The Red Bulletin CD 09/22

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SCHWEIZ SEPT. /OKT. 2022 CHF 3.80

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN

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SIENNA MILLER DIEGO MARADONA KYLIE JENNER MATTHIAS APPENZELLER THE BEACH BOYS

JETZT ABONNIEREN: GETREDBULLETIN.CH

ROCK STARS Augenblicke zwischen Adrenalin und Ästhetik

RED BULL CLIFF DIVING

WORLD SERIES SCHWEIZ 10. und 11. September in Sisikon


Donnerstag 25. August 2022

Kunz Lo & Leduc Megawatt Les Touristes Festgelände ESAF Pratteln im Baselbiet, Festplatz West 16.00 Uhr Türöffnung, 17.45 Uhr Konzerte Side-Event zum Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest Pratteln im Baselbiet, 26. - 28. 8. 2022 Weitere Informationen: esaf2022.ch/esaf-open-air/ Tickets über


E D I TO R I A L

WILLKOMMEN

SPRING AB, TAUCH EIN!

EIN JOB AN DER K(L)IPPE

DEAN TREML (COVER), WOLFGANG ZAC

Hier putzt Klippen­ springer Catalin Preda die Plattform. Zum 25-jährigen Jubiläum der Red Bull Cliff Diving World Series staunen wir ab Seite 20 über die dort gezeigten ­sauberen Sprünge.

Ein richtig heisser Sommer muss auch richtig kühl sein: Die schönste Inspiration, in die Welt von Red Bull Cliff Diving oder zumindest in den nächsten Pool abzu­ tauchen, liefert Fotograf Dean Treml. «Hinter der Ästhetik steht die An­ strengung, auch das sollen meine ­Fotos zeigen», sagt der Neusee­länder anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums der Wettkampfserie (ab Seite 20). Ein ­Leben zwischen Sprungbrett und Para­ grafen führt der Schweizer Matthias Appenzeller. Der 28-jährige Klippen­ springer und künftige Staatsanwalt erzählt uns ab Seite 40, wie sich die völlig verschiedenen Welten, in denen er lebt, auf er­ staunliche Weise ergänzen. Ein Battle der anderen Art trug Schauspielerin Sienna Miller mit sich aus. Sie lernte mit 40, das Wörtchen «Nein» für ihr Seelenwohl zu ge­ brauchen. Mehr zum lebensbejahenden Nein ab Seite 34. Gute Unterhaltung mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

HOPPLA, ZWILLINGE!

Matthias Appenzeller (re.) und Fotograf Philipp Mueller beim Fotoshoot im Freibad. Was die Twins gemein­ sam produzierten: ab Seite 40.

80

Prozent seiner linken Lunge wurden dem Segler Santiago Lange entnommen. Nur ein Jahr später gewann er Olympia-Gold. Wo? Ab Seite 68.

DIE SCHNURREN DES KATERS

Schrille Outfits, schräge Tattoos: Grammy-Gewinner Thundercat wirkt wie eine fröhliche Grinsekatze – meistens. Er hat aber auch eine andere Seite. Beide zeigt er uns: ab Seite 60. THE RED BULLETIN

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I N H A LT The Red Bulletin im September / Oktober 2022

COVERSTORY

MUSIK

20 ROCK STARS

Sportfotograf Dean Treml zeigt die Hotshots der Red Bull Cliff Diving World Series – sein Job an der Klippe.

60 THUNDERCAT

Eine Brille und ein Album brachten dem GrammyGewinner das Glück zurück.

34 KEINE SCHEU Schauspielerin Sienna Miller lernte: So positiv kann ein «Nein» sein.

SEGELN

68 SANTIAGO LANGE

Der argentinische Segler besiegte ein Jahr vor seiner Goldmedaille den Krebs.

34 SIENNA MILLER

Die Schauspielerin demons­ triert für neue Gelassenheit und gegen Fremdbestimmung.

FUSSBALL

36 SARAH ZADRAZIL

Fussball ist Männersache? Die Bayern-Spielerin räumt mit sechs Macho-Klischees auf.

ADVENTURE

38 H AZEN AUDEL

Der amerikanische SurvivalTrainer sucht die letzten Riesen-Ameisenbären.

40 W ELTENSPRUNG

Matthias Appenzeller über sein Leben als Cliff Diver und zukünftiger Staatsanwalt.

NOSTALGIE

50 Y ES WIE YESTERDAY

Wir feiern das Gestern: mit Synth Drums, Polaroids und Schuhen für 47.000 Franken.

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Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen 77 REISEN. Der fünfmalige Surf-­ Weltmeister Philip Köster zeigt uns seine Trauminsel Sylt. 82 BIOHACKING. Heute schon gehüpft? Das belebt den Körper. 83 P LAYLIST. «Beach Boy» Mike Love und seine best Vibrations

77 KEINE FLAUTE Der Surf-Experte Philip Köster brettert mit uns durch sein Sylt.

84 G AMING. Was «Football Manager» zum ultimativen Kick macht

CLIFF DIVING

6 GALLERY 12 ZAHLEN, BITTE! 14 FUNDSTÜCK

GUIDE

86 L ESESTOFF. John Gwynne ist der Meister des Fantasy-Genres. 88 TIPPS & TRENDS. Mit besten Empfehlungen der Redaktion 90 KALENDER. Events, die du auf keinen Fall verpassen solltest. 92 B OULEVARD DER HELDEN. Michael Köhlmeier über Ella Fitzgerald und Norman Granz

16 DAS PHILOSOPHEN-INTERVIEW 18 MEIN ERSTES MAL

96 IMPRESSUM 98 CARTOON

60 KEIN MIAU Wie der begnadete Musiker Thundercat zu Grammys und Glück fand.

THE RED BULLETIN

SHAYAN ASGHARNIA/AUGUST/PICTUREDESK.COM, KBS-PICTURE, WOLFGANG ZAC, PHILIPP MUELLER

FILM


40

FLIEGENDER JURIST Matthias Appenzeller, 28, ist leidenschaftlicher Klippenspringer und Jurist. Er erzählt uns, wie einander die beiden Welten ergänzen.

THE RED BULLETIN

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ALMATY, KASACHSTAN

DrehArbeiten Nur eine Animation? Die Bewegung ist echt! So wie die kahle, lehmige Wüste: Es handelt sich um den Altyn-Emel-Nationalpark in Kasachstan. Und wer handelt? Der russische Mountainbiker Matvey Cheboksarov, 25, der hier eine 360-Grad-Drehung vollführt. Und der Fotograf Sergei Martynov, ebenfalls Russe, der den Dreh, nun ja, festhält. Und dafür bei Red Bull Illume, dem weltweit grössten Wettbewerb für Adventure- und Actionsport-Fotografie, ins Halbfinale kommt. redbullillume.com


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SERGEI ALEKSANDROVICH MARTYNOV/RED BULL ILLUME

DAVYDD CHONG


TEAHUPOO, TAHITI

WellenBrecher Was passiert, wenn eine gewaltige Welle bricht? Noch nichts. Und was, wenn gleichzeitig ein Mensch genau diese Welle durchbricht? Dann kann alles passieren. Doch der Surfer, den der französische Fotograf Ben Thouard hier mit seinem Teleobjektiv verfolgt, hat Glück. Und Kraft: Die Wasserwand kracht herunter, er prallt dagegen – und kann sich dennoch aus dem Sog ­be­freien. Ben Thouard, Halbfinalist beim Red Bull Illume-Fotocontest: «In diesem ­Moment befindest du dich zwischen zwei Welten.» Der Surfer tauchte in der schöneren der beiden wieder auf. benthouard.com redbullillume.com


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BEN THOUARD/RED BULL ILLUME DAVYDD CHONG


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GERT PERAUER/RED BULL ILLUME

DAVID PESENDORFER


SALZBURG, ÖSTERREICH

Bach-Mann Die Quiksilver Space Jam Session in Prag. Die Wakeboard Championships im schwedischen Fagersta. Die Red Bull Wake of Steel im Linzer Hafen. Und sechs öster­reichische Meisterschaften ganz nebenbei: Der Kärntner Dominik Hernler, 30, hat so ziemlich alles gewonnen, was es im Wakeboarden zu gewinnen gibt. Doch manchmal ist das Leben auch für ihn einfach ein langer, ruhiger Fluss. Oder ein friedlich dahinplätscherndes Bächlein. Dieses hier nennt sich schlicht Almkanal und verläuft im Süden Salzburgs unweit der Salzach. In Pose ge­worfen hat sich Hernler am frühen Morgen, abgedrückt hat dessen Kärntner Landsmann Gert Perauer. gertperauer.com redbullillume.com


Z A HL EN, BI T T E!

KYLIE JENNER

Madam Instagram Egal was Kylie Jenner anfasst, die Welt klickt und wischt wie in Trance mit: Die jüngste Schwester aus dem Kardashian-Clan ist die populärste Frau auf Instagram. Am 10. August wird sie 25. Doch geschenkt braucht sie nichts – wie diese Zahlen zeigen.

61.740

Millionen Follower machen Kylie zur populärsten Frau auf Instagram. Nur die Profile von Instagram selbst und Ronaldo sind populärer.

1

23

Schwester – Kendall – hat Kylie Jenner. Und dazu acht Halbgeschwister: Casey, Burt, Brandon und ­Brody Jenner sowie Kourtney, Kim, Khloé und Rob Kardashian.

193

1500

Folgen von «Keeping Up with the Kardashians» geben Einblick in Kylies Leben.

1426

818-437-1448

Quadratmeter gross ist Kylies Haus in Holmby Hills, einem Nobelviertel von Los Angeles. Kaufpreis: 34,7 Millionen Franken.

war Kylies Telefonnummer, die sie 2017 als Marketing-Gag auf Shirts ­ihrer Mode-Kollektion drucken liess. Man erreichte eine Mobilbox.

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THE RED BULLETIN

HANNES KROPIK

Millionen Instagram-Likes ­bekam Kylies Foto zur Geburt ihres Söhnchens (anfangs mit Namen Wolf, künftig ...?).

PS hat Kylies Bugatti Chiron – einer von 15 Luxusschlitten in ihrer Sammlung.

wurde Kylies Vater Bruce Olympiasieger im Zehnkampf. 2015 outete er sich als Transfrau und heisst nun Caitlyn.

Millionen Franken verdiente sie mit 22 Jahren für den Verkauf von 51 Prozent ihres BeautyStart-ups «Kylie Cosmetics».

336

Franken – um diesen Preis ­verkauft Kylie eine von ihr getragene ­Hermès-Handtasche.

1976

570

CLAUDIA MEITERT

Millionen Dollar, umgerechnet 1,44 Millionen Franken, kassiert Kylie pro gebrandetem ­Instagram-Posting.

Privatjets vom Typ Bombardier Global 7500 mit einer Reichweite von 14.260 Kilometern gibt es weltweit. Auch Kylie besitzt einen. Er ist pink.

GETTY IMAGES (3)

1,5

100


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Kein Strom

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Alle Angaben oder Informationen in Bezug auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen dienen der Aufklärung und sind nicht dazu gedacht, Krankheiten zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder zu verhindern.


F U ND ST Ü CK

Diego Armando Maradona (1960– 2020): Nach seinem Hands-Tor gegen England taufte man ihn «Hand Gottes».

DIEGO MARADONA

Das G’wand Gottes Das (ungewaschene) Dress mit dem Coq-Sportif-­ Logo und dem E ­ mblem des argentinischen Fussballverbandes ­wurde im Mai bei Sotheby’s versteigert – um 8,8 Millionen Euro. Diego Maradona hatte es am 22. Juni 1986 bei der WM in Mexiko getragen, als Argenti­nien England im Viertelfinale mit 2:1 besiegte: Das erste Tor erzielte der Fussballgott mit der Hand, das zweite nach einem Solo über den halben Platz.

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GETTY IMAGES

Trikot des argentinischen Fussball-Idols, getragen beim Jahrhundertspiel gegen England

Maradona bejubelt das 2:0.

THE RED BULLETIN


D I E W E LT B E S T E N K L I P P E N S P R I N G E R : I N N E N

SISIKON

SCHWEIZ WORLD SERIES PARTNER

OFFICIAL BROADCASTING PARTNER

MEDIA PARTNER


DAS F I K T IVE PHILO S O PHEN -IN T ERV IE W

EPIKUR SAGT:

«Don’t worry, be happy»

So einfach ist das nicht. Man muss arbeiten, um sein Geld zu verdienen und Vorsorge fürs Alter zu the red bulletin: Herr Epikur, Hand aufs Herz: treffen. Das Leben ist anstrengend, man kann nicht Haben Sie angesichts der vielen Unruhen zu dauernd nur tun, was einem Spass macht. Ihren Lebzeiten niemals Angst gehabt? Nicht das Leben ist das Problem – sondern epikur: Doch, mein Freund, solche das bist du. Das Leben ist einfach. Was ­Situationen gab es. Zum Beispiel, brauchst du wirklich? Gesunde Nah­ als meine Eltern aus ihrer Heimat rung, ein Dach über dem Kopf und vertrieben wurden – aber da hatte gute Freunde; vielleicht gelegentlich ich mehr Angst um sie als um mich. ein gutes Buch und gute Gespräche, Aber weisst du, da war ich noch und ein Herz voller Dankbarkeit jung. Später habe ich begriffen, ­dafür, bei diesem grossen Lebens­ dass es keinen Sinn hat, angstvoll spiel mitspielen zu dürfen. Das alles in die Zukunft zu blicken. zu bekommen ist nicht schwierig. Alle Sorgen kommen daher, dass du lauter Dinge haben willst, die du in Und dennoch: Tod, Armut, Sklaverei, Wahrheit gar nicht brauchst. Krankheit, Schmerzen – die Welt, in ­Konzentriere dich aufs Wesentliche: der Sie lebten, hatte viel zu bieten, «Deine Sorgen Das ist der Schlüssel zum Glück. wovor man sich ängstigen konnte. Um die Welt, in der du lebst, steht kannst du vergessen: es auch nicht besser. Aber manchen Menschen fehlt Sie kommen von selbst das Wenige, von dem Sie Dingen, die du nicht sagen, dass es für ein gutes Leben Deshalb reden wir ja miteinander. Wie kommen Sie darauf, dass man ausreicht. brauchst.» sich angesichts all dessen nicht Es hängt alles an der Haltung: Als ich ängstigen müsse? krank darniederlag und unsägliche Eigentlich gibt es nur zwei Dinge, vor denen ­Menschen Schmerzen litt, war mein Herz noch immer voller Angst haben: Tod und Schmerzen. Aber warum? Der Dankbarkeit für all das Gute, was mir widerfahren ist: Tod geht uns nichts an. Solange wir leben, ist er nicht ein Sonnenstrahl, ein Windhauch, das Lächeln eines da. Und wenn er da ist, leben wir nicht mehr. Warum Freundes, die Hilfs­bereitschaft eines Menschen. Das also Angst vor ihm haben? Ah, ich weiss, was du jetzt Leben gibt uns a ­ lles,was wir brauchen. Darauf sollten denkst: Weil es dann mit dir vorbei ist. Aber was ist wir vertrauen. Don’t worry, be happy! daran so schlimm? Du lebst jetzt. Jetzt ist der Augen­ blick, an dem du dich des Lebens freuen solltest. Wenn EPIKUR (341  –271/270 v. Chr.) gilt von alters her als Philosoph du dich jetzt des Lebens freust, wirst du morgen in der Freude. Damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht. Frieden sterben können. Im Gegenteil: Zu allen Zeiten war er die bevorzugte Hassfigur «Lebe im Augenblick»: Ist das nicht ein bisschen wenig für einen Philosophen von Ihrem Kaliber? Gemach, mein Freund, gemach. Erst müssen wir klären, was das heisst. Es heisst «sein» und nicht ­«wollen». Wenn du einfach nur «bist» und nichts ­weiter «willst», kannst du mutig in die Zukunft blicken. Dann hängt dein Glück nicht daran, dass du irgend­ wann etwas bekommst, was du heute haben willst.

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aller Moralprediger und Ideologen, die ihn als Ahnherrn eines zügellosen Hedonismus verdammten. Tatsächlich aber ging es Epikur nicht, wie spätere «Epikureer» meinten, um ein Maximum an Spass, sondern um eine souveräne Selbstgenügsamkeit, die das Leben so nimmt, wie es ist. CHRISTOPH QUARCH, 58, ist deutscher Philosoph, Gründer der Neuen Platonischen Akademie (akademie-3.org) und Autor zahlreicher philosophischer Bücher, zuletzt: «Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philosophische Antworten auf alltägliche Fragen», ­legenda Q, 2021.

THE RED BULLETIN

YANNICK DE LA PÊCHE

Das Problem von euch modernen Menschen ist, dass ihr euer L ­ eben immer auf morgen vertagt und Angst davor habt, dass diese Zukunft ausbleibt. ­Deshalb empfehle ich: B ­ egnüge dich mit wenigem und freue dich an dem, was da ist.

DR. CHRISTOPH QUARCH

Viele Menschen blicken ängstlich in die Zukunft: Werde ich gesund bleiben? Wird die Rente reichen? Welche Krisen müssen wir noch bewältigen? Solche Fragen sind nicht neu. Auch der antike Philosoph Epikur kannte sie. Sein erklärtes Ziel war es, die Menschen von ihren Ängsten zu heilen. Im fiktiven Interview mit dem Philosophen Christoph Quarch erklärt er, wie wir zu mehr Gelassenheit finden können.


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M EIN ERST ES M A L

JASON PAUL

«Angst ist mein Navigator»

Jason Paul ist einer der besten Freerunner der Welt. zu können. Dann kommt der Ego-Check: Ich bin zwar Dreimal hat der 31-jährige Frankfurter die Parkourhier, aber bin ich bereit für den Sprung? Wäre es für Weltmeisterschaft gewonnen. Seine Videos, in denen mich okay, nicht zu springen? Und dann noch: Habe er atemberaubende Sprünge über Hausdächer zeigt, ich gut geschlafen? Wie fit fühle ich mich heute? auf Strassenlaternen klettert oder Ich gehe alle Fragen durch, erst Saltos über hohe Balustraden dann treffe ich die Entscheidung. wagt, sind YouTube-Hits. Sein Wichtig dabei: Wenn ich mich Video «Last Call for Mr. Paul», in gegen den Sprung entscheide, dem er auf unnachahmlich trickdann darf ich mich nachher nicht reiche Weise den Münchner ärgern. Und wenn ich mich dafür Flughafen erkundet, hat auf der entscheide, dann muss ich alle Plattform 158 Millionen Klicks. Zweifel ausschalten. Jeder Gedanke muss auf Erfolg abzielen. Wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so scheint: Auch Diesmal entschied ich mich für Jason Paul musste erst lernen, mein Bauchgefühl, trotz miss­ sich und seinem Körper zu vertrauen, seine Skills richtig ein­ lungenen Testsprungs. Ich rannte zuschätzen und – besonders auf den Abgrund zu, sprang los wichtig – Angst zu seinem Vor– und landete auf der anderen teil zu nutzen. Hier spricht er Seite. Alles perfekt, genau, wie 0:00 –36:17 über den ersten Sprung, bei dem ich es mir vorgestellt hatte. Ich Jason Paul ihm dies gelang. hätte sogar einen halben Meter Mein erstes Mal – der Podcast mehr geschafft! Dieser Sprung «Das erste Mal, dass ich mich war sehr lehrreich für mich: bei einem Sprung voll auf mein Viele Leute denken ja, Free­ Bauchgefühl verliess, das war runner kennen keine Angst. «Ich sprang und in Cambridge in England. Nach, Aber das stimmt überhaupt ich schätze mal, vier Jahren nicht. Angst ist gesund und sinnschaffte es nicht. Am voll, sie beschützt mich. Sie hilft ­Training. Fünf Meter von einem nächsten Tag rannte mir dabei, jedem schwierigen Hausdach zum nächsten, zwei Sprung den nötigen Respekt Stockwerke über dem Boden. Ein ich auf den Abgrund ­entgegenzubringen. Ein Verweiter Sprung, den bis dahin nur zu – und hob ab …» gleich: Beim Autofahren sitze fünf Freerunner gewagt hatten. ich am Steuer, aber die Angst ist Mein Bauchgefühl sagte mir, Jason Paul über seinen inneren Sieg mein Beifahrer und Navigator. du schaffst das. Aber mein Kopf Ich habe die Kontrolle, höre aber war noch anderer Meinung. Zur auf meine Angst. Denn wenn ich das Autoradio zu laut Sicherheit kletterte ich vom Dach runter und malte aufdrehe, wenn ich also derart die Angst ausblende, zwei ­Linien auf den Boden, ebenfalls mit fünf Meter dann wird es gefährlich.» Distanz. Um zu üben, um meine Angst loszuwerden. Ich sprang – und schaffte es nicht. Totale Verwirrung: Was? Mein Bauchgefühl hatte mir doch dazu geraten. Ich kletterte wieder rauf, um mir die Sprungbahn noch einmal in Ruhe anzuschauen. Und dann probierte ich eine Technik, die ich bis heute anwende. Ich sage zu mir selbst: Angst, erzähl «MEIN ERSTES MAL» IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE, in der mir alle schlimmen Sachen, die passieren könnten. ­Heldinnen und Helden über ihre Anfänge sprechen. Die Folge mit Jason Was könnte schiefgehen? Auf diese Weise entsteht Paul, in der er auch erzählt, wie er sich bei seiner ersten Weltmeisterschaft bei mir ein Plan B im Kopf. Ich bereite mich auf jede selbst überraschte, gibt’s im Podcast-Kanal von The Red Bulletin – auf ­allen gängigen Plattformen wie Spotify und auf redbulletin.com/podcast mögliche Situation vor, um dann schnell reagieren

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THE RED BULLETIN

JAANUS REE/RED BULL CONTENT POOL

Er überwindet schwindelerregende Häuserschluchten, doch furchtlos ist er keineswegs: der dreimalige Freerunning-Weltmeister über den Moment, der ihn lehrte, seinem Bauchgefühl zu vertrauen.


FLÜÜÜGEL FÜR DEN SOMMER.

MIT DEM GESCHMACK VON APRIKOSE-ERDBEERE.

NEU

BELEBT GEIST UND KÖRPER.


P O RT FO L IO

Ein Job an der Klippe Er drückt ab, wenn seine Motive abspringen: Der Sportfotograf Dean Treml begleitet seit 13 Jahren die Red Bull Cliff Diving World Series. Hier sind seine besten Bilder – jedes ein Fall für sich. Protokoll DAVID PESENDORFER


Azorenhoch

Orlando Duque, Azoren, Portugal, 2012 Rechts die Steilküste, links ein Monolith. Und da­ zwischen, winzig klein, obwohl eigentlich der Grösste: Orlando Duque, neunfacher Welt­ meister im Klippenspringen.

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P O RT FO L IO

Das Amen des Adlers

Sergio Guzman, Dublin, Irland, 2019 Der 21-jährige Mexikaner steht hier auf einer 27 Meter hohen Plattform. Er hat Gänsehaut. Nicht nur wegen der Kälte. Vor dem Sturzflug noch ein Moment der ­Einkehr. «Ich wäre gerne ein Adler», sagt Sergio.

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THE RED BULLETIN


Der Kniefall

Oleksiy Prygorov, Dublin, Irland, 2019 Nach dem Absprung: Der ukrainische Kunstspringer hat sich eingerollt, die Beine angewinkelt, bis zur Landung zeigt er noch zwei Figuren. Die Zuschauer sind klein wie Punkte – also noch genug Flugzeit. THE RED BULLETIN

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P O RT FO L IO

«Diese Brücke verbindet Muslime und Christen. Und Springer aus aller Welt.» Dean Treml


Zeitensprünge

Andy Jones, Mostar, Bosnien und Herzegowina, 2021 Seit dem 16. Jahrhundert springen die Männer von Mostar in die Neretva. Bei der Red Bull Cliff Diving World ­Series steht zusätzlich noch ein 8 Meter hoher Holzturm auf der 19 Meter hohen Brücke. Hier in der Luft: US-Cliffdiver und Stuntman Andy Jones.

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P O RT FO L IO

Gummi, Gummi

Jonathan Paredes, Sisikon, Schweiz, 2018 Fotograf Dean Treml konnte gar nicht anders: «Die Gummiboot-Flotte schrie mich förmlich an: Wir sind dein Hintergrund!» Im Vordergrund performt der Mexikaner Jonathan Paredes – biegsam wie Gummi.

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THE RED BULLETIN


«Ich liebe diese Momente, in denen die Athletinnen trotz höchster Spannung tief in sich ruhen.» Dean Treml

Ziemlich spannend

Jacqueline Valente, Sisikon, Schweiz, 2018 Rechte Hand trifft linken Fuss und umgekehrt. Mehr Dehnen und Stretchen geht nicht – und dennoch ruht die 26-jährige Brasilianerin völlig in sich selbst. Spannung trifft Kontemplation. Und umgekehrt.

THE RED BULLETIN

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P O RT FO L IO


Modern Art

Michal Navrátil, Boston (Mass.), USA, 2012

Viel Glas, viel Spass. Und ­ nten dann viel Nass. Der u Tscheche Michal Navrátil ­segelt die Front des Institute of Contemporary Art entlang. Ein Bild wie ein Gesamt­ kunstwerk.

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P O RT FO L IO

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THE RED BULLETIN


«Hinter der Ästhetik die Anstrengung: Auch das sollen meine Fotos zeigen.» Dean Treml

Im Blindflug

Gary Hunt, Mostar, Bosnien und Herzegowina, 2019 Der Name verrät’s: Gary Hunts Job ist die Rekordjagd. Bereits neunmal gewann der Brite mit dem französischen Pass bisher die Red Bull Cliff Diving World Series. Sogar mit geschlossenen Augen. THE RED BULLETIN

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P O RT FO L IO

DER FOTOGRAF

DEAN TREML Zuerst zog es den gebürtigen Neuseeländer Dean Treml, 56, tief hinunter: Meeresbiologe hatte er ursprünglich werden wollen. Mittlerweile lauert er meist ganz, ganz oben – dort, wo die besten Cliffdiver und Cliff­ diverinnen abspringen, oder irgend­ wo am Rande ihrer Sturzflugroute, auf Felsvorsprüngen oder provisori­ schen Plattformen an den steilsten Locations der Welt. Dean war vierzehn, da machte es klick: Er beschlagnahmte Mamas alte Kamera und ergänzte sie, mit Geld vom Ferienjob, um ein neues 35‑Millimeter-Objektiv. Lokale Sport­ events. Klick, klick. Hochzeiten. Klick, klick, klick. Und – hoch sollte es bleiben! Seit 2009, seit deren Geburtsjahr, ist Dean Teil der Red Bull Cliff Diving World Series; die Athletinnen und Athleten ­vertrauen ihm und lassen ihn ganz nah heran. «Ich liebe diesen Mix aus Athletik und Ästhetik», sagt er. Mittlerweile lebt Dean in der Schweiz, ist weltweit gebuchter Sportfotograf und veröffentlicht in «New York Times», «National Geographic», «Sports Illustrated» und The Red Bulletin. Der Mann hat den Sprung geschafft! Instagram: @deantreml

Unser Coverbild: Kris Kolanus aus Polen stürzt sich auf der kleinen portugiesischen Azoreninsel Vila Franca do Campo aus 27 Metern Höhe in die Tiefe. Es ist die dritte Station der Red Bull Cliff Diving World Series 2018. Die Insel entstand aus dem Krater eines alten unterseeischen Vulkans.

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«Es war nur ein Trainingssprung – und doch dieser eine, perfekte Moment!» Dean Treml

Parallelschwung

Rhiannan Iffland, Bilbao, Spanien, 2019 Es ist nur ein Trainingssprung. Und doch das Standbild des perfekten Moments – in dem die ­Australierin Rhinnan ­Iffland und das Geländer des Guggenheim-Museums ­Parallelen bilden.

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Film

war ein Partygirl, bestaunt, begehrt, aber fremdbestimmt. Nun führt die Schauspielerin in ihrem Leben nur noch selbst Regie. Ihre Kraftquelle? Das winzige Wörtchen «Nein». Interview RÜDIGER STURM

Sienna Miller, das glamouröse Partygirl? Diese Zeiten sind vorbei. Längst ist die Britin dank Filmen wie «American Sniper» oder «Die ver­sunkene Stadt Z» als ernstzunehmende Schauspielerin etabliert. Zuletzt stand sie im Zentrum des Netflix-­Politthrillers «Anatomie ­eines Skan­dals». Mit ihren vierzig Jahren hat sich Miller nun von ihrem ­eigenen Klischee befreit – und ihre Persönlichkeit ganz bewusst weiter­­ entwickelt. Im Gespräch erklärt sie, wie sie sich von überkommenen Denkmustern befreite. Und wie sie ihre neunjährige Tochter zu einer starken, unabhängigen Frau erzieht. the red bulletin: Sie haben sich in der Filmbranche durchgesetzt – was man derzeit auch an der Hauptrolle im Netflix-Mehrteiler «Anatomie eines Skandals» sehen kann. Was war für den Karriere­ sprung entscheidend? sienna miller: Ich habe mich nicht mehr auf bestimmte Rollen fixieren lassen und mir die richtigen Regisseure gesucht. Und es war auch ganz wichtig, dass ich niemandem mehr einen Gefallen tun wollte. Früher habe ich bestimmte Dinge, zum Beispiel ein geringeres Gehalt als Männer, noch akzeptiert, auch wenn es sich falsch anfühlte – nur weil ich dankbar war, einen Job zu bekommen. Und das tue ich nicht mehr. Ich will es niemandem mehr recht machen und sage auch einmal ganz einfach Nein.

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Was hat dafür den Ausschlag gegeben? Die Solidarität unter uns Frauen, die ich seit ein paar Jahren viel stärker spüre. Wenn ich mich gegen etwas auflehne, dann habe ich die Unterstützung einer ganzen Armee von Geschlechtsgenossinnen. Ausser­ dem habe ich in meinem Alter ein besseres Verständnis dafür, wer ich wirklich bin. Ich bin ein neugieriger Mensch, ich will glücklich sein. Und dieses Wissen um meine Prioritäten gibt mir inneren Frieden und Stärke. Was waren die Hemmschwellen, die Sie auf dem Weg zu sich selbst überwinden mussten? Ich komme noch aus einer Genera­ tion, in der Frauen viel mehr Un­ gerechtigkeiten oder anzügliches Verhalten von Männern hingenommen haben. Das war eben einfacher als zu protestieren. Abgesehen davon ging ich auf eine konservative Schule, die kein progressives Denken zuliess. Man wurde da regelrecht zu einem reaktionären Menschen erzogen. Wie haben Sie das alles abgelegt? Das war ein langer Prozess. Aber ganz wichtig war es, dass ich diese Schulwelt verliess und in die Kultur­ branche einstieg. Die Leute dort waren viel aufgeschlossener, was meinen Horizont stark erweitert hat. Ich begann auf einmal, die ganze Gesellschaft infrage zu stellen. Ich rebellierte, und mein Pendel schwang von der konservativen in die ent­gegengesetzte Richtung: ­Heute bin ich eine begeisterte Linke!

Nachdem Sie nun selbst dieses Bewusstsein erlangt haben – was tun Sie weiter für Ihre per­ sönliche Entwicklung? Je älter ich werde, desto wichtiger ist es für mich, meinen Intellekt zu kultivieren. Ich interessiere mich sehr für Psychologie und Philo­so­ phie – zwei Fächer, die wir leider nicht an der Schule hatten. Deshalb habe ich schon Einführungskurse zu diesen Themen besucht. Wann immer ich eine Bildungslücke bei mir entdecke, versuche ich sie zu schliessen. Abgesehen davon möchte ich mich auch beruflich weiter­entwickeln. Ich würde gern Regie führen. Früher hatte ich noch ­Bedenken, das öffentlich einzu­gestehen. Grundsätzlich will ich mich stärker in die kreative Arbeit an Filmen einbringen – etwa auch in die Produktion. Doch streng genommen möchte ich keine langfristigen Pläne schmieden. Warum nicht? Weil ich in der Gegenwart lebe. Instagram: @siennathing, aktuell auf Netflix: «Anatomie eines Skandals»

THE RED BULLETIN

SHAYAN ASGHARNIA/AUGUST/PICTUREDESK.COM

Sienna Miller

Sie haben eine neunjährige Tochter namens Marlowe. Wie sorgen Sie dafür, dass sie nicht in die­selben Denkmuster verfällt wie Sie als Teenager? Die Voraussetzungen haben sich geändert, zum Glück gibt es in der Gesellschaft einen Paradigmenwechsel. Ich habe aber auch selbst dafür gesorgt, dass Marlowe progressives Denken lernt. Deshalb habe ich sie in eine Schule gegeben, wo Fragen von Ethik und politischer Verantwortung diskutiert werden. Wir waren auch schon gemeinsam auf Demonstrationen für Frauenrechte. Daher hat sie ein ganz anderes Bewusstsein als ich in dem Alter, sie will es niemandem recht machen. Darauf bin ich stolz.


«Meine Tochter ist neun – gemeinsam demonstrieren wir für Frauenrechte.» Sienna Miller, 40, über ihren Alltag als ganz normale Mutter

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Fussball

Sarah Zadrazil kennt die üblichen Frauenfussball-Klischees: fad, irrelevant, zimperlich. Blödsinn, sagt die Mittelfeldspielerin des FC Bayern – und entkräftet für uns sechs Macho-Vorurteile. Text LISA HECHENBERGER

Foto MARKUS BERGER

Fussball war, ist und bleibt Männersache

«In den USA ist das Gegenteil der Fall. Dort ist Fussball ganz klar Frauen­sport, fast jedes Mädchen spielt von klein auf in einem Verein. Und Profis wie Megan Rapinoe ­stehen im Rampenlicht wie männliche Spieler bei uns. Während meiner vier Jahre dort (u. a. bei ­Washington Spirit; Anm.) hat es mich sehr motiviert, zu sehen, welchen Stellenwert ­Frauenfussball haben kann. In Österreich ist das noch anders. Ich habe von der U7 bis zur U14 nur mit Burschen gespielt, weil es einfach keine Mädchenmannschaften gab. Dass ich mich in dem Umfeld noch mehr durchsetzen und beweisen­ musste, war für meine Karriere ­bestimmt kein Nachteil. Trotzdem wünsche ich mir mehr Support für den weiblichen Nachwuchs.»

Frauen sind zu zimperlich

«Ich glaube, dass Frauen sogar schmerzresistenter sind. Bei der EM 2017 habe ich mir im ersten Spiel gegen die Schweiz das Syndesmoseband fast durchgerissen, dann eine Partie pausiert und die rest­lichen mit Tape gespielt. Im Anschluss musste ich mehrere Monate zur Reha, doch das war es mir wert. Generell spielen Frauen einen sehr ehrlichen Fussball. Am Platz gibt es wenig Wehleidigkeit, wenig Drama. Uns ist es wichtiger, die Freude am Sport zu vermitteln, als zu schauspielern.»

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Frauenfussball ist Standfussball

«Unsere Laufwerte sind denen der Männer sehr ähnlich. Bei guten Spielen renne ich genauso elf bis zwölf Kilometer, aber wir müssen uns nichts vormachen: Frauenfussball wird allein wegen unserer Physis immer langsamer sein. Das heisst ­allerdings nicht, dass der Sport ­weniger anspruchsvoll ist. Wir trainieren genauso viel und hart, aktuell fünf-, sechsmal die Woche, und die Spiele verlangen uns alles ab.»

Frauenklubs sind nur die Feigenblätter grosser Vereine

«Als Damenmannschaft sind wir auf den Männerverein angewiesen, besonders aus finanzieller Sicht. Und dass ich irgendwann so viel ­verdiene wie ein Neymar Jr., ist ­sowieso un­realistisch. Aber beim FC Bayern merkt man, dass man mit unserem Team erfolgreich sein will und dafür in unsere Mannschaft investiert. Das Betreuerteam ist top auf­gestellt, wir haben eine richtig gute Anlage, und unser Champions-League-Spiel durften wir in der A ­ llianz Arena absolvieren. Auch das ist ein Zeichen der Wertschätzung von Seiten des Vereins.»

Kein Mensch interessiert sich für Frauenfussball

«Die Damenmannschaft von Barcelona spielte vor kurzem gegen Real Madrid vor 90.000 Zuschauern im ausverkauften Stadion Camp Nou: Ein Rekord – das sagt eigentlich schon alles. Klar, bis wir auch bei uns solche Dimensionen erreichen,

ist es noch ein langer Weg. Andererseits sind bei der Frauenfussball-EM bereits einige Spiele ausverkauft – ­inklusive unseres Eröffnungsspiels gegen England mit 75.000 Leuten im Stadion Old Trafford. Marketing und Sichtbarkeit im Sinne von Plattformen, die unsere Spiele übertragen, sind immer noch Punkte, die Frauen- und Männerfussball unterscheiden. Trotzdem ist schon bei der EM 2017 ein ganz guter Hype entstanden. Und auf einmal waren bei unserem Halbfinale am Rathausplatz in Wien 12.000 Zuschauer beim Public Viewing. Wenn wir uns also gut präsentieren und erfolgreich sind, kann man hier­ zulande auch eine FrauenfussballEuphorie auslösen.»

Der Frauenfussball und die sexuellen Klischees

«Viele meiner Freundinnen haben­ Freundinnen – und auch den Mut, öffentlich dazu zu stehen und der Gesellschaft zu zeigen: Das ist völlig normal. Wer den Sport h ­ auptberuflich ausüben will, wird privat immer ­zurückstecken müssen, speziell als Frau. Anders als bei männlichen Profis, wo sich die Partnerin um den Nachwuchs kümmern kann, muss ich bei der Familienplanung aus biologischen Gründen eine Karriere­ auszeit einplanen. Generell ist beim Frauenfussball­ das Thema sexuelle Orientierung aber kein Tabu – wir sind da viel ­offener. Vielleicht wirkt es auch ­deshalb so, als gäbe es mehr gleich­ geschlechtliche Beziehungen. Aber meiner Meinung nach zeigt das, dass es auch Ebenen gibt, auf denen wir den Männern weit voraus sind.» Mehr Einblicke in Sarahs Profi­karriere und Leben auf Instagram: @sarah_zadrazil27 Sarahs TikTok-Account: tiktok.com/@sarahzadrazil

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«Wir können in Österreich genauso eine Euphorie auslösen.» Sarah Zadrazil, 29, über das Potenzial des ÖFB-Frauen-Nationalteams

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Adventure

zieht es als Survival-Trainer in die entlegensten Winkel der Welt. Doch was der TV-Star auf seinen Reisen eigentlich sucht, sind Momente der Menschlichkeit. Text RÜDIGER STURM

Der Überlebenskünstler befindet sich in einer Ausnahmesituation: Für gewöhnlich schlägt sich der USamerikanische Survival-Trainer auf seinen Expeditionen auf der ganzen Welt durch die Wildnis, nun sitzt er im klimatisierten Hotel vor einem Zoom-Bildschirm und gibt ein Interview. «Und das ist ganz schön anstrengend.» Denn seine Ausnahme­ situation heisst Zivilisation. Für gewöhnlich durchquert der 48-jährige Biologe unerforschte ­Regenwälder. Lebt bei abgeschiedenen Stämmen auf den SalomonenInseln. Trotzt Taifunen und sengender Hitze, Schlangen, Ratten oder Feuer­ameisen. Oder er sucht (nicht nur zu Ostern) nach Krokodileiern in Papua-Neuguinea. All das präsentiert er dann in verschiedensten TVFormaten. Als «Superheld» sieht sich der Mann mit der Zwischendestination Hotelcouch aber gar nicht, ganz im Gegenteil. «Eigentlich kann es mir jeder nachmachen.»

Wenn die Natur zu sprechen beginnt

Eigentlich? Oder wirklich? Die wichtigste Voraussetzung dafür sei freilich «zu lernen», sagt Audel. Das war auch seine eigene Erkenntnis, als er mit neunzehn auf seinem ersten Trip durch den Dschungel Ecuadors wanderte: «Zu dem Zeitpunkt hatte ich nur Campingerfahrungen und ein paar Bücher gelesen und machte

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viele Fehler. Aber dann lernte ich etwas Entscheidendes: Du musst die Einheimischen fragen. Zum Beispiel hatte ich damals eine lebensgefährliche Entzündung am Bein, und eine Frau zeigte mir die richtigen Heilpflanzen. Wenn du bereit bist, ständig neue Erfahrungen zu sammeln, dann spricht die Natur mit dir.» Und das so deutlich, dass Audel mittlerweile gar keine speziellen­ Trainingsprogramme mehr benötigt. Denn auch daheim, in der 217.000-Einwohner-Stadt Spokane im US-Bundesstaat Washington, ist er ständig aktiv: «Da bin ich dann vom Bäumepflanzen und Garten­ arbeiten ausser Atem», sagt er. Natür­ lich ist er sich im Klaren darüber, dass er jenseits seiner umzäunten Natur jederzeit als Abendmahlzeit eines Raubtiers enden könnte.

Die Relativität der Gefährlichkeit

Aber diese Gefahr relativiert er: Als er von seinem ersten Trip durch die Wildnis in die USA zurückkehrte, traf er seine Freunde aus der Highschool wieder. Darunter auch das Mädchen, mit dem er früher einmal ausgegangen war. Sie hatte mittlerweile einen neuen Freund und fuhr mit ihrer Clique zu einer Tanzveranstaltung. Unterwegs hatten die Jugendlichen einen Unfall, bei dem Audels Nachfolger ein Auge verlor und einer der Jungen starb. «Die Welt ist überall gefährlich. Und ich werde lieber von einem Jaguar aufgefressen als von einem Auto überfahren», sagt Audel. Als «extrem neugieriger Mensch» will er unbe-

Zwischen innerer Wärme und Klimaanlage

Da lautet das Audel-Prinzip: «Sich warm halten, das ist das eine. Dann versuchen, an Trinkwasser zu kommen. Aber das Wichtigste ist die Einstellung. Wenn wir in eine Stress­ situation geraten, die wir noch nicht kennen, glauben wir, wir müssen sterben. Aber wir können viel mehr schaffen, als wir uns zutrauen, unsere Leistungsgrenze ist viel höher, als wir vermuten würden.» Hazen Audels wichtigste Erkenntnis dreht sich jedoch weder um psychische noch physische Fitness: «Ich habe gelernt, dass die Menschen in den entlegensten Weltgegenden einander respektieren. In unserer Welt dagegen versucht jeder, den starken Mann zu markieren. Wir leben in unserer einsamen Blase und misstrauen einander. Doch eigentlich sind wir hier, um Gemeinschaft und Nächstenliebe zu erleben», sagt er. Doch jetzt muss er weiter. Ein klimatisiertes Hotel bedeutet mehr menschliche Wärme, als er verträgt. Hazen Audel im TV: Die Serie «Wettlauf durch den Amazonas» von National ­Geographic ­Wild läuft auf Disney Plus.

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NATIONAL GEOGRAPHIC/TESS BENJAMIN

Hazen Audel

dingt bestimmte Tiere sehen, ­einen Riesenameisenbären zum Beispiel: «Ich verfolge dieses Ziel mit e­ iner absoluten Hyperkonzentration und denke nicht mehr daran, wie ich ­leide. Abgesehen davon bin ich eine Kämpfernatur.» Und da das nun einmal nicht jeder ist, stellen ihm die ganz normalen Überlebenskünstler des Büroalltags oft Fragen wie: Was tun, wenn man in der Wildnis strandet, etwa als Überlebender ­eines Flugzeugabsturzes?


«Ich will einen RiesenAmeisenbär finden. Das ist aktuell mein grosses Ziel.» Survival-Experte Hazen Audel, 48, über einen unerfüllten Traum

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BLAUPAUSE

Klippenspringer Matthias Appenzeller posiert im ozeanfarbenen Anzug auf dem Sprungbrett der Badi Dübendorf.


Cliff Diving

Auf einen Sprung beim Anwalt

MATTHIAS APPENZELLER, 28, ist der beste Cliff Diver der Schweiz. Und angehender Staatsanwalt. Sein erster Fall: Er war vier, trug Schwimmflügel und kletterte aufs Zehn-Meter-Brett. Mittlerweile stürzt er sich mit 85 km/h in die Tiefe … Text ALEXANDER NEUMANN-DELBARRE

Fotos PHILIPP MUELLER

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Cliff Diving

E

Er sieht so unglaublich locker aus, wie er da auf der Plattform tänzelt, 27 Meter über dem türkisgrünen Urnersee, und die Arme parallel in die Höhe reckt. Wie er die Zuschauer unten – es sind hunderte, die auf Schlauchbooten und GummiFlamingos im Wasser treiben – zu rhythmischem Klatschen animiert. Wie er sich dann ganz ruhig an die Absprungkante stellt, ein muskulöser, tätowierter, langhaariger Surfer-Typ. Und wie er dann abspringt – und in einer einzigen eleganten Bewegung drei Saltos und eineinhalb Schrauben in die zwei Sekunden packt, die ihm bleiben, bevor er mit 85 km/h die Wasseroberfläche durchschlägt. Als er wieder auftaucht, reisst er den Arm in die Höhe. Das Publikum beim «Red Bull Cliff Diving World Series»Event 2018 in Sisikon jubelt. Matthias Appenzeller, Schweizer Lokalmatador und Debütant bei dem Wettbewerb, hat einen überzeugenden Auftritt hingelegt.

Oder, besser gesagt, Absprung. Partystimmung bei den Zuschauern. Doch wohl nur die wenigsten von ihnen wissen: Die Vorbereitung für den Sprung, den sie eben sahen, die zwei Sekunden, die soeben vor ihren Augen verflogen, hat schon ein Jahr zuvor begonnen. Und der Sonnyboy, der ihn vollführte, hat auch noch eine ganz andere Seite. Matthias Appenzeller, 28, sitzt vier Jahre nach dem Sprung von Sisikon in seiner Wohnung nahe Zürich und lächelt, als er an seinen Auftritt denkt. «Das war fast surreal mit all den Zuschauern.» Unter dem gebügelten hellblauen Hemd zeichnet sich sein Bizeps ab, die blonden Haare hat er akkurat zum Pferdeschwanz gebündelt. Matthias ist heute der wohl beste Klippenspringer der Schweiz. Er hat sein Land in den vergangenen Jahren bei High-Diving-Weltcups und der Weltmeisterschaft 2019 in Korea vertreten,

«Da Paragraphen, dort Adrenalin und Emotionen – ich, die Rampensau  …» Cliff Diver und Jurist Matthias Appenzeller über die Bestandteile eines erfüllenden Lebens

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DIE VERWANDLUNG

Eben noch im feinen Tuch des Anwalts, jetzt schon im lässigen Beachwear.

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SPRUNGHAFT

Muskeln, Mähne und Tattoos – zum Aufwärmen springt Appenzeller im Stand.


Cliff Diving

Der angehende Anwalt Appenzeller springt in Businesskluft vom Zehn-Meter-Brett der Badi Dübendorf.

Im Training unterteilt er seine Jumps in einzelne Figuren, im Wettbewerb setzt er sie zum Ganzen zusammen.

«Kein Nachdenken – ich lief einfach nach vorne und sprang.» Matthias Appenzeller erzählt über den ersten Sturzflug seiner Karriere. THE RED BULLETIN

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Cliff Diving

er hat immer wieder Wettkämpfe bei der Red Bull Cliff Diving World Series absolviert, und wenn diese am 10. und 11. September wieder Station macht in Sisikon, wird er ein weiteres Mal mit der Weltelite des Klippenspringens oben auf der Plattform stehen.

Gesetze der Schwerkraft

Aber wäre man Matthias in den ver­ gangenen fünf Jahren auf Schritt und Tritt gefolgt, hätte man überraschend viel Zeit mit Rumsitzen verbracht, während er über Laptop und Büchern sass. Denn mindestens so intensiv wie mit Mental-, Fitness- und Sprungtraining setzte sich Matthias mit Themen wie Straf-, Privatund Wirtschaftsrecht auseinander. Seit 2016 führt er ein Leben zwischen Klippen­ springen und Jurastudium, zwischen Para­ graphen und den Gesetzen der Schwerkraft, ein Leben in zwei Welten, die völlig verschieden sind, aber sich auf erstaun­ liche Weise ergänzen und befruchten. In die erste dieser zwei Welten taucht Matthias schon als kleiner Junge ein: Er ist vier Jahre alt und trägt noch Schwimmflügel, als er im Freibad seinen ersten Sprung vom Zehn-Meter-Brett absolviert. «Ich dachte überhaupt nicht nach», sagt er und lacht, «ich lief einfach vor und sprang.» Die Bademeister sind froh, dass nichts passiert ist, und einer empfiehlt Matthias bald einen Verein, bei dem er das Turmspringen richtig lernen kann. Mit zehn Jahren trainiert Matthias

fünfmal pro Woche. Er geht auf eine Sportschule, dann aufs Sportgymnasium, das Training wird noch intensiver, sein Ziel immer klarer: Er will als Turmspringer zu den Olympischen Spielen. Tatsächlich schafft er es in den Kader der Schweizer Wasserspring-Nationalmannschaft. Doch die internationale Konkurrenz ist stark, der Druck enorm, und sein Körper beginnt sich zu melden. Verletzungen an Kreuzband, Ellbogen, Sehnen. Sie bremsen ihn, lassen die Zweifel wachsen: Willst du das hier noch? Willst du das wirklich? Und mit welchem Ziel? Schliesslich, da ist Matthias 19 Jahre alt, lautet seine Antwort auf diese Fragen: Ich fokussiere mich auf etwas Neues – ein Studium der Rechtswissenschaften. «Ich spürte einfach, dass es Zeit war, etwas anderes anzugehen.» Das Fach wählt Matthias schlicht aus Interesse. Schnell merkt er, wie gut es ihm liegt. Auch wenn er zwischenzeitlich nicht mehr fliegt. «Vieles, was ich durchs Turmspringen gelernt hatte, brachte mir grosse Vorteile», sagt er. Zum Beispiel: sich voll auf ein grosses Ziel fokussieren zu können. «Solange ich Turmspringen machte, war ich ein eher unterdurchschnittlicher Schüler. Mein

Fokus lag auf dem Sport, total. Aber sobald ich ihn aufs Studium legte, wurden meine Noten deutlich besser.» Die zweite nützliche Turmspringer-Fähigkeit: ­akribisches Arbeiten. «Man muss in beiden Bereichen sehr genau sein, Dinge hinterfragen, Prozesse optimieren. Und viel Disziplin mitbringen.» Und dann wäre da noch eine wichtige Erkenntnis, die er aus seinen Leistungssportjahren­ mit ins Jurastudium nimmt: Einen Berg besteigt man Etappe für Etappe. Man setzt sich also kleine, machbare Ziele, um sich von einer riesig erscheinenden Aufgabe nicht überwältigt zu fühlen, sei es ein Dreifachsalto oder ein Universitätsabschluss.

Erst Feuer, dann Wasser

Zwei Jahre lang hält sich Matthias von Sprungtürmen fern und konzentriert sich nur auf das anspruchsvolle Studium. Dann beginnt er wieder sporadisch mit Kumpels zu trainieren, nimmt gelegentlich an Wettkämpfen teil. Der ungebän­ digte Enthusiasmus aber kehrt erst zurück, als ihm der befreundete Klippenspringer Alain Kohl von dem für 2018 geplanten Event in Sisikon erzählt. «Du hast noch ein Jahr Zeit», sagt Kohl, «bereite dich vor, dann reichen wir ein Sprung­ video von dir ein – vielleicht kannst du mit einer Wildcard teilnehmen.» «Plötzlich war wieder das Feuer da», sagt Matthias. Er trainiert, bekommt die Wildcard, tritt in Sisikon an. Danach hat

«Ein Dreifachsalto, ein Uni-Abschluss: Ich besteige jeden Berg in Etappen.» Cliff Diver Matthias Appenzeller über die kleinen Schritte hinter den grossen Sprüngen

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COOLDOWN-PHASE

Nach dem Absprung die Abkühlung: Appenzeller erholt sich vom Training – und vom Fotoshooting.

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«Ich portioniere den Sprung im Training und setze ihn im Wett­ bewerb zusammen.» Matthias Appenzeller über die Entwicklung der perfekten Luft-Choreografie


ROMINA AMATO/RED BULL CONTENT POOL

Cliff Diving

er einen Namen in der Welt der Klippen­ springer. Und einen noch dichteren Terminkalender. Die Einladungen zu Cliff-Diving-Events werden sprunghaft mehr, die Uni-Seminare aber nicht weni­ ger. «Es kam nicht selten vor, dass ich mit gepacktem Koffer eine Prüfung an der Uni schrieb und zwei Stunden später im Flieger zum nächsten Wettbewerb sass.» Wie kriegt man das hin? Weltklasse­ sportler zu sein und gleichzeitig einen Master in Rechtswissenschaften mit Sum­ ma-cum-laude-Prädikat abzuschliessen, wie Matthias es vergangenen Sommer getan hat? «Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg», sagt er. «Mir war schnell klar, dass ich unbedingt beides in meinem Leben haben wollte: das ruhige, bedachte Ar­ beiten mit den Paragraphen, aber auch die Adrenalinmomente beim Springen, die Wettkampfsituation, die Emotionen, das Rampensau-Sein.» Der Weg, den er für sich gefunden hat: lange Tage, gute Planung, transparente Kommunikation mit Dozenten, Chefs, Freunden. «Dann kriegt man das schon auf die Reihe.» Sein Alltag zurzeit: Er arbeitet als wis­ senschaftlicher Mitarbeiter für einen Pro­ fessor an der Uni Zürich und beginnt mit der Vorbereitung für die Anwaltsprüfung. Das ist der nächste herausfordernde Schritt auf dem Weg zu seinem beruf­ lichen Ziel: Staatsanwalt zu werden. Parallel dazu trainiert er täglich. Joggen, CrossFit, dreimal die Woche auf den Turm. Es gibt nur sehr wenige Trai­ ningsanlagen, auf denen er Sprünge aus 27 Meter Höhe absolvieren kann, wie sie die Springer bei der Red Bull Cliff Diving World Series zeigen. Deshalb trainiert er vom Zehn-Meter-Brett einzelne Teile der Sprünge – Absprungphase, Drehungen, Eintauchphase – und setzt sie erst später am 27-Meter-Podest zum Gesamtkunst­ werk zusammen. «Es kam schon vor, dass ich mich zu Wettkämpfen mit Sprüngen angemeldet habe, von denen ich grund­ sätzlich nicht wusste, ob ich sie beherr­ THE RED BULLETIN

25 Jahre Red Bull Cliff Diving Am 10. und 11. September kehrt die Red Bull Cliff Diving World Series zurück in die Schweiz, wo alles begonnen hat. Atemberaubende Höhen und akrobatische Freifälle mit einer Geschwindigkeit von bis zu 85 km/h – das ist die Red Bull Cliff Diving World Series. Die Schweiz spielt für die grosse Sprung-Tour eine wesentliche Rolle, denn: Sie entstand nach einem ersten Event 1997 in Brontallo (Tessin). Danach tourte die offizielle Serie ab 2009 durch die ganze Welt. Nach drei Austragungen in Sisikon (2009, 2010 und 2018) wird heuer das 25-Jahr-Jubiläum gefeiert. Sei dabei, wenn am 10. und 11. September die besten Klippenspringerinnen und -springer in Sisikon antreten. Infos und Tickets: redbullcliffdiving.com

sche. Erst beim Abschlusstraining an der Event-Venue habe ich die eingeübten Einzelteile dann zusammengefügt und den kompletten 27-Meter-Sprung getestet. Wenn die Bedingungen so sind, muss das Mentale wirklich stimmen: Du musst überzeugt sein, dass du es kannst.»

Das Hirn der Muskeln

Und diese Überzeugung entsteht durch Erfahrung und Wiederholung: Immer wieder übt er im Training dieselben präzisen Bewegungsabläufe, geht sie im Kopf durch. Bis sie in Fleisch und Blut übergegangen sind, in die «Muscle Memory», wie Klippenspringer sagen, das Muskelgedächtnis. Wenn sein Körper den Sprung im Grunde von selbst ab­ solviert, fühlt sich Matthias für ihn bereit. Und dieses Gefühl nimmt ihm später, wenn er in 27 Meter Höhe steht, um ­einen Sprung zu wagen, den er nicht oder kaum geübt hat, die Angst. «Es ist dann keine Furcht mehr, die ich dort oben fühle, es ist Respekt.»

Denn natürlich, man kann sich ver­ letzen bei einem misslungenen Sprung, gerade aus 27 Metern, denn mit jedem Meter Höhe wird der Aufprall härter. «Jeder Springer weiss, dass es ein ge­ wisses Risiko gibt. Darum bereitet sich auch jeder absolut seriös vor. Und darum ist auch der Zusammenhalt unter den Springern so gross. Keiner würde dem anderen etwas Schlechtes wünschen. Im Gegenteil. Wir trainieren, reisen, schlafen zusammen und unterstützen einander, so gut es geht. Und zwar jeder jeden. Auch das liebe ich an diesem Sport.» In Sisikon wird er ihn im September wieder zelebrieren können. Und es soll nicht das letzte Mal sein. «Der legendäre Orlando Duque ist noch mit über vier­ zig bei der Red Bull Cliff Diving World Series angetreten», sagt Matthias. «Man kann lange Cliff Diver bleiben.» Auch als Staatsanwalt. Von schweren Fällen zum freien Fall – für einen wie Matthias Appen­ zeller ist das nur ein kleiner Sprung. Instagram: @matt.zz

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Nostalgie

Die RückwärtsRevolte Polaroids aus der HartplastikBox, fette Synth Drums und Jeans, die bis zum Nabel reichen. Der grosse Nostalgie-Boom: So macht uns das Gestern Lust auf morgen. Und auf alte Turn-­ latschen um 47.000 Franken … Text MARK BAILEY Fotos PHILIPP MUELLER Prop Styling KELLY-ANNE WILLS Objektiv betrachtet gibt es längst bessere Foto­ apparate als die Sofort­ bildkamera von Polaroid. 2008 wäre die Produktion fast eingestellt worden – ehe das gute Stück eine völlig neue Bedeutung bekam: eine Kamera wie damals. Nostalgie zum Abdrücken.

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Nostalgie

Professor Tim Wildschut (Bild links) ist auf die Vergangenheit fixiert. Er hat sein Leben der Erforschung der Nostalgie verschrieben. Schon der Begriff ist vergilbt, er stammt aus dem 17. Jahrhundert: Damals beschrieb man damit die Melancholie von Kriegs­ heimkehrern, eine Kombination der griechischen Wörter nóstos (Heimkehr) und álgos (Schmerz). Seit damals hat Nostalgie einen angekratzten Ruf: als sentimentales Festhalten am Vergangenen. Doch Professor Wildschut sagt: «Nostalgie ist eine kreative Schubkraft, die uns Hoffnung, Selbstvertrauen und Optimismus verleiht!»

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im Wildschut, Professor für ­Sozial- und Persönlichkeits­ psychologie an der Universität Southampton, forscht seit zwei Jahrzehnten an dieser lange missverstandenen Emotion. Anders als vorangegangene Denkschulen konzentrierte sich Wildschut auf die empirische Forschung am Beispiel alltäglicher Durchschnittsmenschen. «Nostalgie», fand er heraus, «lässt sich ganz leicht wecken, sie liegt direkt unter der Oberfläche.» Zuerst versetzt er seine Klienten in nostalgische Stimmung: durch Fragen nach alten Spielzeugen, Haustieren oder Wohnorten, durch das Spielen alter Lieblingssongs oder den Duft von Zucker­ watte, mit Bildern längst vom Markt ­genommener Süssigkeitsverpackungen. Darauf folgt eine Serie von Tests, um die Reaktionen darauf zu messen. Das Re­sultat: Wer Nostalgie empfindet, hat mit Trauer nichts am Hut. Im Gegenteil: Das individuelle Glücksgefühl steigt, die Verbindung zu anderen wird als stärker empfunden, der Lebenssinn gefestigt. «Die meisten Menschen finden die Emotion angenehm, positiv und bedeutungsvoll», sagt Wildschut. Und er fand noch etwas Interessantes heraus: Nost­ algie ist keine Schwäche der älteren ­Generation. «Jeder empfindet Nostalgie, doch am stärksten ist das Gefühl bei jüngeren Menschen. Unserer Interpretation zu­folge machen nostalgische Gefühle den Wechsel von Lebensphasen einfacher – etwa den Auszug aus dem Elternhaus oder den Übergang von der Jugend ins Erwerbsleben.» 52

Statt bloss die Vergangenheit zu ver­ klären, scheint uns Nostalgie für unsere Pläne zu inspirieren. «Nostalgie ist keine Einbahnstrasse: Die bittersüsse Erinnerung an glückliche Zeiten, die niemals wieder­kommen werden, gibt uns Mut, uns auch eine glücklichere Zukunft auszumalen», sagt Wildschut. Doch das ist nicht alles. Nostalgie ist auch der perfekte Beziehungskitt. ­«Gemeinsamkeiten, die uns mit unserem Jahrgang oder unserer Generation verbinden, erfüllen unser Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit.» So gesehen überrascht es nicht, dass Popstar Billie Eilish nach der US-Version von «The Office» süchtig ist – immerhin ist das eine Serie, die im Jahr 2005 erstausgestrahlt wurde, als Billie selbst erst zarte drei war. Doch Eilish sampelt «The Office» auch in ihren Songs und setzt die Titelmelodie als ­Opener für ihre Shows ein. Das Pop­ kultur-Magazin «Vulture» nennt das «eine ex­treme Addiction der Generation Z», Billie selbst findet es «therapeutisch». Nostalgie – die heilende Sucht! Auch für US-Schauspielerin Olivia Munn, die als Jugendliche mit Hingabe das 1992 auf den Markt gebrachte Nintendo-Game «Super Mario Kart» gespielt hat. Heute, mit 42, sei Gamen «wie Meditation für mich», meint Munn. «Nostalgie stachelt unsere Kreativität an», resümiert Wildschut. «Du wirst ­offener», sagt er. «Sie ist wie ein Sprungbrett für die Entdeckung der Welt.»

MODE

Stranger Trends Wie eine Netflix-Serie den Kleidungsstil der 1980er zurückbrachte. «Stranger Things» ist nicht nur Sci-Fi-Drama. Mit seiner Hommage an die 1980er-Jahre war es auch Mitgrund für das Comeback der dazugehörigen Mode – obwohl der Grossteil der Fanbase viel zu jung ist, um sich zu erinnern. Kostüm­ designerin Kimberly Adams-Galligan stellte sich dieser Herausforderung: «Als wir 2015 begannen, trug kein Mensch High-waisted Jeans», sagt sie. «Die jungen Schauspieler fanden sie total komisch, sie waren noch an die Low-Rise-Ära aus den 2000erJahren gewöhnt. Heute sind die Kids verrückt nach Hosen mit High Waist.» Die jungen Stars von «Stranger Things», etwa Millie Bobby Brown, 18, und Finn Wolfhard, 19, wurden zu Stil-Ikonen der Generation Z. Fawnia Soo Hoo, Redakteurin der Fashion-Website «Fashionista»: «Die Ästhetik der 80er stellt Spass und Exzess in den Vordergrund, die Farben knallen. Die Generation Z hingegen ist verantwortungs­ bewusst, darum verleiht ihr ein ­Ausflug in die 80er so ein Freiheits­ gefühl. Der bewusste Umgang mit Ressourcen in Form von Vintage steht bei dieser umweltbewussten ­Generation hoch im Kurs.» Die Serie inspirierte auch ein paar retromoderne Kollabora­tionen – von Nikes «Hawkins High School» Air Tailwind 79 Sneakers bis zum «Stranger Things»-T-Shirt, mit dem Louis-Vuitton-Designer Nicolas Ghesquière 2017 ein Model auf den Laufsteg der Pariser Fashion Week schickte. Die vierte Staffel von «Stranger Things» läuft derzeit auf Netflix. THE RED BULLETIN


«In den 80er-Jahren drehte sich alles um Spass und Exzess. Für die Generation Z wirkt das wie ein Aus­ flug in die Freiheit.» Fashion-Autorin Fawnia Soo Hoo über den Retro-Appeal der Sci-FiDrama-Serie «Stranger Things»


«Jeder Schuh ist ein Kunstwerk – das kostet eben seine 47.000 Franken.» Nohman Ahmed, Besitzer des Londoner Schuhladens Presentedby (Bild), einer Pilger­­ stätte für Sneaker-Nostalgiker aus aller Welt

SNEAKERS

Herz und Sohle Früher landeten alte Turnschuhe ganz prosaisch im Müll. Heute gibt’s eine eigene Börse für sie. Als Nohman Ahmed mit seinen Brüdern Imran und Rizwan 2017 in London den SneakerLaden Presentedby eröffnete, war der Hauptantrieb ­Nostalgie. «Wir liebten schon als kleine Jungs Turnschuhe – ich mochte Reebok Workouts und Reebok 54

Classics am liebsten», erinnert er sich. Im Laden in der Tottenham Court Road findet man Sammlerstücke, Neuauflagen und Klassiker. Seine Spezialität sind, wie Ahmed das nennt, ­«refined regenerations»: VintageTrainer auf kunstvollen Sockeln,

Retro­-Designs, die sich mit ­fu­turistischem Dekor schlagen – und darüber ein Börsen­ticker mit den aktuellen Preisen. Die Klientel ist entsprechend prominent, Fussballstar Neymar Jr. zählt ebenso dazu wie der britische Sänger Liam Payne. «Jeder weiss, wie selten diese Stücke sind», sagt Ahmed. «Du weisst: ‹Diesen Style hat niemand ausser mir!› Ganz so, als ob du ein feines Kunstwerk erwirbst.» Der Vergleich passt THE RED BULLETIN


Nostalgie

Polaroidkamera: grauer Kunststoff, knallige Bilder

FOTOGRAFIE

Mit allen Sinnen

ÁKOS BURG

Ein analoger Optimist holt uns zurück in eine prädigitale Welt.

auch in Bezug auf die Preise: Ein Paar Air Jordan 4 Undefeated aus dem Jahr 2005 kostet um­ gerechnet 47.000 Franken, der Eminem × Carhartt × Air Jordan 4 41.000 Franken. Es gibt aber auch den Limited Edition Air Max 90 für rund 230 Franken. «Hinter jedem Schuh steckt eine Story», sagt PresentedbyDirektor Ridwane Ettoubi. «Der Nike Yeezy Red October für 10.000 Pfund markiert zum Bei­ spiel das Ende der Beziehung THE RED BULLETIN

von Nike und Kanye West. Die Schuhe sind Geschichte.» Snea­ ker-Nostalgie mag heute ein ­Luxusgut sein, doch das war für Ahmed nie ein Antrieb. «Viele glauben, man braucht tausend Paar, um ein Sneakerhead zu sein, aber das ist Unsinn. Du brauchst allein Leidenschaft.» Und ein bisschen Taschengeld. presentedby.com

Florian Kaps (Bild), 53, verliebte sich in analoge Technik, als er 2003 sein erstes Foto mit einer Polaroid-­ Kamera schoss. «Ich fand alles ­daran toll, vom Auslöser-Geräusch bis zum Bild», sagt der Eigentümer von Supersense, einem analogen Konzept-­Store in Wien, der alles von der Sofortbildkamera bis zu Vintage-Turntables anbietet. «Digitales beschränkt uns auf zwei Dimensionen: Du kannst hören und sehen. Alles, was analog ist, lässt sich zusätzlich auch noch berühren oder riechen.» Kaps war überrascht, wie jung seine Kunden sind: «Die jüngeren Generationen verlieben sich in die analoge Technik. Sie sehnen sich nach Dingen, die bleiben – Digitales ist ja so vergänglich, ohne iPod existieren deine Songs gar nicht. Aber eine Plattensammlung, Mixtapes, Fotografien – die gehören für immer dir.» 2008 erfuhr Kaps von der bevorstehenden Schliessung der letzten Polaroidfilm-Fabrik. Daraufhin beschloss er, die einzigartigen Maschinen zu kaufen, die Fabrik zu l­ easen und das ikonische Foto-Medium so am Leben zu halten. 2013 zog er sich aus dem Projekt zurück, um Supersense zu gründen, doch Polaroid erfreut sich noch immer bester Gesundheit. Heute konzentriert sich Kaps auf Produkte, die analoge und digitale Technik auf clevere Weise kombinieren. «Am liebsten sind mir Konverter – und zwar nicht die, die von analog nach ­digital überspielen, sondern umgekehrt», sagt er. «Mit un­serem Instant Lab verwandeln wir ein digitales iPhone-­ Foto in ein chemisches Kunstwerk auf Polaroid-Film. Und wir machen den ‹Mastercut› von digitalen Music-­Files und pressen sie auf Vinyl.» Platte(r) geht’s nicht! the.supersense.com

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«Funky, aber unperfekt, so war der Synth-Sound der Achtziger. Also haben wir ihn an die Erwartung von heute angepasst.» Tyler Lyle vom Synthwave-Duo The Midnight über die 80er-Film- und -Game-Einflüsse auf die Band


Nostalgie

MUSIK

Synthetische Flashbacks Hätte die Nostalgie einen eigenen Soundtrack, so würde er genau wie The Midnight klingen.

SHERVIN LAINEZ

The Midnight: Producer Tim McEwan (li.) und Songwriter Tyler Lyle

Die Band The Midnight ist zwi­ schen zwei Welten hin und her ­gerissen. Der des Sängers und Songwriters Tyler Lyle aus New York, Fan von Bruce Springsteen und Paul Simon. Und der des ­dänischen Producers Tim McEwan, der seine Wurzeln im synthesizer­ geprägten Pop von Toto und Phil Collins hat. Als The Midnight sind sie die Speerspitze von Synth­ wave – einer Musikrichtung, die den Electro-Pop-Sound der Filme und Videospiele der 1980er mit aktueller Popmusik verbindet. «Alles begann, als ich den Film ‹Drive› sah und mich im Sound­ track verlor», sagt McEwan und meint damit Cliff Martinez’ Aus­ wahl von Retro-Synth-Songs. «Ich spürte sofort eine emotionale Verbindung. Mich zog es zu Akkor­ den, die sich irgendwie nostalgisch anhörten, und Tyler schrieb dazu diese wunderbaren Texte.» In den Folgejahren eroberte der Synthwave-Sound den Main­ stream, etwa mit «Blinding Lights» von The Weekend (2019) oder «Physical» von Dua Lipa (2020). Aber anfangs, sagt McEwan, «war das noch eine echte Nische». Das Motto von The Midnight ist «mono no aware», eine japanische Redewendung, die übersetzt so THE RED BULLETIN

etwas wie «Trauer über das Ver­ gehen der Zeit» bedeutet. Ihre ­Alben – veröffentlicht auf NeonVinyl oder Musikkassetten mit Neon-Artwork – haben nostalgi­ sche Titel wie «Endless Summer», «Kids» oder «The Rearview Mir­ ror», die Tracks sind mit ihren ge­ sampelten Kassettendeck-Klicks und Modem-Sounds kleine Zeit­ reisen. «Nostalgie funktioniert wie ein Fenster in unsere krea­ tiven Ichs», sagt Lyle. Im vergangenen Jahr kamen The Midnight auf mehr als 70 Mil­ lionen Spotify-Streams in 92 Län­ dern. Lyle: «Wir schauen zurück auf unsere Wurzeln und hoffen dabei, herauszufinden, wie es ­weitergehen soll.» Genau darum imitieren sie die Sounds der 1980er nicht nur, sondern ver­ suchen, sie neu zu interpretieren. «Der digitale Hall der 1980er-

«Wir blicken zurück auf unsere Wurzeln – und finden dabei heraus, wie es weitergehen soll.» Tim McEwan, The Midnight

Synths war funky und unperfekt», sagt Lyle, wir passen den Bass, die Vocals und die Snare Drum ein wenig an die Ansprüche von heute an.» Inspirationen dafür finden sie etwa in 80er-Filmen wie «Ter­ minator» oder «Risky Business»: «Wenn ich einen dieser Filme sehe, gehe ich danach direkt ins Studio», sagt McEwan. «Der Soundtrack und die Ästhetik ­wecken sofort meine Kreativität.» themidnightofficial.com

Vintage-Shirt, veredelt von Pharrell Williams. Wow. Wau.

SPORT

Der Rückpass Wie Pharrell Williams Vintage-­ Fussball-Trikots neu erfand. Das Adidas-Archiv im deutschen Herzogenaurach ist das Fort Knox der Sportgeschichte, 18 Grad kühl, 55 Prozent Luftfeuchtigkeit. Hier lagern 40.000 Produkte, die ältesten sind 100 Jahre alt. «Sie müssen Spezial-Handschuhe überziehen», mahnt Inigo Turner, Design-Direktor der Adidas-Fussballabteilung. Normalerweise dürfen hier keine firmenfremden Personen herein, doch einmal hiess man einen ganz besonderen Gast willkommen: US-Hip-Hop-Star Pharrell Williams. «Wir zeigten ihm die Abteilung mit den alten Fussballdressen, um einzelne Trikots für ein Redesign auszuwählen. Pharrell weiss viel über Mode, Menschen und Kultur, aber wenig über Fussball. Das machte seine Ideen doppelt spannend.» Williams wählte ein paar ikonische Stücke aus, darunter das gelbe Arsenal-Trikot der Jahre 1991 bis 1993, das wie eine fleckige Banane aussah, oder das blaue Manchester-United-Schneeflocken-Trikot (1990 bis 1992). Diesen Jerseys verpasste er ein Graffiti-Makeover und ersetzte alle Sponsoren­ aufdrucke durch den Namen seines eigenen FashionLabels Humanrace. «Wir haben ihn in unser Labor mitgenommen, wo er selbst zu Spray und Paintbrush griff», sagt Turner. «Diese neuen alten Jerseys entsprachen genau dem Zeitgeist der Acid-House-Clubbing-Szene. Williams’ Limited-Edition-Jerseys wurden rasch zu Klassikern, mit denen auf eBay eine Menge Geld zu machen ist. «Die Vergangenheit formt die Zukunft», sagt Turner. Was für ein Turn! adidas.co.uk

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Nostalgie

GAMING

Zurück zum Anfang

US-Autor Ernest Cline vor seinem DeLorean DMC-12

POPKULTUR

Die doppelte Zeitreise Ein Sci-Fi-Autor findet den Schlüssel zur Welt von morgen in den Achtzigern. Während Nostalgiker die Vergangenheit glorifizieren, sind Science-Fiction-Autoren wohl eher Postalgiker, also so etwas wie Zukunfts-Fans. Der US-Autor Ernest Cline ist beides. Das liegt vor allem an seinem 2011 erschienenen Buch «Ready Player One», das Steven Spielberg 2018 verfilmte. Um die Zukunft zu reparieren, switcht Cline in die Vergangenheit. «Ready Player One» spielt in einem dystopischen 2045, in dem Klimawandel, Überbevölkerung und Energieknappheit die Welt prägen. Zur Ablenkung flüchten die Menschen in eine Online-Welt. Der spannende Dreh: Das Virtual-Reality-Reich OASIS hat ein exzentrischer Spinner aus den 1980ern ­erfunden, der ein Vermögen für den Sieger eines Games auslobt, das voller Referenzen an pop­ kulturelle Meilensteine wie «Dungeons & Dragons», «Star Wars», «Pac-Man» und «Blade Runner» ist. Cline setzt also clever auf die Kraft der Nostalgie, um die Sci-Fans an der Stange zu halten. «Fantasy tut immer so, als gäbe sie uns eine Fluchtmöglichkeit in eine andere Realität», sagt Dr. Allen Stroud, Vorsitzender der Britischen Science Fiction Association. «Dabei fliehen wir doch alle ­immer in etwas Vertrautes. Zu Dingen, die wir schätzen, an die wir anknüpfen. Wir fliehen in unsere Erinnerungen.» Für Cline spielen aber auch moderne Phänomene wie Online-Games, Social ­Media oder Reality-TV eine Rolle. «Die beiden Pole müssen miteinander verschmelzen», sagt Stroud. «Einerseits braucht Cline Anknüpfungspunkte, mit denen die Leute von heute etwas verbinden, etwa riesige Multi­ player Online Games, zugleich wirft er uns zurück in unser Nostalgiegefühl.» Ein grosser Wurf. ernestcline.com

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Im Juli vergangenen Jahres wurde ein originalverpacktes Exemplar des 1986er-Nintendo-AdventureGame «The Legend of Zelda» für umgerechnet 815.000 Franken versteigert – ein Welt­rekord. Der zwei Tage später schon pulverisiert wurde, als jemand für eine neuwertige 1996er-Ausgabe von «Super Mario 64» stolze 1,46 Millionen Franken auf den Tisch legte. Im selben Jahr, in dem Sony und Microsoft gerade aufwendig konstruierte neue Spielkonsolen herausbrachten, hatten die marktführenden Spiele der Welt ein Vierteljahrhundert auf der knallroten Schirmkappe. «Die Leute denken nostalgisch an einfachere Zeiten zurück», sagt Dr. Pippin Bar, stellvertretender Direktor des Technoculture, Art and Games Research Center in Montreal, Kanada. «Der Reiz

«Keine spritzenden Gehirne – bei den alten Spielen geht es noch um Spass.» Dr. Pippin Bar, Game-Forscher

dieser alten Spiele ist ihre Einfachheit. Sie sind nicht besonders ­realistisch, da spritzen keine Gehirne an die Wand. Der Spass steht im Vordergrund.» Die Lust auf alte Games hat eine eigene Subkultur entstehen lassen. Retro Gamers sammeln ROMs (digitale Kopien alter Kassetten-Spiele) und spielen sie mithilfe von Software-Emulatoren (digitalen Simulationen alter Konsolen). Die rechtlichen Grenzen der Copyright-Gesetze werden d ­ abei nicht ganz so streng genommen. Parallel dazu entstand eine eigene Industrie von Mini-RetroKonsolen – offiziell lizenzierte, verkleinerte Nachbildungen der

alten Geräte von Sega, Sony und Nintendo mit vorinstallierten klassischen Games. Für wahre Game-Archäologen geht das allerdings nicht weit genug. Denn anstelle der Hardware von einst kommen auch hier Software-­ Emulatoren zum Einsatz, das Spielgefühl reicht also nicht ganz ans Original heran. Hier kommt die US-Company Analogue ins Spiel. Seit ihrer Gründung durch den Hobby-­ Gamer Christopher Taber hat sie nur eine Mission: das Spiel­ erlebnis alter Cartridge Games so präzise und originalgetreu wie möglich zu rekonstruieren. Zu diesem Zweck baute Taber neue Konsolen mit massgeschneiderten Chips, die die Original-Schaltkreise in der Hardware eins zu eins ­kopierten. Laut Taber dauerte es allein drei Monate, «Sonic the Hedgehog» auf der Mega Sg (dem Analogue-Klon der Sega Mega Drive) zum Laufen zu bringen. Das Design des Innenlebens der Super Nt (Nachbau des ­Super Nintendo) verschlang weitere 5000 Arbeitsstunden. Analogue geht es aber nicht nur um das Bewahren traditioneller Spielerlebnisse, sondern auch um die Verbindung von persönlicher Erinnerung und moderner Ästhetik. Denn die Konsolen fühlen sich mit ihren OriginalKassetten zwar an wie früher, Videoauflösung, Sound und die Möglichkeit, sich kabellos mit anderen Mitspielern zu verbinden, entsprechen aber dem tech­ nischen Stand von heute. Taber: «Wir haben die Seele nicht ver­ ändert, sondern nur optimiert.» Alte Seele, neues Glück. Und so wurde auch der Profit optimiert. analogue.co

THE RED BULLETIN

DAN WINTERS, STYLING ASSISTANT: LOTTIE HORNER

Amerikanische Tüftler kreieren Vintage-Erlebnisse – und zwar mit der neuesten Mikrotechnologie.


«Wir veränderten ‹Super Marios› Seele nicht – wir optimierten sie.» Retro-Spiele-Entwickler Christopher Taber, der Orignal-Schaltkreise auf Chips komprimiert



Musik

The Kater of Pop Sänger, Bassist, zweifacher Grammy-Gewinner, einflussreicher Musikproduzent: Stephen Lee Bruner, besser bekannt als THUNDERCAT, tourt aktuell durch Europa. Mit uns spricht er über seine Traumkarriere und über tiefe Trauer. Und verrät, wie ihm ein Album und eine Brille das Glück zurückbrachten. Text WILL LAVIN

Fotos WOLFGANG ZAC

Wild und edel: Thundercat, 37, ist berühmt für seinen exzentrischen Mode­ geschmack. Die Outfits für dieses Shooting hat er in seiner Garderobe gefunden. Hier trägt er eine Louis-Vuitton-Cyclone-Sonnenbrille von Virgil Abloh und einen Pullover von Pendleton. Hose und Schuhe sind von Adidas.

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Musik

«Lachen zu können ist eines der besten Gefühle überhaupt.»

N

ur wenn er lacht, dann schnurrt er: «Lachen zu können ist eines der besten Gefühle überhaupt – viel wichtiger noch als die Musik.» Eine durchaus über­raschende Gewichtung für einen Bass-Maestro, Funk-Virtuosen und stil­ prägen­den Produzenten wie Stephen Lee Bruner, besser bekannt als Thundercat. Dieser Kater des Donners, der sich bereits zwei Grammys gekrallt hat, stammt ursprünglich aus Los Angeles. Sein Sound oszilliert zwischen Jazz Funk und Fusion, Electronic, Rhythm and Blues, Psychedelic und noch viel dunkleren Genres. Seine Persönlichkeit pendelt zwischen Kreativität und Chaos; Haute Couture etwa kombiniert er ganz zwanglos mit einem Pokémon-Rucksack. Einer wie er zeigt eben doch recht gerne, was er so hat. Und zwar alles: unvergessen seine einstündige Jamsession mit dem Indie-Rocker Mac DeMarco – komplett nackt. Auch im Interview lässt er bereitwillig die Hosen runter. «Ich habe eine mentale Achterbahnfahrt hinter mir. Ach, waren das Zeiten, als ich noch allein mit Austin Peralta herumdilettiert habe: Es gab nur uns, sein Keyboard und meinen Bass.» So manches hat sich in Bruners Leben verändert, seit er mit seinem Freund, dem Jazzpianisten und Komponisten Austin Peralta, noch selbst die Instrumente zum Gig schleppte. Peralta starb 2012 an ­einer Lungenentzündung, Thundercats Album «Apocalypse» aus dem Jahr 2013 ist ihm gewidmet. Doch irgendwie ist der Kater of Pop auch der Alte geblieben: Noch immer knotzt er lieber für ­einen 62

Trickfilm-Marathon auf der Couch, als auf Hollywoods schärfste Showbiz-Partys zu gehen. «Ich bin ein grosser Anime-Nerd», bekennt Bruner seine ­Leidenschaft für japanische Animationsfilmchen. «Das war schon immer so. Allerdings kann ich mir heute all die Dinge auch leisten, mit denen ich mich leidenschaftlich gerne beschäftige. Ich muss echt aufpassen, dass ich nicht mein ganzes Geld für ­Animes rausschmeisse.» Der zurückhaltende Zugang zum Promi-Leben findet sich auch in Bruners Be­dingungen für unseren Fototermin wieder: Weder verlangte er teuren Champagner noch farblich getrennte M&M’s, nur ein Schüsselchen Heidelbeeren. Ach, wären nur alle Rockstars so – rrrrrrrrrr.

Eine schrecklich musikalische Familie

Angesichts der schrillen Outfits, manchmal kom­ plettiert durch Katzenohr-Stirnbänder, vergisst man leicht, dass man mit Bruner einen der gefragtesten Instrumentalmusiker und Produzenten vor sich hat. Nach seinen bisher vier Alben verfügt Thundercat über einen Kundenstock, der sich liest wie das Who’s who der Popmusik: Snoop Dogg, Ariana Grande, Childish Gambino, um nur eine Handvoll zu nennen. Bruner – und das ist nicht übertrieben – wurde ge­boren, um Musiker zu werden: Schon sein Vater ­Ronald senior spielte als Drummer mit Grössen wie The Temptations, Gladys Knight oder Diana Ross & The Supremes, seine Mutter Pamela ist Flötistin und Perkussionistin. Der ältere Bruder Ronald junior ist ebenfalls Drummer geworden und gewann mit The Stanley Clarke Band im Jahre 2011 einen THE RED BULLETIN


Grüne Phase: Thundercat mit einer Haube von Bricks & Wood, besetzt mit Gucci-Broschen, Shades von Alpina – und dazu noch eine Mutsu-Jacke von Prospective Flow


«Ich muss echt aufpassen, dass ich nicht mein ganzes Geld für ­Animes ausgebe.» Thundercat mit einem Dragon-Ball-ZT‑Shirt, Shades von Christian Roth und Armbändern von IF & Co.

­ rammy für das beste zeitgenössische Jazz-Album. G Einen ­jüngeren Bruder gibt es auch noch: Jameel spielte früher Keyboard und ist heute als Solokünstler unter dem Namen Kintaro tätig. Stephen Lee, damals noch verspieltes Schmusekätzchen, muss etwa vier gewesen sein, als er zum ersten Mal eine Bassgitarre in die Pfötchen bekam. Seine ersten Übungen: der Soundtrack zur Action­ komödie «Turtles II – Das Geheimnis des Ooze», den er zupfend begleitete. Die Begeisterung für Cartoons und Animes sollte auch zu seinem Künstlernamen führen. Er verweist auf die «ThunderCats», eine ­beliebte US-Zeichentrickserie aus den Achtzigern, mit kriegerischen Katzenmenschen als Protagonisten. Bereits Anfang der Nullerjahre tourte Bruner 64

mit der Multikulti-Popgruppe No Curfew um die Welt. 2002 trat er der Thrash-Metal-Band Suicidal Tendencies bei, deren Drummer damals sein Bruder Ronald junior war. Danach wurde ­Bruner freiberuflicher Bassist und wummerte sich durch die Szene von L. A. – gemeinsam mit seinem Kindheitsfreund, dem Jazztalent Kamasi Washington, der die beiden in seinem rostigen 82er-Ford-Mustang von einem Auftritt zum nächsten kutschierte. Bruner sagt über ­Washington: «Wenn wir zusammenkommen, werden wir noch heute zu grossen Kindern.» Eine Zufallsbegegnung mit dem Rapper und Produzenten Steven Ellison aus Los Angeles, besser bekannt als Flying Lotus, katapultierte Bruners Musik Ende der Nullerjahre auf die nächste Stufe. Ellison THE RED BULLETIN


Musik

nahm Thundercat für sein unabhängiges Platten­ label Brainfeeder unter Vertrag. Hier ist seither jedes seiner Alben erschienen. Dabei ist Ellison für Bruner weit mehr als nur ein Label-Boss. Die zwei Produ­ zenten bilden eine musikalische Symbiose. «Wir sind wie Batman und Robin», erklärt Bruner. «Ich fliege durch die Gegend und sorge für den abgefahrenen Shit, er operiert im Schatten.» Auch als er Bruner ­ermutigte, selbst mit dem Singen zu beginnen. «Er hat da etwas in mir gesehen, was ich nicht gesehen habe», sagt der Kater und schnurrt wieder ein wenig.

Die Tragödie hinter dem Glam

Fame, Geld, Charity und eine lange Liste an Musik­ ikonen als Freunde: Von aussen wirkt es, als hätte sich Bruners Leben von Jahr zu Jahr nur verbessert. Dabei herrschte immer auch wieder bedrohliche ­Katerstimmung. Neben einem Album-Release mitten in der Pandemie und dem Ende einer langjährigen

Snoop Dogg, Childish Gambino, Ariana Grande: Alle wollen mit Thundercat arbeiten. ­ eziehung hatte Bruner den Verlust seines besten B Freundes zu verkraften: Im September 2018 war Mac Miller, Produzent und Rapper aus Pittsburgh, an einer Überdosis an Medikamenten verstorben. Die beiden verband nicht nur eine unerschütter­ liche Freundschaft, sondern auch die Arbeit. Ihr denkwürdigster Doppelpack war ein Auftritt in der Serie «Tiny Desk Concerts» des US National Public Radio, die nur einen Monat vor Millers Tod auf­ gezeichnet wurde. Die Geschichte rund um diese Session ist heute Legende: Bruner war gerade auf Europatournee, als er eine Nachricht von Miller mit der Bitte erhielt, doch mal rasch über den Atlantik zu sausen, um dort mit ihm aufzuspielen. So musste Bruner nicht nur mehrere Shows absagen, sondern auch aus Osteuropa nach Washington, D. C., fliegen, und das für einen 17-minütigen Auftritt. I­ rgendwie abgehoben – aber er tat es. «Mac wollte sich vor all den Leuten sicher fühlen», erzählt Bruner. «Er brauchte mich an seiner Seite – das war ein besonde­ rer Moment.» Und dann: «Ich habe nie eine Chance ausgelassen, Miller zu sagen, dass ich ihn liebe. Weil es auch wirklich so war.» So magisch der Auftritt auch war, so schwer fällt es Bruner, ihn nochmals anzuschauen. Dabei befällt ihn nämlich so eine Art dankbarer Melancholie: «Wenn ich Fotos oder Ausschnitte davon sehe, dann macht mich das glücklich. Ein Fan hat sich ein ­Tattoo stechen lassen, das Mac zeigt, wie er sagt: ‹Thundercat on the shaker!› So etwas bringt mich dann zum Schmunzeln. Das Konzert ist für mich wie mein ganz persönliches Fotoalbum. Es ist dieser eine gemeinsame Moment mit meinem Freund, den die ganze Welt sehen durfte.»

Ein Album wie ein Liebesbrief

Gut gepanzert: Rucksack und T-Shirt sind hier massge­fertigt, die Brille stammt von Christian Roth und die Uhr von Rolex, die Armbänder kommen von IF & Co. und die Broschen von Gucci. THE RED BULLETIN

In seinem Thundercat-Album «It Is What It Is» konnte Bruner 2020 die Trauer über Mac Millers Tod künst­ lerisch verarbeiten. Die Space-Age-Fusion aus Jazz, Funk, Hiphop und Pop, produziert in Zusammen­ arbeit mit Flying Lotus, ist ein «Liebesbrief mit ­offenem Ende» an seinen Freund. «Jedes Album ist eine intensive, schmerzhafte Erfahrung», sagt Bruner. «Aber dieses hat mein Leben verändert.» «Es ist, was es ist»: Der Titel des Albums drückt die Akzeptanz des Todes als unvermeidliche Realität aus. Nebenbei ist er eine Anspielung auf Miller selbst, der ebendiesen Satz in seiner Nummer «What’s the Use?» 65


Zum Niederlegen: Thundercat trägt eine Louis-Vuitton-Cyclone-Sonnenbrille und einen Pullover von Pendleton. Das Biest auf dem grellblauen Samtpolster kümmert den Kater nicht.

«Flasche oder nicht Flasche, das war hier die Frage. Da drückte ich den Reset-Knopf.» 66

THE RED BULLETIN


Musik

«Manchmal braucht es ein Drake-Album, um zu spüren, dass man nicht allein ist.» verwendete. Auf dem Bass ist Bruner zu hören. Im Titelsong von «It Is What It Is» singt Bruner: «Hey, Mac», worauf zur Antwort Millers Stimme mit einem einsamen «Woah» zu hören ist. «Mehr Text hatte er nicht», erinnert sich Bruner. «Doch ich konnte den Song lange nicht hören, ohne danach am Ende zu sein. Aber es war eben, was es war, bis zur letzten Minute des Abschieds von Mac.»

Boxen als Überlebenskampf

Die Entwicklung des neuen Albums verlangte Bruner einiges ab. Er verfiel in eine Depression, konnte nicht essen und schlafen und ertränkte seinen Schmerz in Alkohol. Sich zum Trost der Musik zu­zuwenden, ­jener Sache, die ihn mit Mac verband, fiel ihm nicht leicht. «Wie ich in dieser Phase Musik produzieren konnte? Keine Ahnung.» Vor allem musste er sich eingestehen, dass seine eigene Lebensführung nicht ideal war. «Ich habe mich jahrelang mit Alkohol ­getröstet», sagt er, «und alle Bedenken weggewischt – in einem Ausmass, das die Leute erschreckt hat. Mehrere Freunde sind am Alkohol zugrunde ge­ gangen, und das direkt vor meinen Augen, erst zu­ letzt Austin Peralta. Und auch ich hatte das Gefühl, ich würde sterben, wenn ich noch einmal darüber hinweggehe. Also musste ich das endlich ernst ­nehmen und den Reset-Knopf drücken.» Nach dieser entscheidenden Erkenntnis kon­ zentrierte sich Bruner auf den Neubeginn. Zunächst hörte er auf zu trinken. «Es gab nur zwei Möglich­ keiten: Flasche oder nicht Flasche», erzählt er. «Und irgendwie wirkte es, als wäre diese Entscheidung längst für mich getroffen worden.» Ausserdem be­ gann er sich vegan zu ernähren und begab sich in Therapie. Als die ganze Welt schliesslich von der Pandemie zum Rückzug gezwungen war, kamen ­Boxen und Kickboxen hinzu. «Ich habe mich früher nie gross sportlich betätigt. Das ist das erste Mal, dass ich e­twas ernsthaft betreibe, abgesehen vom Zeichnen und Bassspielen.» Noch etwas half: Bruner hörte intensiv das aktu­ elle Album von Drake, «Certified Lover Boy». Als es im September 2021 herauskam, tweetete Bruner: «Manchmal braucht man ein Drake-Album, um sich wieder konzentrieren zu können.» Der Star aus ­Toronto muss oft Kritik von Hip-Hop-Fans einstecken, denen sein emotionaler Selbstbeobachtungs-Rap «zu soft» ist, Bruner erkennt eine Gemeinsamkeit THE RED BULLETIN

mit sich selbst – in der Verletzlichkeit. «Drake er­ innert einen immer daran, dass man nicht allein ist», sagt er. «Die meisten Typen bringen ein Album her­ aus, und man weiss, was man erwarten kann: PartyParty im Club. Drake dagegen legt Herz und Seele in seine Musik, und das hört man. Deshalb machen sich die Leute über ihn lustig.» Jedenfalls erwies sich «Certified Lover Boy» als die richtige Motivation für Bruner, um wieder Sinn im Leben zu finden. «Das Album hat mich aus meinem Dauertrauma befreit», sagt er. Seit drei Jahren ist Bruner nun trocken. ­Wieder ganz Kater. Nur Milch, kein White Russian.

Die Shades der Erkenntnis

Wenige Tage vor dem Interview mit The Red Bulletin hat Silk Sonic, die Funk-Supergroup mit Bruno Mars und Anderson Paak, ihr Debütalbum «An Evening with Silk Sonic» veröffentlicht, einschliesslich einer Arbeit mit Thundercat. Dessen samtig-seidenen Bass-Licks und fast schnulzigen Vocals untermalen die liebestrunkene Ballade «After Last Night». Mit Mars hat Bruner hier erstmals zusammengearbeitet, mit Paak hingegen schon öfter – ihn lernte er vor mehr als zehn Jahren kennen, als die beiden noch zusammen in der Begleitband des Progressive-NeoFunk-Trios The Sa-Ra Creative Partners spielten. «Ein Kreis hat sich geschlossen», sagt Bruner über die Arbeit mit William «Bootsy» Collins, den inno­ vativen Silk-Sonic-Bassisten, der in den Siebzigern neben James Brown und George Clinton Berühmt­ heit erlangte. Bruner berichtet von einer Session mit Silk Sonic, bei der er Collins’ legendäre «Bootzilla»Brille in die Hand nehmen durfte. Das strassbesetzte Accessoire mit Sternenmuster ist auch auf dem ­Cover des Albums «Bootsy? Player of the Year» von Bootsy’s Rubber Band zu sehen. «Die Shades sind nicht nur Kult, weil sie Bootsy gehören», sagt Bruner, «sondern wegen ihres ganzen Ursprungs und ihrer künstlerischen Bedeutung. Dass ich das Original halten durfte, war richtig wohltuend. Es hat mich dazu inspiriert, mehr ich selbst zu sein und auch dazu zu stehen.» Ein Kater hat sieben Leben, heisst es. Mit 37 hat Bruner genug erlebt, um diese Quote zu erfüllen, und mehr Seelenverwandte verloren, als die meisten Menschen je finden. Ausserdem hat er beruflich mehr erreicht, als sich die meisten Künstler erträumen. Aber noch ist Thundercat nicht bereit, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen oder sich der Arroganz der Superstars hinzugeben – nicht nach allem, was er in den letzten Jahren durchmachen musste. «Ich lerne immer wieder Neues über mich und ­befinde mich weiterhin auf dem Weg der Besserung», sagt Thundercat. Und lächelt halblaut. Schwingt da wieder ein leises Schnurren mit? Mehr Infos: theamazingthundercat.com Instagram: @thundercatmusic

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Segeln

Hart am Wind Der argentinische Segler SANTIAGO LANGE, 60, ist ein Wunder in Sachen Kampfgeist: Nicht nur, dass er nach fünf Jahrzehnten auf dem Wasser vier WM-Titel und drei Olympia-Medaillen vorweisen kann. Ein Jahr vor seiner letzten Goldmedaille hat er auch noch den Krebs besiegt. Text ALEXANDER NEUMANN-DELBARRE

Fotos GIANFRANCO TRIPODO


VOLLE KRAFT VORAUS

Santiago und seine SegelPartnerin Cecilia Carranza (hinter ihm) beim Training auf ihrem Katamaran im Mittelmeer vor Barcelona

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TIEFFLIEGER

Vom Trainingsboot aus sah unser Fotograf den Katamaran von Santi und Cecilia wie die meisten ihrer Gegner: von hinten.


Segeln

«Wenn ich in ein Boot steige, geschieht genau das. Alles fällt von mir ab. Ich lebe ganz in der Gegenwart.»

D

as Beeindruckendste ist nicht die irre Geschwindigkeit, mit der Santiago Lange an der Seite seiner Segelpartnerin Cecilia Carranza über das Meer vor Barcelona rauscht. Gut 20 Knoten, das sind fast 40 km/h, erreichen sie, und was das hier draussen bedeutet, versteht man erst, wenn man im Motorboot hinterherrast. Das Beeindruckendste ist auch nicht der Lärm, der anschwillt, das Flattern, Peitschen und Schlagen, wenn ihr Katamaran, mehr Hengst als Boot, Tempo aufnimmt und über Wellen und Gischt jagt. Das Beeindruckendste ist noch nicht mal, dass Santiago, im Trapez über dem Wasser hängend und tausend Dinge gleichzeitig steuernd, nebenher auch noch den Wind liest. Das Beeindruckendste ist: Santiago sieht bei all dem seelenruhig aus. Als sei er völlig bei sich, als gehe er ganz in dem auf, was er tut. Das ist es wohl, was Psychologen Flow nennen. Logisch: Nach sieben Olympia-Teilnahmen und drei Medaillen, nach zig Weltmeisterschaften und vier WM-Titeln, nach Extrem-­Erfahrungen bei America’s Cup und Ocean Race, nach mehr als fünf Jahrzehnten auf dem Wasser kann man sich auf einem rasenden Katamaran schon mal im Flow fühlen. Nur: Im Fall von Santiago Lange war es eher andersrum. Erst war da der Flow, dann kamen Erfahrung und Erfolg. 71


Segeln

Ein paar Stunden vor der Trainings­ einheit auf dem Meer sitzt Santiago – Jeans, Sneakers, Baseballcap – in einem Lokal am kleinen Yachthafen neben dem Barcelona International Sailing Center. Dass er sechzig Jahre alt ist, darauf ­deuten höchstens ein paar Fältchen in seinem Gesicht hin. Seine Körper­ spannung, seine Energie – all das lässt ihn viel jünger wirken.

Zu Hause ging es früher streng zu, auf dem Wasser war Santiago frei

Am Nebentisch trinken Fischer ihr mittäg­ liches Feierabendbier, Santiago bestellt Cappuccino, dann beginnt er zu erzählen. Über ein Leben voller Höhen, wie dem Goldtriumph in Rio 2016, und Tiefen, wie seine Krebserkrankung im Jahr da­ vor, und über Erfahrungen, die ihn viel gelehrt haben. Dass man vor allem Frei­ heit braucht, um zu lernen, zum Beispiel. Dass es ein grosses Glück ist, eine Passion zu haben. Und: dass ein Tisch nicht ­immer vier Beine haben muss. Seit einigen Jahren schon verbringt Santiago die Sommerhälfte des Jahres in Cabrera, einem Dorf nahe Barcelona. Aufgewachsen ist er aber in San Isidro, einem idyllischen Vorort von Buenos Aires, gelegen an der gigantischen Mee­ resbucht, die den etwas irreführenden Namen Rio de la Plata trägt. Sie wird früh zu Santiagos Abenteuerspielplatz. Zu Hause geht es streng zu, draussen auf dem Wasser ist er frei. «Am Freitag nach der Schule fuhr ich zum Segelclub und kam Sonntagabend wieder heim», erzählt er. «Ich liebte es schon immer, draussen auf dem Meer zu sein. Heute ist oft da­ von die Rede, wie wichtig es sei, im Hier und Jetzt zu leben. Wenn ich in ein Boot steige, geschieht genau das. Alles fällt von mir ab. Ich lebe ganz in der Gegen­ wart. So war das schon immer.» Mit seinem Kumpel Martin erkundet er in jeder freien Stunde segelnd den Rio de la Plata. Sie sind noch Kinder, machen Fehler, geraten in Gefahr, aber sie können sich nichts Schöneres vorstellen. Wie Abenteurer fühlen sie sich, und mit ­jedem Abenteuer lernen sie dazu. «Wir hatten das Privileg, allein gelassen zu werden. Und das ist die beste Art, etwas zu lernen, glaube ich: Fang einfach an, mach deine eigenen Erfahrungen und Fehler. Vom Wissen anderer kannst du später immer noch lernen. Und das gilt nicht nur fürs Segeln.» 72

OH, CAPTAIN!

An Bord überzeugt Santiago mit Weitblick. Hier posiert er für uns im Parc del ­Fòrum von Barcelona.

Mit Martin hat er einen Freund, der talentierter ist als er selbst. Auch das ein grosses Glück. Martin wird für ihn Weg­ gefährte und Konkurrent zugleich. Von ihm lernt er, besser zu segeln – und här­ ter zu arbeiten. Bei den Jugendmeister­ schaften 1976 gewinnt Santiago seinen ersten nationalen Titel in Argentinien – im Optimist, einem Ein-Mann-Segelboot. Bis heute ist das einer seiner schönsten Triumphe. Santiago ist damals 15 Jahre alt und lernt zwei Lektionen: Mit Willen und Köpfchen lässt sich vieles schaffen.

Und die Zufriedenheit, ein Ziel zu er­ reichen, fühlt sich fantastisch an.

Wilde Jahre in England

Santiago weiss früh, was seine Passion ist: segeln, an Wettkämpfen teilnehmen, besser werden. Die Frage, die ihn lange beschäftigt, ist jedoch: Wie konsequent folge ich ihr? Zunächst läuft alles auf ­einen Kompromiss hinaus. Da sein Vater darauf pocht, dass er ein Studium absol­ viert, zieht er Anfang der 1980er-Jahre nach England und studiert in South­

Die 80er-Jahre sind eine aufregende Zeit für ihn. Santiago lebt in einem besetzten Haus in Southampton. Im Sommer reist er, obwohl fast pleite, zu Segelwettbewerben in ganz Europa. THE RED BULLETIN


Eine Legende nimmt Fahrt auf

«Damals verstand ich eines», sagt Santiago, «wenn ich meine Träume für ein normales Leben aufgebe, werde ich nicht glücklich sein.» ampton Schiffsbau. Es ist eine aufregende Zeit, er lebt in einem besetzten Haus, reist im Sommer, wiewohl fast pleite, zu Segelwettbewerben in ganz Europa, sperrt sich im Winter zum Lernen ein. Ein Spagat, den er nach dem Studium fortsetzt: Tagsüber arbeitet er in einem Schiffbauatelier in Buenos Aires, abends trainiert er für die 1985 in Argentinien stattfindende Weltmeisterschaft in der Snipe-Klasse, bei der er seinen ersten WM-Titel holt. Bald kommt zu den Polen Leistungssport und Arbeit noch ein dritter hinzu: die eigene Familie. Santiago heiratet, wird Vater, lebt nun ein Leben in drei Rollen: Er versucht seine beruf­ liche Karriere, das Familienleben mit bald vier Kindern und die Teilnahme an Olympia 1988 in Seoul («Danach wusste ich, dass ich das Potenzial habe, eine ­Medaille zu gewinnen») und 1996 in ­Atlanta (wo er nach Platz neun im Laser enttäuscht ist) unter einen Hut zu kriegen. Es sind zu viele Rollen.

PRIVAT

Nach der Scheidung verspricht er sich, seiner Berufung zu folgen

Seiner Frau und der Familie zuliebe gibt er das Segeln auf, nimmt einen Job im Vertrieb von Tiefkühlprodukten an, sitzt im Büro statt im Boot. Lange hält er das nicht aus. Die Ehe scheitert, die Trennung von den Kindern bricht ihm das Herz. Doch es ist auch ein Neu­ anfang. In der kommenden Lebensphase, das verspricht er sich, soll nichts seine Berufung als Segler aufhalten. «Damals verstand ich eines», sagt ­Santiago am Hafen in Barcelona, «wenn ich meine Träume aufgebe für ein ‹normales› Leben, werde ich nicht glücklich sein; und die Menschen um mich herum in der Folge auch nicht. Heute glaube ich, das ist die wichtigste Lehre, die ich meinen Söhnen mitgeben kann: Sei frei, finde deine Passion und folge ihr. Einer Sache musst du dir dabei aber bewusst THE RED BULLETIN

sein: Wenn du deiner Leidenschaft folgst, ist dein Leben wie ein Tisch mit nur drei Beinen – es ist nicht perfekt ausbalanciert. Das ist der Preis, den du zahlst. Den musst du akzeptieren.»

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere: auf zu neuen Abenteuern!

Bei den Olympischen Spielen im Jahr 2000 in Sydney tritt Santiago Lange in der schnelleren Tornado-Klasse an. Mit seinem Partner verpasst er auf dem Katamaran einen Medaillenplatz, aber er ist sicher, nun das richtige Boot für sich gefunden zu haben. Und tatsächlich: 2004 in Athen gewinnt er Bronze, seine erste olympische Medaille. Vier Jahre später, 2008 in Peking, wiederholt er diesen Erfolg sogar. Mit mittlerweile 46 Jahren glaubt er den Höhepunkt ­seiner olympischen Laufbahn erreicht zu haben – und beschliesst, sich von den Spielen zurückzuziehen. Schliesslich gibt es in der Welt des Segelns noch eine ­Reihe weiterer spannender Heraus­ forderungen. Schon 2005 arbeitet er erstmals bei einem Team mit, das am renommierten America’s Cup teilnimmt, der Formel 1 des professionellen Segelns. 2008, kurz nach den Spielen von Peking, tritt er – zum zweiten Mal nach 2001 – auch wieder beim dritten grossen Wettstreit des Segelsports an: dem Ocean Race, einem monatelangen Rennen um die Welt. Kaum Schlaf, Stürme, ständige Lebensgefahr. «Das Ocean Race steht vor allem für die abenteuerliche Seite des Sports», sagt Santiago. «Eine grossartige Herausforderung. Genauso wie der America’s Cup, bei dem es vor allem um Techno­ logie und Management geht. Die Essenz des Sports aber, das sind für mich die Olympischen Spiele.» Dass er eines Tages zu ihnen zurückkehren wird, erwartet er dennoch nicht. Bis ihn 2012 eine E-Mail erreicht.

Die grössten Erfolge von Santiago Lange im Überblick

1976

Erster Rückenwind: Bei den Jugendmeisterschaften in Argentinien gewinnt er im Ein-Mann-Segelboot.

1983

Theoretisch gut: In England schliesst er sein Schi≠bau-Studium ab.

1985

Praktisch noch besser: In der ­Bootsklasse Snipe holt er in Argentinien seinen ersten WM-Titel.

1986

Familienglück: Santi heiratet seine Verlobte Silvina. Insgesamt bekommen sie vier Söhne. Yago und Klaus werden ebenfalls olympische Segler.

Alle an Bord (von links): Santiago 2004 in Athen mit seinen Söhnen Yago, Klaus und den Zwillingen Theo und Borja

2004

Edles Metall: In Athen holt er in der Bootsklasse Tornado seine erste Olympia-Medaille (Bronze).


LANDGANG

Nach knapp zwei Stunden Training ziehen Santiago und Cecilia den Katamaran aus dem Wasser.

AUF EIN WORT

Santiago (li.), Cecilia und Trainer Juan de la Fuente bei der Besprechung des nächsten Trainings

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THE RED BULLETIN


PRIVAT

Segeln

«Hallo Santi, ich hoffe, es geht dir gut. Kommst du in den nächsten Monaten nach Buenos Aires?», schreibt ihm die damals 25-jährige argentinische Seglerin Cecilia Carranza. Bei den Spielen in Rio 2016 soll erstmals ein Wettbewerb in der Bootsklasse «Nacra 17», einem schnellen Katamaran, stattfinden, die Teams be­ stehen aus einer Frau und einem Mann. Cecilia möchte in dieser Klasse antreten und Santiagos Rat für die Planung ein­ holen. Sie ist überrascht, als er sie bei ­einem persönlichen Treffen fragt: «Wie wäre es, wenn wir zusammen anträten?»

Die Diagnose Krebs kann er nicht glauben. Er hat sein Leben lang Sport gemacht, an der frischen Meeresluft gelebt. Ärzte entnehmen ihm 80 Prozent seiner linken Lunge.

Erst kann Santiago die Diagnose Lungenkrebs nicht glauben

Treppchen zum Zweiten: In Peking tritt Santiago erneut in der Bootsklasse Tornado an – und holt wieder die Bronzemedaille.

Santiago weiss, dass ihm in seinem Alter nun eine riesige Herausforderung bevorsteht. Wie gross sie tatsächlich wird, ahnt er nicht. Das Training mit Cecilia für Olympia läuft bereits, als die Ärzte bei ihm 2015 einen Knoten in der Lunge finden. Er kann es kaum glauben und lange nicht akzeptieren. Er hat sein Leben lang Sport gemacht, an der frischen Meeresluft gelebt – und soll nun Lungenkrebs haben? Doch der Rat der Ärzte ist klar. Er muss operiert werden. Im September 2015 ent­ nehmen sie ihm in einer siebenstündigen Operation 80 Prozent seiner linken Lunge. Die Ärzte versprechen ihm, er werde seine volle Lungenkapazität wieder­erlangen. Doch Santiago ist skeptisch. Er liegt im Krankenhausbett, pustet in ein Trainingsgerät für seine Lunge – drei kleine Bällchen soll er mit der Kraft seines Atems in der Luft halten – und denkt an die Olympischen Spiele, die in nicht einmal einem Jahr beginnen. «Ein Athlet zu sein, ein Segler, das half mir in dieser Zeit ungemein», sagt Santiago. «Erstens trainierst du als Sportler dein Leben lang, Widerstände zu überwinden. Zweitens hast du als Segler gelernt, die Natur zu akzeptieren – du weisst, es geschehen Dinge, die du nicht kontrollieren kannst. Und drittens war der Wunsch, in Rio dabei zu sein, eine riesige Motivation.» Neun Monate nach seiner Operation gewinnt Santiago mit Cecilia die Goldmedaille in Rio. Es ist der grösste sportliche Erfolg seiner Karriere. «Ich habe mich oft gefragt, warum es gerade in Rio mit Gold geklappt hat. Die Antwort, die ich darauf finde, ist: Wir hatten diesen besonderen Willen und Glauben. Wir gingen als Team durch THE RED BULLETIN

2008

2013

Grosse Fahrt: Als Crew-Mitglied bei Team «Artemis» nimmt er am legendären America’s Cup teil.

2016

Comeback: Nach überstandener Krebs-OP gewinnt er mit Cecilia Carranza Olympia-Gold in Rio.

Mit Judoka Paula Pareto bei den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires 2018

2021

Grosse Ehre: Zusammen mit Cecilia Carranza darf er bei den Olym­ pischen Spielen in Tokio die Fahne für das argentinische Team tragen.

sehr harte Zeiten, das gab uns Kraft und mach­te uns zu einer Einheit. Wir wussten: Wir können jeden Gipfel besteigen.» Dass es bei den Spielen in Tokio im Sommer nur Platz 7 geworden ist, findet er «schmerzhaft», wie er sagt. Etwas Trost findet er darin, dass er und Cecilia immerhin das finale Medaillenrennen ­gewannen. Auch wenn dieser Sieg ihnen im Gesamtergebnis nicht mehr zum erhofften Platz auf dem Treppchen verhalf, sei es «keine kleine Sache» gewesen.

Die achten Olympischen Spiele? Nicht ausgeschlossen …

Wie es nun weitergeht? Santiago weiss es noch nicht. Er kann sich nun, mit sechzig, vieles vorstellen. Sein Leben stärker aus­ zubalancieren, «den Tisch etwas mehr auf vier Beine zu stellen», wie er sagt. Aber auch, noch einmal an Olympia teilzu­nehmen. Die Motivation ist weiterhin da. «Ich liebe den Wettbewerb», sagt Santiago, «und ich geniesse es, Arbeit in etwas zu stecken, um besser darin zu werden. Auch weil mir das die Chance gibt, noch glück­licher zu sein, wenn es zum Erfolg führt. Und diese grossen Emotionen, die mir der Sport schenkt – Freude, Adrenalin, auch Frustration –, sind ein wesent­licher Teil meines Antriebs.» Und dann ist da natürlich noch diese andere Sache: «Ich spüre heute draussen auf dem Meer noch immer das Gleiche wie damals als Kind», sagt Sant­ iago. «Das Gefühl, ganz bei mir zu sein und den Moment zu geniessen.» «Wind: Meine Triumphe, meine Gedanken, mein Leben»: Unter diesem Titel erzählt Santiago Lange seine inspirie­rende Lebens­ ge­schichte. Pantauro Verlag, 28 Fr. Erlebe Santiago Lange im Gespräch in Barcelona. Einfach QR-Code scannen!

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GUIDE Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

GEORG SUPANZ/RED BULL CONTENT POOL

ZWISCHEN MILD UND WILD Der fünfmalige Surf-Weltmeister Philip Köster brettert mit uns durch sein Sylt.

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GUIDE Reisen

«Kein Wind zum Surfen? Dann fahr ich Fahrrad. Sylt hat so viel zu bieten.» Hier beschreibt Windsurf-Weltmeister Philip Köster seine Trauminsel.

S

ylt ist für mich ein ganz besonderer Ort. Vor allem weil auf der Insel jedes Jahr der Surfweltcup stattfindet, mit dem ich viele wunderbare Erlebnisse verbinde. 2012 ist mir hier ein Trick gelungen, den ich bis dahin noch nie geschafft hatte: Im Grunde vollführte ich dabei eine 360-Grad-Drehung in der Luft – und hängte dann, schon auf dem Wasser, noch eine Extra-Drehung dran. Am Ende konnte ich damit sogar den Wettbewerb gewinnen. So ein Triumph beim heimischen Weltcup vor tausenden deutschen Fans am Strand, das ist schon etwas ganz Besonderes.

Tourenziel und Orientierungspunkt: der 160 Jahre alte Leuchtturm List-Ost auf Sylt

Protokoll der Gezeiten Der Weltcup wird immer im September ausgetragen. Das hat einen guten Grund, denn da ziehen die Herbststürme über die Insel hinweg und bieten den Profis die perfekten Bedingungen zum Windsurfen. Wer sich auf dem Brett sicher fühlt und es gern ein bisschen wilder mag, sollte deshalb zwischen September und Novem­ber nach Sylt fahren. Ausserdem empfehle ich, jeden Tag den Gezeitenkalender auf der Homepage der Insel zu checken und zu kontrollieren, zu welchen Tageszeiten Ebbe und Flut kommen. Bei Hochwasser sind die Wellen kräftiger.

Wunder-Westerland Die Hauptstadt von Sylt ist Westerland. Hier tummeln sich die meisten Touristen, an der Promenade reihen sich Geschäfte 78

Wellen, Wonne, Sonne – und auch Philip Köster strahlt: Soeben hat er sein Training am Brandenburger Strand beendet. THE RED BULLETIN


Ellenbogen List

Branden­ burger Strand Westerland

Königshafen

SYLT

Deutschland

Anreise Mit dem Auto: Von Zürich gelangt man in knapp 12 Stunden nach Niebüll. Dort wird am Terminal das Auto auf den DB Sylt Shuttle geladen. Der Autozug erreicht Sylt über den Hindenburgdamm in 35 Minuten. Die Hin- und Rückfahrt mit dem Shuttleservice kostet ungefähr 103 Franken. Mit dem Flugzeug: Ab 197 Franken fliegt Helvetic Airways von Zürich nach Westerland. Der Flug dauert 1 Stunde und 50 Minuten.

Es gibt ausserdem Direktflüge von Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart. Mit der Bahn: Von Zürich fährt man 11 Stunden und 36 Minuten nach Westerland, mit Umsteigen in Hamburg.

Gut zu wissen

PICTUREDESK.COM, GEORG SUPANZ/RED BULL CONTENT POOL, ALAMY, SUNSETBEACH.DE, ADOBE STOCK MAXIMILIAN REICH

Wo schlafen? Wo essen? Und wohin, wenn kein Wind weht? Wir haben alle wichtigen Antworten. HOTEL Wer sich etwas Luxus gönnen möchte, übernachtet im Miramar. Das FünfSterne-Hotel (ab 230 Euro pro Nacht) bietet zahlreiche Spa-­Behandlungen an. Perfekt für regnerische Tage, an ­denen man lieber im Warmen ­bleiben möchte. hotel-miramar.de

und Restaurants aneinander, und selbst Die Ärzte haben dem Ort schon einen Song gewidmet – wenig überraschend heisst er «Westerland». Wenn ich auf Sylt bin, dann meist hier am Brandenburger Strand, wo auch der Weltcup stattfindet. Sylt ist ja ohnehin schon die westlichste Insel Deutschlands, und der Strand liegt auch noch an der Westküste. Und da der Wind meistens aus dieser Himmelsrichtung kommt, ist der Strand für Windsurfer wie mich extrem reizvoll. Die Wellen sind hier perfekt.

RESTAURANT Die Anlaufstelle für alle Surfer, wenn der Hunger sie aus dem Wasser treibt: das Sunset Beach direkt am Brandenburger Strand. An der Decke hängen Surfbretter, und die Wände schmücken Schwarz-Weiss-Fotos von legendären Surf-Competitions. Dazu gibt es ­pfiffige Burger, Pasta oder Fisch – und natürlich den Blick aufs Meer. sunsetbeach.de

Ein epischer Ellenbogen Etwas ruhiger geht es im Königshafen zu. Sowohl in Bezug auf das Wetter als auch auf die Menschenmengen, denn das THE RED BULLETIN

Das Hotel Miramar (oben), das Restaurant Sunset Beach (Mitte) und der Brandenburger Strand mit der Hauptstadt Westerland

FAHRRADVERLEIH Ab 10 Euro pro Tag kann man sich bei M+M Fahrradverleih ein Rad mieten und damit die malerischen ­Dünen der Insel erkunden. sylter-fahrradverleih.de Mehr Infos: sylt.de

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GUIDE Reisen

Wo die Robben relaxen Zwischen den Dünen dösen Robben, grasen Schafe und nisten seltene Vogelarten. Surfen ist aber erlaubt, wobei man hier eher die gemütlicheren Akteure trifft. Die Dünen halten nämlich den Wind ab, und das Meer ist fast spiegelglatt. Und besonders tief ist es auch nicht. Selbst bei Flut reicht das Wasser selten über die Hüfte, und man kommt ganz locker rein und raus. Wer einen Surfkurs machen möchte, wird hier auf jeden Fall fündig. Übrigens: Die Gegend ist in Privatbesitz. Wer mit dem Auto kommt, muss deshalb ein paar Euro Maut bezahlen. Besuche mit dem Fahrrad oder zu Fuss hingegen sind wertvoll und doch geschenkt. 80

Die Dünen-Tour

«Das Wetter auf Sylt ist unberechenbar. Deshalb wird es dort nie langweilig.» Philip Köster, 28

Ein Klassiker ist die Strecke von Westerland nach List, die dauert ungefähr 2,5 Stunden und führt entlang der alten Bahntrasse durch die malerische Dünenlandschaft und beschauliche Dörfer wie Kampen. Und wenn man doch mal falsch abbiegt: halb so wild. Auf einer Insel führt am Ende jeder Weg an die Küste. Und wenn man am Wasser ist, ist man doch nie wirklich falsch. Mehr über Philip Köster: philipkoester.com oder auf Instagram @philip_koster THE RED BULLETIN

GEORG SUPANZ/RED BULL CONTENT POOL

Solange Ebbe herrscht, kann man das Brett am Strand liegen lassen und sich stattdessen ein Fahrrad schnappen, um die Insel zu erkunden. Verleihgeschäfte stehen praktisch an jeder Ecke, und mit 200 Kilometer Radwegen ist Sylt ein Paradies für Biker. Vor allem weil es auf der Insel so gut wie keine Steigungen gibt. Bloss der Gegenwind kitzelt die Waden manchmal ein bisschen. Aber dafür gibt es ja E-Bikes.

Baden ist hier verboten. Die Bucht liegt im Norden der Insel zwischen List und der Landzunge Ellenbogen und gehört zum Nationalpark Schleswig-Holstein­i­ sches Wattenmeer. Meiner Meinung nach der schönste Flecken Sylts.

MAXIMILIAN REICH

Sylt von oben: Philip Köster ist Weltmeister in der Disziplin «Wave» und nutzt die Wellen für Luftausflüge.



GUIDE Biohacking MEHR ENERGIE

Zurück zum Ur-Sprung! Profi-Biohacker Andreas Breitfeld verrät uns jeden Monat einen Trick, der dein Leben verbessert. Dieses Mal: So setzt ein wenig Auf und Ab dein inneres Kraftwerk in Bewegung.

In der Luft kurz schwerelos, dehnt sich der Körper aus, ehe er sich beim Landen zusammenzieht. Resultat: alle Zellen werden aktiviert.

W

er kennt sie nicht, diese Tage, an denen bereits die Schritte vom Bett ins Bad bleiern schwer wirken? An denen eine innere Antriebslosigkeit jedes Denken, jedes Handeln verlangsamt und hemmt? Doch keine Sorge, der Weg aus dem Tief ist tatsächlich nur einen Sprung – oder ein paar wenige Sprünge – entfernt. Glücklich ist, wer über ein Trampolin verfügt, aber auch ohne reichen etwa drei Minuten lockeres Hüpfen auf der Stelle, um dein Energieniveau im Nu aufzupeppen.

Winzige Untermieter

Kickstarter für Zellen Springen aktiviert die Protonen­pumpe im Mitochondrium («Zellkraftwerk») und sorgt so für mehr Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP).

ANDREAS BREITFELD, 49, ist Deutschlands bekanntester Bio­hacker. Er forscht in seinem speziellen Lab in München. BIOHACKING umfasst, ver­einfacht gesagt, alles, was Menschen eigenverantwortlich tun können, um Gesundheit, Lebensqualität und Langlebigkeit zu verbessern.

DIE BIOHACKING-PRAXIS Der Performance-Lifestyle-Podast für alle, die mehr über Biohacking (und sich selbst) erfahren wollen. QR-Code scannen und reinhören.

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THE RED BULLETIN

SASCHA BIERL

ATP

ANDREAS BREITFELD

Mitochondrium

PRIVAT

Zelle

Um zu verstehen, was da vor sich geht, müssen wir kurz zurück in die Schule, in den Biologieunterricht. (Wer jetzt schon gähnt, liest den Text besser erst nach dem Springen weiter.) Denn damals haben wir gelernt: In der Zelle gibt es kleine Mitbewohner namens Mitochondrien; und die sind die Kraftwerke unserer ­Zellen, sie erzeugen Energie, die unsere Lebenskraft stärkt. Eine molekulare ­Protonenpumpe ist dabei entscheidend: Sie setzt eine Kette von Reaktionen in Gang und erzeugt Adenosintriphosphat, kurz ATP, den Brennstoff der Zelle. Das Hüpfen bzw. die Auf-und-Ab-Bewegung wirkt wie ein Kickstarter, da jede einzelne Zelle aktiviert und mit Nährstoffen, ­Sauerstoff und Wasser gefüllt wird.


GUIDE Playlist

MIKE LOVE

«Meine best Vibrations» Mike Love, Gründungsmitglied der legendären Beach Boys, verrät, welche Songs ihn selbst in Schwingung ver­ setzen. Und warum er für Chuck Berry sein letztes Hawaiihemd gegeben hätte. Für die Red Bulletin-Playlist packt Mike Love, 81, seine absoluten Feelgood-Songs aus. Im Podcast auf Spotify verrät er im Detail, was an seiner Auswahl so besonders ist. Mit Klassikern wie «California Girls», «I Get Around», «Do It Again» und «Good Vibrations» haben die Beach Boys mehr als 100 Millionen Platten verkauft, 29 Studioalben aufgenommen und unzählige Top-40-Hits gelandet. Ihre Karriere umspannt über sechs Jahrzehnte. 1961 begannen sie mit der Originalzusammensetzung, bestehend aus den Brüdern Brian, Carl und Dennis Wilson, ihrem Cousin Mike Love und dem Schulfreund Al Jardine. Heute ist Mike Love das einzig ver­ bliebene Gründungsmitglied der Beach Boys, mit deren aktueller Zusammen­ setzung er heuer auf Jubiläumstour geht: Vor 60 Jahren erschien die erste Single – «Surfin’ Safari».

UDO SPREITZENBARTH

MARCEL ANDERS

Den QR-Code scannen und der Spotify-Playlist von Mike Love lauschen. thebeachboys.com

THE FIVE SATINS

IN THE STILL OF THE NIGHT (1956) «Die Doo-Wop-Musik der Fünfziger hat uns sehr inspiriert. Von einer Gruppe namens The Five Satins stammt der wunderschöne Song ‹In the Still of the Night›. Damals haben wir den oft gesungen. Ich habe den Bass-Part übernommen, mein Cousin Brian die ­hohen Stellen, das hat grossen Spass gemacht. ‹In the Still of the Night› war einer der grossen Hits dieser Zeit.» THE RED BULLETIN

THE REGENTS

CHUCK BERRY

THE EVERLY BROTHERS

BARBARA-ANN (1961)

SWEET LITTLE SIXTEEN (1958)

DEVOTED TO YOU (1959)

«Unser Hit ‹Barbara Ann› war ein Cover. Ursprünglich stammt der Song von den Regents, einer Band von der Ostküste. Die hatten ein grossartiges Arrangement. Brian hat sich davon inspirieren lassen, wir verwenden es auf unserem Album ‹Beach Boys’ Party!›. Wir haben nicht damit gerechnet, dass es ein derartiger Hit wird, weit oben in den Charts, sogar noch vor ‹Pet Sounds›.»

«Diese Platte hatte uns zu ‹Surfin’ USA› inspiriert. Als ich einmal zusammen mit Chuck in einem Flugzeug sass, sagte er: ‹Mir gefällt, was ihr aus «Sixteen» gemacht habt.› Das war der Segen des Meisters! ­Übrigens: Als Urheber unseres Stücks wurden Chuck und Brian Wilson angeführt – ich wurde vergessen. Dabei stammt der Text eigentlich von mir.»

«Die Everly Brothers waren für Brian und mich als Heranwachsende eine Inspiration. Mittwochs sind wir immer mit ihren Songs auf den Lippen vom Jugendabend der presbyterianischen Kirche heimspaziert. Mit meiner Schwester Maureen haben wir aus deren zweiteiliger Harmonie eine dreiteilige gemacht. Die Everly Brothers haben viele schöne Songs geschrieben, diesen mag ich am liebsten.»

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GUIDE Gaming Kleiner Test: «Einander überschneidende Innenverteidiger», «Weihnachtsbaumformationen» (hier im Bild) – wenn du diese Begriffe verstehst, ist «Football Manager» das richtige Spiel für dich.

von 250 Datenpunkten. Der seinerzeitige Chelsea-Manager André Villas-Boas zog das Spiel als Grund­lage für seine Entscheidungen heran, und Alex Mc­Leish, vormals Trainer der Glasgow Rangers, gab einst zu, einen Tipp seines Sohnes ignoriert zu haben. Dieser nämlich hatte auf ‹FM› einen jungen Spieler in der BMannschaft des FC Barcelona entdeckt – einen gewis­sen ­Lionel Messi.»

KULTSPIEL

Der Boss am Ball Der Gaming-Experte erklärt, was «Football Manager» zum ultimativen Kick macht. Und warum Messi beinahe zum Schotten geworden wäre. Die unentdeckten Pep Guardiolas sind überall: Acht Millionen Menschen kaufen jedes Jahr die aktualisierte Ausgabe des Videospiels «Football Manager» («FM»), um ihre Fussball-Expertise zu testen. Der durchschnittliche «FM»-Spieler verbringt mehr als 250 Stunden pro Jahr im virtuellen Stadion. Doch Sportlerglück ist Beziehungsgift. Und so sind, das ist standesamtlich verbrieft, am ultimativen Kick bereits Ehen gescheitert. Aber was ist schon eine Ehe gegen Ehre und Reichtum? Der Videospiel­kritiker Simon Parkin erklärt die Fas­ zination «Football Manager»: «‹FM› ist mitunter mehr Pla84

nung auf Excel-Tabellen als Match auf dem Fussballrasen. Man wählt seine Startaufstellung und gibt die Taktik für das Match vor. Aber es geht im Hintergrund auch darum, Transfers zu verhandeln oder PR-Desaster zu managen.»

Der Brite Paul Collyer ­ ntwickelte noch als Schüler e mit seinem Bruder Oliver das allererste Spiel, es kam 1992 unter dem Namen «Champion­ ship Manager» heraus. «Wir wollten eine funktionierende Fussballwelt erschaffen», sagt Collyer. «Bei ‹FM 2022› bedeutet das: Videobeweise studieren, Ballverluste analysieren und die Erwartungen des Vorstands erfüllen.»

Daten, Daten, Daten Simon Parkin ist Gaming-Kritiker bei der britischen Zeitung «The ­Observer». Unlängst erschien sein Roman «The Island of Extraordi­nary Captives»; simonparkin.com

«Ähnlich wie die Vereine ar­ beitet auch ‹FM› mit Scouts», erklärt Parkin. «Zu Tausenden durchkämmen sie die virtuelle Welt nach Talenten für die 650.000 Spieler umfassende Datenbank, jeweils an­hand

Miles Jacobson, Leiter des Entwicklungsstudios Sports Interactive in London, wo «FM» entsteht, vermutet, dass alle Führungskräfte von dem Spiel etwas lernen können, nicht nur jene im Sport. «Wenn man sein Budget mit Mega-Gagen für einen Star verpulvert, bringt man seine Leute nicht durch. Wenn man eine Firma leitet, ist das genauso: Talente müssen immer gut verteilt sein!» Manche Begebenheiten aus dem Spiel beeinflussen auch die Wirklichkeit. Simon Parkin: «Andros Townsend vom FC Everton erhielt einmal eine SMS von seiner Freundin: Warum er denn ein Strafgeld wegen v ­ erpassten Trainings zahlen müsse? Angehängt war der Artikel aus einer vermeintlichen Boulevardzeitung. ­Townsend erkannte das ‹FM›Design und postete die Nachricht auf Twitter mit dem Kommentar: ‹Okay, wer sagt es ihr?›» «Football Manager 2022» gibt’s für Xbox, Switch, Windows, MacOS, iOS und Android; footballmanager.com THE RED BULLETIN

SIMON PARKIN

Wer sagt’s der Frau?


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GUIDE Lesestoff

MYTHISCHE FANTASY

Der schreckliche John Mit seiner Wikinger-Saga liefert der britische Erfolgsautor John Gwynne den Beweis dafür, dass es nicht nur blutige Anfänger, sondern auch blutige Meister gibt.

A

ls Ende 2020 ruchbar wurde, dass John Gwynne an ­einer mythischen Wikinger-Saga arbeitet, da schnalzten Connaisseurs genüsslich mit der Zunge. Denn wiewohl Gwynne hierzulande noch immer als Geheimtipp gehandelt wird, hat der 1968 geborene britische Autor schon mehrfach bewiesen, dass er ganz genau weiss, wo der Hammer hängt – eine ­Eigenschaft, die im finsteren Norden des Frühmittelalters

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ausgesprochen zweckdienlich ist. Bereits sein erster Fantasy-­ Zyklus «Die Getreuen und die Gefallenen» liess kaum Zweifel daran, dass Gwynne sich mit Leib und Seele der belletristischen Stahlver­arbeitung verschrieben hat. Unter den bezeichnenden Einzeltiteln «Macht» (2012), «Bosheit» (2014), «Jähzorn» (2015) und «Ungnade» (2016) servierte er auf insgesamt rund 3500 Seiten eine üppige, mit allerlei martialischen Fabelwesen garnierte Schlachtplatte,

die nicht nur mächtig Spass macht, sondern auch e ­ inen – in diesem Genre – über­ raschend hohen literari­schen Nährwert bietet. Für einen ausgewiesenen Meister des Gemetzels hat Gwynne ein erstaunlich feines Gespür für das Grobe. Vor allem bei der Entwicklung seiner gut ausbalancierten Charak­tere zeigt sich, dass er mit der Feile ebenso gut umzugehen weiss wie mit dem Hobel. Das sahen die Juroren des renommierten David Gemmell THE RED BULLETIN

VINZ SCHWARZBAUER

Text JAKOB HÜBNER


«Nordnacht», Kapitel 1, erster Absatz: «Der Tod ist ein Teil des Lebens», flüsterte Orka ihrem Sohn ins Ohr. Obwohl Breca mit dem Eschenspeer in seiner kleinen verkrampften Faust weit ausholte und auf das Rentier vor ­ihnen zielte, sah sie das Zögern in seinen Augen, bemerkte es an seinem verbissenen Kiefer. Er ist zu weich für diese Welt des Schmerzes, dachte Orka.

Awards offenbar ähnlich und zeichneten Gwynne 2012 für das beste Fantasy-Debüt des Jahres aus. Spätestens nach dem Erscheinen seiner zweiten R ­ omanserie, der Trilogie «Blut und Knochen», die er 2020 abschloss, machte in der Fantasy-Community auch international eine Erkenntnis die Runde: Wenn John G ­ wynne seine Esse anheizt, ist epische Weissglut angesagt. Beste Voraussetzungen, um sich literarisch in einer Kultur auszutoben, in der das Spalten eines Schädels bekanntlich nur deshalb mora­ lische Bedenken aufwirft, weil man den Schädel danach nicht mehr als Trinkgefäss ­verwenden kann. Wohlan! «Nordnacht», der erste Teil von Gwynnes heroischer ­Wikinger-Saga «Die Blut­ geschworenen», erschien auf Deutsch Ende 2021. Der zweite Band ist für Herbst 2022 angekündigt, Teil 3 soll Mitte 2023 folgen. Und ja, die eingangs erwähnten Zungenschnalzer wurden definitiv nicht enttäuscht. Diese Story kommt mit einer Wucht daher, die einem den Hintern so tief in den Lesesessel drückt, dass man dessen Konturen auch noch am nächsten Tag erkennen kann. Formal vertraut Gwynne auf sein erprobtes Rezept und entwirft die Geschichte aus den Perspektiven verschiedener Protagonisten, die zunächst einmal nichts miteinander zu tun ­haben. Diesfalls sind es drei Erzählstränge, die sich erst im Verlauf der Handlung zu THE RED BULLETIN

­ inem Zopfmuster finden: e ­Orka, eine Art nördliche Amazone, deren latenter Hang zum Blutdurst sich durch die Entführung ihres Sohnes zu einer wahren Elegie der Mordlust steigert. Varg, ein entflohener Sklave mit flinken Fäusten, der nicht einmal ahnt, was tatsächlich in ihm steckt. Und Elvar, eine junge Frau aus ­einem Herrscherhaus, die sich trotzig einer Horde verwegener Kopfgeldjäger anschliesst. Neu hingegen ist das Setting: Indem Gwynne die High-Fantasy-Elemente, die er bisher freihändig aus der Luft gezaubert hat, diesmal im Narrativ der nordischen Mythologie erdet, bekommt das Ganze einen Spin, dem man mit etwas Grossmut auch intellektuell etwas ab­ gewinnen kann – was freilich nichts daran ändert, dass «Die Blutgeschworenen» vor allem ein brachiales ActionSpektakel ist, in dem die Wurf­ äxte tief fliegen und Hieb­ waffen wie der Scramasax sehr oft an die frische Luft kommen …

JOHN GWYNNE «Nordnacht» – Die Saga der Blutgeschworenen 1 Deutsch von Wolfgang Thon (Blanvalet)

BUCHTIPPS

Kalt erwischt Wikinger-Überfall auf die Bestsellerlisten: vier heisse Eisen aus der Schmiede der historischen Spannungsliteratur.

BERNARD CORNWELL Mit einer Gesamtauflage von über 30 Millionen Exemplaren ist der britische Bestseller­ autor Bernard Cornwell, 78, eine absolute Instanz des historischen Abenteuerromans. Warum das so ist, kann man u. a. in seiner grossartigen «Uhtred-Saga» nachlesen, die auch die Basis für die Netflix-Serie «The Last Kingdom» ­liefert. Spannender lässt sich Geschichtsunterricht nicht gestalten. «Das letzte Königreich» (rororo)

BJØRN ANDREAS BULL-HANSEN Er sieht aus wie ein Wikinger, er lebt wie ein Wikinger, und er schreibt wie ein Wikinger. Nebenbei ist Bjørn Andreas Bull-Hansen, 49, mehr­ facher norwegischer Meister im Kraftdreikampf sowie ­Survival-Blogger. Dementsprechend ist seine «Viking»Saga (Bestseller!) nicht nur extrem spannend, sondern auch extrem authentisch. «Viking – Eine ­Joms­wikinger-Saga» (Penguin)

GILES KRISTIAN Halb Norweger, halb Brite. ­Giles Kristian, 47, wurde der Kampf der Wikinger quasi in die Wiege gelegt. Seine «Raven»-Trilogie schlug bei Genre-Fans kratermässig ein. Stilistisch mag da noch Luft nach oben sein, die erzähle­ rische Stossrichtung passt aber. Und alle, die bei Kristian Blut lecken, kriegen mit ­dessen ebenso erfolgreicher «Sigurd»-Serie einen art­ gerechten Nachschlag. «Raven – Blutauge» (Heyne)

LEO CAREW Obwohl sein von der Kritik gefeierter «Under the Northern Sky»-Zyklus im Reich der historischen Fantasy angesiedelt ist, erweckt der 1991 geborene britische Newcomer darin eine faszinierend realistische Kultur zum Leben. Liegt wohl daran, dass Leo Carew ­studierter Anthropologe ist. ­Bisher erschienen sind «Wolfsthron» und «Der dunkle König», Teil 3 ist gerade in Arbeit. «Wolfsthron» (Goldmann)

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GUTE-NACHT-­ GESCHICHTE CALM Bei Stefanie Giesinger ­schlafen wir ein. Nicht aus Langeweile, sondern sehr zufrieden: Die «GNTM»-­ Gewinnerin von 2014 liest eine «Sleep Story» auf Calm, einer App für Entspannung und Einschlafhilfen. Es geht um eine junge Kolumbianerin, die einen verletzten Eisvogel findet und … gääähn … calm.com

HEISSE NUMMER GASGRILL AUS GRILLFÜRSTS «G-SERIE» Auf diesem Gasbrutzler kann man mit ruhigem Gewissen grillen. Zumindest wenn man auf Fleisch verzichtet. Grillfürst neutralisiert den CO²Ausstoss, der bei Herstellung, Transport und beim Grillieren im ersten Jahr anfällt: Dafür kauft der Hersteller CO²-­ Zertifikate, mit denen Klimaschutzprojekte unterstützt werden. grillfuerst.de

VOLLE HÄRTE Die Türen werden auf Wunsch aus Gusseisen oder Stahl gefertigt.

326 ELEKTRO-PFERDE PORSCHE TAYCAN GTS SPORT TURISMO DAS DACH, DAS DENKT Es verfügt über einen elektrischen Blendschutz.

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Nein, das ist kein klassischer Sportwagen. Eine typische E-­Familienlimousine aber auch nicht. Der Porsche Taycan Sport Turismo füllt die Lücke ­zwischen diesen beiden Welten – und das mit 326 PS und ­einer Reichweite von ­358 bis 498 Kilometern. porsche.at

THE RED BULLETIN


GUIDE Tipps & Trends DAS BLITZ-GLAS SONNENBRILLE BOT VON OUT OF Wasserdichtes Wunderding mit 32 Gramm! Man radelt von der Sonne in einen Tunnel, und die Shades reagieren prompt. Das ist die erste Brille mit einem speziellen, zum Patent angemeldeten Glas: Es passt seine Tönung in 0,09 Sekunden (!) an die Lichtverhältnisse an. out-of.com

EIN KLEINES KRAFTWERK Die Flüssigkristallfolie wird über eine Solarzelle versorgt.

Richtig gutes Zeug Ein Porsche für die ganze Familie, eine Brille mit Solarbetrieb – und ein schwarz-rotes Zeichen der Zeit

GENAU GENOMMEN LONGINES ULTRA-CHRON «Die Präzision eines Schweizer Uhrwerks» ist nicht einfach nur eine Floskel. Das belegt die Uhrenmarke Longines mittlerweile seit 190 Jahren. Der neueste Meilenstein: die Longines-Uhr Ultra-Chron. Ihr hoch­präzises Uhrwerk misst die Zeit mit zehn Schlägen – pro Sekunde! longines.com

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STÄDTE ALS SPIELPLATZ TEXT-/BILDBAND «URBAN SPORTS» Nightriding in Lissabon, Freerunning in Venedig, Ballett auf dem BMX. Urban Sports skizziert den Aufstieg dieser Sportarten vom Störfaktor zur Akrobatik – und vereint heraus­­ragende Fotografie und faszinierende Geschichten zu einem modernen Sportbuch. Ab 25. 8. im Buchhandel.

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GUIDE Kalender

EVOLUTION OF CLIFF DIVING

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und 20. August 3X3 BASKETBALL AM GENFERSEE Am 19. und 20. August treffen sich die besten 3-gegen-3-Basketball­ spieler der Welt zu den Fiba 3x3 World Tour Lausanne Masters presented by Yuh. Die wichtige Etappe der Welttournee verspricht ein grosses Spektakel, gespielt wird auf der Place de la ­Navigation in Lausanne. Alle Event-Infos gibt’s ­unter: worldtour.fiba3x3.com

21 13 August RED BULL DANCE YOUR STYLE

August STREET PARADE ZÜRICH

Wenn sich die besten Tänzerinnen und Tänzer des Landes auf der Place de la Navigation in Lausanne in Streetdance Style-BattleDuelle liefern und die DJs den Ton angeben, kann das nur eines bedeuten: Das Red Bull Dance Your Style Switzerland ist z­ urück! Willst auch du in die Jury? Dann sei dabei, denn das Publi­kum wählt den Sieger vor Ort. Infos: redbull.com/danceyourstyle

Die bunteste House- & Technoparade der Welt findet auch dieses Jahr wieder in Zürich statt. Am 13. August reisen hunderttausende Tanzbegeisterte an, um zur Musik von rund 30 bunt dekorierten Love Mobiles zu feiern. Nach dem Umzug wird bei zahlreichen Bühnen, wie hier im Bild bei der Zürich Sound Stage by Rakete, bis Mitternacht weitergetanzt. Alle Infos unter streetparade.com

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FIBA 3X3, ROMINA AMATO/RED BULL CONTENT POOL, JEAN-CHRISTOPHE DUPASQUIER/RED BULL CONTENT POOL

Die Red Bull Cliff Diving World Series treibt die Entwicklung der ältesten Extremsportart der Welt voran. Im Dokumentarfilm «Evolution of Cliff Diving» geben uns die besten Klippenspringerinnen und Klippenspringer der Welt Einblicke in ihre Gedanken – und ihre waghalsige Leidenschaft. Vom Pionier Orlando Duque, der seit 20 Jahren dabei ist, bis zum neunmaligen Weltmeister Gary Hunt: Die 26-minütige Doku zeigt, wie stark sich der Sport und sein An­ sehen im letzten Vierteljahrhundert entwickelt haben. Zu sehen auf Red Bull TV.



B O U L E VARD DER HEL DEN

ELLA FITZGERALD & NORMAN GRANZ

DAS GLÜCK DES LEBENS Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die aussergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Folge 12: Wie die First Lady des Jazz die Konzerthäuser Amerikas eroberte.

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BELICTA CASTELBARCO, CLAUDIA MEITERT MICHAEL KÖHLMEIER

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GETTY IMAGES (3), PICTUREDESK.COM

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eine sehr verehrten Damen und Erstens schon einmal: dass in einem Herren.» Pause. Im Saal manch­ ­Konzerthaus Jazz gespielt wurde. Zweitens: mal Hüsteln, manchmal Knistern, dass der Moderator einen simplen Freitag zum manchmal Rascheln. Noch einmal: heiligen Sonntag erklärt hat. Drittens: dass er «Meine sehr verehrten Damen und eine schwarze Sängerin mit dem Ehrentitel Herren. Heute ist Sonntag.» Lange Pause. Im «First Lady» bedachte, der ja nur einer ein­ Saal mehr als tausend Menschen. Alle weiss. zigen Person zusteht, nämlich der Gattin des MICHAEL KÖHLMEIER Für Schwarze ist der Zutritt verboten. Irri­ Präsidenten. Viertens – und das empörte Der Vorarlberger tation: Es ist nicht Sonntag, Freitag ist. Ein ­vielleicht am meisten: dass der Moderator Bestsellerautor gilt Versprecher des Moderators? Oder Absicht? eine Schwarze mit Mrs. ansprach, und das als bester Erzähler deutscher Zunge. Aber wenn Absicht, mit welchem Zweck? vor tausend weissen Männern und Frauen. Zuletzt erschienen: Ein drittes Mal: «Meine sehr verehrten Der Moderator war zugleich der Organi­ der Roman «Matou», Damen und Herren, heute ist Sonntag, sator des Konzerts und der Manager von 960 Seiten, und ich bin stolz …» Also doch Absicht. – Ella Fitzgerald und ihr engster Freund. Hanser Verlag. Sein Name: Norman Granz. Sehr lange Pause. «Ich bin stolz, Ihnen … die First Lady vorstellen zu dürfen.» iel Geld verdienen, guten Jazz verbreiten, den Ras­ Wen? Die First Lady? Mamie Eisenhower? Mamie sismus bekämpfen – das dürfte Programm genug ­Eisenhower ist hier? Mamie Eisenhower interessiert sich sein für ein ganzes Leben. Es war das Leben und für Jazz? Und ihr Mann, Dwight D. Eisenhower, der Prä­ sident der Vereinigten Staaten von Amerika, ist der auch das Programm von Norman Granz. Wenn ich, d ­ achte er hier? Warum wurde uns das vorher nicht gesagt? Wir als junger Mann, Punkt eins mit Punkt zwei verbinden hätten dann die besseren Sachen angezogen, wir ­dachten will, muss ich zuerst Punkt drei angehen. ja, für Jazz genüge das Legere. Wo sitzen die beiden, Warum? Weil das viele Geld nur in den grossen Mamie und Ike? Unruhe, Köpfewenden, Tuscheln. ­Konzertsälen zu verdienen war und nicht in den heissen, «Meine Damen und Herren, heute ist Sonntag, be­ verqualmten, lärmenden, aber hippen Kellern, wo zwar grüssen Sie mit mir: Mrs. … Ella Fitzgerald … the First die wahre Kunst des Jazz gekocht wurde, aber nur für Lady of Jazz!» Absolute Stille. Gesichter wie auf einer einen Bettel. Das eine sollte neben dem anderen be­ Beerdigung. Empört hochgezogene Brauen. Empörte stehen bleiben, auf jeden Fall. Was in den Kellern ge­ kocht wurde, sollte von nun an auch in den Konzertsälen zu einem O zusammengezogene Münder. ­serviert werden – dort aber für ordentlich Geld. Nur: Es war ein Skandal. Ein dreifacher Skandal, ein vier­ facher sogar. Und wie bei vielen Skandalen: Wenn es Die grossen Konzertsäle standen erstens nicht – noch ihnen gelingt, den Kopfinhalt der Menschen neu zu nicht – dem Jazz offen, zweitens schon gar nicht, wenn ­mischen, sodass Vorurteile zerbröseln, dann kann man die Musiker schwarz waren. Wir schreiben das Jahr 1944. sich bereits nach wenigen Jahren nicht mehr vorstellen, Norman Granz wurde 1918 geboren und wuchs in dass so etwas jemals ein Skandal war. Was aber war Los Angeles auf. Er war der Sohn jüdisch-ukrainischer das Skandalhafte an diesem vierfachen Skandal? Einwanderer, in seiner Umgebung, erzählte er später,


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BO UL EVAR D DE R HE L D E N

seien zwölf Sprachen gesprochen worden, wer einen Fremden als seinen Feind betrachtet habe, dem sei nur die Einsiedelei übrig geblieben. Und dennoch: Wollte er irgendeine Veranstaltung besuchen, musste er sich in den Sektor der Weissen begeben, der abgetrennt war vom Sektor der Schwarzen, abgetrennt mit Seilen, kleb­ rig von roter Farbe, die an den Händen haften blieb – damit leicht erkannt werden konnte, wer das Spiel nicht mitmachte. Es war ein böses Spiel. Schon als Kind war Norman Granz Rassismus zu­ wider. Sein Vater war befreundet mit einem schwarzen Automechaniker, Joe Bettis; an den Abenden spielten sie manchmal Schach miteinander – drinnen im Haus, nicht auf der Terrasse, auch wenn ein schöner Sommer­ abend war, man sollte sie nicht zusammen sehen. Irgend­ wann war es dann doch zu heiss, und der Freund zog sein Hemd aus. Da sah Norman, damals acht Jahre alt, die langen Narben auf dem Rücken von Joe Bettis. Als der Freund gegangen war, fragte er seinen Vater. Und der Vater erzählte es ihm.

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usserdem mochte Norman die Musik der Schwarzen lieber als Mozart, Beethoven oder Brahms. Aber – wie gesagt – mit der Musik der Schwarzen liess sich nur wenig Geld verdienen. Die grossen Konzert­hallen waren für Schwarze tabu, dort waren klebrige Seile gar nicht nötig. Dabei: Was die schwarze Musik alles zu bieten hatte! Ein paar Namen: Dizzy Gillespie, Oscar Peterson, Charlie Parker, Coleman Hawkins … und: Ella Fitzgerald. Ella Fitzgerald konnte singen wie niemand auf der Welt. ­Solche Virtuosität bei gleichzeitiger Gelassenheit, dar­ über sind sich die Fachleute bis heute einig, habe es ­vorher nicht gegeben und werde es nie mehr geben. Sie zwitscherte wie ein Vögelchen, und gleich darauf stürzte ihre Stimme ab in das Krachen eines Donners, der un­ mittelbar auf den Blitz folgt. Sie mischte Klagelaute mit Freudenschreien, kolorierte wie eine Opernsängerin, um mittendrin in das ordinärste Lachen auszubrechen, das schrill war, aber in der Tonart blieb. Mit Leichtigkeit und Gelassenheit tanzte ihre Stimme über drei Oktaven, das war – wörtlich – unerhört! Ein Kritiker schrieb: «Es ist, als hätten Gott und der Teufel sich zusammengetan, um eine Kathedrale zu bauen. Die Töne fliegen wie die ­Steine durch die Luft, und am Ende steht ein Gebäude, besser als die Welt, denn es ist das Einzige, was Gott und der Teufel gemeinsam geschaffen haben.» Ella Fitzgerald war ein Wunder. Wer weiss war und sie hören wollte, der musste sich eine Schallplatte

Dass eine schwarze Sängerin als «First Lady» vorgestellt wurde, empörte das Publikum am meisten.

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­ aufen. Denn in die weissen Konzertsäle durfte sie nicht, k und in die Jazzkeller traute sich das weisse Publikum nicht, jedenfalls nicht ohne Begleitung eines Schwarzen. Es war also nicht so, dass die Rassentrennung nur den Schwarzen auf die Nerven fiel, und bei Gott nicht jeder Weisse war ein Rassist.

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a war zum Beispiel Marilyn Monroe. Sie bewunder­ te Ella Fitzgerald, der Rassismus war ihr genauso widerlich, wie er Norman Granz widerlich war. Und Marilyn fand, es sei eine dreckige Schande, dass dieser unvergleichlichen Künstlerin nicht der ihr gebührende Respekt entgegengebracht wurde. Sie hatte mächtige Freunde. Und diese Freunde mobilisierte sie. In Norman Granz fand sie den stärksten Mitstreiter in den Vereinig­ ten Staaten von Amerika, die so viel Wert auf die Freiheit legten und dann mit harten Knüppeln, giftigen Peitschen und rauen Stricken gegen die Freiheit vorgingen. Marilyn Monroe war selbst eine brillante Sängerin, sie und Ella Fitzgerald befreundeten sich, und Norman Granz gründete die Serie «Jazz at the Philharmonic», deren Ziel es war, den Jazz als Kunst auf Augenhöhe mit der Klassik zu etablieren. Marilyn und Norman wollten aufs Ganze gehen. Nicht in New York in der Carnegie Hall sollte Ella Fitzgerald vor weissem, reichem Publikum auftreten – New York war liberal –, nein, im Süden, im tiefen Süden, wo jeden Sonntag vor den schmucken ­weissen Häuschen die Flagge der Konföderierten hoch­ gezogen wurde. Dort sollten die heiligen Hallen der Musik erobert werden – dort, wo eine schwarze Frau einem weissen Lümmel im Bus ihren Platz abgeben muss­ te. Die erste Adresse: das Orpheum Theatre in Memphis, Tennessee. Chuck Berry erzählte, als er ein Bub gewesen war, hätten er und seine Freunde sich einen Spass daraus gemacht, über die breite Treppe vor dem Orpheum nach oben zu laufen, sie hätten miteinander gewetteifert, wer weiter komme, bevor sie vom Doorman verjagt wurden. Schwarze nämlich durften nicht einmal die Stiege zu diesem ehrwürdigen Gebäude betreten. «Meine Damen und Herren, begrüssen Sie mit mir: Mrs. Ella Fitzgerald, the First Lady of Jazz!» Am Ende des Konzerts brach Jubel aus, die Menschen erhoben sich von ihren Plätzen und applaudierten eine halbe Stunde lang. Nie zuvor hatten sie solchen Gesang gehört. Ella Fitzgerald stand mitten auf der Bühne und nahm die Ovationen entgegen. Sie verneigte sich nicht. Sie stand da und schaute ernst in den Saal. Dann trat sie an die Rampe, beugte sich hinunter und gab Norman Granz die Hand und liess sie nicht mehr los. Sie zog ihn zu sich auf die Bühne. Auch Marilyn Monroe bat sie, sich neben sie zu stellen. Da standen sie. Und verbeug­ ten sich gemeinsam. Vielleicht hat die eine oder andere Besucherin, der eine oder andere Besucher nach diesem Abend die Welt anders gesehen, vielleicht hat der dumme Rassismus eine Beule abgekriegt. Mehr war nicht zu erwarten. ­Jedenfalls durfte Ella nicht die Toilette im Orpheum Theatre benützen. Extra für sie war ein Abort auf ­Rädern organisiert worden, der stand hinten im Hof.

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Vielleicht hat der eine oder andere Konzertbesucher nach diesem Abend die Welt anders gesehen.

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orman Granz hatte eine Welttournee organisiert, der Auftritt in Memphis war der Start, ein Donnerschlag gleich zu Beginn. Dann Australien. In Hawaii sollte das Flugzeug gewechselt werden. Ella wurde abgeführt. Auf Handschellen wurde verzichtet, zwei Poli­zisten, links und rechts je einer, das genügte. Norman Granz hatte, als er die Tickets besorgte, vergessen anzugeben, dass die Passagierin Ella Fitzgerald schwarz ist. Nein, er hatte es nicht vergessen. Er empfand es als unter der Würde der Künstlerin, unter seiner eigenen Würde, unter der Würde der ganzen Menschheit, auf diesen Umstand hinzuweisen. Der Weiterflug ver­zögerte sich um zwei Tage, das Konzert in Sydney m ­ usste verschoben werden. Norman beriet sich mit Ella, er

­wollte vor Beginn des Konzerts auf der Bühne dem australischen Publikum erzählen, was im Flughafen von ­Honolulu ­geschehen war. Das wollte Ella nicht. Am 15. Juni 1996 starb die «First Lady of Song». Frank Rich, Kolumnist der «New York Times», schrieb in seinem Nachruf über ihren Gesang: «Er versetzt uns in ein Reich der Freude, jenseits aller Begrenzungen von Rasse oder Alter, Jazz oder Pop, hoher oder niederer Kunst.» Dizzy Gillespie soll einmal über Ellas Stimme gesagt haben: «Sie ist zeitlos, das aber heisst: Sie ist die erste Stimme, die unser Gott erschaffen hat.» Fünf Jahre nach Ella Fitzgerald starb Norman Granz. Ella über Norman: «Er war mein Freund, das Glück ­meines Lebens.» Norman über Ella: «Sie war meine Freundin, das Glück meines Lebens.»

Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es auch zum Anhören im Podcast-Kanal von The Red Bulletin. Zu finden auf allen gängigen Plattformen wie Spotify, auf redbulletin.com/podcast oder einfach den QR-Code scannen.

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NICOLAS MAHLER

NIC OL AS M A HL ERS SPI T ZF ED ERL ICHES CHA R A K T ER-K A BINE T T

Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 9. Oktober 2022.

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