generation selbstbewusster Soul-Sänger, die über ihre Gefühle singen, ohne den Weichspüler anzuwerfen. Sein Heimstudio hat Boykins in New Jersey. Richtig gelesen, New Jersey. Ein Leben im Big Apple kann und will sich der Musiker nicht leisten. Da


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nimmt er das wenig glamouröse Leben im Industrieviertel der Nachbarstadt gern in Kauf. Er sei ohnehin nur eine Woche im Monat in der Stadt, sagt er, den Rest der Zeit verbringe er auf Reisen. Da ergebe es keinen Sinn, viel Geld für die Miete auszugeben. „Es ist schwierig, in New York Geld zu sparen“, sagt er. „Vor allem wenn du dein Leben genießen und etwas erleben willst. Ich gehe nun mal gern in Museen und auf Konzerte. Und das kostet.“ Zurück nach Brooklyn: Hook arbeitet gerade an seinem Track für Azealia Banks. Obwohl er in seinem Studio oft mit anderen Künstlern aufnimmt, genießt er die Stunden am meisten, in denen er alleine an Sounds tüfteln kann. Keine Ablenkungen, keine Streitigkeiten. „Als Produzent bist du gleichzeitig Psychiater“, sagt er. „Du musst lernen, wie du aus den Musikern das Beste rausholen kannst, ohne sie zu kritisieren. Leute fühlen sich sehr schnell angegriffen, wenn du ihre Songs verändern willst. Da muss man sehr behutsam agieren.“

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ook verdient als Produzent mittlerweile gutes Geld. Oft sind es die kleinen Gefallen für Freunde, die sich langfristig am meisten auszahlen. Bestes Beispiel: Azealia Banks. „Eine Bauchentscheidung. Kohle sah ich dafür am Anfang keine. Erst später machte sich der Job bezahlt. Wir arbeiten noch immer zusammen. Auch wenn Azealia inzwischen ein Star ist.“ Um 19 Uhr muss Hook los. Zu einem DJ-Gig in New Yorks feinstem Club, dem Le Bain im Standard Hotel. Bis in die frühen Morgenstunden wird er dort hinter den Plattentellern stehen. Er reibt sich die Augen, seine Müdigkeit kann er kaum verbergen. „Da muss ich durch“, sagt er und lächelt. Morgen früh wird er dann schon wieder hier im Studio sitzen. Er kann’s eben nicht lassen. Weil er die Musik liebt. Und weil er seiner Heimatstadt Paroli bieten will. New York, der Stadt, die niemals schläft.

www.redbullmusicacademy.com Nick Hook, Jesse Boykins und Tiombe Lockhart unterwegs auf den Straßen ihrer Heimatstadt.

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Maschine, Mann

Graeme Obree will mit einem von ihm selbst konstruierten und in seiner K端che gebauten Fahrrad auf ebener Strecke 端ber 160 km/h schnell fahren. Der Schotte ist 46 Jahre alt, hat Depressionen und mehrere Selbstmordversuche hinter sich und einen Kochtopf in sein Fahrzeug verbaut. Seine Chancen auf den Weltrekord stehen gar nicht schlecht. Text: Declan Quigley, Bilder: Paul Calver 58



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altcoats hat seine besten Zeiten offensichtlich hinter sich. Aber an diesem Morgen strahlt die Sonne so sehr, dass man sich mit ein bisschen Phantasie vorstellen kann, dass die westschottische Küstenstadt vor gar nicht allzu langer Zeit ein beliebter Ferienort für Leute aus Glasgow war; Schottlands größte Stadt ist gerade eine knappe Autostunde entfernt. Aber je weiter die Flugpreise fielen, desto schneller ging es auch mit Saltcoats bergab: Die Rezession schlug hart zu, viele Arbeitslose, soziale Unruhen. Saltcoats ist der Ort, wo sich Graeme Obree auf seinen nächsten außergewöhnlichen Weltrekordversuch vorbereitet. Jener Graeme Obree, der in den frühen 1990ern zweimal Weltmeister in der Einerverfolgung wurde und den Stundenweltrekord hielt; die französische „L’Équipe“ bezeichnete ihn einmal als „verrückt, brillant und zutiefst menschlich“, was der Wahrheit ziemlich nahe kommt. Der Rekord, um den es geht, soll im September bei einem Wettkampf im USBundesstaat Nevada fallen; es ist der für die höchste auf dem Land mit einem HPV erreichte Geschwindigkeit. HPV – humanpowered vehicle – steht für „muskelkraftbetriebene Fahrzeuge“ und bezeichnet alles, dem man eine Verwandtschaft zu einem Fahrrad nachsagen könnte. Fahrräder haben Graeme Obree zeit seines

Lebens begleitet, dieser Aspekt ist also nicht neu. Neu ist: Zum ersten Mal ist es nicht das Wichtigste, ob er den Rekord, den er brechen möchte, tatsächlich bricht. Es geht Graeme Obree darum, das Projekt zu genießen, die Reise nach Nevada, den Wettkampf … und vor allem geht es ihm darum, seine mühevoll wiedererlangte Gesundheit nicht zu gefährden. „Irgendwann“, sagt er, „erreichst du einen Punkt, an dem du dich nicht mehr selbst einrenken kannst. Alles, was über diesen Punkt hinausgeht, hat einen Namen, und der lautet: Depression. Eine ganze Menge Leute leidet daran … aber ich nicht. Besser gesagt: ich nicht mehr. Und ich habe überhaupt keine Lust, den Rückwärtsgang einzulegen.“ Graeme Obree weiß genau, wie dieser Rückwärtsgang aussähe: „Es ist nur ein einziger Satz. Er lautet: ‚Ich würde lieber sterben, als diesen Rekord nicht zu brechen.‘ Sobald dieser Gedanke in meinem Kopf auftaucht, muss ich das Projekt sofort stoppen. Und wenn ich es selbst nicht merke, dass ich so zu denken beginne, müssen mich eben andere aufhalten.“ Das richtige Paket „Ich war nicht wirklich der Solideste in den letzten zwölf Jahren“, bekennt Obree schüchtern grinsend, als wollte er sich dafür entschuldigen, dass er sich nach dem Ende seiner spektakulären BahnradKarriere zurückzog wie ein Eremit. Die letzten zwölf Jahre waren nicht einfach, aber daran hatte er sich davor schon gewöhnt: Sein ganzes Leben lang quälte ihn eine tonnenschwere Depression, mindestens drei Selbstmordversuche sind ebenso dokumentiert wie unzählige Tiefs – ein Leidensweg, unterbrochen von Höhepunkten wie den beiden Stundenweltrekorden und den beiden WM-Titeln. „Damals hing mein Leben, mein Überleben, von meinem nächsten Resultat ab“, sagt er. „Ernsthaft. Ich war als Mensch so gut wie mein Ergebnis.“ Nach dem Ende der Karriere, als es keine Ablenkung durch Rennen mehr

Design aus der Küche: Ein Kochtopf liefert die Armstützen (oben), der Küchentisch dient als Werkbank.

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„Ich habe keine Lust, den Rückwärtsgang einzulegen.“


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gab, musste Obree dem Dämon ins Auge blicken: Therapie. Nun fühlt er sich stark genug, um noch einmal durchzustarten. Man könnte einwenden, dass sein Alter da etwas dagegen haben könnte. Doch er meint, 46 sei ein gutes Alter, seine außergewöhnlichen Talente zu einem Paket zu schnüren, das zu ihm passt. Gerade so viel Druck auszuüben, wie seine Gesundheit zulässt, dabei aber innovativ zu sein und sportliche Leistungen auf Weltklasseniveau zu bringen. Der HPV-Landgeschwindigkeitsrekord, der im September fallen soll, wird mit Unterbrechungen seit 1998 von Sam Whittingham (CAN) gehalten und liegt seit 2009 bei 133,28 km/h Durchschnitt für die 200 Yards (knapp 183 Meter) lange Messstrecke. Graeme Obree will 100 Meilen pro Stunde erreichen, über 160 km/h. Auf ebener Strecke. Auf einem – im weitesten Sinn – Fahrrad.

Mit dem Kopf voraus: Die extreme Bauchlage verbessert die Aerodynamik des Fahrrads entscheidend.

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ür Obree hat das ganze Projekt ein wenig von einer Heimkehr. Die zermürbenden Kämpfe, die er in den Neuzigern mit den engstirnigen Offiziellen des Internationalen Radsportverbands UCI auszufechten hatte, „haben mich zu einem Zyniker gemacht. Doping, die ganzen Regeländerungen und Einschränkungen … man durfte nichts Neues mehr entwickeln, alles wurde festgezurrt“, sagt er. „Also beschloss ich, in dieses HPV-Geschäft einzusteigen. Außer den physikalischen Gesetzen gibt es dort keine Regeln.“ Zunächst war Obree in das Projekt einiger ehemaliger Formel-1-Ingenieure involviert, die ein weltrekordfähiges HPV bauen wollten. Doch Obree wandte sich früh davon ab, weil er überzeugt war, dass das Projekt der F1-Leute nicht zum Ziel führen würde. „Das Ding war zu groß. Das Lenksystem war, allein wegen des Schwerpunkts, zu weit von Pedalen und Vorderrad entfernt. Nichts stimmte zusammen.“ Ähnlich wie Whittinghams Rekordfahrzeug „Varna Diablo“ war das Gerät der F1Jungs eine Art Liege, auf der der Fahrer nach vorne in die Pedale tritt. Typisch für Obree, dass er den genau entgegengesetzten Zugang wählte: „Ich dachte, wenn ich auf dem Bauch liege, mit dem Kopf nach vorne, brauche ich an der Spitze weniger Platz.“ Obrees Idee basierte auf einem vornübergebeugten Pendelrad, das er in den 1990er Jahren einmal gefahren hatte. Dieses war wesentlich stabiler – und der Vorderbereich, eine Art Heiliger Gral der Aerodynamik, erheblich schmäler. Obrees Kalkulation war einfach: Würde es ihm gelingen, den Vorderbereich seines liebevoll „The Beastie“ genannten Gefährts 62

auf zwei Drittel der Größe von jenem der „Varna Diablo“ seines Konkurrenten Whittingham zu schrumpfen, sollte mit demselben Kraftaufwand – und Obrees Beine sind mindestens als so gut einzuschätzen wie die des Kanadiers – für den Rekordversuch nach oben noch einiges drinnen sein. Bei der Übertragung seiner Muskelkraft auf das Antriebsrad vertraut Obree einem Zug-Druck-System: Lange Stahlstangen werden von seinen Beinen vor- und zurückgetrieben. Kann er aus seinen Beinen genug Kraft für 100 Kurbelumdrehungen pro Minute pressen, fährt das Fahrzeug mit 100 Meilen pro Stunde (160,9 km/h). Konstruktion in der Küche Die meisten von Obrees Erfindungen sind beseelt von einem Anflug freundlicher Anarchie. „Ich bin ja für fast nichts zu gebrauchen“, sagt Obree. „Aber was ich wirklich, wirklich gut kann, ist, Fahrräder zu designen, Fahrräder zu bauen, Fahrräder zu fahren. Und dieses Projekt fasst alle drei Dinge zusammen. Es ist eine Mischung aus Kunst und Sport. Was ich hier mache, ist meine Art, mich künstlerisch auszudrücken.“

„Ich weiß nicht, wie schnell ich sein werde. Aber es wird verdammt schnell sein.“ Schon „Old Faithful“, mit dem er 1993 in Norwegen Francesco Mosers Stundenweltrekord (51,151 km) brach, besaß eine revolutionäre Geometrie. Kein Artikel über Obree verzichtete auf die Erwähnung der Lagerschalen, die davor in einer Waschmaschine Verwendung gefunden hatten. Auch diesmal wird das Fahrzeugdesign nur von den Gesetzen der Physik und der Potenz von Obrees Geldbörse limitiert. So beinhaltet das Fahrzeug Fahrrad-Krimskrams, der bei ihm herumlag, und – tatsächlich – Armlehnen, die aus einem alten Kochtopf hergestellt wurden. „Ich fing an, meine Fahrzeuge selbst zu bauen, weil ich pleite war. Armut ist die beste Inspiration und ein großartiger Lehrer.“ Die wiederkehrende Verwendung von Haushaltsutensilien erklärt sich vielleicht dadurch, dass ein Großteil der Konstruk-


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an der man entweder zerbricht oder die einen unverwundbar macht. Obree hat es geschafft, beide Varianten zu wählen. Sein Leben hat er 2006 in der Autobiographie „Flying Scotsman“ (die auch auf Deutsch erschien) aufgezeichnet, die glänzende Kritiken erhielt und verfilmt wurde. Er blieb beim Schreiben, verfasste ein Trainingshandbuch für Radfahrer, das durch seinen erfrischend unaufgeregten Zugang zum Sport überzeugt.

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tionsarbeit in Obrees Küche stattfindet, wo ein Schraubstock an einem Tisch montiert ist, der als Esstisch ebenso dient wie als Lager alter Fahrradteile. Obree erzählt, dass der Design-Entwurf, den er in Saltcoats in Realität übersetzt, schon seit 15 Jahren in seinem Kopf herumgeistert. Zu Beginn der Arbeit hat er ihn im Maßstab eins zu eins an die Wand des Raums tapeziert. Als Rahmenmaterial hat er auf Stahl vertraut und auf Carbonfaser verzichtet. Nicht aus Kostengründen, sondern „weil ich denke, dass ich so in Nevada, wenn nötig, noch etwas ändern oder reparieren kann. Mit einem Carbonfaserrahmen ginge das nicht.“ Beim Bau assistieren ihm sein 18-jähriger Sohn Jamie und eine Gruppe Studenten der Glasgow School of Art, welche die Carbonfaser- und Kevlar-Verkleidung gestalten, „die Haut“, wie Obree sagt. Jamie ist auch der Ersatzfahrer. „Ich könnte ja in Los Angeles erschossen werden“, sagt Obree mit für seinen Humor typischer steinerner Miene. „Ich reise in ein Land, in dem es mehr Waffen als Menschen gibt.“ Bei aller Ernsthaftigkeit des Bewerbs freut sich Obree auf die im Gegensatz zu einem UCI-Event ungezwungenere, gesel-

ligere Atmosphäre. „Hier geht es nicht um Leben oder Tod. Es ist einfach eine Herausforderung, der ganze Prozess. Menschen können hier nicht getrieben werden von der Angst zu versagen. Wäre das so, würde man nie starten. Hier geht’s darum, dass niemand weiß, wie schnell ich auf diesem Fahrrad sein werde. Es könnte auch passieren, dass ich beim ersten Versuch merke, dass ich alles ganz falsch gemacht habe“, sagt er. „Aber ich glaube nicht, dass das passieren wird. Theoretisch sollte es großartig funktionieren. Aber ich könnte auch falschliegen.“ Obree ist jetzt 46. Man möchte meinen, dass auch sein außergewöhnlicher Motor langsam anfängt, an Kraft zu verlieren. Doch Obree meint, noch immer genügend davon zu besitzen, um seiner Maschine gerecht zu werden. Und wenn ein Graeme Obree einmal zuversichtlich ist, ist man gut beraten, nicht gegen ihn zu setzen. Schnell. Verdammt schnell Obrees Kindheit bestand aus Angst und Schüchternheit. Das lag daran, dass er von seinen schottischen Alterskollegen wegen seines Vaters schikaniert wurde, der Polizist war. Es war eine Kindheit,

bwohl Obree von Technologie und Innovationen besessen ist, trifft er seine Entscheidungen letztlich instinktiv. Sein eigener Trainingsplan macht da keine Ausnahme. „Ich trainiere jeden Tag, mache mich aber nicht jeden Tag kaputt. Wenn mein Körper mir sagt, dass er sich heute frisch fühlt und die Peitsche braucht, treib ich ihn die Hügel rauf. Und wenn er mir sagt, dass er sich heute matt fühlt, trete ich einfach gemütlich dahin.“ Obree sagt, er verwende „ohnehin den komplexesten Computer, den es gibt, um herauszufinden, was mein Körper braucht: meinen Kopf“. Es hat etwas auf besondere Weise Optimistisches, dass Graeme Obree gerade Saltcoats als Basislager seiner Expedition in den Geschwindigkeitsweltrekord ausgewählt hat. Tatsächlich dient das Projekt als Inspiration für die Jugend der Stadt. „Es gibt hier viel Vernachlässigung, Alkohol- und Drogenprobleme. Ich gehe an Schulen, um den Kindern dort zu erzählen, dass sie alles schaffen können, was auch immer sie im Leben vorhaben. Ich kann aber nicht nur daherreden, ich muss es auch vormachen. Dieses Fahrzeug ist meine Nachricht an junge Menschen: ‚Weißt du was, wenn du eine Idee hast, was du machen willst, dann mach es einfach. Es ist egal, ob du es schaffst oder nicht, mach es einfach!‘“ Graeme Obree hat zu viel erlebt, zu viel überstanden, zu viele Hochs und vor allem Tiefs hinter sich, um noch einmal wegen 200 Yards nervös zu werden. Und man merkt: Der Weg zu den 200 Yards stellt sich als zunehmend vergnüglich heraus. „Lass es mich so sagen: Du baust ein Ding in der Küche, fährst damit in Amerika die Straße runter und plauderst mit ein paar Freunden und deiner Familie. Wenn du den Rekord brichst, schmeißt du eine Party. Wenn nicht, kannst du dir immer noch sagen: ‚Gut, ich habe mein Bestes gegeben und bin immer noch verdammt schnell gewesen.‘ Ich weiß zwar nicht, wie schnell ich wirklich sein werde, aber – schreib das auf – ich bin sicher, es wird schnell sein. Verdammt schnell.“

www.obree.com

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Meditationen über das Straßenrennrad. Text: Konrad Paul Liessmann, Bilder: Timm Kölln

zusatzbild: Corn.at

Die letzte Kehre


D Form ist ein anderes Wort für den zweckfreien Zweck. Das Rennrad in seiner seit Jahrzehnten nahezu unveränderten klassischen Gestalt kommt dieser Idee von Form nahe wie kein anderes Vehikel.

ie Straßen und Brücken, die Gaststätten und Wegweiser, die Sportschuhe und die Trikots, die Studios und Hallen, die Pulsuhren und die Tachometer, die Fitnessgeräte und die Fahrräder. Zuerst zu Letztgenannten. Es gibt viele Arten, sich mit einem Fahrrad fortzubewegen: langsam oder schnell, im Gelände, im Wald, in der Stadt. Es gibt auch viele Arten von Fahrrädern: Citybikes, Trekkingräder, alte Damen- und Waffenräder, Mountainbikes. Aber es gibt nur eine Art der Fortbewegung, die der platonischen Idee des Fahrrades so nahe kommt, dass die erfahrene Wirklichkeit zum exemplarischen Abbild eines unvergänglichen Urbildes wird: das Fahren mit dem Rennrad. Wohlgemerkt, es geht im Folgenden nicht um Sport, um Wettkampf, nicht um die Amateure, die ihre Runden drehen, nicht um die Profis, die über die Mattscheibe kurbeln. Es geht einzig und allein darum, einmal die Möglichkeiten und Grenzen einer Fortbewegung mit eigener Kraft in einer Kombination aus Effizienz und Eleganz auszuloten, die es überhaupt erst erlaubt, die Monotonie des Alltags zu unterbrechen und durch die Monotonie der Bewegung zu transzendieren. Das Rennrad ist dafür Mittel und Zweck in einem. Natürlich kann man mit einem Rad fahren, um von A nach B zu gelangen; man kann mit einem Rad fahren, um einem Trend zu gehorchen; man kann mit einem Rad fahren, um etwas am Rücken oder in einer Seitentasche zu transportieren. Zu welchen Zweck man das Rad auch immer einsetzt – es wird dementsprechend aussehen und von seiner Nutzanwendung, wie alles in der Welt, deformiert sein. Alle Kunst aber, alles Schöne beginnt dort, wo jeder Zweck aufhört. Erst wenn das Fahrrad weder Transporthilfe noch Verkehrsmittel ist, erst wenn es ganz zu sich gekommen ist und bei sich sein kann, tritt es in einer Reinheit in Erscheinung, die auch nicht durch den Schweiß desjenigen getrübt werden kann, der sich seinen zweckfreien Imperativen überlässt. Und diese lauten: Gleiten, Klet-

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tern und – mit höchster Geschwindigkeit Hinabtauchen in die Tiefe des Seins. Form ist ein anderes Wort für den zweckfreien Zweck. Das Rennrad in seiner seit Jahrzehnten nahezu unveränderten klassischen Gestalt kommt dieser Idee von Form nahe wie kein anderes Vehikel. Rahmen, Lenker, Laufräder, Schaltung, Bremsen, Sattel: Mehr bedarf’s nicht. Was immer dazu kommt, ist ein Zuviel. Packtaschen ohnehin, aber auch das Montieren einer Beleuchtung, zum Durchfahren dunkler Straßentunnel manchmal notwendig, irritiert. Lieber hundert Meter im Diffusen als Glühlampen an einem Renner. Einziger Tribut an das Zeitalter der Mikroelektronik ist der Fahrradcomputer, ein unerbittliches Medium der Selbstreflexion. Der oft geschmähte Konservativismus des Rennrades gründet in der Vollkommenheit seiner Gestalt. Und diese wiederum ist Ausdruck seines zentralen Prinzips: Leichtigkeit. Dass es nach nichts aussieht und noch weniger wiegt, charakterisiert dieses Rad. Alles, was an ihm teuer ist, verbirgt sich dem Laien, öffnet sich nur dem Kenner: Material und Behandlung des Rahmens, die Verarbeitung der Muffen, die Form der Gabel, die Komponenten der Schaltung. Hinter dem Unscheinbaren verbirgt sich edelstes Material: Stahl, Aluminium, Carbon. Man kann mit dem Rennrad nichts anderes als fahren. Allerdings nicht beliebig und überall. Das Rennrad bekennt sich zu jener zivilisatorischen Errungenschaft, die am Beginn aller Bewegungskultur steht: der Straße. Es gibt gar nicht erst vor, für die wilde Natur, den Forstweg oder die Schotterhalde gemacht worden zu sein. Es suggeriert erst gar nicht, dass es eine technisch induzierte Rückkehr zur Natur gäbe, eine industriell oktroyierte Wildheit, eine erkaufte Versöhnung. Es will dort sein, wo Menschen die Spuren ihrer Erschließung weit sichtbar hinterlassen haben. Das Rennrad bleibt sehnsüchtig dem gewundenen, glatten Asphaltband verbunden, Zeichen dafür,

Der Autor

Konrad Paul Liessmann ist Universitätsprofessor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien. Außerdem ist er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist tätig.

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dass Menschen der Natur zu entkommen trachten. Die Straße ist und bleibt der Ort seiner Erfüllung, nicht das unwegsame Gelände, auch nicht der separierte Radweg, der für alle möglichen Radfahrer geeignet sein mag, nur nicht für das Rad an sich. Die Straße, die dem Rennrad konvenieren will, muss höchste Ansprüche erfüllen: erstklassiger glatter Asphalt, der die Reibung kaum mehr spüren lässt, eine Trassenführung, die Landschaft erschließt, ohne sie zu zerschneiden, breit genug, um auch bei gewundenen Abfahrten nicht ständig bremsen zu müssen, und doch nicht so breit, dass man im Blickfeld nichts hat als die Straße selbst.

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as Rennrad bringt nur jene Kraft auf den Asphalt, die im Körper eines Menschen steckt. Es ist leise. Nahezu ungehört taucht der Rennradfahrer auf und verschwindet wieder. Bewegung in der Stille aber könnte überhaupt als Modellfall einer kultivierten Fahrt gelten. Der Sündenfall aller Kultur wäre dann der brüllende Motor. Wo immer es kann, weicht das Rennrad dem dröhnenden, die Landschaften der Stille brutal durchschneidenden Lärm der Motoren aus und bleibt doch nicht frei von jener Erfahrung, die Theodor W. Adorno in den „Minima Moralia“ formuliert hatte: aus der Perspektive der Motorisierten zum Ungeziefer der Straße zu zählen. Gegenüber dem Radfahrer gilt für viele Motorisierte, so hat es den Anschein, nur eine Devise: Überholen um jeden Preis, gleichgültig, wie eng, unübersichtlich, gegenverkehrsreich die Stelle auch sein mag, gleichgültig auch, wie schnell der Radfahrer selbst sich bewegt. Unerträglich scheint es dem Motorisierten zu sein, für einige Sekunden abzubremsen, zu warten, bis Straße und Sicht wieder frei sind. Er muss, im Schutz seiner Blechhaut, vorbeifahren, den Unmotorisierten abdrängen. Und ist er, was selten genug vorkommt, doch einmal gezwungen, zu warten, weil die Verhältnisse kein Überholmanöver zulassen, spürt der Radfahrer hinter sich schon die fauchende Nervosität des Eingebremsten, der dann, mit triumphierend aufjaulendem Motor, bei erstbester Gelegenheit vorbeizieht, eine Schwade von Lärm und Gestank hinter sich lassend, die überflüssige Demonstration einer Macht, die in nichts anderem gründet als der Stärke einer Maschine, die den Menschen zu ihrem sklavischen Anhängsel gemacht hat.

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as alle Vehikel des Menschen auszeichnet, kommt aber auch dem Rennrad zu: die Faszination der Geschwindigkeit. Diese beginnt dort, wo man schneller wird, als ein Mensch laufen kann. Um ihr zu erliegen, benötigt der Rennradfahrer allerdings nur eine reibungslos funktionierende Mechanik, die seine körperlichen Möglichkeiten optimal übersetzt, keine fremden Antriebe sonst, weder die eines Tieres noch die einer Maschine. Mit 30, 35 und, wenn das Schicksal gnädig ist und der Wind von hinten kommt, vielleicht noch mehr Stundenkilometern durch eine Ebene zu gleiten – eine Bewegung, die ein unverwechselbares Gefühl gibt: schnell genug, um die Landschaft an sich vorüberziehen zu lassen, Dörfer, Felder vor sich auftauchen zu sehen, um sie alsbald aus dem Blick zu verlieren, schnell genug, um den Wechsel von Formationen, Vegetationen, Besiedlungsdichten zu erleben, und doch noch langsam genug, um Landschaften im wahrsten Sinn des Wortes erfahren zu können. Der Körper entwickelt bei dieser Art der Fortbewegung ein eigenes Gedächtnis, der Verlauf der Straße wird, lustvoll und manchmal durchaus schmerzhaft, genau registriert, dem Auge kann sich das Vorüberziehende gerade noch einprägen. Sich mit dem Rad eine Region zu erfahren bedeutet, sie in einer Intensität wahrzunehmen, die wohl berührt ist von der Flüchtigkeit aller Bewegung, ein Bild nahtlos in das andere übergehen lässt, ohne aber dass Landschaft, wie bei motorisierten Fahrten, Kulisse würde, die im Auftauchen schon verschwindet, aber auch ohne dass die Umgebung, wie beim Wandern, still gestellt erscheint, nur langsam, Schritt für Schritt, zurückweicht. In dieser Form des Dahingleitens stellt sich gerne ein Zustand dekonzentrierter Konzentration ein, mit halbem Ohr werden das Surren der Kette, die Geräusche des Verkehrs wahrgenommen, das Auge wandert unbeteiligt zwischen Straße und Horizont hin und her, und der Kopf wird frei. Assoziationen steigen auf, Erinnerungen werden reproduziert, Ideen geboren. Der gleichmäßige Tritt wirkt kontemplativ, und die Ebene, von vielen als langweilig denunziert, entwickelt ihren einzigartigen Sog. Wer jemals eine große Ebene wie die ungarische Puszta mit dem Rennrad durchquerte, wird dies nie vergessen. Was in der Ebene leicht scheint, im hügeligen, gar gebirgigen Gelände schwerer

Die Kehre, Martin Heidegger wusste es noch, ist eine Änderung der Richtung, um die Richtung beizubehalten, ein Umweg, um das Ziel zu erreichen, also Methode schlechthin. und damit zur Herausforderung wird, ist dem Fahren mit dem Rennrad inhärent: das Zurücklegen großer Distanzen, die metaphorische Eroberung des Raumes mit den Beinen. Mit dem Rennrad kleine Ausflüge zu machen ist ohnehin ein Unding. Fahrten von ein paar Stunden und alles, was unter 100 Tageskilometern liegt, gelten als Training. Die eigentliche Lust beginnt, wenn man den ganzen Tag im Sattel sitzt, und der Fahrradcomputer jenseits der 100-Kilometer-Marke zu zählen beginnt. Und wenn alles stimmt, das Wetter, die Kondition, die innere Kraft, und man nach 200 Kilometern vom Rad steigt, sich noch einmal über die Karte beugt und mit den Fingern die Tour nachfährt, weiß man, dass dies mehr war als nur eine Betätigung des Körpers: Es war die Aneignung einer Region, die keine Spuren hinterlassen hat außer im Gedächtnis. Im stundenlangen Gleiten durch die Landschaften aber ist das Rennrad noch lange nicht bei sich. Sein Name, seine Beschaffenheit, seine Geometrie und sein Mythos suggerieren vor allem eines: Geschwindigkeit. Alle Landschaft, alle Beschaulichkeit und Kontemplation verschwinden angesichts einer Abfahrt mit höchster Geschwindigkeit. Sich vorgebeugt und, um den Luftwiderstand zu verringern, geduckt eine stark abfallende lange Gerade hinunterzustürzen, die Kette liegt auf dem größten Gang, in wenigen


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Anschmiegen überwindet. Dort, wo brutale Rampen hochgezogen werden, eingesprengte Tunnel und Brücken als Fortsetzung der Geraden mit anderen Mitteln die Täler nicht verbinden, sondern durchschneiden, könnte man, während man sich die endlos scheinende Steigung langsam hochkämpft, depressiv werden. Dort aber, wo die Straße den Formationen des Gebirges selbst folgt, schraubt man sich die Windungen hoch, allmählich weitet sich der Blick, das Tal sinkt zurück, und der Himmel rückt näher, Kehre um Kehre. Die Kehre, Martin Heidegger wusste es noch, ist dann auch keine Wende, keine Umkehr, sondern eine Änderung der Richtung, um die Richtung beizubehalten, ein Umweg, um das Ziel zu erreichen, also Methode schlechthin, und, vor allem wenn sie gegen den Hang angelegt ist, wenn auch nur für Sekunden, Moment der Regeneration.

Abfahrt mit höchster Geschwindigeit, durch keine Blech- oder Lederhaut gedämpft, höchste Lust und Angst in einem, angenehmes Grauen, Vorschein des Erhabenen.

Sekunden auf 60, 70, auf weit über 80 Stundenkilometer zu beschleunigen und nur noch Augen dafür zu haben, dass keine Unebenheit, kein Schlagloch auf der Straße, kein Tier oder Passant im Blickfeld auftauchen möge, die Hände bremsbereit um den Lenker geklammert, den kaum geschützten Körper dem Fahrtwind ausgesetzt, in höchster Konzentration, die alles andere Denken unmöglich macht: das ist unmittelbare Geschwindigkeitserfahrung, durch keine Blech- oder Lederhaut gedämpft, und das ist höchste Lust und Angst in einem, Erfüllung einer alten Zentralkategorie ästhetischer Wahrnehmung: angenehmes Grauen, Vorschein des Erhabenen.

Tiefer als der Rausch der Geschwindigkeit, tiefer als die Abfahrt berührt nur eines: der Berg. Das Befahren einer Alpenstraße. Ein Pass. Denn hier geht es um alles: um die Grenze schlechthin. Und jeden, der ein Rennrad sein eigen nennt, zieht es irgendwann einmal – vorausgesetzt, die körperliche Verfassung lässt diese Sehnsucht zu – zu jenen legendären Anstiegen, wo auch die Helden der großen Rundfahrten, der Tour und des Giro, zerbrechen oder triumphieren. Vielleicht ist das Erfahren, das Erklimmen eines hochalpinen Passes mit dem Rennrad das Intensivste, was man mit diesem Gerät, was man überhaupt erleben kann. Und dies in mehrfacher Hinsicht. Schon der Pass als solcher könnte zur Reflexion Anlass geben: Er ist keine einfache Bergstraße, schon gar keine Straße ins Irgendwo, sondern ein Übergang. Er verbindet zwei Täler, überwindet das Trennende und demonstriert dem Radfahrer mitunter in aller Brutalität, dass diese Überwindung, Utopie aller menschlichen Bewegung, ihren Preis hat. Am Pass berührt sich die Erhabenheit der Gebirgszüge mit der Technologie ihrer Bewältigung. Und auch hier gilt, dass Straßen, die sich den geologischen Verhältnissen angleichen, die in Serpentinen nach oben führen, Kehre um Kehre, noch am ehesten den Eindruck einer Technik vermitteln, die human ist, weil sie Natur durch Mimesis, durch Angleichung, durch

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ie Fahrt am Berg aber verlangt einem alles ab. Egal ob man in einer Gruppe oder mit einem Partner losgefahren ist, am Berg erfährt der Radfahrer eine existentielle Dimension: die Einsamkeit. Am Berg ist jeder allein, allein mit sich, seinem Körper und der Steigung. Und nirgends erfährt man eindringlicher, was es heißt, gegen sich zu kämpfen. Wenn, nach kilometerlanger Bergfahrt, die Steigung noch einmal auf über zwölf Prozent ansteigt, kein Ende absehbar ist, die Beine schwer werden und die Lunge eng, der Rücken schmerzt, dann stellt sich irgendwann die Frage: Warum noch weiterfahren. Warum nicht absteigen, rasten, zurückfahren, es ist niemand da, die Straße ist öd und leer, es gibt keinen Grund, die Tortur fortzusetzen. Und dennoch: Solange es geht, wird man im Sattel bleiben, so lange, bis das Ziel erreicht ist. Und wenn dann nach, sagen wir einmal, 120 Kilometern Fahrt durch die Dolomiten, nach vier oder fünf bewältigten Pässen, die allerletzte Steigung, die allerletzte Kehre in der schon tief stehenden Sonne aufleuchtet und man weiß, dass danach nur noch eine unendlich lange Abfahrt folgt, an deren Ende ein gedeckter Tisch wartet, dann fällt auch ein Vorschein von Glück, ein Schimmer von Erlösung auf die am nahen Horizont sich abzeichnende Passhöhe.

Der Text entstammt Konrad Paul Liessmanns Buch „Das Universum der Dinge. Zur Ästhetik des Alltäglichen“. © Paul Zsolnay Verlag, Wien 2010. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

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TÖFFLIWAHN! Lederjacken mit Fransen, blitzendes Chrom, baumelnde Fuchsschwänze … und pralle 30 km/h Höchstgeschwindigkeit: Einen Tag und 3500 Höhenmeter lang erweckt Red Bull Alpenbrevet den Mofa-Kult zum Leben. Text: Arkadiusz Piątek Bilder: Dan Cermak

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chon seit Tagen macht Reto seine Nachbarn verrückt. Doch für den grossen Event muss seine Puch X-30 – sie ist wie er Baujahr ’80 – eben getestet und fit gemacht werden. Und das geht am besten auf den hügeligen Strassen seines Heimatdorfes Uetendorf. Die unfreiwilligen Ohrenzeugen der zweitaktknatternd nervenden Probefahrten des in Summe 64-jährigen Pärchens werden allerdings optisch entschädigt: frisch geschliffener und blau lackierter Rahmen, polierte Speichenräder, glänzender Lenker, brandneuer EdelstahlAuspuff. Wie viel Geld er bereits in die Restaurierung seiner gerade mal 1,3 PS starken Maxi gesteckt hat, will der gelernte Automechaniker gar nicht wissen: „Irgendwann waren die ersten tausend Franken weg. Seitdem zähle ich nicht mehr.“

Eine Autostunde von Reto entfernt, auf einem Nidwaldner Bauernhof in der Nähe von Stans, lebt der 19-jährige Michael mit seiner Familie – und acht Töfflis, die die Hinterhofgarage bevölkern. Prachtstück in dieser Sammlung ist eine Cilo aus dem Jahr 1973, 38 Kubikzentimeter Hubraum, in die Michael sich vor zwei Jahren trotz schrottreifem Zustand verliebte, ehe er sie zu wunderschönem neuem Leben erweckte: Er zerlegte sie in ihre Einzelteile und setzte sie nach einer beherzten Generalsanierung wieder zusammen. Ganz allein. Der Arbeitsaufwand: 100 Stunden. „So was machen nur Spinner“, sagt der Zimmermann, der bis zu seinem 16. Lebensjahr („so wie alle anderen hier“) täglich auf einem Hödi zur Schule fuhr. „Aber dafür ist die Maschine jetzt ready to go.“ In der Tat: Die einst rostige und notdürftig überlackierte Maschine strahlt in frischem Tornadorot, glänzendes Chrom, neue

„PLÖTZLICH WAR ICH WIEDER 14.“

original Ducati-Zündung. Optisch und technisch 1a. Ganz so weit wie Reto und Michael sind die zwei Aargauer Dave und Roger noch nicht: Es steht ihnen noch einiges an Arbeit an ihren geliebten Piaggio Ciaos bevor. Roger hat an seinem eigenhändig schwarz lackierten Boliden auf Gussfelgen zwar den Motor komplett revidiert, was schon ein sattes Stück Arbeit war: Er hat das 49-Kubikzentimeter-Aggregat in sämtliche Einzelteile zerlegt, jedes zärtlich mit Teilereiniger geputzt, Kurbelwelle, Schwungrad, Kupplung, Vergaser und Kolbenringe ersetzt und das Durcheinander wieder zusammengesetzt. Jedoch fehlt noch das Gegenstück am anderen Ende der Geschwindigkeitsmanipulation: Die Bremsen sind, sagen wir, noch einen Hauch zu original. Daves Ciao könnte eine neue Kette für den Pedalantrieb gut gebrauchen. „Einige Abende noch in der Garage“, sagen die Jugendfreunde aus Unterentfelden, „und wir machen endlich Testfahrten auf der Strasse. Dann sind wir bereit zum Start.“ „Ich war gleich wieder vierzehn“ Reto, Roger, Dave und Michi schrauben an fahrbaren Untersätzen, die in den 1970er und 1980er Jahren zum Strassen-


ZUSATZBILD: JOERG MITTER/RED BULL CONTENT POOL

„SO WAS MACHEN NUR SPINNER.“ bild der Schweiz gehörten wie Nachrangtafeln und Zebrastreifen: Mofas, Töfflis, Hödis, Schnäpper, das mit deutlich mehr Bezeichnungen als Pferdestärken gesegnete Mischwesen aus Fahrrad und Motorrad, von Hand zu schalten oder mit Automatik, mit Pedalen zur trittkräftigen Unterstützung durch den Fahrer, falls die im Schnitt 1,3 PS aus dem 49-ccm-Zweitaktmotor (Treibstoffverbrauch: 1,8 Liter pro 100 Kilometer) für eine heimtückische Steigung nicht reichen sollten. Töfflis waren von Anfang an praktisch, unkompliziert, brustschwach und garantiert langsam – wer schneller als 30 km/h unterwegs sein wollte, benötigte Rückenwind oder ein Gefälle. Heute sind Töfflis vor allem eines: Kult. Ein Kult, der sich am 15. September beim dritten Red Bull Alpenbrevet im Berner Oberland einer entsprechend kultigen praktischen Herausforderung stellt: Von Meiringen über die Alpenpässe Grimsel, Furka, Susten wieder zurück nach Meiringen gilt es auf dem eigenen Töffli 132 Kilometer Wegstrecke sowie in Summe 3500 Höhenmeter zu überwinden. Die Maschine halbwegs heil über die bis zu elf Prozent steilen Anstiege zu bringen ist die Aufgabe, durchzukommen das Ziel. Reto, Roger, Dave und Michi sind vier Namen auf der Teilnehmerliste 2012. Vier von insgesamt 800. „Red Bull Alpenbrevet hat das TöffliFeuer in uns wieder entfacht“, sagt Dave, „2010, bei der Premiere, waren wir noch mit einem geliehenen Mofa am Start. Wir dachten: ‚Entweder wird es das Dümmste, was wir jemals gemacht haben, oder es wird der Hammer.‘ Direkt nach dem Ziel wussten wir: Am Heimweg kaufen wir uns ein eigenes Hödi.“ Roger: „Ich kam dort an und war wieder vierzehn. Allein der Klang der Motoren lässt die Erinnerungen hochkommen. Genau der gleiche Klang, den ich damals von meinem Fenster aus hörte, als jeder Vierzehnjährige noch ein Mofa fuhr.“ Auf der Flucht Red Bull Alpenbrevet ist angesiedelt in der Schnittmenge von Nostalgie und Ironie: Konstantes Tempo ist ebenso gefragt wie schrilles Outfit und Durchhaltevermögen (von Mensch und Maschine, wahrschein-

RED BULL ALPENBREVET, DIE DRITTE PREMIERE 2010: 600 durchgestylte Tö≠lihelden nehmen die Bergtour Meiringen–Grimsel– Furka–Susten–Meiringen in Angriff. Ab 2011 wird die Teilnehmerzahl auf 800 erhöht. STRECKE: 132 Kilometer, insgesamt rund 3500 Höhen-

meter, Haarnadelkurven, steile Abfahrten, Steigungen bis 11 % – und 10 Stunden Zeit. VERBOTEN: frisierte Hödis, Fahren unter Alkoholeinfluss Missachtung des Tempolimits von 30 km/h oder das Überholen von Autos.

FREIE PLÄTZE? NULL! Seit Wochen sind die 800 Startplätze für das dritte Red Bull Alpenbrevet vergeben: Die ersten 400 waren übrigens innert 14 Minuten weg, schneller als die Karten für das AC/DCKonzert 2010 in Bern.

Start/Ziel Meiringen Sustenpass Innertkirchen

Andermatt

Nach Innertkirchen beginnt der Aufstieg. Der für Mensch & Maschine anspruchsvollste Streckenteil Grimsel–Furka: steil und fast keine Flachpassagen.

PROGRAMM: Grillplausch am Freitag. Start: Samstag um 10 Uhr. Nach der Rundfahrt: Party mit Livemusik. Tö≠li-Fans sind willkommen!

Furkapass Grimselpass

Grimselpass 2164 m

Furkapass 2429 m

Sustenpass 2224 m

2400 m 1800 1200 600 0 km

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Der angenehmere Teil am Red Bull Alpenbrevet: Rund 65 Kilometer geht es bergab.

HEUTE SISNVDOR TÖFFLI ES: ALLEM ETI.N KUL lich sogar in dieser Reihenfolge). Und es ist zugleich ein farbenfrohes Revival der siebziger, achtziger und der frühen neunziger Jahre, als Maxi, Cilo, Kreidler oder Ciao Bestandteil der Jugendkultur waren – und als praktisches Fortbewegungsmittel das erste grosse Stück Freiheit. Wer zwischen 1960 und 1980 geboren wurde, hat gute Chancen, mit einem Töffli erstmals zum motorisierten Verkehrsteilnehmer geworden zu sein. „So etwas vergisst man nie. Es ist das Erste, was du fahren darfst. Kein Vergleich zum Velo“, sagt Roger. „Und 30 Sachen waren für uns damals verdammt schnell.“ Ein Töffli konnte Vierzehnjährige in der Schule zum Abenteurer machen: Ölreste unter den Fingernägeln oder gar Brandblasen an den Waden (Auspuffkontakt!) trug man mit Stolz. „Wer einen kürzeren Schulweg als einen Kilometer hatte, der durfte mit dem Hödi nicht zur Schule. Also parkten wir sie hundert Meter davor und liefen zu Fuss“, erinnert sich Reto. Klar befeuerten Töfflis auch die Lust am Verbotenen: Erste geheime Strassenrennen stachelten den Ehrgeiz an, die

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DAVE

31 Jahre, Unterentfelden Marke: Ciao Baujahr: 1983 Motor: Einzylinder-Zweitaktmotor Hubraum: 49 cm³ Getriebe: Zweigang-Schaltgetriebe (Automatik) Bereifung: 2-mal 17 Zoll

Meine Freunde frisierten damals ihre Hödis und handelten sich Ärger mit den Behörden ein. Einer war mal mit 127 km/h unterwegs – sein Dorfrekord hält bis heute. Ein anderer hatte sogar zwei Motoren montiert, je einen fürs Hinter- und fürs Vorderrad. Mich verfolgte die Polizei auch einmal. Ich sprang während der Fahrt ab, das frisierte Tö≠li rollte ins Maisfeld, ich lief weg. Am nächsten Tag holte ich es mir genau dort wieder. Mit achtzehn wollte ich nur Motorrad fahren und kaufte immer stärkere Maschinen. Doch 2010 kam der Backflash, und jetzt, mit dreissig, sitze ich auf einer völlig unfrisierten Ciao. Fürs grosse Rennen werde ich die Kette tauschen, Proberunden drehen und hinterher viel Spass haben – that’s all.


ZUSATZBILD: JOERG MITTER/RED BULL CONTENT POOL

RETO

ROGER

32 Jahre, Uetendorf

30 Jahre, Unterentfelden

Marke: Puch X-30 Baujahr: 1980 Motor: Einzylinder-Zweitaktmotor Hubraum: 48,9 cm³ Leistung: 1 kW (1,3 PS) Getriebe: Zweigang-Handschaltgetriebe

Marke: Ciao Baujahr: wahrscheinlich 1983 Motor: Einzylinder-Zweitaktmotor Hubraum: 49 cm³ Getriebe: Zweigang-Schaltgetriebe (Automatik) Bereifung: 2-mal 17 Zoll

Mit zwölf – da hatte ich für ein Hödi noch längst nicht das Geld – erblickte ich ein kaputtes im Alteisen. Der Rahmen war gebrochen, vom Lenker zum Sattel war ein Draht gespannt, damit es nicht auseinanderfiel. Aber es fuhr. Schweissen konnte ich damals noch nicht, also schraubte ich einige Eisenstangen fest und fuhr meine ersten Runden ums Haus … Heute fahre ich eine Puch X-30 mit Handschaltung, eine Rarität. Den Rahmen habe ich sandstrahlen lassen, und ein Autolackierer verpasste ihm das BMW-Avusblau. Reifen, Bremsen, Kette, Gabel und Auspuff sind neu. Beim letzten Alpenbrevet wurde die Zündung nass. Ich habe sie zerlegt und gereinigt und auch die Fuchsschwänze trocknen lassen. Warum ich immer wieder auf mein Mofa steige? Weil es eine Zeitreise ist. Bei jeder Fahrt kann ich ein bisschen der Bub von damals sein.

Ein Freund hat mir angeboten, den Motor meines Tö≠lis zu revidieren, doch ich hab es lieber selbst gemacht. Der Regen setzte mir 2011 beim Red Bull Alpenbrevet zu, nun will ich wissen, wie ich Pannen an meiner Ciao selbst beheben kann. Übrigens: Ciaos hatten in unserem Dorf schon immer Tradition. Jeder fuhr damals eine. Ich erinnere an unsere nächtlichen Mofa-Ausflüge nach Zug. Wir benutzten kleine Wege, auf denen keine Polizei kontrollierte. Heute hab ich ein Auto und ein Motorrad. Jedesmal, wenn ich aufs Mofa steige und Vollgas gebe, muss ich lachen, weil da gar nichts weitergeht. Doch das legt sich schnell, und schon bald geniesst du es auf diese ganz spezielle Art: Du siehst so viel, was dir auf einer schnellen Maschine entgangen wäre: Mofafahren ist entspannend und macht dich ausgeglichen(er). Jetzt noch viel mehr als früher.

MICHAEL

19 Jahre, Ennetmoos

Marke: Cilo Baujahr: 1973 Motor: Einzylinder-Zweitaktmotor Hubraum: 38 cm³ Leistung: 1 kW (1,3 PS) Getriebe: Zweigang-Handschaltgetriebe

Ich ersparte mir mit zwölf meine ersten 400 Franken und kaufte dem Nachbarssohn ein gebrauchtes Tö≠li ab. Von ihm lernte ich, das Mofa herzurichten. Heute begleitet es mich fast überallhin. Und bei jedem Wetter. Was nicht ungefährlich ist: Einmal hatte ich bei dichtestem Schneegestöber einen Frontalzusammenstoss – mit einem anderen Mofafahrer. Resultat: Gabel verbogen, aber kein Personenschaden! Tö≠lis sind eben langsamer und sicherer als Motorräder. Beim letzten Alpenbrevet wurde mir der Regen zum Verhängnis, doch 2010 war der Massenstart ein unvergessliches Erlebnis. Ich stand mitten im Feld, als die Motoren gezündet wurden und eine riesige Abgaswolke alle umgab. Und wisst ihr was? Es roch gut. Es roch nach Freiheit.

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Dinger schneller zu machen. Also wurde Papas Autogarage zur Werkstatt umfunktioniert und an den Puchs, Belmondos, Sachs’ und Ponys, Ciaos und Herkules’ herumgebastelt, an Kolben geschliffen, an Übersetzungen gefeilt. „Der Zweitakter ist der einfachste Motor“, sagt Michael, „er verleitet regelrecht zum Frisieren.“ Ein kleines herausgefeiltes Fensterchen im Kolben wirkte Wunder, genau wie ein grösseres Ritzel: Sofort wurde aus dem braven 30-km/h-Zweirad ein 50 km/h schnelles Statussymbol. Dass Bremsen und Auspuff der Entwicklung des Motors nicht immer gewachsen waren, war das kleinere Problem. Das grössere: die Aufmerksamkeit der Polizei. „Doch wir hatten damals unsere Tricks“, erzählt Dave. „Um nicht erwischt zu werden, schlängelten wir uns mit den Töfflis durch Waldwege, die zu eng waren für Polizeiautos.“

Verschnaufpause: ausruhen und Energie tanken auf der Labestation auf der Grimselhöhe

Fuchs musste sterben“) sowie einen geschwungenen Zigarillo im Mundwinkel: „Den musste ich nach zwei Stunden Fahrt ausspucken. Mein Gesicht war eingeschlafen.“ Neben dem Style stellen sich den Teilnehmern auch andere fundamentale Fragen. Etwa: Komme ich überhaupt nach oben? Hält mein Mofa durch? Wird der kleine Motor zu heiss? Muss ich mit in die Pedale treten oder am Ende gar schieben? Die Anspannung, so erzählen Absolventen einhellig, fällt erst ab, wenn man ganz oben auf der Kuppe ist. Bergab geht dann alles wie von allein: Das Mofa rollt, sein Fahrer legt sich in die Kurven, der Wind bläst ihm ein Lachen ins Gesicht. Doch vor die Abfahrt hat der Herrgott den Anstieg gesetzt. Und der hat es beim Red Bull Alpenbrevet in sich. Vergangenes Jahr musste Roger beim Aufstieg auf die Furkapasshöhe zwei Kilometer in die Pedale treten – sein Motor hatte überhitzt. Dave erwischte es noch schlimmer: Seine Ciao zog bei Regen nicht mehr richtig. Zwei Drittel der Strecke half der Aargauer mit dem Velogang nach oder tauchte mit den Beinen an, ehe er ins Ziel kam: „Am nächsten Tag konnte ich keinen Schritt gehen.“ Michi und Reto mussten überhaupt aufgeben – ihre Zündung hatte ein Duell verloren: das gegen den Regen.

„ES IST DAS ERS E, WAS DU FAHT DARFST. DAS VE REN DU NIE.“ RGISST

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ZUSATZBILD: NICO SCHAERER/RED BULL CONTENT POOL

Das Lachen des Windes Ein paar Jährchen später zählt beim Red Bull Alpenbrevet nicht mehr der reine Speed, sondern die Gleichmässigkeit: Wer nicht schneller als 30 km/h fährt und nahe der Durchschnittszeit aller Fahrer ins Ziel tuckert, erhöht seine Siegeschancen. Doch um zu gewinnen, müssen die Facebook-Likes des Fahrers in quantitativer und muss sein Outfit in qualitativer Hinsicht überzeugen. Letzteres heisst: je ausgefallener, desto besser. Als Beispiel für gelungenen Look darf Retos Auftritt im Jahr 2010 gelten. Die Lederjacke („von der Schwester aus-

geliehen“) mit schneidigen Fransen an den Ärmeln, dazu Stiefel („Ladenhüter, billig gekauft“), ein Originalhelm eines Seitenwagen-Rennfahrers („darauf bin ich stolz“), schwarze Sonnenbrille, zwei 50 Zentimeter lange Fuchsschwänze am Lenker („keine Sorge, nicht echt, kein

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Der Wiener Architekt Thomas Herzig verdient sein Geld mit dem Bau von LuftschlÜssern – und agiert damit in jener Tradition, die gotische Baumeister mit Hightech-Schmieden wie Apple verbindet. Text: Alexander Macheck, Bilder: Daniel Gebhart de Koekkoek


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Ende war das

Wort A Thomas Herzig vor einer seiner pneumatischen Konstruktionen, einem Pavillon, der fast nur aus Luft besteht.

uf einer vergessenen Waldlichtung westlich von Wien steht so etwas wie ein Ufo. Eine durchsichtige Blase von der Größe eines kleinen Hauses. Ein Kuckuck ruft, dazwischen springt eine Elektropumpe an und bläst Luft in das seltsame Gebilde. „Das ist eine Pneumocell-Kuppel“, sagt Thomas Herzig, Besitzer dieses versteckten Grundstücks und Erfinder dieser Bauweise. Luftgefüllte, bienenwabenförmige Kunststoffzellen, die miteinander zu beliebig geformten Baukonstrukten unterschiedlichster Größe zusammengefügt werden können. Je nach Bedarf stufenlos transparent bis blickdicht, wärmeisoliert und stabil – obwohl sie zum größten Teil aus einem Hauch von nichts, nämlich Luft, bestehen. Für die Automobilindustrie kreiert der Gustav-Peichl-Schüler Ausstellungspavillons. Ein steirischer Gartenfreund orderte ein Gewächshaus für seinen Olivenbaum. Für den Life Ball entwarf Herzig futuristische Dachkonstruktionen. Künstler wie Franz West, Hans Kupelwieser, Wolfgang Semmelrock, Julie Hayward oder Peter Sandbichler griffen häufig auf die Arbeit des Wiener Architekten zurück, wenn es um aufblasbare Spezialaufträge ging. Herzig ist der Fachmann in einem jungen Wissensgebiet: pneumatischer Gestaltung. 77


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Möbel, Seitenwände – ein Hauch von nichts und doch viel Form und Funktion. Thomas Herzig ist einer der führenden Experten auf einem jungen Wissensgebiet, der pneumatischen Gestaltung.

Weintrauben und Wassertropfen unter die Lupe. Oder Vogelnester, etwa für den Entwurf seines bislang nicht veröffentlichten Projekts „Skybase“, eines Hauses, das zwischen Felsen oder Bäumen in luftigen Höhen verspannt wird.

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„Wir ersetzen Material durch Information“, sagt Herzig. „Was bleibt, ist die Idee, und die Materie verschwindet.“

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Oder, wie er es ausdrückt, pneumatischer Formfindung: „Ein Stück Holz kann ich zuschneiden, wie ich will, kann verrückte, gänzlich unfunktionelle Dinge konstruieren. Die Luft hingegen sucht sich ihre Form immer selbst.“ Herzig muss genau überlegen, was die Luft mit der Membran machen wird, wenn er diesen oder jenen Zuschnitt vornimmt. „Es braucht viel mehr Hintergrundwissen beim Entwerfen“, sagt er. „Und Demut.“ Das heißt, der Wiener zwingt der Natur nicht irgendeine Form auf, die er sich einbildet, sondern zerbricht sich den Kopf, was die richtige Form für die Funktion ist, die das Objekt erfüllen soll. Dazu macht Herzig vor allem eines: die Augen auf. Nimmt organische Zellen,

it dieser beobachtenden Zugangsweise steht der Wiener in einer ruhmreichen Tradition. Als der katalanische Architekt Antoni Gaudí zum Beispiel seine Sagrada Família entwarf, hängte er Seile mit Gewichten, die der Schwerkraft entsprachen, an ein Brett und verspannte sie so untereinander, dass sie Bögen formten, in denen keinerlei Knickkräfte auftraten. So plante er die Gewölbe seiner Kathedrale, in einem Modell, das kopfüber nach unten hing. „Das Verblüffende an Natur(gesetz)Lösungen ist: Die Natur setzt ein Minimum an Material für ein Maximum an Effekt ein“, sagt Herzig, „in unserem Fall also ideale Statik mit minimalen Ressourcen.“ Das sei kein Zufall, sondern ein Prinzip, ein Ideal, dem alle Lösungen evolutionär zustrebten, erklärt der Architekt. Auch der Mensch könne sich dem nicht entziehen. Im Gegenteil: „Beim Bauen schichtete man am Anfang Stein auf Stein. In der Gotik überlegte man sich erstmals, wie man einsparen kann. So entstanden Spitzbögen und Kreuzgewölbe.“ Natürlich ging es um finanzielle Vorteile – und heute obendrein um ökologische wie eine Reduktion des Ressourcenabbaus oder eine Verminderung des Transportgewichts und damit zusammenhängendem Schadstoffausstoßes. Für den Entwickler in der Tradition der alten Baumeister jedoch zählt die Faszination am universellen Trend der Entmaterialisierung – der im Hightech besonders radikal und daher gut sichtbar wird. Herzig: „Die ersten Computer waren groß wie Wohnzimmer, heute stecken wir iPhones mit einem Vielfachen der Rechenleistung in unsere Hosentaschen.“ Oder in der Musik: Wir kaufen keine CDs, sondern laden MP3-Dateien herunter. „Wir ersetzen Material durch Information“, sagt Herzig. „Was bleibt, ist die Idee, und die Materie verschwindet.“ Projekte und Background: www.pneumocell.com


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Inhalt 82 REISE-TIPP New Orleans Backstage 84 GET THE GEAR Roland Trettl 86 TRAINING Torey Pudwil 88 NIGHTLIFE Out Now: Grizzly Bear/Nachtsafari/ „Hoxton“, Toronto/ Cocktail: Del Rio/ Take 3: Vampire Weekend/Nightsnack: Bitterballen 92 TOP-SPOTS 94 SAVE THE DATE

96 RED BULL TV-FENSTER bei ServusTV 98 KOLUMNE mit Christian Ankowitsch

CREDITS: BILD: GETTY IMAGES

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CREDITS:

Schafft Surf-Legende Kelly Slater seinen dritten Sieg in Folge beim Hurley-Pro-Event in Kalifornien? Alle wichtigen Termine des Monats ab Seite 92.


MORE BODY & MIND

DER REISE-TIPP DES MONATS

New Orleans backstage VOODOO EXPERIENCE. New

Orleans hat musikalisch weit mehr zu bieten als Jazz. DJ Brice Nice verrät, was nicht in den Reiseführern steht: die beste elektronische Musik, die besten Kleinkunstbühnen der Stadt – und wo man hingehen muss, um Drag Bingo und Nackt-Karaoke zu erleben. 82

Zur Zeit des Voodoo-Fests ist New Orleans noch ein wenig verrückter als sonst. Während es auf der Hauptbühne ordentlich zur Sache geht, tauchen Festivalgäste die ganze Stadt in Voodoo-Atmosphäre.

„In dieser Stadt ohne Sperrstunde tut man nichts lieber als feiern – und das am besten bei mehreren Partys pro Nacht. Die meisten Leute gehen kaum vor elf aus, richtig rund geht es gegen zwei, und wer etwas auf sich hält, verlässt die Clubs in New Orleans erst im Morgengrauen. Der Alltag ist so weit: Während des Voodoo-Fests von 26. bis 28. Oktober – Headliner sind Green Day, Neil Young &

Crazy Horse, Jack White und Skrillex – freuen wir uns auf noch mehr Ausnahmezustand mit großen Gigs, Night-Shows und Events an unglaublichen Schauplätzen. Deshalb: NewOrleans-Besucher, herhören! Hier ist meine Liste der besten Rock-, Dance-, Electronic- und Hip-Hop-Lokale und -Events in meiner Stadt.“ Voodoo Experience, 26. – 28. Oktober 2012, New Orleans thevoodooexperience.com

TEXT: DJ BIRCE NICE. BILDER: ANDREW GOETZ, GETTY IMAGES (4), CORBIS, SIBERIA, AMPERSAND

AUF UND DAVON


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Auf den Spuren von DJ Brice Nice durch die Nächte der Stadt, und das recht entspannt: New Orleans verzichtet auf den Luxus einer Sperrstunde.

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Heiß geht’s her im Siberia.

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7 d.b.a. Das d.b.a. hat sich mit großartiger Live-Musik und einer unglaublichen Bier-Auswahl einen Namen gemacht. Jeden Montag tritt der jazzige Sänger und Posaunist Glen David Andrews auf, jeden Mittwoch Blues-Legende Walter „Wolfman“ Washington. Auch die Treme Brass Band, Little Freddie King,

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6 Maison Auf der Frenchman Street ist ein Besuch im Maison Pflicht. Auf mehreren Bühnen gibt es dort jede Woche Jazz, Jam Funk und Hip-Hop, Brass-Bands spielen, Swing Dance wird unterrichtet, DJs legen auf. DJ Jubilee, ein Pionier des aus New Orleans stammenden Bounce-Hip-Hop, schmeißt jeden Monat eine Party. Im Oktober treten die Produzentengröße Mannie Fresh und Live-Acts wie Dan Deacon oder Hood Internet auf. Der Eintritt ist meist frei, Küche bis zehn Uhr. maisonfrenchmen.com

John Boutte, Monk Boudreaux und andere Titanen der lokalen Szene sind regelmäßig zu sehen. 100 Prozent New Orleans, 100 Prozent live, dafür steht d.b.a. Nacht für Nacht. dbabars.com/dbano 8 Ampersand Das Ampersand steht für das wahrscheinlich beste Sound-System der Stadt und eine Leidenschaft für elektronische Musik. Wenn gerade kein besonderer Event stattfindet, ist es nur am Freitag und Samstag geöffnet. Das Ampersand versprüht – für New Orleans eher untypisch – europäisches Flair. Künstler wie Skrillex, MSTRKRFT und Diplo haben hier schon Afterparty-Sets gespielt. Dazu gibt’s immer wieder Auftritte von Electronic Takeover, den jungen Helden der EDM-Szene der Stadt. clubampersand.com

Europäisches Flair im Ampersand

Treme Brass Band im d.b.a.

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Jede dieser drei Bars an der Ecke Marigny Street/St. Claude Avenue hat ihr spezielles Flair. Die Stooges Brass Band hat kürzlich das Hi-Ho übernommen und gibt jeden Donnerstagabend einen der besten Brass-Gigs der Stadt. Wandering Buddha serviert im hinteren

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3 4 5 Hi-Ho Lounge, All-Ways Lounge, Siberia

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2 The Saint Einst war The Saint eine RockerSpelunke, heute trifft man dort den verrücktesten Mix der Stadt: Auf der Tanzfläche tummeln sich Normalos, Hipster und Metal-Heads, zwischendurch trifft man auf Celebrities, die sich hier – auch weil keine Paparazzi lauern – ganz normal und entspannt geben können. Die samstagabendliche „Obsession“ ist das Baby von DJ Musa Alves, der die heißeste neue Musik mit etwas von Rappern wie Magnolia Shorty und Lil Boosie und NeunzigerHouse-Tracks mischt. Der Rest der Woche wird mit DJs und Live-Musik gefüllt, darunter auch eine CountryNacht mit Pasta am Sonntag, Karaoke mit Schwerpunkt auf polynesischem Tiki am Dienstag und manchmal auch Drag Bingo. Drag Bingo wie „Drag Queen“ trifft „Bingo“, genau. thesaintneworleans.com

Bereich vegane Gerichte aus Korea. Die All-Ways Lounge ist, wie der Name schon sagt, eine bunte Mischung aus Burlesque, Theater, Live-Musik und Tanz (Nackt-Karaoke!) in einer queerfreundlichen Kneipe, die früher mal eine Bar für schwule Cowboys war. Siberia ist ein Metal- und Punk-Club, in dem zuletzt Bands wie OFF! und EyeHateGod spielten und Gibby Haynes ein DJ-Set gab. Dazu serviert Kukhnya slawisches Soul Food. hiholounge.net, theallwayslounge.net, siberianola.com

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LOUIS ARMSTRONG PARK

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1 Mimi’s in the Marigny Bei den Hustle-Partys von DJ Soul Sister schwitzt jeden Samstagabend ein bunt gemischtes Publikum auf der Tanzfläche zu Funk-Disco-Nummern von Mitte der Siebziger bis Anfang der Achtziger. „Alligator Chomp Chomp“ bringt jeden zweiten Freitag Sounds aus dem Süden Louisianas, unter der Woche sorgt eine tolle Vielfalt an LiveBands – üblicherweise Jazz und Reggae – für Abwechslung. Die Küche serviert dazu spanische Tapas – wochentags bis zwei Uhr früh, freitags und samstags sogar bis vier. mimisinthemarigny.net

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New Orleans in zwölf Stationen

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9 Dragon’s Den Die Jungle- und Drum & Bass-Szene von New Orleans ist im Den daheim, wo jeden Donnerstag Bassbin Safari und gelegentlich auch die Below C Level-Crew Partys geben. Dazu gibt es jeden Mittwoch Dancehall-Klassiker

mit T-Roy und jeden Sonntag eine Dubstep-Show namens „Church“ mit Unicorn Fukr. An jedem letzten Freitag des Monats veranstaltet Slangston Hughes das Hip-Hop-Event „Uniquity“. Und mit den „Grassroots“ von Truth Universal bleibt das Dragon’s Den immer topaktuell. facebook.com/thedragonsden 10 Republic Das Republic ist für seine CollegePartys (jeden Freitag und Samstag) bekannt, und die monatlichen elektronischen Bassik-Partys von Bas Winter Circle Productions haben schon Leute wie Datsik und Doctor P angelockt. Zu den monatlichen Bounce-Events kommen lokale Club-Größen wie Big Freedia, Sissy Nobby und Katey Red. republicnola.com Datsik im Republic

11 Hookah Der einzige Veranstaltungsort der Stadt mit einer Auswahl an Schischas (womit sich der Name ergibt: Hookah ist die englische Bezeichnung der Wasserpfeife) ist zugleich die einzige Location mit Underground-DanceMusic im Herzen des French Quarter. Tolle Tanzfläche, beliebte Hip-HopEvents an jedem Freitag und Samstag – inklusive Dresscode und langer Warteliste. Das Wochenende beginnt am Donnerstag mit Elektronischem von Head Set; mit der Tipping-Point-Partyreihe mit DJ RQAway und der Room Service Band kann man die Woche mit Soul beenden. hookah-club.com 12 One-Eyed Jacks Pflicht für Rock ’n’ Roll-Fans, die es ins French Quarter verschlägt. Jeden Donnerstag füllen Leute in den Zwanzigern das One-Eyed Jacks bei der extrem beliebten Achtziger-Nacht zum Bersten. An den restlichen Wochentagen gibt’s Bands wie die Black Lips, Guided by Voices und Miss Pussycat. oneeyedjacks.net

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Executive Chef Roland Trettl in der K端che des Restaurants Ikarus im Salzburger Hangar-7.


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GET THE GEAR DIE AUSRÜSTUNG DER PROFIS

Hightech Cuisine

Labor, Arztpraxis, Raumschiff? Nein, Küche: Roland Trettl, Executive Chef des Salzburger Highclass-Restaurants „Ikarus“, erklärt uns seinen Arbeitsplatz. 1. Vitamix TNC 5200 Die Geschwindigkeit der MixerMesser ist von 1000 bis 24.000 Umdrehungen pro Minute stufenlos einstellbar. Damit gelingen Püree, Mayonnaise und Cremen perfekt. Auch Kräuter lassen sich bei hohen Drehzahlen bestens verarbeiten und behalten Farbe und Geschmack. 2. Bunsenbrenner Der butanbetriebene Gasbrenner erreicht eine maximale Temperatur von 1750 Grad Celsius – für mich unerlässlich zum Abflämmen von Gerichten wie Crème brûlée. 3. Verflüssigter Stickstoff Ein wichtiges Utensil in der Molekularküche. Der Stickstoff besitzt im flüssigen Aggregatzustand einen Siedepunkt von minus 196 Grad und wird zum Gefrieren von Speisen und Flüssigkeiten verwendet.

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4. Spritzenpresse Um geleeartige oder gefrorene aromatische Perlen zu kreieren, wird der Spritzeninhalt (befüllbar mit Säften oder gelierten Massen unterschiedlichster Aromen) in Öl oder Stickstoff getropft. Durch Drehen des Hebels lassen sich mehrere Spritzen gleichzeitig drücken.

TEXT: ULRICH CORAZZA. BILD: PHILIPP FORSTNER

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5. Julabo Wärmethermostat Mit dem Thermostat lassen sich Temperaturen bis 90 Grad exakt einstellen und auch halten. Ich verwende es bevorzugt zum Niedertemperaturgaren, um eine schöne Konsistenz von Fleisch und Fisch zu erzielen. 6. Saftpresse „Green Star“ Diese Presse entsaftet alles: Kräuter wie Basilikum oder Petersilie, Früchte und Gemüse. Der Entsafter arbeitet mit zwei nebeneinanderliegenden Edelstahl-Presswalzen bei nur 110 Umdrehungen pro Minute und verursacht daher keine Hitzeschädigung der Lebensmittel.

So bleiben selbst die empfindlichen Vitamine und Enzyme aus den Kernen (z. B. von Kiwis oder Erdbeeren) erhalten. 7. Big Green Egg XL Bei dem 103 Kilo schweren Kohlegrill mit Keramikglasur wird Luft von unten in das Gerät zugeführt – das erhitzte Gas strömt oben wieder aus. Mit dem bis zu 400 Grad Celsius genauen Thermometer erreicht man ideale Ergebnisse beim Grillen, Braten, Räuchern oder Aufbacken. 8. Rigips Mit handelsüblichem Stuckgips (Mindestdruckfähigkeit 6 N/ mm²) aus dem Baumarkt werden (Aktiv-)Formen modelliert, die nach 20 Minuten ausgehärtet sind. Hier: eine Trüffelform für eine Neuinterpretation des Rezepts „Kalbsbries Rumohr“. 9. Shera Duosil H Silikon Aus dem (blauen) weichen und elastischen Dubliersilikon werden Negativformen der Gipsmodelle angefertigt. 10. Turning Slicer Eine praktische Küchenhilfe zur Herstellung von Obst- und Gemüsescheiben. Man spannt z. B. einen Apfel ein, dreht an dem Hebel – und der gesamte Apfel wird zu einer einzigen langen, fein geschnittenen Scheibe verarbeitet.

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Scheibchenweise: Japanischer Turning Slicer www.hangar-7.com/ikarus

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MORE BODY & MIND

WORK OUT TRAINIEREN WIE DIE PROFIS

Musterschüler TOREY PUDWILL. Wie der US-Streetskater nach zwei Knochenbrüchen wieder auf die Beine kommt.

„Ich achte mittlerweile sehr genau auf mich“, sagt Torey Pudwill, der 22-jährige Streetskater. „Das war nicht immer so. Mich richtig zu ernähren, meinem Körper das zu geben, was er Torey Pudwill braucht … das alles sind Dinge, die ich nach den beiden Unfällen erst lernen musste.“ Ende 2011 brach er sich den Knöchel, im Frühjahr 2012 die Hand – davor hatte sein Trainingsprogramm wie das jedes anderen Skaters ausgesehen: aufstehen, ab in den Park, skaten. „Die Zeit der Arbeit am Comeback ist aber wie ein Lehrgang für mich, wie man ein besserer Sportler wird und obendrein auch ein gesünderes Leben führt.“ Für Pudwills Trainer Dr. David Sales vom South Coast Spine Center im südkalifornischen Capistrano Beach ist ebendieses neue Selbstverständnis als Athlet der große Unterschied zwischen seinem Schützling und den meisten anderen Skatern, „bei denen das Aufwärmprogramm am Morgen aus einer Zigarette und einem Kaffee bei Starbucks besteht“.

Das Kabinett des Dr. Sales Pudwills Tage beginnen sehr oft im Auto: Zwei Stunden dauert die Fahrt von seinem Zuhause im San Fernando Valley zum Training bei Dr. David Sales im Orange County. Und dann? Montag bis Freitag: Ich verbringe viel Zeit liegend, und zwar auf einem vibrierenden Chiropraktikertisch. Eine Art Rolle bewegt sich entlang meiner Wirbelsäule auf- und abwärts, was deren Beweglichkeit verbessert. Zugleich wird dadurch die Muskulatur stimuliert und gelockert. Verletzungen werden mit einem kalten Laser behandelt, um den Stoffwechsel anzuregen, den Heilungsprozess zu beschleunigen und Entzündungen zu vermeiden – zusätzlich wird Kryotherapie angewandt. Dafür braucht Dr. Sales nichts weiter als ganz normales Eis.

Als Nächstes folgen eine Ultraschallbehandlung, die mein Gewebe lockert und aufwärmt, eine chiropraktische Behandlung – „Active Release Therapy“ –, die zwar sehr schmerzhaft ist, aber danach weiß ich, dass alle Sehnen, Bänder und Muskeln so sind, wie sie sein sollen. Nach leichtem Stretching geht es weiter mit Beweglichkeits- und Kräftigungstraining auf der Power Plate. Dann wechseln wir auf das Balancebrett oder den BOSUBalance-Trainer, wobei mir Dr. Sales Bälle zuwirft, die ich mit einer Hand fangen muss. Am Ende des Trainings versuche ich mit geschlossenen Augen auf dem Balancebrett zu stehen. Samstag und Sonntag: Skaten, Skaten und nochmals Skaten.

„TPud“ folgen: www.twitter.com/toreypudwill1

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TEXT: ANN DONAHUE. BILDER: ATIBA JEFFERSON/RED BULL CONTENT POOL

Von chiropraktischen Behandlungen bis Ultraschall: Torey wird mit einem Mix an Methoden fit gemacht.


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Nightlife Die Macht der Nacht

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Nachtsafari BESUCHEN: 1994 eröffnet, war die preisgekrönte „Singapore Night Safari“ der weltweit erste Nachtzoo. ENTDECKEN: Das 35-Hektar-Areal mit seinen sieben Themengebieten ist von 19.30 Uhr bis Mitternacht zu Fuß oder mit einer kleinen Bahn zu erkunden. ERLEBEN: Aus nächster Nähe beobachtet man 137 Spezies und über 2500 verschiedene (nachtaktive) Tiere wie Großkatzen, Flugeichhörnchen, Vögel oder Affen. WEITERE NACHTZOOS: Chiang Mai Night Safari (Thailand), Panyu Changlong Night Animal World (China), Greater Noida Night Safari in Uttar Pradesh (Indien) und Zoo Taiping (Malaysia)

OUT NOW

Raus aus New York! Grizzly Bear und ihr neues Meisterwerk „Shields“: vom Wiedersehen in der Waldhütte und Stars im Fanclub. Grizzly Bear ist ein Indie-Rock-Quartett aus New York. Vor drei Jahren trat die Band mit „Veckatimest“ einen Hype los. Mit einer Platte voller zerkratzter Pop-Rohdiamanten, verwischt, verwaschen, spröde. Ein großartiges, experimentelles Album, das im Normalfall nur Kritiker erreicht. „Veckatimest“ allerdings schoss schon in der ersten Woche in die Top Ten der US-Charts. In den drei Jahren seit dem letzten Album habt ihr auch solo Musik gemacht. Wie war das erste Wiedersehen? Ed Droste: Wie zum Schulanfang, wenn man sich nach den langen Ferien zum ersten Mal wiedersieht. Ihr habt euch fürs Songschreiben in ein altes Haus nördlich von New York zurückgezogen. Warum? Christopher Bear: In New York ist man leicht abgelenkt: Geburtstage, Haustiere, Konzerte. Um Songs zu schreiben,

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muss man die richtige Stimmung finden. Und das klappt dort? Droste: Es gibt in meilenweitem Umkreis keine Nachbarn. Morgens sammeln wir im Wald Holz zum Heizen, am Nachmittag fangen wir zu arbeiten an. Zu euren prominenten Fans zählen Beyoncé und Jay-Z. Wie kam das? Bear: Beyoncés kleine Schwester Solange Knowles hat ihnen unsere Musik vorgespielt, seitdem unterstützen sie uns. Schon cool, dass heute Mainstream-Künstler wie Rihanna oder Beyoncé auf kleinere Bands wie The xx oder eben uns stehen.

„Shields“ von Grizzly Bear erscheint am 18. 9.; Tourdaten und Hörproben auf: www.grizzly-bear.net

NIGHT QUOTE

” Probier zuerst nüchtern, was du betrunken machen wolltest. So lernst du, deinen Mund zu halten. “ Ernest Hemingway (1899–1961), Schriftsteller


COCKTAIL

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„Der Del Rio ist ein klassischer Unisex-Cocktail“, sagt Josh Harris, preisgekrönter Barkeeper und Chef des Getränke-Beratungsunternehmens Bon Vivants in San Francisco. „Wenn du einen Drink willst, den alle Leute im Lokal mögen, mixt du ihnen diesen Cocktail.“ Harris’ These: Männer mögen den Tequilageschmack, Frauen den Holunderblütenlikör. „Dazu kommt der Sherry als Wild-Card-Zutat.“ Das heißt? „Sherry besitzt geschmackliche Tiefe und gibt dem Cocktail seine Nuance.“ ZUTATEN 4 cl Tequila Ocho Plata 2 cl St. Germain Elderflower Liqueur 2 cl Fino Sherry (Hersteller nach Wahl) 4 Spritzer Angostura Orange Bitters Glastyp: Coupe Styling: Grapefruitschale

ZUBEREITUNG Zutaten in den Mixbecher geben. Eis dazugeben und umrühren, bis sich der Drink gut verdünnt hat. In ein vorgekühltes CoupeGlas gießen und mit einer Grapefruitschale garnieren.

TEXT: FLORIAN OBKIRCHER. BILDER: BARBARA ANASTACIO, DDP, THE HOXTON (4), FOTOSTUDIO EISENHUT & MAYER

THE HOXTON 69 Bathurst Street, Toronto, Ontario, Kanada www. thehoxton.ca

CLUB

Swag zum Reinkommen The Hoxton. In Toronto feiern die Trendsetter am liebsten in einer ehemaligen Druckerei. Zwischen Künstler-Flair und krachigen Dance-Sounds von DJs wie Skrillex und Diplo. Ihr habt den Club eröffnet, weil … … es in Toronto Bedarf an einer vielseitigen Location für 700 Leute gab. Der Name bezieht sich … … auf das Künstlerviertel in London. Eure Ausgangsidee war …

… eine alte Fabrik in einen multifunktionalen Ort mit Galerie-Flair zu verwandeln. Ihr habt euch für das King-West-Viertel entschieden, weil … … es Torontos nächtliche Hauptschlagader ist. Mit vielen Clubs und Bars. Von außen sieht der Club aus wie … … eine alte Lagerhalle. Ursprünglich war hier seit 1890 eine Druckerei. Das Interieur erinnert an … … Banksys Film „Exit Through the Gift Shop“. Los geht’s … … gegen Mitternacht. Eure Stammgäste sind … … Hipster und Trendsetter. Um am Türsteher vorbeizukommen, sollte man … … lässig und charismatisch sein. Man sollte „Swag“ haben! In eurer verrücktesten Nacht … … battelten sich Skrillex und Diplo. Richtig ab geht’s, wenn der DJ … … „Levels“ von Avicii auflegt. Den besten Mitternachtssnack hat … … The Counter im Thompson Hotel. Interview mit den Club-Betreibern Jesse Girard und Richard Lambert

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„PERSONA“ Ich stieß vor zwei Jahren auf den Film. Eigentlich zufällig – über die Empfehlung auf einer Kino-Website. Schon die Ausgangssituation fand ich spannend: Es gibt im ganzen Film nur vier Figuren, eine davon ist quasi stumm und spricht nur 14 Worte. Und trotzdem zieht einen der Streifen in seinen Bann. Es ist grandios und inspirierend, wie man mit so wenigen Zutaten, mit so spärlichen Elementen ein solches Meisterwerk schaffen kann.

TAKE 3

Lernen von Bergman Vampire Weekend machen Indie-Rock ohne Scheuklappen und mit afrikanischen Gewürzen. Bassist Chris Baio erklärt, wie ihn der schwedische Meisterregisseur Ingmar Bergman inspiriert. Als vor vier Jahren das Debütalbum von Vampire Weekend erschien, stand die Musikwelt kopf. Weil das, was da aus den Boxen drang, so anders klang als jede Rockmusik davor. Ghanaische Highlife-Musik, gepaart mit Indie-Rock-Gitarren, ostafrikanische Rhythmen, gespielt mit Punk-Drums. Irgendwie in der Tradition von Paul Simons „Graceland“, aber viel frischer und wilder. Statt nach der letzten Tournee auf Urlaub zu gehen, nutzte Bassist Chris Baio die Zeit, um seiner Zweitleidenschaft zu frönen: der elektronischen Musik. Gerade erschien sein Solo-Werk „Sunburn Modern“, auf dem der 27-Jährige Steeldrums mit entschleunigten House-Beats vermählt, süßlich zirpende Synthesizer mit exotischen Trommeln: Mit seinen Tracks lässt er die Sonne auf den Dancefloor scheinen. Als Inspiration dienen ihm in erster Linie … Filme! Sein Lieblingsregisseur: Ingmar Bergman. „An Bergmans Streifen kann ich mich nie sattsehen. Sie begeistern mich, und auch als Musiker kann ich von seiner Arbeit viel lernen.“

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„HERBSTSONATE“ Ein spätes Bergman-Meisterwerk: Eine berühmte Konzertpianistin besucht ihre Tochter und erkennt, dass sie zwar ein glamouröses Leben geführt hat, aber nicht die beste Mutter war. Der Film hat mich inhaltlich sehr berührt. Weil ich selber viel auf Tour bin und irgendwann mal selbst Kinder haben will. Sehr beeindruckend und clever ist außerdem der subtile Einsatz der Herbstfarbe Rot als Klammer für die Geschichte – um dem Titel zu entsprechen.

„LICHT IM WINTER“ Ein toller Film. Allerdings fast noch besser: die Making-of-Doku auf der DVD, die das Genie Bergman beim Arbeiten zeigt. Sehr faszinierend: Er hat immer schon vorausgedacht. Während eines Films war er schon im nächsten. Mit einer Band kannst du so leider nicht arbeiten, weil du bei Erscheinen der Platte erst mal auf Tour gehen musst. In der elektronischen Musik ist das leichter, deshalb finde ich sein Multitasking sehr inspirierend.

NIGHTSNACK

Amsterdam: Bitterballen Fett und kugelrund: Niederländische Nächte regiert der frittierte Fleischball. WO IST DER BAL(L) …? Bitterballen werden in Amsterdam zwar auch an Ständen auf der Straße verkauft. Kernzone sind aber die alten holzgetäfelten Pubs, wegen ihrer Patina auch „braune Kneipen“ genannt.


Text: klaus kamolz. Bilder: Rex Features (2), Kobal Collection (2), fotostudio Eisenhut & Mayer

… und was steckt drin? Grundzutaten sind kaltes ­gekochtes Rind- oder Kalbfleisch und einigermaßen ­gereifter Gouda. Daraus wird mit Ei, Mehl, Muskat, Pfeffer und Salz eine Masse geknetet, die dann zu Bällen geformt, ­paniert und in Fett heraus­ gebacken wird. Dazu gibt’s bloß ein wenig Senf.

Wie viel muss man essen? Bitterballen werden ab einer Menge von einem halben Dutzend serviert. Davon kann man sich keinesfalls überessen, denn die Kugeln haben üblicher­ weise einen Durchmesser von nur drei Zentimetern. Warum heiSSen die so? Schmecken nicht bitter, ­werden aber so genannt – aus historischen Gründen: Früher waren Bitterballen vor allem Beigabe zu Magenbitter, in den Niederlanden bittertje.

Hardcore-Bitterballen Bier und Brand – das ist eine speziell im Norden Europas beliebte Kombination für Nachtschwärmer. In Amsterdam wird dazu ein Jenever, der nationale Wacholderschnaps, entweder gleich ins Bier gekippt oder ­extra zu Bier und Bal(l) gereicht. Der stimmige Name die­ ses prozentigen Doppelpacks: kop­stoot (deutsch: Kopfstoß).

Kombipackung Bitterballen ohne Alkohol – das geht eigentlich gar nicht. Schließlich sind die Dinger ja auch deshalb so fett, um ein standfestes Fundament aus fester Nahrung bilden zu können. Damit niemand vergisst, ein Bier zu den Bällen zu bestellen, gibt es die sogenannte bittergarnituur: sechs Bitterballen und ein Pils.

Der goldene Ball Alljährlich verleiht ein niederländisches Getränkefachblatt den „gouden [= goldenen] bitterbal“ für Verdienste um die Erhaltung traditioneller Kneipenatmosphäre mit allem, was dazugehört. Wer beim amtierenden Sieger einkehren will, geht ins Café Hoppe (www.­ cafehoppe.com). Acht Stück Bitterballen: fünf Euro; geöffnet ist bis zwei Uhr früh.

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September 2012 10

Sport

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13. – 16. 9., CARDIFF, WALES

WRC Wales Rally GB Die britische Rallye feiert ihren 80. Geburtstag und empfängt das Star-Starterfeld um Weltmeister Sébastien Loeb und seinen Teamkollegen und ersten Verfolger Mikko Hirvonen in den Wäldern rund um die walisische Hauptstadt Cardiff – ausnahmsweise im September statt im November, dafür wie gewohnt mit einem heimtückischen Mix aus pfeilschnellen Schotterpfaden und engen Forstwegen. Immer wieder entscheidend sind Nebel und Regen: Die Nässe furcht tiefe Spurrillen in die matschigen Straßen und macht den Lauf zum rutschigsten des Jahres.

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15. – 23. 9., TRESTLES, KALIFORNIEN, USA

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ASP World Championship Tour Die „Seele des Surfens“ ist bekanntlich vor der Küstenstadt San Clemente angesiedelt: Die hohe Brandung in Trestles mit dem besten „Great Ride“ Kaliforniens ist der optimale Austragungsort für das Hurley Pro. Und ein besonderer Spot für Kelly Slater: 2007 übernahm der Amerikaner mit seinem 34. Karrieresieg hier die Führung in der ewigen Bestenliste, im Vorjahr legte er mit dem Heimsieg die Basis zu seinem elften WM-Titel – der den damals 39-jährigen Slater zum ältesten ASP-Champion der Geschichte machte.

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WM-Titelverteidiger Mark Cavendish (GBR)

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15. – 23. 9., LIMBURG, NIEDERLANDE

23. 9., MARINA BAY STREET CIRCUIT, SINGAPUR

UCI-StraßenWeltmeisterschaften Auch wenn es Neuerungen im Programm gibt wie ein Mannschaftszeitfahren (erstmals seit 1994 wieder) und die Aufnahme der Jugendbewerbe: Bei der 79. Ausgabe der UCI-Straßen-WM ist das Rennen der Männer-Elite das allseits mit Spannung erwartete Highlight. Mark Cavendish, 27, muss sich auf eine sehr schwierige Verteidigung seines Regenbogentrikots gefasst machen: Der enge, hügelige 265-Kilometer-Kurs in der Provinz Limburg führt über den 1200 Meter langen Anstieg des Caubergs – alles andere als ein Vorteil für den Sprinter von der Insel Man.

Formel-1-Grand-Prix von Singapur

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Im nächtlichen Singapur: Vettels Triumph 2011

Das einzige Nachtrennen im Formel-1-Kalender wird seit 2008 auf dem 5,073 km langen Marina Bay Street Circuit ausgetragen. 1485 Scheinwerfer erhellen den Kurs, der zu 70 Prozent auf ansonsten öffentlichen Straßen gefahren wird. Die Kombination aus High-Speed-Gerader und der höchsten Kurvenanzahl aller Formel-1-Strecken (26) stellt enorme Anforderungen ans Getriebe. Im Vorjahr durfte sich Sebastian Vettel über einen Start-Ziel-Sieg und den ersten Erfolg im südostasiatischen Stadtstaat freuen.

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Kelly Slater: dritter Sieg in Folge beim Hurley Pro?


MORE BODY & MIND

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Seltsame Gebilde am Strand von Currumbin (AUS) 22. 9., KAPSTADT, SÜDAFRIKA

Earthdance 14. – 16.9., CHICAGO, USA

Riot Fest

Die Auflösung der Lieblingsband – für jeden Musikfan ein Trauertag. Das Riotfest möchte solche Wunden heilen, indem man alte Helden zu einer Reunion überredet – oder sie noch einmal auf die große Bühne holt. The Stooges, Offspring oder The Jesus and Mary Chain sorgen für Nostalgie, während junge Bands wie AWOLNATION und The Gaslight Anthem zeigen, dass Punk auch heute noch elektrisiert.

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27. 9. , WADI SHAB, OMAN

Red Bull Cliff Diving World Series

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28./29.9. DUBAI, VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE

Red Bull Flying Bach Vor zwei Jahren feierte die fulminante TanzShow in Berlin ihre Premiere. Seitdem sind die Aufführungen europaweit ausverkauft und werden mit Standing Ovations gefeiert: Mit „Red Bull Flying Bach“ transportieren die Breakdance-Weltmeister Flying Steps die Barock-Musik von Johann Sebastian Bach ins 21. Jahrhundert. Zu Präludien und Fugen drehen sie sich auf ihren Köpfen, zu Piano- und CembaloKlängen zeigen sie waghalsige Moves. Im Herbst geht die Show nun auf große Welttournee, die das Team von Dubai bis nach Tokio führt. AlleTour-Daten gibt’s auf www.redbullflyingbach.com.

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Gary Hunt 2010, Gary Hunt 2011 – schafft der Brite 2012 seinen dritten WM-Titel in Serie? Endgültig beantwortet wird diese Frage beim siebenten, finalen Stopp der Red Bull Cliff Diving World Series. Dabei wird im Sultanat Oman erstmals in der Geschichte des Bewerbs arabischer Boden betreten – und verlassen: Hunt, Orlando Duque und ihre Mitstreiter stürzen sich von der 27 Meter hohen Plattform in eines der sieben smaragdgrünen, natürlichen Wasserbecken des Wadi-Shab-Flusstales in der Nähe des Dorfes Tiwi, 130 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Maskat.

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BILDER: GETTY IMAGES (4), DANIEL MICHAUD, REZI KENIA/RED BULL CONTENT POOL

300 Locations, über 60 Länder, eine Botschaft: Earthdance ist ein Netzwerk globaler Veranstalter, die jedes Jahr zeitgleich das größte weltumspannende Dancemusic-Festival ausrichten – zugunsten humanitärer Zwecke. Der Höhepunkt ist das „Prayer for Peace“, bei dem weltweit zu ein und demselben Zeitpunkt des Friedens gedacht wird. Eine der größten und besten Earthdance-Partys findet traditionell in Kapstadt statt, wo das Red Bull Studio Cape Town die Bühne mit DJs und lokalen (Musik)helden beschickt.

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Kultur

Vollgas: Brian Fallon von The Gaslight Anthem 14. – 23. 9., CURRUMBIN BEACH, AUSTRALIEN

Bestival

Swell Sculpture Festival

1970 feierten Jimi Hendrix, The Doors und Co auf der grünen Insel vor Englands Südküste ein europäisches Pendant zum Woodstock-Festival. Heute sind es junge Künstler wie Friendly Fires, The xx, Azealia Banks und Frank Ocean, die gemeinsam mit 60.000 Besuchern die Isle of Wight rocken. Dabei geht’s heute bunter zu als damals: Vorletztes Jahr verdiente sich das Bestival einen Eintrag ins GuinnessBuch der Rekorde – als größte Kostümparty der Welt. Das diesjährige Motto lautet übrigens „Wilde Tiere“.

Die besten Skulpturen an der australischen Gold Coast gibt’s nicht im Museum, sondern am Strand: 50 internationale Künstler stellen sich der Aufgabe, den Küstenstreifen der Kleinstadt Currumbin in eine Phantasiewelt zu verwandeln: mit erleuchteten Bronzefiguren, Rohrtentakeln, vermeintlich gestrandeten Glashaien oder riesigen Ohrmuscheln, mit denen man das Meer rauschen hört. 180.000 Kunstliebhaber zieht das Strand-Spektakel alljährlich an – für Badegäste wird’s da eng in diesem Freiluftmuseum.

6. – 9. 9., ISLE OF WIGHT, GROSSBRITANNIEN

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Die Breakdance-Weltmeister im Barock-Fieber

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MORE BODY & MIND

Zähes Vorankommen in den unwegsamen Lienzer Dolomiten

Save the Date

September 2012 20. – 30. SEPTEMBER, ZÜRICH

Zurich Film Festival

14. – 16. SEPTEMBER, HINTERGLEMM (AUT)

Festival of Trial

Das Who’s Who der Trialszene findet sich im salzburgischen Hinterglemm ein. Ausnahmekönner Adam Raga, Trial-Ikone Dougie Lampkin oder die elffache Weltmeisterin Laia Sanz kämpfen auf neun anspruchsvollen Sektionen auch 2012 im Rahmen des Festivals of Trial wieder um die „Goass-WM“. Die konnte sich letztes Jahr, wie bereits 2010, der Spanier Adam Raga sichern. 13. – 16. SEPTEMBER, STECHELBERG

ProBASE Wingsuit Race Der Absprung erfolgt von einer Felswand in 800 Meter Höhe, dann 20 Sekunden freier Fall, die Geschwindigkeit erreicht 200 km/h – ehe der Fallschirm geöffnet wird. Zum vierten Mal ermittelt das ProBASE Wingsuit Race in Stechelberg den BASE-Jump-Weltmeister. Gesprungen wird paarweise, wer in der Luft zuerst die 1000 Meter entfernte Ziellinie passiert, ist weiter. 2011 kämpften 24 Starter aus 13 Nationen in Zweikämpfen um diesen Titel. Sieger: Dave Barlia (USA). 2012 kann man die WM direkt am Wettkampfgelände (Bletschenwiese) mitverfolgen.

Zweikämpfe im freien FallMe lamet atet quo iunt über dem Lauterbrunnental

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7. – 9. SEPTEMBER, LIENZ (AUT)

Red Bull Dolomitenmann Der extremste Staffelbewerb der Welt feiert sein 25-Jahr-Jubiläum. Heuer wird das Starterfeld auf 125 Vierer-Teams – mit je einem Spezialisten der Disziplinen Berglauf, Paragleiten, Wildwasserkajak und Mountainbiken – aufgestockt, welche die erbarmungslose Strecke in den Lienzer Dolomiten auf sich nehmen. Zunächst kämpfen sich die Bergläufer den elf Kilometer langen Anstieg über 1950 Höhenmeter zum „Kühbodentörl“ empor. Von dort schweben die Paragleiter aus 2441 Meter Seehöhe (inklusive Zwischenlandung und -sprint) zurück ins Tal. Die Kajakfahrer, die nun übernehmen, stürzen sich per 7-Meter-Startsprung in die Drau zur fünf Kilometer langen Wildwasserregatta – noch dazu flussaufwärts! Zum Abschluss entscheiden die Cross-Country-Mountainbiker, welches Team das „härteste unter der Sonne“ ist. www.redbulldolomitenmann.com

20. – 23. SEPTEMBER, BASEL

Artyou – Urbane Kunst Basel Einen profunden Einblick in Strassenkunst bietet die Basler Schau Artyou, die sich seit 2006 zu einer der grössten Ausstellungen urbaner Kunst in der Schweiz entwickelt hat. In der Halle des Ackermannshofes kann man Ende September die neuesten Arbeiten talentierter lokaler sowie international renommierter Künstler bestaunen. Darunter die Plastiken des Basler Kollektivs Cicolupo, die mit Flammenwerfer traktierten Bilder des italienischen Graffiti-Stars Rae Martini oder Collagen des Zeichners Bruno Santinho. Ein Highlight im Vorfeld: Von 17.

Urban Art in der Halle des Ackermannshofes

bis 20. September nutzt die französische Street-Art-Ikone Alëxone, dessen Bilder schon im Centre Pompidou zu sehen waren, die Artyou-Wall am Allschwilerplatz für ein Live-Painting. www.artyou.ch

TEXT: ARKADIUSZ PIĄTEK. BILDER: ERWIN POLANC/RED BULL CONTENT POOL, DIMITRIOS KONTIZAS, ARTYOU.CH

2011 verzeichnete das Zurich Film Festival einen Zuschauerrekord: 51.000 Besucher sahen Werke junger Filmemacher, die in vier Kategorien um das Goldene Auge konkurrierten. Der internationale Wettbewerb bleibt auch 2012 das Herzstück des Festivals. Daneben laufen, ausser Konkurrenz, zahlreiche Premieren mit Starbesetzung wie der Eröffnungsfilm „Savages“ von Oliver Stone.


K A I N R AT H S K A L E N D E R B L AT T

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MORE BODY & MIND

VOLLES PROGRAMM Das Red Bull TV-Fenster bei ServusTV: Jede Menge Action auf Ihrem Bildschirm. www.servustv.com

MONTAG, 3. SEPTEMBER, 22.35 UHR

NASCAR Sprint Cup Series „Real Racing“ lautet der Slogan des High-SpeedKurses in Atlanta, Georgia – beim vorletzten Rennen vor Beginn des „Chase for the Sprint Cup“.

Momentum – What drives you Seit frühester Kindheit sitzt BMX-Fahrerin Mariana Pajon auf dem Rad. Mit knapp 21 Jahren hat die Kolumbianerin bereits 14 WM-Titel errungen. Doch eines fehlt in ihrer Sammlung – eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen. Die „BMX-Queen“ gewährt Einblicke in die akribische Vorbereitung auf den wichtigsten Tag ihrer sportlichen Karriere – den Finallauf in London, bei dem sich Pajon ihren großen Traum erfüllte.

SONNTAG, 16. SEPTEMBER, 22.45 UHR

Der Weltenbezwinger Dokumentation über den ehemaligen Rugbyspieler Richard Parks, der in weniger als sieben Monaten die „Seven Summits“ sowie beide Pole bezwang.

MITTWOCH, 26. SEPTEMBER, 21.15 UHR SONNTAG, 23. SEPTEMBER, 13.00 UHR

Live: Red Bull Flugtag Wien Dort, wo vor 20 Jahren alles begann, stürzen sich heuer zum bereits achten Mal 40 tollkühne Piloten mit ihren Fluggeräten in die Brigittenauer Bucht.

So sind Sie im Bild 96

Durch den Amazonas-Dschungel 15 Personen begeben sich auf eine Expedition durch den Amazonas … nur zwei beenden diese. Auf den Spuren des Abenteurers Percy Fawcett werden Bruce Barron und Marshall Pickard mit Eingeborenen, wilden Tieren und Verrat konfrontiert. Sie finden ServusTV mit dem Red Bull TV-Fenster nicht auf Ihrem Fernsehgerät? Rat und Hilfe zum Nulltarif unter

0800 100 30 70

BILDER: CAMILO ROZO/RED BULL CONTENT POOL, BRUCE BARRON, GETTY IMAGES/RED BULL CONTENT POOL, NICK HARTLAND, PREDRAG VUCKOVIC/RED BULL CONTENT POOL

SAMSTAG, 15. SEPTEMBER, 10.40 UHR


PROMOTION

MUST-HAVES! 1 PIEPS GLOBALFINDER IRIDIUM Nach dem Welterfolg des Lawinenpieps bringt die PIEPS GmbH ein neues OutdoorGerät auf den Markt. Die Iridium-SatellitenVerbindung gewährleistet unabhängig vom GSM-Netzwerk weltweite Nachrichtenübermittlung sowie eine weltweite Notruffunktion. Funktionen wie GPS, Kompass, Höhenmesser, Wetterdatenservice und LIVE-Tracking über Online-Maps machen das Gerät in Berg-, Flug- und Wassersport anwendbar.

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2 DOSH – VERY COMPACT WALLETS! Die in Sydney/Australien entwickelte und hergestellte „Aero“-Serie der DOSH Brieftaschen überzeugt durch das einzigartige Design, ihre Farben und Materialien und ist passend für alle Währungen weltweit! Ein Eye-Catcher beim Gebrauch im City-Jungle, ein Must-have beim Einsatz im Extremsport, weil handlich, wasserfest und praktisch unzerstörbar! Alle DOSH Wallets jetzt im CEEPLE-LIFESTYLE-STORE!

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POW(D)ER WEEKEND IM OKTOBER AUF DEM HINTERTUXER GLETSCHER Erste Spuren auf glitzerndem Pulverschnee ziehen und unter strahlendem Sonnenschein die Wintersaison einläuten – das Pow(d)er Weekend lockt bereits im Oktober Schneehungrige, Sommermüde und Sonnenanbeter auf den Hintertuxer Gletscher. Bei ausreichend Schnee starten die weiteren Zillertaler Skigebiete Ende November/ Anfang Dezember in den Bergwinter. 12. –14. 10., Hintertuxer Gletscher 3

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SONY WALKMAN® – FÜR DEN SPORT Die W-Serie passt perfekt zum aktiven Lifestyle aller Athleten und Hobbysportler. Wasserabweisendes Gehäuse, keine Kabel, großartiger Klang und komfortables Hörvergnügen machen den neuen Sony WALKMAN® zum optimalen Sport-Begleiter. Durch die Drag & Drop-Funktion können Titel problemlos von iTunes und Media Player übertragen werden! 4

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www.sony.at/walkman 5 AUSSEHEN WIE EIN CHAMPION! Das schwedische Modelabel BJÖRN BORG stellt eine Serie funktioneller und modischer Unterwäsche vor, die dich wie einen Champion aussehen lässt. Beim Laufen und auf der Tanzfläche! Für Herren ab € 28,–, für Damen ab € 25,–.

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Ankowitschs Kolumne belebt Körper und Geist

Mit Händen und Füßen Wer ein Mathematik-Genie werden will, sollte beim Zählen die Finger zu Hilfe nehmen. Die beiden Wissenschaftler haben sich genauer angesehen, wie wir Menschen unsere Finger verwenden, um zu zählen; zum Beispiel, als wir kleine Kinder waren und uns veranschaulichen wollten, wie viele Gummibären wir eben bekommen hatten. Die überraschende Erkenntnis: Welche Finger wir wie verwenden, variiert je nach Kultur. Wie wir Europäer es anstellen, wissen Sie. Wenn nicht, zählen Sie bitte kurz die Buchstaben im eben verwendeten Wort „Europäer“ ab. Und? Höchstwahrschein-

lich haben Sie dazu die rechte Hand zur Faust geballt, mit dem Daumen begonnen und dann einen Finger nach dem anderen aufgeklappt – bis Sie bei der linken Hand mit dem Mittelfinger geendet sind. Wenn Sie hingegen die rechte Hand geöffnet und mit dem Einklappen des kleinen Fingers zu zählen begonnen haben, dann dürften Sie aller Wahrscheinlichkeit nach in Japan groß geworden sein, denn dort macht man das traditionellerweise so. Wenn Sie nie dort waren, schlummert eine andere verborgene Begabung in Ihnen, aber das ist ein anderes Thema. Der Hintergrund der wissenschaftlichen Suche nach den Geheimnissen des Zählens mit den Fingern: Die beiden Wissenschaftler wollten herausfinden, ob unsere Angewohnheit, beim Rechnen die Finger zur Hilfe zu nehmen, sich auf unsere mathematischen Fähigkeiten auswirkt. Erste Anzeichen deuten in diese Richtung: Wer dazu in der Lage ist, sein Rechnen gleichsam in die Finger auszulagern, und wer dabei besonderes Fingerspitzengefühl beweist, der entwickelt auch höhere mathematische Kompetenzen. Erste Ergebnisse, wie gesagt. Für den so einfachen wie praktischen Tipp, beim Rechnenlernen vorzugehen wie zum Beispiel die Menschen auf PapuaNeuguinea, die auch die Zehen zu Hilfe nehmen, mag es ein wenig früh sein. Aus eigener Erfahrung hingegen weiß ich, dass es überaus hilfreich ist, sich an einer Hand auszurechnen, ob man das mit Elektronik vollgestopfte Auto stehen lassen soll – oder nicht. Ich bin noch jedes Mal zu Fuß gegangen. Christian Ankowitsch, 53, ist ein österreichischer Journalist, Schriftsteller und Lebenshelfer. Er lebt mit seiner Familie in Berlin. Sein neuestes Buch „Mach’s falsch, und du machst es richtig“ ist bei Rowohlt erschienen.

THE RED BULLETIN Schweiz: Herausgeber und Verleger Red Bull Media House GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Alexander Macheck (Stv.) General Management Print Mag. Alexander Koppel Verlagsleitung Franz Renkin Creative Director Erik Turek Art Director Kasimir Reimann Fotodirektion Fritz Schuster Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitender Redakteur Werner Jessner Redaktion Ulrich Corazza, Florian Obkircher, Arkadiusz Pia˛tek, Andreas Rottenschlager Mitarbeiter Stefan Wagner Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Silvia Druml, Miles English, Kevin Goll, Carita Najewitz Fotoredaktion Ellen Haas, Catherine Shaw, Rudi Übelhör Senior Illustrator Dietmar Kainrath Autor Christian Ankowitsch Illustratoren Albert Exergian, Mandy Fischer Corporate Publishing Boro Petric (Ltg.); Christoph Rietner, Nadja Žele (CR); Dominik Uhl (AD); Markus Kucˇera (FD); Lisa Blazek (Red.); Christian Graf-Simpson, Daniel Kudernatsch (iPad) Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Karsten Lehmann, Josef Mühlbacher Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher (Ltg.), Walter Sádaba Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Finanzen Siegmar Hofstetter, Simone Mihalits Marketing & Country Management Barbara Kaiser (Ltg.), Stefan Ebner, Nicole Glaser, Klaus Pleninger, Elisabeth Salcher, Lukas Scharmbacher, Peter Schiffer, Julia Schweikhardt, Sara Varming Anzeigenverkauf Alfred Vrej Minassian (Ltg.), Thomas Hutterer, Romana Müller; anzeigen@at.redbulletin.com Anzeigendisposition Sabrina Schneider O∞ce Management Anna Jankovic (Ltg.), Manuela Geßlbauer IT Michael Thaler Firmensitz Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com Web www.redbulletin.com Erscheinungsweise Das Red Bulletin erscheint monatlich als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen – in Österreich: Kleine Zeitung, Kurier, Die Presse, Salzburger Nachrichten, Der Standard, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten. Deutschland: Leipziger Volkszeitung und Vertrieb an Hochschulen. Nordirland: Sunday Life. Irland: The Irish Times. Frankreich: L’Équipe. Südafrika: Independent on Saturday, Saturday Star, Weekend Argus. Neuseeland: The New Zealand Herald. Kuwait: Kuwait Times. Mexiko: Milenio Diario. Schweiz und Großbritannien: alternativer Vertrieb. In den USA: New York Daily News, Chicago Tribune, LA Times, Houston Chronicle. Gesamtauflage 3,1 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com

DIE NÄCHSTE AUSGABE DES RED BULLETIN ERSCHEINT AM 2. OKTOBER 2012. 98

ILLUSTRATION: ALBERT EXERGIAN

A

ngesichts des Eigenlebens, das unsere mit Elektronik vollgestopften Autos, Handmixer und Handys mitunter entwickeln, fürchten viele, bald könnten die Maschinen die Macht übernehmen. Und uns arme Menschlein unterjochen, indem sie eine autogerechte, handyvernetzte und jederzeit pürierbare Welt schaffen, weil sie nämlich allesamt sehr viel gescheiter sind als wir. So plausibel dieser Gedanke im ersten Moment anmuten mag: Es spricht einiges dagegen, dass es je so weit kommt. Denn so intensiv die Wissenschaft auch versuchen mag, denkende Apparate zu schaffen, kluge Roboter oder globale Netzwerke – ihnen allen fehlt eine wesentliche Voraussetzung, um wirkliche Intelligenz entwickeln zu können: ein Körper. Ein lebendiger Körper, der Arme, Beine und Ohren besitzt, der Gefühle entwickeln kann und dem – wenn er älter wird – die Haare ausfallen oder dessen Taille wächst. Immer wieder werden Untersuchungen publiziert, die zeigen, wie eng die Entwicklung unserer geistigen Fähigkeiten mit den Eigenarten unseres Körpers zusammenhängt. Wie also der Körper unser Denken beeinflusst und – umgekehrt – das Gehirn den Körper. Immer schön im Kreis herum. So haben viele Versuche gezeigt, dass das Gehirn sehr schnell den Überblick verliert, liefert ihm unser Körper keine Reize mehr. Sperrt man uns Menschen beispielsweise in einen schalldichten, leeren, gleichmäßig erleuchteten Raum, dann beginnt unser Gehirn binnen kürzester Zeit damit, sich selbständig zu machen. Und verfällt in wahnhafte Zustände. Eine eben publizierte Studie wiederum illustriert ganz wunderbar die enge Beziehung zwischen unserem Körper und den Händen. Die Studie stammt von den Psychologen Andrea Bender und Sieghard Beller von der Universität Freiburg.


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