50 YEARS OF PASSION.
BERUF: FISCH
Pierre Frolla ist ein monegassischer Frei taucher und dreifacher Weltrekordhalter im Free Immersion. Das Feature über Dates mit Walen, Krokodilen und Haien: ab Seite 50.
DEIN GAST, DAS GEFÜHL WILLKOMMEN
Erst Anpfff, dann Angriff – am 20. November beginnt die Fussball-WM; und die könnte für Noah Okafor zum ganz grossen Spielplatz werden. In der vergangenen Saison gewann der Offensiv-Mann das Double mit dem FC Red Bull Salzburg, debütierte in der Champions League und trug massgeblich zur WM-Quali fkation unserer Nati bei. Was ihn so stark machte? Talent sei wichtig. «Aber du musst dir immer den Spass bewah ren an dem, was du tust. Dann stehen dir viele Chancen offen», philosophiert der 22-Jährige ab Seite 40. Emotionen sind auch das Erfolgsrezept von Mams (Seite 56). Der Hip-Hop-Tänzer tanzt nur, was er fühlt – und will so das Red Bull Dance Your Style World Final in Johannesburg gewinnen.
Oscarpreisträgerin Anne Hathaway wiederum postu liert auf Seite 38, dass jedes unserer Gefühle ein Gast sei, den wir respektieren sollten. Lassen wir also auf den kommenden Seiten die Freude einkehren! Bei allem Respekt.
Gute Unterhaltung mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion
Quentin Tarantino, Christoph Waltz: Der Wiener Wahlberliner
Peter Rigaud knipst nur die Grossen. Seine Bilder unseres Cover-Helden Noah Okafor ab Seite 40.
1965erstand Che Guevara in Irland ein silbernes Feuerzeug. Die Flam me der Revolution? Noch heisser. Ant wort auf Seite 16.
KINDERGEBURTSTAG?!
Der ewige Teen-Star Miley Cyrus wird 30. Ihr bewegtes Leben in Zahlen auf Seite 14.
INHALT
COVERSTORY
40 SPIEL DES LEBENS
Fussballstar Noah Okafor ist unsere WM-Hoffnung. Doch sein wichtigstes Spiel bestritt er bereits vor 14 Jahren.
PORTFOLIO
22 HEISS AUF WEISS
Der Action-Fotograf Adam Clark zeigt uns seine spektakulärsten Freeski-Fotos.
KUNST
34 INES ALPHA
Die Software-Künstlerin setzt uns dreidimensionale Oktopus-Tentakel aufs Gesicht.
36 ROLAND EMMERICH
Der Filmemacher über swipende Ehemänner und Mozarts „Zauberföte“
FILM
38 ANNE HATHAWAY
Der Hollywoodstar über Kindererziehung – und das Versteck für ihren Oscar
50 DER FISCH - FLÜSTERER
Pierre Frolla taucht ohne Sauerstoff-Flasche, tanzt mit Walen und streichelt Haie.
DANCE 56 TANZ DES TITANEN
In der Schweiz ist Mams eine Legende. Jetzt will der Tänzer die Welt erobern.
BIKING 64 BENZINSCHWESTERN
Irene Kotnik überrollt MachoKlischees – und gründete die Bike-Community Petrolettes.
G UIDE
Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen
73 REISEN. In die Wüste mit RallyeAss Cyril Despres
78 BIOHACKING. Food-Fotografie fördert das Gedächtnis. Wirklich!
80 UHREN. Wir nehmen uns Zeit –und zwar ans Handgelenk.
86 LESESTOFF. US-Autor Kevin Hearne bringt die Götter zum Lachen.
88 KALENDER. Diese Events solltest du auf keinen Fall verpassen.
89 PLAYLIST. Was hört Timothy B. Schmit von den Eagles?
90 TIPPS & TRENDS. Mit besten Empfehlungen der Redaktion
92 BOULEVARD DER HELDEN. Michael Köhlmeier über die Wiener Physikerin Lise Meitner
DER AUFSTIEG Mamadou Kalombo alias Mams tanzt in Südafrika gegen die Welt-Elite.
Die Welt steht kopf
Es hatte den ganzen Nachmittag geregnet. Doch kurz vor Sonnenuntergang riss es auf, und plötzlich war der Platz in der kolumbianischen Hauptstadt in magisches Licht gehüllt. Und dazu noch die malerischen Lacken! Wenn du da als Fotograf die Gunst des Augenblicks nutzt, dann gelingt ein Bild nicht von dieser Welt: Skateboarder Luis Molano taucht ab in ein Paralleluniversum oder so. Es gibt aber eine ganz einfache Er klärung für das paranormale Phänomen: Drehen Sie das Heft einfach um. kevinmolanoph.com; redbullillume.com
DrehMoment
Auf dem Shikotsu-See in der japanischen Kleinstadt Chitose südlich von Sapporo findet jedes Jahr ein Eis-Festival statt. Da geht es um all die schönen Sachen, die man mit Wasser in diesem Aggregat zustand anstellen kann, zum Beispiel Eis-Skulpturen bauen oder Schlittschuh laufen. Man kann freilich auch einen Salto mit dem Fahrrad hinlegen, der aussieht wie gemalt. Dazu müsste man allerdings ein Trick-Biker wie Tomomi Nishikubo sein.
Instagram: @kentarawmatsuda; redbullillume.com
Alarmstufe Infrarot
Die Sutherland Falls im kanadischen Teil der Rocky Mountains sind ein Sehnsuchtsziel für erfahrene Kajakfahrer – wie in diesem Fall den Kanadier Benny Clark: Wer den wilden Ritt über den 14 Meter hohen Wasserfall bewältigt, kann sich mit Recht zu den Meistern dieses Sports zählen. Und wer von so einer Aktion ein meisterhaftes Foto machen will, der lässt sich an dem schon Millionen Mal fotografierten Punkt etwas Besonderes einfallen: Daniel Stewart zum Beispiel griff zur Infrarotkamera. danielstewartphoto.com; redbullillume.com
Hannah Moneytana
Disney-Kinderstar, freizügiges Covergirl, schwerreiche Pop-Queen: Miley Cyrus zelebriert am 23. November ihren Dreissiger – 182 Millionen Fans und ein Glücksschwein feiern mit.
änderte sie ihren Vornamen offiziell von Destiny Hope zu Miley Ray – Miley ist die Kurzform ihres Spitznamens Smiley.
Episoden der Disney-TV-Serie «Hannah Montana» legten von 2006 bis 2011 den Grundstein für Mileys Weltkarriere.
Monate war Miley mit dem Schauspieler Liam Hemsworth verheiratet, mit dem sie 2010 den Film «The Last Song» gedreht hatte.
Hunde, drei Katzen, zwei Pferde und ein Hausschwein namens Puddles besitzt die tierliebende Miley derzeit.
Wochen führte «Some Gave All» (mit dem Hit «Achy Breaky Heart») von Papa Billy Ray Cyrus 1992 die US-Charts an – bis heute Rekord für ein Debüt-Album.
Grammys gewann ihre Paten tante Dolly Parton («Jolene»), Miley hat noch keinen.
Millionen Fans folgen Miley auf Instagram –Rang 20 im weltweiten Follower-Ranking.
Jahre alt war Miley bei ihrem Kino-Debüt in Tim Burtons «Big Fish»; davor war sie in der TV-Serie «Doc» zu sehen.
Millionen Dollar hat Miley bis zu ihrem 18. Geburtstag verdient.
ihrer sechs veröffentlichten Studio-Alben erreichten Platz 1 in den US-Charts.
Hektar gross war die Farm bei Nashville, Tennessee, auf der sie mit fünf Geschwistern aufwuchs.
Accessoires umfasst eine rein vegane Produktpalette, die Miley 2018 gemeinsam mit der Modemarke Converse auf den Markt brachte.
Der schönste Ausblick Heute bestellen –nächsten Sommer geniessen
Der Argentinier Ernesto «Che» Guevara (1928 bis 1967) war Symbolfigur der kubanischen Revolution.
CHE GUEVARADas Feuer der Revolution
Silberner Zigarrenanzünder des Revolutionärs – gekauft in Irland, verschenkt an die Geliebte Fidel Castros
Die familiären Wurzeln von Ernesto «Che» Guevara, dem Popstar unter den lateinamerikanischen Revolutionären, liegen in Irland. Von dort wanderte sein Ururururgrossvater Patrick Lynch (auf den der Begriff «Lynchjustiz» zurückgeht) 1749 nach Argentinien aus. Auf einem Flug von Prag nach Havanna legte Che 1965 auf dem irischen Flughafen Shannon eine Zwischenlandung ein und erstand dieses silberne Feuerzeug. Er schenkte es später einer Geliebten von Kubas Staatschef Fidel Castro. Im Sommer kam das gute Stück in England unter den Hammer.
IMMANUEL KANT SAGT:
«Würde ist … seine E-Mails zu beantworten»
Wir leben im Kommunikationszeitalter, doch unsere Kommunikation lässt oft zu wünschen übrig: Entweder man bekommt auf seine Fragen keine Antwort – oder man be kommt ungefragt Antworten, die man gar nicht wollte. Immanuel Kant fand so etwas unmoralisch. Im fiktiven Interview mit dem Philosophen Christoph Quarch erläutert er, warum wir unsere Würde einbüssen, wenn wir unsere Mails nicht mehr beantworten.
the red bulletin: Herr Kant, Sie haben Ihre Heimatstadt Königsberg nie verlassen und haben trotzdem – oder viel leicht gerade deshalb – mit aller Welt korrespondiert. Haben Sie jemals Ihre Post unbeantwortet gelassen?
immanuel kant: Niemals, mein Herr. Solches wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Ich betrachtete es als meine Pficht, denen, die sich an mich wenden, zu Diensten zu sein.
Sie reden von Pficht. Aber wieso? Es gibt doch niemanden, der Sie dazu verpfichten würde, alle Ihre Briefe zu beantworten – geschweige denn Ihre E Mails, wenn Sie heute leben würden. Irrtum, mein Herr. Sie verleugnen das moralische Gesetz in Ihnen, wenn Sie so daherreden. Aber das wundert mich nicht. Die Menschen Ihrer Welt haben das Sittengesetz vergessen. Sie kennen es vielleicht aus der goldenen Regel, die da lautet: «Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu!» Aber sie achten diese Regel nicht mehr. Schlimmer noch: Sie verstehen sie nicht mehr. Wäre es anders, würden Sie auf Ihre Anrufe, E Mails und Briefe stets eine zeitnahe und angemessene Antwort erhalten.
Das klingt mehr nach goldenem Zeitalter als nach goldener Regel. Aber helfen Sie mir und unseren Lesern: Wieso sollte man sich daran halten? Es gibt doch niemanden, der Zuwiderhandlungen bestraft. Ach, mein Herr, was reden Sie da nur für dummes Zeug! Sie reden wie ein Krämer oder wie ein Krimi neller, der sich nur deshalb an Regeln hält, weil er fürchtet, von der Obrigkeit bestraft zu werden, wenn er gegen sie verstossen sollte. Aber nicht die Obrigkeit schreibt diese Regel vor, sondern das Sittengesetz in Ihrer Brust. Oder wenn Sie auch das nicht verstehen: die reine praktische Vernunft. Sie sagt: Wenn du dich
deines Verstandes – und mithin deines Menschseins – würdig erweisen willst, dann handle so, dass du zugleich wollen kannst, dass deine Maximen ein allgemeines Naturgesetz sein könnten.
Pardon, Herr Kant, was hat das mit Briefen, EMails und Korrespondenz zu tun?
Wohlan: Sie wünschen sich, auf Ihre Fragen eine Ant wort zu erhalten. Zum Beispiel von dem Handwerker, der Ihre Heizung reparieren soll. Sie fänden es gut, wenn es ein zwingendes Naturgesetz gäbe, das Handwerker dazu verpfichtet, auf Anfragen zu antworten. So wie es ein zwingendes Naturgesetz ist, dass ein Stein nach unten fällt. Also ge bietet es Ihnen Ihre Vernunft, dass auch Sie sich an dieses moralische Gesetz halten und Anfragen beant worten müssen. Ansonsten verraten Sie Ihre Vernunft und verlieren Ihre Würde.
Was hat meine Würde damit zu tun?
Es ist eines Menschen unwürdig, der goldenen Regel zu widersprechen. Und was noch tadelnswerter ist: Man verletzt auch die Würde seiner Mitmenschen, wenn man das tut. Warum antworten Ihre Zeitgenossen nicht mehr? Weil sie zu faul dazu sind? Nein, weil es ihnen nichts bringt. Sie betrachten andere Menschen als Mittel, die sie nutzen können, um selbst einen Vorteil zu haben. Aber damit nimmt man ihnen die Würde. Jeder Mensch ist ein Zweck an sich und nicht ein Mittel für den Nutzen anderer. Deshalb fühlen Sie sich zu Recht in Ihrer Würde verletzt, wenn man Ihre Post nicht be antwortet. Und deshalb fnden Sie Ihren Installateur zu Recht würdelos, wenn er sie hängenlässt.
IMMANUEL KANT (1724–1804) ist bekannt dafür, dass er seine Heimatstadt Königsberg nicht ein einziges Mal verlassen hat. Nichtsdestotrotz korrespondierte er mit allen Geistesgrössen seiner Zeit. Er entwickelte eine Ethik, die die Vernunft zum alleinigen Massstab des menschlichen Handelns erklärte. Damit wurde er zum wichtigsten Vertreter einer aufgeklärten Moral philosophie, die bis heute einflussreich geblieben ist.
CHRISTOPH QUARCH, 58, ist deutscher Philosoph, Gründer der Neuen Platonischen Akademie (akademie-3.org) und Autor zahlreicher philosophischer Bücher. Zuletzt erschien «Kann ich? Darf ich? Soll ich? Philosophische Antworten auf alltägliche Fragen», legenda Q, 2021.
PÊCHE«Mache deine Maximen zum Naturgesetz. Auch in der alltäglichen Kommunikation.»
WIBMER
«Und plötzlich war da meine alte Liebe»
Ohne Rad war er ratlos. Aber nur kurz: Hier erzählt Bike-Akrobat Fabio Wibmer, wie er nach seiner ersten schweren Verletzung die Monate der Ungewissheit bewältigte.
Fabio Wibmer ist hardcore: Der 27-jährige Biker aus Osttirol sprang aus Helikoptern, balancierte sein Gefährt auf dem Geländer eines Staudamms und jagte Pisten hinunter, als hätte er Ski an den Füssen. Seine viral gehenden Videos sind belieb ter als die von Kim Kardashian beim Shopping: Die Schallmauer von einer Milliarde Clicks hat er bereits durchbrochen, und für das Video «Fabiolous Escape» konnte er alle 99 Einwohner des Bergdorfs Oberpeischlach, aus dem er stammt, zur Mitwirkung mobilisieren.
Doch was macht ein radi kaler Radler wie Fabio, wenn er einmal ausser Gefecht gesetzt ist? Wie geht er damit um, wenn seine Leidenschaft ruhend gestellt wird? Wie er seine erste grosse Verletzung verkraftete und wofür er die Zeit seiner Ge nesung nutzte, erzählt er hier:
«Der Tag hatte ganz harmlos begonnen. Mein Kollege Alex und ich fuhren ein paar gemüt liche Trails bei uns hinterm Haus in Innsbruck. Wir wollten auch ein paar Clips drehen und dann frühstücken. Lässig setzte ich zu einem Sprung an, zwischen zwei Bäumen hindurch – ein Move, den ich schon zigmal locker hinter mich gebracht hatte. Ja, ich war schnell unter wegs, denn für diesen Sprung braucht man Speed. Und plötzlich knallte ich gegen einen der Bäume und fel mit voller Wucht auf die Schulter.
Es war nicht zu fassen! Ich blickte an mir runter und sah, dass das Schlüsselbein in einem schrägen Winkel wegstand. Es schaute echt nicht gut aus. Schnell stellte sich heraus, dass auch die Bänder in der Schulter gerissen waren und der Knöchel am rechten Fuss wieder gebrochen war. Resultat: drei Monate Zwangspause und die ernste Befürchtung der Ärzte, dass ich womöglich nie mehr auf meinem Niveau würde biken können. Ich musste zu Hause rumsitzen und war an Geräte angeschlossen, die meine Heilung begünstigten. Ein schwerer Einschnitt für mich, denn wenn du von einem Tag auf den anderen nicht mehr tun kannst, wofür du brennst, ist das einfach nur bitter.
Biker Fabio Wibmer, 27, über den Moment, der plötzlich alles veränderte
Da ich aber aus allem das Beste mache, begann ich, mich auf andere Aspekte meines Berufs zu konzentrieren: meine 2017 gegründete Bekleidungsmarke Nineyard, die ich mit zwei Freunden launchte. Kreative Aufgaben also, die meinen Kopf frei machten von dem Gedan ken, nicht aufs Rad zu können. Statt der Liebe zum Biken pfegte ich nun meine alte Liebe zum Design. Eine Tür hatte sich vor übergehend geschlossen. Aber anstatt grübelnd davor zu sitzen, machte ich eben die daneben auf. Dank der Verletzung bin ich heute nicht nur Biker, sondern auch Modedesigner und Unternehmer.»
Da muss ich vorausschicken: 2018, während der Dreharbeiten zu ‹Fabiolous Escape 2› in Saalbach, hatte ich mir bei einem Sprung aus dem Helikopter das rechte Schlüsselbein gebrochen. Das nahm ich damals locker in Kauf, weil ich davor ewig verletzungsfrei gewesen war und die Reha nur zehn Wochen dauerte. Ebenso die Fussverletzung ein paar Monate später, die ich mir beim Motocrossfahren in Frankreich zu gezogen hatte. Doch nun hatte es mich ausgerechnet auf diese beiden Körperstellen geschmissen.
«MEIN ERSTES MAL» IST DIE RED BULLETIN-PODCAST-SERIE, in der Heroes über ihre Anfänge sprechen. Diesmal erzählt Fabio Wibmer, wie er seine ersten Tricks auf der Fahrt zum Würstelstand lernte und ihm ein ganzes Dorf beim Videodreh half. Zu finden auf redbulletin.com/podcast, dem Podcast-Kanal von The Red Bulletin, und Plattformen wie Spotify.
«Lässig setzte ich zum Sprung an – doch da war dieser Baum …»
Solarenergie
Seit 15 Jahren ist Clark auf der Suche nach dem, was er «endlosen Winter» nennt – und bereist dafür auch die südliche Hemi sphäre. Hier inszeniert er seinen Freund, den SkiProfi Carston Oliver, in Valle Nevado, einer Region im Herzen der Anden.
Heiss auf Weiss
Valle Nevado, Chile, 2013
Für Adam Clark, 43, ist die Erde ein Schneeball. Der Abenteuer- Fotograf jagt nach den imposantesten Freeski - Fotos. Immer und überall. Denn stets ist irgendwo Winter. Hier sind seine besten Shots.
Text NORA O’DONNELL
Pulverblitz British Columbia, Kanada, 2017
«Das Schöne an meiner Arbeit: Ich habe Freunde auf der ganzen Welt gefunden», sagt Clark. Hier hat er sich den norwegischen ProfiSkifahrer Stian Hagen bei einem BackcountryTrip in den Selkirk Mountains vorgenommen.
Faltenlook
Haines, Alaska, 2009
Um die Big-Mountain-Skifahrer Dana Flahr und Seth Morrison zu filmen, drehte Clark aus einem Hubschrauber. «Die Beschaffenheit der vereisten Natur hat mich an die Oberfläche von Riffel-Chips erinnert», sagt Clark. Knister, knaster, kaaalt!
Flugwetter
British Columbia, Kanada, 2017
Der italienische Freeskier und Red Bull-Athlet Markus Eder nimmt eine von Bäumen gesäumte Abfahrt nahe der Retallack Lodge in Angriff. «Markus bei der Arbeit zu sehen war ein riesiger Kick», sagt Clark. Kick – und klick!
Lichtblick Cooke City, Montana, 2021
«Die meiste Zeit jagte ich nach Action-Fotos, nun will ich ein Gefühl dafür vermitteln, wie es ist, da draussen zu stehen», sagt Clark, der hier den Freeride-WorldTour-Champion von 2020, Isaac Freeland, ablichtete. Mit Betonung auf Licht!
«Kalt, warm, hell, dunkel – die Menschen sollen fühlen, wie’s da draussen ist.»
Adam Clark
Geisterfahrt
Nevados de Chillán, Chile, 2014
In Südamerika ist der Wind wankelmütig – er kommt und geht ganz plötzlich. «Auf diesen Moment warte ten wir einen ganzen Nach mittag», sagt Clark über das Bild des kanadischen Skifahrers Austin Ross.
Adam Clark«Pulverschnee ist wie Sand –wenn der Wind weht, bekommt er Flügel.»
«Manchmal geht es nur um das eine: Spass an einem dunklen, wolkenverhangenen Tag.»
Adam ClarkKältewelle
Cooke City, Montana, 2021
«An manchen Tagen gibt es keinen konkreten Plan», sagt Clark über diese Auf nahme des US-Skifahrers Sawyer Thomas. «Wir sind einfach herumgewandert, bis wir spannende Kulissen fanden», sagt Clark. Gustiert – gefunden.
Schlussrunde Wasatch Kette, Utah, 2019
«Ich liebe meine Heimat», sagt Clark über Utah. Hier fängt er seinen Landsmann Marcus Caston bei der letzten Abfahrt des Tages ein. Erst drückte er ab, dann schoss er erneut: auf Skiern 1,2 Kilometer talwärts.
Wattewolke Wasatch Kette, Utah, 2019 «Manchmal übernimmt der Schnee meine Arbeit», sagt Clark. Der Schnee –und Profi-Skifahrer Pep Fujas, der sich in eine Wolke aus flauschigem Pulverschnee hüllt.Gipfelglut
Lofoten, Norwegen, 2015
«Das ist einer der fünf schönsten Sonnenuntergänge meines Lebens», sagt Clark. Hier sehen die Ski-Profis Stian Hagen und Christina Lustenberger auf gipfelumrahmte Fjorde hinunter. Das Panorama lässt tief blicken.
FOTOGRAF ADAM CLARK
Aufgewachsen in Salt Lake City, Utah, verliebte sich Adam Clark schon als Kind in den Skisport. Eine AlaskaReise in der Highschool machte aus dieser Liebe dann eine Beziehung fürs Leben: Hobbyfotografen schenkten ihm seine erste Kamera, und bald begann er, Fotos von seinen Freunden im Schnee zu machen.
Es dauerte nicht lange, bis seine Arbeiten veröffent licht wurden, und Adam erkannte, dass er seinen Lebensunterhalt als Foto graf verdienen konnte – als «Ski-Vagabund», der um die
ganze Welt fiegt, immer auf der Jagd nach dem Schnee. Mittlerweile ist der 43-Jährige zwar etwas sess hafter. Aber egal, wo er sich befndet – seine Arbeit (und seine Kamera) ist darauf fokussiert, immer wieder diese Liebe zur Natur ein zufangen. Die Liebe von Adam, dem kleinen Jungen. «Ich versuche, ein authen tisches Gefühl dafür zu ver mitteln, wie es ist, an einem bestimmten Ort zu sein, Ski fahrer zu sein – oder einfach nur draussen», sagt Clark.
Folgen auf: @acpictures
Mein Alpha- Ich
Die Pariser Digitalkünstlerin Ines Alpha hebt die Selbst verwirklichung auf ein neues Level – ihr Make-up hilft dir, dich in der virtuellen Welt neu zu erfnden.
Text LOU BOYD Foto DIANE SAGNIERSchimmernde Sprenkel, die das Ge sicht umschliessen; Blumen, die von einer Wange zur anderen blühen; Oktopus-inspirierte Masken mit beweglichen Tentakeln: Die Makeup-Art der Pariser Digitalkünstlerin Ines Marzat alias Ines Alpha erin nert an Science Fiction. Und läutet mit ziemlicher Sicherheit die Zu kunft der Schönheitsindustrie ein. Auf Basis von 3D-Software kreiert Marzat Make-up, das nur im virtu ellen Raum sichtbar wird. Indem sie Social-Media-Filter in Kunstwerke verwandelt, sprengt sie nicht allein die herkömmlichen Vorstellungen von Schönheit. Sie stellt ihre digi talen Werkzeuge auch anderen zur Verfügung, die sich online selbst ver wirklichen möchten – oder besser: die Wirklichkeit überhöhen.
Zu Ines’ Fans zählen etwa die Sängerinnen Charli XCX und Lizzo. Sie arbeitet mit Models, Künstlern und Art Directors zusammen, um ihr «Make-up der Zukunft» zu in szenieren. «Ich möchte Raum für un begrenzte Kreativität in Sachen Aus sehen schaffen», sagt die 37-Jährige. «Draussen auf der Strasse kannst du weder bunte Kleidung noch ver rücktes Make-up tragen, ohne selt same Blicke oder Bemerkungen zu riskieren. Aber im digitalen Raum kannst du sein, wie du willst. Du hast die absolute Freiheit, dich selbst auszudrücken.»
the red bulletin: Wie begann deine Leidenschaft für digitales 3D-Make-up?
ines alpha: Ich komme aus der Werbebranche und habe mich als Art Director auf Kosmetik und Mode spezialisiert. Meine Kreativität konnte ich da nicht ausleben, weil die Schönheitsideale der Branche so enge Vorgaben haben. Zuerst habe ich nur zum Spass mit 3D-Software herumexperimentiert und schim mernde Farbkleckse erschaffen. Irgendwann bekam ich Lust, meine Leidenschaft für Beauty und 3DKunst zu kombinieren, und übertrug meine Designs auf echte Gesichter.
Was fasziniert Sie daran so sehr?
Ich liebe das menschliche Gesicht und wie Menschen sich durch Textur und Make-up ausdrücken. 3D-Schönheit könnte das Make-up der Zukunft sein.
Was inspiriert Sie zu den Designs?
Ich lasse mich von Meerestieren inspirieren: ihren Farben, ihrer Be schaffenheit und ihren Bewegungen. An Land sterben sie sofort, aber als 3D-Darstellung kannst du mit ihnen Dinge machen, die in der realen Welt nicht möglich wären. Ich bilde diese eleganten und farbenfrohen Kreaturen auf dem Gesicht nach.
Werden wir eines Tages mit 3DMake-up herumlaufen, das man nur durch AR-Brillen sieht?
Das ist mein Traum! Es gibt bereits Unternehmen, die versuchen, ARBrillen und -Kontaktlinsen (AR steht für Augmented Reality und ist die computeranimierte Erweiterung der
Realität; Anm.) zu entwickeln. Im Moment sind sie aber noch nicht ausgereift genug, um das Gefühl zu vermitteln, dass man sich in einer anderen Umgebung befndet. Es ist noch zu früh, aber es wird defnitiv passieren. Ich hoffe, dass ich das noch miterlebe.
Glauben Sie, dass das wachsende Interesse an digitaler Schönheit dazu führt, dass die Menschen sich weniger Gedanken um ihr «echtes» Aussehen machen?
Ich bin mir nicht sicher, ob digitale Mode die reale ersetzen kann. Was mich daran stört, ist, dass wir schon wieder etwas schaffen, was den Kon sum betont, während wir ihn verrin gern müssten. Zudem ist die digitale Arbeit immer noch ökologisch pro blematisch. Wir müssen die richtige Hardware fnden und darüber nach denken, wie wir sie recyceln.
Welche 3D-Make-up-Designs sollten unsere Leserinnen und Leser ausprobieren?
Es gibt zwei neue Filter, die ich auf Snapchat veröffentlicht habe: HyperEmotionalSkin ist eine Zusam menarbeit mit Adrien Chuttarsing (Experte für maschinelles Lernen; Anm.). Er hat einen Algorithmus ge schaffen, der Gesichtsausdrücke als Emotionen erkennt, und der Filter ändert seine Form als Reaktion auf diese Ausdrücke. Alpha Beauty Booth ist eine 3D-Make-up-Palette, und man hat eine Auswahl an verschiede nen digitalen Elementen wie Farben, Tentakeln und Blumen. Die Palette ist taktil, das heisst, man kann sie mit den Fingern auftragen – wie physisches Make-up. In der Zukunft wird jedes Make-up mit solchen Paletten aufgetragen werden.
Probier Ines’ 3D-Make-up selbst aus und besuch sie auf Instagram: @ines.alpha
Ines Alpha, 37, zeigt sich hier in virtuellem Make-up.
«Im digitalen Raum sehe ich genau so aus, wie ich will.»
Flöte statt Tröte
Eigentlich ist Star-Regisseur Roland Emmerich für dröhnende Weltuntergangs-Spektakel zuständig. Nun will er die Welt mit Mozarts «Zauberföte» sensibilisieren.
Interview RÜDIGER STURMRoland Emmerich ist einer der gröss ten Exportschlager Deutschlands. Mit Filmen wie «Independence Day», «The Day After Tomorrow» oder «2012» hat sich der gebürtige Stutt garter in Hollywood vor allem als Regisseur von Katastrophenflmen einen Namen gemacht. Als Produzent schlägt der 67-Jährige ruhigere Töne an: mit dem Kinoflm «The Magic Flute – Das Vermächtnis der Zauber föte», einer Hommage an Wolfgang Amadeus Mozarts und Emanuel Schikaneders Opernklassiker.
the red bulletin: Warum produzieren Sie im Jahr 2022 die Kino-Adaption einer rund 230 Jahre alten Oper? roland e mmerich: Weil die Leute immer weniger in die Oper gehen und ich Mozarts Meisterwerk einem breiten Publikum näherbringen möchte. Es ist unglaublich, was ein menschlicher Geist da hervor gebracht hat!
Die «Zauberföte» ist ein Feuerwerk der Fantasie. Geben Sie uns doch einen Tipp, wie man die befeuert. Die treibende Kraft sind Bücher. Ich hab schon früher irre viel gelesen.
Welches empfehlen Sie aktuell?
Den Roman «Der ewige Krieg» von Joe Haldeman. Er handelt von einem Krieg, der aus dem Nichts entsteht und Tausende von Jahren andauert; und am Ende stellt sich heraus: Es war nur ein Missverständnis.
Wie entdecken Sie Ihre Bücher? Ich gehe ins Internet und recher chiere. Prompt stellt sich eine Liste von Büchern zusammen, und ich lade die einfach auf meinen Kindle.
Auf Social Media wird man mit medialen Inhalten regelrecht bombardiert. Haben Sie die Be fürchtung, dass jüngere Menschen nicht mehr die Aufmerksamkeits spanne für Bücher haben?
Ja, die habe ich. Viele haben nicht mehr die Geduld, sich da hinein zuversetzen und eine ganze Buch reihe zu lesen. Ich sehe das auch an meinem jungen Ehemann (Omar de Soto ist 33 Jahre jünger; Anm.).
Der ist ständig am Swipen.
Und wie ist das bei Ihnen? Ich habe mich einfach dagegen abgeschottet. Ich habe weder Face book, TikTok noch Instagram, und diese Auslassung ist beruhigend.
Ich bin zwar viel im Netz unterwegs, aber hauptsächlich bei der Recherche für Stoffe, die mich interessieren. Wenn ich mich beruhigen will, spiele ich mit meinen Hunden.
Wie kann man die Fantasie der Digital Natives befügeln? Ein Film wie «Das Vermächtnis der Zauberföte» ist ein Versuch. Es ist wichtig, dass man den Leuten Kunstwerke der Musikgeschichte nahebringt.
Wenn Sie Kinder hätten –was würden Sie konkret tun? Innerhalb der Familie könnten sie machen, was sie wollen. Es ist
wichtig, ihnen die Freiheit zu geben, eigene Entscheidungen zu treffen. Wir haben eine Gesellschaft, wo alle überall dreinreden. Ein Ehepaar aus meinem engsten Freundeskreis hat zwei Kinder, bei denen es sich ständig einmischt. Es ist unglaub lich! Ich sage dann: «Könnt ihr sie mal in Ruhe lassen und nicht an rufen? Nehmt euch zurück und lasst sie ihr Ding machen!» Ich stamme ja noch aus einer Generation, wo kaum dreingeredet wurde. Ich habe mir alles selbst aufbauen müssen.
Im Film spielen Mentoren eine grosse Rolle. Wie wichtig sind sie im wahren Leben?
Ich glaube schon, dass sie wichtig sind. Bei mir war das zum Beispiel der kürzlich verstorbene Regisseur Wolfgang Petersen. Es darf nur nicht zu diktatorisch zugehen. Wenn dir jemand einen Rat gibt, dann musst du ja oder nein sagen können. Im aktuellen Film gibt es auch einen Schuldirektor, der kategorisch sagt: «Das gibt es bei mir nicht», bis er eines Besseren belehrt wird. Das ist die falsche Herangehensweise.
Wie waren Ihre eigenen Erfahrungen mit der Schule? Ich habe mich aufgeregt, dass ich da hinmusste. Im Gymnasium habe ich mir einen Sport daraus gemacht, dass ich der Typ mit den meisten Fehlstunden war. Zum Beispiel, indem ich Unterschriften auf Ent schuldigungen gefälscht habe – alle Techniken habe ich eingesetzt. Ich hatte weder irgendwelche Bücher, noch hatte ich einen Schulranzen in irgendeiner Form. Dass ich Abitur habe, ist heute noch ein Wunder für mich.
«The Magic Flute – Das Vermächtnis der Zauberflöte» kommt in der Deutschschweiz am 17. 11. in die Kinos, in der Romandie Anfang 2023.
Hotel im Herzen
Vor der Kamera ist Anne Hathaway – nun mit «Armageddon Time» in den Kinos – für die grosse Emotion zuständig. Wie sie privat mit Gefühlen umgeht? «Wie mit netten Gästen.»
Interview RÜDIGER STURM Foto DAN MARTENSEN/TRUNK ARCHIVEAnne Hathaway ist für überlebens grosse Emotionen bekannt. Die 39-Jährige gewann einen Oscar für ihr intensives Porträt einer leid geprüften Frau in «Les Misérables»; in «Brokeback Mountain» spielte sie die Gattin eines schwulen Cowboys; und in «Der Teufel trägt Prada» ver suchte sie, mit einer tyrannischen Chefn klarzukommen. Dazu passt auch ihre aktuelle Rolle in «Arma geddon Time», dem Porträt einer New Yorker Familie in den 1980erJahren. Und gerade aus diesem Grund hat sie eine klare Idee davon, wie wir mit unseren Emotionen um gehen sollen – und welches Gefühl die Lösung aller Probleme ist.
the red bulletin: In Ihrem neuen Film «Armageddon Time» spielen Sie eine Frau, die sich als Mutter zu bewähren versucht. Was haben Sie eigentlich selbst von Ihren Kindern gelernt?
anne hathaway: Letztlich besteht dieser Lernprozess darin, dass ich zuschaue, wie sich das Gehirn und das Bewusstsein meiner Kinder ent wickeln. Das gelingt nur, wenn du es auf sanfte Weise geschehen lässt, das heisst, wenn du deine Kinder respektierst und liebst. Ich dagegen habe mir selbst immer Druck ge macht und war extrem streng mit mir. Durch meine Kinder habe ich eben verstanden, dass dies nicht der richtige Weg ist. Du musst dich durch deine Liebe zu dir selbst moti
vieren und dich so akzeptieren, wie du bist. Seit ich das geschafft habe, bin ich viel glücklicher. Mir ist mein Herz regelrecht aufgegangen.
Das heisst, man soll die Dinge einfach geschehen lassen? Genau. Ich habe mir früher immer gedacht, dass ich stets bestimmte Aufgaben erfüllen muss: Ich muss richtig meditieren, ich muss ein opti males Smoothie-Rezept hinbekom men und so weiter. Das heisst, alles hängt von meinen Aktivitäten ab.
Aber in Ihrem Job und im Alltag müssen Sie doch aktiv werden –nichts kommt von selbst. Das Entscheidende schon, und das ist die Liebe. Auf sie allein kommt es an. Letztlich ist sie die Lösung aller Dinge.
Das klingt sehr idealistisch.
Ich weiss, ich klinge wie eine abso lute Positivdenkerin. Aber Liebe ist die Antwort – seit Ewigkeiten. Denn sie ist die bestmögliche Art, wie wir miteinander umgehen können.
Sie hilft uns, mit Menschen klar zukommen, mit denen wir nicht einer Meinung sind. Und wenn wir eine Generation erziehen, die ver steht, dass wir gütig miteinander umgehen sollen, dann werden wir in einer fantastischen Welt leben. Ich versuche mit gutem Beispiel voranzugehen und frage mich ständig, ob ich die Art von Mensch bin, der ich sein möchte.
Wann wissen Sie, dass Sie als Mutter erfolgreich sind?
James Gray, der Regisseur von «Armageddon Time», hat mir im Vieraugengespräch etwas ganz Wundervolles gesagt: «Als Elternteil kannst du nichts Grossartigeres erleben, als wenn dir deine Kinder sagen, dass du einen Fehler gemacht hast.» Mehr möchte ich dazu nicht sagen, denn die Erziehung meiner Söhne dauert noch an. Die beiden sind ja noch klein, gerade einmal drei und sechs Jahre alt.
Wie gehen Sie mit negativen Gefühlen um? Oder bleiben Sie von denen verschont?
Ich habe natürlich meine Fehler wie wir alle. Zumindest habe ich aber das Glück, dass ich dank mei ner Familie auf dem Boden der Tat sachen geblieben bin. Das macht es für mich auch leichter, meine Ängste und Sorgen in den Griff zu bekommen. Es wäre falsch, wenn ich diese Gefühle verleugnen würde. Der persische Dichter Rumi hat das sehr gut beschrieben. Er meinte, dass jede unserer Empfndungen ein Gast ist, den wir beherbergen und respektvoll behandeln sollen, egal ob er Freud oder Leid bringt. Denn gerade weil sie eben nur Gäste sind, werden sie nur begrenzte Zeit bei uns bleiben.
Möchten Sie positive Erfahrungen nicht einfach festhalten? Wie war es zum Beispiel, nachdem Sie den Oscar gewonnen hatten?
Ich habe diesen Moment genossen, aber danach wollte ich das alles wie der vergessen. Deshalb habe ich die Statuette ganz unten in mein Regal gestellt. Doch Schritt für Schritt habe ich sie nach oben gerückt. Ich habe mit der Zeit gelernt, dass ich diese Erfahrung anerkennen muss – denn sie hat mir die Chance ge geben, mich neu zu erfnden. Und dieser Prozess dauert bis heute an.
«Armageddon Time» mit Anne Hathaway und Anthony Hopkins – ab 24. November in den Kinos.
Explosion mit mildem Ton
Herzlich, bescheiden, zielstrebig: NOAH OKAFOR , 22, ist so was wie der neue Schweizer Wunsch - Schwiegersohn. Doch Achtung, er explodiert, sobald er Rasen schnuppert! Heute ist der Stürmer des FC Red Bull Salzburg der neue Shootingstar unserer Nati –doch sein alles entscheidendes Spiel bestritt er mit acht.
Noah Arinze Okafor hat in seiner Karriere nie viele Einladungen gebraucht. Auch die von Francesco Acerbi nimmt er um standslos an. Der italienische Verteidiger lässt ihm auf der linken Mittelfeldseite für einen Moment zu viel Raum. Okafor nutzt seine Chance sofort. Den Ball am Fuss, sprintet er vor den Zuschauern in Roms Stadio Olimpico die linke Aussen bahn entlang, lässt seinen Gegenspieler stehen, als habe der Blei statt Stollen an den Schuhen, und legt den Ball perfekt zurück auf Silvan Widmer. Schuss, Kreuzeck, was für ein Treffer. Es ist das 1:0 im WM Qualifkationsspiel der Schweiz gegen Italien – das Tor, das im November 2021 den Weg der Nati zur WM ebnet. Und eine Aktion, die für viele Fussball fans wohl vor allem eines bestätigt: Okafors aussergewöhnliches Talent. Für ihn selbst aber belegt sie etwas anderes: dass sich all das zusätzliche Sprinttraining gelohnt hat.
Noah Okafor, 22, ist der Shootingstar des Schweizer Fussballs. In der vergan genen Saison stieg der Stürmer bei Österreichs Serienmeister FC Red Bull Salz burg zum Leistungsträger auf, erzielte elf Tore auf dem Weg zum Double Gewinn, debütierte eindrucksvoll in der Cham pions League und trug bei seinen ersten Startelf Auftritten in der Schweizer Nati so massgeblich zur WM Qualifkation bei.
Von einem Spieler, der immer über enormes Potenzial verfügte, ist Noah Okafor zu einem Spieler geworden, der es auch entfaltet. Ein grosser Schritt. Und kein leichter. Aber im Grunde hat er ihn schon sein Leben lang geübt.
Denn zwei Dinge wusste er früh: dass er mehr Talent hat als die meisten anderen – und dass das nicht reichen wird. Also begann er schon als Kind, etwas Wich tiges dazuzulernen: was es neben dem Talent braucht, um erfolgreich zu sein.
Karrierekick im Schuh - Shop
Es gibt eine schöne Anekdote über den Tag, an dem Noah Okafor zum ersten Mal beim Fussballtraining des FC Aris dorf, nahe Basel, aufkreuzte. Er war acht Jahre alt und hatte weder Hallenschuhe noch Schienbeinschoner dabei. So kön ne er leider nicht mitspielen, erklärte ihm der Trainer. Also ging Noah heim, überredete seinen Vater, mit ihm ins Sportgeschäft zu fahren, und stand eine Stunde später mit Schuhen und Schonern wieder vor dem Coach. Der liess ihn beim Abschluss Spielchen noch mitmachen. Danach wusste der Trainer: Dieser Junge ist etwas ganz Besonderes.
Okafor lächelt in sein Handy, als es um diese Geschichte geht. Er sitzt zu Hause in Salzburg, schwarzes Baseball cap, weisses Sweatshirt, tiefenentspannte
Körperhaltung. «Diese Charaktereigen schaft», sagt er, «hatte ich schon immer: Wenn ich etwas wollte, dann wollte ich es unbedingt.»
Nach nur einem halben Jahr bei Aris dorf bekommt er vom FC Basel eine Ein ladung zum Probetraining. Er überzeugt sofort, wechselt in Basels U9, verbringt jedes Wochenende mit Fussball, reist mit seinem Team zu ersten internationalen Turnieren. Das ist für ihn anfangs vor allem eines: ein einziger grosser Spass. Mit etwa dreizehn Jahren aber ändert sich etwas: «Du kommst dann in ein Alter, in dem du merkst: Okay, es geht in die richtige Richtung. Leute sagen dir, du hast das Potenzial, Prof zu werden. Und dann musst du dich entscheiden: Willst du diesen Weg wirklich gehen? Dann musst du auch dafür arbeiten.»
Beim Interview zeigt er uns eine Seite von sich, die ganz anders wirkt als der Noah, der im Stadion vor Freude explodiert, nachdem er in der Champions League ein Tor geschossen hat, das bei den Fans auf den Tribünen und am nächsten Tag auch in der Presse in ganz Europa einen Sturm der Begeiste rung entfacht. Er hält jeweils kurz inne, bevor er eine Frage beantwortet, wählt seine Worte mit einer Mischung aus respektvoller Zurückhaltung und herzlicher Ehrlichkeit.
«So war es schon immer: Wenn ich etwas wollte, dann wollte ich es unbedingt.»
Noah Okafor über den wichtigsten Mosaikstein seines Erfolges – neben dem Talent
und
begnügte mich mit Pizza und blieb beim
Mit vierzehn trainiert er täglich, manch mal zweimal am Tag. Zusätzlich arbeitet er allein an sich. Und das intensiv. ExtraRunden am Strand in den Ferien also?
«In die Ferien fuhr ich teilweise gar nicht. Ich blieb zu Hause und trainierte.»
Als er fünfzehn ist, zieht Noah Okafor ins Jugend-Wohnhaus des FC Basel. An dere Jungs gehen jetzt auf Partys, trinken ihr erstes Bier. Noah gönnt sich gelegent lich eine Pizza und bleibt beim Mineral wasser. «Natürlich fel mir das manchmal schwer. Ich habe es auch nicht immer durchgehalten, da bin ich ehrlich. Aber meine Eltern haben mich im richtigen Mo ment immer wieder auf das hingewiesen, was nötig ist, um etwas zu erreichen: Du musst verzichten können, Vollgas geben, dich verbessern wollen.»
Papa, der Motivator
Noah Okafors Mutter stammt aus der Schweiz. Sein Vater wuchs in grosser Armut in Nigeria auf, kam als junger Mann nach Europa und über Wien und München schliesslich nach Basel, wo er Noahs Mutter kennenlernte. Um die fünf gemeinsamen Kinder zu ernähren, arbei tete er in einer Autowerkstatt. Waren die Geschichte seines Vaters und der Gedanke daran, was seine Eltern alles taten, um ihm die Chance auf den Prof-Fussball zu ermöglichen, eine zusätzliche Motiva tion für Noah? «Ja, ich glaube, das war ein sehr grosser Teil. Ich wusste, mein Vater hatte es nicht einfach. Ab einem gewissen Alter kriegst du das ja mit. Ich bin glücklich, dass er es jetzt leichter hat. Und dankbar, dass er und meine Mutter mich immer angetrieben haben, meine Ziele zu erreichen.»
Dass er sich als junger Spieler hin und wieder diskriminierende Kommentare wegen seiner Hautfarbe anhören muss te, davon liess sich Noah Okafor nicht lange irritieren. «Es gab Sprüche, von Gegenspielern, von Zuschauern, von ir gendwelchen fremden Leuten. Da denkst du dann schon einmal drüber nach und fragst dich: Warum ist das so? Aber ich wusste, dass das viel mit Neid und Miss gunst zu tun hat. Insofern habe ich mich nicht allzu sehr damit beschäftigt.»
NOAH OKAFOR
Am 24. Mai 2000 als Sohn einer Schwei zerin und eines Nige rianers in Binningen geboren, führte ihn seine Karriere vom FC Arisdorf zum FC Basel, wo er mit 18 Jahren in der Super League debü tierte. Anfang 2020 wechselt er zu Red Bull Salzburg: Hier wurde er seither dreimal Meister und dreimal Cupsieger. 2019 wurde er zum ersten Mal in die Nati einberufen.
Vor deutlich grössere Probleme stellt ihn etwas anderes. Mit fünfzehn wächst er in nerhalb eines Jahres um zehn Zentimeter. Sein Körper ist überlastet, das Schambein entzündet sich, der Arzt verordnet ihm ein halbes Jahr Fussball-Pause. Es ist die erste grosse Krise seiner Karriere. Sechs Monate lang darf er nicht Fussball spie len, danach braucht er drei weitere, um wieder ft auf dem Platz zu stehen. In dieser Zeit helfen ihm seine Familie, sein Trainer – und ein Mental-Coach. «Er hat mich beruhigt, mir Tipps gegeben, um besser mit meinem Ärger und meinen Ängsten umzugehen. Und er hat mir klargemacht, dass Ups and Downs nun einmal zu einer Karriere dazugehören. Das hat mich weitergebracht.»
Und letztlich hat sich auch die ganze Krise als nützliche Erfahrung erwiesen: «Als ich sie gemeistert hatte, wusste ich endgültig: Wenn ich ein bisschen Glück habe und von gröberen Verletzungen weitgehend verschont bleibe, dann werde ich jetzt auch Prof.»
Gut zwei Jahre später, am 28. Juli 2018, steht Noah im Stade de la Mala dière in Neuenburg und tritt im Trikot des FC Basel gegen Xamax Neuchâtel an. Es ist sein erster Startelf-Einsatz und sein zweites Super-League-Spiel überhaupt. In der 64. Minute kommt er rechts im Strafraum frei an den Ball und schiebt ihn überlegt ins lange linke Eck. Tor beim Startelf-Debüt in der Liga. Wie gesagt, er braucht nicht viele Einladungen.
«Diskriminierung durch Spieler, Fans, Fremde: Das hat mit Neid zu tun ...»Noah Okafor über herabwürdigende Kommentare zu seiner Hautfarbe
Nur die von ausländischen Vereinen schlägt er anfangs aus. Klubs aus Deutsch land und England locken ihn früh. Doch er bleibt in Basel. «Ich habe mich dort wohlgefühlt. Das ist für einen jun gen Spieler extrem wichtig. Und ich woll te meine Karriere Stück für Stück auf bauen, dafür musst du Geduld haben.» Erst im Januar 2020 verlässt er seinen Heimatverein und wechselt zum FC Red Bull Salzburg. Ein nachvoll ziehbarer Schritt. Sadio Mané, Erling Haaland – auch sie entwickelten sich in Salzburg entscheidend weiter. Für Noah aber läuft es dort zunächst nicht.
«Meine Eltern halfen, obwohl es schwierig war. Das motivierte mich.»Noah Okafor wuchs in bescheidenen Verhältnissen mit vier Geschwistern auf. DIE ERSTEN METER Noah in den Katakomben der Red Bull Arena. Hier läuft er ein, draussen stürmt er los. K(L)ICK & WIN Hole dir den handsignierten Ball aus dem Shooting oder ein Trikot von Noah Okafor. Einfach den QR Code scannen und am Gewinnspiel teilnehmen.
Er braucht eine Weile, um sich an das neue Umfeld zu gewöhnen. Zum ersten Mal lebt er ohne seine Familie in einem anderen Land. Pandemie, Lockdowns und kleine Verletzungen machen die Sache nicht leichter. Auch an den spezi ellen RB-Fussball – temporeich, intensiv, taktisch anspruchsvoll – muss er sich erst anpassen. In zusätzlichen Einzelschichten arbeitet er an Spritzigkeit und Tempo. Zudem stellt er seine Ernährung um, achtet noch mehr auf seinen Körper, auf Regenerationszeiten, Schlaf. «Je höher du kommst, desto härter musst du ar beiten», stellt er fest. Aber auch, dass sich der Aufwand immer wieder lohnt.
Die starke Vorarbeit im Nati-Dress gegen Italien, sein Tor in der WM-Quali gegen Bulgarien, seine drei Treffer in der Grup penphase der Champions League, die Salzburg erstmals den Weg ins Achtel fnale ebneten: nur einige der Highlights seiner Durchbruch-Saison 2021/22.
Freunds Freude
«Er ist sehr gereift und ein richtiger Prof geworden», sagt Salzburgs Sportdirektor Christoph Freund über Okafor. «Er hat sich zu einem Schlüsselspieler für uns entwickelt.» Das beweist er auch in der laufenden Saison: In der Liga sammelt er reihenweise Scorer punkte, in der Cham pions League traf er gleich in den ersten drei Spielen wieder, mit einer brillanten Einzelaktion gegen den AC Mailand, einem Traumtreffer gegen Chelsea, dem Siegestor gegen Dinamo Zagreb. Und das war erst der Anfang.
Ob er die Rolle eines Schlüsselspielers auch für die Schweiz bei der WM in Katar spielen kann? Dem Team jedenfalls traut er viel zu. «Wir sind eine gut eingespiel te Mannschaft. Wenn jeder für jeden kämpft, können wir weit kommen, da von bin ich überzeugt.» Und auch seine persönlichen Karriereziele setzt er sich selbstbewusst: «Ich möchte in einer TopLiga Meister werden, die Champions League gewinnen und der beste Spieler der Schweiz werden.» Aus dem Jungen, der einst ohne Schuhe zum Training kam, ist ein Prof geworden, der alles hat, um es weit nach oben zu schaffen.
«Er ist rasch gereift und hat sich zu einem Schlüsselspieler entwickelt.»
Ob es eine Essenz dessen gebe, was er auf seinem bisherigen Weg gelernt hat, einen Rat, den er geben würde? Er über legt kurz. «Talent ist wichtig», sagt er dann. «Harte Arbeit auch. Aber du musst dir auch immer den Spass bewahren an dem, was du tust. Dann stehen dir viele Chancen offen.» Chancen und Tore.
Instagram: @noah.arinze
Noah Okafor trägt ein Outfit aus der AlphaTauri Autumn/Winter ’22 Collection.
Tauchen
Tiefen-Gipfel:
Am Riff Aliwal Shoal vor Südafrika liess sich Pierre Frolla 2007 mit diesem Tigerhai fotografieren, um auf die Bedrohung der Spezies aufmerksam zu machen.HAI, WIE GEHT’S?
Er tanzt mit den Walen, streichelt die Haie und hing am Tag seines Heiratsantrags mit einem Krokodil ab. PIERRE FROLLA , 47, betaucht die Ozeane ohne Sauerstoff-Flasche: Seine Welt ist atemberaubend.
Text TOM GUISE, SASKIA JUNGNIKL GOSSYIIm Jahr 2004 verschob Pierre Frolla die Grenzen des Apnoe tauchens – und zwar nach unten: Der gebürtige Monegasse tauchte mit nur einem einzigen Atemzug 123 Meter ab und brach damit den damaligen Tiefenweltrekord in der Disziplin Variable Weight (Abstieg mithilfe eines Gewichts, dessen Masse der Taucher selbst bestimmt).
Apnoetaucher kommen ohne Atemgeräte aus, sie arbeiten mit speziellen Atemtechniken, um während des Tauchens we nig Sauerstoff zu verbrauchen. Das erfordert höchste Kon zentration und Körperbeherr schung. Frolla ist ein Pionier dieses Extremsports – und setzte dabei neue Standards für die Sicherheit im Wasser: Der heute 47-Jährige teilt seine Erfah rungen in Filmen wie seinem jüngsten Dokumentarfilm «On a Long Breath» oder seinem Buch «Océans: face à face», für das er unter Wasser Wale, Haie und Krokodile besuchte, um Bewusstsein für Naturschutz zu schaffen. Heute leitet Frolla in seiner Heimat Monaco eine der grössten Tauchschulen der Welt und gibt seine Philosophie an andere weiter. «In die tiefsten Ozeane hinabzusteigen half mir zu verstehen, wer ich war, wer ich werden konnte – und mir selbst zu beweisen, dass ich zu viel mehr fähig war», sagt er. Hier die Lebensgeschichte eines Mannes mit Tiefgang – erzählt von ihm selbst.
«Es war wunderbar, in Monaco aufzuwachsen. Dort gibt es das Meer und die Möglichkeit, jeden Tag zu schwimmen, und es gibt die Berge, man kann also am Mor gen hundert Meter tief tauchen und ein paar Stunden später aus 2000 Meter Höhe die Skipisten hinunterbrettern. Als ich das erste Mal bewusst geschwommen bin, war ich knapp fünf Jahre alt, an einem wilden Strand an der Ostgrenze Monacos namens Cabbé. Aber erst mit zwanzig habe ich Apnoe zu meinem Lieb lingssport gemacht – nachdem ich mir 1995 bei den Judo-Welt meisterschaften in Chiba, östlich von Tokio, die Schulter gebro
chen hatte. Ich hatte zuvor hart trainiert und war sehr enttäuscht. Doch anstatt mich operieren zu lassen, entschied ich mich für ein Training mit Apnoetauchen und vor allem mit Schwimmen, um meine Schulter zu kurieren. Da mals war mein Körper auf Kämp fen programmiert – aber beim Freitauchen darf man sich nicht wehren, man muss eins mit dem Wasser werden. Es bringt nichts, gegen das Element anzukämpfen. Beim Apnoetauchen kann man nicht wie beim Schwimmen auf hören, wenn man zu schnell war, oder wie beim Radfahren ab steigen, wenn die Oberschenkel schmerzen. Wenn wir auf dem Meeresgrund zurückbleiben, sind wir tot. Es gibt keine Möglichkeit zu entkommen. Wenn wir atmen wollen, müssen wir nach oben kommen. Ich wollte immer über meine Grenzen hinausgehen. Um mir selbst stets aufs Neue
DER ANFANG Warum ich meinen Körper umprogrammierteAbtauchen, um sich selbst zu finden: Pierre Frolla vor der Küste seiner Heimat Monaco
zu beweisen, dass ich zu viel mehr fähig bin, als ich mir noch am selben Morgen beim Aufstehen vorgestellt habe. Ich will immer besser ins Bett gehen, als ich am Morgen aufgestanden bin.»
DIE ANGST Aber dann zog der Raubfsch die Flossen ein
«Als ich klein war, hatte ich schreckliche Angst vor Haien. Gleichzeitig war ich davon überzeugt, eines Tages Tauch Champion zu werden, also lebte ich lange einen täglichen Wider spruch: Ich tauchte jeden Tag beglückt in die Tiefen der Ozeane – immer mit der Befürchtung, einem Hai zu begegnen. Mit sech zehn fog ich dann ans andere Ende der Welt, um mit Haien zu schwimmen. Als ich meinen ers ten Hai sah, einen riesigen gelben Zitronenhai, war ich verblüfft – als das Tier mich sah, drehte es um und foh. Er war es, der sich fürchtete, nicht ich. Da verstand ich, dass wir nur vor einer Sache Angst haben: vor dem Unbe kannten. Wenn das Unbekannte zum Bekannten wird, haben wir keine Angst mehr davor. Und ich verstand, dass der Hai keine bedrohliche, sondern eine bedrohte Spezies ist.» (Im Jahr 2012 schwamm Frolla im Rahmen einer Ausstellung mit dem Titel «Die Haie sollen leben!» gemein sam mit 25 Haien eine Dreiviertelstunde lang in einem Becken. Er wollte auf die Friedfertigkeit der Tiere und ihre Bedrohung vor dem Aussterben aufmerksam machen; Anm.) «Beim Apnoetauchen darf man keine Angst haben. Angst nährt Zweifel, Zweifel nähren Fehler, und Fehler nähren das Versagen. Ein Fehler in mehr als 100 Meter Tiefe ist kein Misserfolg, sondern das todsichere Ende.»
DIE TIEFE Ein Rausch zwischen Demut und Akzeptanz
«Es ist schon sehr speziell, am Grund des Meeres zu sein. Wenn ich tauche, Meter für Meter, spüre ich die Dinge auf eine immer extremere Weise. Ich weiss nicht, wie ich das erklären soll, aber es entwickelt sich echtes Wissen über unsere Empfndungen: Wie viele Sekunden du schon unter Wasser bist, wie viel Akkulaufzeit du noch hast – ein Apnoetauch gang in grosser Tiefe bedeutet, sich enormem Druck auszusetzen. Er bedeutet Demut, Selbstaufopferung und Akzeptanz. Es besteht ein Unterschied zwischen einer Apnoe, bei der wir den Atem so lange wie möglich anhalten, und einem Sauerstoffmangel.
Das ist ein chemischer Vorgang. Wenn nicht genug Sauerstoff im Körper vorhanden ist, stirbt man. Doch bevor das passiert, kann man die Luft lange anhalten und den Sauerstoff verbrauchen, den man in die Lungen geatmet hat. Damit können wir länger überleben, als wir denken. 2003 wollte ich auf 114 Meter tauchen, um meinen Körper an den Druck zu gewöhnen. Das Echolot zeigte bei 120 Metern einen fachen Grund an, sodass scheinbar keine Gefahr bestand – aber dann, bei 104 Metern, versank ich in einem Schlammhügel. Das Wasser war schwarz, ich konnte nichts sehen, steckte bis zu den Knien fest und brauchte fast 20 Sekunden, um mich zu befreien. Ich dachte, ich würde auf dem Grund bleiben. In der Zeit danach haben wir neue Sicherheitsvorkehrungen eingeführt und unsere Überwachung verbessert.»
Oben: Apnoetaucher Frolla orientiert sich an einem Seil, an dem er sich in die Tiefe zieht. Wichtig beim Auftauchen (unteres Bild) ist, dass es nicht zu schnell passiert. Andernfalls droht Dekompression – der Druckabfall erzeugt Gasbläschen im Körper.
PIERRE FROLLA
wurde am 14. Februar 1975 in Monaco geboren. Die Nähe zum Meer prägte ihn von klein auf: Sein Vater, ein Meister im Speerfischen, vermittelte ihm das Verständnis für Unterwasserleben und Naturschutz. Frolla stellte vier Weltrekorde im Freitauchen auf, heute leitet er Tauchschulen für Kinder, wo sie vor allem einen respektvollen Umgang mit der Natur lernen sollen.
«Mein inoffziell tiefster Tauch gang war 132 Meter, mein offzi eller Rekord liegt bei 123 Meter Tiefe. Wenn man zum ersten Mal einen Rekord bricht, ist das ein ganz besonderes Gefühl. Man bereitet sich intensiv darauf vor; jede Sekunde, jede Minute, jeden Meter im Training denkt man daran. Die Vorbereitung eines Rekords dauert zwischen
sechs und neun Monate, zwei bis drei Trainingseinheiten pro Tag, sechsmal pro Woche. Mein Trainer hat einmal zu mir gesagt: ‹Wenn du eines Tages Weltmeister bist, wirst du auf dem Gipfel eines Berges stehen und die ganze Welt sehen. Aber du wirst allein sein. Das ist der Moment, in dem du entscheiden musst, was du tun willst und wie du es tun willst.› Wobei – meine Gipfel, meine Höhepunkte liegen in der Tiefe. Die grösste Motivation während eines Wettkampfs ist, meine eigenen Grenzen zu erreichen, ohne sie zu überschrei ten. Ich schaffe so neue Grenzen
und ein neues Ziel, das ich da nach er reichen will – aber Sicher heit ist das Wichtigste. Es gibt das Sprichwort: ‹Es geht runter, wer will, es geht wieder hoch, wer kann.› Am Ende ist es einfacher, abzusteigen, als aufzusteigen. Jeder kann bis auf den Grund gehen, aber ist man schlecht vorbereitet, kommt man viel leicht nie wieder lebend hinauf.»
DIE LIEBE Erst als ihr Druck weg war, heirateten wir unter Wasser
«Meine Frau und ich haben 2015 unter Wasser geheiratet. Es war wunderschön, 70 Gäste, alle an unserer Seite – einfach verrückt. Meine Frau war stolz, weil sie ein Jahr zuvor noch nicht in der Lage war, einen sogenannten Aus gleich zu schaffen, also Luft aus dem Rachen in das Mittelohr zu drücken, um den schmerzhaften Druck zu verringern. Sie hat hart gearbeitet, um tauchen zu lernen – und als sie es geschafft hatte, habe ich sie gebeten, mich unter Wasser zu heiraten. Fürst Albert II. von Monaco war Trau zeuge bei der Hochzeit. Er ist ein sehr guter Taucher – und ein bemerkenswerter Schüler.
Ich habe praktisch jeden Ozean der Welt bereist, und ich bin an die entlegensten Orte gekommen. Jede Expedition bietet unglaubliche Möglichkeiten und unvergessliche Begegnungen. Am wichtigsten sind für mich Reisen, die Begegnungen mit Meer und Menschen verbinden. Mit Krokodilen zu schwimmen ist einmalig, Weisse Haie zu streicheln fast unwirklich, mit einer Gruppe von Pottwalen zu tanzen unbeschreiblich – aber wenn es keinen menschlichen Wert darin gibt, haben die Dinge weniger Würze.»
DIE REKORDE Im Moment des Triumphs bist du völlig alleine
GEFÜHLSSACHE
Mamadou Kalombo, man kennt ihn auch als Mams, dehnt, streckt und posiert parallel. Sobald er zu tanzen beginnt, trägt ihn nur noch das Gefühl.
Ein Mann tanzt Leben
In einer Sekunde wirkt er stark und mächtig, in der nächsten fragil und verletzlich. Mamadou Kalombo, genannt MAMS, ist der legendärste Hip - Hop -Tänzer der Schweiz – weil er nur tanzt, was er fühlt. Nun tritt er im Finale von Red Bull Dance Your Style in Johannesburg an –die Krönung einer Karriere, die sein ganzes Leben bewegte.
Wuchtig, dominant. Und im nächsten Moment, im nächsten Move, zart und zerbrechlich. Mamadou Kalombo, ge nannt Mams, ist mit seinen 34 Jahren eine Schweizer Hip-Hop-Legende. Denn wenn der gebürtige Kongolese tanzt, dann tanzt er das volle Leben, sein Leben. Und obwohl das nicht immer einfach war, entstehen dabei diese magischen Momente: «Manchmal habe ich den Ein druck zu fiegen, kann mich absolut frei ausdrücken. Dann weiss ich danach nicht mehr, welche Moves ich gezeigt habe –aber vom Gefühl her ist es, als hätte ich gelb leuchtende Haare und eine Art Aura um mich herum.» Wenn Mams so drauf ist, dann ist alles möglich. «Ich bin zwar nicht mehr so geschmeidig wie früher. Aber im letzten Jahr habe ich in einem Finale einen Rückwärtssalto hingelegt, mit Spagat – ich wusste vorher nicht mal, dass ich das noch kann.»
Krabbelstube als Dancefloor
Ja, er kann. Und wie. Er hat alle Schweizer Battles von Rang und Namen gewonnen. Und die Tänzerinnen und Tänzer aus seiner Talenteschmiede sind seinem Beispiel gefolgt. Mams hält seit mehr als fünfzehn Jahren die urbane Tanz kultur in der Schweiz in Bewegung. Er hat 2014 und 2015 beim Red Bull Beat
It, beim Red Bull Dance Your Style 2021 und beim Juste Debout 2013 in Griechen land den Sieg erkämpft. Dazu kommt ein halbes Dutzend erster Plätze beim urbanen Tanzfestival von Lausanne
Au-delà des Préjugés.
Ertanzt, erkämpft, erlebt. Denn Tan zen, das hat er von klein auf gelernt, die Krabbelstube war sein erster Dancefoor: Bereits als er tapsige Schrittchen machte, brachte sein Vater ihm die ersten kongo lesischen Tanzfguren bei. Mit dem Kult
«Manchmal spüre ich diese absolute Freiheit, dieses Gefühl zu fliegen.»Mamadou Kalombo alias Mams, 34, über seinen Tanz zwischen Lust und Lebenshilfe
STARK UND ZART
Mams’ Ausdruck wech selt von Move zu Move: wuchtig, zerbrechlich und synchron zu seinen spontanen Gedanken.
DER KÄMPFER
Mamadous Vorbild ist Goku, der zurückhaltende Krieger aus der MangaSerie «Dragon Ball».flm «Breakin’» den er sich auf Anraten seines Vaters und seines grossen Bruders ansah, stand für ihn dann fest: Er würde sein Leben dem Hip-Hop und dem Street dance widmen. Doch bis dahin folgen noch viele Real-Life-Battles.
Als er mit seinen Eltern aus dem Kon go in die Schweiz kommt, ist er gerade einmal ein Jahr alt. Mit zwölf schliesst er sich dem Jugendzentrum Equinox in seiner Heimatstadt Vevey an. Dort be sucht er Tanzkurse unter der Obhut sei ner Jugendleiter, die für ihn «wie Eltern» waren, wie er erzählt. «Sie standen immer hinter uns, um uns bei unseren Projekten und künstlerischen Ambitionen zu be fügeln.» Und diese Fürsorge hat Mams stark geprägt: «Der Tanz hat mich gewis sermassen auf den rechten Weg geführt.»
Worin der unrechte bestand, darüber möchte er nicht reden. Vom Problemkind zum Vorzeigetänzer, solche Klischees will er nicht strapazieren.
Zum Prof-Tänzer wird er schliesslich in Lausanne. Als er mit siebzehn eine Bäckerlehre macht, entdeckt er zufällig eine Zeitungsannonce: Einige Vorreiter der internationalen Dance-Szene bieten eine professionelle Ausbildung an. Seine Kindheitsfreundin Joséphine Rémy, später Choreografn für Grössen wie Snoop Dogg und Bad Bunny, spornt ihn an. So lernt er unterschiedliche Tanzstile, das Locking, Popping, House Dance und sogar indische Tänze. Der Kurs ist heute das Reservoir, aus dem er bei seinen Moves schöpft.
Mams und die Mangas
Am Wochenende, wenn er all die kleinen Jobs erledigt hat, die ihn über Wasser halten, trifft er Gleichgesinnte zum Tan zen in den Clubs der Stadt, im Atelier Volant oder im Loft. Schon ziemlich er wachsen und dennoch unerschütterlich Kind: Sein Vorbild ist Goku, eine Figur aus der Manga-Serie «Dragon Ball», die auf den ersten Blick eher scheu und zurückhaltend wirkt und erst im Kampf Superkräfte entwickelt. Und Goku ist Mams ist Mamadou Kalombo. «Sobald er anfängt, ist er ein anderer Mensch», er zählt Voldo, einer seiner Schüler, der sich 2021 bei Red Bull Dance Your Style im Finale Mams geschlagen geben musste. «Er ist unberechenbar und versprüht eine unglaublich explosive Energie. Bei all unseren Battles ist er der Angstgegner, der, gegen den keiner antreten will.»
Mams, der Dancefoor-Titan – der aber auch lustig kann: Sein Gespür fürs Enter tainment geht ebenfalls auf seine Kind heit zurück. Er war damals ein grosser Fan von Steve Urkel, der Hauptfgur der Serie «Alle unter einem Dach» – so was wie ein pubertierender, grimassierender Jerry Lewis. Zu jener Zeit träumte auch der kleine Mamadou von einer Schau spielkarriere. «Ich liebte es, verkleidet in die Schule zu gehen. Und ich war schon immer ein grosser Fan des Theaters und des Rollenspiels. Klar, dass das Tanzen den Showman in mir weckt. Ich mag es, mich beim Tanzen klar auszudrücken. Ich denke, dieser instinktive Ansatz gefällt den Leuten. Sie sehen, dass ich kein Pro gramm abspule. Ich gehe die Sache sehr spielerisch an. Vor dem Tanzen flme ich mich auch gern selbst», erzählt er.
wirkt er muskulös und monumental
tief drinnen lebt in ihm das Kind weiter
Im Jahr 2006 verlässt er Lausanne, um in seiner Heimatstadt Vevey zusam men mit Joséphine Rémy seine erste Tanzschule zu gründen, das K-Unik und spätere Studio LesZarts. Ein gewagtes Unterfangen in einer Stadt, die Hip-Hop zu jener Zeit bereits seit fünf Jahren boykottiert – nach einer Schlägerei bei einer Veranstaltung hatte die Stadt verwaltung jegliche weiteren Events untersagt. «Ich machte mir Sorgen um die Hip-Hop-Kultur und wollte den Leuten durchs Tanzen die positive Seite der Szene zeigen», sagt Mams. «Und es hat funktioniert.» Schon nach kurzer Zeit kann er sich vor Schülerinnen und Schülern kaum noch retten. Er nimmt an mehreren Auflagen von Juste Debout teil – einem der weltweit wichtigsten Wettbewerbe im Hip-Hop.
Seine Karriere gerät allerdings ins Sto cken – denn auf dem Papier ist er immer noch Kongolose, und die dortige Behörde verzögert aus Willkür die Ausstellung eines neuen Passes. Das Dokument, heisst es immer wieder, zirkuliere zwischen den Amtsstuben, ein schikanöser Eiertanz. Der ihn daran hindert, seinen Bekannt heitsgrad in den Vereinigten Staaten weiter zu steigern, wo er gegen die besten Tänzer der Welt antreten könnte.
WER IST MAMS?
Der 34-jährige Hip-HopTänzer Mams, mit bürger lichem Namen Mamadou Kalombo, wurde im Kongo geboren – und kam als Einjähriger mit seinen Eltern in die Schweiz. Mit zwölf beginnt er regel mässig zu tanzen, mit siebzehn bekommt er eine professionelle Ausbildung. Mittlerweile führt er in seiner Heimatstadt Vevey ein Tanzstudio, hat zahl reiche internationale Titel gewonnen – und tritt am 10. Dezember beim Finale von Red Bull Dance Your Style in Johannesburg an.
«Er sollte mit uns nach Las Vegas kom men. Das Projekt ist aber gescheitert», er innert sich sein Schüler Voldo. «Schliess lich bin ich für ihn hingefahren», sagt er. «Mams kümmert sich immer um die anderen. Es wird Zeit, dass er etwas mehr an sich denkt.» Und Mams selbst räumt ein: «Irgendwie stimmt das schon: Früher wollte ich immer meine Stadt oder mein Land vertreten, ich hab’s für die anderen gemacht. Dabei habe ich vergessen, was mich als Menschen ausmacht.»
Endlich – mit dem ersehnten Pass in der Tasche und dem ersten Platz der Schweiz-Ausgabe von Red Bull Dance Your Style 2021 in der Biografe – bereitet er sich nun auf das internationale Finale von Red Bull Dance Your Style am 10. De zember 2022 in Johannesburg vor. Und laut Freund und Schüler Voldo, der eben falls in Südafrika antanzt, hat Mams die besten Chancen auf den Sieg: «Bei ihm tanzt sogar das Gesicht! Er kommuniziert extrem gut, und man kapiert sehr schnell, welche Energie er rüberbringen will.»
Die Stimmen im Kopf
Auf Johannesburg bereitet sich Mams schon seit einem Jahr mental vor, nach dem das Event 2021 wegen Covid ab gesagt wurde. Er besinnt sich durch Yoga und Meditation wieder auf sich – damit er bei den Battles ganz instinktiv aus dem Bauch heraus tanzen kann. «Genau wie Goku: reiner Instinkt!», sagt er und lächelt ein wenig. «Zu Beginn eines Battles gibt es zehn Sekunden, in denen sich die verschiedenen Stimmen in meinem Kopf gegenseitig anschnauzen. So weiss ich, wann es Zeit ist, so richtig abzugehen. Danach läuft alles instinktiv. Ich liebe es, dem Freestyle seinen Lauf zu lassen.»
Der Schweizer Titel bei Red Bull Dance Your Style 2021 hat ihm die Motivation gegeben, noch einmal auf internationaler Bühne durchzustarten. Er will die Rückschläge hinter sich lassen und sich «Träume erfüllen, von denen ich mich schon verabschiedet hatte. Mein grösster Traum war, dass mir meine Mut ter einmal beim Tanzen zuschaut.»
Und zu Red Bull Dance Your Style in der Schweiz kamen sie alle: die Eltern, die Neffen, die Nichten, die grossen Brü der. «Als ich die Tränen meiner Mutter sah, war mir klar: Ich hatte ein ganz gros ses Ziel erreicht.» Mams, ein Mann tanzt sich glücklich. Ein Mann tanzt das Leben.
: @swissallstyler«Ich sah Mamas Glückstränen und wusste – jetzt habe ich ein grosses Ziel erreicht.»
Benzinschwestern
Aus den Boxen die überdrehten Stimmen von AC/DC. Aus der Box das Dröhnen hochtouriger Maschinen. Und daneben Offroad -Training mit Yoga- Elementen. Die PETROLETTES sind die erste weltweit vernetzte Bikerinnen - Community. Verschwitzte MachoKlischees überrollen sie lustvoll.
Text LOIS PRYCEIrene Kotnik steht auf einer Bühne mit Blick auf die älteste Strassen rennstrecke Deutschlands in Thü ringen und ruft zu: «Einigkeit! Empowerment! Schwesternschaft!»
Die zierliche blonde Frau im schwarzen Jeans-Overall ist die Grün derin der Petrolettes, des weltweit ersten Motorradclubs für Frauen. Und heute steht sie im Mittelpunkt des PetrolettesFestivals, Europas grösster Motorrad veranstaltung nur für Frauen.
Obwohl Kotnik oft gezwungen ist, die strikte Beschränkung auf Frauen zu recht fertigen, weist sie das Etikett «militante Feministin» zurück. «Es geht nicht um eine politische Haltung», sagt sie. «Die Idee war, einen Raum für mich und meine Freundinnen zu schaffen. Ich wollte Frau en mit der gleichen Leidenschaft treffen.»
Was 2016 als Treffen von 250 Fahre rinnen bei einem Strassenrennen in Berlin begann, ist heute ein jährliches Festival, das an verschiedenen Orten stattfndet und Hunderte von Motorradfahrerinnen aus der ganzen Welt anlockt.
Ursprünglich hat Irene Kotnik Motor radfahren gelernt, um ihren Vater bei der Erfüllung seines Traums zu begleiten: einmal die Route 66 in den USA entlang fahren. «Aber die Biker, die wir trafen, waren allesamt alte Männer auf riesigen Cruisern und mit Bierbäuchen», erinnert sie sich. «Die Szene gefel mir nicht.»
2013 stiess Kotnik zufällig auf «Wheels and Waves» – ein ultraschickes Festival in Biarritz, wo Oldtimer-Motorräder auf Surf-Kultur treffen. Sie war sofort faszi niert. «Ich wollte zurück nach Berlin, ein kleines Motorrad kaufen und selbst her richten.» Aber zu Hause hatte sie keine Motorradfreunde, schon gar keine weib lichen, und die Mainstream-Motorrad veranstaltungen mit ihrer Macho-Atmo sphäre reizten sie nicht – «als wären wir noch in den 1970er-Jahren». Also suchte sie im Netz nach Frauen auf Motorrädern. Es war die Geburtsstunde der Petrolettes.
Völkerverbindende App
Inzwischen gibt es auch eine PetrolettesApp, die bereits mehr als 12.000 Motor radfahrerinnen in 43 Ländern miteinan der verbindet. Über die Plattform können die Userinnen Tipps austauschen und Mitfahrerinnen fnden. Auf die Idee kam Kotnik während der Pandemie. «Da war das Festival nicht durchführbar», sagt sie. «Die Leute wollten sich trotzdem für einen Ausritt mit Abstand treffen. Aber es gab so viel Verwaltungsaufwand und so viele E Mails, um alles zu organisieren, dass mir klar wurde, dass eine App das alles für mich erledigen könnte!»
Die Idee dazu brütete sie schon eine ganze Weile aus: «Ich nutzte Facebook, um Mitfahrerinnen zu fnden, bei denen ich unterwegs übernachten konnte, und
dachte mir: Hmmm, würde ich auf der Couch eines Mannes schlafen?»
In der App gibt es eine interaktive Karte mit einem Punkt für jede Petrolette auf der Welt. Und die Sache funktioniert. Eine Petrolette aus Grossbritannien über nachtet auf dem Heimweg vom Festival bei einem deutschen Mitglied; und eine amerikanische Fahrerin, die nach der Ver anstaltung ihren Europatrip fortsetzen möchte, hat einen Schlafplatz bei einer Bikerin aus Paris gefunden.
Aus Süddeutschland ist Alischa Jewko zum Motorradfestival nach Thüringen an gereist. Sie hat die App genutzt, um nach der Trennung von ihrem Freund gleich gesinnte Petrolettes in ihrer Umgebung zu fnden. «Wir fuhren früher zusammen in einem örtlichen Motorradclub», sagt sie. «Aber als wir uns trennten, war klar, dass er im Club bleiben würde und nicht ich.»
Beim Petrolettes Festival dreht sich alles um das Motorradfahren, klar – aber nicht nur. Neben Rennen, Pop-up-Tattoo studios und Musikbands gibt es ein YogaZelt und eine Masseurin, die den Fahre rinnen nach der langen Anreise die Ver spannungen aus den Muskeln knetet.
Glam und Tattoos
Am Freitagabend trudeln immer mehr Motorräder auf dem Parkplatz ein: alte 1970er-Jahre-Trailbikes, glänzende nagelneue BMW-Tourenmaschinen und mächtige Harleys. Unbeeindruckt vom Regen werden Zelte aufgebaut. Als sich die Frauen für Kotniks Eröffnungsrede um die Bühne versammeln, wird klar, dass es so etwas wie eine typische Petro lette nicht gibt. Jede Generation ist ver treten und jeder Stil zu sehen – von schi ckem Pariser Retro-Glamour bis hin zu Tattoos im Gesicht. Was uns das sagt?
Alle Frauen sind willkommen. Dieses Zu sammengehörigkeitsgefühl war es auch, das die in Kanada geborene und in Berlin lebende Musikerin Yvonne Ducksworth zu den Petrolettes brachte. «Als farbige Frau bin ich sehr vorsichtig, was die Teil nahme an Biker-Veranstaltungen angeht, und ich bin mir bewusst, wie die Leute mich angucken. Aber als ich 2016 zum ersten Petrolettes Festival kam, bin ich fast in Tränen ausgebrochen! Ich stand einfach nur still da, war über wältigt, nahm alles in mich auf. Ich dachte: End lich habe ich meine Crew gefunden.»
Dieses Jahr fndet das Festival auf dem «Schleizer Dreieck» statt, einem legen dären Strassenkurs in Thüringen. Die Infrastruktur und die Gebäude wurden nicht an das 21. Jahrhundert angepasst,
sondern haben sich ihren baufälliges Flair bewahrt: abblätternde Farbe, Ma schendrahtzäune und wettergegerbte Tribünen. Unter einem schiefergrauen Himmel mischt sich zum Gesang von AC/DC-Sänger Bon Scott aus den Boxen das Dröhnen von Hunderten zuckenden Gasgriffen. Irene Kotnik ergreift das Mikro für einen letzten febrigen Anfeu erungsruf, die schwarz-weiss karierte Startfagge wird gehisst – und los geht’s.
Workshop - Mentalität
Für diejenigen, die sich nicht auf der Rennstrecke messen, werden geführte Ausfahrten in der Umgebung und Work shops angeboten, zum Beispiel in Sachen Mechanik oder Abenteuerfotografe. Dabei werden auch Diskussionen über Ängste geführt, die immer Teil des Motor
radfahrens sind, aber bei einem Treffen von männlichen Bikern eher nicht zu hören sein dürften, meint Irene Kotnik.
Auf der Wiese neben der Rennstrecke coacht Rallye-Dakar-Veteranin Tina Meier einen Offroad-Kurs. Sie nutzt Konzepte aus ihrem anderen Job als Yogalehrerin, um das für die Eroberung des Geländes erforderliche Körpergefühl zu vermitteln. «Bergab ist es der abwärts gerichtete Hund, bergauf die Kobra», sagt Meier. Dann bittet sie die Gruppe, über den unebenen Boden zu fahren und dabei die linke Hand vom Lenker zu nehmen, um einen Ball an einer Schnur zu fangen. Diese Aktion, erklärt sie, lenkt die Auf merksamkeit vom Gelände ab und sen det eine Botschaft an das Gehirn: Der Körper kann beide Bewegungen gleich zeitig ausführen.
Sohar aus Rom, die ebenfalls Yoga lehrerin ist, fährt erst seit einem Jahr Motorrad. «Es konfrontiert mich mit meinen Unsicherheiten, aber auch mit meinem Bedürfnis nach Unabhängig keit», sagt sie. «Wie beim Yoga sind die inneren Prozesse individuell. Sich mit den Petrolettes auszutauschen und zu lernen, dass wir ähnliche Probleme haben, kann jedenfalls extrem ermutigend sein.»
Ein weiteres heiss diskutiertes Ge sprächsthema auf dem Festivalgelände ist das miserable Angebot an Motorrad kleidung für Frauen. Nichts passt richtig, und alles, was für Frauen entworfen wird, ist rosa. Céline Froissart, eine Mo torradfahrerin aus Paris, hat die Sache nach einem Erlebnis in einem französi schen Motorradladen selbst in die Hand genommen. «Ich war auf der Suche nach Motorradjeans», erzählt sie, «aber die waren alle mit niedriger Taille. Also fragte ich den Verkäufer, ob sie auch Jeans mit hoher Taille hätten, und er antwortete, dass Frauen Jeans mit niedriger Taille bräuchten, weil sie auf dem Sozius ihren Tanga zur Schau stellen müssten.» Dieses Gespräch gab den Anstoss zur Gründung von 2MileSix, der Bekleidungslinie von Froissart für Bikerinnen. «Ich hatte keine
Gebäude und Tribünen sind retro – der Rest ist revolutionär.Zweirad-Power: Moderatorin Miriam Höller schwenkt die Zielflagge beim Rennen auf dem legendären Schleizer Dreieck.
STARTKLAR
Die Bikerin Yoko Rae macht sich bereit für das 100-MeterRennen auf dem Festival.
Erfahrung mit der Herstellung von Klei dung», sagt sie. Trotzdem gab sie ihren Job auf und machte sich daran, eine Reihe von hochwertigen Jeans, Jacken und T-Shirts zu entwerfen. So stilvoll, wie man es von einer Pariserin erwartet.
Marie aus Rennes, eine Freundin von Céline Froissart, erinnert sich ebenfalls an unschöne Begegnungen mit französischen Motorradfahrern: «Sie sagen Dinge wie: ‹Warum fährst du am Sonntag? Solltest du nicht die Wäsche machen?› Aber die Dinge ändern sich. Es fahren jetzt viel mehr Französinnen Motorrad.» Und es ist ihnen ernst. Unter den Bikern Frank reichs liegt der Frauenanteil bereits bei 50 Prozent. Froissart sagt, dass die neuen Fahrerinnen aus zwei verschiedenen Altersgruppen kämen: Einerseits sind da die Achtzehn- bis Zwanzigjährigen, die den Nervenkitzel suchen, andererseits Frauen in ihren Vierzigern und Fünf zigern, die «getan haben, was die Gesell schaft von ihnen erwartet, und nun etwas für sich selbst tun wollen».
Selbst gebaute Bikes
Diesen Vibe spürt man auch auf dem Festival. Die Atmosphäre ist gechillt. Ineke und Margriet, zwei Freundinnen, die aus den Niederlanden angereist sind, teilen die Liebe zum Motorradbau. Ineke, 62, ist eine angesehene Bauerin, Gründe rin der niederländischen Offroad-Gruppe EnduroCat. Unter Inekes Anleitung hat Margriet, 32, kürzlich eine Yamaha XJ 900 von einem, wie sie es nennt, «AlteHerren-Bike» in ein geländetaugliches Motorrad umgebaut. Die beiden Frauen arbeiten in Inekes Garage; in der «Frauen höhle», wie Ineke sie nennt. «Und da gibt es keinen Bierkühlschrank», sagt sie.
Irene Kotnik auf der Bühne und inter viewt drei Gäste zu einem Projekt: «Ride with Purpose», organisiert vom gemein nützigen Verein der Gruppe, der Frauen im Motorsport unterstützt. Motorrad fahren sei der Inbegriff der Befreiung und sollte allen Frauen zugänglich sein, meint Kotnik. Ihre Gäste sind die Fran zösin Alison Grün, die ein Motorradreise unternehmen leitet, das einheimische Guides in Ländern wie Nepal und dem Iran beschäftigt; Judith Pieper-Köhler, die mit einer Wohltätigkeitsorganisation, die Bikes zur medizinischen Versorgung ländlicher Gemeinden in Afrika bereit stellt; und Behnaz Shafei, eine iranische Rennfahrerin, die Frauen ausbildet. Shafei erzählt, wie sie mit 15 Jahren in einem iranischen Dorf zum ersten Mal eine Frau auf einem Motorrad sah.
«Ich wusste sofort, das ist meine Zukunft.» Aber da sie im Iran aufwuchs, musste sie sich dafür als Mann verkleiden und nachts fahren – stets mit der Angst vor der stren gen iranischen «Sittenpolizei».
Ihre Leidenschaft hat Shafei um die ganze Welt geführt, sie hat auf Renn strecken in den USA trainiert, ist durch Europa getourt, war in Fernsehsendun gen zu sehen. Doch ihre Erfolge hatten einen hohen persönlichen Preis: Obwohl ihre Mutter ihre Ambitionen immer unterstützte, wurde sie vom Rest ihrer Familie ausgegrenzt.
Als die Nacht hereinbricht, lässt der Regen nach, und das Schweizer PowerPop-Duo Ikan Hyu betritt die Bühne, gefolgt von den verführerischen Klängen des österreichisch-britischen Post-PunkVierers Friedberg. Bald ist die Tanzfäche ein Schlammbad, aber echte Petrolettes stört ein bisschen Dreck nicht.
Am nächsten Morgen drehen sich die Gespräche beim Frühstück um Shafeis Geschichte – und darum, wie sehr es die Petrolettes zu schätzen wissen, frei fahren und sich frei kleiden zu können. Aber Shafei ist nicht die Einzige, die um die Akzeptanz auf zwei Rädern kämpft; andere Frauen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Nationalität er zählen ihre eigenen Geschichten: wie sie ihren Familien verheimlicht haben, dass sie Motorrad fahren. «Wir haben einige Mitglieder, die ihren Eltern erst nach dem Führerschein erzählt haben, dass sie Motorradfahren gelernt hatten – um Streit und nervtötende Diskussionen zu vermeiden», erzählt Cäthe Pfäging aus Berlin, eine Petrolette der ersten Stunde.
Es ist klar, dass Irenes Kotniks Aufruf zu Einigkeit, Selbstbestimmung und Schwesternschaft auch heute noch so notwendig ist wie eh und je. Und so packen die Petrolettes ihre durchnässten Zelte zusammen, füllen ihre Ölvorräte für die lange Heimfahrt auf und düsen los, um Irenes Botschaft in ganz Europa und darüber hinaus zu verbreiten. Irene selbst antwortet, angesprochen auf ihre ganz persönliche Zukunft: «Die Electro lettes!» Sie lacht breit – und ihr Lachen hat den kräftigen Sound der Zuversicht.
GUIDE
Tipps für
des
WILLKOMMEN IN MEINER SANDKISTE
Ich kenne die Wüste wie meine Wes tentasche. Doch an dieses Gefühl gewöhne ich mich nie. Dieses Gefühl, die Grösse der Welt begreifen zu können, gibt es sonst nur noch in der Mitte eines Ozeans. Und wenn du es ein mal gespürt hast, wird es dich dein Leben lang begleiten. Denn spüren heisst in un serem Fall auch erfahren – und zwar im ureigensten Wortsinn.
Mit Destination Red Bull werden wir in der Rub al-Chali in Arabien unterwegs sein, der mit 680.000 Quadratkilometern grössten Sandwüste der Welt. Sie reicht über das südliche Saudi-Arabien und den Norden des Jemen und des Oman bis in die Vereinigten Arabischen Emirate, wo ich meinen Gästen die Faszination der Wüste in unterschiedlichen Fahrzeugen nahebringen will.
Der Himmel und fünf Sterne
Die Reiseteilnehmer werden als Beifahrer an meiner Seite in einem renntauglichen Rally Raid Car durch das Gebiet der Liwa Oase rasen. Es erstreckt sich über 100 Kilometer. Der Trip ist eine Mischung aus rasantem Dünenabenteuer und orien talischem Märchenzauber. Und so werden wir auch eine Nacht in einem Beduinen zeltlager verbringen, zugegebenermassen in einem luxuriösen – es wird vom FünfSterne-Hotel Qasr Al Sarab betrieben. Ausserdem können meine Gäste am Steuer eines PS-starken Polaris 1000cc Turbo Buggy selbst ihre Grenzen aus loten. Wie, erkläre ich selbstverständlich – also: Wie wählt man den richtigen
Bremspunkt? Wie bleibt das Auto in der Spur, ohne Tempo zu verlieren? Und wie halte ich bei Schräglage die Linie?
Der Polaris ist das, was in meiner Rallye-Welt «Side-by-Side» heisst. Es ist die kleinste Kategorie auf der Rallye Dakar – aber vielleicht jene, die am meisten Spass macht.
Der Name dieser Geschosse rührt daher, dass Fahrer und Beifahrer sehr eng nebeneinander sitzen, beinahe Schulter an Schulter. Doch dank seiner breiten Spur, der langen Federwege, dem massiven Grip und vor allem dem nied rigen Gewicht fliegt diese Sandkiste förmlich die Dünen hoch, an denen viele
andere Fahrzeuge selbst im Krabbeln zu kämpfen haben. Durch die fehlenden Scheiben fühlt sich das Erlebnis noch ungefilterter, noch viel unmittelbarer an. Ein Side-by-Side kommt dem Motorrad fahren auf vier Rädern verdammt nahe.
Mein Dakar-Taxi
Und dann gibt es als Highlight auch eine Taxifahrt mit mir in einem Dakar-Wagen in vollem Rallye-Trimm. In einem DakarAuto mitzufahren, sollte man sich auf jeden Fall gönnen. Die Geschwindigkeit im groben Terrain, die Kletterfähigkeit berg auf und bergab, der Sound im Inneren
«Dieses Gefühl von Grösse – hast du es einmal verspürt, bleibt es dir für immer.»Unser Autor, Rallye-Legende Cyril Despres, 48, stellt uns seine Destination Red Bull-Wüstenreise vor, inklusive Panorama-Pausen auf hohen Dünen. Die Sonne, der Sand, die Unendlichkeit: Dünen-Hopping im Polaris 1000cc Turbo Buggy
Anreise
Ab in die Wüste mit dir! Zwischen HighspeedRunden in einem renntauglichen Rally Raid Car und einem wendigen Wüsten-Buggy erholst du dich standesgemäss im traumhaft schönen Fünf-Sterne-Hotel Qasr Al Sarab.
Mit dem Flugzeug: Individuelle Ankunft im Fünf-Sterne-Luxus-Hotel Qasr Al Sarab in der Liwa-Oase. Kennenlernen und gemeinsames Abendessen – mit atemberaubendem Blick auf den Sonnenuntergang über der Wüste.
Zur Person
Dein Reise-Guide Cyril Despres, Jahrgang 1974, ist eine Motorsport-Legende. Fünfmal hat der Franzose die Rallye Dakar gewonnen. Er triumphierte auch bei einer Reihe weiterer Marathon-Rallyes. 2002 und 2003 gewann er ausserdem das Red Bull Erzbergrodeo.
Cyril Despres zeigt dir, wie du aus dem Polaris Buggy das Maximum herausholen kannst. Er erklärt dir, wie du den richtigen Bremspunkt wählst, wie du selbst bei hohem Tempo dein Gefährt in der Spur hältst. Und wie du auch in Schräglage Kontrolle behältst.
Mehr Infos unter destination.redbull.com
Am Sand: Cyril Despres (Mi.) und seine Gäste (li. ServusTV-Modera torin Andrea Schla ger) besprechen die Route durch die Rub al-Chali. Frühstück unter Palmen mit Cyril Despres (ganz oben) und Abendidylle im Hotel Qasr Al Sarab: Die Anstrengungen des Tages verfliegen in dieser Wohlfühl-Umgebung. Dubai Jereirah Abu Dhabi Vereinigte Arabische Emiratetrotz Helm mit Gegensprechanlage, aber auch wie präzise sich dieses riesige Gerät in der Wüste dirigieren lässt: All das ist unglaublich beeindruckend! Und auf noch ein Erlebnis können sich meine Beifahre rinnen und Beifahrer freuen: Wartet, bis ich zum ersten Mal wirklich hart bremse! Da geht das Fahrzeug wegen seiner lan gen Federwege dermassen in die Knie, dass ihr für ein paar Momente direkt ins Autodach schaut anstatt durch die Wind schutzscheibe. Um all das nutzen zu kön nen, braucht es eben einen Spielplatz, an dem man das Auto ans Limit bringen kann. Ach, wenn die Wüste nur wüsste
Die Magie eines Meeres
Und dann diese ganz besonderen Mo mente: Wenn ich den Kamm der höchsten Düne erreicht habe, stoppe ich. Brille ab, Motor aus. Und einfach nur schauen. Ich sauge die Wüste in mich auf. Ein Meer aus Sand, kaum Spuren – ausser unserer eigenen. Die Magie der Wüste! Erstmals erlebte ich das, obwohl ich mitten im Wett kampf stand, bei meiner ersten Rallye auf Wüstensand. Und ich habe es genossen –von der ersten Minute an.
Begonnen hat meine Liebe zur Wüste mitten in Paris. Mit Anfang zwanzig arbeitete ich dort als Motorrad Mechaniker. Das Geld war knapp, meine Wohnung win zig. So habe ich viel Zeit in der Werkstatt verbracht. Unser Shop war der einzige im Grossraum Paris, in dem Rallye Motor räder aufgebaut wurden. Das zog viele Abenteurer an. Motorradfahrer, die von der Wüste erzählten, von fremden Län dern. Ich lauschte ihren Heldensagen –und beschloss irgendwann, meine eigene zu schreiben: Fünfmal konnte ich die Rallye Dakar gewinnen.
Keine ganz üble Vorbereitung auf unseren Trip durch die Rub al Chali.
Diese Destination Red Bull-Reise von 4. bis 8. März 2023 ist ab sofort buchbar.
POOL
Noch mehr Reisen abseits des Alltäglichen mit Red Bull-Athleten als Begleitern gibt’s im neuen Destination Red Bull-Magazin. Alle Infos zum Programm: destination.redbull.com
NAIM
«Ein Meer aus Sand, kaum Spuren. Wir erleben die Magie der Wüste.»
Wüstenexperte Cyril Despres über ganz spezielle Fahrerlebnisse
GUIDE Biohacking
Handy hilft Hirn
Profi-Biohacker Andreas Breitfeld verrät uns jeden Monat einen Trick, der dein Leben verbessert. Dieses Mal: wie Fotografieren dein Erinnerungsvermögen stärkt.
Der Klick-Trick
Fortgeschrittene prägen sich Bilder, Motive und Erinnerungen ein, ohne dafür eine Kamera zu Hilfe zu nehmen. Auch ein Augenblinzeln statt des echten Kamera klicks hilft unserem Gedächtnis auf die Sprünge. Ein Supertrick für alle, die es mit Black Jack oder Memory ernst meinen.
Unser Gedächtnis funktioniert vor allem visuell. Wir können es wirkungsvoll unter stützen, indem wir tatsächlich ein Foto der Szene machen, die wir uns merken wollen.
Also: Handy raus!
Wir alle kennen die Menschen, die in Restaurants, sobald ihr Essen serviert wird, Messer und Gabel liegen lassen – und zuerst mal in zittriger Erregung zum Handy greifen, um das Kalbsschnitzel und den Shiitake-Wok fotografisch zu konservieren. Mach dich über diese Leute nicht lustig, denn sie tun etwas sehr Cleveres: Sie intensivieren ihre Erinnerung an das Festmahl. Tatsäch lich gibt es mehrere Studien, die belegen: Unser Gedächtnis verbessert sich signi fikant, wenn wir das, was wir in Erinnerung behalten möchten, fotografieren.
90 Sekunden für die Ewigkeit
Das gilt unglücklicherweise nicht für Kapi tel des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetz buches, Werke der altgriechischen Dicht kunst oder die Samstag-Einkaufsliste. Aber immerhin für alles, was wir inner halb von 90 Sekunden erfassen können. Also Urlaubserinnerungen, Essens-Ein
ladungen oder auch das Outfit, das die Partnerin oder der Partner zum zehnten Hochzeitstag getragen hat. (Freu dich auf die Reaktion, wenn du am elften Hochzeitstag noch davon schwärmst!)
Fotos für Fortgeschrittene
Fortgeschrittene schaffen den Trick übrigens auch ohne Kamera: Es genügt, wenn du tatsächlich konzentriert daran denkst, ein Foto der Szene zu machen, eventuell sogar zwinkerst, um eine Art Auslöser-Effekt zu erzielen. Meine Töch ter halten mich im Memory für beinahe unbezwingbar, nur mein dauerndes ner vöses Zwinkern kommt ihnen irgendwie komisch vor
ANDREAS BREITFELD, 49, ist Deutsch lands bekanntester Biohacker. Er forscht in seinem speziellen Lab in München.
BIOHACKING umfasst, vereinfacht gesagt, alles, was Menschen eigenverantwortlich tun können, um Gesundheit, Lebensqualität und Langlebigkeit zu verbessern.
DIE BIOHACKING-PRAXIS
Der Performance-Lifestyle-Podast für alle, die mehr über Biohacking (und sich selbst) erfahren wollen. QR-Code scannen und reinhören.
DOPPELGÄNGER NGC-42
Erst waren wir sprachlos, dann begeistert – und ja, das ist eine Uhr. Ausgestattet mit einem fliegenden Tourbillon (höchste Uhrmacherkunst für grösste Genauigkeit) und vier Mini-Stahlketten, ist sie auch innen umwerfend. In Österreich erdacht, in der Schweiz produziert, vom Weltall inspiriert – nur auf Bestellung. Ab CHF 156 000; doppelgaenger.com
AB IN DEN ALL - TAG!
DAS GEHÄUSE ist aus Stahl, gibt es aber auch in Gelbgold und schwarzem Titan.
Zeit im Bild Edler Burgunder, Meerestiefen, Mutter Erde –was Uhrmacher zu ihren modernen Klassikern inspirierte.
Text JULIAN VATER, WOLFGANG WIESER
GANZ SCHÖN SCHNELL
OMEGA SPEEDMASTER ’57
Die ’57 ist ein Hinweis für alle, die Traditionen lieben. Tatsächlich wurde die Speedmaster 1957 für den Motorsport entwickelt, bevor sie an Astronauten handgelenken ihre Bestim mung fand. Schlanker und schmäler, feiert sie heuer ein Comeback in Burgunderrot. CHF 8 300; omega.com
DIE UMRANDUNG
aus gebürstetem Stahl ist schmäler, das Gehäuse nur 12,99 Millimeter hoch.
AM GRUND DES MEERES
CITIZEN PROMASTER
1983 entdeckten Taucher an Australiens Long Reef Beach eine Uhr, die über und über mit Seepocken bedeckt war. Ein Hinweis, dass sie Jahre im Wasser gelegen war –doch das Werk tickte immer noch. Knapp 40 Jahre später diente sie als Inspiration für eine neue Taucheruhr. CHF 649; citizenwatch.eu
ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT
HAMILTON KHAKI NAVY FROGMAN AUTOMATIC
Eine moderne Abenteureruhr mit grosser Vergangenheit. Die technisch leistungsfähigste Uhr von Hamilton. Benannt wurde sie nach den Froschmännern der U. S. Navy, die die Originalmodelle während des Zweiten Weltkriegs trugen. CHF 1 150; hamiltonwatch.com
ZEITREISE UM DIE WELT
BREGUET HORA MUNDIWellen aus Gold, Meere in feinen Blautönen, Kontinente aus Saphir – diese Uhr ist eine Schönheit, die Welt gerade gut genug. Drei Jahre Entwicklungsarbeit und vier Patente machen aus diesem Zeit messer ein Meisterwerk von wunderbarer Leichtigkeit. CHF 74 200; breguet.com
DER MEERWERT
Das Armband besteht aus Plastik, das aus dem Meer gefischt wurde.
RETRO VON MORGEN
CERTINA DS CHRONOGRAPH AUTOMATIC 1968
Der neueste Chronograph der Schweizer Uhrenmanu faktur Certina bewegt sich zwischen den Welten. Das Design ist von einem Modell aus den 1960er-Jahren inspi riert, doch sein Herz schlägt im Rhythmus eines hoch modernen Automatikwerks. CHF 1 970; certina.com
EIN BLAUES WUNDER
SWATCH BIG BOLD CERAMIC Eine SWATCH im SkeletonLook. Der Fokus dieses BIG BOLD BIOCERAMIC-Modells ist ganz klar das grosse Zifferblatt mit Cut-out und 3D-Effekt. Das Uhrglas ist biobasiert. Schwarz auf Blau und Blau auf Schwarz. Ein echter Hingucker. CHF 140; swatch.com
SPORTWAGEN AM HANDGELENK
TAG HEUER CARRERA X PORSCHE RS 2.7
Eine Partnerschaft mit viel Geschichte. Die Uhr ist eine Hommage an eines der ikonischsten Modelle von Porsche: den Porsche 911 Carrera RS 2.7, der 2022 seinen fünfzigsten Geburts tag feiert. 500 Exemplare gibt es von dieser blauweissen Schönheit. CHF 7 550; tagheuer.com
DIE MEHRLEISTERIN
GARMIN FE NIX
Eine Smartwatch mit enormer Vielfalt, steuerbar über Tasten oder Touch screen. Ziel und Inspiration der fe¯nix war und ist: ihrem Träger mehr Leistung zu ermöglichen. Im Gepäck: 60 Sport-Apps als zusätzliche Challenge. CHF 1 099; garmin.com
DAS ARMBAND gibt es aus Titan, aber auch als Kautschuk-Variante.
TICK IT LIKE BECKHAM TUDOR PELAGOS 39
Die perfekte Uhr für den modernen Gentleman? David Beckham empfiehlt aktuell die Pelagos 39. Eine Uhr für jeden Anlass. Sportlich, urban und klassisch. Tudor kombiniert die Funktionen einer professionellen Taucheruhr mit eleganter Vielseitigkeit. CHF 4 200; tudorwatch.com
DAS WERK ist mit dem Kaliber MT5400 ausgestattet.DAS HOCHFREQUENZWERK garantiert ein Maximum an Präzision.
EIN KISSEN AUS STAHL LONGINES ULTRA-CHRON
An dieser Uhr gefällt uns besonders das kultige kissenförmige Stahlgehäuse – inspiriert von ihrem Vor gänger aus dem Jahr 1968.
Sie verfügt über eine einseitig drehbare Lünette und einen verschraubten Gehäuseboden. Zudem bietet sie hervorragende Ablesbarkeit und ist für Tauchfans bis 30 Bar (300 Meter) wasserdicht.
CHF 3 500; longines.com
EIN STÜCK FORMEL 1
REBELLION RE-VOLT
VALTTERI BOTTAS ZHOU GUANYU C42
Zwei Uhren, auf jeweils 50 Stück limitiert. Wer sich eine dieser beiden zulegt erwartet ein ganz beson deres Erlebnis hinter den Kulissen des Alfa Romeo F1 Teams Orlen. Für weitere Infos kontaktiere pr@rebellion-timepieces. com. CHF 59 000; rebellion-timepieces.com
VALTTERI BOTTAS hat seine blaue Edition selbst mitdesignt.
AUF TAUCHGANG
DOXA ARMY
50 Jahre nach der Geburts stunde der DOXA Army feiert DOXA ihre Zusammenarbeit mit der Elitetaucher-Einheit der Schweizer Armee. Die DOXA Army aus Edelstahl ist in zwei Lünettenvarianten erhältlich: erstmals mit Lünette aus Bronze, Keramikeinsatz aus Edelstahl. Ab CHF 1 950; doxawatches.com
GRÜN WIE DER SCHWARZWALD
JUNGHANS MEISTER CHRONOSCOPE
Je nach Lichteinfall verändert sich das Grün des gewölbten Zifferblatts –von einem warmen Tannen grün zu einem mystischen Dunkelgrün, auch eine Remi niszenz an die JunghansHeimat, den Schwarzwald.
PS: Das Armband in Macchiatobraun ist aus Straussenleder. CHF 2 250; junghans.com
ZEIT WIE IM FLUG
BELL & ROSS BR 03-94
Das Runde im Eckigen hat in diesem Fall nichts mit Fussball zu tun, sondern mit der Inspiration für diese Bell & Ross: eine Cockpituhr. Ansonsten lassen sich mit ihr Puls, Atemfrequenz und diverse Sportaktivi täten messen. Vielseitigkeit wird grossgeschrieben. CHF 5 300; bellross.com
Der göttliche Clash der Kulturen
US-Autor Kevin Hearne haucht archaischen Mythologien mit einer Portion Humor neues Leben ein. Gelernt hat er bei Homer – und zwar nicht Homer Simpson.
Text JAKOB HÜBNEROkay, wirklich neu ist die Idee nicht. Be kanntlich erkannte ein gewisser Homer – nicht Simpson, sondern der mit dem Trojanischen Pferd – bereits vor knapp 3000 Jahren die epische Wucht, die in einem offenen Schlagabtausch zwischen Menschen und Göttern schlummert. Und dann immer wieder bedrohlich erwacht! Und er, also Homer, blieb damit nicht allein. Bis heute hat man sich im Laufe der Literaturgeschichte bei den polytheistischen Mythologien
immer wieder recht ungeniert bedient, auch die ComicSzene hat sich da von «Thor» abwärts einige fette Scheiben abgeschnitten. Warum auch nicht. Wenn es um klassische Archetypen geht, erweisen sich die Götterwelten von Olymp, Asgard & Co als wahre Fundgruben.
Besonders üppig fällt die belletristische Beute aus himmlischen Gefilden seit Beginn des Fantasy-Booms Anfang des neuen Jahrtau sends aus. Internationale Bestseller wie die Jugendromanreihe «Percy Jackson»
von Rick Riordan oder Neil Gaimans mittlerweile zum Kultbuch erhobene «Ame rican Gods» ebneten den Weg für ein Subgenre der so genannten Urban Fantasy, in dem, das ist der Markenkern, ein munteres Kommen und Gehen zwischen Realität und Mythologie herrscht.
In dieser archaisch per forierten Welt fühlt sich auch der US-amerikanische Autor Kevin Hearne, 51, wie ein klei ner Gott. Gleichzeitig sind sei ne Romane ein gutes Beispiel dafür, wie man aus einem allgemeinen Trend etwas
«Papier & Blut», Kapitel 1, erster Absatz
«Wenn man jemandem eröffnet, dass er vielleicht bald sterben muss, sollte man ihn am besten vorher zu einem Whisky einladen. Dann kann er ihn trinken oder ihn einem ins Gesicht schütten und wird sich dabei zumindest ein kleines bisschen besser fühlen. Das ist einfach ein Gebot der Höflichkeit.»
BUCHTIPPS Made in China
Chinesische Autoren sind auf internationalen Bestsellerlisten längst keine Exoten mehr.
komplett Eigenständiges des tillieren kann. Wenn man’s eben kann.
Bekannt wurde Hearne mit seiner «Chronik des Eisernen Druiden», die von «Gehetzt» (2013) bis «Zerschmettert» (2019) insgesamt neun Bän de umfasst. Titelheld ist der irische Druide Atticus O’Sullivan, der aussieht wie ein einundzwanzigjähriger Hippie-Surfer, tatsächlich aber rund zweitausendein hundert Jahre alt ist und ein legendäres Schwert auf dem Rücken sowie einige erstaun liche Fähigkeiten im Talon hat.
Gemeinsam mit seinem klugen Gefährten Oberon (kein Elfenkönig wie im «Som mernachtstraum», sondern ein Hund) liefert sich Atticus inmitten der USA des 21. Jahr hunderts mehr oder weniger blutige Scharmützel mit aller lei obskuren Wesenheiten –wobei Hearne nicht nur den keltischen, griechischen und nordischen Pantheon in voller Truppenstärke aufmarschie ren lässt, sondern, wenn er schon dabei ist, auch Vampire, Werwölfe und noch deutlich seltsamere Kreaturen aus dem Fabelreich.
Das Ergebnis ist ein Culture Clash von wahrlich göttlichen Ausmassen. Und dank dem teils über Jahrtausende ge reiften – zynischen Humor der handelnden «Personen» im wahrsten Sinne des Wortes ein Heidenspass.
Aber es kommt noch bes ser. Im Spin-off «Die Chronik des Siegelmagiers», von dem bisher zwei Romane – «Tinte & Siegel», 2021, und «Papier &
Blut», 2022 – erschienen sind, legt Kevin Hearne noch ein ordentliches Schäuferl elabo rierten Wahnwitzes drauf.
Im Mittelpunkt steht dies mal der stattliche Schotte Al MacBharrais, einer von weltweit fünf Spiegelmagiern, deren Job es ist, für Ordnung zwischen den Sphären zu sorgen und die Menschheit vor schurkischen Übergriffen aus der Welt der Mythologie zu schützen. Als Waffen die nen Al dabei Tinte und Papier, mit denen er magische Siegel erschaffen kann, die wie Zau bersprüche wirken.
Ihm zur Seite stehen seine junge Managerin Nadia, die sich ganz vorzüglich auf den Nahkampf mit Rasiermessern versteht, der whiskysaufende Kobold Buck Foi, eine Rezep tionistin, die auf den schönen Namen Gladys hört und schon viel Übles erlebt hat – und ein erstaunlicher junger Mann mit Hund, der aussieht wie ein Hippie-Surfer
CIXIN LIU
Der Auftakt der TrisolarisTrilogie von Cixin Liu, 59, wurde 2015 als erster chine sischer Roman mit dem Hugo Award, dem international renommiertesten Preis der Science-Fiction-Literatur, ausgezeichnet. Die deutsche Über setzung erschien 2017 unter dem Titel «Die drei Sonnen». «Der dunkle Wald» (2018) und «Jenseits der Zeit» (2019) komplettieren dieses faszinierende Meisterwerk. «Die drei Sonnen» (Heyne)
JIN YONG
«Wuxia» steht für martia lische Helden-Epen, in denen sich traditionelle Kampf kunst mit Versatzstücken der Fantasy-Literatur und spiri tuellen Einflüssen vereint. Als einer der Genre-Grossmeister gilt Jin Yong (1924–2018), dessen opulente, dreiteilige «Legende der Adlerkrieger» gerne als chinesisches Pen dant zu Tolkiens «Der Herr der Ringe» bezeichnet wird. Richtig grosses Kino. «Die Legende der Adler krieger» (Heyne)
CAI JUN
Mit mehr als 13 Millionen ver kauften Exemplaren zählt Cai Jun, 43, zu den produktivsten und erfolgreichsten ThrillerAutoren Chinas. In deutsche Übersetzung hat es bisher allerdings erst eines seiner Bücher geschafft: «Rache geist», ein düster angetra gener Mix aus Suspense, Mys tery und Horror, für den Cai Jun von der Kritik post wendend zum «chinesischen Stephen King» geadelt wurde. «Rachegeist» (Piper)
Mit dem tödlichen Katzund-Maus-Spiel zwischen Polizeibehörden und einem Psycho-Serienkiller bedient sich Zhou Haohui, 44, in seiner Best sellerreihe «18/4» zwar eines ausgeweideten Thriller-Settings, die – aus westlicher Sicht – ungewohn ten gesellschaftlichen Struk turen (samt Korruption) ver passen dem Genre aber einen spannenden neuen Anstrich. «18/4 – Der Hauptmann und der Mörder» (Heyne)
KEVIN HEARNE
«Papier & Blut – Die Chronik des Siegelmagiers» (Klett-Cotta)Deutsch von Friedrich Mader und Tamara Rapp ZHOU HAOHUI
Dezember
RED BULL DANCE YOUR STYLE WORLD FINAL
Wir tanzen in den Winter – mit gleich mehreren Highlights (mehr dazu links unten). In der südafrikanischen Metropole Johannesburg kommen die besten Tänzerinnen und Tänzer der Welt zusammen, um im Red Bull Dance Your Style 2022 World Final herauszufinden: Wer hat die besten Moves? 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 30 Ländern messen sich in friedlichen Battles – und verschiedensten Tanzstilen. Angucken – und für den nächsten Club-Abend lernen: redbull.com/danceyourstyle
November RED BULL BC ONE WORLD FINAL
Und noch ein DanceEvent: Diesmal geht’s um Breaking. Beim Red Bull BC One World Final 2022 in New York batteln sich die besten 16 B-Girls und 16 B-Boys der Welt. Für die Schweiz treten dieses Jahr an: B-Girl Jazzy Jes und B-Boy Deijva. Wie die beiden sich gegen die Weltelite schlagen, kannst du auf Red Bull TV mitverfolgen. redbullbcone.com
Dezember bis 4. Januar ZAUBERHAFTE WEIHNACHTSZEIT
Der Eichhörnliwald in Lenzerheide verwandelt sich von 16. 12. bis 4. 1. in den «Zauberwald» – einen Mix aus Weihnachtsmarkt und Musikfestival (u. a. Hecht) mit sagenhaften Lichtinstallationen. Einen Ableger davon gibt’s auch am Flughafen Zürich, nämlich den «Zauberpark» (24. 11. bis 11. 12.). zauberwald-lenzerheide.ch
bis 16. Dezember
RED BULL CAMPUS CLUTCH
Bei dem Taktik-Shooter «VALORANT» treten zwei Teams gegeneinander an: Eines versucht, eine Bombe zu platzieren, das andere muss sie ent schärfen. Gespielt wird fünf gegen fünf. In den vergangenen Monaten spielten Studierende aus 50 Ländern um die natio nale Meisterschaften. Jetzt kommt es in São Paulo zum Showdown –beim Red Bull Campus Clutch World Final. redbull.com/ campusclutch
November BRASILIEN VS. SCHWEIZ
Am 20. November star tet die Fussball-WM in Katar. Im zweiten Grup penspiel kommt es zum Wiedersehen mit RekordSieger Brasilien. Die Südamerikaner waren schon vor vier Jahren unser Gruppengegner. Damals trennten wir uns 1:1. Aber da stürmte ja Noah Okafor (Foto) auch noch nicht für die Nati.
Playlist
TIMOTHY B. SCHMIT«Rasende Hormone»
Timothy B. Schmit, Bassist der legendären Eagles, verrät den Song, mit dem er Ladys zum Tanz auffordert – und warum Playlists ohne Beatles völlig sinnlos wären.
Die Eagles sind eine der grössten Rockbands aller Zeiten. Belege? Gerne: Auf ihrer Visitenkarte ste hen fünf Nummer-eins-Singles, sechs Grammy Awards und sechs Nummer-eins-Alben, darunter das in den USA meistverkaufte Album der Geschichte: «Their Greatest Hits (1971–1975)». 1977 stiess Timothy B. Schmit als Bassist dazu, während die kalifornische Band gerade auf Tournee zu ihrem legendären Album «Hotel California» war – und ist bis heute ein Eagle. Seit 45 Jahren. 1998 wurde der bald 75-Jährige in die Rock and Roll Hall of Fame auf genommen. Ausserdem hat er sieben Solo-Alben produziert, zuletzt erst vor kurzem «Day by Day». Den Grund stein für diese aussergewöhnliche Karriere haben vier Tracks gelegt.
Der QR-Code führt zur PodcastPlaylist mit T. B. Schmit auf Spotify. timothybschmidt.com
ROSIE & THE ORIGINALS
ANGEL BABY (1961)
«Als ich ein Kind war, gab es in der Aula unserer Schule diese Tanz veranstaltungen, bei denen die Jungs auf der einen Seite des Raumes stan den und die Mädchen auf der anderen. Als dann dieser Song kam, verlor ich meine Hemmungen und forderte eine von ihnen auf. Dieser langsame Tanz und dazu meine rasenden Hormone – das gab mir Mut. Bis zum heutigen Tag liebe ich ‹Angel Baby›.»
LENNY WELCH SINCE I FELL FOR YOU (1963)
«Wenn ich meine morgendlichen Dehnübungen mache, schalte ich einen Sender namens Seven Inch Soul ein, auf dem alte Soul-Platten wie ‹Since I Fell For You› laufen, die ich 1963 zum ersten Mal gehört habe. Obwohl ich glaube, dass der Song schon in den 40er-Jahren geschrie ben wurde, ist Lennys Version ganz einfach grossartig. Ein echtes Liebes lied, das mich wirklich berührt.»
THE BEATLES THE WORD (1965)
«Für mich gibt es keine Playlist ohne einen Beatles-Song. Aber wie wählt man aus derart vielen grossartigen Liedern ein einziges, ganz bestimmtes aus? Der Song, der mir sofort in den Sinn kommt, ist aus dem Album ‹Rub ber Soul›. Er hat etwas, was ich noch nie zuvor gehört hatte. Es ist eine ganz spezielle Kombination aus der Melodie, der Synkopierung und dem Arrangement – aber hört selbst!»
THE STAPLES SINGERS RESPECT YOURSELF (1971)
«Der Song stammt aus der GospelWelt von The Staples Singers. In den frühen 70er-Jahren war er überall im Radio zu hören, und das hat seinen Grund: Er hat etwas so Aufregendes und Neues an sich – von den Rhyth men über das Bass-Solo bis hin zu Pops Staples’ Gitarre und Mavis Staples’ wunderbarem Gesang. Der Song heisst ‹Respect Yourself› –einer dieser zeitlosen Imperative!»
GOOD VIBRATIONS
THERABODY SMARTGOGGLES
Ähnelt einer VR-Brille, hilft aber beim Relaxen. Wie? Sie massiert, temperiert und vibriert. Therabody, die Massagepistolen-Profis, haben es jetzt nämlich auf deinen Schlaf abgesehen. Die Brille unterstützt beim Fokussieren, Abschalten und Einschlafen. therabody.com
SPA TO GO Multisensorische Klangtherapien gibt es in der «Therabody»-App.
WIR SIND FEIGE! RED BULL WINTER EDITION
Eisklettern, Snowkiten, Ski fliegen – oder Rodeln? Egal wobei du dir dein Adrenalin holst, die Limited Edition von Red Bull darf dabei nicht fehlen. Diesen Winter verleiht uns Feige-Apfel mit einem leichten Hauch von Karamell und winterlichen Gewürznoten Flügel. redbull.com
ULTRAVIOLETT
Emi gibt es in sechs Farben. Unsere Stimme geht an Parma.
KUNST, DIE MAN TRINKEN KANN
ARTWORK METAMORPHOSIS
Camillo Stepanek ist für seine Pop Art Nouveau bekannt. Sein Werk «Metamorphosis» – Goldblätter auf Holz –hängt bei Ex-Teamkapitän Christian Fuchs in New York. Nun arbeitet der 35-Jährige mit Birkenholz, das er in die Cuvée von Winzer Josef Stadler legt. popartnouveau.com
VERLOCKEND MÜHLBAUER-MÜTZE EMI
Wenn’s dir den Schnee um die Ohren bläst und du zu verlässig einen warmen Kopf behalten möchtest, bist du bei der über 100 Jahre alten Hutmanufaktur genau richtig. Model Emi besteht aus Sherpa wolle, einem klein gelockten, weichen Webfell aus Wolle. muehlbauer.at
Tipps
Trends
INNERE WERTE
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Ein Kleinformat mit ganz viel Platz: Im handgepäckstaug lichen Softkoffer bleibt deine Kleidung dank einer Netz abdeckung schön gestapelt, das Elektronikfach kann bei der Sicherheitskontrolle komplett aufgeklappt werden, und den Rest packt er auch leicht – und geordnet. patagonia.com
EXTREM ROBUST
Besonders nässe abweisend, abriebfest und aus RecyclingMaterialien
Richtig gutes Zeug
LITTLE BLACK BOX
VITRA MEHRFACHSTECKER AMPI
Geschlossen ist Ampi ein wohlproportioniertes Objekt, das mit seinen Reizen geizt. Legt man ein Smartphone auf, elektrifiziert es den Arbeitsplatznomaden – und lädt. Geöffnet gibt es fünf Anschlüsse preis: je zweimal Strom und USB-A sowie einmal USB-C. vitra.com
IN ORDNUNG
Schwarz passt nicht ins Homeo∞ceFarbkonzept? Ampi gibt es auch in softem Grau.
VATER - ROLLER
«LITTLE SKATE RATS – DAS GEHEIMNIS»
Am Skateboard und im «Titus», dem Skate-Laden seines Vaters, aufgewachsen, gibt Zweifach-Papa Julius Ditt mann sein Wissen nun an die nächste Generation weiter: Sein Geheimnis für die ersten Rollversuche? Das müsst ihr schon selbst herausfinden! littleskaterats.com
LISE MEITNER DIE HEILIGE RATIONALITÄT
Die Geschichte kann ein Schalk sein, manchmal ein bösartiger, und manchmal stellt sich eine Bösartigkeit im Nachhinein als eine – wenn wir schon schwur beln, dann gleich theologisch –, als eine Gnade heraus. Dies ist die himmelschrei ende Ungerechtigkeit: Lise Meitner, eine der bedeutendsten Physikerinnen des 20. Jahrhunderts, wurde nicht mit der Aufmerksamkeit gewürdigt, die ihr und ihrer Arbeit zustünde. Sie hat die Voraus setzungen – und auch die Folgen! – der Kernspaltung berechnet, hat gemeinsam mit Otto Hahn die ersten erfolgreichen Experimente auf diesem Gebiet durchgeführt. Die Lorbeeren wurden dem Kollegen ums Haupt gewunden: Otto Hahn erhielt für diese Entdeckung 1944 den Nobelpreis. Es heisst, wenn er mit Freunden zusammengesessen sei, habe er durchaus immer darauf hingewiesen, dass er nicht allein und so weiter. In der Öffentlichkeit, besonders in der deutschen, die damals eine nationalsozialisti sche Öffentlichkeit war, hat er den Namen seiner Kollegin, mit der er eng befreundet war – gewesen war –, nicht erwähnt. Lise Meitner war Jüdin, und zu dieser Zeit befand sie sich bereits im Exil, erst in Schweden, später in England.
MICHAEL KÖHLMEIER
Der Vorarlberger Bestsellerautor gilt als bester Erzähler deutscher Zunge. Zuletzt erschienen: der Roman «Matou», 960 Seiten, Hanser Verlag.
ferner war, wollte Otto Hahn darüber nicht diskutieren. Er berief sich auf die Zweckfreiheit der Wissenschaft, auf die Unschuld der Wissenschaft. Nun wäre er gern nicht allein unter der dunklen Wolke gestanden. Die Geschichte ist ein Schalk. Lise Meitner blieb es weitgehend erspart, sich rechtfertigen zu müssen.
Wo aber waltet hier die Gnade? Spätestens seit die Atombomben über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki abgeworfen worden waren, schwebte über dem Ruhm des Otto Hahn eine düstere Wolke. Im Unterschied zu Albert Einstein, der sich seiner Verantwortung für diese menschheitszerstörende Waffe immer bewusst war und auch darüber sprach, obwohl seine Beteiligung ungleich
Eine Frau wie Lise Meitner würde man heute als cool und taff bezeich nen. Nichts schien sie aus der Ruhe bringen zu können, und mit Ruhe sind Konzentration und straffe Trennung von Wesentlichem und Unwesentlichem ge meint. Als junge Frau war sie überzeugt, jedes Problem, wenn man nur kräftig wolle und wenn man genügend informiert sei, lasse sich ratio nal lösen. Auch wenn einer unverständlicherweise nicht will, könne er mit rationalen Argumenten überzeugt werden. Dass Frauen nicht nur nicht zum Studium an einer Universität, sondern nicht einmal zur Reifeprüfung an einem Gymnasium zugelassen waren, hielt sie für einen Unsinn – aber für einen Unsinn, der mit Geduld und Argumenten beseitigt werden könne. Sie behielt recht. 1899 öffnete die Universität Wien auch für junge Frauen ihre Tore. Da war Lise bereits einundzwanzig Jahre alt. In Rekordtempo holte sie die Matura nach. Der Unsinn hatte sie gut drei Jahre ihres Lebens gekostet.
Sie studierte Physik und Mathematik, das Physi kalische Institut nahe der Universität in Wien war für sie, wie sie später einmal sagte, mehr Heimat als jeder andere Ort, an dem sie je gelebt hatte. Der be rühmte Ludwig Boltzmann lehrte damals wieder in Wien, einen Lehrauftrag in Berlin hatte er zuvor aus
Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die aussergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren faktentreu, aber mit literarischer Freiheit.
Folge 14: die Wiener Physikerin, die als Erste die Kernspaltung berechnete.
gesundheitlichen Gründen abgelehnt. Boltzmann erkannte die Begabung von Lise Meitner, er wurde ihr Mentor – er selbst sagte, auch ihr Freund. Sie hielt Distanz, wie zu allen ihren Kollegen – Kollegin nen gab es damals keine. Auch die zwischenmensch lichen Beziehungen, daran glaubte sie damals, seien auf rationalen Faktoren aufgebaut, in positiven Fäl len bewegen sie sich auf einer Skala von Liebe bis Respekt. Die negativen Fälle interessierten sie nicht – sie meinte, es liege in ihrer Macht, ihnen aus dem Weg zu gehen. Über die Liebe wusste die junge Frau noch gar nichts, der Respekt bemass sich an der Ar beit und der Ernsthaftigkeit ihres Gegenübers, und hier gab sie Professor Boltzmann die Note Sehr gut.
Lise Meitner war in einer liberalen Familie aufgewachsen, ihr Vater, Philipp Meitner, war ein sehr erfolgreicher Rechtsanwalt – und zudem ein weltberühmter Schachspieler. Seine sogenannte «unsterbliche Remispartie» gegen Carl Hamppe wird bis heute in klassischen Schachbüchern diskutiert. Die Religion spielte im Leben der Familie keine Rolle, als junge Frau konvertierte Lise zum Protestantismus – hauptsächlich, um einer Diskriminierung als Jüdin auszuweichen. Es gab keine fnanziellen Sorgen. Das Leben, das private ebenso wie die grosse Politik, schien am Beginn des neuen Jahrhunderts geregelt. Die Welt stand offen für den, der darin eine Rolle spielen wollte. Man konnte, wie Stefan Zweig schrieb, von Schweden bis zum Schwarzen Meer fahren, ohne einmal den Pass vorzeigen zu müssen. Die Familie war der Überzeugung, alles ist gut, alles wird besser. Tochter Lise lieferte dafür den Beweis. Sie war eine der ersten Frauen an der Universität gewesen und nun die einzige am Institut, Professor Boltzmann schätzte sie mehr als alle anderen. Dass Frauen immer noch benachteiligt waren, das nannte er – wie seine Schülerin – einen Unsinn, und wie seine Schülerin glaubte er, mit Geduld und Vertrauen in die rationalen Kräfte des Menschen werde dieser Unsinn sich bald erledigen.
Und dann geschah das Unvorstellbare: Ludwig Boltzmann nahm sich das Leben. Während eines Genesungsurlaubs in Duino an der Adria erhängte er sich. Für Lise brach eine Welt zusammen. Dieser Mann, der ihr, wie sie sich erinnern sollte, «die Schönheit der theoretischen Physik» gezeigt hatte, die doch nichts anderes sei als die Schönheit der
Schöpfung, gleich ob es einen Schöpfer gebe oder nicht; dieser Mann war nicht nur ein Vorbild gewesen, nicht nur ein Lehrer, der damals als Einziger ihre ausserordentliche rationale Begabung erkannt hatte: Sie hatte ihm vertraut. Sie hatte ihm ihr Leben anvertraut. Denn ihr Leben, das war die Forschung am Kleinsten, und die hatte sie am Institut von Pro fessor Boltzmann leisten können. Und: Sie hatte diesen Mann geliebt. Sie wusste, dass er krank war, dass er unter tatsächlich unheimlichen Gemütsschwankungen litt. Dennoch: Sie hatte ihn für un verwundbar gehalten, für einen unzerstörbaren Fels in der Wissenschaft – und in ihrem Leben.
Lise Meitner war achtundzwanzig Jahre alt. Nun hatte sie die Erfahrung gemacht, der Mensch und die Welt sind fligran, sie können zerbrechen. Sie können zerstört werden.
Und bald würden die Welt und die Menschen zerstört werden. Lise zog nach Berlin, dort lehrte der Physiker Max Planck, dessen Vorlesungen sie besuchte – illegal, denn in Preussen waren Frauen noch bis 1909 nicht an Universitäten zugelassen. Lise besorgte sich einen Herrenanzug, band sich eine Krawatte um und setzte sich einen Hut auf. Die Kom militonen und auch Professor Planck wussten Be scheid, inzwischen hatte sich die junge Frau einen Ruf als vorzügliche Wissenschaftlerin er worben, ausserdem wurde die Verkleidung als ein «Akt des guten Willens» gewürdigt – was Lise wiederum als schäbige Kleinkariertheit bezeichnete. Während einer Vorlesung lernte sie den Chemiker Otto Hahn kennen. Mit ihm sollte sie ein Vierteljahrhundert in gleichberechtigter Weise zusammenarbeiten.
Im August 1914 brach der Krieg aus, der später als Erster Weltkrieg bezeichnet wurde. Die an fängliche Begeisterung, besonders unter den jungen Menschen, Frauen genauso wie Männern, kann von einem heutigen Standpunkt aus nur gespenstisch genannt werden. Klar denkende Köpfe wie Thomas Mann oder Kurt Tucholsky, aber auch die Philosophin Edith Stein, die später heiliggespro chen wurde, liessen sich vom Todestrubel erfassen; so auch Lise Meitner. Sie bewarb sich für die Front und wurde in einem Lazarett im Osten als Röntgen schwester in der österreichischen Armee eingesetzt. Nach zwei Jahren, in denen sie das Grauen kennen gelernt hatte, kehrte sie desillusioniert nach Berlin zurück. Nun glaubte sie nicht mehr daran, dass menschliches Denken und Tun allein mithilfe der Rationalität in gute Bahnen gelenkt werden könnten.
Die Wissenschaft schien ihr eine selige Insel zu sein, auf der nur der reine Geist regierte. Und der reine Geist, was konnte damit anderes gemeint sein als eben Rationalität? Wissenschaft war doch aus schliesslich an Erkenntnis interessiert! Sie war
Lise Meitner war vor dem Ersten Weltkrieg eine der ersten Frauen an der Universität.
unschuldig, unbefeckt von Politik und Machtinter essen. Daran wollte Lise Meitner glauben. Es ist eine bittere Ironie, dass gerade sie, zusammen mit ande ren Wissenschaftlern – Otto Hahn, Fritz Strassmann, Otto Frisch –, den Gegenbeweis zu dieser naiv opti mistischen These lieferte.
1926 wurde Lise Meitner als erster Frau ein Lehr stuhl an einer deutschen Universität angeboten, sie wurde Professorin für experimentelle Kernphysik in Berlin. Ja, sie war naiv, politisch naiv. Über die Antrittsrede von Adolf Hitler als Reichskanzler 1933 sagte sie, die habe doch «sehr moderat geklungen, taktvoll und versöhnlich». Im selben Jahr wurde ihr die Lehrbefugnis entzogen. Sie war Jüdin – ob zum Protestantismus übergetreten, ob hochkarätige
Wissenschaftlerin oder nicht, das war den Nazis egal. Bald emigrierte sie nach Schweden und schliesslich nach England.
Nach dem Krieg, dem zweiten, leitete Lise Meitner die kernphysikalische Abteilung an der Technischen Hochschule in Stockholm. Ihr Werk wurde mit ungezählten Auszeichnungen geehrt, achtundvierzigmal war sie für den Nobelpreis vorgeschlagen. Auch mit Otto Hahn versöhnte sie sich. Sie forschte weiter bis zu ihrem Tod. Ihr Interesse galt nun der friedlichen Nutzung der Kernkraft. Sie übersiedelte nach Cambridge, dort starb sie im Alter von 89 Jahren.
BEYOND THE ORDINARY
Die Vorlesungen des Physikers Max Planck in Berlin besuchte sie illegal.Michael Köhlmeiers Geschichten gibt es auch zum Anhören im Podcast-Kanal von The Red Bulletin. Zu finden auf allen gängigen Plattformen wie Spotify, auf redbulletin.com/podcast oder einfach den QR-Code scannen.
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