05/2011 &
in Stadt & Land
Tanz in den Mai
P. b. b., GZ10Z038662M, Verlagspostamt 1140 Wien
Gemüseblüten & Die Eisheiligen & Hochzeitsrezepte & Spargel & Hochzeitstruhen & ausflug ins Pielachtal
Schuhplatteln & Dirndldrahn
2
E i nfac h
.
Gut .
Leben
Aus Omas Kochbuch Waldviertler Mohnkuchen
2
Mai 05/2011 EUR 3,90
Heilkräftiger Holunder
Wunder der Natur Die Kräuterpyramide
&
Ein Bauerngarten im Ländle
&
Die Welt der Murmeltiere
>
80
118
Mai
Natur & Garten
68
Küche
Wohnen
12 Blüten im Gemüsebeet
54 Frische Blätter
80 Daheim im Joglland
22 Die Kräuterpyramide
58 Ein Fest der Liebe
90 Bitte tief einatmen!
66 Zaubertrank für eine Nacht
94 Schachteln mit Herz
68 Zarte Freuden
So prächtig blühen Lauch, Erdäpfel, Artischocken, Zucchini & Feuerbohne.
So legt man sie richtig an.
24 Dem Himmel so nah
Rosemarie Benger und ihr blühendes Paradies im Montafon.
46 Unterm Hollerbusch Heilkräftiger Holunder.
48 Blühende Wasser
Jetzt wird das Biotop fit für den Sommer gemacht.
Die ersten Pflück- und Kopfsalate der Saison sind da.
Traditionsreiche Rezepte für den schönsten Tag im Leben.
Die Maibowle – das magische Getränk für die Walpurgisnacht.
Vier nicht ganz alltägliche Spargel rezepte für einen königlichen Genuss.
74 Aus Omas Kochbuch Waldviertler Mohnkuchen.
8 Servus
Luzia Ellert und Klaus Dünser zeigen uns ihr Haus in der Steiermark.
Ein duftendes Kräuterbeet am Fensterbrett.
Hübsch dekorierte Spanschachteln als Liebeserklärung an alle Mütter.
fotos cover: rita bertolini, marco rossi, eisenhut&mayer, mauritius
Inhalt 2011
12
102
90
Standards
fotos inhalt: mauritius, imago, luzia ellert, eisenhut&mayer, marco rossi, katharina gossow
48 58
Land & Leute 114 Bütten für die Ewigkeit „Servus“-Besuch in der letzten Hadernpapiermühle in Europa.
118 Wunder der Evolution
Die faszinierende Welt der Murmeltiere hoch oben in den Alpen.
122 Glühende Leidenschaft
Maximilian Ertl schmiedet im steirischen Auffen mit viel Herzblut außergewöhnliche Kunstwerke.
128 Zu Gast im Pielachtal
Ein kulinarisch-kultureller Ausflug mit Dirndl-Königin Doris.
Brauchtum 40 Das kalte Quintett
Die Eisheiligen zwischen Mythos und Wissenschaft.
98 Auf dem Plunderwagen
Hochzeitstruhen sind eines der glanzvollsten Kapitel bäuerlicher Möbelkultur.
102 Vom Schuhplatteln und Dirndldrahn
Der traditionsreiche Tanz erlebt beim Aufstellen des Maibaumes seinen ersten Saisonhöhepunkt.
5 Editorial 10 Servus daheim 30 Schönes für draußen 32 Der Garten-Philosoph 38 Gartenpflege, Mondkalender 52 Natur-Apotheke: Weidenröschen 76 Schönes für die Küche 92 Fundstück: Eine alte Teigwanne als neuer Tisch
96 Schönes für daheim 110 Michael Köhlmeier: Das weiße Hemd
26 Servus im Bauernladen 1 140 Thomas Glavinic: Am Waldrand 144 ServusTV: Sehenswertes im Mai
48 Feste, Märkte, Veranstaltungen 1 150 Leben in alten Zeiten 154 Impressum, Herstelleradressen Coverfoto: Rita Bertolini
Servus 9
Ein Besuch am Dach des Montafons. Rosemarie Benger hat sich hier ein üppig blühendes Paradies geschaffen. Wieso Rittersporn und Löwenmaul bei ihr dreimal so hoch wachsen wie anderswo, weiß die Gärtnerin freilich selbst nicht so genau. Text: Andreas Oberndorfer Fotos: Rita Bertolini
Servus 25
A
nscheinend ist ihr Garten von der Natur besonders ausgestattet worden. „Na, ja, wir haben hier die meisten Sonnenstunden in Vorarlberg“, sagt Rosemarie Benger, und es klingt, als ob sie sich dieser Begünstigung gar nicht so bewusst wäre. „Der Boden ist sandig, wie es unsere Pflanzen brauchen. Gleichzeitig fällt genug Regen, damit der durchlässige Boden nicht zu trocken wird.“ Das sind gute Voraussetzungen. Ob sie ausreichen, um zu bewirken, dass es hier so unglaublich blüht und grünt, ist zu bezwei feln. Da muss noch mehr sein. Und tatsäch lich, da ist noch etwas: eine Biografie. Rosemarie Benger, heute 80, ist keine Amateurgärtnerin. Sie wuchs auf dem elter lichen Gutshof im Ländle auf, führte freilich keine Existenz des süßen Nichtstuns. Sie musste auf dem Hof kräftig mitarbeiten und lernte dabei einiges über Landwirtschaft. Nach der Matura ging sie nach England, in das Land, in dem die Gartenkultur wie nirgendwo sonst gepflegt wird. In London wollte sie einerseits ihr Englisch verbes sern – andererseits hatte sie die Zusage von Percy S. Cane, einem der bedeutendsten Gartengestalter der damaligen Zeit, bei ihm Gartenarchitektur studieren zu können. Seit 300 Jahren in Familienbesitz
1954 kehrte sie zurück ins Ländle. Sie ab solvierte eine zweijährige Gärtnerlehre, weil es halt Vorschrift war, bevor man in Österreich professionell gärtnern durfte. „Das war insofern hilfreich, weil ich alle Pflanzennamen, die ich in London auf Eng lisch und Latein gelernt hatte, nun auch auf Deutsch konnte.“ Den Rest ihres Berufs lebens verbrachte sie dann mit der Planung von Gärten. Sie kennt sich also gut aus. Ihr eigener Garten liegt in der Vergalden im Montafon auf ca. 1600 Meter Höhe. Dort, wo sich die Gebirgszüge Silvretta und Rätikon berühren. Eine wahrhaft atem beraubende Lage oberhalb von Gargellen, dem höchstgelegenen Ort im Montafon. Hier gibt es sonst keine kultivierten Gär ten mehr, nur noch Alpen, wie die Almen hier heißen. Die Vergalden (rätoromanisch für „warmer Wind“) ist ein sogenanntes ➻
26 Servus
Linke Seite: Rosemarie in ihrem Garten auf 1.600 Meter Seehöhe. Rote Geranien, Pfingstrosen und zart grüner Frauenmantel gedeihen an der geschindelten Hausmauer. Diese Seite: Ein kunterbuntes Stillleben aus Frauenmantel, Cosmea, Margeriten, Rittersporn und Salbei.
Servus 27
9
Gleich neben dem Garten führt die Via Valtellina vorbei. ein uralter Pilgerweg zwischen Schruns und der italienischen Stadt Tirano.
9
Maisäß. So heißen die unterhalb der Alpen gelegenen Unterkünfte, die von den mit dem Almauftrieb ins Gebirge ziehenden Bauern jedes Jahr ab Mai bewohnt werden. Das Maisäß, in dem das Ehepaar Rosemarie und Horst Benger die Sommermonate ver bringt, ist 300 Jahre alt und seit einer Ewig keit in Familienbesitz. Gleich nebenan führt übrigens die Via Valtellina vorbei, ein uralter Pilgerweg, zum Hohlweg eingefasst von schützenden „Lesemauern“. Sie haben ihren Namen von den Steinen, aus denen sie errichtet wurden und die auf der Alpe „aufgelesen“ wurden. Womit nebenbei die Eignung der Wiesen für die Tiere deutlich verbessert wurde. Die Gärtnerin liebt alte Dinge – und Musik
In den kalten Monaten wohnen Rosemarie und Horst Benger unten in Lochau, jedes Jahr im Frühling ziehen sie mit Sack und Pack herauf. Das altehrwürdige, mit Holz schindeln rundum gedeckte Haus bedarf ständiger Wartung und macht viel Arbeit – vor allem nach einem langen Winter. „Ich liebe alte Dinge, und das Haus ist ausschließlich mit alten Möbeln eingerich tet“, erklärt sie. Wie groß das Haus ist? „Ach, das weiß ich nicht … Warten Sie, wir haben fünf Zimmer, eine Stube und eine Wohnküche mit einem alten Kupferkessel, wo wir auch heizen.“ Einen Fernseher gibt es nicht, sie muss lachen bei dieser Frage. Aber es gibt aus reichend Strom, um viel Musik zu hören. Klassische Musik liebt sie, vor allem Bach, Mozart, Schubert. Aber auch zeitgenössi sche Musik ist ihr ein Anliegen. „Vor einiger Zeit hat Herbert Willi drei Jahre lang oben im Gätterhüsle gewohnt.“ Herbert Willi ist einer der bedeutends ten modernen Komponisten des deutschen Sprachraums, und das „Gätterhüsle“ ist auf den Vorarlberger Alpen üblicherweise der Wohnsitz der Sennen und liegt unmittelbar
28 Servus
Diese Seite: Rosemarie Benger an einem ihrer Lieblingsplätze im Schatten vor dem Haus. Linke Seite: Rittersporn in drei Farben, die Rosenkugeln bilden einen zusätzlichen optischen Kontrast. Auch Salate und Kräuter wachsen in dem kleinen Berggarten üppig.
an der Alpe. Horst Benger ist übrigens selbst musikalisch tätig, allerdings in einer an deren Gattung: Seine „Vergaldner Stuben musik“ spielt in Gasthäusern Volksmusik. „Aber bitte keine volkstümliche Musik!“ Das Grundstück von Rosemarie Benger umfasst insgesamt vier Hektar. Es gibt hier einen Nachbarn, ein Hotelier und Bauer, der nur wenige Meter weiter seine Betriebe führt. „Wir haben sechs Kühe und das Jung vieh“, sagt die Gärtnerin und meint damit das Montafoner Braunvieh des Nachbarn. Man teilt mit dem Nachbarn Wirgefühl und teilweise auch Arbeit. Die Bengers helfen ihm, und er hilft ihnen. „Gleich nebenan haben wir einen Stall für den Schnitt, insgesamt stehen vier Ställe auf dem Grund, damit die Tiere ausreichend Futter haben“, sagt sie – und meint wieder das Nachbargrundstück. Vor ihrem Haus begann Rosemarie vor drei Jahrzehnten auf nicht mehr als 40 Qua dratmetern zunächst Erdäpfel zu setzen. Es wurde ein richtiger kleiner Kartoffel acker, der die Bewohner übers Jahr mit
der Feldfrucht versorgte. Dann setzte sich aber ihre grüne Hand durch. Rosemarie begann Blumen zu pflanzen. Am Anfang Pfingstrosen, und die gediehen trotz der Höhenlage prächtig. Das ermutigte die Gärt nerin zu mehr. Neue Blumen für die neun Enkelkinder
Heute stehen hier, außer in einem kleinen Winkel des Gartens, wo es Salat und Kräu ter gibt, Blumen en masse und von beein druckender Größe. „Die Luft hier ist sehr klar, und die Pflanzen bekommen noch mehr Licht als unten im Tal.“ Natürlich trägt sie auch mit konsequen ter Erziehung zum beachtlichen Wuchs bei. „Normalerweise schneidet man zum Beispiel von den Löwenmäulchen die ersten Blüten ab, damit sie unten mehr in die Brei te wachsen. Das mache ich nicht, weil es hier oben ja nicht so heiß ist und ich sonst nicht mehr so viel von der Blüte habe.“ Jedes Jahr pflanzt sie etwas Neues. „Für meine neun Enkel. Die sind immer ganz neugierig, wenn sie das erste Mal zu uns
heraufkommen, was die Oma jetzt wieder anders gemacht hat.“ Andererseits gibt es auch viele Konstanten hier. Die Pfingst rosen natürlich, dazu Rittersporn, Malven, Katzenminze, Salbei, Frauenmantel, Phlox, Astern, Türkenbund, Alpenmannstreu … Sie alle bleiben jahrelang stehen. Abwechs lung in den Garten bringt Rosemarie zum Beispiel mit Cosmea oder den erwähnten Löwenmäulchen. Heuer sind es die Dahlien. „Aber bitte noch nichts meinen Enkelkin dern verraten!“ Das Salatbeet ist natürlich auch nicht irgendeines. Auch die Häupteln gedeihen hier irgendwie schöner. Die Erklärung ist diesmal aber schlichter: „Bei mir heroben gibt es keine Schnecken, die unten alles abfressen.“ 3 Buch-Tipp: Bodengut von Rita Bertolini zeigt Zauber und Vielfalt von Gärten in Vorarlberg. Mit 400 traumhaften Fotos. Bertolini Verlag, 29,90 Euro.
Servus 29
Hochzeitsrezepte
Ein Fest der Liebe
Wir servieren heute traditionsreiche Gerichte, die den schönsten Tag des Lebens noch schöner machen. Fürs Brautpaar und für die Gäste – und natürlich für alle, die gar nicht heiraten, sondern jetzt im Mai einfach nur kulinarische Hoch-Zeiten genießen wollen. Redaktion: andreas oberndorfer Fotos: Eisenhut & Mayer gekocht von: alexander rieder
58 Servus
Tirol
Hochzeitssuppe Hochzeitssuppen zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus viel mehr Komponenten zusammengesetzt sind als die Suppen des Alltags. So wird die feierliche Brühe häufig sowohl aus Rind- als auch aus Hühnerfleisch gekocht – doppelt hält besser. Und es gibt nicht nur eine Einlage, sondern mindestens zwei. An den Einlagen erkennt man meist auch die Herkunft der Brautleute. Wir haben uns für eine Hochzeitssuppe aus Tirol entschieden – mit Eistich und saftigen Selchfleischknödeln.
Servus 59
Burgenland
Halbturner Hochzeitshuhn Das Burgenland war im 19. Jahrhundert gewissermaßen der Hühnerstall der k. u. k. Monarchie. Burgenländische Bauern belieferten die Wiener Märkte mit Hühnern und Eiern, im Herbst auch mit den bis heute beliebten Gänsen. Kein Wunder, dass man in Halbturn, einem Ort, in dem auch eine Habsburgerresidenz stand, bei Hochzeiten mit den berühmten Hendln auftrumpfte. Und der Wein für die Sauce kam auch aus der Nachbarschaft.
60 Servus
Salzburg
Eingemachtes Kalbfleisch Kalbfleisch war immer etwas Besonderes, das auf dem Land nur zu besonderen Anlässen serviert wurde. Die Kälber wurden ja entweder für die Weiterzucht oder für den Verkauf in die Städte auf gezogen. Bis heute spielt das eingemachte Kalbfleisch eine Hauptrolle als Hochzeitshauptgericht, vor allem im Salzburgerischen und in Bayern, aber auch weiter nach Osten bis ins Waldviertel.
Niederösterreich
Hochzeitsbeugel Die Bezeichnung „Beugel“ bezieht sich auf die halbrunde oder kreisförmige Gestalt des Gebäcks (althochdeutsch „boug“ = Ring). Ironischerweise ist das Hochzeitsbeugel, das vor allem im östlichen Niederösterreich und im Burgenland v erbreitet ist und eigentlich kroatische Wurzeln hat, gar nicht gebogen, sondern geschlossen. Das Beugel hat übrigens einen international viel bekannteren Nachfahren: Von Österreich aus kam es über die jüdische Küche nach New York und feiert dort seit über hundert Jahren als Bagel kulinarische Triumphe.
62 Servus
Österreich
Dreistöckige Hochzeitstorte Eine Hochzeitstorte muss mehrere Stockwerke haben. Diese Tradition hat auch einen praktischen Hintergrund: Die unteren beiden Torten werden an die Hochzeitsgesellschaft verteilt. Die oberste, kleinste Torte gehört allein Braut und Bräutigam. Sie darf nicht vor Mitternacht des Hochzeitstages angeschnitten werden. Das Prachtstück auf unserem Foto wurde von der Maria Enzersdorfer Konditorei Stadtlehner für uns gebacken. Das unterste Stockwerk ist eine Schoko-, das mittlere eine Nuss- und das oberste eine Zitronenbiskuittorte.
Servus 63
Tirol
Burgenland
Salzburg
Hochzeitssuppe
Hochzeitshuhn
Eingemachtes Kalbfleisch
Zutaten für ca. 8 Personen: Suppe: 500 g Hühnerklein, 500 g Beinfleisch vom Rind, 500 g Fleischknochen 1 Suppengrün, 1 Zwiebel, Liebstöcklzweige, 2 l Wasser, Salz, Pfeffer; Schnittlauch ca. 16 Tiroler Knödel: 500 g Knödelbrot, 3 EL grob gehackte Petersilie, 300 g gekochtes, klein geschnittenes Selchfleisch, 100 g Zwiebel, 60 g Butter, 3/8 l Milch, 3 Eier Eistich: 2 Eier, 2 Eidotter, 200 ml Milch, Muskatnuss, Butter für die Form
Zutaten für 6 Personen: 2 Hühner Wurzelwerk (zwei Handvoll Karotten, Gelbe Rüben, Petersilienwurzel, Sellerie) 150 g Selchspeck, gewürfelt 4 mittelgroße Zwiebeln 2 Knoblauchzehen 2 EL Öl Salz, Pfeffer Thymian, Majoran 2 EL Mehl 500 ml Welschriesling 500 ml Rindsuppe 250 ml Obers gehackte Petersilie nach Geschmack
Zutaten für 4 personen: 1 Suppengrün 1 Zwiebel 2 Gewürznelken 1 Lorbeerblatt 5 Pfefferkörner, Salz 1 EL Weinessig 1 kg Kalbsbrust 2 EL Butter 1 EL Mehl 125 ml Weißwein 125 ml Obers Pfeffer, Muskatnuss 1 TL Zitronensaft 1 Eidotter 1 Lauchstange, 1 Karotte für die Garnitur
Zubereitung 1. Hühnerklein mit Rindfleisch und -kno
chen in 2 l Wasser aufkochen und köcheln lassen. Dabei immer wieder den Schaum abschöpfen. Je sorgfältiger man das macht, desto klarer wird die Suppe. 2. Klein geschnittenes Suppengrün, halbierte Zwiebel und Liebstöckl nach 45 Minuten dazugeben. Salzen, pfeffern, weitere 90 Minuten köcheln lassen, dann abseihen. 3. Knödelbrot in eine Schüssel geben. Mit Salz und Pfeffer würzen, mit Petersilie und Selchfleisch bestreuen. 4. Zwiebel fein schneiden. In Butter hellgelb anschwitzen und zu der Masse geben. 5. Warme Milch mit den Eiern versprudeln, über das Knödelbrot gießen und alles gut vermischen. Achtung: nicht zu heftig ab arbeiten. Die Masse soll locker bleiben. 6. Masse gut durchziehen lassen, dann glat te Knödel daraus drehen. Ist die Masse zu trocken, etwas Milch einmischen. Ist sie zu feucht, etwas Brösel dazu. 7. Salzwasser aufkochen, die Knödel darin 15 bis 20 Minuten leicht wallend garen. 8. Für den Eistich Eier, Dotter und Milch ver rühren, mit Salz und Muskatnuss würzen. 9. Auflaufform mit Butter ausstreichen, Masse einfüllen, in Wasserbad stellen, bei kleiner Hitze unter dem Siedepunkt stocken lassen (ca. 30 Minuten). 10. Suppe mit den beiden Einlagen anrichten und mit Schnittlauch bestreuen.
64 Servus
Zubereitung 1. Hühner enthäuten und jeweils in vier
Stücke teilen, dabei die Keulen von der Brust trennen. 2. Wurzelwerk waschen und in mittelgroße Stücke schneiden. 3. Für die Weinsuppe Speck kleinwürfelig schneiden, Zwiebeln fein hacken und Knoblauch pressen. 4. In einem Topf Öl erhitzen, Speck darin anrösten. Zwiebeln zugeben und glasig dünsten. Mit Salz, Pfeffer, Thymian, Majoran und Knoblauch würzen. Mit Mehl stauben, mit Wein ablöschen und mit dem Schneebesen gut verschlagen. Kalte Rindsuppe zugießen und auf kochen. Dann Obers einmischen und 5 Minuten lang ziehen lassen, dabei nicht mehr aufkochen. Vom Herd neh men und im Kühlschrank erkalten lassen. 5. In der Zwischenzeit Wurzelwerk in 2 l Wasser aufkochen. Die Hühner einlegen und im schwach siedenden Wasser ca. 45 Minuten lang garen. Die Hühnerstü cke herausheben und mit dem Wurzel werk warm stellen. 6. Vor dem Servieren mit der gekühlten Weinsuppe überziehen, mit Petersilie bestreuen und als Beilage gekochten Reis reichen.
Zubereitung 1. In einem Topf 2 l Wasser aufsetzen.
Suppengrün putzen, waschen und grob zerteilen. Zwiebel schälen und die Gewürznelken aufstecken. Mit dem Lorbeerblatt, Pfefferkörnern, 1 TL Salz und dem Essig in den Topf geben und zum Kochen bringen. 2. Kalbfleisch in große Würfel schneiden. In den kochenden Sud geben und bei mil der Hitze ca. 40 Minuten ziehen lassen. 3. Fleisch durch ein Sieb abseihen, den Sud dabei auffangen. 4. In einem Topf Butter zerlassen. Mehl hin einstreuen und anschwitzen, mit Weiß wein und ¼ l Kalbssud ablöschen. Kräftig durchrühren. Obers zugießen und die Sauce ca. 10 Minuten lang köcheln las sen. Mit Salz, Pfeffer, Muskatnuss und Zitronensaft würzen. 5. Die Fleischwürfel wieder in die Sauce geben und nochmals erhitzen. Den Topf vom Herd nehmen und das eingemachte Kalbfleisch mit Eidotter binden. 6. Für die Garnitur Lauch und Karotte putzen, in ganz feine Streifen schneiden. Etwas Öl stark erhitzen, die Streifen darin ein paar Sekunden lang frittieren.
Die Tort oberst fürs e ist n e ur Br best autpaar immt . Niederösterreich
Österreich
Hochzeitsbeugel
Hochzeitstorte
Zutaten für ca. 10 Personen: 1 kg Mehl 250 ml lauwarme Milch 1 Pkg. Germ 250 g Zucker 125 g zerlassene Butter 3 Eier Salz geriebene Schale von 1 Zitrone 1 Schuss Rum 1 Ei zum Bestreichen
Zutaten für 32 Gäste und das Brautpaar: Nusstorte: 3 Eier 130 g Kristallzucker 200 g weiche Butter 120 g Staubzucker 1 Prise Vanillezucker geriebene Schale von 1 Zitrone 1 Prise Zimt 220 g geriebene Walnüsse 100 g Semmelbrösel Butter für die Form Schokotorte: 5 Eier 120 g Kristallzucker 140 g Staubzucker 140 g Öl 25 g Kakao 50 g Mehl 1 Msp. Backpulver Butter für die Form Zitronenbiskuittorte: 7 Eier 100 g Kristallzucker 100 g Staubzucker 1 Prise Vanillezucker geriebene Schale von 1 Zitrone 220 g Mehl 1 Msp. Backpulver Butter für die Form Zuckerglasur für alle 3 Torten
Zubereitung 1. Für das Dampfl 3 EL Mehl mit lauwarmer
Milch, Germ und ein wenig vom Zucker verrühren. Mit einem Tuch bedecken und an einem warmen Ort aufgehen lassen. 2. Das restliche Mehl in eine Schüssel sie ben und in die Mitte eine Mulde drücken. Das aufgegangene Dampfl hineingeben und mit Mehl bedecken. Langsam mit der zerlassenen Butter und den restli chen Zutaten vermischen. 3. So lange kneten, bis sich der seidig glatte Teig von der Schüssel löst und Blasen wirft. Mit etwas Mehl bestäuben, mit einem Tuch zudecken und 1 Stunde an einem warmen Ort gehen lassen. 4. Teig in vier gleich große Teile schneiden. Ca. 45 cm lange Rollen daraus formen und zu einem Zopf flechten. Die Enden zu einem Kranz schließen und auf einem befetteten Backblech nochmals gehen lassen. 5. Mit Ei bestreichen und im vorgeheizten Backrohr bei 150 °C ca. 30 Minuten lang backen.
Zubereitung 1. Für die Nusstorte Eier in Eiklar und Ei
dotter trennen. Eiklar mit Kristallzucker zu einem festen Schnee schlagen. 2. Butter mit Staubzucker schaumig rüh ren. Nach und nach Eidotter einmischen. Dann Vanillezucker, Zitronenschale und Zimt einrühren. 3. Diesen Abtrieb vorsichtig mit dem Ei schnee vermengen, Walnüsse und Brösel einrühren. Dabei sehr sanft vorgehen, da sonst der Schnee zusammenfällt und die Torte sitzenbleibt.
4. Den Teig in eine bebutterte runde
Springform füllen und im vorgeheizten Backrohr bei 170 °C ca. 45 Minuten lang backen. 5. Für die Schokotorte Eier in Eiklar und Eidotter trennen. Eiklar mit Kristallzu cker zu einem festen Schnee schlagen. 6. Die restlichen Zutaten mit den Dottern gut verrühren, dann den Schnee vorsichtig unterheben. 7. Den Teig in eine bebutterte runde Spring form füllen. Im vorgeheizten Backrohr bei 170 °C ca. 45 Minuten lang backen. 8. Für die Zitronenbiskuittorte Eier in Eiklar und Dotter trennen. Eiklar mit Kristall zucker zu einem festen Schnee schlagen. 9. Eidotter mit Staubzucker aufschlagen, Vanillezucker und Zitronenschale einmischen. 10. Eischnee vorsichtig unterheben. Mehl mit Backpulver versieben und ebenfalls vorsichtig einrühren. 11. Den Teig in eine bebutterte runde Spring form füllen. Im vorgeheizten Backrohr bei 170 °C ca. 45 Minuten lang backen. 12. Zuckerglasur laut Packungsangabe zube reiten und die Torten damit überziehen. Aufeinandersetzen und nach dem Ge schmack des Brautpaares dekorieren.
ServusTV-Tipp: Wohl bekomm’s. Kulinarische Ausflüge an die slowenische Adria; 3. Mai, 19.45 Uhr.
Servus 65
Daheim im Joglland
In der Steiermark haben sich Luzia Ellert und Klaus Dünser ein heimeliges Refugium geschaffen, geprägt von der Sammelleidenschaft der Hausherrin. Sogar die Fledermäuse fühlen sich wohl. Text: Ursula Macher
Servus 81
D
ie Rosen blühen üppig. Dafür gehen Hortensien gar nicht. Auch mit dem Lavendel ist das so eine Sache – auf der einen Seite des Beetes gedeiht er bewundernswert prächtig, auf der anderen beißen ihn die Wühlmäuse ab. Alles nur, weil die Kaiserkrone mit ihren markant riechenden roten Knollen die Bösewichter nicht vertreiben kann. Dabei war das ja eigentlich so ausgemacht. Fünfzehn Jahre am Land können voller Überraschungen sein. So gut kann man gar nicht planen, man muss es einfach zulassen. Fotografin Luzia Ellert blüht jedenfalls auf, wenn sie von ihrem Bauerngarten spricht. Ihren Pflanzen, ihrem Kräuterbeet und davon, „dass es Jahre dauert, bis du weißt, welche Pflanzen robust sind und welche nicht“. „Eine Stunde hin, nicht länger“, hatte Luzia Ellert weiland gemeint, als sie sich mit ihrem langjährigen Lebensgefährten Klaus Dünser („an einem sehr sonnigen 30. Oktober“, das weiß sie noch genau) auf die Suche nach einem Haus rund um den
Warm und wohlig mutet das W ohnzimmer an. Die Holzvertäfelung stammt noch vom Vorbesitzer, die Pölster näht die Hausherrin zum Teil selbst.
82 Servus
Semmering gemacht hatte. Als die beiden dann plötzlich eineinhalb Stunden unterwegs waren, über eine enge, kurvige Straße bergauf ratterten, waren sie sich noch vor der Ankunft aber so was von sicher: „Vollkommen egal, wie es dort aussieht – dieses Haus wird es definitiv nicht.“ Aber da hatte Luzia Ellert nicht mit einem Phänomen gerechnet, das man gemeinhin Liebe auf den ersten Blick nennt.
9
„Wir haben akribisch darauf geachtet, das Gesamtbild zu erhalten und Ziegel fürs Dach zu finden, die alt ausschauen.“
9
Wie das urige Holzhaus, erbaut von einem Sägewerksbesitzer aus Rettenegg, später erworben und über die Jahre liebevoll gepflegt von einem älteren Wiener Ehepaar, so vor ihnen stand, war es perfekt. „Deshalb haben wir an der Grundstruktur viel so belassen, wie es war“, sagt Ellert. Selbst bei notwendigen Sanierungsmaßnahmen wie der Neudeckung des Dachs wurde akribisch darauf geachtet, das Gesamtbild nicht zu stören. „Wir haben einfach so lange gesucht, bis wir die passenden Ziegel hatten“, erklären die Hausherren. „Rote, mit einer etwas alten Optik, damit das Neue nicht so auffällt.“ Aber das ist nur eine Geschichte von vielen, die Ellert in den letzten Jahren zusammengetragen hat. Was daran liegen mag, dass dieses Haus im steirischen Stil vielleicht genau das bietet, was einer freizeitlosen Selbständigen gefehlt hat. „Es kommt meiner Sammelleidenschaft sehr entgegen.“ Diese Leidenschaft macht sich auch in jedem Winkerl bemerkbar, wenn man über die zwei Etagen wandert. Als große ➻
Auf die richtige Mischung kommt es an. Bauernmöbel, Krickerln, ein alter Kachelofen, ein chinesisches Kasterl und moderne Elemente führen hier eine stilistisch höchst gelungene Koexistenz.
Servus 83
Blaues Wunderland: Die Küche wurde belassen, wie sie war, einzig die Tischplatte und die farblichen Accessoires hat die Hausherrin verändert.
84 Servus
Fundgrube erwies sich dabei überraschenderweise der Keller, wo man aushub, was man dort unten nie und nimmer erahnt hätte – nämlich unter anderem auch Brauch bares wie einen alten Bauernschrank. Und da das Haus nahezu mit allem Drum und Dran übergeben wurde, erfreut man sich heute noch an notwendigen (und manchmal auch unnotwendigen) „Accessoires“. Ein paar Fledermäuse haben es sich schon vor Jahren hinter den Fensterläden gemütlich gemacht und dürfen dort bleiben, weil sie ja doch ein bisserl Teil sind von dem Idyll, das da so herrscht im steirischen Joglland. „Auch die Geweihe waren alle schon da“, erklärt Ellert, und sie schmü cken – weil so zahlreich – einen Großteil der Zimmer. Sogar der alte Haarföhn der
9
„Ich habe Teller in so vielen Variationen, dass ich sie gar nicht mehr zählen kann.“
9
Vorbesitzerin wurde übernommen – und ja, er ist heute noch in Betrieb. Ansonsten ließ die Hausherrin ihrer Fantasie freien Lauf. Und das recht flott. So war der Vertrag noch nicht einmal unter Dach und Fach, als sie schon kilometerlange Vorhangbahnen nähte. „Wäre das nix geworden – mein Mann müsste heute in karierten Anzügen herumlaufen“, lacht sie. Außerdem musste jedem Raum eine besondere Note verliehen werden. Allen voran der Küche, wo sich Ellert besonders daheim fühlt. Das einzig Neue sind eine türkise Tischplatte und die Farbe der Accessoires – sie erstrahlen heute in allen Blautönen. Das regelrechte Sammelsurium an Geschirr hat Ellert größtenteils bei der Caritas zusammengeklaubt. „Ich habe Teller in so vielen Variationen, dass ich sie gar nicht mehr zähle. Das ist meine Passion, das kommt vom Fotografieren.“ Ab und zu werden alte Dinge durch neue (beziehungsweise noch ältere) ersetzt, je nach Geschmack. Als Hausfrau kann man ohnehin nie genug Töpfe, Tiegel und Fläschchen haben. Und logisch wollen diese auch verwendet werden: Marmeladen, Liköre und Kräutersalz, Salbeihonig und Ringelblumensalbe. Dazu noch ein paar Flascherln Cassis, „weil ich so viele ➻
Stilbild mit Paprika. Seit Luzia Ellert ihr Haus im Joglland hat, kocht sie für ihr Leben gern. Bei der gemütlichen Küche ist das leicht nachvollziehbar. Die Teller und Tassen stammen zum Großteil von der Caritas.
Servus 85
86 Servus
Persönliche Note: Das alte Kiefernbett wurde abgeschliffen und frisch gestrichen, die Fotos hat die Hausherrin selbst gemacht. Und viele andere Dinge – wie das Schild im Arbeitszimmer (o.) oder den Schreibtisch plus Sessel (li.) – fand Luzia Ellert einfach durch regelmäßiges Stöbern.
Servus 87
Ribiseln hab“ – all das holt Ellert Jahr für Jahr aus ihrem Garten in die Küche und verwöhnt damit Familie und Freunde. „Zu Silvester“, sagt sie, „ist bei uns immer die Hölle los. Da füllt es sich dann.“ Etwa 200 Quadratmeter hat das Haus, zwei Ebenen, drei Gäste- und zwei Arbeitszimmer, allesamt mit einem eigenen Flair. So schnappte sich Ellert beispielsweise ein „Obst u. Gemüse“-Schild eines alten Naschmarkttandlers und hängte es in ihr Arbeitszimmer. Oder sie schliff die nicht gerade hübschen alten Bauernbetten aus Kiefer ab und lackierte sie frisch – lila im Schlafzimmer, blitzblau in einem der Gästezimmer. Dass der Boden von seinem Spannteppich befreit wurde, versteht sich von selbst. Auch dekomäßig ging das Paar immer in Eigenregie zur Sache: Die meisten Pölster
9
„Wir haben jeden Handgriff selbst gemacht, im Haus und im Garten. Heute freue ich mich über alles, was blüht.“ Pflegeleicht müssen sie sein, die Pflanzen, die Jahr für Jahr auf Luzia Ellerts Balkon landen. Damit auch Zeit bleibt, um im Liegestuhl zu entspannen. Oder einfach nur, um die Farbenpracht im Blumenbeet zu genießen.
9
wurden selbst genäht, Bauernkisten abgeschliffen und gebeizt. Und was an den Wänden hängt? Klar – Bilder, die Luzia Ellert im Lauf der Jahre selbst gemacht hat. „Die hänge ich aber nur in unserem Haus auf!“ So perfekt das klingt, so war es nicht immer. „Natürlich gab es auch ein paar Heimwerker-Misserfolge. Da sind Wände aufgesprungen und so weiter und so fort.“ Daran denkt man freilich längst nicht mehr. Weit bleibender sind, wie eingangs erwähnt, da schon die Erinnerungen ans pflanzliche Scheitern, weil einfach nicht wachsen wollte, was auf 1.000 Meter Seehöhe nicht immer wachsen kann. „Heute freue ich mich über alles, was blüht“, sagt Luzia Ellert entspannt. Und der Versuch, einen eigenen Bauerngarten mit einer saftigen Wiese, Kräuter- und Hochbeeten zu erschaffen, wo man schon einmal gemütlich im Liegestuhl Zeitung lesen kann, ist mehr als geglückt. 3 ServusTV-Tipp: Das Magazin „gut leben!“ zeigt jeden Montag ab 18.30 Uhr die schönsten Häuser im Alpen-Donau-Adria-Raum.
88 Servus
brauchtum
Vom Schuhplatteln und Dirndldrahn
Die Tradition des uralten Gebirgstanzes erlebt jetzt ihren ersten Höhepunkt. Wenn der Maibaum aufgestellt wird, zeigen die Burschen ihre geballte Kraft beim Platteln, während die Madln die Dirndlröcke in die Höhe wirbeln. Text: Uschi Korda Fotos: Marco Rossi
102 Servus
Nach der Fastenzeit geht’s los mit dem Balztanz der Männer um die Gunst der Dirndln. Die Mädeln hier am Tanzboden in Ainring drehen sich wie eine surrende Spindel, die Männer zeigen mit kräftigen Schlägen und Stampfen, was sie draufhaben.
Servus 103
F
angen wir doch gleich einmal mit dem Wesentlichen an: „Wer von enk woas, wo links und rechts is?“, fragt der Auer Hans, und „I!“, „I!“, „I!“ und „I a!“, schallt es vom Ainringer Tanzboden zurück. „Na, dann schaugts amoi her. Rechtes Bein anhebn und mit da rechten Hand draufschlogn. Und d’Madln drahn sie nach links. Hobts des mitkriagt?“ Neun kleine Trachtenpärchen bringen sich in Stellung, während sich der Auer Hans die Knöpferlharmonika umhängt und mit dem sogenannten „Häusei“, einem uralten Schuhplattler, loslegt. Gut, das mit dem Links und Rechts hat dann bei manchen in der Aufregung doch noch nicht so wirklich geklappt, aber die Zwerge, die einmal zünftige Schuhplattler werden wollen, sind ja auch gerade im besten Volksschulalter. Sie müssen so früh beginnen, denn sind sie erst einmal verheiratet, ist es aus mit dem Schuhplatteln und dem Dirndldrahn. Der volkstümliche Tanz ist nämlich traditionellerweise ein Balztanz der Männer, und wer einmal sein Dirndl eingefangen hat, kann sich öffentliches Imponiergehabe dann ersparen.
Mitte des vorigen Jahrhunderts sei das Schuhplatteln zu einem Revue-Tanz mit reinem Schau-Charakter für Touristen verkommen, erzählt Siegi Götze, Moderator und Experte der bayerischen Kultur. Damit sei dieses Stück alpenländischen Volksguts zwar über seine regionalen Grenzen hinaus bekannt geworden, habe aber seinen eigentlichen Sinn verloren. Erst seit etwa zehn Jahren wird der Tanz wieder in seiner Ursprünglichkeit von den Trachtenvereinen gepflegt. Und dabei haben weder ältere Plattler und schon gar nicht ein gegenseitiges Abwatschen der Mannsbilder etwas zu suchen. Die Pongauer platteln Langsamer
„Völlig sinnentleert!“, sagt Siegi Götze, dem dabei die Abscheu förmlich ins Gesicht gezeichnet ist. Schließlich sei das ein Werbetanz, bei dem die Mädchen mit Eleganz, Musikalität und vor allem mit Kraft beeindruckt werden sollen. Letzteres geschieht ausschließlich durch rhythmisches Schlagen jeweils einer Hand auf eine bestimmte Stelle eines Beines oder Fußes.
Weil der Mensch aber nur zwei Hände und zwei Beine hat, sind die Variationsmöglichkeiten auf sechs Knie- und Schenkelschläge sowie zwölf Plattelschläge (siehe Kasten S. 111) beschränkt. Und die gilt es, möglichst geschmeidig rüberzubringen. Wie, das ist von Region zu Region in den Plattlerländern Tirol, Bayern und Salzburg unterschiedlich. Die Salzburger Pongauer etwa platteln langsamer und freier, dafür seien die Chiemgauer schneidiger und eher zackig in der Bewegung, erklärt Hans Auer, Volkspfleger vom Landkreis Berchtesgadner Land und Volksmusikant aus Hammerau. Wenn er zu seiner Ziach greift, kann weder Jung noch Alt still sitzen bleiben. Einmal pro Woche unterrichtet er die Kinder des Trachtenvereins Hammerau-Ainring, manchmal kommen auch die aus Feldkirchen und Thundorf dazu. Dafür hat er extra Gruppenvolkstänze zu Plattlern umgebaut, damit sich die Kleinen leichtertun. Neunzig Prozent aller Schuhplattler basieren auf einem Dreivierteltakt, der Rest ist auf Zweivierteln aufgebaut. Begleitet wird der Tanz auf jeden Fall von mindestens ➻
Der Auer Hans hilft beim Adjustieren. Wichtigstes Utensil ist nämlich eine vollständige Tracht. Dazu gehört auf jeden Fall der Hut, der je nach Ortschaft mit einer Feder, einem Flaum oder einem Gamsbart geschmückt ist. Und dann muss er natürlich beim Drehen fest auf dem Kopf sitzen.
104 Servus
Früh übt sich: Die Mädeln und Buben der Trachtenvereine Hammerau-Ainring, Feldkirchen und Thundorf wollen einmal zünftige Schuhplattler und Dirndldraherinnen werden. Bei ihren ersten Schritten werden sie vom Auer Hans und seiner Ziach begleitet.
Servus 105
einem Akkordeon, bei festlichen Auftritten ist auch eine kleine Blasmusikgruppe dabei. Die eigentliche musikalische Attraktion ist aber der Schall der Schläge, wenn sie von mehreren Burschen gleichzeitig im Takt ausgeführt werden. neubairischer und pempererstoisser
Eine Tradition, die allerdings in der Form erst knappe 160 Jahre alt ist. Zwar wird in früheren Aufzeichnungen bereits erwähnt, dass Gebirgler, Jäger und Holzknechte zu Landlermelodien platteln, aber immer nur einzeln. Die älteste Schilderung eines schuhplattlerähnlichen Tanzes stammt aus dem Jahr 1050. Im „Ruadlieb“, einer in lateinischen Hexametern verfassten Ritterdichtung, schildert ein Mönch des Klosters Tegernsee das Treiben in den umliegenden Dörfern, das auf eine Frühform des Schuhplattelns hinweist. Erst 1817 taucht unter dem Namen „der Neubairische“ wieder ein Tanz auf, bei dem sich die Burschen auf Schenkel und Schuhsohlen schlagen. Was ihm 1846 im Berchtesgadener Land den Beinamen „Pempererstoisser“ (= Schallerzeuger) eintrug und als
106 Servus
Hinweis gewertet wird, dass erstmalig nicht nur einzeln, sondern gemeinschaftlich in der Gruppe geplattelt wurde. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt die Melodie des ältesten heute noch existierenden Schuhplattler tanzes vom „Dirndl mit dem roten Mieder“. 1858 trat dann die Miesbacher Jugend mit einem Schuhplattler vor König Max II. auf, ein Jahr später schildert Fanny Lewald in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ die Grazilität und Lieblichkeit des gestampften Gebirgsländlers, bei dem „sich das Mädel mit niedergeschlagenem Blick wie eine surrende Spindel um sich selbst dreht“. Ob Einzel- oder Gruppentanz – Schuhplatteln war nie ein reiner Männertanz. Immer waren Mädchen beteiligt, schließlich sollten die ja beeindruckt werden. Vorausgesetzt, sie waren schwindelfrei, da sie sich in ziemlichem Tempo um sich selbst drehen mussten, während die Burschen plattelten. Das ist auch heute noch so und macht den angehenden Dirndldraherinnen in Ainring sichtlich Spaß. Während sie allerdings zum Üben in den Probenraum vom „Alten Schulhaus“ gehen müssen, weil daheim sonst die Einrichtung in Gefahr wäre, kön-
nen die Buben ihre Plattlerschläge auch zu Hause vor dem Spiegel trainieren, sooft sie wollen. Und solange sie das Stampfen und Schlagen durchhalten. Denn da kommt jetzt die Kraft und irgendwie auch die Jugendlichkeit ins Spiel. „Wannst des viermal hintereinander machst“, sagt der Auer Hans, der schon lange nicht mehr aktiv plattelt, „daun geht des in die Wadln und du derschnaufst es nimmer.“ Überhaupt, sagt auch Siegi Götze, sei der Tanz in den letzten Jahren immer athletischer geworden, deshalb seien die besten Tänzer auch gute Sportler. Voraussetzung: kräftige Wadln
Während man früher nur auf den Fersen aufgetreten ist und sich auf dem Absatz gedreht hat, absolviert man die meisten Schritte heute federnd auf dem Fußballen. Das sieht zwar graziler aus, braucht aber umso mehr Kraft. Eine Zeitlang hat man für einen besseren Klang der Schläge glatte Krachlederne ohne Applikationen getragen. Ganz im Sinne der Rückbesinnung auf Traditionen plattelt man aber heute wieder in ausgestickten Hirschlederhosen. Auch ➻
Die Kleineren versuchen, sich erst einmal in Rundtänzen wie zum Beispiel dem „Kikeriki“ links- und rechtsmäßig zu koordinieren. Dafür gibt’s vom Auer Hans ein Gummibärli. Ein rotes, selbstverständlich! Bei den Älteren klappt das mit dem grazilen Drehen und dem Platteln schon ausgezeichnet.
9
’S Schuahplattln ko net glei oana im ganzen Gäu so guat wia i beim tanz kimm gwiss net ausn kranz.
9
Ältestes Gedicht übers Schuhplatteln von Franz von Kobell, 1860
Servus 107
beim Preisplatteln, dem tänzerischen Wettkampf, bei dem die Orts-Trachtenvereine zeigen, was sie können. Königsdisziplin: das Gruppenplatteln, bei dem vier Paare Synchronität beweisen müssen. Und zwar in vier Kreisen mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern, deren Mittelpunkte nur zwei Meter voneinander entfernt sind. die socken müssen stramm sitzen
In aufrechter Haltung, mit vom Ellenbogen senkrecht hinaufgewinkelten Armen, schreiten die Paare auf die Tanzfläche, legen ein paar Walzerdrehungen hin, bevor die Burschen in den Kreis steigen. Dort versuchen sie, in Schlag und Haltung größtmögliche Gleichmäßigkeit zu erzielen, und müssen sich dabei auch noch drehen. Bei den Besten wirbeln derweilen die Mädeln mit fast waagrecht fliegenden Röcken um ihre eigene Achse, bevor sie von ihren Burschen wieder eingefangen werden und das Ganze ein zweites Mal wiederholt wird. 10 Punkte gilt es zu erzielen, wobei neben Tanz, sauberen Schlägen und Haltung auch das äußere Erscheinungsbild gewertet wird. Punkteabzug gibt es unter anderem für Piercings, zu viel Schmuck oder rutschende Socken. Als Preise werden Abzeichen verteilt, die wie Trophäen auf den Trachtenhut gesteckt werden. Der ist übrigens Pflicht beim Schuhplatteln, egal ob im Wettkampf oder bei geselligen Veranstaltungen. Platteln den ganzen Sommer lang
Die kleinen Trachtenpärchen auf dem Tanzboden vor dem Ainringer Maibaum haben sich zwar noch keine Abzeichen, aber jetzt einmal ein paar Gummibärli verdient. „Guat habts es gmocht“, sagt der Auer Hans, während er seine Ziach wegpackt, „d’Winterpause war jo heier bsonders lang.“ Das Schuhplatteln und Dirndldrahn richtet sich nämlich streng nach dem Kirchenjahr. Und da darf während der Advent- und der Fastenzeit nicht getanzt werden. Die Saison beginnt am Ostermontag und erreicht beim Aufstellen des Maibaums ihren ersten Höhepunkt. Ab dann wird den ganzen Sommer über geplattelt und gedraht, bis einem die Kraft ausgeht. Oder bis Mann halt sein Dirndl auf ewig eingefangen hat. 3 ServusTV-Tipp: In „Hoagascht“ am 27. 5. um 19.45 Uhr besucht Bertl Göttl die Schuhplattler und Dirndldraher in Bayern.
108 Servus
Der Bernhard ist ein richtiges Talent. Er hat sich die Schuhplattler der Erwachsenen allein durchs Zuschauen selbst beigebracht. Da hat er wohl auch gesehen, wie man die Madln neckt (u. re.). Moderator Siegi Götze (u. li.) ist Volkskulturexperte und beim Preisplatteln in der Jury dabei.
So wird geplattelt Das Ursprungsgebiet des Schuhplattelns zieht sich vom Werdenfelser Land in Oberbayern über die Ötztaler Alpen nach Südtirol hinüber bis zu den Dolomiten, weiter ins Pustertal nach Osttirol, zurück in den Pinzgau, Pongau und von Garmisch über Tölz und Tegernsee in den Chiemgau bis Berchtesgaden. Laut Volksmund soll er vom Balztanz des Auerhahns inspiriert sein und wurde von Holzfällern, Jägern und Berglern aufgeführt. Basis sind folgende Schläge, die dann unterschiedlich kombiniert werden: Sechs Knie- und Schenkelschläge Sie lassen den Fuß aus dem Spiel, sind also keine sogenannten Plattelschläge. Mit diesen Schlägen werden 65 Prozent des Plattelns bestritten. Bei den vier Knieschlägen schlägt eine Hand auf den angehobenen Oberschenkel des Spielbeins in Kniehöhe. Also: rechte Hand – rechter Oberschenkel, linke Hand – linker Oberschenkel, rechte Hand – linker Oberschenkel, linke Hand – rechter Oberschenkel.
Bei den zwei Schenkelschlägen schlägt eine Hand auf den Oberschenkel des Standbeins. Also: rechte Hand – rechter Oberschenkel, linke Hand – linker Oberschenkel. Zwölf Plattelschläge Sie unterteilen sich in: Vier Sohlenschläge: Eine Hand schlägt vor oder hinter dem Körper auf eine Schuhsohle. Über Kreuz, also linke Hand auf rechte Sohle und umgekehrt, aber nur vorne.
Ganz wichtig beim Platteln: sauber ausgeführte Schläge und eine korrekte Handhaltung. Während man früher mit dem ganzen Fuß aufgetreten ist, wird heute mehr auf den Fußballen gefedert.
illustrationen: almut becvar
Vier Fußschläge: Die linke oder rechte Hand schlägt vor dem Körper auf die Außen- oder Innenseite des Fußes. Aber immer nur linke Hand mit linkem Fuß und rechte Hand mit rechtem Fuß.
Zwei Kreuzschläge: Die linke oder rechte Hand schlägt hinter dem Körper auf die Sohle des anderen Fußes. Also: linke Hand – rechte Sohle, rechte Hand – linke Sohle. Zwei Hochschläge: Die rechte Hand schlägt gegen die Innenseite oder von oben gegen die Sohle des hochgerissenen rechten Fußes. In Tirol und im Chiemgau schlägt man gegen die Fußinnenseite, im Bayerischen Oberland gegen die Sohle. Links wird der Schlag so gut wie nie praktiziert.
Servus 109
Tierleben
Wunder der Evolution Sie leben, fressen und schlafen hoch oben in den Alpen. Sie stellen eiserne Regeln der Natur auf den Kopf. Und gerade deshalb überleben sie: die faszinierenden Murmeltiere, deren Geheimnisse Forscher nun Schritt für Schritt entschlüsseln.
foto: imago
Text: Klaus Kamolz
118 Servus
A
n Südhängen geht es mit dem großen Erwachen oft schon Ende März los. Nach und nach krabbeln die Familien aus ihren bis zu sieben Meter unter der Erde liegenden Höhlen – die Bären, die Katzen und die Affen, wie Männchen, Weibchen und Junge in der Jägersprache genannt werden. Jetzt beginnt ihr kurzes aktives Sommerleben. Fünf bis sechs Monate bleiben ihnen nur, um sich zu rüsten für den nächsten langen Winterschlaf. Und um den dreht sich ihre ganze Existenz: die Nahrungsaufnahme, die Fortpflanzung, das Sozialverhalten. Murmeltiere sind wahre Wunder der Evolution; um ihren Fortbestand zu sichern, brechen sie mit vielen Regeln. Kaum ein anderes Winterschlaf haltendes Säugetier teilt das Winterlager mit bis zu 20 Artgenossen; kaum ein anderes Nagetier legt ein so vorausschauendes und zurückhaltendes Reproduktionsverhalten an den Tag; von wegen Fortpflanzung um jeden Preis. Hochalpine Relikte aus der Eiszeit
Genüsslich verdrückt dieses Murmeltier eine süße Blaue Lupine. Der zweitgrößte Nager des Alpenraums bringt es auf eine KopfRumpf-Länge von bis zu 60 Zentimetern – und stand einst auch auf dem Speiseplan der armen Landbevölkerung. Heute hat sich der Bestand wieder erholt, vereinzelt gibt es sogar eine Überpopulation. Deshalb werden in Österreich und der Schweiz jährlich 6.000 bis 8.000 Tiere zur Jagd freigegeben.
Das Wechselspiel aus einem beinahe schon todesähnlichen Schlaf, der eigentlich gar keiner ist, sondern eine mit dem Fachbegriff „Torpor“ bezeichnete Starre, und einer sommerlichen Existenz im Zeitraffer hat die nach den Bibern zweitgrößten Nagetiere Europas in jüngerer Zeit zu einem beliebten Forschungsobjekt gemacht. „Murmeltiere“, sagt Walter Arnold, Leiter des Instituts für Wildtierkunde und Ökologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, „sind Relikte der Eiszeit. Es gibt fossile Funde in ganz Europa, bis hin zur englischen Kanalküste.“ Mit der folgenden Klimaerwärmung und der dadurch bedingten Verwaldung haben sich die Lebensräume in immer höhere Regionen verlagert. Heute bevölkert das Alpenmurmeltier – eine von 14 Murmeltierarten – zwischen den französischen Seealpen und den östlichen Ausläufern im niederösterreichischen ➻
Servus 119
Raxgebiet Regionen oberhalb der Waldgrenze bis zu einer Seehöhe von 3.000 Metern. Nicht Steinadler oder Füchse sind die größte Bedrohung für den Bestand, sondern der Klimawandel. „Mit Wärme“, erklärt Arnold, „können sie nur schlecht umgehen. An heißen Sommertagen verharren sie, statt zu fressen, im kühlen Bau.“ Häufen sich solche Prachttage, wie wir Menschen sie im Gebirge lieben, bleibt den Nagern zu wenig Zeit, um sich den lebenswichtigen Fettpolster anzufressen, mit dessen Hilfe sie auch ihre Kinder durch den Winter bringen müssen. Murmeltierfamilien bestehen aus einem Gründerpaar, das im Lauf der Jahre mehrere Generationen hervorbringt. Bis zu 20 Tiere kann eine solche Gruppe zählen. Bisweilen brutal verteidigen die beiden Alphatiere ihr bis zu 2,5 Hektar großes Revier. Eindringlinge bezahlen die Missachtung der Grenzen oft sogar mit dem Leben. Und auch Familienangehörige werden, wenn es um die Fortpflanzung geht, kräftig drangsaliert. Die Reproduktion ist nämlich ein Privileg des Alphaweibchens. Instinktiv setzt es die anderen Weibchen, die sich paaren, unter
120 Servus
massiven Druck, wodurch sich deren Stresshormonspiegel derart erhöht, dass es in den allermeisten Fällen zu Fehlgeburten kommt. Doch diese Repressalien dienen allein dem Überleben des Wurfes. Dieser kann sich
9
Der Trick des Alphaweibchens: Jedes Männchen glaubt, die Kinder gezeugt zu haben – und erfüllt brav seine Vaterpflicht.
9
nämlich im ersten Winter noch nicht selbst erwärmen, sondern ist auf die Energie der Eltern und älteren Geschwister angewiesen. Zu viele Junge würden die „heizenden“ Nager überfordern; dazu kommt, dass eine andere Mutter mit ihren Jungen in einen an-
deren Bau abwandern könnte, wodurch im Winterbau Wärmespeicher verloren ginge. Gerade um die wärmespendenden Männchen zu motivieren, lässt sich das fortpflanzungsberechtigte Weibchen auch mit subdominanten Familienmitgliedern ein. „Bis zu sieben Männchen sitzen um das Alphaweibchen“, erklärt Arnold, „es gibt dabei überhaupt keinen Streit, sie warten einfach, bis sie kopulieren dürfen.“ Diese Strategie dient ebenfalls dem Überleben im Winter, wie der Wildtierforscher weiß: „Jedes Männchen ist der Meinung, den Nachwuchs gezeugt zu haben, und engagiert sich deshalb beim winterlichen Wärmen viel mehr.“ Gerade 30 Gramm wiegen die meist vier blinden Jungen nach etwa einem Monat Tragzeit; dann müssen sie rasch an Gewicht gewinnen. Zehn Tage nach der 40-tägigen Phase im Bau sind sie im Schnitt bereits 500 Gramm schwer. Nun wird selektiv gefressen. Alpenklee, Tragant und Labkraut prägen den Speiseplan. Diese Pflanzen enthalten hohe Mengen an ungesättigten Fettsäuren, die – im weißen Fettgewebe eingelagert – die Toleranz tiefer Temperaturen erhöhen.
fotos: imago, getty images
Eine Murmeltiermutter füttert ihren Nachwuchs. Innerhalb der Gruppe verständigen sich die Nager mit hellen, im Kehlkopf erzeugten Schreien, die Menschen als Pfeiftöne wahrnehmen. Mehrere Pfiffe bedeuten: Gefahr im Anzug (zum Beispiel ein Fuchs). Ein kurzer, schriller Pfiff signalisiert: Adler im Anflug, nix wie weg!
Recken, strecken, schmusen: Murmeltiere begrüßen sich, indem sie die Nasen aneinander reiben. In der Sommerzeit futtern sie unentwegt – und legen sich bis zu zwei Kilogramm Fettreserven an.
Etwa drei Kilo wiegen ausgewachsene Tiere im Frühjahr nach dem Verlassen ihrer Tunnelgänge; im September sind es bis zu zwei Kilo reines Fett mehr. Nun beginnt jener wundersame Prozess, der Forschern bis heute teilweise rätselhaft erscheint. Eine innere, auf den Jahresverlauf eingestellte Uhr leitet eine kurze Fastenperiode ein; die Tiere, sagt Forscher Arnold, „sind ohnehin schon so fett, dass sie kaum noch laufen können“. Zu diesem Zeitpunkt beginnen die Verdauungsorgane um bis zu 30 Prozent zu schrumpfen und verringern so die zu beheizende Masse. Körpertemperatur sinkt auf 2,6 Grad
Dann beziehen sie gemeinsam den tiefgelegenen Winterbau, klemmen den Kopf zwischen die Hinterbeine und bedecken ihn mit dem buschigen, bis zu 25 Zentimeter langen Schwanz. In der Mitte des familiären Murmeltierknäuels liegen die jüngsten Tiere, die noch zu wenig Fett haben, um sich in der Kälte am Leben zu erhalten. Schon bald übermannt alle der erste Torpor, in dessen Verlauf die Körpertemperatur auf bis zu 2,6 Grad absinken kann. Nicht einmal Hirn-
ströme sind nun messbar. „Jedes andere Säugetier wäre da längst tot“, sagt Arnold. Merkwürdiges, aber evolutionär überaus Sinnvolles geschieht im Bau. Etwa alle elf Tage treten die Murmeltiere in eine kurze Erwärmungsphase ein, die Euthermie. Das bedeutet nicht, dass sie aufwachen; jetzt schlafen sie tatsächlich. Muskelzuckungen aktivieren bestimmte Proteine im Fettgewebe, die ausschließlich der Erwärmung dienen; es ist, als würde sich eine kurz geschlossene Batterie erhitzen. Die Forschung geht heute davon aus, dass die Tiere deshalb ihre Kältestarre unterbrechen, weil nur in dieser Phase die durch den todesähnlichen Torpor beschädigten Hirnareale repariert werden können. So verharren die Nager mehr als ein halbes Jahr und verbrauchen dabei, ohne einen Schritt zu tun, 70 Prozent ihres Energiebedarfs. Bis im nächsten Frühling dasselbe Programm wieder eilig abgespult wird: Und jährlich grüßt das Murmeltier. 3 ServusTV-Tipp: Urgewalten: Der Lech – ursprünglich und wild; 20. Mai, 21.15 Uhr.
Kleine Murmeltierkunde Murmeltiere werden bis zu 15 Jahre alt – sofern sie nicht natürlichen Feinden wie Fuchs und Adler oder dem Menschen zum Opfer fallen. Der Name geht auf das althochdeutsche „murmunto“ zurück, das aus dem Lateini schen („Mus montis“, „Bergmaus“) entlehnt ist. Im Volksmund wird es auch Mentl, Man kei, Muramantl oder Murmendel genannt. Die unterirdischen Gänge der alpinen Nager sind weitverzweigt und liegen oft in bis zu 7 Meter Tiefe. Der längste Tunnel, den For scher je entdeckten, war über 100 Meter lang. Die Heilkraft des Murmeltierfettes nutzte schon Paracelsus – und zwar gegen Seiten stechen. Einst wurde es auch gegen Gicht, Keuchhusten, Kropf, Schwindsucht, Brand wunden und Rheuma verwendet. Noch heute ist Murmeltierfett („Adeps marmotae“) in der Volksmedizin beliebt. Alles nur Aberglaube? Wildtierforscher Walter Arnold: „Das Fett enthält tatsächlich hohe Anteile an Kortiko steroiden, die entzündungshemmend wirken.“
Servus 121