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James Bond / Blumentopf / Reggie Bush / Amanda Palmer / Rafa Ortiz / Pet Shop Boys / Andreas Kapfinger / Eminem

DAS MAGAZIN ABSEITS DES ALLTร GLICHEN

OKTOBER 2012

DER BLADERUNNER

Das schnellste Segelschiff der Welt WO HARDROCKER WEINEN

Hinter den Kulissen des MotoGP

JE

Tab TZT le GRA t-App he ru T I S n l a d e t e rn

DIESER MANN KANN

ALLES Bike-Universalgenie Martin Sรถderstrรถm im Interview


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DIE WELT VON RED BULL

Oktober 23

IM KOPF VON EMINEM Rüpel-Rapper, Filmstar, Multimillionär: Wir analysieren M. B. Mathers’ Karriere.

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HIRNSCHMALZ Wegbereiter, Wissenschaftler, Gehirnakrobaten, Genies: Wir präsentieren die 20 hellsten Köpfe unseres Planeten.

COVERBILD: LUKAS GANSTERER. BILDER: NIGEL PARRY, PHILIPP FORSTNER. ILLUSTRATION: ROLAND VORLAUFER

WILLKOMMEN!

Ein Magazin, das sich der ausgewogenen Belebung von Körper und Geist verschrieben hat, kommt nicht um jene herum, die Extremsport zwischen den Ohren betreiben: Mit Freude präsentieren wir Ihnen daher in dieser Ausgabe die 20 hellsten Köpfe der Welt. Von Internet-Erfinder Timothy Berners-Lee über Astrophysiker Stephen Hawking bis zu Schachwunder Magnus Carlsen erhalten Sie einen Fahrplan durch die faszinierendsten Gehirne der Gegenwart. Falls Sie auf den Geschmack gekommen sind: Hilfreiche Tipps, wie Sie das Genie in sich wecken, liefern wir gleich mit. So erfahren Sie zum Beispiel, dass der Weg zu Nobelpreis, Ruhm und Reichtum nicht ausschließlich über Lehrbücher führt: Motorrad fahren kann ebenso helfen. Oder: Weigern Sie sich einfach, zu denken wie alle anderen. Erhellende Unterhaltung wünscht die Redaktion!

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REGGIE BUSHS KÖRPER Der NFL-Runningback über flinke Beine und „Matrix“-Moves auf dem Spielfeld.


DIE WELT VON RED BULL

Oktober IM AUGE DES ORKANS Charismatische Racer, Prototypen-Technik, 300 km/h Top-Speed. Der Inside-Report vom MotoGP in Laguna Seca.

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38

THE BOSSHOSS: UNKAPUTTBAR Die am härtesten erarbeitete Erfolgsgeschichte im deutschen Musikbusiness.

62 RENNFAHRER OHNE GASFUSS

Andreas Kapfinger ist gelähmt – und will seinen Gegnern doch den Auspuff zeigen.

22 INTERVIEW: AMANDA PALMER

Wie eine eigenwillige Pop-Revoluzzerin die Plattenindustrie austrickst.

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DIE TRICK-MASCHINE Martin Söderström ist der letzte Generalist in einer Mountainbike-Welt voller Spezialisten – und der Erste einer neuen Generation.

08 Fotos des Monats 14 Kurz gemeldet: Geisterfahrer, Rockstar-Biografien, tierische Athleten 20 Einst & jetzt: Taucherhelme 24 Angewandte Physik: was Powerboote so schnell macht

BILDER: GETTY IMAGES (2), NORMAN KONRAD, CHRISTIAN VORHOFER, SHERVIN LAINEZ, MATTIAS FREDRIKSSON/RED BULL CONTENT POOL

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GLÜCKSZAHLEN: JAMES BOND Schräge Fakten aus 60 Jahren 007 (plus: Ursula Andress im Bikini).



DIE WELT VON RED BULL

Oktober ” Abgesagt

wird ein Match erst bei sintflutartigen Regenfällen. “

82 DIE WELT IST EINE SCHEIBE

Reggae-Meister Moneybrother (re.) ist der erste Musiker, der eine Platte auf vier Kontinenten aufgenommen hat. Hier öffnet er sein Tour-Tagebuch.

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PROFI-WORKOUT Trainieren wie die Stars: wie Beachvolleyball-Vizeeuropameisterin Maria Tsiartsiani im Sandkasten fit bleibt.

56 YUGO GO!

Keine Telemetrie, kein Carbon. Stattdessen: Schweißgerät und Vorschlaghammer. Ein 24-Stunden-Rennen im „schlechtesten Auto der Geschichte“.

more

Body & Mind 80 TRAVEL

96 TV-PROGRAMM

84 GET THE GEAR

97 MUST-HAVES

Die Top-Termine vor deiner Haustür

98 IMPRESSUM

Eine Klettertour auf Das Red Bull TVChinas heiligen Berg Fenster bei ServusTV

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DER BLADE-RUNNER

Das schnellste Segelboot der Welt ist zu zwei Dritteln ein Flugzeug und läuft mit U-Boot-Technologie. Wir werfen einen genauen Blick auf die technischen Details der Hydroptère.

Kajak-Star Rafa Ortiz Dinge, die man einfach haben muss 92 TOP-EVENTS Die wichtigsten 98 KOLUMNE Termine im August Lebenshilfe mit 94 SAVE THE DATE Christian Ankowitsch

88 NIGHTLIFE

Out Now: Dan Snaith/Skaten bei Nacht/Best Clubs: Moondoo in Hamburg/Cocktail: Touch Down/Take 3: Pet Shop Boys/Night Snack: Pav Bhaji in Mumbai

BILDER: SAMO VIDIC/RED BULL CONTENT POOL, JUERGEN SKARWAN, DANIEL GEBHARD DE KOEKKOEK, BENIAMINO BARRESE/RED BULL CONTENT POOL

Maria Tsiartsiani



DES MONATS

Cueva de los Cri stales, Mexiko

Grottenhitze

Gerade mal zehn Minuten am Stück ertragen Menschen den Aufenthalt in dieser Höhle, sofern sie keine gekühlten Schutzanzüge und Atemmasken tragen. In der Cueva de los Cristales (Höhle der Kristalle) nahe Naica im Norden Mexikos herrschen konstante 58 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit zwischen 90 und 99 Prozent. Perfekte Bedingungen für Kalziumsulfat(vulgo: Gips-)Kristalle – aber nur für diese. Der größte bislang entdeckte ist zwölf Meter lang, hat vier Meter Durchmesser und wiegt 55 Tonnen. Bild: Carsten Peter/National Geographic/Getty Images

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KE Y W E ST (FLO R I DA ), U SA

TIEFENSCHÄRFE DES MONATS

Vor der Küste Floridas liegt 40 Meter unter der Wasseroberfläche das Wrack der „General Hoyt S. Vandenberg“: Das einstige Kriegsschiff wurde 2009 absichtlich versenkt, um künftig als künstliches Riff zu dienen – bis der österreichische Fotograf und Taucher Andreas Franke beschloss, das Wrack zum Schauplatz einer Ausstellung zu machen. Die Fotos zeigen Alltagsszenen von Menschen an Land, die in Bilder des Wracks montiert wurden. www.thesinkingworld.com Bild: Andreas Franke

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DES MONATS

MOAB (UTAH), USA

HÖHENLUST

„Ich mag Kaffee und lache gern“, zählt Emily Sukiennik ihre zentralen Hobbys auf. Darüber hinaus balanciert die Amerikanerin auf Highlines, die sie zwischen Felsen spannt, wie hier in den Canyons der Moab-Wüste im US-Bundesstaat Utah. Extrem? Sieht Emily nicht so, sondern so: „Slacklining ist Meditation in Bewegung.“ www.emilysukiennik.com Bild: Krystle Wright

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ERLEBE DAS GEFÜHL A L L E O F F I Z I E L L E N FA H R Z E U G E , FA H R E R U N D S T R E C K E N D E R 2 0 1 2 F I A F O R M U L A O N E W O R L D C H A M P I O N S H I P TM

www.formula1-game.com www.facebook.com/formula1game

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Bullevard Beflügelndes in kleinen Dosen

Musik & Memoiren Weg mit der Gitarre, ran an die Tastatur: die Bestenliste der Rock ’n’ Roll-Autobiographien dieses Herbsts.

Artemio Rodriguez macht Kunst auf vier Rädern.

GEISTERFAHRER Artemio Rodriguez’ Höllenfahrt von mexikanischer Tradition zu Pop-Art.

1. NEIL YOUNG: „WAGING HEAVY PEACE“ Der Grunge-Pate erzählt mit Witz und Offenheit über sein Leben als ewiger Nonkonformist. 2. JOHN TAYLOR: „IN THE PLEASURE GROOVE“ Der Duran-Duran-Bassist seziert seine wilde wie glamouröse Karriere auf über 300 Seiten. 3. BETH DITTO: „COAL TO DIAMONDS“ Punk, Sex und Poesie: die 31-jährige Gossip-Sängerin und Lagerfeld-Muse über ihren Alltag. 4. PETE TOWNSHEND: „WHO I AM “ Ganze 15 Jahre schrieb der TheWho-Gitarrist an seiner Autobiographie. Das Warten hat sich gelohnt!

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Am 2. November feiert Mexiko den Tag der Toten – und zwar ausgelassen und farbenfroh. Mit bunt geschmückten Skeletten aus Pappmaché, mit Schokolade-Totenköpfen für die Kinder. Die makabre Kunst des „Día de los Muertos“ hielt mittlerweile Einzug in die Popkultur, die prunkvollen Schädel zieren Comics und Plattencover. Der mexikanische Holzschnittkünstler Artemio Rodriguez hat der Totenkultur

ein ganzes Buch gewidmet, in dem er die traditionelle Symbolik mit Pop-Art und US-Konsumkultur vermählt. Ein Beispiel: der Chevy Impala von 1968, dem der Vierzigjährige einen SkelettAnstrich verpasste. „El Muertorider“ heißt das Gefährt. Ob die Karre auch fährt? Klar. Allerdings mahnt der Rückspiegel zur Vorsicht: Man blickt einem Totenkopf ins Gesicht. www.bmoa.org/el-muertorider

BILDER DES MONATS

MOMENT MAL!

Szenen aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser. Einfach per Mail an: phototicker@redbulletin.com Unter den Einsendern der veröffentlichten Fotos wird eine Trinkflasche des Schweizer Herstellers SIGG im speziellen Red Bulletin-Design verlost.

Austin Sichtlich Spaß hatte Dubstep-Producer John Dadzie alias „12th Planet“ bei der Red Bull Music Academy Session in Texas. Carlo Cruz


Virtuos mit Lenkrad und Gewehr: Nasser al-Attiyah

BILDER: PRESS (5), GETTY IMAGES, SHUTTERSTOCK (3), REX FEATURES, GEPA PICTURES/MCKLEIN/RED BULL CONTENT POOL, DDPIMAGES

Highspeed-Schütze Dakar-Sieger, WRC-Pilot, jetzt auch noch olympische Bronze im Tontaubenschießen: Nasser al-Attiyah, 41, ist in seiner Heimat Qatar ein Volksheld. „In Hotels gebe ich als Berufsbezeichnung ‚Rallye-Fahrer und Sportschütze‘ an. Die beiden Sportarten haben einiges gemeinsam: Konzentration, Herausforderung und Adrenalin. Sind die gegnerischen Schützen stark, ist mein Adrenalinlevel sogar noch höher als im Rallye-Auto. Noch bevor ich meinen Führerschein machte, hatte ich eine Sportschützenlizenz, später kam auch noch ein militärischer Waffenschein dazu, weil ich in der Armee den Dienstgrad eines Colonels bekleide. Jede Siegerehrung hat ein besonderes Flair für mich und repräsentiert die jeweilige Kultur und den Sport. Ich könnte nicht sagen, was mir besser gefällt. Ich bewahre all meine Pokale und Medaillen zusammen auf, egal ob aus dem Motorsport oder dem Schießen. In den nächsten vier Jahren möchte ich noch einmal die Rallye Dakar gewinnen und Tontauben-Bronze in Gold verwandeln, inschallah.“ www.dakar.com

Tierische Rekorde Athleten, die Menschen keine Chance lassen .

Marcus Mumford und seine Band setzen auf Tradition – mit Banjo und Riesenerfolg.

NASHORNKÄFER Der Käfer stemmt das bis zu 850fache seines Körpergewichts – menschliche Gewichtheber müssten über 70 Tonnen stemmen.

Vier Briten mit Banjos, Geige und Akustikgitarre: Mumford & Sons sehen wie eine 1960er-Jahre-Landeier-Partie aus, sind aber die erfolgreichste Jungband der Stunde. Ihre Folk-Songs sind hymnisch und handgespielt, ihr Debütalbum 2010 verkaufte sich über eine Million Mal. Band-Kopf Marcus Mumford, 25, will seinen Weg mit dem Zweitling weitergehen.

SANDLAUFKÄFER Läuft bis 9 km/h schnell. Auf Menschengröße hochgerechnet, müsste Usain Bolt die 100 Meter unter einer Sekunde laufen.

HANDGEMACHT

Es war ein sehr erfolgreiches Jahr für euch. Dein persönliches Highlight? Es gab so viele. Wir standen mit Bob Dylan bei den Grammy Awards auf der Bühne, wir spielten auf Riesenfestivals. Am schönsten ist aber, dass unser neues Album genau so klingt, wie wir das wollten. Ein persönlicher Triumph.

Warum eigentlich Banjos statt Stromgitarren? Wenn du als Gitarrist einen Job als Studiomusiker suchst, ist das heute ziemlich aussichtslos. Weil es so viele gute Gitarristen gibt. Deshalb griffen wir kurzerhand zum Banjo. Da gab’s weniger Konkurrenz. Eure Musik klingt sehr traditionell. Hörst du eigentlich auch aktuelle Platten? Klar, ich mag das Electro-Duo Justice sehr. Mein absoluter Held momentan ist aber Nathaniel Rateliff, ein amerikanischer Singer-Songwriter. Er hat die kraftvollste Bühnenausstrahlung, die ich je erlebt habe. Jeder Folk-Fan sollte seine Alben besitzen. Mumford & Sons: „Babel“ ist bereits erschienen. Tourdaten: www.mumfordandsons.com

Marcus Mumford (Mitte) und seine „Söhne“

FLOH Kann das 200fache seiner Körpergröße hoch springen. Für Menschen hieße das: mühelos ohne Lift auf die Spitze des Eiffelturms.

DAS GEWINNERBILD

Naksan Beach BASE-Jumper John „Chuck“ Berry legt beim Naksan Extreme Festival eine Punktlandung hin. SonStar

Malediven BMX-Biker Viki Gómez hält auch auf einem Rad stehend stets das Gleichgewicht. Mohamed Ahsan

St. Petersburg Weltmeister Nikita Martjanow (li.) gibt Lil G, dem Red Bull BC One All Star, eine erste Einführung ins Wakeboarden. Nika Kramer 15


B U L L E VA R D

Bitte lächeln Roman Proskurin, einer von Deutschlands besten B-Boys, im Erfolgsgeheimnis-Check. Was unterscheidet dich von anderen B-Boys? Ich strahle beim Tanzen Leichtigkeit und Freude aus. Viele andere Jungs gucken auf den Boden und ziehen einfach nur ihre Moves durch. Wie geht Leichtigkeit? Die amerikanische Breakdance-Legende Poe One meinte mal: „Man sollte von euch jederzeit ein Foto schießen können, ohne dass ihr dabei blöd dreinschaut.“ Die Zuschauer müssen denken: „Easy, das schaff ich auch“, obwohl sie sich in Wirklichkeit die Beine brechen würden. So geht Leichtigkeit. Kann man die trainieren? Klar, wenn man ein gewisses schauspielerisches Talent hat. Ich versetze mich in jedem Training geistig auf die Bühne und achte besonders auf meine Gestik und Mimik. Im Battle entscheide ich dann im Affekt, wie ich meinen Gegner am besten auskontern könnte. www.redbullbcone.com

Der Vibe stimmt: Blumentopf mit neuem Album – und auf Tour

TANZ DIE APOKALYPSE

Roman „Rawmantic“ Proskurin, Gewinner des Red Bull BC One Cypher in Köln

Whistler Brandon Semenuk hat bei seinem Backflipversuch alles im Blick. Scott Serfas, Red Bull Joyride

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Treibender Beat, dann die Textzeile: „Komm, wir feiern heute den Weltuntergang, ruf deine Kumpels an …“ – schon die erste Nummer „Antihelden“ auf dem Blumentopf-Longplayer „Nieder mit der GbR“ (seit 21. September erhältlich) verrät, wo’s hingeht. „Wir wollten das aktuelle Zeitgeschehen sarkastisch zusammenfassen. Dieses ‚Alles geht den Bach runter‘-Gefühl, das du spürst, wenn im Fernseher Themen wie die Finanzkrise laufen“, erklärt Rapper Florian „Schu“ Schuster. Die Hip-Hop-Dauerbrenner mit 20 Jahren Tradition machen aber keinen auf Ankläger, sondern kommentieren aus neutraler Beobachterposition – mit unbekümmerter und trotzdem präziser Wortwahl. „Im Studio haben wir zur Gänze auf Eitelkeiten verzichtet, so wie damals beim ersten Blumentopf-Album. Deshalb klingt alles so funky, der Vibe stimmt einfach“, so Schuster. Besonders gelungen: „Rosi“, die fiktive Fortsetzung des Party-Schinkens „Skandal um Sperrbezirk“ der Spider Murphy Gang. Deren Sänger und Gitarrist Günther Sigl steuerte den Chorus bei. „Schu“ über die Zusammenarbeit: „Den Altersunterschied hat man keine Sekunde gemerkt.“ Die umfangreiche Blumentopf-Tour startet Ende November und führt durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Ticket-Infos: www.blumentopf.com

Bad Mitterndorf Auf allen vieren erklom-

men die 300 Läufer den steilen Aufsprung der Skifluganlage am Kulm. Stefan Voitl, Red Bull 400

Kopenhagen In Ruhe einen Kaffee zu trinken fällt schwer, wenn David Coulthard im F1-Geschoss vorbeifährt. Peter Nyggard, Red Bull Show Run

BILDER: CHRISTOPH NEUMANN, STEV BONHAGE/RED BULL CONTENT POOL

Blumentopf sind zurück und machen mehr Spaß denn je: Mit ihrem siebten Album zeigen die Münchner Rapper ein neues Wir-Gefühl … und der Krise den Mittelfinger.


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B U L L E VA R D

MEIN KÖRPER UND ICH

REGGIE BUSH

4 SCHUTZ

Im Schnitt 25 Mal werde ich pro Spiel zu Fall gebracht. Ein auf trainierter Oberkörper schützt mich bei Stürzen. Welche Muskeln ich in der Kraftkammer bevorzuge? Ganz einfach: alle.

Der Körper des Miami-DolphinsRunningbacks muss schnell und wendig sein – und gegen hartes Tackling gewappnet. www.miamidolphins.com

1 „BABY MATRIX“ … ist mein Spitzname. Weil ich Verteidigern ausweiche wie Keanu Reeves als Neo den Pistolenkugeln. Dafür trainiere ich die schrägen Bauchmuskeln: mit Medizinball und explosiven Oberkörperdrehungen.

100 Meter laufe ich in 10,39 Sekunden. Meine Beine sind daher mein Kapital. Doch auch das bevorzugte Ziel der gegnerischen Defense beim Tackeln. Nach jedem Spiel schmerzen sie von allen Körperteilen am meisten.

3 BRUCH

Ein fitter Körper heilt schnell. Nach dem Gewinn der Super Bowl 2010 brach ich mir gegen San Francisco das Wadenbein. Nach sechs Wochen Reha war ich wieder fit. Ohne Gips und ohne Operation.

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Die Knie sind die verwundbarste Stelle eines Runningbacks. Meine Bilanz: gerissener Meniskus, eingerissenes Kreuzband, überdehntes Seitenband – und zwei Operationen.

6 TATTOO? NO!

Ich mag Tattoos, aber nur bei anderen Menschen: zum Beispiel bei meiner Freundin. Mir selbst gefällt nichts so gut, dass ich es gerne ständig an mir hätte.

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TEXT: ARKADIUSZ PIATEK. BILD: PHILIPP FORSTNER

2 SPEED

5 ACHILLESFERSE


B U L L E VA R D

Grenzgänger: Jason Paul trotzte beim Videodreh der Schwerkraft.

KURZ & DENNOCH EINZIGARTIG

Hohe Wellen schlugen die Erfolge der Zukunftshoffnungen, Gipfelstürmer und Seriensieger. Triumph beim ältesten Einladungsturnier der Welt: Trotz Regens kletterte Angela Eiter (AUT) in Arco (ITA) zu ihrem sechsten „Rock Master“-Sieg im Lead-Bewerb.

BILDER: NAIM CHIDIAC/RED BULL CONTENT POOL, IMAGO, ASP RED BULL/F. KLINGER, NUNO LARANJEIRA, GOLD & GOOSE/RED BULL CONTENT POOL. ILLUSTRATION: DIETMAR KAINRATH

JASON RENNT

Im Netz kursiert ein packendes Video des Weltklasse-Freerunners Jason Paul. Darin zu sehen: eine Kettenreaktion der extremen Art. Anfang der dreißiger Jahre erfand der amerikanische Cartoonist und Ingenieur Rube Goldberg eine Maschine, die simple Aufgaben möglichst umständlich ausführt. Das funktioniert so: Gegenstände, zum Beispiel Kugeln oder Dosen, werden so platziert, dass sie eine Kettenreaktion auslösen. Am Ende erledigt die Konstruktion ihren eigentlichen Zweck: Ein Ei wird beispielsweise geköpft oder ein Glas mit Wasser befüllt. Jason Paul interpretierte diese Technik unter Beimengung von reichlich Humor komplett neu. Der dreifache Gewinner des Red Bull Art of Motion baute mit seinem Team Farang und der Filmcrew Jotz! am Hamburger Hafen die weltgrößte Rube-Goldberg-Maschine und hielt mit einem riskanten Freerun die Kettenreaktion in Gang. Anstelle der sonst üblichen Dominosteine oder Gummibälle kamen Autos, Container und sogar Kräne zum Einsatz. Und so schilderte Jason die Aktion: „Vieles passierte in einer Höhe von über vier Metern – wenn etwas schiefgegangen wäre, dann mit richtig bösen Folgen. Mein Ziel war es, Freerunning auf einen neuen Level zu bringen.“

„Ich liebe Peru!“, rief Big-Wave-Surfer Carlos Burle (BRA), nachdem er die bis zu zwölf Meter hohen Wellen beim Billabong Pico Alto siegreich bewältigt hatte.

Pole-Position, schnellste Runde, Sieg: Dani Pedrosa (ESP) war beim MotoGP von Indianapolis eine Klasse für sich. Eine Woche darauf war er auch in Brünn nicht zu schlagen.

Das 15-jährige britische MX-Talent Ben Watson dominierte beide Läufe der Rookie-Moto1Klasse der Red Bull Pro Nationals in Mill (NED).

Der Link zum Video: www.redbull.de/jasonpaul

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B U L L E VA R D

EINST UND JETZT

Taucherhelme Polycarbonat statt Glas, Carbon statt Messing und Umluft anstelle eines stickigen Ambientes: Berufstaucher-Equipment im Direktvergleich.

SICHTFENSTER

Dickes Glas im Messingring. Abnehmbar – zwecks Kommunikation mit Helfern an Land. Wenn sich der Taucher anstrengte, beschlug die Scheibe unter Wasser.

MATERIAL

Robuste Messinglegierung. Die weiße Innenfarbe ist bewusst gewählt: Sie sollte allfällige Platzangst des Tauchers mindern.

VERSCHLUSS

Zwischen Kopf- und Schulterteil wird der Kragen des Tauchanzugs eingeklemmt und mit fremder Hilfe an drei Stellen über Bolzen wasserdicht verschraubt.

1971

DREI-BOLZEN-HELM, UdSSR

Mit diesem Ungetüm aus Messing führte die Sowjet-Marine in den siebziger Jahren Unterwassereinsätze bis in 40 Meter Tiefe durch. Die Atemluft wurde über eine Pumpe an der Wasseroberfläche durch einen Schlauch zum Taucher gepumpt. Die ausgeatmete Luft zirkulierte so lange im Helm, bis sich ein Überdruckventil öffnete und den Druck ausglich. Stickig und mühsam für den Taucher, aber sehr zuverlässig. www.seastar.at

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Rückseite: doppelter Schlauchanschluss für Luftzufuhr sowie Rückschlagventil für Druckausgleich.


41 Jahre Entwicklung für bessere Sicht und höhere Luftqualität

VISIER

Die robuste Polycarbonatscheibe ist kratzfest, wärmeisolierend und beschlägt garantiert nicht: Die Atemluft wird über einen Zerstäuber geführt, bevor sie auf die Scheibe trifft.

MATERIAL

Schale aus Fiberglas und Carbonfaser: druckbeständig, stoßfest und elektrisch nichtleitend – für Arbeiten an stromführenden Seekabeln.

TEXT: ARKADIUSZ PIĄTEK. BILDER: KURT KEINRATH

VERSCHLUSS

Der Taucher trägt eine Halsmanschette mit Aluring, auf welcher der Helm sauber einrastet. Von da an bleibt das Innere trocken – auch bei „Head down“-Tauchgängen.

2012

KIRBY MORGAN 37

Der KM 37 ist konzipiert für Bergungen in kontaminierten Gewässern und soll Berufstauchern den Job so angenehm wie möglich machen: Von Pressluftflaschen (Rücken) gelangt Sauerstoff ins Helminnere, ausgeatmetes Kohlendioxid strömt über den Atemregler unterhalb des Visiers ab. Ein inneres Ventilationssystem erhöht die Luftqualität zusätzlich. Extras: ein Reserve-Atemgas-Ventil und eine Funk-Kommunikationsvorrichtung. www.ndc.at

Hier wird der Helm mit der Pressluftflasche verbunden. Darunter: die runde Funkvorbereitung.

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Geburtsdatum/-ort 30. April 1976 in New York, USA Anfänge Palmer spielte im Schultheater, auf der Universität gründete sie dann ihre eigene Straßentheater-Gruppe. Ihre Spezialität: lebende Statue. Band Mit Multiinstrumentalist Brian Viglione bildet sie das Duo Dresden Dolls. Palmer beschreibt die Musik als „Brecht’sches Punk-Cabaret“. Größter Hit: „Coin-Operated Boy“ (2004). Kontroverse Als ihre Plattenfirma anlässlich eines Videos meinte, Palmer sei zu dick, reagierten ihre Fans empört: Sie posteten Bilder ihrer eigenen Bäuche auf der Website des Labels. Später wurden die über 600 Fotos und Nachrichten in einem Buch veröffentlicht: „The Belly Book“.

MUSIK-STRATEGIN

AMANDA PALMER

Amanda Palmers „Theatre Is Evil“ ist bereits erschienen.

Konzerttermine und Hörproben auf: amandapalmer.net

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Neue Wege zu beschreiten – das lag Amanda Palmer schon immer. Vor zwölf Jahren gründete sie die Dresden Dolls. Ein Kunst-PunkDuo, das den Chic der Berliner zwanziger Jahre in die Gegenwart holte. Mit ihrem Solo-Album wagt sie nun ein neues Abenteuer. Vor drei Jahren trennte sich die heute 36-Jährige von ihrer Plattenfirma, weil das Label sie als PopPüppchen vermarkten wollte, und nahm die Dinge selbst in die Hand. Auf der Website Kickstarter.com rief sie Fans dazu auf, ihre nächste Platte zu finanzieren: Wer einen Dollar spendet, kann das fertige Album herunterladen, für 25 bekommt man die CD. Für 5000 Dollar kann man Palmer gar für eine Privatparty buchen. Nach einem Monat hatte Palmer 1,2 Millionen am Konto. Mehr Geld, als je ein Musiker vor ihr auf diese Weise gesammelt hatte.

 : Wie kamst du auf die „Crowdfunding“-Idee?  : Ich stehe von jeher in engem Kontakt mit meinem Publikum. Ich beantworte alle Mails und verschicke Fanartikel selbst. Als ich dann mein Label verließ, erschien mir diese Möglichkeit ideal. Es ist das Modell der Zukunft: Statt im Plattenladen ein Produkt zu kaufen, investierst du in die Vision eines Künstlers. Mittelsmänner der Musikindustrie werden so überflüssig, oder? Als Künstlerin kann ich heute via Facebook in 15 Minuten mehr Pressearbeit erledigen als eine Agentur früher in zwei Monaten. Aber wenn ich eine Tour organisieren will, brauche ich jemanden, der im Büro sitzt und telefoniert. Deshalb werden Plattenfirmen nie sterben. Allerdings sollten sie in Zukunft mehr für ihre Künstler arbeiten als gegen sie.

1,2 Millionen Dollar. Das ist eine Menge Geld … … und es ist nichts mehr davon übrig. Im ersten Moment klingt das natürlich nach sehr viel Kohle. Aber wenn du das Geschäft selbst leitest und alles in deine Arbeit rückinvestierst, dann ist es am Ende ein Nullsummenspiel. Wofür ging das Geld drauf? Das kann man auf meiner Homepage detailliert nachlesen. Die Produktion von CD, Vinyl und Kunstbuch machte inklusive Versandkosten schon 300.000 Dollar aus. Mit dem Label musste ich früher um jede Seite im Booklet feilschen. Als meine eigene Chefin beauftragte ich nun Künstler mit Bildern für die Album-Ausstellung und Bühnendeko. Ich will Qualität für meine Fans – und die kostet. Aber ich investiere das Geld tausendmal lieber so, als es für Kokain und Nutten auszugeben.

TEXT: FLORIAN OBKIRCHER. BILD: SHERVIN LAINEZ

Die Sängerin der Dresden Dolls pfiff auf die Plattenindustrie und veröffentlichte ihr neues Album mit finanzieller Hilfe der Fans.


B U L L E VA R D

MEINE WELT

EMINEM

Mit vierzig hat der bedeutendste aller Rapper schon eine Menge hinter sich: Familienzwist, Höhenflüge, Auszeiten und Drogenprobleme. Nun arbeitet „Slim Shady“ am achten Soloalbum.

ÜBLE NAC HRE DE

Marshall Bruce Mathers III wurde am 17. Oktober 1972 in Missouri geboren – nicht das letzte schmerzliche Ereignis für Mutter Debbie. Im Jahr 2000 klagte sie „Em“ aufgrund seiner Texte wegen übler Nachrede. 2008 ließ sie in einem Buch tief in die schwierige Beziehung zu ihrem Sohn blicken.

RAP-B ATTLE-HERO

Eigentlich wollte er Comiczeichner werden, aber die Texte der Beastie Boys, von Run DMC und LL Cool J brachten Eminem aufs Wörterbuch – um sein Vokabular zu erweitern und bessere Reime zu schmieden. In Detroit wurde er zum Lebenskünstler und Rap-Battle-Hero.

FLOP

TEXT: PAUL WILSON. ILLUSTRATION: LIE-INS AND TIGERS

rs In Rapgruppen trat Mathe M M& nym udo Pse dem unter 1996 auf. Für sein im November album erschienenes erstes Solo in en Nam änderte er seinen zum de wur e“ init „Inf . inem Em die Flop – es verkaufte kaum ck. Stü d sen tau en iert duz pro der Harte Zeiten für jemanden, rn ütte chf dur ilie) (Ha y Bab ein loho Alk und und ein Drogen sste. mu n nde rwi übe m ble pro

WORT SPIELE

Mit Textzeilen über die Fruchtbarkeit der Spice Girls und die Rauchgewohnheiten seiner Mutter wurde der Song „My Name Is“ im Januar 1999 zum weltweiten Hit. Clevere, einprägsame Wortspiele wurden zu seinem Markenzeichen; „Slim Shady“ war geboren.

CO ME BA

CK Fünf goldene Jahre füllten die Alben „The Slim Shady LP“ (1999), „Th e Marshall Mathers LP“ (2000), „Th e Eminem Show“ (2002), „Encore“ (2004) und ein starker Auftritt im fast biografisc hen Film „8 Mile“ (2002). Danach wurde es fünf Jahre still um den Rapper , bevor der Oscar- und Grammy-Preis träger mit den Alben „Relapse“ (2009) und „Recovery“ (2010) ein fulminantes Com eback feierte. ENG ELS FLÜ GEL

1999 gründete Eminem gemeinsam mit seinem wichtigsten Partner Dr. Dre das Label Shady Records, bei dem unter anderem 50 Cent, D12 und Slaughterhouse unter Vertrag stehen. Für kurzes Chaos und gute Publicity sorgte Komiker Sacha Baron Cohen alias Brüno bei den MTV Movie Awards 2009, als er mit Engelsflügeln in Eminems Schoß landete.

90 MILLIO NEN

Mit weltweiten Albumverkäufen von rund 90 Millionen ist Eminem der „best selling“ Hip-HopKünstler aller Zeiten. Von 2000 bis 2010 verkaufte der kontroversielle Rapper in den USA 32,2 Millionen Alben. Zum Vergleich: Die Beatles brachten es auf 30 Millionen.

VOR MU ND

Tatsächlich ist Eminem einer von den Guten. Er adoptierte seine Nichte sowie die Halbschwester seiner leiblichen Tochter und ist der gesetzliche Vormund seines Halbbruders. 2010, zwei Jahre nachdem er sich von einer Methadon-Überdosis erholt hatte, meinte Eminem: „Ich liebe meine Kinder so sehr, weil sie mir über viele Dinge hinweghalfen.“ www.eminem.com

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Das Powerboot des Teams Abu Dhabi während eines Laufs zur F1H²0-Weltmeisterschaft: 425 PS, keine Bremsen.


B U L L E VA R D

FORMELSAMMLUNG

ABGEHOBEN

TEXT: MARTIN APOLIN. ILLUSTRATION: MANDY FISCHER. BILD: PAUL LAKATOS

Powerboote sind Formel-1-Boliden auf dem Wasser. Was sie so schnell macht, erklärt unser Physiker*. VOLLGAS AM SCHREIBTISCH: Bei einem Powerboot in voller Fahrt fallen zwei Dinge auf: Es hat die Nase oben und taucht kaum ins Wasser. Warum ist das für eine gute Performance so wichtig? Wenn sich ein Boot durch Wasser oder Luft bewegt, treten stets zwei Kräfte auf: die Auftriebskraft FA quer zur und die Widerstandskraft FW gegen die Bewegungsrichtung. Ihre physikalische Beschreibung lautet: FA = 0,5 · ρ · cA · A · ν ² und FW = 0,5 · ρ · cW · A · ν ² Weil beide Kräfte sowohl durch Wasser als auch durch Luft verursacht werden, sind also aufgrund der Bewegung vier Kräfte am Werk. ρ gibt die Dichte des Mediums an. Wasser ist rund 800-mal dichter als Luft. Daher sind die durch das Wasser entstehenden Kräfte bei gleichen Rahmenbedingungen um ebendiesen Faktor größer. Und das macht eines anschaulich: Der Wasserwiderstand ist der schlimmste Gegner des Powerboots! Weiters hängen die Kräfte von den Auftriebs- und Widerstandskoeffizienten cA und c W ab, die von der Form des Bootes verursacht werden und durch clevere Konstruktion optimiert werden können. Dann hängen die Kräfte von den Anströmflächen A in Wasser und Luft ab. Und daraus ersieht man, wie wichtig es ist, dass ein Powerboot nur mit dem hintersten Zipfel ins Wasser taucht: Dadurch wird A im Wasser extrem gesenkt und damit auch der Gesamtwiderstand. Letztlich hängen die Kräfte vom Quadrat der Geschwindigkeit ab und steigen somit bei zunehmendem Tempo empfindlich an. In Ruhe liegt das Boot flach auf dem Wasser. Es schwimmt durch den statischen Auftrieb (Stichwort Archimedes!). Bei voller Fahrt spielt dieser aber praktisch keine Rolle mehr und ist daher in der Abbildung nicht eingezeichnet. Weil die Schraube tief sitzt, wirkt die Antriebskraft unter dem Schwerpunkt vorbei. Der Bug beginnt sich beim Anfahren daher zu heben. Durch diesen Anstellwinkel steigen die dynamischen Auftriebskräfte, ähnlich, wie wenn man eine Hand aus dem fahrenden Auto hält und diese etwas anstellt. Dadurch wird das Boot mit zunehmendem Tempo aus dem Wasser gehoben. Luft- und Wasserwiderstand (FW) erhöhen sich dadurch leider ebenfalls, weil einerseits ν, andererseits durch das Anstellen aber auch A und cW anwachsen. Mit dem Auftrieb kommt also auch der Widerstand. Die Maximalgeschwindigkeit wird dann erreicht, wenn die Summe der Widerstandskräfte von Wasser und Luft vom Betrag her so groß wird wie die Antriebskraft. Weil jetzt nur mehr ein Stückchen des Hecks im Wasser ist, ist das bei einer viel höheren Endgeschwindigkeit der Fall, als wenn das Boot tief eintauchen würde. Der „schlimmste Gegner“ kann somit überlistet werden. VOLLGAS IM COCKPIT: Nur vier Sekunden benötigt Thani Al Qamzi vom Team Abu Dhabi (links), um sein Powerboot von 0 auf 160 km/h zu beschleunigen. Bei Unfällen schützt ihn eine Crashbox im Cockpit. Der Nervenkitzel: Sein 425-PS-Boot kommt ohne Bremsen aus. Formel 1 am Wasser – die F1H²0-Weltmeisterschaft unter: www.f1h2o.com * Mag. DDr. Martin Apolin, 47, Physiker und Sportwissenschaftler, arbeitet als AHSLehrer und Lektor an der Fakultät für Physik in Wien und ist mehrfacher Buchautor.

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B U L L E VA R D

ZAHLEN DES MONATS

007

Sechzig Jahre nachdem Sean Connery als James Bond die Welt vor Dr. No rettete, steht Daniel Craig in „Skyfall“, dem 23. Film der 007-Serie, gar von den Toten auf, um seine Mission zu erfüllen.

1

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Roger Moore (7 Filme) gilt als britischster, Sean Connery (6) als bester, Pierce Brosnan (4) als smartester, Daniel Craig (3) als härtester, Timothy Dalton (2) als emotionalster Bond. Und George Lazenby? Der einzige „007“, der nicht von den britischen Inseln stammt, nur in einem Film mitwirkte, in diesem aber heiratete, war mit 30 Jahren jüngster Agent. Ursprünglich für fünf Folgen vorgesehen, nervte der Australier die Produzenten mit Starallüren und wurde gefeuert. „Damit habe ich mir vermutlich drei oder vier Hollywood-Ehefrauen sowie ein Drogenproblem erspart“, nahm Lazenby die Sache mit Humor.

Ob Ursula Andress, Halle Berry oder Jane Seymour: James Bond hat eine Schwäche für das weibliche Geschlecht … vor allem für dessen jüngere Exemplare. Lediglich zwei Darstellerinnen von Bond-Girls (Honor Blackman als Pussy Galore und Diana Rigg als Teresa di Vincenzo) waren älter als Flemings Held. Weibliche Reize dominieDesmond ren auch die Filmvorspänne. Bislang Llewelyn kamen nur zwei Bond-Filme, nämlich „… Dr. No“ und „Casino Royale“, ohne (schwebende) Frauensilhouetten aus.

Wodka Martini

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Auch wenn Roger Moore sich bei seinen Laufszenen doubeln ließ – er fand, er sehe dabei unbeholfen aus –, drehten die Bond-Darsteller viele Stunts selbst. Auch ein Fall für die Profis: Der spektakuläre Auftakt zu „Moonraker“ – zwei Stuntmen prügeln sich 3000 Meter über Kalifornien um einen Fallschirm – benötigte 88 Takes. Einen anderen Bond-Adrenalin-Kick kann man selber ausprobieren. 255 Franken kostet der „Goldeneye“-Bungee-Sprung vom 220 Meter hohen Verzasca-Staudamm im Tessin.

700

Ursula Andress

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17

Stanley Kubrick

Raketenabschussrampe, Helikopterlandeplatz, Einschienenbahn: all das barg der 40 Meter hohe, eine Million Dollar teure Krater, den Szenenbildner Ken Adam 1967 in den Pinewood-Studios für „Man lebt nur zweimal“ erbauen ließ. Kurz nach Drehschluss wurde das Ungetüm aus 700 Tonnen Stahl abgerissen. Für Strombergs Supertanker, ein Kulissenmeisterwerk in „Der Spion, der mich liebte“, bat Adam Stanley Kubrick um Hilfe. Vom Filmteam unbemerkt, lud Adam seinen Freund Kubrick an einem Sonntag ein, um von ihm Tipps zur effektvollen Be- und Ausleuchtung des U-Boot-Sets zu erhalten.

Sean Connery bestellte seinen Wodka Martini am liebsten „geschüttelt, nicht gerührt“. Roger Moore orderte Bonds Leibgetränk in den Filmen niemals mit diesen Worten. Auf die Frage des Barkeepers, wie Daniel Craig den Cocktail präferiere, entgegnet dieser brüsk: „Sehe ich aus, als ob mich das interessieren würde?“ Übrigens: In allen Bond-Streifen gibt es im Schnitt alle 24 Minuten eine Trinkszene. Und am häufigsten gönnt sich der MI6-Agent … was? Falsch, keinen Martini, sondern ein Glas Champagner (insgesamt 38-mal).

VerzascaStaudamm

Ein kurzes Bösewicht-Dasein erlebte Jan Werich, der für die Rolle des Blofeld in „Man lebt nur zweimal“ vorgesehen war. Regisseur Lewis Gilbert entließ ihn nach fünf Tagen am Set. Seine Begründung: Werich wäre einfach „zu lieb“. Die längste 007-Karriere verbucht Desmond Llewelyn, der als Q für Bonds lebensrettende Gadgets wie Explosivstifte oder Laseruhr verantwortlich war. Der 1999 verstorbene Waliser wirkte über 36 Jahre in 17 Bond-Filmen mit – keine Filmrolle kehrt in der Geschichte so oft wieder –, war dabei in Summe allerdings gerade mal 30 Minuten im Bild. „Skyfall“-Weltpremiere: am 23. Oktober in London www.skyfall-movie.com

TEXT: ULRICH CORAZZA. BILDER: SHUTTERSTOCK, GETTY IMAGES (4), PICTUREDESK.COM

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George Lazenby


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DER BLADERUNNER

Das schnellste Segelschiff der Welt ist zu zwei Dritteln ein Flugzeug und läu mit U-Boot-Technologie. Text: FrÊdÊric Pelatan Bilder: Christophe Launay

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ACTION

104 km/h Top-Speed. Die Hydroptère bricht einen Rekord nach dem anderen.

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ACTION

Seit zwanzig Jahren arbeitet Alain Thébault (im Bild ganz rechts) an seinem Traum eines Segelbootes, das so schnell ist wie keines zuvor, und hat damit die Segelschifffahrt revolutioniert. Die „Hydroptère DCNS“ ist die Speerspitze dieser Entwicklung.

30 Tonnen Wasserdruck pro Quadratmeter wirken auf die Tragflügel des Trimarans.

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ACTION

Hightech aus dem U-Boot-Bau verhindert, dass das Segelschiff einen Salto schlägt.

Kommandozentrale. Bei hohem Tempo würde das Boot vornüber kippen und sich überschlagen. Regulationstechnologie aus dem U-Boot-Bau des Projektpartners DCNS misst jede kleinste Bewegung des Schiffs und übermittelt die Daten ans Steuer, das auf der Hydroptère wie das Höhenruder eines Flugzeugs gebaut ist.

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ACTION

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www.hydroptere.com

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Vorderansicht

4,5 m

Hydroptères im Jahr 2000. Das aktuelle Schiff, die „Hydroptère DCNS“, kompensiert diese Schläge mit hydraulischen Zylindern an den Tragflügeln, die über Daten aus einer Vielzahl von Sensoren an Bord automatisch gesteuert werden. Die Belastungen, denen das Schiff bei voller Geschwindigkeit ausgesetzt ist, entsprechen dem Druck, der auf ein Flugzeug bei einer Notwasserung wirkt. Der Flugzeughersteller Airbus verfolgt die Entwicklungen der Hydroptère-Crew daher mit großem Interesse. In einem Bereich meldeten die beiden Firmen sogar gemeinsam ein Patent an: Die Bauteile des Boots werden mit Nieten aus Carbon statt aus schwererem Titan verbunden. Airbus möchte diese Innovation in seinen Maschinen einsetzen und damit Kerosinkosten senken. Bei Redaktionsschluss harrten Alain Thébault und sein Team in Kalifornien auf optimale Wetterbedingungen für den nächsten „Schritt“: von Los Angeles nach Honolulu – schneller als Rekordhalter Olivier de Kersauson, der die 4100 Kilometer über den Pazifik auf seinem Trimaran im Jahr 2005 in 4 Tagen, 19½ Stunden bewältigte. Ein Abenteuer, und doch viel mehr: Hochsee-Reality-Check für die Revolution der Segelschifffahrt.

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Kind des digitalen Reißbretts Für den Bau der Hydroptère programmierte das Team eine Simulationssoftware, Hydrop 6, in die sämtliche Wetterdaten der kommenden fünf Jahre einflossen, um das Boot für jede erdenkliche Situation zu optimieren. Ein Team, das am America’s Cup teilnimmt, meldete bereits Interesse an diesem System an.

ILLUSTRATION: ALBERT EXERGIAN

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er ewige Traum vom Fliegen, in dieser Variante auf dem Wasser und nur vom Wind angetrieben. Ab zehn Knoten (18 km/h) heben sich die drei Rümpfe der Hydroptère entlang der Tragflügel aus dem Wasser, steigen mit zunehmendem Tempo auf fünf Meter Höhe – und brechen Geschwindigkeitsrekorde. Im Jahr 2005: schnellste Ärmelkanalüberquerung (33,3 Knoten/61,7 km/h Durchschnitt). 2007: offizieller Speed-Weltrekord über 500 Meter (44,5 Knoten/ 82,4 km/h). 2008 erreichte die Hydroptère bei einem weiteren Rekordversuch kurz einen Top-Speed von 61 Knoten/113 km/h und ist damit das schnellste Segelboot der Welt. Was 2009 mit 50,17 Knoten über die Seemeile unterstrichen wurde. Seither kämpft das Team um den französischen Skipper Alain Thébault darum, diese Leistung von flachem, ruhigem Meer auf Hochseebedingungen zu übertragen. Ab einer Geschwindigkeit von 93 km/h drückt das Wasser mit 30 Tonnen pro Quadratmeter auf das Schiff. Bei Wellen treten diese Kräfte schlagartig auf und lassen das Boot buchstäblich explodieren. So geschehen bei einer der Vorgänger-

Die 12 Meter langen Verbindungsarme zwischen den Rümpfen werden von Airbus hergestellt. Bis dahin hatte die Flugzeugschmiede nie Teile dieser Länge hergestellt. Das Projekt „Hydroptère“ dient bei Airbus mittlerweile als Versuchsfeld in der Herstellung großer Konstruktionen. So wurde in der Lernphase zum Bau des A380 etwa der Rahmen des Schiffs verwendet.



ACTION

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en Ton in den Charts gaben Christina Stürmer („Ich lebe“), Akon („Lonely“) und Crazy Frog („Axel F“) an: Man kann nicht sagen, dass die Musikwelt im Juni 2005 auf Typen gewartet hätte, die sich mit Cowboyhüten, Lederboots und Feinrippunterhemden in einem gut gelaunten Country-Rock-Kauderwelsch durch die Musikgeschichte coverten. Doch dann tauchte ein Berliner Septett auf, verpasste Stars von Britney Spears bis Elvis Presley eine (selbst)ironische Behandlung mit Waschbrett, Mundharmonika und Mandoline und schrummte sein Debüt „Internashville Urban Hymns“ bis auf Platz elf der deutschen Albumcharts, OutkastCover „Hey Ya“ und Langnese-TV-SpotHit „Like Ice in the Sunshine“ inklusive. Der Weg Richtung Cover-Spaßcombo mit ein paar fetten Jahren Halbwertszeit schien vorgezeichnet – aber The BossHoss entschieden sich gegen das schnelle Geld einer kurzen Karriere. „Das Cover-Ding war eine fette Idee, aber auf Dauer nicht tragfähig“, erinnert sich Gitarrist und Sänger Sascha Vollmer. Daher der konsequente Entschluss für den langen und harten Weg: erstens Eigenkompositionen, zweitens Arbeit, Arbeit, Arbeit. The BossHoss spielten im Schnitt 180 Gigs pro Jahr und veröffentlichten im Jahresrhythmus vier weitere Alben – mit Songs, die sie selbst geschrieben hatten. Die Radiostationen reagierten irritiert, was den wertvollsten Zugang zum breiten Publikum kappte; doch durch die LiveAuftritte erarbeiteten sich The BossHoss Abend für Abend neue Fans. Im Dezember 2011 folgte die bisherige Krönung der Karriere: „Liberty of Action“ schaffte es in die Album-Top-Five (Platz 38

HOSSPOWER.  Alec Völkel (li.) und Sascha Vollmer lieben es auch abseits der Bühne amerikanisch: Im Band-Fuhrpark von The BossHoss geben Ford Mustang und Harley-Davidson den Ton an.

Von Kritikern belächelt und als Spaßband abgetan, von Radiostationen ignoriert, dann auch noch vom Manager übers Ohr gehauen: The BossHoss sind die am härtesten erarbeitete Erfolgsgeschichte im deutschen Musikbusiness.

UNKAP

Text: Manuel Kurzmann, Bilder: Norman Konrad


Die uttbaren


ACTION

vier in Deutschland, Platz drei in Österreich), die Single „Don’t Gimme That“ stürmte in Österreich sogar auf Platz eins. Was damals kaum jemand wusste: Die Band war nicht einmal ein Jahr vor der Veröffentlichung des Longplayers kurz vor dem Aus gestanden, wie Alec Völkel alias Boss Burns im Interview mit dem Red Bulletin erzählt: „Jahrelang hatten wir uns abgerackert, keine Pause, und dann wollten wir 2010 ein wenig durchschnaufen, neue Kraft sammeln. Da merkten wir, dass unser Manager jahrelang große Mengen Geld abgezweigt hatte. Wir waren bankrott.“ Sascha Vollmer alias Hoss Power: „Es war eine schreckliche Zeit. Nach der Freude über den Erfolg plötzlich die totale Existenzangst. Niemand wusste, wie es weitergeht – und ob es überhaupt weitergehen kann. Ohne Kohle kannst du ja nicht einmal auf Tour gehen.“ Alec Völkel: „Echt ein herber Schlag in die Fresse. Man kriegt wahre Hassgefühle und kann nachts nicht mehr schlafen.“

„WIR SIND

EINE ECHTE

BERLINER BAND. AUS BERLIN CITY IM

BUNDESSTAAT

MISSISSIPPI.“

W Sascha Vollmer

ie seid ihr aus der

Nummer rausgekommen?  : Über einen ziemlich hässlichen Rechtsstreit …  : … in dem wir nicht mal das Recht hatten, Verträge einzusehen. Unfassbar! Man hört so oft, dass Bands von ihrem Manager betrogen werden, und denkt: Uns passiert das nicht.

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Wir sind ja nicht irgendwelche zugedröhnten Mucker, die täglich saufen und Groupies jagen! Dann ist es uns doch passiert. Egal, knock on wood, alles ging gut aus. Was bleibt von so einem Schlag in die Magengrube? : Das Vertrauen ins ganze System ist angeknackst. Natürlich wussten wir, dass das Musikgeschäft ein Haifischbecken ist, mit Schmarotzern und Abgreifern an jeder Ecke. Weil Künstler eben Künstler sind und keine Papiertiger, werden sie oft verarscht. Aber dass es uns erwischt … tja. Sag, wollten wir nicht eigentlich über Musik reden? Wenn man sich eure Lebenswege ansieht, fällt auf, dass ihr euch als Werbegrafiker kennengelernt habt. Ihr wisst also, wie man eine Marke aufbaut … Sind The BossHoss am Reißbrett entstanden? : Hahaha, im Gegenteil! The BossHoss war eine spontane Schnapsidee in irgendeiner Bar. Ein paar Wochen lang haben Alec und ich dann immer nach Feierabend bei mir auf dem Dachboden aufgenommen, die CDs mit fünf oder sechs Songs haben wir an Kumpels und Bekannte verteilt. Die fanden’s schräg und irgendwie geil – die Idee wurde eine Art Selbstläufer. Als wir dann darangingen, die Sache für die Bühne umzusetzen, haben wir im Freundeskreis fünf Jungs gefunden, die Bock hatten mitzumachen. Und kurz vor dem ersten Auftritt trafen wir uns zur ersten Probe. : Das hat total trashig geklungen, an allen Ecken und Enden gewackelt. Uns war’s wurscht, weil wir die Sache nicht allzu ernst nahmen: Hauptzutat war Ironie, das Trashige dran war ja auch erfrischend. Und die Leute fanden’s witzig. Aber was du gemeint hast mit Marke und so: Natürlich ist eine Band auch eine Marke, und wir nehmen da auch das Thema Planung sehr ernst. Aber das alles hat sich erst viel später ergeben. Wie kam es dann zu diesem sehr, äh, markanten Cowboy-Outfit, wenn nicht, um sich abzuheben und leicht wiedererkennbar zu sein?

: Das war uns von Anfang an klar: Wenn wir diese Art von Musik auf die Bühne bringen, dann ohne Kompromisse. Wir müssen daherkommen wie eine echte Berliner Band, nämlich aus Berlin City im Bundesstaat Mississippi. Mit Unterhemd, Cowboyhut, Boots, Gürtelschnalle und Whiskeypulle. Und neben der Musik muss breites Texanisch gesprochen werden. Privat habt ihr aber … : … nee, nee, nee, das war nur Bühnenoutfit, um Himmels willen, die Komplett-Cowboy-Nummer wäre im Privatleben ja furchtbar albern. (Lacht.) Wann wurde aus dem reinen Spaßprojekt etwas Professionelles – auch im Sinne von: davon leben können? : Als aus dem Spaßprojekt eine ernste Sache wurde, das war die gravierendste Veränderung. : Und eine schwere Entscheidung: Alles oder nichts. Unser Bassist musste unbezahlten Urlaub nehmen, einige von uns haben ihre Zweitjobs aufgegeben. Wir wussten, wir können diese Chance nur nützen, wenn wir alles auf eine Karte setzen – und dann haben wir eben alles auf eine Karte gesetzt. Und es lief viel in eure Richtung: 2004 der Plattenvertrag, 2005 der erste große Gig in der Columbiahalle in Berlin, gleich vor 4000 Leuten … Das hat die Entscheidung erleichtert, oder? : Wir fühlten uns bereit für den nächsten Schritt, ja. Viel schwieriger ist’s für Bands, die schon mit achtzehn oder neunzehn Erfolg haben. Da wächst man fürs Alter zu schnell. Wir waren Anfang dreißig, also große Jungs, und konnten abschätzen, worauf wir uns einlassen. Wann habt ihr zum ersten Mal gedacht, die Sache wird klappen? : Das Gefühl, dass die Band etwas ganz Spezielles ist, hatten wir von Anfang an. Vor allem, weil sich diese „Wir haben Bock!“-Stimmung von The BossHoss irgendwie auf die Leute übertragen hat. Aber dass es so eine große Nummer wie heute werden würde, hätten wir im Traum nicht gedacht, klar.

„WIR HABEN BOCK.

UND DIESE STIMMUNG ÜBERTRÄGT SICH AUF DIE LEUTE.“ Alec Völkel


EIGENER BOSS.  Do it yourself im Musikbusiness: Den unverkennbaren BossHossSound entwickeln VÜlkel und Vollmer selbst im bandeigenen Studio.


IM HEADQUARTER. Sechs Alben in nur acht Jahren, bald tausend Gigs. Und keine Pause in Sicht: Im November 2012 veröffentlichen die Workaholics ihr Erfolgsalbum „Liberty of Action“ ein zweites Mal – mit neuen Songs und einer Tour-DVD. An der Wand übrigens: Alecs Heavy-Metal-Helden Manowar.


ACTION

„EINE RADIONUMMER

ZU SCHREIBEN IST NICHT SCHWER –

SIE MUSS NUR GLATT SEIN, THAT’S IT.“

ZUSATZBILD: GETTY IMAGES

Sascha Vollmer Country war ja damals so ziemlich das Uncoolste, was man machen konnte. Wieso habt ihr euch dieses Genre ausgesucht? : Wir sahen das als sportliche Herausforderung an. Wir fanden es reizvoll, uns Stücke zu suchen, die man sich als Country-Nummer erst mal überhaupt nicht vorstellen kann. Zum Beispiel „Hey Ya“ von Outkast … Wir dachten: Hey, lasst uns aus Hip-Hop Country machen, wär ja schon ziemlich fett. Außerdem sind wir das Ganze immer mit einem gewissen Augenzwinkern angegangen und haben uns selbst nicht so ernst genommen – dazu passt Country ja sehr gut. : Außerdem fühlten wir uns schon immer in handgemachter, organischer Gitarrenmusik heimisch. Das reicht vom Blues und Country der fünfziger und sechziger Jahre bis hin zu Rock von AC/ DC, Nirvana oder Queens of the Stone Age. Daraus schöpfen wir auch unsere Einflüsse. The BossHoss war nicht nur ein ironisches Experiment! Der wahrscheinlich größte Schritt eurer Karriere war jener nach der ersten, sehr erfolgreichen Platte: Ihr habt damit aufgehört, auf Cover-Versionen von Hits zu setzen – und begonnen, eigene Nummern zu schreiben. Wie hart war die Entscheidung wirklich? : Es war ein absolutes Risiko … : … weil die meisten Leute nur „Hey Ya“ und den Langnese-Song von uns kannten, auf diese beiden Nummern war auch marketingtechnisch alles aufgebaut. Und dann mussten wir den Leuten vermitteln: Schluss mit witzigen Cover-Versionen, die jeder mitsingen kann, wenn er sie das erste Mal hört. The BossHoss schreiben jetzt selbst. Es gab auch Leute, die das nicht so toll fanden. … verständlich, denn die Sache lief ja bis dahin wie geschmiert. : Und jeder dachte auch, das zweite Album würde eins zu eins klingen wie das erste. : Aber diese Kurve mussten wir kriegen, sonst gäbe es uns heute nicht mehr.

: Der Witz einer Cover-Band nutzt sich ab. Unser Move, auf Eigenrepertoire zu setzen, war dann unsere Entscheidung als Band. Thema Airplay: Ihr habt viele Radiostationen mit euren eigenen Sachen zu Beginn ziemlich vor den Kopf gestoßen. Ihr wurdet kaum gespielt … ein Horror für jede Band. „Liberty of Action“ ist sicherlich eure bisher poppigste Platte. Auch um besser in den Mainstream zu passen? : Es hat uns schon geärgert, dass wir nie im Radio gespielt wurden. Wir wollten aber nicht auf Teufel komm raus eine Radionummer schreiben – so schwer ist das nämlich nicht, sie muss nur glatt sein, that’s it. „Liberty of Action“ ist so, wie „Liberty of Action“ ist. Aber das nächste Album kann schon wieder ganz anders sein.

„LASS UNS

AUS HIP-HOP COUNTRY

MACHEN. WÄR

SCHON FETT.“ Alec Völkel

Naturgewalt: The BossHoss begeistern live mit Gitarren-Sound statt Videowalls und Pyrotechnik.

: „Don’t Gimme That“ ist zwar ’ne radiokompatible Nummer. Aber eine, die trotzdem Eier hat. : „Radiokompatibel“ ist kein Begriff, für den man sich rechtfertigen muss. Die Frage ist eben nur, wie so eine Nummer in der Qualität daherkommt. Man kann es sich als Band nicht leisten, mal eben ein Album rauszubringen, das nicht ankommt, weil man einen auf „künstlerisch wertvoll“ macht. Demnächst habt ihr jedenfalls viel TVPräsenz, ihr seid wieder Juroren der Castingshow „The Voice of Germany“. Gibt’s Änderungen zur ersten Staffel? : Nein. Unser Team gewinnt wieder! (Lacht.) : Ein paar Kleinigkeiten sicher, aber nichts Wesentliches. Das Ding hat ja sensationell fett funktioniert. Solche Quoten – Wahnsinn! „Castingshows sind ein Verrat an der Musik.“ Wisst ihr, von wem das Zitat ist? : Von uns, nicht? : Aber „The Voice“ hat einen neuen Maßstab gesetzt, du kannst das nicht mit anderen Sendungen im CastingFormat vergleichen. : Anderswo wird versucht, wie in der Industrie ein Produkt zu konstruieren, das ein bisschen Hype und Geld bringt. „The Voice“ ist nachhaltiger, das sieht man ja auch am sensationellen Erfolg von Ivy (Ivy Quainoo gewann die erste Staffel, das Album „Ivy“ belegte Platz fünf in den deutschen Albumcharts; Anm.) und auch von Mic Donet, der mit seinem Album in den Top 10 der Charts war, obwohl er es nicht ins Finale geschafft hat. Halbfinalist Ole Feddersen hat mir erst letzte Woche auf Facebook erzählt, dass er jetzt mit seinem Album anfängt, mit dem Produzenten von Udo Lindenberg – und ich könnte noch weitere Beispiele nennen. So viele neue Musikerkarrieren können sämtliche anderen Shows in ihrer zehnjährigen Historie nicht anbieten. Trotzdem, Hand aufs Herz: Vor fünf Jahren hättet ihr den Job als Juroren noch abgelehnt, oder? : Damals hätte uns auch noch niemand gefragt. : Ach, je länger man in dem Business dabei ist, um so weiter wird die Sicht. Der Blick ist nicht mehr so mit Klischees verstellt. Jeder, oder sagen wir: fast jeder, in der Branche macht seinen Job, weil ihm zuallererst die Musik am Herzen liegt. Und daraus entsteht eine Verantwortung. Deshalb haben wir gesagt, wir sehen uns das an und versuchen mitzuhelfen, es vielleicht besser zu machen als andere. redbull.de/thebosshoss

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ACTION

IM AUGE DES ORKANS

Charismatische Racer, Prototypen-Technik, 300 km/h Topspeed, wilde Manรถver, reale Gefahr: Mit einer Milliarde TV-Zuschauern pro Rennen wird MotoGP nur von Formel 1 und Fuร ball geschlagen. Wir sehen uns beim Red Bull U. S. Grand Prix in Laguna Seca ein wenig um. Text: Nicolas Stecher

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BILD: GIORGIO AUGUSTO NEYROZ

Momentaufnahme einer tollen MotoGP足 Saison: Jorge Lorenzo jagt Casey Stoner, dahinter wird gleich Dani Pedrosa ange足 braust kommen. Mehr Action und Spannung als hier l辰sst sich auf vierzig Minuten Renn足 dauer fast nicht mehr unterbringen.


ACTION

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Kommt ein „Doctor“ geflogen: Valentino Rossis Raufen mit der Ducati hat im nächsten Jahr ein Ende, der siebenfache Weltmeister kehrt zu Yamaha zurück. Oben: Das Bergauf-Bergab ist charakteristisch für die Strecke von Laguna Seca.

Honda gerollt, Ohrenschützer wie am Flughafen-Rollfeld werden aufgesetzt. Bradl erhebt sich, ruhig, setzt den Helm auf, steigt aufs Bike. Der Starter bringt das Hinterrad der Honda in Schwung, der Motor zündet. Die Lautstärke schwillt an von Hardrock-Konzert, erste Reihe, zu Boeing 747 im Tiefflug. Selbst bei halber Drehzahl haben diese schalldämpferlosen, millionenteuren Prototypen das Potential, Trommelfelle zu zerfetzen. Mechaniker ziehen den Starter weg, Bradl lässt die Kupplung kommen und zieht aus der Box, um seine Kollegen für die ersten Runden an diesem Morgen zu begleiten. Laguna Seca erwacht. Selbst wenn es bloß das Morgentraining ist, kommen die Tausenden Zuschauer an der Strecke jetzt auf ihre Kosten. „Ich liebe Laguna Seca, ich liebe Überseerennen. Wir fahren so viel in Europa rum, wo Kulturen und Menschen doch sehr ähnlich sind. Amerika fühlt sich für mich viel mehr wie zu Hause an“, sagt der amtierende Weltmeister Casey Stoner, ein Australier. „Die Strecke ist fahrerisch sehr anspruchsvoll. Ich mag das Bergauf-Bergab, höchstens eine längere Gerade und ein paar schnelle Kurven zusätzlich wären fein. Aber Laguna Seca hat einen ganz eigenen Charakter, fast schon eine Persönlichkeit. Ich genieße jede Runde hier.“ Dabei ist keineswegs alles eitel Wonne im Königreich MotoGP. Die globale Wirtschaftskrise lässt die Sponsor-

BILDER: GIORGIO AUGUSTO NEYROZ

E

ine unbarmherzige kalifornische Sonne brennt auf die schattenlose Asphaltfläche im Inneren des Laguna Seca Raceway und zeichnet harte Schatten. Hinter den kleinen Gebirgsausläufern, die Laguna Seca von Monterey trennen, bedecken Nebelfelder die besseren Gegenden und schützen sie vor Hitze. Laguna Seca bleibt diese Gnade versagt: Hier hofft man bestenfalls auf heiße Winde, die eine Illusion von Abkühlung verschaffen. Beim Eingang zur Box sorgt die Wartezeit vor den Security-Mannen für eine kleine Nachdenkpause auf dem Weg durch den lärmenden, schwitzenden Trubel des Fahrerlagers. In den Boxen herrscht höchste Sicherheitsstufe, ungebetene Gäste werden wie Industriespione behandelt. Verständlich, beträgt das Budget eines Rennteams doch gut und gern dreißig Millionen Dollar pro Saison. Hat man all seine Akkreditierungen vorgezeigt und die Securities von der Rechtmäßigkeit seiner Anwesenheit überzeugt, empfängt einen ein Schwall kalter, industrieller Luft aus der Klimaanlage. Nicht nur die Temperatur, auch Raum und Zeit ändern sich. So chaotisch und laut es draußen ist, so unheimlich ruhig ist es drinnen. Wer einen Haufen wuselnder, Schraubenschlüssel schwingender Mechaniker erwartet, die hektisch letzte Änderungen am Motorrad vornehmen, liegt daneben. Sämtliche Vorbereitungen sind längst erledigt. In einer Ecke der Box des Kundenteams LCR Honda sitzt vornübergebeugt der junge Deutsche Stefan Bradl und hört seinem Chefingenieur zu, der ihm in gesetztem Ton Anweisungen gibt. Bradl hat den entrückten Blick eines Boxers vor dem Kampf, die Augen zielen auf einen Punkt im Nirgendwo und geben seinem Gesicht etwas Kaltes, Unnahbares. Dann beginnen, einer nach dem anderen, Motoren in den Boxen ringsum zu bellen. Der Lautstärkepegel schwillt an von Supermarktparkplatz zu Hardrock-Konzert, erste Reihe. Ein Starter von Größe und Aussehen eines Staubsaugers wird an das Hinterrad von Bradls


LAGUNA SECA HAT EINEN EIGENEN CHARAKTER, FAST SCHON EINE PERSÖNLICHKEIT.


Nach seinem Sturz in Indianapolis verlor Casey Stoner verletzungsbedingt den Anschluss in der WM. Aus dem Titel-Dreikampf wurde ein Duell zwischen Jorge Lorenzo auf Yamaha gegen Dani Pedrosa auf Honda. Die zwei Spanier schenken sich nichts, die Saison verspricht Spannung bis zuletzt.

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Leider erwies sich diese Lösung als unbefriedigend. Für die betroffenen Fahrer sowieso, aber auch für einen Champion wie Casey Stoner. So unbefriedigend, dass der Doppelweltmeister am 17. Mai vor dem Großen Preis von Frankreich seinen Rücktritt per Saisonende verkündete. Das Fahrerlager war erschüttert. An Stoners fahrerischem Talent ist nicht zu rütteln, doch seine Popularität ist weniger fest zementiert. Man nannte ihn ein „Alien“, einerseits wegen seiner Fahrkunst, andererseits aber wegen seiner Unnahbarkeit. Nach der Bekanntgabe seines Rücktritts trat er wie befreit auf und trug sein Herz auf der Zunge.

CREDIT:

gelder schwinden. Gerade jene Disziplinen, die sich als technologische Speerspitze begreifen, nämlich Formel 1 und MotoGP, haben Probleme, die Starterfelder mit ihren sündteuren Hightech-Prototypen zu füllen. Wenn Budgets schrumpfen und Kosten explodieren, beginnen sich Teams zurückzuziehen, was den Sport weniger attraktiv macht. Erstmals in ihrer Geschichte erlaubt MotoGP den Einsatz von CRT(Claiming-Rule-Teams-)Bikes, die zum Teil auf Serienkomponenten zurückgreifen. Diese Bikes sind zwar billiger, aber auch deutlich langsamer als echte Prototypen.

BILDER: TAZ DARLING

Jorge Lorenzo, 25: Alles Gute kommt von oben?


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CREDIT:

SIE NENNEN IHN „ALIEN“. SEIN TALENT IST AUSSERIRDISCH.

So nah am WM-Titel wie schon lange nicht: Dani Pedrosa, 26

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enn ich Kollegen sehen will, kann ich sie ja abseits der Strecke treffen“, antwortet Stoner auf die Frage, was er an MotoGP am meisten vermissen werde. „Hie und da werde ich vielleicht bei einem Rennen vorbeischauen und hoffen, dass es kalt und verregnet ist. Ich werde mit einer Tasse heißer Schokolade im Fahrerlager sitzen und amüsiert beobachten, wie sie sich in ihrem perforierten Rennleder den Hintern abfrieren“, schmunzelt er. „Ich trete vom Rennsport zurück, nicht vom Leben. Ich habe noch so viel vor. Vielleicht fahre ich in der australischen V8-TouringCars-Serie. Die Chance besteht.“ „Seltsam, dass einer, der all die Jahre so kämpfen musste und der jetzt im besten Team ist, das schnellste Motorrad hat, als Titelverteidiger aufhört. Arbeitet sein gesamtes Leben auf dieses Ziel hin, und als er es erreicht hat, genießt er es nicht? Es könnte noch lang Erfolg haben, er ist erst 26!“, ärgert sich Filmemacher Mark Neale, Regisseur der preisgekrönten MotoGPDokumentationen „Faster“ und „Fastest“. Neales Repertoire an Geschichten über Valentino Rossi, den siebenfachen Weltmeister, weltweiten Superstar und unumstrittene Nummer 1 des Fahrer49


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lagers, ist schier unerschöpflich. Zwei seiner Filme hat er ihm gewidmet. Allein die Szene, als Rossis damaliger Erzfeind, der Römer Max Biaggi, das aufstrebende Talent 2001 in einer 200-km/h-Kurve ins Gras drängte: ein Manöver, das das damalige Jungtalent Rossi gut und gern hätte schwer verletzen können. Als Rossi Biaggi in der letzten Runde überholte, tat er das mit gestrecktem Mittelfinger. Live vor der Kamera, vor Millionen Zuschauern auf der ganzen Welt. Oder die Auslaufrunde mit der Sexpuppe am Sozius, die ein Claudia-Schiffer-Jersey trug – ebenfalls ein Seitenhieb an Kollege Biaggi, der damals mit Supermodel Naomi Campbell turtelte. „Rossi war ein Entertainer, er hat Glamour, Witz und Intelligenz ins Fahrerlager gebracht wie niemand vor ihm. Er ist der letzte Rock ’n’ Roller in der MotoGP-Serie“, seufzt Neale.

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uch die Beziehung zwischen Rossi und Stoner ist spätestens seit jenem Interview, in dem der Italiener den Australier als „besten Fahrer der Traction-Control-Ära“ bezeichnete, nicht ganz einfach: Das war eine subtile Beleidigung, die Stoners technische über seine fahrerischen Qualitäten stellte. Genau das macht das Phänomen Rossi neben seiner unbestrittenen Genialität auf dem Bike aus: ein Übermaß an Frechheit, Charisma und cojones. „Für mich kommt noch seine Bescheidenheit dazu. Er ist trotz seines Superstar-Status ein ganz normaler Motorradfahrer geblieben“, ergänzt Neale, während Anekdote um Anekdote aus ihm hervorsprudelt. „Wer täglich sein Leben riskiert, muss nicht angeben und posen.“ Nicht einmal F1-Fahrer nehmen so viel Risiko wie MotoGP-Piloten. Anstelle von Carbon-Monocoques und 6-Punkt-Gurten beschützt sie nur ein wenig Leder. Letzten Oktober starb der italienische Publikumsliebling Marco Simoncelli beim Großen Preis von Malaysia, nachdem er, zu Sturz gekommen, von den unmittelbar hinter ihm fahrenden Valentino Rossi und Colin Edwards überrollt worden war. Menschen, die so leben, sind keine überbezahlten NBA-Prinzessinnen, keine hirnlosen Abräumer, die ihre Gegner ohne Rücksicht auf Verluste attackieren. Das hier ist Physik, das sind Knochen und Muskeln, Stahl und Carbon, Gummi und Asphalt. Das ist das Leben. Um Normalsterblichen eine Ahnung von MotoGP zu vermitteln, hat Ducati einen zweisitzigen Prototyp gebaut, auf dem Ex-Rennfahrer Randy Mamola zum Tanz bittet, der vielleicht beste Rennfahrer der Geschichte ohne Weltmeistertitel. Er lässt die Doppelsitzer-Ducati richtig fliegen, die geschockte Fracht klammert sich regelmäßig an den 52-jährigen Ameri-

Mann der Zukunft: Nachdem er im Vorjahr den Titel in der Nachwuchsklasse Moto2 geholt hat, fährt der erst 22-jährige Deutsche Stefan Bradl in seiner ersten MotoGP-Saison mit seiner LCR-Honda regelmäßig in die TopTen. Beste Ergebnisse bisher: Platz 4 in Assen und Mugello.

„MEIN NEUER GOTT HEISST RANDY MAMOLA.“ 50

kaner, als hinge ihr Leben davon ab (was ja durchaus zutrifft). Werden die Passagiere in der Boxengasse abgeladen, haben sie Augen wie Pfannkuchen und vermitteln den Eindruck, als kämen sie von einem intergalaktischen Trip retour. Die wenigsten können gleich über das Erlebte sprechen. „Ich bin konvertiert. Mein neuer Gott heißt Randy Mamola“, japste letztens Rikki Rockett, Drummer der Rockband Poison, atemlos. „Jetzt habe ich noch mehr Respekt vor diesen Jungs, als ich ohnehin schon hatte. Es ist noch ärger, als man glaubt – viel ärger!“ Eigentlich sollte man meinen, ein langgedientes Mitglied einer der wildesten Hair-Metal-Bands der Welt wäre furchtlos und nicht mehr zu erschrecken – MotoGP ist dann aber doch eine Nummer härter. An der Spitze des Feldes geben heuer die Spanier Jorge Lorenzo, Weltmeister 2010, und Dani Pedrosa den Ton an. Casey Stoner musste nach einem Sturz am Sprunggelenk operiert werden und hat in der WM-Gesamtwertung einen Rückstand, der wohl nicht mehr aufzuholen ist. Aber: „Auf der Strecke sind die Unterschiede zwischen den drei marginal“, analysiert Neale, „es kommt auf die Tagesverfassung an, auf das gewisse Extra, das du an manchen Tagen eben findest und an anderen nicht.“ Sind alle drei fit und haben ihren bestmöglichen Tag, entscheidet das Bike. „Einem Außenstehenden ist die Komplexität kaum zu veranschaulichen“, versucht Neale das diffizile Zusammenspiel jener Faktoren zu beschreiben, die ein Bike zum Siegerbike oder zur lahmen Ente machen. „Nachdem die Fahrer geklagt hatten, sie seien auf kalten Reifen in permanenter Sturzgefahr, konstruierte Bridgestone weichere – mit dem Effekt, dass die Honda nun deutlich schlechter funktioniert, die Ducati überhaupt nicht mehr, die Yamaha


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BILDER: GIORGIO AUGUSTO NEYROZ (2), TAZ DARLING

Mann mit Vergangenheit: Mit Casey Stoner nimmt eines der größten Talente der Geschichte nach zwei WM-Titeln (einen mit Ducati, einen mit Honda) Abschied vom Motorrad-Rennsport. Furchtlos, offen, direkt und oft brüsk, verliert die Zweirad-Königsklasse mit ihm einen echten Charakterkopf.

aber besser. Jimi Hendrix hätte sich mit einer Les Paul anders angehört als mit einer Fender Stratocaster. Und wahrscheinlich hätte er gesagt: ‚Was soll der Scheiß, ich will meine Strat zurück!‘ Die Beziehung zwischen Fahrer und Bike ist so subtil, dass es unfair wäre, zu sagen, Rossi habe auf der Ducati versagt. Er spielt bloß auf anderen Instrumenten besser.“ Sonntag in Laguna Seca, Renntag. Gestern hat sich Lorenzo die Pole-Position gesichert, vor Stoner und Pedrosa. Ich sitze in der Red Bull Energy Station, mir gegenüber O. B. Gold, den man auch den „Bürgermeister von Laguna Seca“ nennt. Eine riesige Sonnenbrille bedeckt die obere Gesichtshälfte, ein grauer Vollbart die untere. Er sieht geheimnisvoll aus, eine Mischung aus Gandalf und dem Nikolaus. Berühmt ist Gold für seinen Bestseller, das „Hot Pot Handbook“, eine Anleitung zum gesunden, sicheren und vernünftigen Umgang mit Cannabis. Von unserer Position überblicken wir die gesamte Rennstrecke mit Ausnahme der berühmten Corkscrew. MotoGP-

Rennen sind flüchtige Vergnügen, vierzig Minuten geballte Action, diesmal gekrönt von einem brillanten Manöver, das Stoner an Lorenzo vorbeibringt und zu seinem vierten Saisonsieg führt. Nachher ist Gold voller Respekt: „Es war das reine Vergnügen, Stoner heute fahren zu sehen. Er mag seinen eigenen Kopf haben, im persönlichen Umgang vielleicht nicht der Einfachste sein und zu den Gegnern unbarmherzig – aber Motorrad fahren kann dieser Mann wie niemand sonst.“ Seit 42 Jahren kommt Gold nach Laguna Seca, seit fast einem halben Jahrhundert hat er kein einziges Rennen hier versäumt. Er sieht die Feinheiten des Rennverlaufs, die kleinen Details, die Ungeübten verborgen bleiben. Dazwischen erklärt Gold die Positionen der zwei Fraktionen im Fahrerlager: die einen, die mehr Hightech wollen (die Hersteller, die ihre technische Kompetenz zeigen möchten), die anderen, die weniger Hightech wollen (Teams, die die höheren Kosten fürchten). Er bewundert Casey Stoners starken Willen („dieses Rennen hat er schon im Training gewonnen“), dessen deutliche Worte zur den Claiming-Rule-Bikes, seine Entscheidung, einen Schlussstrich zu ziehen, dann preist er den cleanen, geradezu unscheinbaren Stil des WM-Führenden Jorge Lorenzo („als ob er ein Taxi fahren würde“). Kurzzusammenfassung: „MotoGP ist die Krone des Motorsports. Es braucht die fittesten Piloten, die gleichzeitig bereit sind, das größte Risiko zu nehmen – MotoGP ist spektakulär, ehrlich und wild.“ Wie er so dasteht, sieht er wirklich aus wie Moses, der die Zehn Gebote verkündet. „Ich kann mich dieser Kraft nicht entziehen. Sie ist schlicht zu groß.“ An der Haftgrenze: www.motogp.com

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Kann alles, hat Spaß dabei: Der 22-jährige Schwede Martin Söderström ist der letzte Generalist in einer Mountainbike-Welt voller Spezialisten – und der erste einer neuen Generation. Text: Werner Jessner, Bild: Lukas Gansterer

ch habe einen Freund verloren.“ „Für mich war er immer ein Vorbild.“ „Jetzt hat er nur noch Geld und Frauen im Kopf.“ Freunde und Wegbegleiter geben sich enttäuscht, bestürzt, resigniert. Martin Söderström, schwedischer Mountainbike-Freerider, Dirtjumper, Slopestyler, Big-Mountain-Rider, aber auch 4Crosser, kurz der größte Generalist im Adrenalin-Mountainbiken, ist nicht mehr wiederzuerkennen. Der Ruhm hat ihn verändert. Jüngst ist er mit seinem Tretroller in den SpecializedShop gebrettert, hat sich die Top-Version des Downhillbikes Demo gekrallt, und als ihn der Besitzer aufhalten wollte, hat Söderström ihn angebrüllt: „Weißt du nicht, wer ich bin? Ich bin Martin Söderström!!!“ Allerdings verborgt er Bike und Helm, der tatsächliche Rider erzählt Söderström danach in der Bar, wie es war. Das selbstironische Siegervideo der GoPro-Challenge (einfach „martin söder52

ström gopro“ auf YouTube eingeben) hat bereits im ersten Monat 70.000 Views erreicht. „Eigentlich wollten wir ein normales Bike-Video machen, aber leider hatte der Regisseur eine Augenentzündung und ich tags darauf einen dringenden Termin in Stockholm.“ Man musste also besonders schnell und kreativ arbeiten. Seit den „Farmer John“-Episoden mit den Athertons, wo der alte Bauer nebenan verrücktes Zeug mit dem Bike macht(gedoubelt freilich von den Athertons), gab es kein Bike-Video, das sich über Sport und Athleten so liebevoll lustig macht. Über sich selbst zu lachen: Kein Problem für den charismatischen Schweden, der im Jahr 2007 als gerade einmal Siebzehnjähriger mit seinem Sieg beim Slopestyle in Åre wie ein Komet über die Freeride-Szene gekommen ist. So einen hatte man noch nie gesehen: lang, schlaksig, dazu die blonden Locken, der sympathische Dauergrinser und überhaupt – diese hautengen Jeans! „Damals war baggy Mode, aber mich hat das weite Zeug immer behindert. Heute tragen fast alle skinny, was wieder mal beweist, dass wir Schweden der Welt punkto Mode voraus sind“, flachst Martin beim Interview auf Europas größter Fahrradmesse. Die Jour-

nalistin eines Freeride-Magazins wartet nervös auf ihren Interview-Slot mit dem Feschak, während Martin dem legendären Mike Sinyard, Firmengründer und -chef

Freunde und Wegbegleiter geben sich enttäuscht, bestürzt, resigniert. seines Bike-Sponsors Specialized, ein belegtes Mohnbrötchen stibitzt. Während wir reden, legt er am Tisch Figuren mit den Körnern. Söderström, aktuell Nummer 2 in der Freeride Mountainbike World Tour, welche die 28 wichtigsten Freeride-Events in vier Kategorien zusammenfasst, ist auf einem Hoch. Das mag auch damit zusam-


Ein entspannter junger Mann: Der aktuell beste Europäer in der Freeride Mountainbike World Tour mit seinem von ihm selbst mitent­wickelten Specialized P.Slope im ­typischen Söderström-Rot.


Zum Beispiel Slopestyle: Martin unterwegs zu Platz 2 beim Crankworx im kanadischen Bike-Mekka Whistler. (Nur eine seiner starken Disziplinen – siehe rechts.)

SLOPESTYLE

„Backflip? Whips sind viel schwieriger zu kontrollieren.“ 54

dem ich im Schulinternat gewesen war, wussten sie, dass ich auf Tour klarkommen würde.“ Die Mohnkörner auf unserem Tisch bilden inzwischen eine gerade Linie. Seit 2008 lebt Martin als Profi und fährt abgesehen von Video- und Fotoproduktionen bis zu 15 Contests pro Saison – eigentlich viel zu viele. Nicht nur seine Kondition, auch die Frequenz und Präzision, mit der er Tricks raushaut, haben die schwedische Fotografen-Legende Mattias Fredriksson einst dazu veranlasst, ihm den Spitznamen „The Machine“ zu verpassen. „Jetzt zu Saisonende knirscht sie aber schon ein wenig, die Maschine.“

äre Martin Söderström ein Ballsportler, man könnte ihn so vorstellen: Ein Top-Ten-Tennisspieler, der gleichzeitig im Tischtennis, Squash und Badminton zur Weltspitze gehört. So unterschiedlich wie die Untergründe, Geschwindigkeiten und Hindernisse sind die Bikes: Söderströms „Waffenarsenal“ beinhaltet alles vom direkten, keine Fehler verzeihenden Dirtjump-Hardtail mit nur einer Bremse und Mini-Rahmen bis zum federwegsatten, 18 Kilo schweren Downhillbike oder dem brandneu gemeinsam mit kalifornischen Ingenieuren entwickelten P.Slope, einem Hybridgefährt, das sich präzise springen

Künstliche Hindernisse, furchterregende Höhen, Nähe zum Publikum, Stadionatmosphäre. Es gilt, einen möglichst flüssigen, spektakulären und fehlerfreien Lauf zu zeigen, der das meiste aus den gegebenen Möglichkeiten macht. Bike: Vollfederung mit ca. 12 cm Federweg, stabile Komponenten.

lässt wie ein Dirtjump-Bike und doch ein wenig Reserven für missglückte Landungen bietet. Andere hätten mit einer solchen Umstellung ihre Not, Martin liebt es, Disziplinen zu mischen, und sieht sich als Vorreiter einer neuen Bewegung, die keinen ausschließt: „Das eine hilft doch dem anderen. Wenn ich heute Kids coache, versuche ich, ihnen Berührungsängste zu nehmen. Wenn ich treten kann wie ein Cross-Country-Fahrer, hilft mir das beim Beschleunigen zwischen den einzelnen Jumps. Routine mit hohen Geschwindigkeiten lernst du im Downhill, während das Rumfetzen auf der BMX-Bahn mit Kumpels gut für die Übersicht im 4Cross ist. Von weniger auf mehr Federweg zu wechseln fällt mir zwar etwas leichter, aber im Grunde fühle ich mich in spätestens fünfzehn Minuten auf jedem Bike heimisch.“ Mit seinen erst 22 Jahren hat sich Martin Söderström bereits ein derartiges Standing in der Branche erarbeitet, dass sein Wort gehört wird. Medien, junge

BILDER: DALE TIDY/RED BULL CONTENT POOL, MATTIAS FREDRIKSSON, DANIEL RÖNNBÄCK (3)

menhängen, dass er bislang kaum schwere Verletzungen gehabt hat – „eine Gehirnerschütterung, aber keinen einzigen gebrochenen Knochen, während viele meiner Kollegen schon im zweistelligen Bereich angekommen sind“ –, aber auch damit, dass der junge Herr Söderström ein heller Kopf ist, der Mountainbiking mit jeder Faser seines Körpers liebt und lebt. Dazu diese Aura unerschütterlichen Selbstvertrauens: Man hatte nie das Gefühl, dass er sich auf dünnem Eis bewegen würde, selbst wenn er oft bloß über Wasser gewandelt ist: Das Sportgymnasium mit Spezialgebiet Mountainbike (oh glückliches Schweden, das solche Schulen kennt!) schmiss er noch vor dem Abitur, um Profi zu werden, „weil ich nach meinen ersten drei Contests Einladungen für die gesamte nächste Saison beisammenhatte.“ Waren die Eltern begeistert? „Vielleicht nicht gerade begeistert, aber nach-


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DIRTJUMP Steile Absprünge, steile Landungen, viel Airtime: Dirtjump ist die hohe Schule der Schwerelosigkeit und Artistik. Hier geht es um die Kombination aus Tricks, die möglichst sauber und lang gehalten werden sollen. Bike: Hardtail, Federgabel mit ca. 10 cm Federweg, keine Vorderbremse.

BIG MOUNTAIN Große Berge, große Bikes, dicke Eier: Die Natur gibt die Linie vor, keine Kante ist zu hoch, kein Jump zu wild, kein Terrain zu lose. Nicht einmal mit einem Motorrad könnte man hier schneller fahren (geschweige denn tricksen). Bike: Downhill-Bike mit 20 cm Federweg.

Rider, Hersteller schätzen sein Know-how und seine Inputs. „Manchmal liege ich am Abend im Bett, und mein Kopf dreht sich weiter: Ich denke an Parts, Tricks, ich denke an Ideen, an Projekte, die ich umsetzen möchte, wie ich das Material verbessern kann, wo das Limit ist.“ Und wo ist das Limit, Martin Söderström?

lötzlich wird er ernst, die Mohnkörner des Frühstücksbrötchens stellen einen präzisen Kreis dar. Das hier ist Business, das Kerngeschäft. „In den letzten fünf bis zehn Jahren haben wir gelernt, unsere Tricks gut aussehen zu lassen. Gerade jetzt beobachten wir eine Aufbruchsphase: Allerorten wird an neuen Tricks gearbeitet, die allerdings noch nicht bei allen gut aussehen.“ Wir stehen am Anfang einer neuen Ästhetik: Ein Backflip sieht ja bald einmal spektakulär aus, daran hat sich das Publikum längst gewöhnt. Aber wenn Martin das Bike bei seinen Whips um das Steuerrohr tanzen lässt, einmal, zweimal, dreimal, dann hat das eine ganz eigene Qualität. „Whips sind viel schwieriger zu kontrollieren: Da musst du das Bike in der Luft um die Hochachse drehen, mit den Schultern die Position korrigieren, dann beide Pedale wiederfinden und landen.

Würden Sie diesem Mann Ihr Bike anvertrauen? Martin Söderström, Universalgenie auf 2 Rädern

„Bin in 15 Minuten auf jedem Bike daheim.“

PARK/ STREET Spielen am Asphalt, in der Stadt, in der Halle. Jeder Parkplatz, jeder Gehsteig, jede Halfpipe, jeder Swimmingpool ist Aktionsfläche. Mountainbike trifft Skating und BMX, es geht um Tricks und Gleichgewicht. Bike: das Dirtjump-Bike. Ganz wichtig: ein Rotor für Barspins.

Wenn du beim Backflip den Absprung korrekt erwischst, musst du bloß noch auf die Landung warten.“ Relativitätstheorie eines Weltklasse-Freeriders. Man muss anmerken, dass Martin Söderströms Signature-Tricks Whips in allen Variationen sind, und ein guter Händler lobt eben seine Ware. Wahr ist aber auch: Viele Judges sehen das so wie er. Nimmt man den Punktestand der FMB World Tour als Referenz, fährt derzeit nur der Kanadier Brandon Semenuk auf Martins Niveau, wobei es für den jungen Schweden schon noch einiges zu entdecken gibt: Anfang Oktober ist er erstmals zur Red Bull Rampage eingeladen, dem härtesten Big-Mountain-Bewerb des Planeten, wenn nicht des Universums. Noch weiß er nicht, was ihn erwarten wird, aber er ahnt: „Das Gefühl, am Start zu stehen, genau jetzt performen zu müssen, vor den Augen aller, gehört ohnehin zum Schlimmsten, was Mountainbiken zu bieten hat. Bei der Red Bull Rampage wird es oben wahrscheinlich gehörig im Bauch ziehen. Allerdings ist das gute Gefühl unten so viel stärker, dass es das Gruseln am Berg allemal wert ist. Ich freu mich auf die Red Bull Rampage.“ Als er zum nächsten Interview geht, bilden die Mohnkörner auf dem Tisch ein Smiley. redbullrampage.com

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Zwei geschmackssichere Männer in den unsterblichen Farben der Yugo Allstars. Nennen wir sie Matjaž Hudicˇ und Karel Prasicˇ.


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Text: Werner Jessner Fotos: Jürgen Skarwan

Yugo Go! Keine Telemetrie, kein Carbon, keine Reifenwärmer, kein Paddock Club. Stattdessen: Schweißgerät, Vorschlaghammer, Improvisation, Freundscha , Wahnsinn. So funktioniert Motorsport am unteren Ende der Nahrungskette. Vorhang auf für die Yugo Allstars! Text: Werner Jessner, Bilder: Jürgen Skarwan 57


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lötzlich wünschten sich alle ein Happy End. Der durchgeknallte grüne Opel Corsa, dessen Überschlag eigentlich nur eine Frage der Zeit hätte sein sollen. Der schwarze VW Polo, der sich in Runde drei tatsächlich überschlagen hatte und seither ohne Scheiben unterwegs war. Die drei VW Golf vom Autoverschrottungsunternehmen Metzker im einheitlichen 1980er-Rothmans-Design. Die lustigen Kerle von Disastercars, deren Mazda sich trotz nur 80.000 km ein beschwertes Karma aufgeladen hatte. Die Zaungäste, die Kinder, die Satten, die Getränkten, die Unterhaltenen, die musikalisch Bereicherten, die Beschenkten, die Unbeteiligten: Die Tribünen hatten sich – wenige Minuten vor Rennende – gefüllt, um die Parade der Sieger der ersten 24 Stunden vom Nordring abzunehmen. Das Reglement besagte: Jedes dieser 35 serienmäßigen Autos (maximaler Hubraum: 1500 cm³), das nach 24 Stunden die Ziellinie auf dem 1,1 Kilometer kurzen Schotter-und-Asphalt-Kurs des Nordrings im vergessensten Eck Niederösterreichs aus eigener Kraft überqueren würde, käme in die Endwertung. Leider konnte davon im Moment mitnichten die Rede sein für die blau-weißrote Nummer 11, deren Schicksal die Tribünen im Moment einzig und allein fesselte. Konnte, durfte es so viel Gemeinheit, Bosheit, ja so viel VERDAMMTE 58

Ohne Style ist alles nichts: Der Yugo Koral 55 (Originalfarbe: Rot) wurde äußerlich in einen Rennwagen verwandelt. Sehr oft legten sich die Yugo Allstars unters Auto, um nachzuschauen, „warum er so gut funktioniert“ (Zitat: Presseo∞zier Yugo Allstars).

UNGERECHTIGKEIT geben? Elendig verrecken in der Ostkurve, so knapp vor dem Ziel, nach einer Reihe Rekordrunden, aus unbekannter Ursache? Der Klassiker konnte es diesmal nicht sein: Auspuffdefekt, daran hatten diese tapferen Männer während der gesamten letzten 23 Stunden laboriert. Hatten bei jedem Fahrerwechsel geschweißt, Löcher zugebraten, immer kühnere Konstruktionen des verrotteten Eisengeröhrs gewagt, um dem Reglement Genüge zu tun, das da hieß: Nicht lauter sein als vom Fließband. Bloß war das Fließband in Kragujevac, heute die viertgrößte Stadt Serbiens, von


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Die ganz normalen Schwierigkeiten bei 24-Stunden-Rennen: Gegenlicht, Staub, Verkehr, blinde Scheiben, das eigene Auto, die Autos der Gegner, das Schlafbedürfnis, erodierende Disziplin, blanke Nerven, die Sinnfrage. Durchfahren heißt siegen.

dem der blau-weiß-rote Yugo Koral 55 mit der Nummer 11 im Design des AMC Javelin von Mark Donahue vor drei Dekaden gepurzelt war, längst abgebaut worden. Und das Ohr hatte den Zaungästen speziell in der Einsamkeit der Nacht gesagt: Yugos waren in der Erinnerung nicht so laut gewesen (zumindest nicht jene, die man damals auf dem Weg nach Dalmatien auf der Steigung vor den Plitvicer Seen überholt hatte; gleich danach kommt übrigens der Karst, wo die „Winnetou“Filme gedreht wurden). Der Yugo war bis zu diesem Wochenende auf dem Nordring eine bespöttelte

automobile Subspezies gewesen, in etwa: der Citroën 2CV für Menschen aus dem Balkanraum, der Trabant Jugoslawiens. Einen Yugo fuhr man kaum aus Liebe, sondern aus Mangel an Alternativen. Dort, wo es ihn gab, genießt der Yugo den zweifelhaften Ruf, das schlechteste Auto der Geschichte zu sein. In den USA wurde er um 3990 Dollar verscherbelt (oder beim Kauf eines Cadillac als Beigabe gratis dazugegeben). Ein spektakulärer Unfall beendete den US-Import: Im September 1989 wehte eine Windböe den 790 Kilo leichten Yugo Amerika der 24-jährigen Leslie Ann Pluhar von der Mackinac

Bridge, einer Hängebrücke, die den Lake Huron mit dem Lake Michigan verbindet. Die Dame starb und mit ihr die vermeintlich geniale Idee eines kleinen, billigen Autos für Amerika. Was blieb, war die traurige Rolle der Loser-Karre in Film und TV, von „Die Hard“ bis zu den „Simpsons“. Nun aber hatten sich fünf junge Gentlemen an die Rehabilitierung der ungeliebten Dose gemacht, die „schlecht designt, schlecht verarbeitet und schlecht konstruiert“ war, so zeitgenössische Testberichte. Doch vieles, was einst als rückständig galt, erwies sich nun als prädestiniert für schonungslosen Einsatz ohne Sentimenta59


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litäten, sei es auf den schlechten Straßen romantischer balkanischer Weltgegenden oder auf einer schlimm zerfurchten Rennstrecke, die zur Hälfte aus Schotter besteht. Blattfedern, die auch dann noch funktionieren, wenn Stoßdämpfer längst tot sind. Elektrik von der Kompliziertheit einer Taschenlampe. Antriebswellen, die über 55 PS nur lachen. Als der Yugo erdacht wurde, hatten planwirtschaftliche Ingenieure das Sagen, und Handwerker kombinierten die Teile je nach Tagesform lose zu einem größeren Ganzen. Um diesen Ackergaul das Fliegen zu lehren, braucht es außergewöhnliche Männer. Matjaž Hudič zum Beispiel, dessen Name übersetzt „Teufel“ bedeutet, wobei das selbstverständlich das Gegenteil heißen sollte; wir werden dem Mann noch begegnen. Karel Prasič, der den lokalen Energie-Großversorger davon überzeugen konnte, massiv in das Projekt Renn-Yugo zu investieren (trotz ungewissen Ausgangs). Josip Broz Tito höchstpersönlich, um dem Trupp Führung zu verleihen. Rado Sabosliš, gefürchteter automobiler Sadist, der jede Unart des Yugo sofort durch platte Reifen oder getötete Federbeine bestrafte. Dazu Lego Čevapčić, eigentlich Chefkoch der YugoHospitality, aber nach dem kurzfristigen Ausfall des Chefingenieurs zum Renntechniker aufgestiegen: Fürderhin sollte er parallel mit Schweißgerät und Holzkohlengrill braten. Es war eine verdammte Eliteeinheit, die das Wunder der YugoRehabilitierung vollbringen sollte, und völlig zu Recht hießen sie die Yugo Allstars.

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ie Rennfavoriten hingegen kamen aus Japan: Honda Civic, Mazda 323, Subaru Justy. Dazu viele Opel und VW, darunter zwei verdächtig neue Lupo, längst nicht volljährig. Ein paar Exoten bereicherten das Feld: ein Käfer, ein Heckantriebs-Escort, zwei Ladas, einer als Seat getarnt. Vorurteile bestätigten sich aufs Schönste: Ein Fiat Tipo verstarb an multiplem Organversagen, eine Fiat Brava brannte nach einer Stunde ab. Team Ventilspiel nahm seinen Mazda so hart ran, dass nach acht Stunden Fahrzeit keine passenden Dämpfer mehr aufzutreiben waren. Da der Auspuff des Ford Escort von Graf Racing bei einer Rempelei den Mazda-Kühler von Disastercars perforiert hatte, implantierte deren Chefimprovisator den Kühler des ausgeschiedenen Fiat Tipo in den 323 – auch wenn er dafür die Motorhaube aufschneiden musste. Später drückte sich ein Federbein 60

des Disastercar bis an den Kofferraumdeckel durch. Ausfall? Geh bitte! Wo ist grad das Schweißgerät? Statt auf Fehlervermeidung setzte das Gros des Feldes auf Problemlösung. Repariert wurde so, wie man es im richtigen Leben genau nicht macht. Terminus technicus dafür ist das österreichische „pschistrieren“, eine Wortkombination aus „pfuschen“ und „improvisieren“. Bei Arbeiten am Unterboden rollte man das Auto einfach auf die Seite und sicherte es mit einem untergeschobenen Reifen. Risse in der Karosserie wurden unter Verwendung übrig gebliebener Bleche grob zugebraten. Öl, Wasser? Nachschütten, Hauptsache, der Motor läuft. Blechschäden? Ausbiegen. Reifen? Idealerweise vier, in etwa gleich groß, schwarz und unten. Bremsbeläge? Überschätzt. Auch unsere Freunde von den Yugo Allstars hatten satt zu tun. Als das rechte vordere Federbein implodierte, dauerte die Reparatur trotz des eigens mitge-

Organisator, Rennleiter, Kreativkopf und Mensch mit Seele für Altmetall: Der famose Roland David im einzig denkbaren T-Shirt nach 24 Stunden, gezeichnet von den Champagnerduschen der Finisher. Fortsetzung folgt nächstes Jahr Ende Mai, Altmetall vor Baujahr 1977 wird bevorzugt.


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Szenen aus dem Fahrerlager: Einige Teams hatten sogar Wohnmobile mitgebracht. Fahren, fahren, fahren, dazwischen Reparatur rustikal. Serien-YugoSitze als Schlafgelegenheit (im Renn-Yugo war passenderweise der Sitz eines Opel Manta verbaut). Warteschlange am Schweißgerät.

brachten Ersatz-Yugos über eine Stunde. Alle paar Stunden brach das Auspuffgeschwür auf, und Teamkoch Lego Čevapčić wurden darob die Pljeskavica kalt.

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astfreundschaft wurde dennoch mehr als nur groß geschrieben in der TeamHospitality der Yugo Allstars. Das hatten sie von schlechten Formel-1Teams gelernt: Fehlt die Performance, erntet man durch gutes Essen dennoch viel Sympathie. Mächtig totes Tier am Grill, Aivar, Zwiebeln, Tomaten, dazu Red Bull, Laško Pivo, ausgesucht geschmackvolle Musik und die Geschäftigkeit der Yugos mit ihren 70er-adidas-OriginalsBrillen, die sich nach jeder erfolgreichen Reparatur begeistert die Hände an den weißen Overalls abwischten, dem RennYugo aufs Dach trommelten, „Auto fertig, Scheffe, gemma!“ riefen, und während der eine unter den wachsamen Augen des

eigens am Rückspiegel befestigten Wackelpapstes auf die Strecke fuhr, um die modernen, die guten Autos zu überholen, klaubten sich die anderen frische Stücke Fleisch vom Grill und drehten die gute Musik lauter. Hie und da wechselten sie die Knoblauchknolle (Glücksbringer!) am Haltegriff des Beifahrers. So hätte das noch ewig weitergehen können, im Kern war der Yugo, nun ja, kerngesund. Kurz vor 16 Uhr machte sich das Fahrerlager bereit, die Finisher in Empfang zu nehmen. Doch der Yugo fehlte. Zehn Minuten vor Schluss war das Schaltgestänge gebrochen, da stand er nun, in der besagten Ostkurve, der Fahrer fuchtelnd daneben. Der Abschleppdienst hatte die Arbeit bereits eingestellt, also kaperte der tapfere Matjaž Hudič den Land Rover der Rennleitung, hoppelte durchs Infield, zerrte den Gestrandeten von der Strecke, warf sich mit einem Stein unter den Yugo und prügelte unter den Anfeuerungsrufen der Tribünen so lang auf das Getriebe ein, bis sich ein Gang erbarmte. Es war der vierte. Langsam, schneckenlangsam ließ der Fahrer die Kupplung kommen, beträchtliche Geruchsentwicklung bei der Nummer 11, aber: Sie bewegte sich. Die Konkurrenten auf der Strecke hießen den ins Rennen zurückkehrenden blau-weiß-roten Yugo hupend, winkend, Daumen emporreckend willkommen, den Publikumsliebling, den Underdog, die unverdrossene Partykiste, notfalls hätten sie ihn mit ihren Stoßstangen über die Ziellinie geschoben. Platz 27 mit 736 gefahrenen Kilometern für die Yugo Allstars, souveräner Sieger der Herzen und Nummer eins in Sachen Musikgeschmack und Catering. Ach so – offizieller Sieger auf der Strecke: Ein Toyota Starlet in Grau oder Schwarz oder so ähnlich, keiner kann sich mehr genau daran erinnern. www.24-stunden-nordring.at

Treffen Sie diese netten Yugos im Internet auf facebook.com/YugoAllstars. Dort gibt es auch ein nettes Video vom Rennen und gute Musik.


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Rennfahrer ohne Gasfuß

Andreas Kapfinger ist von der Brust abwärts gelähmt und hat keine nennenswerte Motorsport-Erfahrung. Trotzdem zeigt er nichtbehinderten Konkurrenten demnächst den Auspuff – wenn es nach ihm geht. Text: Manuel Kurzmann

15. Januar 1997

Andreas Kapfinger nimmt bei einem Big-Air-Showevent in seinem Heimatort Reith im Alpbachtal Anlauf. Der Sprung des angehenden Snowboard-Profis geht über 30 Meter, weiter als geplant. Bei der Landung knallt der 19-jährige Tiroler mit Kopf und Brust auf den pickelharten Harsch, überschlägt sich mehrmals. „Ich lag im Zielraum. Niemand fasste mich an aus Angst, mehr kaputtzumachen“, erzählt er. Diagnose: drei gebrochene Wirbel. Andi ist von der Brust abwärts gelähmt. Monatelang hofft er, wieder gehen zu lernen. Dann die Erkenntnis: Diesen Kampf kann er nicht gewinnen. „Ich wollte nicht abhängig sein, hasste es, von den Leuten mitleidvoll angeschaut zu werden.“ Kapfinger bewältigt seine Krise mit Sport, spielt Rollstuhlbasketball, fährt Handbike, trainiert seine Ausdauer. Als die Metallplatten an seiner Wirbelsäule entfernt werden, kauft er sich einen Monoski. Tage später steht Andi auf der Piste, ohne fremde Hilfe. „Als ich mit dem Schlepplift hochfuhr, wusste ich nicht, wie das Aussteigen funktioniert.“ Zwei Jahre danach startet er im Monoski-Weltcup. Anfangs chancenlos. Erst die hart-herzliche Hand von Physiotherapeut Gerhard Weger macht ihn konkurrenzfähig. Andi über seinen Coach: „Das Prinzip ist einfach: Er lacht, ich sterbe. Wir trainieren zum Beispiel koordinative Übungen im Schwimmbad: Ich muss schauen, in der Nähe des Beckenrands zu bleiben, um nicht aus Erschöpfung zu ertrinken. Gerhard pusht mich jeden Tag.“ 62

Er nimmt an den Paralympics in Salt Lake City (2002), Turin (2006) und Vancouver (2010) teil, 2004 gewinnt er seine erste von zwei WM-Bronzemedaillen. Auch privat läuft es besser: Andi wird Vater, seine mittlerweile zehnjährige Tochter Jana ist der Mittelpunkt seines Lebens. „Meine größten Erfolge habe ich kurioserweise im Rollstuhl gefeiert. Ich würde dieses Leben gegen kein anderes eintauschen“, sagt er.

7. August 2012

Andreas Kapfinger besucht die Firmenzentrale von „a-workx“ in der Nähe von München. Das TuningUnternehmen stellt in neun offiziellen Rennserien eigene Fahrer – vom Porsche Carrera Cup bis zu den FIA GT Championships. Im Herbst startet das Team mit Andi ein in der Firmengeschichte einzigartiges Rookie-Projekt. „Ich habe immer nur gehört, was ich nicht kann, und meistens das Gegenteil bewiesen. Das Rennfahren ist ein Bubentraum von mir, warum es also nicht versuchen?“, erklärt der Spätberufene. Über einen gemeinsamen Freund lernte der mittlerweile 35-Jährige im Frühling den Teamchef Niko Wieth kennen. Der war anfangs skeptisch, bis ihn die Beharrlichkeit seines Gegenübers umstimmte. Wieth erinnert sich: „Ich musste ihm zuallererst klarmachen, dass der Einstieg in den Rennsport nicht von heute auf morgen funktioniert. Du kannst ja auch keinen Durchschnittsskifahrer auf Abfahrtslatten stellen und ihm sagen: Wirf dich die Streif hinunter! Im Moment arbeiten wir am Gesamtkonzept, um Andi nicht zu verheizen. Talent hat er genug.“ Die Herausforderung ist die technische Adaption des Autos. Da Andi nicht in der Lage ist, mit seinen Beinen Gas, Bremse oder Kupplung zu betätigen, Andreas Kapfinger ist Weltklasse-Monoskifahrer: zweimal WMBronze, Teilnahme an den Paralympics 2002, 2006 und 2010.


BILDER: GEPA PICTURES, CHRISTIAN VORHOFER

Andreas vor dem Porsche, der auf seine Bedürfnisse hin umgebaut wird. Nur um die Plätze mitzufahren ist für ihn keine Option.

Mitleid bekommst du geschenkt, Neid musst du dir erarbeiten. müssen diese vom Fahrzeugboden auf das Lenkrad verlagert werden. Andi soll bei der Bedienung des Multifunktionsgeräts jene Vibrationen spüren, die durch Druckausübung auf ein Pedal entstehen. „Wir reden hier von einem Porsche-Cup-Auto mit 400 PS – ohne ABS und ohne Traktionskontrolle. Umso mehr muss das Lenkrad bei jeder Bewegung das Feedback des Autos übertragen. Wir entwickeln hier etwas, das es nicht von der Stange gibt“, sagt Wieth. Auch an der Sitzposition muss noch getüftelt werden: Aufgrund seiner hohen Lähmung wird Andi beim Kart-Training ständig aus dem Sitz gedrückt, seine Normalposition erreicht er dann nur per Klimmzug. „Das geht schon, aber nach einem Rennen kann

ich mich drei Tage nicht mehr richtig hinsetzen. Deshalb wird mein Körper im Porsche komplett angeschnallt, nur die Hände bleiben frei“, sagt Andi. Weitaus problematischer: Andi ist trotz ambitionierten Kart-Trainings ein Greenhorn. Automatismen, die andere Piloten schon im Kindesalter trainieren, muss er im Crashkursverfahren verinnerlichen. Der Plan: Erste Testfahrten im kommenden Winter, nächstes Jahr soll Kapfinger sein Kilometerkonto auf 5000 schrauben. Daneben arbeitet er mit seinem Physiotherapeuten an der Stärkung der Nacken- und Unterarmmuskulatur. Andi tut alles, um von seinen Konkurrenten nicht als Sonderfall behandelt zu werden: „Ich sehe das Ganze als eine Art Integration, denn während des Rennens gibt es keinen Unterschied zwischen mir und den Nichtbehinderten. Es kann passieren, dass ich meine Gegner beim Positionskampf von der Strecke schiebe. Dasselbe erwarte ich mir von ihnen.“ Auf eine Rennserie wollen sich Andreas Kapfinger und Teamchef Niko Wieth noch nicht festlegen, auch wenn in Richtung Porsche Carrera Cup geplant wird. Nur um die Plätze mitzufahren ist für ihn keine Option. Schließlich verrät schon sein Lebensmotto Andis Winner-Mentalität: „Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich erarbeiten.“ www.kapfi.at www.a-workx.com

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HIRN SCHMALZ

ACTION

DIE

HELLSTEN KÖPFE AUF UNSEREM PLANETEN WEGBEREITER UND WISSENSCHAFTLER, GEHIRN-AKROBATEN UND GENIES Text: David Morton, Illustrationen: Roland Vorlaufer

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JAMES E. LOVELOCK

Umwelt-Querdenker Wie schlau?

Ein unabhängiger Wissenschaftler und Zukunftsforscher, dessen Auffinden von Fluorchlorkohlenwasserstoffen in der Atmospäre 1971 letztlich zur Identifikation des Ozonlochs führte. Jetzt hat der unorthodoxe 93-jährige englische Umweltschützer umstrittenerweise die Nutzung der Atomkraft als beste Möglichkeit ausgemacht, die große Eisschmelze zu verhindern und fossile Brennstoffe abzulösen.

Andere über ihn …

„Lovelock ist ein höflicher kleiner weißhaariger Mann mit eulenhaften Brillengläsern. Sein Gang ist schwungvoll, sein Geist lebendig, sein Verhalten alles außer pessimistisch. Die Ankunft der vier apokalyptischen Reiter – Krieg, Hunger, Pest und Tod – scheint ihn tatsächlich aufzuheitern.“ (Jeff Goodell, Rolling Stone)

Was sagt er selbst?

„Ich finde es traurig – wenn auch allzu menschlich –, dass große Bürokratien sich über nuklearen Abfall den Kopf zerbrechen, riesige Organisationen sich der Stilllegung von Kraftwerken widmen, aber nichts Vergleichbares passiert, um mit wahrhaft bösartigem Abfall fertig zu werden – dem Kohlendioxid.“

Cleverste Idee

Die großen Zusammenhänge zu sehen. Die Gaia-Hypothese sieht die Biosphäre als ein selbstregulierendes Ganzes. Vielleicht haben wir die beste Chance, unseren Planeten hübsch und gesund zu erhalten, indem wir an seiner Chemie und Physik herumbasteln.

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ACTION

STEPHEN HAWKING

Weltraum-Mann Wie schlau?

Der theoretische Physiker und Kosmologe hat die fortgeschrittene akademische Erforschung der Schwarzen Löcher und der Quantengravitation (etwas in der Art von Gravitation, nur unmöglich zu begreifen) genauso befeuert wie das öffentliche Interesse an der Wissenschaft. Auf diesem Feld ist der Engländer unbestritten der Boss.

Andere über ihn …

„Von seinem Rollstuhl aus hat er uns zu den entferntesten und fremdartigsten Weiten des Kosmos geführt. So entfachte er unsere Vorstellungskraft und demonstrierte uns die Macht des menschlichen Geistes.“ (US-Präsident Barack Obama in seiner Rede zur Verleihung der Medal of Freedom an Hawking)

Was sagt er selbst?

SIR TIMOTHY BERNERS-LEE

Web-Guru

Wie schlau?

„TimBL“, auch Sir Tim, erfand das World Wide Web im Jahr 1989. Für alles, was in der modernen Welt stattfindet – von Finanzen über Erziehung bis hin zu lachenden Babys auf YouTube –, war das ein wirklich großer Wurf.

Andere über ihn …

„Wäre Computervernetzung eine traditionelle Wissenschaft, würde Berners-Lee einen Nobelpreis gewinnen.“ (Google-Vorstandsvorsitzender Eric Schmidt im Time-Magazin).

Was sagt er selbst?

„Ich brauchte ja nur die Hypertext-Idee zu nehmen und mit dem Transmission Control Protocol sowie dem Domain Name System zu verbinden. Und: Tara! – das World Wide Web.

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Cleverste Idee

Alles gratis zu lassen. BernersLee stellte seine Idee allen ohne Einschränkung und ohne Lizenzgebühr zur Verfügung. Anstatt zu kassieren, gründete er 1994 das World Wide Web Consortium: eine Gruppe von Unternehmen, die freiwillig Standards setzen und die Qualität im Web erhalten wollen. Wobei sie den Schlüssel zum Content jedem überreichen, der einen Computer besitzt. Also auch Ihnen.

„Ich glaube, das Leben auf der Erde ist dem ständig wachsenden Risiko ausgesetzt, durch eine Katastrophe wie einen plötzlichen Atomkrieg, ein genetisch manipuliertes Virus oder andere Gefahren ausgelöscht zu werden. Darum bin ich überzeugt, dass die menschliche Rasse keine Zukunft hat, wenn sie sich nicht in den Weltraum begibt.“

Cleverste Idee

Auf das Universum zu wetten. Hawking reicht es nicht, mit seinem Geist die Ecken unserer Existenz zu erforschen. Er macht auch ganz gern ein Spielchen mit dem, was er herausfindet. Nach einer Wette auf die Korrektheit des Schwarzes-Loch-Paradoxons mit seinem US-Physikerkollegen John Preskill gestand Hawking öffentlich seine Niederlage ein. Und übergab Preskill den Wettgewinn: ein Baseball-Lexikon.

„ICH DENKE, DIE MENSCHLICHE RASSE HAT KEINE ZUKUNFT, WENN SIE SICH NICHT IN DEN WELTRAUM BEGIBT.“


ACTION

KIM UNG-YONG Höchster IQ der Welt Wie schlau?

Gemessen an seinem Intelligenzquotienten, ist Kim Ung-Yong der cleverste Mensch. Das Guinness-Buch der Rekorde verortet seinen IQ in der Gegend von 210. Mit zwei Jahren beherrschte er vier Sprachen. Mit zwölf besaß der Koreaner einen Doktortitel in Physik und einen Forscher-Job bei der NASA. Aber auch der heute Fünfzigjährige hat Konkurrenten, speziell Terrence Tao, Ex-Wunderkind und heute Mathematik-Professor an der UCLA. Inoffizielle Schätzungen taxieren dessen IQ gar auf 220 bis 230 Punkte.

Andere über ihn …

„Kim Ung-Yong belegte die ersten Uni-Kurse im Alter von drei, also ungefähr zu der Zeit, als du mit einem magnetischen Alphabet am Kühlschrank deiner Eltern spieltest.“ (Doku im Science Channel)

Was sagt er selbst?

DINA KATABI

DatenBeschleunigerin Wie schlau?

Als Network-Gruppenleiterin im Labor für Computerwissenschaft und künstliche Intelligenz am Massachusetts Institute of Technology führt Professor Dina Katabi (USA) die Suche nach Möglichkeiten an, das Daten-Streaming zu verbessern. Sehr bald wird das Streaming die wichtigste Technologie im Austausch von Informationen sein. Im Januar 2012 präsentierte sie mit drei Kollegen einen neuen Algorithmus, der es schneller und billiger macht.

Andere über sie …

„Mit dem neuen Algorithmus können Datenströme zehn- bis hundertmal schneller als vorher verarbeitet werden … für eine bestimmte Informationsmenge wird weniger Computerpower gebraucht. Ein Segen für mobile Geräte mit begrenztem Energievorrat, etwa Smartphones.“ (Technology Review)

„MOBILES VIDEO IST DIE NÄCHSTE ‚KILLER-APP‘, DAS WISSEN WIR ALLE.“ Was sagt sie selbst?

„Mobiles Video ist die nächste ‚Killer-App‘, das wissen wir alle. Wir wissen auch, dass mobile Videos Störungen haben und stecken bleiben … Idealerweise willst du ein Video, das immer die beste mögliche Leistung bringt. Unser System besitzt die Effizienz von digitalem Video, aber ohne Signalverlust.“

„Die Gesellschaft sollte nicht alle mit einem Maßstab messen. Jeder hat verschiedene Lernfähigkeiten, Hoffnungen, Talente und Träume. Das sollten wir respektieren.“

Cleverste Idee

Normal zu bleiben. Nach zehn Jahren in den USA und der Zeit bei der NASA kehrte der 16-jährige Kim im Jahr 1978 nach Hause zurück. Als Bauingenieur übernahm er eine Position in der Abteilung für Unternehmensplanung bei der südkoreanischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Seit 2007 arbeitet er in einem Teilzeitjob an der lokalen Universität.

Cleverste Idee

Künftig Leben retten zu können. Für uns alle heißt schnelleres Video: keine gefrierenden Trailers und Filmchen auf Smartphones. (Über)lebenswichtig wird Katabis Arbeit, indem sie große Fortschritte in der Medizintechnologie ermöglicht, etwa die Kombination von Robotik und Videostreams bei ferngesteuerter Chirurgie.

„JEDER HAT VERSCHIEDENE LERNFÄHIGKEITEN, HOFFNUNGEN, TALENTE UND TRÄUME.“ 67


ACTION

MARTIN COOPER

Mobile Intelligenz Wie schlau?

Von den ziegelsteingroßen Handys, die sich Geschäftsleute in den Achtzigern stolz ans Ohr hielten, bis hin zu heutigen iPhoneBerrys fußt jedes Mobiltelefon auf seiner Vision. Seine Idee eines Hörers, der anders als das Autotelefon frei tragbar sein sollte, war der entscheidende Schritt auf dem Weg von verdrahtet zu drahtlos. Bei Motorola baute der Amerikaner seinen ungefähr ein Kilo schweren Prototyp binnen drei Monaten.

Andere über ihn …

MICHAEL C. McALPINE

Piezo-Pionier Wie schlau?

Als Assistenzprofessor an der Princeton-Universität wurde McAlpine klar, dass piezoelektrisches Material (wie Blei-Zirkonat-Titanat, PZT), das mechanische in elektrische Energie verwandelt, der Menschheit eine neue, natürliche und unerschöpfliche Energiequelle erschließt – die Bewegungen des Körpers. Während wir gehen, joggen oder laufen, erzeugen wir Energie. Eines Tages werden wir keinen Plug-in-Punkt für unseren iPod mehr suchen müssen. Dank McAlpine werden wir dann selbst Plug-in genug sein.

Andere über ihn …

„McAlpine und seine Kollegen haben zum Beispiel Schuhe vorgeschlagen, die MP3-Player oder Smartphones mit Energie versorgen. Es gibt sogar Gedankenspiele, Silikonblätter auf die Lungen zu legen, um mit den Atembewegungen Herzschrittmacher zu versorgen. Dadurch könnte man auf Batterien und die Operationen zu ihrem Austausch verzichten.“ (Jeremy Hsu, Popular Science)

Was sagt er selbst?

„PZT ist hundertmal effizienter als Quarz, ein anderes piezoelektrisches Material. Gehen oder Atmen erzeugt nicht wirklich viel Energie, also wollen wir sie so effizient wie möglich nutzen.“

Cleverste Idee

Eine neue Anwendung für Implantate zu finden. Der US-Amerikaner McAlpine und sein Team arbeiten an der Erweiterung der Silikon-Technologie. Mit den Silikon-Implantaten könnten beachtliche Mengen persönlicher erneuerbarer Energie erzeugt werden. 68

„Marty meinte: ‚Wir verkleinern das Ding bis zur Größe deiner Handfläche.‘“ (Travis Marshall, Ex-Manager bei Motorola, im Economist)

Was sagt er selbst?

„Unsere Kultur lebte mit der nachgerade religiösen Überzeugung, dass Mobilität dem Menschen sozusagen angeboren und natürlich sei. Und dass jede Behinderung der

Mobilität durch ein Kommunikationsmittel falsch war … Damals hieß es: das größte Unternehmen der Welt, AT&T, gegen unseren kleinen Laden in Chicago. Wir haben unseren Traum zu realisieren versucht – und gewonnen. Heute geht es besonders interessant bei der drahtlos unterstützten Medizin und beim Social Networking zu. Beides ist genauso revolutionär, wie es damals die Mobiltechnologie war.“

Cleverste Idee

Sein erster Handy-Anruf: 1973 stand Cooper auf der Sixth Avenue in New York und rief von dort ein Konkurrenzunternehmen an. Von nun an wurden Leute angerufen, nicht Orte. (Am anderen Ende der „Leitung“ war übrigens Joel S. Engel, Forschungschef bei den Alexander Graham Bell Laboratories.)

„WIR HABEN UNSEREN TRAUM VERFOLGT – UND GEWONNEN.“


ACTION

DICKSON D. DESPOMMIER

Wolkenkratzer-Landwirt Wie schlau?

Nach aktuellen Schätzungen werden 2050 achtzig Prozent der dann wohl acht Milliarden zählenden Weltbevölkerung in städtischen Zentren leben. Um da noch genug Nahrungsmittel zu produzieren, müsste neuer landwirtschaftlicher Raum etwa von der Größe Brasiliens erschlossen werden. Der Ökologe und Mikrobiologe Despommier weiß einen anderen Weg. Der führt nach oben.

Andere über ihn …

„Das Ziel heißt, auf der ganzen Welt zuverlässig frische Nahrung zur Verfügung zu stellen. Nach Despommier ist das mit moderner Landwirtschaft nicht möglich. Ihm ist klar, wie teuer seine Idee einer künftigen Ernährung sein würde. Aber er vergleicht die Herausforderung mit der Eroberung des Weltraums.“ (David Runk, AP)

Was sagt er selbst?

„Die Entwicklung von Prototypen ist der wichtigste Schritt, um Fragen der Integration zu lösen und die Idee vom ‚Ver-

„DAS ZIEL HEISST, AUF DER GANZEN WELT ZUVERLÄSSIG FRISCHE NAHRUNG FÜR ALLE ZUR VERFÜGUNG ZU STELLEN.“

tical Farming‘ zu verwirklichen. Aber es ist schwierig, dafür Geld zu bekommen. Dazu brauchen wir die Kooperation von privaten und öffentlichen Investoren. Aber ich bin zuversichtlich, dass dies innerhalb der nächsten sechs Monate oder des nächsten Jahres geschieht.“

Cleverste Idee

An alles zu denken. Despommiers vertikaler Farmscraper benötigt weit weniger Wasser als die herkömmliche Landwirtschaft und kann mitten im Zentrum einer Stadt errichtet werden. Was zur Folge hat, dass weniger Energie für Transport und Kühlung benötigt wird, außerdem etliche neue Jobs geschaffen werden. Und die Stadtbewohner bekommen frische, gesunde Nahrung – unabhängig von Jahreszeit und Wetter.

NATHAN D. WOLFE

Virus-Jäger

Wie schlau?

Ebola, Vogelgrippe, Schweinegrippe: Alle neuen Viren der Gegenwart wurden von Tieren auf Menschen übertragen. Als Gründer und Direktor der Global Viral Forecasting Initiative versucht US-Amerikaner Wolfe, das nächste Virus am „großen Sprung“ zu hindern.

Andere über ihn …

„Die meisten Virologen verbringen ihr Leben in Labors, schauen Dias an, konzentrieren sich auf bestimmte Proteine und oft auf eine einzige Krankheit. Wolfes Leben erinnert eher an das eines Entdeckers im 19. Jahrhundert als an das eines Biologen im 21. Jahrhundert.“ (Michael Specter, The New Yorker)

Was sagt er selbst?

„Was ist der nächste wahrscheinliche Killer von Millionen Menschen: ein Atomkrieg oder ein Virus, das den Sprung von einem Tier auf einen Menschen schafft? Müsste ich morgen in Las Vegas all mein Geld auf diesen nächsten großen Killer setzen, wäre es ein Virus.“

Cleverste Idee

Mobil zu werden. Mit Hilfe eines Stanford-Experten für Mobiltechnologie will Wolfe eine Datenbank entwickeln, mit der er Viren-Trends ähnlich beobachten kann, wie Twitter und Google populäre Themen und Suchen verzeichnen.

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ACTION

MARISSA MAYER

Online-Torwächterin

Wie schlau?

Jeder, der Gmail, Google Earth, Google Maps oder nur das gute alte Google besucht, hat schon Mayers simple Benutzeroberflächen gesehen, die zum Markenzeichen des Online-Giganten geworden sind. Die US-Amerikanerin gehörte zu Googles ersten zwanzig Mitarbeitern, und sie war der erste weibliche Ingenieur in dem Unternehmen. Mit 35 Jahren tauchte sie 2010 als jüngste Lady in der Liste der fünfzig mächtigsten Frauen der Welt im FortuneMagazin auf. Vor wenigen Wochen wechselte sie an die Spitze von Yahoo.

Andere über sie …

„Marissa Mayer ist Innovatorin und Hüterin von Googles Kernprodukt – der Suchmaschine. Sie nimmt jede noch so kleine Veränderung oder Verbesserung dieser Maschine, die für die meisten Menschen ein wichtiger Teil ihres Lebens geworden ist, genau unter die Lupe.“ (Emma Barnett, Redakteurin für digitale Medien, The Telegraph)

„STELLT EUCH EIN TOOL VOR, DAS MEINE ANFRAGE IN JEDE SPRACHE ÜBERSETZT UND DANN ALLE WEBSITES AUF DER WELT ABSUCHT.“ 70

Was sagt sie selbst?

„Stellt euch vor, es gäbe ein Tool in der Suchmaschine, das meine Anfrage in jede Sprache übersetzt und dann alle Websites weltweit absucht. Und dann müsste das Tool die Übersetzungs-Software zwei-, dreimal aktivieren, um nicht nur das Suchergebnis in deiner eigenen Sprache zu präsentieren, sondern jede angeklickte Website vollständig zu übersetzen.“

Cleverste Idee

In die Köpfe der Welt zu schauen. Mayers letztes Projekt werden nun andere fertigstellen, die „kontextbezogene Entdeckung“ – oder wenn man so will: Suche, ohne zu suchen. Der Browser oder das Smartphone registriert, wo sich der User gerade aufhält und schlägt Adressen fürs Dinner vor – noch bevor der User hungrig wird.

SCHLAUER WERDEN, TEIL 1: WECK DEIN GENIE James Bannerman, Autor von „Genius! Deceptively Simple Ways to Become Instantly Smarter“, gibt Tipps für intelligentere Herangehensweisen. Dreh es um

Keiner von uns macht gern Fehler. Aber ein Resultateinfach aus einer anderen Perspektive zu betrachten kann eine schiefgelaufene Sache in einen Vorteil verwandeln. Der Schiefe Turm von Pisa – ein architektonisches Desaster – wurde als Touristenattraktion wiedergeboren. Stan Lee und Jack Kirby, die Väter des Hulk, wollten ihrer unglaublichen Kreatur zunächst die Farbe Grau geben. Probleme beim Drucker wurden später mit maximalem Effekt „umgedreht“.

Bezweifle Offensichtliches

Genies haben schon immer das Offensichtliche angezweifelt. Puppen für Kinder pflegten jahrzehntelang wie Babys auszusehen. 1959 präsentierte die Businessfrau Ruth Handler eine, die anders war. Ihre Barbie war eine Milliarden-Dollar-Idee. 1972 schrieb Lonely Planet die Regeln für Reiseführer neu. 1986 packte Pret A Manger den Geschmack von Paris und New York zwischen zwei Sandwichhälften und bestimmte so nach einer Weile neu, was England zu Mittag isst.

Einfach ist besser

Probleme auf einfachstem Weg zu lösen ist geradezu kennzeichnend für Genies. 1930 schlug der kanadische Ingenieur J. D. Millar vor, eine unterbrochene weiße Linie auf die Mitte der Landstraßen zu pinseln, um die große Zahl von Unfällen zu vermindern. 2011 stellte der britische Schüler Laurence Rook (13) seine Smart Bell vor. Drückt ein Besucher den Klingelknopf an der Tür, so ruft er zugleich ein Mobiltelefon an. Laurence’ Mutter verpasste nie wieder den Briefträger.


ACTION

BEN RATTRAY

Cyber-Organisator Wie schlau?

Der Kalifornier ist Gründer und CEO von change.org, der weltweit am schnellsten wachsenden Website für sozialen Aktivismus. Mit über 14 Millionen Usern verändert diese Plattform für Online-Petitionen die Balance zwischen „kleinen“ Leuten und den weltgrößten Organisationen. Jeden Monat werden weltweit mehr als 1500 neue Kampagnen gestartet.

Andere über ihn …

„change.org spiegelt einen Zeitgeist wider, der auf der Basis des Wunsches nach Veränderung und des Unbehagens an traditionellen Machtstrukturen Menschen mit einer neuen Technologie verbindet wie nie zuvor.“ (Alexandra Topping, The Guardian)

Was sagt er selbst?

„Das ist keine direkte Demokratie. Die Entscheidungsträger müssen weder einverstanden sein noch den Petitionen folgen. Aber anstatt die von ihren Entscheidungen betroffenen Menschen wie bisher zu ignorieren, müssen jene, die die Macht in Händen halten, den Menschen Antworten geben. Das ist für die Demokratie sehr gesund.“

MATT BERG

Simser gegen Krankheiten Wie schlau?

Der in Kamerun geborene Berg hat die MobiltelefonPlattform ChildCount+ entwickelt. Mit Hilfe von SMSNachrichten beobachtet sie Krankheiten und hilft, die Gesundheitsfürsorge für Kinder und Schwangere in Afrika zu verbessern. Bislang profitierten bereits über 100.000 Frauen und Babys von diesem System, das schnelleres Eingreifen und wirksamere Gesundheitsmaßnahmen ermöglicht.

Andere über ihn …

„Durch simple Mobiltelefone und Textnachrichten werden die ‚unsichtbaren‘ Armen und Heimatlosen in Indien und Afrika als Individuen mit Bedürfnissen und Rechten wahrgenommen. So bekommen sie ihren Anteil an gesellschaftlichen Ressourcen.“ (Daniel Braun, National Geographic)

Was sagt er selbst?

„Seit dem Abakus und den ersten Computern stellt uns die Technologie Möglichkeiten zur Verfügung, Dinge besser zu handhaben – Finanzen, Transaktionen, Krankheiten, Menschen. Das Mobiltelefon verspricht diese Handhabung heute fundamental zu verbessern, denn es verbindet sogar die Armen der Welt mit Kommunikationsnetzwerken, die das Sammeln und Teilen von Information erleichtern.“

Cleverste Idee

Präziser zu zielen. Mit den neuesten Upgrades von change.org verfügen Menschen rund um die Welt jetzt über Tools, genau dort ihre Geschichte zu erzählen und ihre Kampagnen zu starten, wo es für sie zählt. Von der Wiedereinstellung eines Lehrers bis zum Problem mit der Müllabfuhr. Dazu gibt es jetzt die Möglichkeit, mit anderen lokalen Bürgern Änderungen anzustoßen, egal wie klein sie sein mögen.

Cleverste Idee

Lokales Talent zu fördern. In Westafrika hat Berg das Rural Technology Lab gegründet, wo Studenten vor Ort lernen, das Gesundheitswesen ihrer Gemeinden zu managen.

„DURCH EINFACHE MOBILTELEFONE WERDEN DIE ‚UNSICHTBAREN‘ ARMEN ALS INDIVIDUEN WAHRGENOMMEN.“ 71


ACTION

SEBASTIAN SEUNG

Gehirn-Karthograph Wie schlau?

Der Amerikaner mit koreanischen Wurzeln hat Computer-Vision-Algorithmen für die Erforschung der Konnektomik entwickelt, also die kartographische Erfassung und Erforschung des Netzwerks von Nervenzellen im Gehirn. Das Konnektom – die Gesamtheit aller Verbindungen im Nervensystem – zu entwirren kommt dem menschlichen Genom-Projekt gleich. Aber während die DNS erklärt, was es bedeutet, Mensch zu sein, glaubt Seung, dass wir anfangen könnten zu verstehen, was es bedeutet, ein Individuum zu sein. Wir müssten nur den Code der hundert Milliarden Nervenzellen knacken. Das ist der Mount Everest der Humanwissenschaften.

Andere über ihn …

„Seine Arbeit könnte eines Tages zum besseren Verständnis von Gedächtnis, Persönlichkeit und Krankheit führen. Momentan folgt Seung nur seiner Neugierde – und ist einer quälenden Frage auf der Spur: Sind wir alle einfach die Summe unserer Konnektome?“ (Matthew Hudson, Wired)

Was sagt er selbst?

„Frag nicht, was das Gehirn für den Computer tun kann. Frag, was der Computer für das Gehirn tun kann.“

Cleverste Idee

Alle um Hilfe zu fragen. Seung lud die Öffentlichkeit ein, auf eyewire.org selbst Nervenzellen „einzufärben“. So hat er die Kartierung des Nervengewebes im Augenhintergrund wesentlich beschleunigen können. Es braucht kein spezielles Training, um die „Verdrahtung“ zu verfolgen, und die User werden im Lauf der Zeit immer besser. Mit anderen Worten: Man wird cleverer.

DONALD SADOWAY

Vordenker für erneuerbare Energien Wie schlau?

Ein Professor am Massachusetts Institute of Technology, dessen Klassen die bestbesuchten in der Geschichte des Instituts sind. Seine Arbeiten mit Flüssigmetallbatterien und geschmolzenem Salz in Energiespeichern könnten die Unterbrechungsproblematik von Quellen erneuerbarer Energie lösen. Einfacher gesagt: Nach Sonnenuntergang und wenn der Wind sich legt, muss eine große, billige Batterie einspringen – wie die von Sadoway.

Andere über ihn …

„Sein Online-TED-Vortrag wurde von über 380.000 Menschen gesehen. Das Thema ‚Flüssigmetallbatterien‘ ist unsexy. Aber der Vortrag ist so unterhaltsam, dass man sich fast schuldig fühlt. Sadoway bietet mehr als Unterhaltung: Er erlaubt einen Blick in die Zukunft der Energieversorgung.“ (Jeffrey Kluger, Time) 72

Was sagt er selbst?

„Stellen Sie sich eine Batterie vor, ungefähr so groß wie ein Kühlschrank, im Keller jedes Hauses. Der Nutzer würde den billigen Strom der frühen Morgenstunden speichern und tagsüber nutzen. Was er abends noch übrig hat, könnte er während der Zeit des größten Bedarfs wieder an das Netz verkaufen.“

Cleverste Idee

Der einzige Experte in seinem Team zu sein. Der Rest der Gruppe besteht aus seinen Studenten. Sadoway betrachtet das als Möglichkeit, das Potential der jungen Leute zu maximieren – genau wie die Studenten das elektrische Potential der Batterien maximieren wollen, an deren Perfektionierung sie arbeiten.


ACTION

EYTHÓR BENDER

Maschinen-Mann Wie schlau?

Als Vorstandsvorsitzener von Ekso Bionics verschiebt der Isländer mit jedem Exoskelett die physischen Grenzen des menschlichen Körpers. Zu seinen neuesten „Robotern zum Überziehen“ gehört der Human Universal Load Carrier, der einen Menschen Lasten von bis zu 100 Kilo stundenlang mühelos tragen lässt. Oder „Ekso Suit“: ein angetriebenes Exoskelett, dank dessen Querschnittgelähmte aus ihrem Rollstuhl aufstehen und gehen können.

Andere über ihn …

„Für einen querschnittgelähmten Patienten ist es ein grausam unerreichbares Ziel, aus eigener Kraft aufzustehen. Gar nicht davon zu reden, einige Schritte zu gehen. Oder besser gesagt: Es war ein grausam unerreichbares Ziel …“ (Alice Park, Time)

Was sagt er selbst?

„Unser Unternehmen steht an einem Scheideweg in der Geschichte der Mobilität. Bis jetzt waren unsere bionischen Exoskelette Apparate, die an Avatare aus der Science-Fiction oder an Roboter erinnerten. Jetzt sind wir an einem Punkt, wo der wissenschaftliche Fortschritt uns befähigt, Träume und Hoffnungen wahr werden zu lassen.“

Cleverste Idee

Menschen und Apparate kommunizieren zu lassen. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz lernen Roboter-Beinprothesen, die Bewegungen des Trägers zu „lesen“ und sein natürliches Gangbild zu simulieren. Berkeley Bionics will eLegs 2013 auf den Heimatmarkt bringen und damit eine neue Ära der Mobilität und Unabhängigkeit für all jene eröffnen, denen eine solche Beweglichkeit aufgrund körperlicher Versehrtheit nicht möglich ist.

ELAINE MARDIS

Krebs-Entschlüsslerin Wie schlau?

Als Co-Direktorin des Genome Institute der Washington University führte Mardis jenes Team an, das 2008 die erste vollständige Sequenz eines Krebs-Genoms, der Gesamtheit seiner Erbinformation, veröffentlichte. Ein Riesenschritt hin zum Verständnis der Mutationen, die diese Krankheit auslösen, hin zu wirksamen Behandlungsmethoden. Derzeit entwickelt die Amerikanerin genetische Profile von Krebsarten, die auf verfügbare Medikamente am besten reagieren.

Andere über sie …

„Durch die Sequenzierung der Genome von Patienten mit myeloischer Leukämie hoffen Mardis und ihre Kollegen, den Ärzten bei der Auswahl der wirksamsten Behandlungsmethoden helfen zu können … Die Sequenzierung könnte den Patienten unnötige Behandlungen ersparen und die Richtung zu effektiveren und zielgerichteteren Therapien vorgeben.“ (Karen Hopkin, The Scientist)

Was sagt sie selbst?

„Sieht man sich heute die größten Genomikunternehmen an – die Anzahl der Beschäftigten und was sie an Instrumenten sowie Reagenzien produzieren –, dann sind wir möglicherweise eines der wenigen US-Unternehmen, die noch etwas von Wert machen. Und neue Wissenschaft betreiben.“

Cleverste Idee

„WIR SIND MIT UNSEREN ROBOTERN AN EINEM PUNKT ANGELANGT, WO DER FORTSCHRITT UNS BEFÄHIGT, TRÄUME WAHR WERDEN ZU LASSEN.“

Die eigenen Grenzen zu erkennen. Mardis überlässt Teil zwei des Krebs-Puzzles – herauszufinden, wie die Mutationen die Krankheit auslösen – den Ärzten, Wissenschaftlern und Spezialisten. So können sie und ihr Team sich darauf konzentrieren, die Bausteine für die nächste Generation von Behandlungen zur Verfügung zu stellen. 73


ACTION

Andere über ihn …

„Carlsen spielte 2004 in den Niederlanden eine brillante Partie. Sein Sieg hinterließ bei mir einen mächtigen Eindruck, und ich nannte ihn den Mozart des Schachspiels. Da war er gerade dreizehn …“ (Lubomír Kaválek, US-Schachgroßmeister und Kolumnist der Washington Post)

Was sagt er selbst?

MAGNUS CARLSEN

Schachwunder Wie schlau?

Der heute 21 Jahre alte norwegische Schachgroßmeister war 2010 die jüngste Nummer eins in der Geschichte der Weltrangliste (und diesen Platz hatte er noch inne, als diese Story entstand). Sein Spitzenergebnis aus diesem Jahr ist das zweitbeste der Schach-Geschichte – knapp hinter Garri Kasparow, der eine Zeitlang als Carlsens persönlicher Coach fungierte.

„Als ich acht war, packte mich die Begeisterung für das Spiel, mit dreizehn wurde ich Großmeister. Das ging sehr schnell und brachte mich auf die Idee, ich könnte wirklich gut werden. Ich denke, ich kann mich so lange konzentrieren, weil ich das Schachspiel so enorm genieße. Aber um während einer langen Partie oder über ein langes Turnier voll konzentriert zu bleiben, muss ich körperlich fit sein und darauf achten, was ich esse.“

Cleverster Zug

Die Welt zu schlagen: Am 10. September 2010 gewann Carlsen die G-Star RAW World Chess Challenge (Carlsen arbeitete für die Marke als Model). Bei dieser Online-Partie gaben drei Schachgroßmeister ihre Empfehlungen für den nächsten Zug gegen Carlsen. Dann stimmten alle Online-Spieler ab. 44 Züge und 2:30 Stunden später gab diese Weltauswahl auf.

SCHLAUER WERDEN, TEIL 2: LEBE EIN KLÜGERES LEBEN

Etwas anderes tun kann unsere Art zu denken verändern – und das muss nicht einmal harte Arbeit sein. Hier vier Aktivitäten, die das Gehirn auf Trab bringenen Steig aufs Motorrad

Japanische Neurowissenschaftler fanden bei regelmäßigen Motorradfahrern verbesserte kognitive Funktionen vor. Biker begehen weniger Fehler bei der Arbeit – was besonders vorteilhaft ist, wenn man zum Beispiel Travis Pastrana heißt.

Videospiele

Bei einer Studie der Iowa State University mit Chirurgen operierten Videospieler um 27 Prozent schneller und machten um 37 Prozent weniger Fehler. Nicht schlecht für ein bisschen „Black Ops“.

AMY B. SMITH

Selbstlose Innovatorin

Prösterchen!

Wie schlau?

Am Massachusetts Institute of Technology entwickelt die Ingenieurin und Dozentin Lowtech-Geräte zum Gebrauch in Entwicklungsländern. Ihre Hammermühle macht unter Zuhilfenahme der Aerodynamik aus Getreide Mehl. Dabei ist sie so simpel, dass jeder Dorfschmied sie bauen kann. Smith hat auch einen Brutkasten patentiert, der ohne Elektrizität auskommt.

Andere über sie …

„Ihre Designphilosophie ist elegant: Sie entwirft simple Geräte für spezielle Aufgaben und baut sie vor Ort.“ (Professor Alex Pentland im Time-Magazin)

Was sagt sie selbst?

„Problemlösungen für Entwicklungsländer müssen mit jenen entwickelt werden, die sie später tatsächlich verwenden werden.“ 74

Cleverste Idee

Den International Developments Design Summit zu organisieren. Produkte dieses Treffens von Denkern sind unter anderem ein netzunabhängiger Kühlschrank für den Gebrauch auf dem Land, ein Gewächshaus aus recyceltem Material und eine fortschrittliche Kühlmethode, die mittels Verdampfung verderbliche Nahrungsmittel länger frisch hält. Das sind sämtlich lebenswichtige Dinge, wenn es darum geht, eine sichere Mahlzeit für den nächsten Tag zu gewährleisten.

Das Journal Neurology berichtet, dass eine „moderate Menge“ Alkohol – ein Glas Wein täglich – die Durchblutung des Gehirns fördert und damit tatsächlich die Leistungsfähigkeit erhöht.

Kaffee und Donuts

Ein Wissenschaftler der Universität Barcelona entdeckte, dass die Kombination von Koffein und Glukose in diesem an sich ziemlich ungesunden Frühstück die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis fördert.


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DIE SINNVOLLE ERFRISCHUNG. • Fermentiertes Kombucha Teegetränk • Zutaten 100 % natürlicher Herkunft • Besonders bekömmlich und kalorienarm


ACTION

ANDRÉ BRIEND

Hungerbändiger Wie schlau?

Der auf Kinder spezialisierte Ernährungswissenschaftler aus Frankreich entwickelte Plumpy’nut: eine protein- und energiereiche Paste, die Weltgesundheitsorganisation und UNICEF für die Behandlung von akuter, schwerer Fehl- und Mangelernährung in Ländern der Dritten Welt einsetzen. Dank zweijähriger Haltbarkeit wird Briends Paste die Bedürftigsten wohl noch eine ganze Weile ernähren.

Andere über ihn …

„Plumpy’nut … ist eine beige Paste, etwa so dick wie Kartoffelpüree und voll mit Milch, Vitaminen und Mineralien. Aber das trifft den Kern der Sache ebenso wenig, als würde man einen Mouton Rothschild von 1945 mit Alkohol angereicherten Traubensaft nennen.“ (Michael Wines, New York Times)

Was sagt er selbst?

JOSEPH E. STIGLITZ

Ökonom, Mahner Wie schlau?

Der US-Ökonom und Nobelpreisträger war Berater von Bill Clinton und Senior Vice President der Weltbank. Mit seinen kontroversen Theorien attackierte er in der Vergangenheit etwa die Globalisierung, die Weltbank oder den Internationalen Währungsfonds. Jetzt agiert er als einsamer Rufer gegen Sparmaßnahmen als einziges Instrument zur finanziellen Erholung.

Andere über ihn …

„Er hat die Asienkrise treffend analysiert und die Blase vorausgesagt, die 2008 ein Chaos anrichtete. Jetzt macht er sich für globale Antworten auf ein ganzes Bündel von Problemen stark, die regional oder national nicht mehr zu lösen sind. Diese globale Sicht der Dinge ist eine elementare Dimension, die der heutigen Wirtschaftspolitik fehlt. Genau sie könnte den Wegen in die Zukunft ihre Richtung geben.“ (Gordon Brown, ehemaliger britischer Premier, in Time) 76

Was sagt er selbst?

„Diese Sparmaßnahmen erinnern mich an mittelalterliche Medizin. An Aderlässe, bei denen Patienten Blut abgezapft wurde, weil man das Vorhandensein böser Säfte vermutete. In den meisten Fällen war der Patient hinterher kränker. Also nahm man ihm noch mehr Blut ab, bis er fast starb. Was da heute in Europa passiert, ist ein Pakt zum gegenseitigen Selbstmord.“

Cleverste Idee

Mit dem Finger auf sich und seine Kollegen zu zeigen. Stiglitz macht kein Hehl aus der Rolle der Ökonomen, die „den Regulatoren bestätigten, dass Märkte reguliert werden können“ – was zu der wirtschaftlichen Lage führte, in der wir uns heute befinden.

„WAS DA HEUTE IN EUROPA PASSIERT, IST EIN PAKT ZUM GEGENSEITIGEN SELBSTMORD.“

„Die Idee kam mir, als ich ein Glas mit Schokoladenaufstrich sah. Der enthielt Proteine, Energie und Fette ungefähr im gleichen Verhältnis, das die WHO für die tägliche Ernährung empfiehlt. Ich musste nur noch das Rezept etwas verändern, indem ich die getrocknete, fettarme Milch durch Erdnussbutter ersetzte. Dadurch können die Kinder die Paste sofort essen, ohne Wasser zuzusetzen.“

Cleverste Idee

Die schlichte Erdnuss zu verwenden: Sehr kalorienreich, bereits kleine Mengen liefern viel Energie. Sie enthält viel Zink und stärkt so Knochen und Immunabwehr. Proteine bauen die Muskeln wieder auf, die durch das Hungern verlorengingen.


DJ M-Live

Wird gesucht in: Zürich Bereits seit: über 12 Jah ren Wegen: Hauptproduzent von pumpenden bässen und rockenden Live-Shows.

DJ AsuCchEtEin: Zürich

05.10.12

5H

Freitag 23 - 0

Rok Klub

se 5

Seidenhofstras

6003 Luzern

11.10.12 Donnerstag 23

- 05H

E CLUB MilGrlanEdSRuIeM 100 1820 Montreux

19.10.12 4H

Freitag 22 - 0

Firehouse sse 57

Amriswilerstra

en 5870 Weinfeld

Wird ge Jahren Bereits seit: 11 ichen Mash bl au gl Un n: Wege Bässen und en ut Up Mixes, la sehens. extremen Gutaus

DJ GREEN Giant

Wird gesucht in: Lau sanne Bereits seit: 20 Jah reN Wegen: Kontrollierte n Scratch-Attacken, int ernationale Beziehungen zu Ice Cube, Cash Money, Public Enemy und Weiteren.

DJ HANDin:SZüriSchOLO

Wird gesucht Bereits seiT: 15 Jahren Wegen: SwissNightLife Award geknackt und diversen Scratch-Attacken.

DJ Slice

Wird gesucht in: Zug Bereits seit: 14 Jah ren Wegen: Kidnapping de s Swiss Club-DJ Battle Poka l und extrem gefährlichen Mix-Tapes.

LEE DJ VINCt in:Z GEN F

Wird gesuch Bereits seit: 15 JAHREN und Wegen: Partner in Crime . ess Str von DJ r offizielle

Welcher Local Hero in welchem Club mit diesen nationalen Stars der Hip Hop Szene auflegen darf, erfährst du unter:

www.redbullmostwanted.ch


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Inhalt 80 REISE-TIPP China: Wandern am Abgrund 82 MONEYBROTHER Das Tour-Tagebuch 84 Get THE GEAR Kajak-Profi Rafa Ortiz 86 TRAINING Maria Tsiartsiani 88 NIGHTLIFE Out Now: Daphni/ Skaten bei Nacht/ Club Moondoo/Cocktail: Touch Down/ Take 3: Pet Shop Boys/Nightsnack: Pav Bhaji 92 TOP-SPOTS 94 SAVE THE DATE 95 KAINRATH 96 RED BULL TV-FENSTER bei ServusTV

Bild: Graeme Murray/Red Bull Content Pool

98 KOLUMNE mit Christian Ankowitsch

Rafael Ortiz ist KajakProfi. Wenn er beruflich unterwegs ist, sieht das so aus. Beim Equipment ist er berechtigterweise wählerisch, mehr ab Seite 84.


MORE BODY & MIND

AUF UND DAVON DER REISE-TIPP DES MONATS

Steilway to Heaven

HUA SHAN, CHINA. Wer den heiligen Berg mit seinen fünf Gipfeln bezwingen will, sollte seine Höhenangst zu Hause lassen. Zwölf Tipps zum Wandern am Abgrund.

1 Reiseziel Der Hua Shan, Spitzname:

„steilster Berg unter dem Himmel“, zählt zu Chinas fünf heiligen taoistischen Bergen. Seit 2000 Jahren erklimmen Pilger seine engen Pfade, heute wandern Touristen an den gezackten Felswänden entlang. Was sie anzieht? Eine einmalige Mischung aus Adrenalin und Ausblick.

2 Lage Ausgangspunkt für die Reise

zum Hua-Shan-Berg ist die 120 Kilometer westlich gelegene 8-Millionen-Stadt Xi’an in der Provinz Shaanxi. Dank der berühmten Terrakotta-Armee und ihrer Lage an der östlichen Seidenstraße zieht

Peking

Xian

80

die Stadt jedes Jahr hunderttausende Touristen aus aller Welt an. Viele davon reisen für eine Wandertour zum Hua Shan weiter.

3 Termin Vermeiden Sie die chinesi-

schen Nationalfeiertage von 1. bis 3. Mai und 1. bis 7. Oktober. Dann tummeln sich noch mehr Besucher am Berg als sonst. Die beste Reisezeit ist von März bis Mai und von September bis Oktober.

4 Anfahrt Der Hochgeschwindigkeits-

zug Xi’an–Zhengzhou schafft die Strecke von Xi’ans North Railway Station zum Hua Shan in 30 Minuten. Vom Endbahnhof verkehren grüne Busse direkt zum Parkplatz am Fuß des Bergs. Die Touristenbuslinie 1 fährt jeden Morgen um acht Uhr vom Bahnhof Xi’an Richtung Hua Shan, die Reisedauer beträgt drei Stunden. Eine Fahrt im Taxi dauert 90 Minuten.

5 Ausrüstung Auch wenn im Tal angeHua Shan Shanghai

CHINA

Cliffside Plank Path am Hua-Shan-Berg: „Besucher beten für eine gute Rückkehr.“

nehme Temperaturen herrschen: Auf über 2000 Metern warten Schnee, Eis und starker Wind auf die Besucher. Die Temperatur auf den Wanderwegen beträgt selten mehr als sieben Grad. Mehrschichtige

Kleidung wird empfohlen. Auf jeden Fall mitbringen: Regenmantel, Taschenlampe und Handschuhe, um sich an den Eisenketten entlang der Stege festzuklammern. Außerdem: genügend Wasser und Verpflegung. Teehäuser sind nie da, wenn man sie gerade braucht.

6 Start Besorgen Sie sich einen Zwei-

Tage-Eintrittspass und ein Ticket für die 1500 Meter lange Seilbahn – es sei denn, Sie wollen sechs bis acht Stunden bergauf wandern, um den Tour-Startpunkt am Nordgipfel zu erreichen. Eine Zusatzversicherung kann am Parkplatz abgeschlossen werden – ein kleiner Vorgeschmack darauf, was Sie am Berg erwartet. Steile Aussicht: 1000-MeterAbgrund am Hua-Shan-Pfad


Versicherungen können vor der Tour am Parkplatz abgeschlossen werden. 7 Aussicht Mit seinen Pinienwäldern

und markanten Felsen erinnert der Hua Shan an die fliegenden Berge aus James Camerons „Avatar“. Wer über die Steinwege wandert, kommt an Tempeln, Aussichtspunkten und Teehäusern vorbei. Hinweisschilder erleichtern die Orientierung. Aber Achtung: Manche Abschnitte sind steil, rutschig und von schroffen Kliffs begrenzt.

Balanceakt: Lieferanten versorgen die Gipfel-Hotels mit Proviant. Als Transportmittel dient die Bambusstange.

geschlossen haben. Die Wünsche der Menschen sollen so an das Schicksal des Berges gekettet werden. Wer möchte, kann Schlösser vor Ort erstehen und nach Wunsch gravieren lassen.

10 Der Cliffside Plank Path Auf einem Berg voller waghalsiger Wanderwege der mit Abstand gefährlichste Abschnitt. Changkong zhandao, der „weite Himmels-Bretterweg“, besteht aus zwei dünnen Holzbrettern, die an einer vertikalen Felswand entlangführen. Darunter geht’s tausend Meter in den Abgrund. Für eine kleine Gebühr bekommt man einen Klettergurt umgeschnallt. Während man sich am Fels festklammert und sich den Elementen ausliefert, beginnen die Knie zu schlottern. Wer möchte, kann am Ende des Steges bei einem kleinen Tao-Tempel für eine sichere Rückkehr beten. Die größte Gefahr am Holzpfad: zu viele Menschen. Denn: Zum Überholen muss man den Sicherheitsgurt von der Leine lösen. Nehmen Sie sich also genügend Zeit, genießen Sie die Aussicht und kommunizieren Sie mit Gleichgesinnten in der universellen Sprache der Angst.

Diese Eisenleiter führt zum Cliffside Plank Path. Dort beginnt der Spaß erst richtig.

TEXT & BILDER: ROBIN ESROCK

8 Die fünf Gipfel Wer das volle Pro-

gramm möchte, kann alle fünf Gipfel in einer schleifenförmigen 8-Stunden-Route abwandern. Die Nordspitze wird „Wolkenterrassengipfel“ genannt, man erreicht sie über das Ear-Rubbing-Kliff. Der mittlere Gipfel im Zentrum des Berges beherbergt den sehenswerten Jade-MaidenTempel. Am Westgipfel säumen Felsen mit Gravuren den Weg, die wie Lotusblüten aussehen. Mit 2160 Metern ragt der Südgipfel höher als alle anderen heiligen Gipfel Chinas empor. Und den Ostgipfel besteigt man besten kurz vor der Dämmerung, um den berühmten dottergelben Sonnenaufgang zu genießen.

9 Der Gold Lock Pass Um die vier anderen Gipfel von der Seilbahn-Endstation am Nordgipfel aus zu erreichen, muss man den „Grat des Schwarzen Drachen“

11 Essen Snacks, Kuchen, Nudeln, Wasser und Soft Drinks werden entlang der Wanderpfade in kleinen Läden und Teehäusern verkauft. Die Hotels servieren einfache chinesische Küche.

Von oben: Schlösser am Gold Lock Pass; der Nordgipfel; Schneetempel am Hua Shan

überqueren. Wer glaubt, die steilen Steintreppen seien schwieriges Wanderterrain, wird über die Arbeiter staunen, die hier schwere Kisten auf Bambusstäben zu den Hotels schleppen. Nach einem kurzen Fußmarsch erreicht man den Gold Lock Pass, der seinen Namen tausenden Vorhangschlössern verdankt, die Besucher um die Eisenketten entlang der Felswände

12 Schlafen Sechs rustikale Hotels sowie einige Herbergen liegen verstreut in der Nähe der fünf Gipfel. Zur Ausstattung gehören Gemeinschaftstoiletten, begrenzt verfügbares Warmwasser und fragwürdig gereinigte Handtücher. Wer lieber warm duscht: Das Lotus Flower Hotel liegt nur einen Kilometer vom Parkplatz entfernt und bietet komfortable Suiten. Unser Autor am Hua-Shan-Berg. Robin Esrocks Reisevideo unter: bit.ly/mount-hua

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MORE BODY & MIND

MEXIKANISCHER ROCKABILLY UND GRAM PARSONS’ STERBEZIMMER

„IN CHICAGO WURDE DER GRUNDSTEIN GELEGT“

LOS ANGELES, USA

„In Nirvana-Produzent Steve Albinis Studio nahmen wir das Grundgerüst für die Platte auf. Der Mann ist ein Genie, es war eine Ehre, mit ihm zu arbeiten.“

CHICAGO, USA

„Für einen Schweden ist Autofahren in Kalifornien ein spirituelles Erlebnis. Die Häuser sind niedrig, weshalb der Himmel immer weit ist. Vor den Aufnahmen fuhren wir in die Wüste, nach Joshua Tree, dem stillsten Ort auf der Welt. Wir wohnten in dem Hotel, in dem Gram Parsons 1973 gestorben war. Der Musiker ist einer meiner Helden, deshalb mietete ich mich in seinem Sterbezimmer ein. Im Studio nahm ich einen Song mit der RockabillyBand The Rhythm Shakers auf. Deren Sängerin Marlene, eine Mexikanerin, ist die coolste Braut unter der Sonne.“ In Los Angeles aufgenommen: „Unbelievably Good“

AUF DEN SPUREN VON BOB MARLEY: „DAMN, IT’S GOOD!“ KINGSTON, JAMAIKA

ALBUM DES MONATS FRISCHKOST AM PLATTENTELLER

Die Welt ist eine Scheibe MONEYBROTHER. Er ist der erste Musiker, der eine Platte auf vier Kontinenten aufgenommen hat: hier das Tour-Tagebuch.

Im Mai 2010 brach Anders Wendin alias Moneybrother auf. Mit einer kühnen Idee: Als erster Musiker wollte er ein Album auf vier Kontinenten aufnehmen – in nur zwei Monaten. Red Bull stellte dem Schweden dabei seine Studios weltweit zur Ver„This Is Where Life Is“ fügung. „Ich will den Menschen beim Hören das Gefühl geben, dass sie selbst auf Reisen sind“, sagt Wendin. Das Resultat ist ein schillerndes Patchwork-Album, oszillierend zwischen räudigem Rock ’n’ Roll, Soul und Klängen aus aller Welt. „This Is Where Life Is“ ist bereits erschienen. Konzerttermine auf: www.moneybrother.net

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„Als Normalsterblicher kann man nicht in Bob Marleys legendärem Tuff-GongStudio aufnehmen, das ist der Familie vorbehalten. Aber wie durch ein Wunder konnte mir ein Freund dort eine Aufnahmesession vermitteln. Mitten in der Nacht. Es war unheimlich heiß. Ich war also in dieser kleinen Kammer, umringt von Leuten, die sangen und rauchten. Ich bat sie, während meiner Aufnahme kurz leise zu sein, aber keine Chance. War aber gut so, die Atmosphäre war toll. Auf der Platte kannst du Leute im Hintergrund mitsingen hören, einer sagt sogar: ‚Yeah man, damn, it’s good!‘“ Der Jamaika-Jam des Albums: „Start a Fire“

„DON’T TAKE NO FUCKING PICTURES!“ RIO DE JANEIRO, BRASILIEN „Das Red Bull Studio Rio liegt inmitten einer Favela, eingebettet in ein Kulturzentrum namens Afro Reggae. Ein raues Pflaster: Ich wollte ein Foto machen, doch gerade als ich meine Kamera zückte, stürzten sich drei Kerle auf mich: ‚Don’t take no fucking pictures!‘ Was mich an den Favelas fasziniert: Die Menschen haben nichts. Aber Selbstmitleid? Nichts da. Diese Jungs haben Stolz. In dem Afro-Reggae-Zentrum gibt’s ehemalige Drogendealer, die Theatergruppen organisieren. Unglaublich! Ich habe dort unter anderem mit Marcos Suzano gearbeitet, einem der besten Percussionisten der Welt. Die Trommeln auf der Platte, sie stammen alle von ihm.“ Der Rio-Anspieltipp: „In the Nighttime“

1

CHICAGO

2

LOS ANGELES 4

KINGSTON

RIO DE JANEIRO

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MORE BODY & MIND

„UND DER FEINSCHLIFF ERFOLGTE DAHEIM“

„LONDON IST DIE DRITTGRÖSSTE STADT SCHWEDENS“

STOCKHOLM, SCHWEDEN

LONDON, GROSSBRITANNIEN

„Nach acht Wochen kamen wir wieder zu Hause an. Mit vielen Erinnerungen und noch mehr Aufnahmematerial, aus dem mein Produzent und ich in langer Arbeit schließlich das Album formten.“

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„London ist Schwedens drittgrößte Stadt. Nach Stockholm und Göteborg gibt’s nirgends so viel Schweden wie in der britischen Hauptstadt. Darunter auch viele meiner Freunde. Mit einigen war ich nachts im Stadtviertel Soho trinken, mit anderen im Rough Trade einkaufen – einem der besten Plattenläden der Welt. Noch immer im Jamaika-Fieber, habe ich mich mit alten Reggae-Platten eingedeckt. Später traf ich die schwedische Sängerin Cornelia im Studio. Ihre Stimme ist einzigartig, klingt ein bisschen babyartig, so wie Lykke Li, ich liebe ihren Stil.“

STOCKHOLM

Der Track aus London: „I Can Shake It“

5

LONDON

AUCKLAND 6

7

KAPSTADT

„ER SPIELTE HARMONIEN, WIE ICH SIE NOCH NIE GEHÖRT HATTE“

BILDER: BENIAMINO BARRESE

KAPSTADT, SÜDAFRIKA „Am ersten Tag jammte ich mit einem jungen Gitarristen. Sein Spiel war unglaublich. Wenn du in Schweden einem Gitarristen sagst, er soll ein Solo spielen, dann klingt das meistens nach Keith Richards. Er allerdings holte aus seinem Instrument Harmonien raus, die ich noch nie gehört hatte. Ähnlich war’s mit den drei Gospel-Sängerinnen. Die nahmen mit mir ihren ersten Rocksong auf! Nach dem Studiotag fragte ich nach ihren Familien. ‚Als Sängerinnen können wir uns keine Kinder leisten, wir haben uns für die Musik entschieden‘, sagten sie. Meinereins beschwert sich gern über zu viele Interviewtermine. Ein Scherz angesichts solcher Hingabe.“ Nachzuhören am Album: „Bombarded in Rio“

„LUST AUF EINE ORGIE?“ – „SPÄTER VIELLEICHT.“ AUCKLAND, NEUSEELAND „Mit einem talentierten Saxophonisten nahmen wir hier alle Bläser des Albums auf. Danach wagte ich einen kleinen Road-Trip. Eines Nachts blieb mein Auto in einer Grube stecken. Zum Glück war’s nicht weit bis zum nächsten Haus. Das ältere Paar dort bot mir an, über Nacht zu bleiben. Wir tranken und sangen in der Stube. Es war lustig, bis mich die beiden fragten, ob ich Bock auf eine Orgie hätte. Ich war perplex und druckste herum: ‚Später vielleicht.‘ Zum Glück schlief die Gattin nach dem nächsten Drink ein. Beim Frühstück war alles wieder normal, kein Wort von dem unmoralischen Angebot. Was für eine tolle Abschlussnacht!“ Die Ode an die Orgie: „Jealousy“

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Kajak-Profi Rafa Ortiz: „Steckt dein Boot im Fels fest, holst du deinen Flaschenzug.“

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MORE BODY & MIND

WildwasserWerkzeug

GET THE GEAR DIE AUSRÜSTUNG DER PROFIS

Der mexikanische Kajak-Profi Rafa Ortiz bezwingt Stromschnellen von Peru bis Indien. Wie man am Wasser Leben rettet und Expeditionen ohne Unterwäsche durchhält, erklärt er hier. 21 1. Geradschaftpaddel von Werner Über Wasserfälle paddle ich mit diesem Modell. Warum? Weil es niemals bricht.

Wasseroberfläche schwimmt. Wenn du jemanden bergen musst, wirfst du den Sack, und der Betreffende kann sich ans Seil hängen.

14. Schlafmatte Fürs weiche Liegen. Außerdem hab ich immer einen Biwacksack dabei, als Hülle für den Schlafsack.

2. NRS-Trockenanzug Die Latexdichtungen halten das Wasser draußen. Du könntest Hemd und Krawatte unter diesem Anzug tragen – und nach dem Paddeln trocken ins Büro spazieren.

9. NRS-Pin-Kit Eine starke Strömung kann dein Kajak zwischen Felsen oder Bäumen einkeilen. Von Hand bekommst du es da nicht mehr raus. Du musst mit deinen Gurten einen Flaschenzug einrichten und das Boot bergen.

15. Wasserfilter Weil, wichtig: Nicht jeder Fluss führt Trinkwasser!

3. Astral-Schwimmweste Mit einer klobigen Weste kannst du nicht paddeln. Diese hier lässt Schulterpartien und Arme frei.

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4. „Lucky Charm“-Spritzdecke von Immersion Research Vielleicht der wichtigste Ausrüstungsgegenstand: Die Spritzdecke wird über die Sitzöffnung des Kajaks gestülpt und hält das Wasser draußen. Dieses Modell sitzt selbst bei hohem Wasserdruck perfekt.

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5. Red Bull-Helm mit GoPro-HD-Hero2-Kamera Helm und GoPro trage ich immer. Die Kamera ist kleiner als eine Faust und knipst Bilder in Magazin-Qualität. An ihrer Rückseite ist ein Schwimmkissen montiert.

TEXT: RUTH MORGAN. BILD: GREGORY ALLEN

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6. Wasserschuhe Modell „Brewer“ von Astral Diese Prototypen an meinen Füßen haben hunderte Löcher, durch die das Wasser abfließen kann.

„Warum dieses Paddel? Weil es nie bricht!“ 10. Zeltplane Diese Plane habe ich in Indien gekauft. Du kannst auch Hightech-Planen verwenden. Aber die hier kostet einen Dollar und hat mich schon in vielen Nächten vor dem Regen geschützt. 11. Daunen-Schlafsack von Mountain Hardwear Für die wirklich kalten Nächte. Die Fütterung hält warm, und der Schlafsack lässt sich klein zusammenpacken.

7. NRS-Ellbogenschutz Wer schon mal gegen Felsen geknallt ist, weiß, warum …

12. Kochtöpfe Stammen ebenfalls aus Indien. Man kann sie ineinanderstecken. Sie haben die richtige Größe fürs Kochen am Lagerfeuer – Feuer machen wir ziemlich oft, weil es nach dem Paddeln wärmt.

8. NRS-Wurfsack Zählt zur Grundausrüstung. Im Sack steckt ein starkes 20-Meter-Seil, das auf der

13. Gaskocher Ich liebe dieses Teil. Es passt perfekt auf meine Gaskartuschen.

16. Dry Bags Die Taschen halten mein Equipment im Kajak trocken. Durch ein Röhrchen kann man Luft hineinblasen und sie schwimmfähig machen, falls der Spritzschutz doch einmal aufgeht. 17. Erste-Hilfe-Set Das Wichtigste in einer wasserdichten Box. 18. Verpflegung Vor längeren Expeditionen kaufen wir auf lokalen Märkten ein. Pasta ist trocken, superleicht und schnell zu kochen. Der DosenThunfisch versorgt uns mit genügend Protein. 19. T-Shirt und Fleecehose von Nike Meine Schlafklamotten. Das ist alles, was ich brauche – keine Unterwäsche, keinen zusätzlichen Luxus 20. Volkswagen Eurovan 2006 Mit diesem Van befahre ich ganz Amerika – von Patagonien bis Kanada. Die Stereoanlage ist der Wahnsinn! 21. Villain-S-Kajak von Jackson Dieses Modell ist schnell und hält dich hoch über Wasser, damit du Hindernissen ausweichen kannst. Mein Kajak ist kein Spielzeug, hier geht’s um meinen Lebensunterhalt. www.rafaortiz.com

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MORE BODY & MIND

Automatisiert. Im Training wirft sich Beachvolleyballerin Maria Tsiartsiani tausende Male in den Sand.

Beachgirl

WORK OUT

In den vier Vorbereitungsmonaten eignet sich Tsiartsiani die physischen und technischen Voraussetzungen an, um für die lange Saison (endet nach sieben Monaten im Oktober in Thailand) gerüstet zu sein.

TRAINIEREN WIE DIE PROFIS

13–14 Uhr Physiotherapie zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens, zur Entspannung bzw. zur Behandlung körperlicher Probleme. 17–18:30 Uhr Fitnesseinheit für den Unterkörper. Kräftigung der Beinmuskulatur mit Gewichten. Übungen mit SwissBall, Bosu-Ball und TRX-System.

MARIA TSIARTSIANI. Wie schafft man es auch bei miesem Wetter zweimal nach Olympia und aufs Podest der Europameisterschaften? Ganz einfach: Üben, üben, üben … unter allen Bedingungen.

Sonnenschein, blauer Himmel über weißem Sand, ebenso gut gelaunte wie gebaute junge Menschen … das ist Beachvolleyball. Auch. Aber Beachvolleyball kann auch heißen: dunkle Wolken, eisiger Wind, Regen. Und alles andere als gute Laune. „Viele Menschen ahnen gar nicht, dass wir sehr oft bei Bedingungen spielen, die mit den Klischees unseres Sports rein gar nichts Maria Tsiartsiani zu tun haben“, sagt Vizeeuropameisterin Maria Tsiartsiani, 31. „Aber viele Turniere finden in Nordeuropa statt, und dort sind auch die Sommer oft regnerisch und kühl.“ Wie bereitet man sich als Athenerin auf Temperaturen unter 20 Grad Celsius vor? „Sobald es windig oder nass ist, rausgehen, um zu trainieren!“, sagt sie. „Aber wir sind trotzdem froh, dass wir bei Temperaturen unter 15 Grad in langen, elastischen Hosen und Tops spielen dürfen. Abgesagt wird ein Match erst bei sintflutartigen Regenfällen mit Blitz und Donner.“ Zwischen Dezember und März werden die Weichen für die kommende Saison gestellt. „In diesen Monaten gibt es kaum einen Tag, an dem wir nicht an unserem Spiel arbeiten.“ Dabei wird jede Bewegung so lange wiederholt, bis sie völlig unbewusst abläuft. Auf dem Programm steht aber auch Video-„Spionage“: „Manchmal studiere ich auch Videomaterial von technisch perfekten Spielerinnen und schaue mir manche ihrer Moves ab.“ 86

MONTAG 11–13 Uhr Einzel-Videostudium mit dem Coach: Analyse von anderen TourSpielerinnen und Aufnahmen vergangener Trainingseinheiten. Danach Techniktraining auf dem Court. 13:30–14:30 Uhr Mittagessen: nach langen Einheiten so früh wie möglich – proteinund kohlehydratreich, um die Muskeln optimal zu versorgen. 16–18 Uhr Fitnesseinheit für den Oberkörper, Training der Schultern mit leichten Gewichten, um die Beweglichkeit zu erhalten. Übungen mit dem Swiss-Ball, Bosu-Ball (halber Swiss-Ball) oder dem TRX-Suspension-System, um Balance und Koordination zu fördern. DIENSTAG 10–12 Uhr Teameinheit auf dem Court. Arbeiten an Schwächen und Taktik, Erlernen neuer Spielzüge.

MITTWOCH 11–13 Uhr Einzeltraining auf dem Platz, Arbeiten an spielerischen Defiziten und neuen Techniken. 17–19 Uhr Teamtraining auf dem Court mit Coach.

DONNERSTAG 10–12 Uhr Gemeinsames Videostudium, Analyse der letzten Trainingseinheiten und Besprechung von Problemfeldern. 14–16 Uhr Fitnesstraining: Fokus Oberkörper. FREITAG 11–13 Uhr Einzeltraining (Court) 14–15 Uhr Physiotherapie 17–19 Uhr Fitnesseinheit: Unterkörper sowie Kardiotraining (Laufen oder Radfahren). SAMSTAG 10–12 Uhr Teameinheit auf dem Court. Wir spielen gegen Männer unserer Körpergröße, da es in Griechenland kein anderes vergleichbares Damen-Duo gibt. SONNTAG Erholung, bevor eine weitere harte Trainingswoche beginnt.

Interne Kommunikation.

www.fivb.org

TEXT: RUTH MORGAN. BILDER: FLO HAGENA/RED BULL CONTENT POOL, DPPIMAGES, SAMO VIDIC/RED BULL CONTENT POOL

Immer am Ball


KÜNSTLERISCHE LEITUNG: CHRISTOPH HAGEL

CHOREOGRAPHIE: VARTAN BASSIL

KLASSIK TRIFFT BREAKDANCE DIE BREAKDANCE-WELTMEISTER FLYING STEPS TANZEN ZUM WOHLTEMPERIERTEN KLAVIER VON JOHANN SEBASTIAN BACH

DIE WELTTOURNEE MACHT HALT IN DER SCHWEIZ 29.11. – 02.12. OPER LAUSANNE 05. – 08.12. KKL LUZERN TICKETS UNTER WWW.REDBULLFLYINGBACH.CH


MORE BODY & MIND

Nightlife Die Macht der Nacht

ACTION

Skaten bei Nacht HOT SPOTS: Überall dort, wo es tagsüber zu heiß ist. Skater von Barcelona bis Los Angeles flüchten vor der Hitze in die lauen Nächte. TO DO’S: Flutlicht kann Sonnenlicht nicht ersetzen. Also geht man’s bei Nacht auf den Obstacles generell gemütlicher an. NICHT ERWISCHEN LASSEN: beim „Generator-Skaten“ auf den Dächern von US-Highschools oder beim „Skitchen“ (= sich an Autos anhängen) in New York NEUHEIT: Im Oktober eröffnet in Brüssel der von Koo Jeong-A designte erste im Dunkeln leuchtende (um genau zu sein: grün phosphoreszierende) Skatepark.

„Jiaolong“ von Daphni erscheint am 16. Oktober. www.caribou.fm

OUT NOW

Dan geht genial fremd Dan Snaith. Über Clubmusik und chinesische Wasserdrachen: Der Künstler „hintergeht“ seine Band Caribou und veröffentlicht als Daphni ein räudiggeniales House-Album. Dan Snaith ist ein beschäftigter Mann: Mit seiner Psychedelic-Pop-Band Caribou tourt er seit Sommer als Vorband von Radiohead durch die Welt. Daneben legt der 34-jährige Kanadier als DJ an der Seite seines Kollegen Four Tet auf – und hat außerdem ein frisches Album am Start: Als Daphni produziert Snaith neuerdings verspielte House-Tracks mit Afro-Percussions und seltsamen Synthesizer-Sounds. Elektronische Tanzmusik für Leute, denen Tanzmusik sonst zu stumpf ist. Denn was Snaith als Musiker immer auszeichnet: Er experimentiert,

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klingt anders, überrascht sein Publikum. Egal ob im Konzertraum oder im Club. Wie wurdest du zu Daphni? Seit Jahren bastle ich so nebenbei clubtaugliche Stücke für meine DJSets. Irgendwann hatte ich dann ziemlich viele davon. Und weil sie anders klangen als die Songs, die ich als Caribou schreibe, legte ich mir ein zweites Pseudonym zu. Was fasziniert dich an strikter Tanzmusik? Sie ist unmittelbar, sie überrascht mich. Als Produzent wie als Clubbesucher. Im Vergleich zu meinen CaribouSongs gehen mir meine Stücke als Daphni schnell von der Hand. Binnen Minuten programmiere ich einen Groove, der mich packt. Als Tänzer ist das ähnlich: Plötzlich legt der DJ einen Track auf, und es geht mit dir durch. Was bedeutet der Plattentitel „Jiaolong“? Ich schnappte den Titel in den Nachrichten auf. Als Name eines U-Boots. Ursprünglich bezeichnet „Jiaolong“ aber eine Kreatur der chinesischen Mythologie: einen Wasserdrachen, der seine Gestalt verändern kann. Ich fand das sehr passend für mein Nebenprojekt.

NIGHT QUOTE

„Wer sagt, die Nacht ist zum Schlafen da? “ Marilyn Monroe


COCKTAIL

Touch Down Der Drink des Monats ist ein exotischer Cocktail auf Wodkabasis und zuallererst optisch ein Erlebnis: Denn schon bei der Zubereitung sorgt die beigemengte Grenadine für einen aufregenden Farbverlauf im Glas. Geschmacklich kommt der Touch Down fruchtig-süß daher, ein Schuss Zitronensaft verleiht ihm angenehme Frische – in der Mayday Bar im Hangar-7 serviert man diesen Klassiker mit polnischem Büffelgraswodka (Grasovka). www.hangar-7.com

CLUB DES MONATS

TEXT: FLORIAN OBKIRCHER. BILDER: NITASHA KAPOOR, PHILIPP SCHUSTER, EVA NAPP (4), FOTOSTUDIO EISENHUT & MAYER

MOONDOO Reeperbahn 136, 20359 Hamburg, Deutschland www.moondoo.de

CLUB

Zwischen Schund und Glamour Moondoo, St. Pauli. Was verbindet nackte Reiterinnen, die Beatles und Afrika Bambaataa? Sie alle traten bereits an Hamburgs erster Groove-Adresse auf. Eure Club-Idee ist … … Schubladendenken zu überwinden. Wir orientieren uns am New Yorker Nachtleben der späten siebziger Jahre. Als Punks, Hip-Hopper und andere Gruppen gemeinsam feierten. Euren Standort habt ihr gewählt …

ZUTATEN 4 cl Grasovka 2 cl Apricot Brandy 8 cl Maracujasaft 3 cl fr. Orangensaft 1 cl fr. Zitronensaft 1 cl Grenadine Styling: Kirsche, Ananas …

ZUBEREITUNG Zutaten (außer Grenadine) mit Eiswürfeln im Shaker gut schütteln. Den Drink durch ein Barsieb in ein Cocktailglas mit Eiswürfeln abseihen. Dann die Grenadine vorsichtig (Farbeffekt!) über den Drink kippen.

… weil die Reeperbahn der kulturelle Schmelztiegel Hamburgs ist. Ein belebtes Pflaster mit speziellem Flair zwischen Schund und Glamour. Von außen sieht der Club aus … … wie die Kulisse eines Harry-PotterFilms. Nach dem Krieg hieß der Club „Hippodrom“, weil nackte Tänzerinnen auf Pferden durch die Arena ritten. In den Sechzigern spielten die Beatles hier einige ihrer ersten Konzerte, eine Zeitlang lebten sie am Dachboden. Danach stand der Laden lange leer. Wir bauten den Club um, um etwas ganz Neues zu schaffen. Ihr wählt eure DJs aus … … nach Qualität, nicht nach Genres: Bands wie Parov Stelar oder Crazy P, DJs wie Munk. Wenn der Groove Genres überwindet, ist er bei uns richtig. Die verrückteste Nacht hattet ihr … … als Kate Nash spontan ein DJ-Set hinlegte. Oder als Afrika Bambaataa mit einer lokalen Funk-Band jammte. Hier sind viele Nächte verrückt. Die Hauptsache ist: Alle haben Spaß. Interview mit Alex Kulick, Club-Booker

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MORE BODY & MIND

NIGHTSNACK

CENTRE POMPIDOU (Paris) Neil Tennant: 1977 fuhr ich nach Paris, um mir das Centre Pompidou anzusehen. Es war das erste Gebäude überhaupt, das mich emotional bewegte. Und das tut es heute noch. Zunächst wurde das Projekt von den Parisern verdammt, sobald es aber fertig war, von allen geliebt. Ironischerweise stammt der Bau von Renzo Piano, den ich seit seinem Entwurf von The Shard in London für einen architektonischen Schwerverbrecher halte.

TAKE 3

„Tadao Ando ist ein Genie!“ Pet Shop Boys. Die britischen Pop-Titanen beeinflussten Scharen von Elektronik-Bands. Hier sprechen sie über das, was sie selbst am meisten inspiriert: Architektur. Seit dreißig Jahren sind sie im Geschäft – und noch immer klingen die Pet Shop Boys frischer als die meisten Jungmusiker. Weil Neil Tennant und Chris Lowe seit ihren frühen Hits wie „West End Girls“ oder „It’s a Sin“ den Zeitgeist stets im Auge haben. Perfektes Sounddesign und großen Melodien, cleveres Image und feiner Humor. Diese Attribute zeichnen auch das neue Album aus: „Elysium“ ist ein Synthesizer-schwangeres Meisterwerk mit leicht souliger Grundnote und dicken Bässen. Ein zynisch zwinkerndes Album über das Altern als Popstar. Über das Ende der Party, über den Umzug aufs Land. Steht denn das Ende der Karriere kurz bevor? „Keine Sorge“, sagt Tennant. „Aber ehrlich: Auch ohne Popmusik wäre uns nicht langweilig.“ Stimmt. Sie haben Musicals und Ballett-Musik geschrieben, Modetrends kreiert und mit Stararchitekten wie Zaha Hadid kollaboriert. Gebäude seien überhaupt seine größte Inspirationsquelle, sagt Lowe, der vor der Musikkarriere selber Architektur studierte. Die Pet Shop Boys über japanischen Minimalismus und Gehry’sche Titanium-Träume.

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TADAO ANDO: SICHTBETON-HÄUSER (Tokio) Chris Lowe: Manche halten sie kahle Betonbunker, für mich sind Ando-Bauten die schönsten Objekte der Welt. Seine Architektur ist minimal, zugleich aber extrem detailreich. Genau wie ein guter Pet-Shop-BoysSong. Ando ist ein Genie, wenn es um Raum und Licht geht. Ich habe mir schon Land gekauft, um ein Ando-artiges Haus darauf zu bauen, fand aber noch keine Zeit dafür. Die Musik hält mich zu sehr auf Trab.

WALT DISNEY CONCERT HALL (Los Angeles) Tennant: Ich bin ein Fan von Frank Gehry. Nimm das Guggenheim Museum in Bilbao oder die Walt Disney Concert Hall in L. A. – seine Gebäude erinnern mich in an russisch-orthodoxe Kathedralen. Weil sie im Licht glitzern wie die Türme des Kremls in Moskau. Das liegt am Material: Titanium. Es verleiht Gehrys Gebäuden diese Magie und Großzügigkeit. Wenn man seine Häuser hören könnte, ich wäre der Erste, der dazu tanzt.

Mumbai: Pav Bhaji Rund um die Uhr prägt ein Gemüsecurry die Snack-Kultur der indischen Megacity.

WARUM PAV BHAJI SO HEISST Bhaji ist ein traditionelles Gemüsecurry; das Wort Pav für Brot gelangte aus Europa nach Indien, und zwar zu Vasco da Gamas Zeiten. Auf portugiesisch heißt Brot nämlich Pão. WOHER KOMMT PAV BHAJI? Klingt auf den ersten Blick nicht unbedingt appetitlich, aber Pav Bhaji ist aus großer Not entstanden. Im Bombay der Mitte des 19. Jahrhunderts sammelten Textilarbeiter in den Elendsvierteln Gemüseabfälle, zerkochten sie und würzten die Masse, um sie wieder einigermaßen genießbar zu machen, mit reichlich Curry. Bloß das Brot dazu war in Ordnung – und ziemlich billig.


Text: klaus kamolz. Bilder: Perou, picturedesk.com (3), hiromitsu Morimoto, Fotostudio Eisenhut & Mayer

das Grundrezept Die Basis von Pav Bhaji sind zerdrückte Kartoffeln, die mit geschnittenen Tomaten vermischt werden. Dazu kommen Zwiebeln, Karotten, Erbsen, grüne Chilis, Karfiol und die Gewürzmischung Pav Bhaji Masala. An den Straßenständen wird das Gemüse in riesigen flachen Pfannen gebraten und – mit Koriander, Zwiebelwürfeln und Butter obendrauf – mit Brot gereicht. Butter ist in der indischen Küche sehr wichtig; eine Grundzutat für zahlreiche Gerichte ist Ghee, das indische Butterschmalz.

Der Siegeszug Pav Bhaji schmeckte bald nicht nur den mittellosen Proletariern und überwand schnell die Grenzen der Armenviertel. Die Palette spezieller Pav Bhaji Masalas, also Gewürzmischungen zur Herstellung von Instant-Varianten, ist in Indien mittlerweile unüberschaubar. Edlere Varianten werden in Flugzeugen und Hotels serviert – etwa solche mit Bananen, Trockenfrüchten, Pilzen oder Käse. Zum Schluss wird das Curry dann oft noch mit Nüssen bestreut.

Die Hotspots Pav Bhaji gibt es in Mumbai 24 Stunden am Tag. Die Epizentren mit den gewaltigen Pfannen ­befinden sich in der Nähe von Bahnhöfen, wo eine Portion Curry mit einem Stück Brot, das eng aneinandergeschlichtet in Formen gebacken und dann auseinandergebrochen wird, schon um umgerechnet 20 Cent zu haben ist. Aber Pav Bhaji ist auch eine gute Grundlage, um in Spirituosen-Shops zu überleben, dort ist es oft die letzte feste Nahrung einer langen Nacht.

Pav & Bollywood Der Snack spielt natürlich auch in Bollywood-Filmen eine Rolle, nämlich dann, wenn im üblichen Plot – Kennenlernen, Streiten, Singen, Tanzen, Lieben – einer der Hauptdarsteller einen PavStand oder ein Restaurant betreibt. Die abgöttisch verehrten Bollywood-Stars treten mit ihren Rezepten auch in Koch-Shows auf. Und die „Times of India“ ­verleiht den Titel „Pav Wow“ für besonders gelungene Rezepte. In der Jury: Bollywood-Lieblinge, wer sonst?

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Top Events

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Oktober 2012

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Landet Levi Sherwood oben auf dem Podest?

6. 10., COCKATOO ISLAND, SYDNEY HARBOUR, AUSTRALIEN

Red Bull X-Fighters World Tour Spannung ist garantiert! Im sechsten und letzten Tourstopp der spektakulären FreestyleMotocross-Serie kommt es zwischen den beiden Jungstars Levi Sherwood und Thomas Pagès zum Showdown um den Titel. Der 20-jährige Neuseeländer und der 24-jährige Franzose liegen im Gesamtklassement mit 235 Punkten ex aequo an der Spitze. Es ist ein Duell der Philosophien: Während Madrid-Sieger Sherwood auf Backflips in seinem Repertoire setzt, verzichtet München-Champion Pagès gänzlich auf RückwärtsSalti, punktet allerdings durch ungemein schwierige Tricks wie den „Flair“ oder den „Volt“.

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1. – 4. 11., MISSION HILLS GOLF CLUB, SHENZHEN, CHINA

WGC-HSBC Champions Anfang November steigt nahe Hongkong im mit zwölf (!) 18-Loch-Parcours größten Golfresort der Welt das letzte der vier World-Golf-ChampionshipsTurniere (2013 kommt mit Südafrikas Tournament of Hope ein fünftes hinzu). Gespielt wird auf dem 7320 Yards (ca. 6693 m) langen, von welligen Fairways und 151 Bunkern geprägten Olazabal-Kurs. Die Weltelite ist unter sich: Teilnahmeberechtigt sind maximal 78 handverlesene Spieler, darunter die Gewinner der Majors und der Players Championships, sowie die Sieger der 23 wichtigsten Turniere der PGA bzw. European Tour.

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4 Rekordsieger beim World-Tour-Finale: Roger Federer 4. 11., NEW YORK, USA

28. 10., BUDDH INTERNATIONAL CIRCUIT, UTTAR PRADESH, INDIEN

New York Marathon

Formel-1-GP von Indien vier Millionen Kubikmeter Erde wur2 Gewaltige den für die Errichtung des Buddh International Circuit bewegt. Passagen mit acht Prozent Gefälle und zehn Prozent Steigung machen den 5,125 Kilometer langen, hügeligen Kurs zur „Achterbahn“, wie Sebastian Vettel befand. Im Vorjahr kam der amtierende Weltmeister bei der Indien-Premiere mit der anspruchsvollen und schnellen Strecke (Top-Speed jenseits der 320 km/h) am besten zurecht und fuhr einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg ein.

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Der seit 1970 (damals mit gerade einmal 127 Teilnehmern) ausgetragene große MarathonKlassiker zählt neben Chicago, Boston, London und Berlin zu den World Marathon Majors. Mittlerweile werden die rund 47.000 Startplätze aufgrund des enormen Andrangs von Läufern aus aller Welt in einer Lotterie vergeben. Die anspruchsvolle Strecke ist kein Rundkurs, sondern führt von Staten Island über Brooklyn, Queens und die Bronx bis nach Manhattan. Im Vorjahr stellte der Kenianer Geoffrey Kiprono Mutai mit 2:05:05 Stunden einen neuen Streckenrekord auf.

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42,195 Kilometer durch den Big Apple

BILDER: DANIEL GRUND/RED BULL CONTENT POOL, GETTY IMAGES (2), PAUL DE BERJEOIS, PICTUREDESK.COM, ANÍTA ELDJÁRN

Sport

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Es gibt Kohlenlauf statt Fleisch, Alkohol & Nikotin 15. – 23. 10., PHUKET, THAILAND 11. – 14. 10., LONDON, GROSSBRITANNIEN

Vegetarian Festival

Oktober lädt das renommierte Kunst7 Jeden magazin „Frieze“ die 170 spannendsten Galeristen und Aussteller aus über 30 Ländern nach London, um den Regent’s Park vier Tage lang in ein Mekka für Kenner zeitgenössischer Kunst zu verwandeln. Bei der Eröffnung tummeln sich Stars wie David Bowie und Claudia Schiffer, in den Folgetagen stürmen 70.000 Besucher die Messehalle und den Skulpturen-Park.

Als die Mitglieder einer chinesischen Theatergruppe vor 200 Jahren auf Phuket an Malaria erkrankten, ernährten sie sich, um die Götter gnädig zu stimmen, in der Folge rein vegetarisch – und wurden wieder gesund. Seither feiert man auf Phuket das Vegetarier-Fest. Ohne Alkohol und Nikotin, dafür mit bunten Umzügen, fruchtigen Köstlichkeiten und Ritualen, bei denen sich manche Gläubige Metallgegenstände durch die Wangen stechen. Eine Feier der Gesundheit und des Geistes – allerdings nichts für schwache Nerven.

Frieze Art Fair

5. – 12. 11., O2 ARENA, LONDON

ATP World Tour Finals Das ATP-Tour-Finale gilt neben den vier GrandSlam-Turnieren als wichtigster Event der Herren-Profi-Tour. Bei der inoffiziellen Tennis-Weltmeisterschaft dürfen nur noch die besten acht Spieler des Jahres starten. Favoriten sind die üblichen Verdächtigen: Novak Djokovic (Sieger 2008), Olympiasieger Andy Murray und Rafael Nadal, dem dieser Titel noch fehlt. Aber allen voran: Roger Federer. Im Vorjahr gewann der Schweizer im 100. Endspiel seiner Karriere gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga mit 6:3, 6:7 und 6:3, holte damit seinen sechsten Sieg bei diesem Turnier und überflügelte die bisherigen Rekordhalter Pete Sampras und Ivan Lendl (je fünf Titel).

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The Albuquerque International Balloon Fiesta Die Nackenstarre ist unvermeidlich: Beim größten Heißluftballon-Festival der Welt verwandeln über 750 gasgefüllte Flugobjekte den Wüstenhimmel über New Mexico in ein Farbenmeer. Grinsende Tiergesichter, Riesenfußbälle, Luftschlösser – vor den Augen von 100.000 Besuchern messen sich die weltbesten Hobbypiloten in puncto Kreativität. Außerdem gibt’s Ziel- und Langflugstreckenwettbewerbe, beim „Glowdeo“ werden die Ballone mit Propanbrennern erleuchtet und gen Nachthimmel geschickt.

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31. 10. – 4. 11., REYKJAVÍK, ISLAND

Iceland Airwaves Kindness, I Break Horses und Sin Fang: das sind Namen, die man sich merken sollte. Denn diese drei Bands treten im Oktober beim Iceland Airwaves auf. Das Festival ist weltbekannt für seinen guten Riecher. Stars wie The Bravery oder The Rapture gaben, jeweils kurz vor ihrem internationalen Durchbruch, in Reykjavík ihr Debüt vor großem Publikum. In diesem Jahr konzertieren über 150 vielversprechende Jungbands in den etlichen Bars und Clubs der Stadt, als Headliner glänzen die Lokalmatadore Sigur Rós.

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Kultur 6. – 14. 10., ALBUQUERQUE (NEW MEXICO), USA

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10 Farbenprächtig: Ballon-Festival in Albuquerque 13./14. 10., SAN FRANCISCO, USA

Treasure Island Music Festival Ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit, bietet das Festival einen Null-Emissions-Shuttlebus über die Bay Bridge zum Festivalgelände. Was doppelt gut ist, denn die Parkmöglichkeiten auf der idyllischen Insel in der San Francisco Bay sind ohnehin sehr limitiert. Das Programm zwischen Indie-Rock (The xx, Best Coast, M83), Hip-Hop (Public Enemy, AraabMuzik) und Clubsounds (Girl Talk, SBTRKT) ist hingegen so opulent wie großartig.

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Ortsbekannt: Airwaves-Headliner Sigur Rós

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Save the Date Oktober 2012 19. OKTOBER, FRI-SON, FRIBOURG

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24. OKTOBER, KASERNE, BASEL 25. OKTOBER, EXIL, ZÜRICH

Sizarr

Vor nicht allzu langer Zeit spielten sie Coverversionen am Dorf-Weinfest ihrer Eltern. Heute wird das Trio als „Next Big Thing“ des deutschen Indie-Rock gefeiert. Der US-Kult-Band Animal Collective nicht unähnlich, vermählen Sizarr auf ihrem Debütalbum „Psycho Boy Happy“ elektronische Musik mit Afrobeat und Rock und überzeugten im Sommer bereits auf renommierten Festivals wie Sónar und Melt!. Im Rahmen einer ausgedehnten Clubtour beehrt das Trio nun die Schweiz für zwei Auftritte. 20. OKTOBER, SALZHAUS, WINTERTHUR

Swiss Rappers Charity Night

Unter dem Motto „Musiker hilft Musiker“ versammelt sich die Schweizer Hip-Hopund Rap-Elite in Winterthur zu einem musikalischen Grossereignis: Gut ein Dutzend nationaler Acts wie Fratelli-B, Phumaso & Smack, Webba, C.mEE (Bild) oder Snook heizen Ende Oktober im Salzhaus ein und greifen jungen Nachwuchsrappern mit dem Ticketerlös unter die Arme. Übrigens: Welche Songs die Künstler am Event performen, darf die Fanbase zuvor selbst bestimmen, mittels OnlineVoting auf der Event-Website: www.swissrapperscharitynight.ch

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In die Riemen! Wassersprint in Luzerns historischem Kern 13. OKTOBER, LUZERN

Reuss–Sprint Es ist wahrscheinlich das ungewöhnlichste und ganz sicher das hautnächste Ruderrennen der Schweiz: zwei Achterboote im Sprint-Duell über gerade mal 180 Meter – was rund 20 Ruderschlägen entspricht – vor einer beeindruckenden Zuschauerkulisse mitten in Luzerns Altstadt. Sechzehn Schweizer Achtermannschaften (Kategorien: Junioren, Frauen, Männer) sind beim Reuss-Sprint dabei und rudern im K.-o.-System um den Tagessieg. Näher als bei dieser Einladungsregatta kommt man Spitzenruderern nie – egal ob man nun den Start von der Reussbrücke (ungewöhnliche Perspektive!) verfolgen, die ganze Rennstrecke vom (nahen) Ufer der Reuss überblicken oder lieber vom Rathaussteg den Siegern zujubeln will: Die Perspektive entscheidet jeder Ruder-Fan – bei freiem Eintritt – für sich selbst. www.reusssprint.ch

4. NOVEMBER, AN MEHREREN ORTEN

Swiss Ice Hockey Day

Als Eishockeyfest wird der erste November-Sonntag in der ganzen Schweiz gefeiert: Am Swiss Ice Hockey Day können Kinder (Altersfokus: fünf bis zwölf Jahre) auf mehr als siebzig Schweizer Eisbahnen kostenlos Eishockeyluft schnuppern. Ob Stationenparcours, Spiele auf dem Eis oder das erste Match – Anfänger sind willkommen, für Betreuung sorgen mitunter sogar Stars: In der Basler Arena etwa gibt es Tipps für die Kleinen von den Profis der EHC Basel Sharks. Apropos Basel: Um 16 Uhr findet in der Arena

Red Bull Crashed Ice: Runde eins in Basel

der erste Qualifier für das Red Bull Crashed Ice-Finale in Lausanne (2. März 2013) statt. Modus: Rundenfahrten auf Zeit, danach harte Ausscheidungsrennen im 4-Mann-Bewerb. Info und Veranstaltungsorte auf: www.swissicehockeyday.ch

BILDER: RUDERCLUB REUSS LUZERN, JOHANNES DIBOKY, RUEDI FLACK/RED BULL CONTENT POOL

Frankreichs heisseste Rap-Newcomer sind Nostalgiker: Mit Name und Sound huldigen 1995 der, wie sie meinen, spannendsten Phase des französischen Hip-Hop. Und das mit durchschlagendem Erfolg. Das sechsköpfige Pariser Kollektiv sorgt mit seinem „von der Positivität und Spontaneität der 90er Jahre“ inspirierten Old-School-Sound für Millionen YouTube-Klicks und über Wochen ausverkaufte Konzerthallen in Frankreich – und nun für einen Pflichttermin im legendären Club Fri-Son.


K A I N R AT H S K A L E N D E R B L AT T

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VOLLES PROGRAMM Das Red Bull TV-Fenster bei ServusTV: Jede Menge Action auf Ihrem Bildschirm. www.servustv.com

SONNTAG, AB 7. OKTOBER, 16.55 UHR

Red Bull Tops Dieses Mal geht es nach ganz oben: auf den Mount Washington, zum Freeclimbing in die Dolomiten und im Wingsuit über die Schweizer Alpen.

Bullit – The Magazine Eintönige Formate waren gestern, „Bullit – The Magazine“ ist heute. In unserer neuen Sendung nehmen wir Sie mit auf eine Reise, die spannender nicht sein könnte. Ob backstage bei den größten Festivals der Welt, unterwegs mit faszinierenden Persönlichkeiten oder mitten in der Natur – hier kommt jeder Zuseher auf seine Kosten.

SAMSTAG, 13. OKTOBER, 11.05 UHR

Red Bull Cliff Diving: Oman Beim Finale der Red Bull Cliff Diving World Series 2012 im Sultanat Oman gilt’s: Kann Gary Hunt den führenden Orlando Duque noch abfangen?

SONNTAG, 28. OKTOBER, 22.40 UHR

Home – Wo wir zu Hause sind FREITAG, 26. OKTOBER, 0.15 UHR

Red Bull Cold Rush 2012 Beim Red Bull Cold Rush messen sich die 22 besten Freeskier der Welt miteinander. Jury gibt es keine – denn die Rider bewerten sich gegenseitig.

So sind Sie im Bild 96

Über vier Milliarden Jahre herrschte auf der Erde ein sensibles, aber stabiles Gleichgewicht. Nur wenige Jahrhunderte brauchte der Mensch, um dieses Gleichgewicht durcheinanderzubringen. Regisseur Yann Arthus-Bertrands Dokumentation führt den Zuschauer nicht nur in 50 verschiedene Länder, sondern zeigt auch, was die Menschheit verlieren wird, wenn sie nicht beginnt, den Planeten zu schützen. Sie finden ServusTV mit dem Red Bull TV-Fenster nicht auf Ihrem Fernsehgerät? Rat und Hilfe zum Nulltarif unter

0800 100 30 70

BILDER: MATHIAS KNIEPEISS/RED BULL CONTENT POOL, ROMINA AMATO/RED BULL CONTENT POOL, BRYAN RALPH/RED BULL CONTENT POOL, HOME DOKU

SAMSTAG, AB 6. OKTOBER, 9.20 UHR


PROMOTION

MUST-HAVES! 1 BONFIRE PENDLETON PDX SHIRT Durch die in diesem Jahr eingegangene Kooperation mit den „Pendleton Wool Mills, USA“ entstand dieses coole und trendige PDX Shirt. Das limitierte Shirt, welches es in zwei Farben gibt, ist im Sportfachhandel zum Preis von CHF 360.– erhältlich.

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www.bonfiresnowboarding.com 2 DJ-PULT FÜR KATZEN Besser an den Turntables scratchen als am Teppichboden kratzen! Diese ScratchTurntables aus Karton von SuckUK kommen mit drehbarer Kratzmatte und Tonarm und sind leicht verstaubar. Denn, zugegeben, ein Kratzbaum passt nicht zu jeder Einrichtung. Total cooles Gadget für moderne Katzen! Offizieller Verkaufspreis: CHF 24.95

www.enjoymedia.ch 3 FANTASIE Schon Albert Einstein beteuerte: „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“ Recht hatte er, finden wir. Deshalb ist die Fantasie ein absolutes Must-Have. Die Vorteile: Fantasie kostet nichts, sie kennt keine Grenzen und kann sehr viel Freude bereiten, wenn man sie gekonnt einsetzt. Fantasie ist größer als Raum und Zeit, sie ist unerschöpflich, und deshalb muss an ihr auch niemals gespart werden.

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www.redbulletin.ch

SALOMON SNOWBOARDS HOLOGRAM-BINDUNG Die Neuheit auf dem Snowboard-Markt heißt „SHADOW FIT“. Die HologramBindung ermöglicht eine perfekte Passform für jeden Snowboard-Boot. Sie wird dich bestimmt an eine gute Welle auf deinem Surfboard erinnern! Diese Top-Bindung erhältst du beim Sportfachhandel zum Preis von CHF 360.–. 4

FANTASIE

www.salomonsnowboards.com 5 WINGS FOR LIFE RED COLLECTION Der limitierte Red Calendar 2013 von Wings for Life besticht durch atemberaubende Sport- und Landschaftsaufnahmen international renommierter Fotografen. Passend dazu bietet die gemeinnützige Stiftung mit dem Red Book erstmalig auch ein schönes Notizbuch an. Die Reinerlöse fließen zu hundert Prozent in aussichtsreiche Forschungsprojekte zur Heilung von Querschnittslähmung.

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www.redbullshop.com/wingsforlife

SUPEROCEAN CHRONOGRAPH M2000 Der erste bis 2 000 Meter wasserdichte und in dieser Tiefe funktionstüchtige Chronograph. Breitling hat eine neue Meisterin im Tiefseetauchen mit einem exklusiven magnetischen Drückersystem kreiert. Bei dieser patentierten Vorrichtung erfolgt die Chronographenbedienung über das Metall des Gehäuses. So kann die Superocean Chronograph M2000 bis in die fabelhafte Wassertiefe von 2 000 Metern benutzt werden, ohne dass Wasser in sie eindringt. Verkaufspreis: CHF 4 610.– 6

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www.breitling.com


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ein, das soll kein weiterer dieser Texte werden, in denen ein allwissend auftretender Autor erklärt, was in unseren Schulen und Unis alles schiefgeht. Ich will mich auf eine kleine Empfehlung beschränken, worauf man im Unterricht der Zukunft ein wenig mehr achten sollte. Aber urteilen Sie selbst, ob das alles plausibel klingt. Wenn ich es richtig sehe, dann geht es in unseren Schulen und Unis vor allem darum, den Schülern und Studenten eine möglichst große Menge an Wissen in die Köpfe zu füllen. Dafür gibt es ausgeklügelte Stunden- und Lehrpläne. Und am Abend kommen alle müde nach Hause und essen erst mal ein Butterbrot. Das ist alles sehr sinnvoll. Denn die Kleinen sollen lesen lernen und die Großen unverständliches Fachzeugs, das uns alle weiterbringt. Ich habe aber dennoch den Eindruck, dass ein zentrales Lehrfach fehlt. Es sollte „Herzensbildung“ heißen; wem das zu romantisch klingt, der kann es auch „Emotionstraining“ nennen, mir egal, Hauptsache, es wird was draus. Denn Gefühle für sich und andere zu entwickeln ist von existentieller Wichtigkeit für ein gedeihliches Zusammenleben hier auf Erden. Wie existentiell, kann man anhand all jener Personen studieren, denen genau diese Fähigkeit fehlt. Den „Psychopathen“, wie sie von der einschlägigen Forschung genannt werden. Der kanadische Psychologe Robert Hare gilt als unbestrittener Spezialist für alle dementsprechenden Fragen. Und beschreibt die Psychopathen ganz anders, als wir sie uns vorstellen. Unser Bild wird von Krimis und Thrillern bestimmt: So sehen wir, wenn wir „Psychopath“ hören, dämonisch grinsende Irre vor uns, die rauben, morden und quälen, vollkommen unberechenbar sind und einem schon aus 50 Meter Entfernung Angst einjagen.

Ankowitschs Kolumne belebt Körper und Geist

Fühlen lernen Die Welt ist ziemlich mitgenommen. Unser Autor hätte da eine Idee, was man dagegen tun könnte.

Vollkommen falsch, dieses Bild. Denn Psychopathen sind weder irre noch dämonisch, noch auf 50 Meter furchteinflößend. Ganz im Gegenteil: Viele Menschen, die an diesem Defekt leiden, bewegen sich unbemerkt durch unsere Gesellschaft. Denn sie sind oft intelligent und rational, wissen also genau Bescheid, was sie tun dürfen und was nicht. Und sie können sogar die Welt aus den Augen ihrer Mitmenschen sehen und diese in dem Glauben bestärken, sie fühlten mit ihnen.

Ihr Innenleben hat nur einen einzigen Konstruktionsfehler: Psychopathen können Gefühle wie Zuneigung und Furcht nur sehr vermindert oder gar nicht empfinden. Was zum Problem werden kann, denn die Fähigkeit zum Mitgefühl, „Empathie“ genannt, regelt unser Verhalten. So werden klassisch gestrickte Menschen niemanden quälen, weil ihnen der Anblick eines leidenden Menschen das Herz zerreißt; und sie werden pfleglich mit der Welt umgehen, weil ihnen die nächste Generation am Herzen liegt. Wer hingegen weder für sich noch für andere etwas fühlt, der hat freie Bahn – zumindest was seine inneren Kontrollmechanismen anlangt. Der wird seine Ziele unbeeinträchtigt vom bremsenden Mitgefühl realisieren können. Welche Ziele das genau sind und wie radikal die Betroffenen sie verfolgen, das hängt von den konkreten Umständen ab: wie stark die psychische Störung ist und in welchem Umfeld der Betroffene aufwächst und lebt. Im schlimmsten Fall wird der Betroffene kriminell, im besten zum „erfolgreichen Psychopathen“, wie das Robert Hare nennt. Also zum bewunderten Chirurgen, dem es im entscheidenden Moment gelingt, Mitgefühle auszublenden, um sich ganz auf seine Aufgabe konzentrieren zu können: einem anderen das Leben zu retten. Womit wir wieder bei meinem kleinen Vorschlag gelandet wären, der Herzensbildung. Es wird jedem einleuchten, dass wir sie brauchen – wenn schon nicht rational, dann emotional. Was aufs selbe rauskommt. Ich habe zumindest das Gefühl, dass es so ist. Christian Ankowitsch, 53, ist ein österreichischer Journalist, Schriftsteller und Lebenshelfer. Er lebt mit seiner Familie in Berlin. Sein neuestes Buch „Mach’s falsch, und du machst es richtig“ ist bei Rowohlt erschienen.

THE RED BULLETIN Schweiz: Herausgeber und Verleger Red Bull Media House GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Alexander Macheck (Stv.) General Manager Mag. Alexander Koppel Verlagsleitung Franz Renkin Creative Director Erik Turek Art Director Kasimir Reimann Fotodirektion Fritz Schuster Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitender Redakteur Werner Jessner Redaktion Ulrich Corazza, Florian Obkircher, Arkadiusz Pia˛tek, Andreas Rottenschlager Mitarbeiter Stefan Wagner Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Silvia Druml, Miles English, Kevin Goll, Peter Jaunig, Carita Najewitz Fotoredaktion Ellen Haas, Catherine Shaw, Rudi Übelhör Senior Illustrator Dietmar Kainrath Autor Christian Ankowitsch Illustratoren Albert Exergian, Mandy Fischer Corporate Publishing Boro Petric (Ltg.); Christoph Rietner, Nadja James (CR); Dominik Uhl (AD); Markus Kucˇera (FD); Lisa Blazek (Red.); Christian Graf-Simpson, Daniel Kudernatsch (iPad) Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Karsten Lehmann, Josef Mühlbacher Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher (Ltg.), Walter Sádaba Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Finanzen Siegmar Hofstetter, Simone Mihalits Marketing & Country Management Barbara Kaiser (Ltg.), Stefan Ebner, Nicole Glaser, Klaus Pleninger, Elisabeth Salcher, Lukas Scharmbacher, Peter Schiffer, Julia Schweikhardt, Sara Varming Anzeigenverkauf Alfred Vrej Minassian (Ltg.), Thomas Hutterer, Romana Müller; anzeigen@at.redbulletin.com Anzeigendisposition Sabrina Schneider O∞ce Management Anna Jankovic (Ltg.), Manuela Geßlbauer IT Michael Thaler Firmensitz Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@ at.redbulletin.com Web www.redbulletin.com Erscheinungsweise Das Red Bulletin erscheint monatlich als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen – in Österreich: Kleine Zeitung, Kurier, Die Presse, Salzburger Nachrichten, Der Standard, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten. Deutschland: Leipziger Volkszeitung und Vertrieb an Hochschulen. Nordirland: Sunday Life. Irland: The Irish Times. Frankreich: L’Équipe. Südafrika: Independent on Saturday, Saturday Star, Weekend Argus. Neuseeland: The New Zealand Herald. Kuwait: Kuwait Times. Mexiko: Milenio Diario. Schweiz und Großbritannien: alternativer Vertrieb. In den USA: New York Daily News, Chicago Tribune, LA Times, Houston Chronicle. Gesamtauflage 3,1 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com

DIE NÄCHSTE AUSGABE DES RED BULLETIN ERSCHEINT AM 6. NOVEMBER 2012. 98

ILLUSTRATION: ALBERT EXERGIAN

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