FREITAG, 3. JULI 2020
EIN FAST UNABHÄNGIGES FORMEL-1-MAGAZIN TÄGLICH N EU
EXKLUSI EINBLICKVE E F Ü R EC MOTORS HTE PO FANS RT-
RÜCKKEHR DER HELDEN
STARS, EMOTIONEN, VOLLGAS: DIE KÖNIGSKLASSE FEIERT IHR COMEBACK AM SPIELBERG
2 Editorial F1 Spielberg
3. Juli 2020 The Red Bulletin
F1 Spielberg Editorial 3
The Red Bulletin 3. Juli 2020
Liebe Formel-1-Fans, 217 Tage lagen zwischen dem letzten Formel-1-Lauf 2019 und dem ersten des aktuellen Jahres, es war die längste Pause in der Motorsport-Geschichte. Unerfreuliches ist passiert in der Zwischenzeit, doch nun schauen wir nach vorn statt in den Rückspiegel: gut, dass es wieder losgeht, gut, dass wir uns nicht haben unterkriegen lassen. In aller Demut, aber auch mit großem Stolz dürfen wir jetzt ein kleines Stück Renngeschichte schreiben bei uns in Spielberg im grünen Herzen Österreichs: mit der welt weit ersten Großveranstaltung nach der Krise, mit einem Aufbruch in die Freiheit, die wir uns verdient haben, mit dem Auftakt zu einer WM, die viele schon abgeschrieben sahen, dem ersten Doppel-Grand-Prix von Österreich. Damit betreten wir Neuland, und genau diese Herausforderungen haben uns immer besonders angespornt. Denn so gehen wir die Dinge an: mit Freude, Optimismus und einem kleinen Augenzwinkern. Apropos: Auch Jochen Rindt war bekannt für diese Lebenseinstellung. Diesen Sonntag vor exakt 50 Jahren gewann er den Großen Preis von Frankreich und legte mit diesem seinem dritten Saison sieg den Grundstein zum späteren Weltmeistertitel. Ob es ihm gefallen hätte, was wir für dieses Wochenende und das kommende auf die Beine gestellt haben? Wir denken: ja – und wünschen Ihnen einen spannenden Formel-1-Saison auftakt, auch mit diesem Red Bulletin Special, das Ihnen ab heute an jedem Renntag einen Blick hinter die Kulissen der Königsklasse liefert und vielleicht auch das eine oder andere Lächeln auf die Lippen zaubern darf.
GETTY IMAGES, GÉRARD RANCINAN
DIETRICH MATESCHITZ
Viel Freude beim Lesen! Dietrich Mateschitz
4 Kolumne F1 Spielberg
3. Juli 2020 The Red Bulletin
BULLHORN: ALEX ALBON
Der Red Bull Racing-Pilot über Sim-Rennen, die Lust am Wettkampf und seinen ersten F1-Sieg.
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ie viele andere F1-Fahrer habe auch ich in den letzten Monaten meinen Rennhunger gestillt, indem ich an der Formula 1 Esports Series, der virtuellen F1-Meisterschaft, teilgenommen habe. Auch wenn es nicht annähernd an das Gefühl herankommt, einen echten Rennwagen zu steuern – eine unterhaltsame Methode, um bei der Sache zu bleiben und gegen einige der Jungs zu kämpfen, ist es allemal. Im Gegensatz zu anderen Fahrern wie Max Verstappen und Lando Norris hatte ich vor dem Shutdown allerdings kaum Erfahrung mit Simulator-Rennen. Als Jugendlicher habe ich zwar oft „Call of Duty“ gespielt, aber Rennspiele … nicht mein Ding. Aber das hat sich sehr schnell ge ändert, als diese Serie aufkam. Die Quarantänezeit war für alle hart, und die Möglichkeit, an irgendeiner Art von Challenge teilzunehmen, war großartig – und ich glaube, da spreche ich für alle Piloten, die da mitgemacht haben. Natürlich ist uns klar, dass die Rennen vor dem Schirm bloß ein Ersatz sind, aber es gibt immerhin ein Lenkrad und Pedale – und die Möglichkeit, sich gegenseitig zu übertreffen. Am Anfang haben wir den Wettbewerb nicht allzu ernst genommen und es ordentlich krachen lassen. Die Feinheiten des Reglements waren uns ehrlicherweise ziemlich egal. Aber als die Rennen dann „wirklich“ losgingen, sah die Sache plötzlich ganz anders aus. Auf einmal wollte niemand mehr seine Trainingsrundenzeiten offenlegen. Wir sind ernsthafter geworden, wenn auch nicht allzu ernst: Hätte etwa ein Crash wirklich zum Ausscheiden geführt, hätte kaum einer von uns ein Sim-Rennen beendet. Es war wie Flipper in Monaco. Es sind auch mal Autos im Hafenbecken gelandet. Trotzdem hat es unseren Ehrgeiz angestachelt, und – egal was die Jungs sagen – natürlich war es jedem wichtig, auch virtuell einigermaßen gut abzuschneiden. Ich konnte im Lauf des Turniers ein paar Podiumsplätze einsammeln und holte meinen ersten virtuellen Rennsieg, ironischerweise ausgerechnet in Brasilien – also dort, wo ich letztes Jahr meinen ersten Podiumsplatz verpasst habe, weil ich von Lewis Hamilton gerammt wurde. In den letzten Runden gab’s daher jede Menge Online-Chats von Leuten, die mich warnten: „Pass auf – Hamilton kommt!“ Es hat einfach Spaß gemacht. Dahinter steht aber natürlich immer die wichtige Frage: Hilft Sim-Racing dabei, auf Top-Level zu bleiben? Was die Fahrtechnik
Alexander Albon von Red Bull Racing belegte hinter seinem guten Freund George Russell den zweiten Gesamtrang in der Formula 1 Esports Series. Der in London geborene Albon, 24, fährt unter der Flagge Thailands. Sein Formel-1-Debüt gab er 2019 mit der Scuderia Toro Rosso, bevor er beim Großen Preis von Belgien zu Red Bull Racing wechselte.
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ALEX ALBON
etrifft, würde ich sagen: nicht allzu sehr. Aber es b hilft dabei, sich mental fit zu halten. Denn wenn du ein Rennen fährst, denkst du ständig: Okay, hier zwei Meter später bremsen, dort etwas früher einlenken, diesen Bordstein muss ich härter nehmen, versuche dies, versuche das. Und bei Sim-Rennen ist es genauso: Dein Hirn arbeitet auf Hochtouren. Davon kann man mental sehr viel ins echte Cockpit mitnehmen. Ich glaube, wir Fahrer haben alle eine Art „Rennverstand“, und Sim-Rennsport hilft, diesen scharf zu halten. Außerdem ist es einfach gut, den Druck zu spüren. Wir alle müssen uns immer selbst pushen, und die virtuellen Rennen geben uns dieses Gefühl, wenn auch nicht in der ganzen Intensität. Denn eines ist klar: Sosehr ich die Sim-Rennen auch genossen habe, dienten sie doch nur dazu, die Lücke zu füllen, die durch das fehlende Echte entstanden war. Jetzt aber sind wir kurz davor, die Saison richtig zu beginnen, und ich bin richtig heiß darauf. Es wird ein enorm harter Wettkampf werden, und ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass es nach der langen Pause keine Nervosität gibt. Es ist ein bisschen wie eine Reise ins Ungewisse. Aber ich bin bereit, die ganze Mannschaft ist bereit, und ich kann es kaum erwarten, zu sehen, wie sich diese Saison entwickelt.
TEAM ROTTENSTEINER RED BULL (COVER), YANN LEGENDRE
„Es war wie Flipper in Monaco!“
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BÖSE FEEN UND GUTE FREUNDE In drei Monaten Zwangspause verliert man leicht die Prioritäten aus den Augen. Drehen wir also eine kleine Runde auf dem Auffrischungskurs …
NEUE RENNEN
Im Winter freuten wir uns auf eine Reise nach Vietnam und bereiteten uns auf die Rückkehr nach Zandvoort vor. Beides blieb leider auf der Strecke. Aber man kann das Erlebnis simulieren, indem man fünf Tage lang bekleidet unter einer heißen Dusche steht, bevor man sich knallorange anmalt, 48 Stunden lang im Stau steht und dabei darüber jammert, dass man 1500 Euro pro Nacht bezahlt, um in jemandes Klo zu schlafen.
DIE HACKORDN
UNG Das Einzige, was Fe rrari davor bewahr te, wieder einmal ein br ennendes Sackerl Koala-Kacke vor de r Tür ihres Quartie rs in Melbourne zu fin den, war die Tat sache, dass sie bei den Wintertests ohnehin nicht konk urrenzfähig wirkte n – aber Tests können trügerisch sein. Und der Rest: Merce des wohl (wieder einmal) schwer zu schlagen, Red Bull Racing und McLaren ganz anständig und Racing Point – nun, siehe rechts…
SALON ROTER FRISIER te Ferrari Mys-
Saison hat ellt, Vergangene Motor angest em in se it m s icht noch teriöse A bat, dies n FI ie d in fh u wora ar, ist ein n. Was das w War es tu zu al m n ei is. tes Geheimn streng gehüte von magischen Kodas ein Laufrad, Wie auch rieben wurde? rivaten et g bolden an „p wurde in einer chte, immer, alles gelegt. Gerü Einigung“ bei von bösen Feen pp e dass eine Gru it-in inszenierten, nS ei in Maranello bestätigt werden. t h ic konnten n
ROSA VERSILBERT
Wenn Imitieren die ehrlichste Form der Schmeichelei ist, schmeichelt Team Racing Point Mercedes den Hintern blank. Man verwendet Mer cedes’ Motor, Getriebe und Hydraulik, nutzt deren Windkanal und kopiert nun auch Karosserie und Package von 2019. Aber man verschleiert das geschickt mittels rosa Lackierung. Sehr clever.
LUSTIGES SESSEL
RÜCKEN Mit dem Vertrags ende von mehr als der Hälfte aller Fa hrer versprach 2020 eine völlig verrückte Saison zu werden. Gerücht e, Gegengerüch te, Fahrermanager, die scheinlichsten O an den unwahrrten gesichtet w erden, quälende Pr essekonferenze n, bei denen sich w indende Piloten ihre Treue zum Team beschwören ... au f all das haben wir uns so gefreut. Jetzt sind drei Vi ertel der Deals ab geschlossen, be vor sich überha upt ein Rad gedreht ha dammten Egoist t. Habt ihr veren denn überha upt kein Herz für die Medien?! GADGETS UND GI
MMICKS Der Preis für da s innovativste Te chno- Gimmick geht an Mercedes. Nachd em die Stern-Techniker entschieden ha tten, dass Schaltwippen, D ru blinkende Anzeig ckknöpfe und nervös en an F1-Lenkräd ern nicht kompliziert genu g si dienteil erfunden nd, haben sie ein Be, das man nicht nur drehen, sondern au ch rein- und raus drücken kann. Man mun kelt, kochen und Vide es kann sogar Tee os auf TikTok po sten.
SHUTTERSTOCK
MATT YOUSON
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TEBAN VS DAN In der belieb IEL ten Disziplin „Teamkamer gegenseitig vo aden Daniel Ricciar n der Strecke kicken“ ve , die sich rsprachen do und Esteb an Ocon die unwidersteh Nummer „Ein liche Kraft tr e ifft auf eine an stehliche Kra dere unwider ft“ zu geben . Aber natürlic so tun, als w hm ollt ja, sie für län en sie fair spielen, denn R üssen sie gere Zeit als Teamkollegen enault plant zu … hoppala!
6 Gallery F1 Spielberg
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em MITTENDRIN: Start am 16. August 1970, nachd lt man bisher am Zeltweger Flugplatz rumgerumpe . Plätze besten die um sich man e drängt ich war. Natürl
WILDE ZEITEN
EDEL-FAN: Kein Geringerer als Frank Williams trägt das ikonische Jochen-Rindt-T-Shirt (obwohl der für Lotus fuhr und Williams bereits sein eigenes F1-Team betrieb.)
Ein kleiner Rückblick auf das erste Formel-1-Rennen am brandneuen Österreichring vor fünfzig Jahren.
1970 it, wie man sie anno RUSTIKAL: Sicherhe Teamkollege s en ch Jo te nn ko n verstand. Immerhi verlassen. tus-Wrack lebend John Miles sein Lo
BILDSCHÖN: Selbst in Zeiten vor GoPro und 5K war die Formel 1 jeden Meter Film wert. Bloß das mit den Selfies gestaltete sich schwieriger.
MOTORSPORTARCHIV, IMAGO
72 verreckte KRAXN: Der Lotus Heimrennen im be ausgerechnet war das letzte wieder einmal. Es m Jochen das F1-Rennen, bei de sen sollte. las ver t Auto selbs
WERNER JESSNER
BERÜHREND: Dass mit Jacky Ickx ein Ferrari-Pilot als erster Sieger in die Geschichte einging, entzückte die Tifosi. Dem Heimpublikum wäre Rindt lieber gewesen.
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BAUCHLADEN: In r den nächsten Jah zehnten sollte der Grand Prix eine e lukrative Einnahm quelle für die lokale n. Bevölkerung werde
FAHRERPARADE: Buggies waren das Ding zu jener Zeit und hatten den Vorteil, dass man den Piloten (Rindt) erkannte. Nachteil: den Fahrerhut auch.
BARTLOS: Clay Regazzoni startete 1970 im reifen Alter von 30 Jahren seine F1-Karriere. Der markante Schnauzer kam noch später. Danke an den offenen Helm für diesen Einblick!
MOTORSPORTARCHIV
COOLNESS: Irgendwie sahen Renn fahrer damals selbst im Stillstand unüberbietbar schneidig aus. Wir sehen: Jackie Stewart und François Cevert beim Schauen in der Box.
e, HISTORISCH: Das Publikum liebte die neue Streck und manche Fahrer liebten sie auch. Jean-Pierre Beltoise auf Matra (vorn) wurde Sechster und ergatterte damit den letzten WM-Punkt.
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E D N U T S DIE
R E G Ä J DER s zu einer s u h c s t r a t S r ällt de In Spielberg f voller Fragezeichen. n Formel-1-Saiso RNER, Teamchef von CHRISTIAN HO , sieht darin aber nicht g Red Bull Racin e Challenge, sondern m nur eine extre e Chance. ß auch eine gro Text JUSTIN HY
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trennen sie gerade von ihren Müttern. Das ist hier nicht wie im Büro!“ Doch auch wenn die landwirtschaftlichen Aktivitäten des Teamchefs weit entfernt von der Schnelllebigkeit des F1-Fahrerlagers sind, wirklich erholsam waren die letzten Monate für Christian Horner dennoch nicht. „Es war eine interessante Zeit, weil wir unglaublich beschäftigt waren mit der Überarbeitung der Vorschriften, die man gerade eingeführt hatte oder die im Begriffe waren in Kraft zu treten. Das war eine Menge
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n den meisten Tagen gleicht der natürliche Lebensraum eines Formel-1-Teamchefs einem Haifischbecken: Er muss seine Crew durch die politischen Stromschnellen des Fahrerlagers navigieren, mitsamt den machiavellistischen Machenschaften im Hintergrund, dem ewigenGerangel um die Finanzen und den verlässlich aufziehenden Sturmböen bösartiger Gerüchte. Um all dies zu managen, bedarf es einer gewissen Akrobatik. Aber es heißt ja nicht umsonst „Formel-1-Zirkus“. Für Christian Horner, Teamchef von Aston Martin Red Bull Racing, der ganz normale Alltag. Seit drei Monaten jedoch herrscht auch in der Formel 1 eine neue Normalität: Infolge der Covid-19-Krise wird nicht nur über aktuelle Regeln und Vorsichtsmaßnahmen diskutiert, auch weitgreifendere Entscheidungen stehen auf der To-do-Liste des 46-jährigen Briten, der die Geschicke von Red Bull Racing bereits seit Gründung des Rennstalls im Jahr 2005 leitet. Als wir ihn für ein Telefon-Interview erreichen, gibt’s als Hintergrundmusik allerdings nicht das Doppler- Gewinsel vorbeirasender Turbos, sondern das leise Mähen von Schafen und das Rauschen des Windes in den Bäumen. Homeoffice auf dem familieneigenen Landsitz. „Können Sie mich gut hören?“, fragt er. „Wir haben nämlich junge Lämmer und
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„MAX GEWANN HIER BEREITS ZWEIMAL – ÖSTERREICH IST EIN GUTER AUSGANGSPUNKT FÜR UNS.“
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Christian Horner führt das Red Bull Racing Team mit Fokus auf seinen dritten (und vielleicht vierten) Sieg auf der Heimatstrecke.
Arbeit“, erzählt Horner. „Der Vorteil daran war, dass ich mehr Zeit zu Hause mit meiner Familie verbringen konnte. Tatsächlich habe ich meine Kids mehr gesehen als je zuvor. Auf der anderen Seite haben mir natürlich die Rennen gefehlt, ich kann es kaum erwar ten, wieder an den Start zu gehen.“ Nun, das Warten hat ein Ende. Bereits am kommenden Wochenende wird Horner seine Mannschaft in die Hitze eines extrem inten siven, dicht gedrängten Wettkampfs um die Meisterschaft 2020 führen, der auf dem Red Bull Ring mit einem Doppelrennen beginnt. Zwischen diesem und den letzten beiden Rennen, die Red Bull Racing am steirischen Red Bull Ring bestritt, liegen jedoch Welten – zuletzt feierte ein Meer orange gekleideter Fans zwei Siege von Max Verstappen und seinem Team. Diesmal fällt die Entscheidung vor leeren Kulissen. „Wahrscheinlich wird es sich ein bisschen surreal anfühlen“, meint Horner, „aber es geht in erster Linie um das Rennen, und darauf werden wir extrem fokussiert sein. Für die Fahrer wird das ge nauso sein. Ich denke, es wird eher die Vor bereitung auf das Rennen und die Zeit da nach sein, die sich etwas komisch anfühlen, aber wenn die roten Lichter ausgehen, wird es sein wie immer.“
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usiness as usual, das bedeutete auf dem Red Bull Ring zuletzt zweimal in Folge: Sieg. „Ja, diese Strecke war in den letzten Jahren freundlich zu uns, wir waren hier sehr konkurrenzfähig“, bestätigt Horner. „Max hat zwei großartige Siege errungen, von denen der letzte eine geradezu märchenhafte Leistung war. Denn er musste jeden einzelnen Konkurrenten überholen. Sein letztes Überholmanöver auf der Strecke, vorbei an Ferrari-Pilot Charles Leclerc, hat er sich sehr hart verdient. Das zu toppen wird schwierig sein, aber wir sind äußerst entschlossen – und Österreich ist ein guter Ausgangspunkt für uns.“ Verstappens Performance in Spielberg 2019 war der Höhepunkt der bisher besten F1-Saison des 22-jährigen Niederländers
– einer Saison, in der er drei Siege, sechs weitere Podiumsplätze und in Summe den dritten Platz in der Fahrerwertung errang. Da sich das technische Reglement seit 2019 nicht großartig geändert hat, glaubt Horner, dass der RB16, das diesjährige Dienstfahrzeug, Verstappen die bisher beste Chance bieten sollte, ernsthaft um den Titel mitkämpfen zu können. „Es ist unser zweites Jahr bei Honda, da her sind wir jetzt stärker integriert. Es fühlt sich so an, als hätten wir in den letzten zwölf Monaten deutlich an Dynamik gewonnen“, zeigt sich Horner optimistisch. „Es gibt zwar immer noch eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf unsere Konkurrenten, aber wir hoffen, dass wir an unsere Leistungen an knüpfen können.“ Zuletzt war der RB16 am 28. Februar bei Testfahrten im Einsatz, damals lag Verstappen nur sieben Hundertstelsekunden hinter dem Schnellsten, Valtteri Bottas im Mercedes. Da nach folgte ein 63-tägiger Stillstand, eine Art künstlicher Winterschlaf, während dessen keine Arbeiten an den Autos durchgeführt werden konnten. Mit dem Saisonstart in
„BEI DEN TESTS LAGEN WIR NUR SIEBEN HUNDERTSTEL HINTER MERCEDES.“ Spielberg folgt nun das extreme Kontrast programm: acht Rennen in 63 Tagen. „Es wird sehr, sehr viel los sein“, gibt Horner zu. „Die Rennen werden dicht und schnell aufeinander folgen, aber zunächst werden wir mit den geplanten Vietnam-Up grades beginnen. Wir werden sehen, wie sie sich bewähren, welche Daten wir dadurch gewinnen und wie diese die nachfolgenden Entwicklungen beeinflussen werden.“ Obwohl der Zeitplan die Produktions kapazität des Teams bis ans Maximum aus lasten wird, erwartet der Red Bull Racing- Chef aber keine Auswirkungen auf dessen Innovationsfähigkeit.
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„FÜR RENAULT IST DAS NATÜRLICH EIN TRITT IN DEN ARSCH.“ „Eigentlich bin ich mir sicher, dass das Entwicklungstempo genauso hoch sein wird wie immer. Vor allem weil sich vieles von 2020 auf die Saison 2021 überträgt und dieses Auto auch für das nächste Jahr relevant bleiben wird.“ Anders sieht die Situation bei den Fahrern aus. Während die Autos für 2021 weitgehend unverändert bleiben, gibt es bei den Teamaufstellungen jede Menge Veränderungen. Der Shutdown wurde durch eine Reihe von hochkarätigen Ankündigungen belebt. Sebastian Vettel verlautbarte, dass er Ferrari zum Ende dieser Saison verlassen wird, als sein Ersatzmann wurde Carlos Sainz jun. bekannt gegeben. Daniel Ricciardo wiederum ließ die (Formel-1-)Welt wissen, dass er bei Renault aussteigt, um den Platz von Sainz bei McLaren einzunehmen. Da alle drei in der Vergangenheit dem Stall von Red Bull Racing angehörten, kennt Horner die Fahrer gut, von den Entwicklungen war er dennoch überrascht. „Wenn man bedenkt, dass wir noch nicht einmal ein Rennen hinter uns haben, ist ganz schön viel passiert“, lacht Horner. „Vor allem, was Sebastian betrifft. Ich bin sicher, er hat lange und intensiv über seine Entscheidung nachgedacht, und man muss sie respektieren. Er ist eine große Bereicherung für die Formel 1, und es wäre komisch, ihn nicht mehr dabei zu haben. Aber letztlich bleibt die Zeit nicht stehen, es werden immer wieder neue Talente auftauchen. Was Daniel angeht, erscheint es mir sehr früh, nach nur einer Rennsaison bei Renault zu wechseln. Aber auch er wird seine Gründe gehabt haben. Und für Renault ist das Ganze natürlich ein kleiner Tritt in den Arsch.“ 2021 bleibt jedoch zunächst ein Ziel in weiter Ferne. Bis dahin muss erst eine der ungewöhnlichsten F1-Saisonen bestritten werden. Darin sieht Christian Horner allerdings keinen Nachteil. „Wer die speziellen Herausforderungen dieser Saison am besten meistert, wird die Oberhand behalten. Und Red Bull hat sich immer als eine Mannschaft erwiesen, die sich schnell und gut anpasst. Deshalb sehe ich das eher als Chance.“ Bedeutet das, dass in Spielberg wieder zur siegreichen „Tagesordnung“ über gegangen wird? „Ich habe meine Lektionen auf die harte Tour gelernt und werde keine Vorhersagen machen“, lacht Horner. „Unser Ziel ist es, so schnell wie möglich konkurrenzfähig zu sein – und das fängt hoffentlich mit unserem Heim-Grand-Prix an.“
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FORMEL FUN KAMPF GEGEN DEN LAGERKOLLER Wie wir alle nutzten auch die F1-Stars die Zwangspause, um an den Kanten ihres Lebens zu feilen und sich für kommende Herausforderungen zu rüsten. Wir riskieren einen satirischen Blick auf mögliche Selbstoptimierungsprojekte unserer Helden.
CARLOS SAINZ JR.: ITALIENISCH LERNEN
Kimi hat nicht wirklich gemerkt, dass die Saison unterbrochen wurde – obwohl er sich manchmal schon fragt, warum er sich nicht an das Rennen vom letzten Wochenende erinnern kann. Er geht mal davon aus, dass seine Leistung in Ordnung war. In der Zwischenzeit beschäftigt er sich damit, in einer Ecke zu sitzen, in die Ferne zu blicken und geduldig darauf zu warten, bis er nach Spa-Francorchamps fahren kann. Da fahren wir doch hin, oder?
MATT YOUSON, JUSTIN HYNES
KIMI RÄIKKÖNEN: EINFACH NUR WARTEN
VINZ SCHWARZBAUER/AGENTAZUR.COM
Um sich auf den Wechsel 2021 von McLaren zu Ferrari vorzubereiten, hat Carlos mit dem Lehrbuch „Italienisch für Rennfahrer“ bzw. „Parlare italiano rapidamente“ (nur bei Bulletin Books erhältlich) seine Sprachkenntnisse aufgefrischt. Bisher hat er folgende Sätze gemeistert: „Sono stanco! Ottieni il ragazzo d’oro per farlo!“ (Ich bin müde! Lass das das Goldkind machen!); „Questa galleria del vento sembra molto elegante – perché ci sono dei tassi che la abitano?“ (Dieser Windkanal sieht sehr stylish aus – warum leben da so viele Dachse?) und „C’è un sacco di olio che stai mettendo nel motore; perde?“ (Das ist eine Menge Öl, die du in den Motor füllst; ist er undicht?)
The Red Bulletin 3. Juli 2020
F1 Spielberg Zeitvertreib 13
SEBASTIAN VETTEL: AN DER ZUKUNFT SCHRAUBEN Man weiß, wie sehr Seb Motorrad-Oldtimer liebt. Diesem Image gemäß investierte er massiv in sein Hobby, verkroch sich in einen Schuppen, schraubte an alten Motoren und vermied jeglichen menschlichen Kontakt – was man auch „verdammt noch mal in Ruhe gelassen werden wollen“ nennt. Der Lockdown war für ihn perfekte Gelegenheit, mehr aus seiner Leidenschaft zu machen und sie zu einem rentablen Geschäft auszubauen. Jetzt ist der Inhaber von Vettel’s Vintage Velocipedes mit seinem Arbeitskittel und dem öligen Putzlappen in der Tasche genau der Richtige, wenn du wen suchst, der sich deine 1988 BMW K1 mal anschaut, laut durch die Zähne pfeift und dann anbietet, sie für ein Schweinegeld komplett zu restaurieren. Schließlich kann man nie wissen, wie es weitergeht. Ein zweites Standbein könnte sich als nützlich erweisen.
DANIEL RICCIARDO: SURVIVAL-SKILLS SCHÄRFEN Social distancing ist leichter, wenn man auf einer Farm abseits der Zivilisation lebt (oder von dem, was auch immer man in Westaustralien Zivilisation nennt). Daniel fuhr Traktor, werkte an Dirt Bikes, sang mit einer Fistelstimme, die durch Metallplatten hätte schneiden können, und stylte seine Gesichtsbehaarung. Aber auf die schicken Instagram-Clips ist kein Verlass, die Darsteller sind digital überarbeitet, wenn nicht gar Körperdoubles. Böse Zungen behaupten, dass er drei Monate lang nur seinen Jogger trug, sich selbst die Haare schnitt und versuchte, ausschließlich mit Pringles und Bier zu überleben. Klarer Fall von Fake-News!
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3. Juli 2020 The Red Bulletin
DER KLEINE F1-
STYLEKNIGGE
n n milton – s die Kro Lewis Ha schlägt dem Fas t in den un– ib g n e a g d sterverle i L au e sehr ö Und Nik Gesicht. n Siebzigern ein oro Man. e b h rl c a li vergess e Version des M h reichisc
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hinschauen Formel-1-Legen de Jackie Stew art (rechts) und sein Sohn Paul gründete n Ende der Neunziger das Team Stew art. Das gemeinsame Ou tfit im Schotte nkaro war offensichtlich Pflicht und – st ilistisch betrachtet – äh em, denkwürd ig.
GETTY IMAGES, KRÄLING BILDAGENTUR
ANDREAS WOLLINGER
Mode und Formel 1? Mit dem AlphaTauriTeam nehmen Fashion-Profis heuer diese Challenge an. Wird höchste Zeit, wie die Geschichte der Königsklasse zeigt.
xe se de lu nz Kopfnüsie um eine Extravageains
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Speedy Gon
zales Beim Grand Pr ix von Mexiko br auchten sie ein Maskot tchen. Origine ller hätten die Einfälle da zu wohl nicht se in können: Sturzhelm unte rm Sombrero, dazu der Name Mario Achi. ¡Caramba !
ze von Rio In der Hit 83 sehr warm in der
t war es 19 er ist man in der Bestimm ch emmter ox. Und si Renault-B s Copacabana enth g ist u io fz R u n A r vo e se die Nä h wo. A b e r nzosen. als anders rdig, zumal für Fra nw ü schlicht u
Trapper Bleifuß
Jochen Rindt sah ja eige ntlich cool aus, egal worin. In den 60ern ging sogar noch die Nummer mit dem Pel z durch. Unser Rat für heute: Bitte nich t nachmachen!
GEPA, PETER NYGAARD, HOCH ZWEI, APA PICTUREDESK/AFP
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er ist wie Michael Schumach rden, gut. Luca Weltmeister gewo ls Ferrari-Boss, ma da di Montezemolo, te Aber eine ferrariro freut sich, schön. nur im Fasching. em tzd tro ht ge Perücke
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