Servus in Stadt & Land - Bayern 03/2012

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03/2012 &

in Stadt & Land

An guadn Appetit!

Priener Festtagshut

Schlüsselblume  & Ein Garten in OberBayern  &  Wohnen mit Papier  & Tierleben: Der Specht  &  Fränkische Kammmacher

Urige Rezepte aus ganz Bayern Handarbeit aus dem Chiemgau

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E i nfac h

.

Gut .

Leben

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März

03/2012 EUR 3,90

FLATTERHAFT Die ersten Schmetterlinge des Jahres

endlich

Frühling Ein Ausflug ins Oberallgäu

Schäfflertanz in Nonnenhorn

&

Böllermacher von Maria Gern

&

Der Mönch von Coburg >


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Inhalt 2012 März

Küche

12 Schlüssel zum Frühling

48 Eine Rübe wie ein Rubin

22 Rückkehr der Farben

52 Raus aus dem Keller!

Die Schlüsselblume öffnet uns das Tor zur blühenden Jahreszeit.

Zu Gast in Oberteisendorf: Ursula Huber hat den Garten um ihren Bauernhof in ein blühendes Paradies verwandelt.

30 Draußen vorm Haus

Jetzt ist die richtige Zeit, um einen schönen Vorgarten anzulegen.

34 Flatterhafte Boten

Die Schmetterlinge erwachen.

38 Ein Tisch aus Stämmen

Selbst gemacht und wunderschön.

6  Servus

Die Rote Bete ist wieder in aller Munde – und rundum gsund.

Jetzt werden die letzten Restln aus dem Winterlager verkocht. Wir ­servieren dazu Gerichte aus allen Winkeln Bayerns.

62 Hübsche Nester

Hausgemachte Bandnudeln.

64 Verzopft & gebacken

Traditionelle Rezepte für Hefezopf und Erdäpfelbrot.

Wohnen 72 Bewahren aus Leidenschaft In Halblech im Allgäu fanden Renate und Colin einen verfallenen Hof aus dem 17. Jahrhundert, den sie behutsam renovierten.

82 Endlich Frühling

Deko-Ideen für den Balkon und das Bankerl vorm Haus.

86 Gschwind wie der Wind

Aus buntem Papier und Gänsefedern bauen wir ein hübsches Windrad.

88 Blühendes Papier

Servus-Bastelstunde mit Pappmaché und frühlingsfrischen Blumen.

zusatzfotos cover: eisenhut & Mayer, bernhard huber; illustration: andreas leitner

Natur & Garten

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fotos inhalt: garden world images, quirin leppert, eisenhut & Mayer, bernhard huber, michael reidinger, mauritius images, katharina gossow

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Standards 122

Land & Leute 114 Im Rhythmus der Jahreszeiten

Der Oberbayer Roland Metzner fertigt Gitarren im Einklang mit der Natur.

118 Ein Herz für Kämme

Die handgemachten Kämme der Fa­ milie Groetsch aus dem fränkischen Pegnitztal machen nicht nur schön, sie sind es auch.

122 Trommelwirbel im Wald Der Specht klopft sich jetzt seine Frühlingsgefühle von der Seele.

128 Tief im Allgäu

Servus zu Gast im Rohrmoostal und in Gerstruben.

Brauchtum 18 Aberglaube im Gemüsebeet Magische Pflanzregeln und Rituale aus alten Zeiten.

94 Mit Hut und Stolz

Er ist ein fixer Bestandteil der Chiem­ gauer Tracht: Geschichte und Gegen­ wart des legendären Priener Huts.

100 Nonnenhorner Schäfflertanz

Am Bodensee wird diese uralte Tra­ dition besonders liebevoll gelebt.

106 Die Böllermacher von Maria Gern

Hoch oben in den Bergen des Berch­ tesgadener Landes pflegt ein kleiner Familienbetrieb dieses kunstvolle Handwerk.

5 Vorwort 10 Servus daheim 28 Schönes für draußen 40 Der Garten-Philosoph 42 Gartenpflege, Mondkalender 46 Natur-Apotheke: Bärlauch 60 Aus Omas Kochbuch: Josefisuppe 70 Schönes für die Küche 80 Fundstück: Ein Kastl aus Kisten 92 Schönes für daheim 110 Michael Köhlmeier: Der Mönch von Coburg

140 Gutes vom Bauern 142 Herbert Rosendorfer:

Die Leute aus dem Stein

144 ServusTV:

Sehenswertes im März

148 Feste, Märkte, Veranstaltungen 150 Leben in alten Zeiten 154 Impressum, Bezugsquellen Titelfoto: Quirin Leppert, Gerstruben

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natur & garten

Der Schlüssel zum Frühling In prachtvollem Gelb überzieht sie die Wiesen vom Tal bis hoch hinauf in die Berge. Die Schlüsselblume öffnet uns das Tor zur blühenden Jahreszeit. redaktion: Veronika Schubert


P

etrus, so erzählt die Geschichte, ließ einmal aus Versehen seine Schlüssel für das Himmelstor hinunter auf die Erde fallen. Doch selbst die zur Suche ausgesandten Engelsheerscharen konnten nichts mehr ausrichten. Der so wichtige Schlüsselbund war bereits auf einer Wiese angewachsen. Und diese war über und über mit Blümchen bedeckt, die genauso aussahen wie der himmlische Schlüsselbund. Seither hat das Blümchen den Namen Schlüsselblume. Die Be­zeichnung „Himmelsschlüssel“ entstammt wohl auch dieser Legende. Auch in der nordischen Mythologie ist die Schlüsselblume daheim. Sie wurde von Elfen und Nixen geliebt und beschützt. Und Baldur, der germanische Frühlingsgott, soll jeden bestraft haben, der sie ausriss. Die Schlüsseljungfrau trug auf ihrer Krone einen­großen goldenen Schlüssel, mit dem sie verborgene Schätze aufspürte. Allgemein galt die kleine Blume im Volksglauben stets als Schutz- und Fruchtbarkeitsmittel. Teure importe im altertum

In der Volksheilkunde blickt die Schlüsselblume daher auch auf eine lange Tradition als Heilpflanze zurück. Die Griechen nannten sie Dodecatheon, Zwölfgötterblume, und schrieben ihr zu, dass sie alle Krankheiten aus dem Körper verbannen könne. Um sie aus dem Norden zu importieren, bezahlte man damals sehr viel Geld. Mit „Hymelslozzel“, meinte Hildegard von Bingen viele Jahrhunderte später, könne man Melancholie, Wahnvorstellungen und Kopfschmerzen heilen. Denn die Blume habe alle Kraft der Sonne. Im Volksmund hieß das Kraut damals auch „Gichtblume“, weil man sich eine Wirkung gegen die bösen „Gichtgeister“ erhoffte. Tatsächlich enthalten Schlüsselblumen Saponine, Flavonoide, ätherische Öle, ➻

foto: vario images

Primula veris Familie: Primelgewächse (Primulaceae). Standort: Heimisch, in ganz Europa und Vorderasi­ en auf sonnigen Wiesen und in lichten Gebüschen vorkommend. Pflege: Keine Düngung nötig, eventuell eine Kom­ postgabe im Frühjahr; alte, blühfaul gewordene Pflanzen teilen und neu pflanzen. Pflanzung: Im Frühjahr und Herbst an einen son­ nigen bis halbschattigen Standort pflanzen; der ­Boden soll humos, aber nicht nass sein. Blütezeit: März bis April.

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Gerbstoffe und Kieselsäure. Aus den Blüten kann Tee gegen Kopfschmerzen, fieberhafte Erkältung und Husten gekocht werden. Gegen Nervenschmerzen empfiehlt sich eine Kompresse mit heißem Teeaufguss. Und auch bei Schlaflosigkeit, Angst und Aufregung soll das Himmelschlüsselchen helfen. Der Kieselsäuregehalt der Pflanze kräftigt zudem das Bindegewebe, weswegen ein Dampfbad als Hautpflegemittel Sinn hat. Die kleine erste des Frühlings

So vielfältig die Anwendungsgebiete sind, so viele Namen hat die Schlüsselblume. Als Himmelsschlüssel wird sie fast in ganz Bayern bezeichnet. Die Niederbayern haben aber auch noch andere nette Namen: Kikerikihansel, Rotzglöckl oder Lateiner heißen sie da. Petersschlüssl und Gansblümerl gibt’s auch noch, in der Garmischer Gegend sagt man Batenge oder Blatengele. Das lateinische Primula veris für die Echte Schlüsselblume bedeutet so viel wie „die kleine Erste des Frühlings“. Sie ist in ganz Bayern heimisch, wächst an Waldrändern und auf Wiesen bis in 1.700 Metern. Den Bergblumen wird nebenbei eine intensivere Heilkraft zugesprochen. Nicht nur, weil Bergkräuter durch das stärkere UV-Licht kräftiger gedeihen, sondern auch, weil die Himmelsschlüsserl oben am Berg dem Herrgott noch näher sind und damit auch himmlische Kräfte in sich aufnehmen, so der Volksglaube. Der Echte Himmelsschlüssel blüht bei uns je nach Lage ab Februar bis in den Mai. Langrüsselige Insekten wie Hummeln oder Falter bestäuben ihn gern. Im Frühling sind sie dankbar für jede Nahrung. Primula veris eignet sich im Garten für naturnahe Pflanzungen und gedeiht auf mageren, humosen, kalkhaltigen Lehm- und Tonböden. Halbschattige, durchaus auch ­etwas trockene Standorte sind gut möglich. Weil sie eine Wildblume ist, braucht sie ­keine Düngegaben. Die Redewendung „Jemand geht ein wie eine Primel“ bezieht sich übrigens ➻

Servus-Tipp: Die Blüten der Echten Schlüsselblume enthalten reichlich Karotin und Flavonoide. Ein Topf mit kochendem Wasser und eine Handvoll Schlüsselblumenblüten von der Wiese: So hat man im Handumdrehen ein natürliches Färbemittel, das aus weißen Eiern gelbe macht.

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Die Niederbayern sagen Kikerikihansel oder Rotzglöckl, in der Garmischer Gegend heiSSt die Schlüsselblume auch Batenge.

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Aurikel (Primula auricula) in Violett-WeiĂ&#x; und Gelb.

fotos: mauritius, garden world images, flora press

Behaarte Primel (Primula hirsuta).


Kugelprimeln (Primula denticulata) in Rot, WeiĂ&#x; und Violett.


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„Das Primelreich in seiner Vornehmheit und weltweiten Fülle wirkt auf den Wissenden so imponierend, dass er sich fast beklommen in die endlose Schatzkammer wagt.“

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Karl Foerster, Doyen der Staudengärtnerei

nicht auf Schlüsselblumen in freier Natur, sondern auf die Empfindlichkeit der Zimmerprimeln, die meist aus Asien stammen. Denn: Sind die Topfprimeln einmal beleidigt, weil auf eine Wassergabe vergessen wurde, ist nicht mehr viel zu retten. Himmelsschlüssel haben übrigens viele Geschwister: Von der Gattung P ­ rimula gibt es mehr als 500 Arten. Die Aurikel (Primula auricula), auch Petersschlüssel oder Gamsbleaml genannt, wächst bis in 2.700 Meter Höhe, manchmal sogar in Felsspalten. Diese robuste Genügsamkeit wird durch die wasserspeichernden, fleischigen Laubblätter möglich. Sie sind mit einer Wachsschicht überzogen, die vor Sonnenstrahlung schützt. Ein Bergfex ist auch die kleine Zottige Primel (Primula villosa). Charakteristisch sind die dicht mit klebrigen, bis zu einem Millimeter langen Drüsenhaaren bedeckten Blätter und Stängel. Die rosa bis lila gefärbten Blüten zeigen einen weißen Schlund. Blütenkugeln und knallbunte kissen

Bei uns gedeihen alle winterharten Primelarten, ob Wildprimeln oder Exemplare aus der Gärtnerei. Lustige Blütenkugeln bildet die – nomen est omen – Kugelprimel (Primula denticulata). Als Zimmerpflanze eignen sich die nicht winterharten Flieder- und Becherprimeln. Und im Fasching sieht man allerorts knallbunte Kissenprimeln. Im Gartenrasen versamen sich oft blassgelbe Hybriden. Wem diese dort zu viel werden, der kann sie auch pflücken und als Aufputz in den Frühlingssalat geben. 3

PrimelFrühlingssalat Zutaten für 4 Personen 25 Primelblüten aus dem biologisch bewirtschafteten Garten 20 Veilchenblüten 5 Handvoll Feldsalat (oder einen anderen saisonal verfügbaren Salat)

fotos: mauritius, flora press

Vinaigrette 10 EL Distelöl oder Olivenöl 4 EL weißer Balsam-Essig ½ TL Salz 1 Prise Zucker 1 Prise Pfeffer 1 TL Dijon-Senf

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rezepte

Raus aus dem Keller! Es war früher so und es gilt auch heute: Jetzt wird alles, was über den Winter im Keller war, ausgeräumt und verkocht. Servus serviert dazu traditionelle Rezepte aus allen Winkeln Bayerns.

Redaktion: Uschi Korda & Christian Teubner  Fotos: Eisenhut & Mayer  gekocht von: alexander rieder

Oberpfalz / Bayerischer Wald

Erdäpfelschnecken Erdäpfel oder Kartoffeln – das ist eine uralte Frage, auf die es eine einfache Antwort gibt: Jeder, wie er will! Bei diesem herzhaften Rezept aus der Klosterküche gibt’s natürlich kein sprachliches Herumdeuteln, schließlich hat im östlichen Bayern die Erdäpfel-Fraktion seit dem Dreißigjährigen Krieg die kulinarische Oberhand.

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Niederbayern / Oberpfalz

Gemüse -Brotsuppe Was tun mit dem alten Brot, das zum Wegwerfen zu schade, zum Beißen aber einfach zu hart ist? Wir empfehlen, die Reste zu einer kräftigen Suppe zu verarbeiten. Angereichert mit viel Wurzelgemüse, ist sie nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich ein Genuss. Meister Eckart Witzigmann übrigens verfeinert sein Rezept noch mit Hühnerleber.

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Bayerisch Schwaben

Schupfnudeln mit Sauerkraut Die G’schupften sind wohl die einfachste Form aller Nudeln, sie werden nur schnell mit der Hand geformt. In der Mitte sind sie etwas dicker, zu den Enden hin spitz zulaufend. Sauerkraut und Schupfnudeln, mit Schnittlauch bestreut – das ist eine ideale Kombina­ tion. Die Nudeln sind aber auch eine feine Beilage zu Fleisch- oder Wildragout, da werden sie allerdings nicht in Butter geschwenkt. Statt Sauerkraut schmeckt dazu auch ein Bayerisches Kraut, für das Weißkraut fein geschnitten und mit Speck, Zwiebeln und Kümmel gedünstet wird.


Altbayern

Zamkochts Es ist so, wie der Name bereits verrät: Man nimmt alles, was man findet, und kocht es gemeinsam. Woanders würde man Eintopf dazu sagen. Bei uns nimmt man natürlich Kraut und Kartoffeln und am besten eine gepökelte Schweineschulter.


Oberpfalz

Donauwaller mit Wirsing Der Wirsing ist eine Art Dauerbrenner in der Hausapotheke der Genießer. Reich an Vitaminen, Eiweiß und Kalzium, bringt er uns gut über die kalte Zeit. Mit Speck gedünstet ist er eine ausgezeichnete Beilage zum Waller, dem größten Süßwasserfisch in unseren Flüssen und Seen. Dieser, auch Europäischer Wels genannt, tummelt sich vor allem in der Donau und in den Nebenflüssen Naab und Regen.

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Erdäpfelschnecken mit Speck

N ederbayerische Gemüse-Brotsuppe

Schupfnudeln mit Sauerkraut

Zutaten für 4 bis 6 Portionen Zeitaufwand: 1 Stunde 45 Minuten

Zutaten für 4 bis 6 Portionen Zeitaufwand: 40 Minuten

Zutaten für 4 bis 6 Portionen Zeitaufwand: 80 Minuten

Für den Teig: 1 kg mehlig kochende Kartoffeln 100 g Weizengrieß, 150 g Mehl, 1 TL Salz 2 Eier

500 g Bauernbrot 40 g Butter 200 g Zwiebeln 200 g Lauch 150 g Karotten 2 Knoblauchzehen 1 TL Salz 3 EL Pflanzenöl 1 gehäufter EL Kräuter (zu gleichen Teilen Petersilie, Liebstöckel und Majoran) ½ TL Kümmel frisch gemahlener Pfeffer 1 l heiße Fleischbrühe 2 Eier 1 EL Schnittlauchröllchen

300 g Weizenmehl 150 g Roggenmehl 2 Eier 2 gestrichene TL Salz 100 ml Wasser 100 g Butter Sauerkraut

400 g Zwiebeln 120 g Wammerl (gekochter, durchwachsener Bauchspeck) 40 g Butter 2 EL gehackte Petersilie, 2 TL gehackter Majoran Salz, Pfeffer ¼ l Sahne 3 Eier 50 g Butter für die Form Zubereitung 1. Kartoffeln mit der Schale kochen, schä-

len und heiß durch die Kartoffelpresse auf die Arbeitsplatte drücken. Abkühlen lassen und mit den übrigen Zutaten zu einem glatten Teig verkneten. 30 Minuten ruhen lassen. 2. Für die Füllung Zwiebeln schälen und fein hacken. Bauchspeck in kleine Würfel schneiden. 3. Butter in einer Pfanne zerlassen, die Zwiebeln mit dem Speck anschwitzen. Kräuter und Gewürze zugeben und etwa 5 Minuten dünsten. Auskühlen lassen. 4. Den Teig auf der bemehlten Arbeitsplatte etwa 5 mm stark ausrollen und die gewürzte Zwiebel-Speck-Mischung auf der Teigplatte verteilen. 5. Aus der Teigplatte Streifen von 5 µ 20 cm schneiden und aufrollen. Nebeneinander in die gebutterte Form setzen und im Ofen bei 190 °C etwa 20 Minuten backen. 6. In der Zwischenzeit die Sahne mit Eiern, Salz und Pfeffer verquirlen. Die Form aus dem Ofen nehmen und die Eiersahne zwischen die Teigschnecken gießen. Dann weitere 40 bis 50 Minuten backen.

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Zubereitung 1. Brot in Würfel oder Scheibchen schnei-

den und in der zerlassenen Butter knusprig anrösten. 2. Zwiebeln schälen und fein würfeln. Lauchstange in dünne Scheiben schneiden. Karotten schälen und in Stifte schneiden. Knoblauchzehen hacken und mit dem Salz verreiben. 3. Das geröstete Brot aus der Pfanne nehmen, warm stellen und das Öl in der gleichen Pfanne erhitzen. Zuerst die Zwiebelwürfel anschwitzen, dann Lauch und Karotten zugeben und anbraten. Die fein gehackten Kräuter, Kümmel und Pfeffer zufügen und mit der heißen Fleischbrühe aufgießen. Etwa 10 Minuten köcheln lassen und dann das Brot unterrühren. 4. Eier mit etwas Wasser verquirlen, eventuell leicht salzen und nach und nach in die köchelnde Suppe gießen. So entstehen die Eierflocken. Mit Schnittlauch bestreuen.

Zubereitung 1. Beide Mehlsorten mit den Eiern, Salz

und Wasser in eine Schüssel geben und gründlich vermischen. Dann auf der Arbeitsfläche zu einem glatten, geschmeidigen Teig kneten. 2. Den Teig in Folie wickeln und nach mindestens 15 Minuten Ruhezeit kleine Stücke vom Teig abtrennen und zu Nudeln rollen. Eine zweite Möglichkeit: den Teig zu 2 cm starken Strängen rollen, diese in gleichmäßig große Stücke schneiden und daraus die Nudeln „schupfen“ beziehungsweise rollen. 3. Die Nudeln in sprudelnd kochendem, gesalzenem Wasser 8 bis 10 Minuten kochen und abseihen. 4. Butter in einer entsprechend großen Pfanne aufschäumen lassen, die Nudeln darin schwenken, bis sie leicht Farbe genommen haben. Leicht bräunlich, aber innen schön weich.

ServusTV-Tipp: „Gottes Gaben“ zeigt am Sa., 10. 3., um 12.35 Uhr, welche Köstlichkeiten die Mönche im Stift Stams zubereiten.


Altbayerisches Zamkochts

Donauwaller mit Wirsing

Zutaten für 6 bis 8 Personen Zeitaufwand: 2 N Stunden

Zutaten für 4 Portionen Zeitaufwand: 50 Minuten

1 kg Weißkraut 800 g festkochende Kartoffeln ½ Lauchstange 300 g Zwiebeln 200 g Karotten 2 Knoblauchzehen 1 K kg gepökelte Schweineschulter 1 TL Salz 1 Bund glatte Petersilie 1 TL Kümmel frisch gemahlener schwarzer Pfeffer 40 g Schweineschmalz (oder Pflanzenöl) 1 l Gemüse- oder Rinderbrühe

750 g Wirsing (etwa ein halber Kopf) 100 g Zwiebeln 80 g durchwachsener Räucherspeck 2 EL Pflanzenöl 250 ml Gemüsebrühe K TL Salz frisch gemahlener Pfeffer 2 EL gehackte Petersilie

Zubereitung 1. Vom Weißkraut die äußeren Blätter

Zubereitung 1. Wirsing von den Außenblättern befreien,

entfernen, den Strunk herausschneiden und das Kraut in feine Streifen schnei­ den. Salzwasser zum Kochen bringen und das Kraut etwa 3 Minuten blanchie­ ren, abgießen und gut ablaufen lassen. 2. Kartoffeln schälen und in Scheiben schneiden. Lauch in dünne Scheiben schneiden. Zwiebeln zu Würfeln und Karotten in Scheiben schneiden. Knob­ lauchzehen schälen und ganz fein hacken. 3. Schweinefleisch in mittelgroße Würfel schneiden und in einer Schüssel mit Salz, gehackter Petersilie und den Gewürzen gut vermischen. 4. In einem entsprechend großen Gefäß das Fett zerlaufen lassen. Zuerst eine Schicht Weißkraut einfüllen und darüber dann wechselweise das Gemüse, das Fleisch, die Kartoffeln und das restliche Kraut einschichten. Mit der angewärmten Brü­ he übergießen. 5. In dem auf 190 °C vorgeheizten Backofen (untere Schiebeleiste) zugedeckt etwa 90 Minuten garen.

halbieren und den Strunk großzügig herausschneiden. Die Blätter im kochen­ den Salzwasser blanchieren. Mit einer Schaumkelle herausnehmen, abkühlen lassen und die starken Rippen heraus­ schneiden. Die Blätter in kleine Quadrate schneiden. 2. Zwiebeln schälen und würfeln. Räucher­ speck in möglichst kleine Würfel schneiden. 3. Öl in einem entsprechend großen Topf er­ hitzen und die Speckwürfel auslassen. Zwiebelwürfel zugeben und glasig schwit­ zen. Wirsing darübergeben und unter Rühren bei starker Hitze anbraten. Gemü­ sebrühe darübergießen, würzen und den Wirsing bei reduzierter Hitze und offe­ nem Topf langsam etwa 10 bis 15 Minuten garen. Er sollte noch ein bisschen „Biss“ haben. Dann Petersilie einrühren. 4. Wallerfilets unter fließendem Wasser abwaschen und mit Küchenpapier ab­ trocknen. Von beiden Seiten mit Salz und Pfeffer würzen, dünn mit Mehl bestauben.

1 kg Wallerfilets (4 gleichmäßige Stücke) Salz, frisch gemahlener Pfeffer 2–3 EL Mehl 50 g Butter oder Butterschmalz

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5. Butter in einer entsprechend großen

Pfanne erhitzen und die Fischfilets einle­ gen. Je nach Stärke der Filets dauert das Garen 2 bis 4 Minuten auf jeder Seite. 6. Die Wallerfilets mit dem Wirsing auf vorgewärmten Tellern anrichten. Peter­ silienkartoffeln passen dazu sehr gut.

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hausbesuch

Bewahren aus Leidenschaft In Halblech im Allgäu fanden Renate und Colin Jackson ihr Traumhaus: einen verfallenen Hof aus dem 17. Jahrhundert, den sie behutsam renovierten und zu einem kuscheligen Heim für sich und ihre Gäste machten. Text & Fotos: Thomas Drexel Redaktion: harald nachförg

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Während am historischen Wohnkern so gut wie nichts verändert wurde, hat man die Tenne luftig ausgebaut – und hier sogar zwei Gästezimmer untergebracht.


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ntkernen – wenn ich das nur höre, stehen mir schon die Haare zu Berge“, lacht Renate Jackson. Zu oft wurde ihr und ihrem Mann Colin bereits dieser Vorschlag ge­ macht. Doch die Antwort des Ehepaares, das mit Leidenschaft alte Häuser renoviert, war immer die gleiche: „Nein! Wir wollen nichts zerstören. Wir wollen erhalten. Wir wollen bewahren.“ Und so sind die Jacksons auch bei der Sanierung eines bäuerlichen Anwesens aus dem 17. Jahrhundert vorgegangen, in dem sie heute leben. Nicht nur sie übrigens, denn ein Teil des Hauses wird als kleine Pension geführt. „Das Haus lebt also nicht nur von seiner Atmosphäre, sondern auch von den Menschen, die zu uns kommen“, freut sich Renate. Britisches Wohnidyll im Allgäu? Wie das? Wie kam man überhaupt hierher, in die Illasbergstraße 21, nach Berghof/ Halblech bei Füssen? Um eine lange Geschichte kurz zu ma­ chen: Die in Oberhausen im Ruhrgebiet ge­ borene Renate lernte den Briten Colin Jack­ son kennen und zog – nachdem man sich zu einer Patchworkfamilie zusammengefunden hatte – zu ihm nach Hitchin, in die Nähe von London. Dort kauften die beiden ein desolates viktorianisches Stadthaus, das sie wieder in neuem Glanz erstrahlen ließen. Und wenn sich Colin nicht entschieden hät­ te, seine Firma, die Leiterplatten herstellte, zu verkaufen – die Jacksons würden ver­ mutlich heute noch dort leben. Märchenschloss und Traumhaus

Doch das Ehepaar wollte sich überhaupt völlig neu orientieren. Und kam 1998 über einen Freund ins Allgäu. Schnell fanden sie ein Ferienhäuschen, das sie natürlich renovierten. Während Renate, die auch schon mal ­ihren eigenen Antiquitätenladen hatte, ­wieder als Gesprächstherapeutin arbeitete, ging ihr Mann in seiner Allgäuer Wahl­ heimat ganz in seiner neuen Karriere auf: Colin führte Kunstinteressierte durch Schloss Neuschwanstein. ➻

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In der Küche fand ein aus den 1920er-Jahren stammender Emailofen der Marke Röder seinen Platz. Auf ihm wird nicht nur gekocht, man wärmt sich auch an dem raren Schmuckstück. Rechte Seite oben: Die in Naturstein und Holz ausgeführte Wand zwischen Wohn- und Wirtschaftsteil markiert die frühere Außenwand des ursprünglichen Hauses. Rechts unten: ein renoviertes Holzbankerl.


fotos: xxxxxxx


Die neuen Fenster im alten Wirtschaftsteil sorgen für optimale Belichtung. Rechte Seite: Auch der ausgebaute Dachspitz ist von Licht durchflutet.

Im Herrenzimmer wurde der bei der Sanierung ab­ gebaute Kachelofen aus dem frühen 19. Jahrhundert wieder originalgetreu aufgestellt. Links: Renate und Colin Jackson gehen beim Renovieren immer äußerst sensibel vor. Schiefe Wände und Türen werden ­bewusst nicht begradigt, sondern im historischen Zustand belassen.


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„Das haus lebt nicht nur von seiner Atmosphäre, sondern auch von den Menschen, die zu uns kommen.“

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Nur einen Katzensprung vom maleri­ schen Schloss des bayerischen Märchenkö­ nigs Ludwig II. entfernt fanden die Jacksons 2001 schließlich den Traum ihres Lebens: einen heruntergekommenen Bauernhof, dessen Kern um 1630 errichtet worden war. Selbst die direkt an dem Anwesen vor­ beiführende Dorfstraße konnte die Begeis­ terung bei der ersten Besichtigung nicht trüben. Der Verkehr war überschaubar und das Gebäude erschien in seiner Ursprüng­ lichkeit schlicht wunderschön. Und so machten sich Colin und Renate wieder einmal ans Werk. Denn trotz aller Euphorie – dass da einiges zu sanieren war, daran bestand kein Zweifel. Nicht nur weil das Haus schon zehn Jahre lang leerstand. Es gab auch nur eine einzige Wasserstelle. Und zwar in der Küche. Das WC wiederum verfügte über keine Spülung, auch eine Heizung fehlte – abgesehen vom Kachel­ ofen. Dennoch hatten die Jacksons nur ein Ziel vor Augen: alles zu bewahren, was nur möglich war, und höchst sensibel mit dem Bestand umzugehen, um so die Wertigkei­ ten und den Charakter des Hofs zu erhalten.

fotos: xxxxxxx

Der legendäre Schorsch

Dabei traf es sich gut, dass man sich mit dem zur Sanierung beauftragten Bauunter­ nehmer bestens verstand und der wiederum Renate gerne die Bauaufsicht überließ. „Die Blicke der gschdandnen Allgäuer Männer hätten Sie sehen sollen“, lacht Frau Jack­ son. „Aber nach 14 Tagen haben sie mir aus der Hand gfressn.“ Noch heute streut sie ihren Handwerkern Rosen. Vor allem dem „Schorsch, das war der Hauptzimmermann, der hat immer gsagt: Kein Problem! Wird schon gehen!“ Freilich, der Mann hatte ja auch Gefühl und gehörte nicht zu jener Sorte, die alles begra­ digen und herausreißen will. Unnötig, ihm zu sagen, dass der historische Wohnteil kei­ nesfalls entkernt und Wände niedergelegt werden dürfen. So einen Schmarrn hätte der Schorsch eh nicht gemacht. ➻

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Die Tenne gehört zu den Lieblingsplätzen von Renate, vor allem der Platz ums Klavier. Links unten: Die Fassade wurde nur saniert, die Aufteilung von Fenstern und Eingangstür blieb gleich. Rechts unten: Die Tore im Erdgeschoss verweisen zusammen mit dem Bretterschirm auf die landwirtschaftliche Vergangenheit.


Heimelig: Dieses in der alten Tenne neu entstandene Zimmer steht Gästen zur Verfügung.

Räume mit großzügiger Wirkung gibt es allerdings schon. Sie wurden im vorher nicht ausgebauten Spitzboden und im Bereich des angebauten Wirtschaftstrakts geschaffen. Und in der Tenne fanden sogar noch Gästezimmer Platz. Die Jacksons wollten ja vermieten. Neue Fenster und Fenstertüren auf der Südseite und in kleineren Abmessungen auch auf der Nordseite des Wirtschaftsteils, die durchaus der historischen Gliederungsweise folgen, ermöglichten eine erstaunlich gute Belichtung des neu geschaffenen Wohnraums. So konnte auch auf ursprünglich vorgesehene zusätzliche Dachverglasungen verzichtet werden. Renate Jackson: „Das hat der Geschlossenheit der Dachfläche sehr gutgetan und im Äußeren den Charakter des alten Wirtschaftsteils bewahrt.“ Abgeschliffen und geölt

Aber nicht nur die Außenwände, die Fassadengliederung und die Grundstruktur der Räume wurden durchgehend beibehalten. Die Details zu neuem Glanz zu bringen war den Besitzern ebenso wichtig. Zum Beispiel die originale, aus der Erbauungszeit stam-

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selbst vormals skeptische dorfbewohner sind von dem Kleinod jetzt ganz begeistert.

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mende Haustüre, sämtliche Innentüren im Barockstil, Türstöcke und Beschläge, die hölzernen Wandvertäfelungen, die Treppe, der Kachelofen im heutigen Herrenzimmer und ein großer Teil der originalen Dielenböden, die abgeschliffen, gelaugt und neu geölt wurden. Der im Herrenzimmer vorhandene, nur auf Lehm errichtete Kachelofen aus der Zeit um 1830 ist fachgerecht abgebaut und wieder aufgemauert worden. In der Küche wiederum erhielt ein emaillierter Holzofen aus dem frühen 20. Jahrhundert einen Ehrenplatz. Und wenn irgendwo Mauerwerk bröckelte, wurde es

mit dem vorgefundenen alten Kalk-GipsPutz versehen und mit Kalkfarben neu gestrichen. Und überhaupt: Wo Teile ergänzt werden mussten, griff man stets auf alte Materialien zurück. So ist es Renate und Colin Jackson nach 13 Monaten gelungen, aus einem nahe am Originalzustand verbliebenen, aber vom Verfall bedrohten Bauernhof ein hochwer­ tiges Haus mit rund 450 Quadratmeter Wohnfläche und viel Atmosphäre zu schaffen. Selbst vormals skeptische Dorfbewohner sind von dem Kleinod ganz begeistert. Und die Pensionsgäste sowieso. „Unlängst kam eine Amerikanerin zu uns. Wir begrüßten einander und eine halbe Stunde später spielte sie schon auf unserem Klavier und ich sang dazu“, freut sich Renate über die besondere Wirkung ihres Heims. 3

Buchtipp: „Faszination Bauernhaus – Renovieren, Umbauen, Erweitern“ von Thomas Drexel, Verlag DVA, 160 Seiten, € 49,95.

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handwerk

Die

Böllermacher von Maria Gern Hoch oben in den Bergen des Berchtesgadener Landes geht ein kleiner Familienbetrieb als einer der letzten einem faszinierenden Handwerk nach. Bei Böllern vom Pfnür wird bis aufs Schwarzpulver noch alles selbst gemacht. Text: Georg weindl  Fotos: Quirin leppert

W

er die Werkstatt vom Pfnür besucht, der weiß, was er will. Hier kommt keiner zufällig vorbei. Dazu ist die Anreise zu mühsam. Über enge Kurven schraubt sich die Straße von Berchtesgaden über Bergwiesen und durch dunkle Waldpassagen in die Höh. Da mag einem Flachländer schon schwindlig werden, bis endlich die barocke Wallfahrtskirche Maria Gern hinter der letzten Kuppe erscheint. In kunstsinnigen Kreisen wird sie wegen ihres kostbaren Interieurs hoch geschätzt. Natürlich ist dieses Gotteshaus hier oben die Se-

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henswürdigkeit und nicht die einen Steinwurf entfernte kleine Böllermanufaktur. Das schmale gelbe Haus schmiegt sich an den Fels. Ein altes Firmenschild überm Eingang macht klar: Das hier ist ein Traditionsbetrieb – und zudem ein Familienbetrieb par excellence. Franz Pfnür, Sohn Wolfgang und Schwiegertochter Katharina – gemeinsam gehen sie einem höchst seltenen Handwerk nach, das man allgemein wohl für ausgestorben hält, in der Tat aber eine weitverbreitete Liebhabergemeinde beliefert. Der Pfnür baut Böller und Kanonen.

Böller sind wohl die einzigen Schussgerätschaften, die man gemeinhin mit erfreulichen Anlässen verbindet. Die Berchtesgadener sind selbstbewusste Menschen mit Sinn für Tradition. Aus diesem Grund hat das Böllerschießen, das bis aufs Mittelalter zurückgeht, hier noch so viel Gewicht. Hochzeiten, Schützen- und sons­tige Vereinsfeste werden mit lautem Knallen verkündet. Drinnen in der Werkstatt steht Vater Pfnür gerade an der kernig brummenden Fräse und schneidet feine Rundungen in


Seniorchef Franz Pfnür fräst mit Augenmaß einen der vielen vorbereiteten Walnussrohlinge zurecht (rechts). Sohn Wolfgang (oben) feuert einen Probeschuss ab. Er ist es auch, der Lauf, Hahn und Schloss aus Edelstahl fertigt (links).

einen massiven Holzblock. Bohrmaschinen, Sägen, zwei Drehbänke und eine Werkbank füllen diesen ersten von drei Räumen. Ein ruhiger Mann ist der Senior, der wenig Aufhebens um seinen seltenen Beruf macht: „Zwei weitere gibt es noch im deutschsprachigen Raum, die Böller machen. Aber das war’s dann auch schon.“ Auch deshalb ist der Pfnür gut ausgelastet. Ein weiterer Grund ist, dass hier im Berchtesgadener Land das Christkindlschießen Tradition hat. In der Woche vor Weihnachten wird jeden Tag nachmittags um

drei eine gute Viertelstunde lang geschossen. „Da rumpelt’s dann ordentlich im ganzen Berchtesgadener Kessel“, sagt der Wolfgang mit breitem Grinsen. Ansonsten sind in der Region auch Trauungen, Beerdigungen und runde Geburtstage Anlass genug für großzügige Böllereinsätze. Und dann natürlich die große Eröffnung des Oktoberfests, bei dem die Schützenvereine aus halb Bayern in München aufmarschieren. Wenn man bei den Pfnürs in der Werkstatt steht, scheinen solche Großveranstaltungen Lichtjahre entfernt zu sein. Hier

oben am Berg wähnt man sich in einer eigenen, ganz anderen Welt. Vor dem Fenster tanzen heute spätwinterliche Schneeflocken in der Luft, ein paar Kirchenbesucher schlendern vorbei. Und nur wenige Autos verirren sich unter der Woche in die Einschicht. ein hochzeitsstrauss in walnuss

Gute Voraussetzungen also, um sich ganz und gar auf die Arbeit zu konzentrieren. „Wir machen hier wirklich alles selbst“, sagt der Wolfgang mit sichtbarem Stolz und fügt hinzu: „Bis auf das Schießpulver.“ ➻

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Jede der Schlossplatten (unten) wird mit einem Eichenblatt verziert. Dann werden die entsprechenden Löcher für Schaftböller (rechts) und Handböller (ganz rechts) vorgebohrt.

Wirklich beeindruckend sind sie, die Hand- und Schaftböller mit ihren wuchtigen runden Griffen und hochpolierten Läufen: Für den Laien schauen die Handböller aus wie Pistolen im Großformat mit dickem Lauf und elegantem Holzgriff. Man feuert sie, nomen est omen, aus der Hand. Schaftböller wirken dagegen wie kunstvoll dekorierte Gewehre mit zu kurz gera­ tenem Lauf. Sie werden aus der Hüfte abgefeuert. „Bei beiden Bauarten verwenden wir ausschließlich heimisches Holz von der Walnuss“, verrät der Franz, „denn das ist zäh und elastisch und hat gleichzeitig die schönsten Maserungen.“ Die kunstvollen Verzierungen darauf sind Aufgabe von Schwiegertochter Katharina, die Holzbildhauerin ist: hier ein Edelweiß, dort ein Röslein, gerne auch einmal ein traditionelles Familienwappen. „Einer hat sich zum Beispiel einen Böller gekauft als Geschenk für seine zukünftige Frau und als Verzierungen die Blumen des Hochzeitsstraußes gleich mit draufmachen lassen“, erzählt Katharina. Alles so, wie es der Kunde wünscht. Denn die Böller vom Pfnür sind natürlich Einzelanfertigungen. zum beschussamt nach münchen

Aus massiven Edelstahlrohren dreht Wolfgang, der gelernte Metallbauer, die Läufe mit einer Bohrung zwischen 10 und 40 Millimeter. Auch die delikaten Teile des Ver­ riegelungs- und Auslösemechanismus werden in der Werkstatt handgemacht. Ist der Lauf dann fertig, wird er beim Beschussamt in München zur Böllerprüfung eingereicht. Erst danach werden Lauf und Schaft in der Werkstatt zusammengebaut. Im hintersten Winkel des Häuschens in Maria Gern steht ein schmaler Schrank mit Glastüren. Dort lagern die Pfnürs ihre fertigen Böller. Viel schlichter und unscheinbarer kann eine Verkaufsabteilung wohl kaum sein. Drei Männer aus Altötting sind gerade angekommen. Der Vater sucht für seinen Sohn einen Handböller. Er studiert die Exponate hinter Glas eingehend und murmelt dann: „Die san gar net schlecht.“ Gleich neben dem Schrank steht ein Kaliber, das man eher in einem Völkerkundemuseum erwarten würde: eine stattliche Kanone, die sich bei kurzer Rückfrage als nagelneuer Hinterlader entpuppt.

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Diese Geräte stellen die Königsklasse im Sortiment des Böllermachers dar und werden ebenfalls komplett bei Pfnürs gebaut. Vor allem die hölzernen Speichenräder mit den Edelstahlbeschlägen sind zeitaufwendige Handarbeit. Geböllert und gesammelt

„Früher gab’s für die Räder in jedem Dorf einen Wagner. Heut macht das keiner mehr“, bedauert der Senior. Zwischen 1.600 und 6.800 Euro muss man für eine solche Kanone kalkulieren. Handböller sind da ab 420 Euro deutlich günstiger. Dazwischen liegen die Schaftböller mit 700 bis 1.515 Euro. Das mag auf den ersten Blick viel Geld sein, aber man kauft sich einen Böller auch nicht alle Tage. Eine spezielle Er­laubnis zum Böllern braucht’s übrigens nicht. Freilich, wer selber schießen will, muss beim Gewerbeaufsichtsamt den entsprechenden Lehrgang absolvieren. Von Zukunftsängsten werden die Pfnürs

jedenfalls nicht gequält. Dafür läuft das Geschäft zu gut. „Vor allem in letzter Zeit“, sagt der Vater, „ist Böllerschießen wieder populär geworden.“ Und das nicht nur in Deutschland, wo es überall Schützenvereine gibt. Sogar in Amerika und im Nahen Osten wird offenbar geböllert und gesammelt. Der Großteil der Kunden wohnt allerdings ums Eck. „Allein im Berchtesgadener Land gibt es 17 Weihnachtsschützenver­eine mit stattlichen 3.000 Mitgliedern“, weiß Franz Pfnür. „Der Bedarf war so groß, dass früher sogar der Schlosser nebenher Böller gebaut hat“, schmunzelt Wolfgang Pfnür, „und weil er halt kein echter Spezialist war, ist einem nachher manch ein Teil um die Ohren geflogen.“ 3

Böller- und Kanonenbau Pfnür: 83471 Berchtesgaden, Gerner Straße 12, Tel.: +49/8652/614 91, www.boeller-pfnuer.de


Wolfgang, Katharina und Franz beliefern mit ihren Böllern die halbe Welt. Es braucht ein starkes Regal für die massiven Stahlläufe (links). Jener in der Mitte ist für ein dreischüssiges Exemplar.

Von der handlichen Taschenklasse bis zum Königsböller

Handböller Der Handböller ist die kleinste Variante. Wie der Name schon sagt, feuert man ihn aus der Hand ab. Die Preise beginnen bei ca. 420 Euro je nach Gewicht und kunsthandwerklicher Ausführung. Abgebildet ist ein Böller mit einem Kaliber von 10 mm. Er wiegt nur 1,2 Kilogramm. Besonders schwergewichtige Exemplare können bis zu 9 Kilogramm wiegen.

Schaftböller Der Schaftböller sieht aus wie ein Gewehr mit einem extrem kurzen Lauf. Er wird an der Hüfte angelegt. Der Schaftböller ist mit Preisen ab 700 Euro deutlich teurer als der Handböller. Er geht auch stärker ins Gewicht. Hier abgebildet ist ein kleiner Schaftböller mit einem Kaliber von 16 mm und Edelweißschnitzereien. Er wiegt 5,5 Kilogramm.

Vorderlader- und Hinterladerkanonen Böllerkanonen sind die Königsklasse unter den Böllern und dürfen ein Kaliber bis 90 mm haben. Sie sind bei historischen Bürgerwehren beliebt. Beim Vorderlader wird Schießpulver von vorn in den Lauf geschoben, beim Hinterlader von hinten in Form einer Kartusche. Hinterlader sind deshalb auch sicherer. Preise von 1.600 bis 7.000 Euro.

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wunder der heimat

Tief im Allgäu

Bayerisch Sibirien nennen die Einheimischen diesen entlegenen Flecken Erde. Jetzt bahnt sich der Frühling an im Rohrmoostal. Der Bergkrokus tüncht die Moorwiesen weiß und blasslila, es kehrt wieder Leben ein: in den Berggasthof, in die Sennerei. Und in die Nachbartäler, wo sich gar mancher Wilderer herumtreibt. Text: Carolin Giermindl  Fotos: Quirin Leppert

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Die alte Dorfstraße führt an der schneeweißen Marienkapelle hinunter zum Jakobe Hüüs. 500 Jahre alt sind die Holzhäuser von Gerstruben, dem höchstgelegenen Dorf Deutschlands. Walser Familien waren es, die steiles Waldgebiet rodeten und sich hier als Bergbauern niederließen.


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in schneidiges Mannsbild ist er, der Schall Otto, trotz seiner 72 Jahre. Kerzengrad sitzt er da, auf orangen Sitzkissen der Holzbank des Lokals, mit rot-grün kariertem Hemd und Strickjanker, und hinter seinen blauen Augen lauert Verschmitztheit. Vierzig Jahre lang war er Skilehrer, hinten im Söllereck. Da tummeln sich jede Menge Urlauber auf den Pisten. Deshalb meint der Oberstdorfer, nach den Eigenheiten des Rohrmoostals, eines neun Kilometer entferntes Hochtals auf über 1.000 Meter Höhe, befragt: „M’ Roara Moos? Ja, min Gott, da git’s ja nix üssar an leedege Jägar!“ Nichts außer einem ledigen Jäger also … Ruhig ist es im Rohrmoostal, ja. Still. Oben beim Forsthaus am Fuße des Kälberrückens, des Bergs auf der Südseite des Tales, springt und gurgelt und plätschert der Jagdhausbach. Ganz in der Nähe singt eine Amsel. Man meint, selbst die Wolken ziehen zu hören. Wolken, die der Wind von Westen herüberweht, vom Bodensee, der keine 15 Kilometer Luftlinie entfernt ist. Über die vordere und hintere Gottesackerwand, ein eher schroffes, felsiges Plateau, treibt er sie, weiter über den Piesenkopf und die Rote Wand. Berge, die links und rechts diesen schmalen Streifen Land säumen. Der Himmel ist so nah im Rohrer Moos

Gamsbartbinder Otto Schall, ein gebürtiger Oberstdorfer, vor seiner Trophäensammlung. Als junger Bub hat er sich im Frühjahr auf so manche steile Wand gewagt, auf der Suche nach Gämsen. Heute widmet sich der kreuzbrave Mann vor ­allem dem Bartbinden. Am liebsten macht er „Jägar­dratzer“ (links), den kleinen, runden Hut­ schmuck der Wilderer.

Ein Tal mit sanften Grasbergen bis hinauf zu den ersten Fichten ist es. Ein Tal mit sumpfigen Wiesen entlang der Starzlach, des Baches, der hier entspringt und später in die Breitach mündet. Mächtige Bergahornbäume stehen mittendrin in dieser Landschaft und breiten einladend ihre Äste aus. Ein Wildschutzgebiet ist dieses Juwel, amtliches Ruherevier für Hirsch, Dachs, Gams und Reh im Winter. Jetzt zieht das Frühjahr ins Rohrer Moos. Bergkrokusse, kleiner und schmächtiger als ihre Verwandten im Tal, verwandeln die Wiesen und Hänge Ende März in ein pastellfarbenes Blütenmeer. Weiß und zartlila und dicht beieinander blühen sie dann, zwei Wochen lang. Denn der Frühling ist nur kurz im Tal, kommt spät, aber dafür gewaltig. Eine intensive Zeit sei es, sagt der Wirt des Berggasthofs im Weiler Rohrmoos. Er mag es, erzählt Torsten Friedrichs weiter, im Frühling an der Starzlach zu stehen und die Schneeschmelze zu bestaunen. Obwohl er schon viele Lenze hat ins Rohrmoostal ziehen sehen. Er ist hier aufgewachsen, jeden Tag acht Kilometer zu Fuß zur Schule gegangen. „Der Yeti kommt“, haben ihn ­damals seine Schulkameraden täglich gehänselt. Medizin wollte er studieren, weggehen. Aber die Schönheit, die ­Unberührtheit des Tales hat ihn nicht losgelassen. „Selbst der Himmel“, glaubt er, „ist nirgendwo so nah wie hier.“ Fast greifbar scheint er ihm manchmal. Gelegentlich nimmt der Wirt auch missionarisch den ­einen oder anderen Gast zur Seite und verweist auf die Schönheiten vor dem Fenster. „Die tausend Regentrop- ➻


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Die tausend Regentropfen da draussen – funkeln die nicht schöner als jeder Swarovski-Stein?

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Wenn dir die Arbeit Freude macht, dann z채hlst du keine Stunden, sagt die Anneliese.

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fen da draußen am Baum – funkeln die nicht schöner als jeder Swarovski-Stein?“, fragt er auch heute. Bald darauf kommt der Hans in die Gaststube. Der ­Dornach Hans. Schwere Lederstiefel trägt er, Janker und Filzhut, mit seinen zwei Norikern hat er grade eben Gäste hierherkutschiert. Dem Hans braucht niemand was zu ­erzählen. Nichts von der Einzigartigkeit der Natur und nichts von harter Arbeit. Bauer in Tiefenbach ist er, viele zähe Winter lang war er „Baumer“ im Rohrmoostal. Die „Baumer“, das waren jene Männer, die mit Pferden das Rundholz an Lagerplätze transportierten. Im Winter, von steilen Hängen, wenn meterhoch Schnee lag im Rohrer Moos, diesem Bayerisch Sibirien. „Drui Däg lang hobba oft üssbahne miesse mit d’ Roos, vor ba ibbrhöüpt d’erschte Bomm gseache hot“, erinnert sich der Hans und greift mit großen, rauen Händen – sein Ehering am Finger ist mit den Jahren zum Brechen dünn geworden – nach dem Bier, während wir sinngemäß übersetzen: Drei Tage lang hat der Hans also oft ausbahnen müssen, bevor er den ersten Baum gesehen hat … Eine Woche lang blieben die Arbeiter damals im Wald, alle in einer Hütte; einen Raum gab es dort. Zum Kleidertrocknen, zum Schlafen, zum Kartenspielen, zum Essen. Speck oder Kässpatzen mit viel Butterschmalz aßen sie meist. Die Arbeit war schwer und gefährlich. Heute wundert er sich, wie er und die anderen das alles ertragen konnten. Jedenfalls, sagt er, trinkt und kann schon wieder schmunzeln, habe er schon auch andere Winter erlebt. Später dann. Einmal, da hat ihn seine Frau auf Knien ge­ beten, doch in der kalten Jahreszeit mit ihr zu verreisen. ­Sieben Tage lang. Nach Ägypten. Wirt Torsten Friedrichs, der mit am Tisch sitzt, muss heute noch lachen, wenn er an die Geschichte denkt. „Der Hans hat in Hurghada jeden ­Taxifahrer mit Handzeichen begrüßt, weil er das so gewohnt ist. Und die sind jedes Mal stehen geblieben, weil sie gedacht haben, er will mitfahren.“ Ja, ja, wiegelt der Hans ab und sagt, dass es jetzt so im Nachhinein betrachtet damals eigentlich eh gepasst hätte. Die Temperaturen, das warme Wasser, seine schmerzhafte Schulter zu dieser Zeit. „Abr“, ballt er die Hand zur Faust und schaut wild, „no an Dag längr, wenn i hätt bliibe miesse …“ Noch einen Tag länger wäre er also nicht geblieben, und er will auch nirgendwo mehr hinfahren. Hier geb’s doch alles, sagt er: „Do been is gits doch alls.“ Sommerfrische für die Kühe

Wenn der Löwenzahn die Wiesen gelb sprenkelt im Rohrer Moos und das saftige Gras mit jedem Tag mehr wird, dauert es nicht mehr lange, bis Bernhard Hartl ins Tal kommt. 25 Kilometer Weidezaun, den „Haag“, stellt er Jahr für Jahr Anfang Mai neu auf. Er schlägt hölzerne Pfosten rund um die Weideflächen ein, manchmal zäunt er auch ein paar Bäume am Ende des Hanges mit ein. Weil sein Vieh einen Unterstand braucht, gelegentlich Schutz unter Bäumen sucht. Bernhard Hartl, 46 Jahre alt und im Winter zu Hause in Obermaiselstein, ist der Senn vom Rohrmoostal. Mit 250 Kühen, Jungvieh zwischen sechs und 30 Monaten und acht, neun Milchkühen zieht er Anfang Juni auf die Alp. Seine Frau Anneliese ist dabei, und seine beiden Buben gehen auch mit. Die Kühe bringen die Bauern aus nah und fern. Selbst ein Kemptner Landwirt, Allgäus Metropole

Mit dem Tal verwachsen: Wirt Torsten Friedrichs (links) mit Bauer und „Baumer“ Hans Dornach. Beide erinnern sich an strenge Winter und schwere Holzarbeiten im Roh­ rer Moos. Doch jetzt weicht die Kälte dem Frühling, die Gäste in der Wirtsstube eröff­ nen bald die Terrassensaison. Linke Seite: Ein altes Ober­ allgäuer Bergbauernhaus – weiße Spitzenvorhänge vor den Fenstern, das Holz jahr­ hundertelang von der Sonne gefärbt.

liegt rund 40 Kilometer entfernt, schickt seine Tiere hierher zur Sommerfrische. Bis zu vier, fünf Stunden am Tag geht Bernhard oft zu Fuß durchs Rohrer Moos. Und schaut nach seinen Tieren, die allesamt Kuhschellen tragen. „Des Gschell is unsre Musik“, lacht Anneliese Hartl, die täglich Käse macht (Bergkäse, Romadur, Butter- und Kräuterkäse), Kuchen bäckt und Brotzeit herrichtet. Auf der Alpe Schattwald kann man auch einkehren. Um fünf Uhr früh beginnen die beiden ihr Tagwerk. „Schaffe müasch iibrall – ja, arbeiten musst du überall; und „fir vile Lid isch des gonz normal“ – ja, für viele ist das wirklich normal. Und dass sie keine Stunden zählen würden, weil ihnen die Arbeit Freude mache. 250 Sennen und Sennerinnen sind im Sommer auf den Alpen des Allgäus unterwegs, mehr als 32.000 Kühe bevölkern von Juni bis September die Wiesen und Grasberge. Boshafte Menschen behaupten, im Allgäu geb’s mehr Kühe als Leute. Im Rohrmoostal ist das so. Glückliche Kühe, die auf sattgrünen Hängen grasen, im Hintergrund ragen die schneebedeckten Gipfel der All­ gäuer Hochalpen in den blitzblauen Himmel. Bilder, mit denen das Allgäu für sich wirbt. Kühe sind längst zum Markenzeichen des Landes geworden. Und Bergkäse. Nirgendwo in Bayern, nirgendwo in Deutschland wird so viel Käse produziert wie hier. Dabei wäre das original Allgäuer Braunvieh vor nicht allzu langer Zeit beinah ausgestorben, weil andere Rassen mehr Milchleistung versprechen. Doch ihre Geländegängigkeit hat die Kuh gerettet. Keine grast so trittsicher und souverän auf abschüssigen ➻

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Streublumenwiesen wie das Braunvieh. Und wenn dann zum Viehscheid die Kühe ins Tal getrieben werden, auf den Viehscheidplatz, wo sie ihr jeweiliger Besitzer übernimmt, dann freuen sich alle, ziehen ihr bestes Gewand an und feiern. Bis die Kühe bereit für den Abtrieb sind, ist aber viel Arbeit angesagt. Es dauert allein Stunden, bis jedes Tier die große, schwere Kuhglocke um den Hals trägt. Sechs, sieben­ Kilo wiegt so eine Schelle. Beim Senner-Ehepaar Hartl auf der Schattwald-Alpe reisen am Vortag die Bauern an und helfen, die 250 Jungtiere zu schmücken. Silberdistel, Enzian, Erika, Vogelbeere oder ganz einfach Tannengrün sammelt Anneliese Hartl schon ein paar Tage zuvor. Sie bindet den Kranz für die Leitkuh, die mächtig aufgebrezelt die Herde anführt, selbst. Andere beauftragen Jule Schleich, prämierte Kranzbinderin von Oberstdorf, mit dem Blumenschmuck. Die sitzt dann vier Stunden pro Kranz, oft die ganze Nacht lang, und wickelt und bindet sich die Finger wund, weil nicht allzu selten mehrere Senner am selben Tag ihr Vieh ins Dorf treiben. Denn der Oberstdorfer Viehscheid dauert keine zwei Wochen, sie ­beginnt am 11. und endet am 22. September. Die älteste Holzkapelle Deutschlands

Minimalistische Harmonie: Skulpturen des Holzkünstlers Andreas Ohmayer. Der Bildhauer entstammt der Oberstdorfer Holzschnitzerdynastie Ohmayer. Sein ­Großvater hat die alten Holzkreuze auf dem Friedhof gefertigt, der Enkel verbindet zeitgenössische Handwerkskunst mit traditioneller Holzschnitzerei. Am liebsten bearbeitet er Findlinge aus dem Wald.

Verliert der Senn über den Sommer ein Tier, gibt’s keinen prächtigen Blumenkranz. Nur wenn die Herde vollzählig den Berg verlässt, wird geschmückt und ausgelassen ge­ feiert. Nicht nur wegen der Besucher, die alljährlich zum Viehscheid kommen. „Des gheart been is uifach drzüa“, sagt Anneliese Hartl und meint: Das gehört hier einfach dazu. Was sich das Ehepaar zu Beginn der diesjährigen Saison wünscht? Dass es kein Unwetter gibt, keinen Wintereinbruch im Sommer, dass genug wächst bis hinein in den September und dass alle gesund bleiben. Wie lange die beiden noch auf die Alpe ziehen? So lange es nur irgend­wie geht, sagt Anneliese Hartl. Aus Österreich stammt die Frau des Senners. Aus Sibrats­gfäll, das ist der Ort am Ende des Rohrmoostals. Der gehört schon zu Vorarlberg. Kein Wunder also, dass die Holzhäuser im Weiler Rohrmoos an den Bregenzerwald erinnern. Vor allem die kleine Kapelle neben dem Berggasthof, die St.-Anna-Kapelle. Die älteste Holzkapelle Süddeutschlands, erbaut im 16. Jahrhundert, ist über und über mit winzig kleinen Schindeln bedeckt, die manchmal nicht größer als ein Daumennagel sind. Die Bauernmalerei im Inneren des kleinen Gotteshauses hat schon so manchen Wanderer beeindruckt. Und der ledige Jäger entpuppt sich als Berufsjäger aus Weilheim, der mit seiner Lebensgefährtin das Forsthaus am Ende von Rohrmoos bewohnt. „Abr verhirat ischa it“, rechtfertigt sich derweil der Schall Otto. Nein, verheiratet ist er nicht, und der Otto ­rätselt generell, warum die jungen „Lid“ heute nicht mehr heiraten. Sein jüngster Sohn sei auch so einer. Dann erzählt der Otto vom Dornach Hans und dass dessen Rösser manchmal allein nach Hause in den Stall nach Tiefenbach gelaufen seien, weil der Hans, wie er noch jung war, schon öfter länger in der Gaststube sitzen geblieben sei. Aber auch er selbst, ja min Gott, er hätte sich als junger Mann auch nicht immer nur an Recht und Ordnung gehalten. Weil er von Jugend an was im „Blüat“ (Blut) „ghet het“ (gehabt hat). Allgäuerisch. Das ist eine Welt für sich … ➻


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Mit unbändiger Kraft fräste das Quellwasser der Breitach tiefe Spalten in die Felswände.

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Hans Besler (links) in seiner Sennerei. Er hat vor sechs Jahren aufgehört, Milch an die Molkerei zu liefern. Seither macht er Bergkäse. „Ein steiler Weg war es“, sagt er, „aber einer, der sich gelohnt hat.“ In seinem Sennerstüble in Schwand im Trettachtal gibt es nicht nur Käse, sondern auch Hirschsalami und Speck. Das Allgäuer Braunvieh ist neben Allgäuer Käse wichtigster Werbeträger des Landes. So fotogen wie die Kühe und Kälber der Region ist schließlich nicht jedes bayerische Rindvieh. Butter, Weichkäse, Romadur – auf vielen Alpsennereien wie jener des Ehepaars Hartl kann man einkehren und frische Produkte genießen.

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Lederhosenschneider Jodok Krumbacher beim Nähen ei­ ner Hirschledernen. Schon sein Großvater war ein Säck­ ler, heute ist der Enkel einer der wenigen, die im Allgäu Krachlederne fertigen. Jule Schleich (unten) mit Silberdistel und rot gefärbter Schafgarbe. Die offizielle Kranzlbinderin der Oberst­ dorfer Sennen bindet zum Viehscheid, dem Allgäuer Almabtrieb, prächtigen Blu­ menschmuck für die Leitkuh.

„Lang it gsea“ heißt: „Lange nicht gesehen.“ „Hurament noamol, luag, dr Siach got allat bei eis na“ heißt sinngemäß übersetzt: „Kruzifix“ und dann: „Schau, der Schuft geht immer bei uns vorbei.“ „Leggl“ meint Depp; „it“ heißt „nein“; „hussa“ meint „draußen“; „gset“ ist „gesagt“; „na“ heißt „hin“; und „lose“ heißt hören. Richtig kompliziert wird es, wenn dann der Oberstdorfer Dialekt dazukommt – weil das nämlich noch einmal „ebbas“ ganz anders ist. Statt „eis“ für „uns“ sagen die „is“ und überhaupt. Ein Mordsunterschied sei es, ob man Unterallgäuerisch oder Oberallgäuerisch schwätzat. „Haiklle“ Sache, ganz heikel. Bodensee-Alemannisch nennt man die „Dialäkte“, die im südlichen Gebiet des Allgäus gesprochen werden. Auch viele Schweizer und fast alle Vorarlberger sprechen dieses Bodensee-Alemannisch. Mit Vorarlberg haben die Oberallgäuer ohnehin mehr gemein als die Sprache. Bis 1842 war die Region, die seitdem zum bayerischen Regierungsbezirk Schwaben gehört, mit Vorarlberg vereint. „Wälder“ nennen die Leute in und um Oberstdorf die Menschen hinterm Arlberg. „Fliißige Lid sin des“, sagt der Schall Otto, und Max Bolkart, Oberstdorfer Skispringer­ legende und der erste deutsche VierschanzentourneeSieger überhaupt, pflichtet ihm bei. Die beiden wohnen nicht weit voneinander. Als bayerische Schwaben gelten die Allgäuer im Rest von Bayern. „Des miiggat ma (mögen wir) it (nicht) so gern“, ­erklärt der Schall Otto. Weil die Schwaben so „knibbig“ seien, so geizig. Dass sie Bayern sind, sagen die Oberallgäuer sowieso nur im Notfall. Allgäuer seien sie. Nicht mehr, aber auch nichts anderes. Und wenn schon, dann lieber nach Bregenz als nach Stuttgart – so die Devise. Grenzenloses Gut

Das Kleinwalsertal, diese geografische Enklave, die politisch zu Vorarlberg gehört, aber praktisch nur über Oberstdorf erreichbar ist, verbindet die Oberallgäuer mit den „Wäldern“. Auch die Breitach, dieser tosende Gebirgsbach, der im Kleinwalsertal entspringt und in Tiefenbach die spek­takulärste Schlucht Mitteleuropas durch tiefe Felswände gefräst hat, ist gemeinsames Naturgut. Die Grenzen sind, wie so oft, fließend: Die Starzlach, der Bach vom Rohrer Moos, mündet in die Breitach, und die Walser, Nachkommen der Nomaden aus dem Schweizer Wallis, haben nicht nur in Vorarlberg unwirtliche Berghänge gerodet. Auch in Gerstruben, einem Seitental von Oberstdorf, haben sich diese ersten Bergbauern Europas niedergelassen und das höchste Dorf Deutschlands errichtet. Monatelang waren die Menschen dort oben abgeschieden von der Welt, auf sich allein gestellt. Heute steht das längst verlassene Dorf unter Denkmalschutz. Und wie das so ist in den Tälern: Über drei Ecken mit­ einander verwandt sind meistens auch alle. So ist zum Beispiel der Schall Otto mit dem Max Bolkart verwandt. Über deren Ehefrauen, irgendwie. So genau weiß man es nicht. „Isch ja glich“, winken beide ab. Sie kannten sich lange vorher, als Buben schon. Dass der Schall Otto als Junger gelegentlich gewildert hat, weiß nicht nur der Max Bolkart. Es hätten ja damals alle gewildert, erzählt die Skifluglegende. Aus der Not ➻


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Allgäuerisch. Das ist eine Welt für sich. Und richtig kompliziert wird es, wenn der Oberstdorfer Dialekt dazukommt.

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Bayerns südlichster Süden Unterwegs im Oberallgäu

Mit dem Senn Bernhard Hartl durchs Rohrer Moos und mit dem Oberstdorfer Original Otto Schall quer durch seine Heimatgemeinde.

1. St. Anna in Rohrmoos Die mit tausend winzigen Schindeln überzogene Ka­ pelle ist vermutlich die älteste Holzkapelle Europas. Nur in Polen gibt’s noch ein hölzernes Kirchlein aus dem 16. Jahrhundert. Der Adelige Jakob Truchsess von Waldburg-Wolfegg ließ dieses Kleinod 1568 im Rohrer Moos erbauen. Die Außenfassade ist alt und verwittert, im Inneren tun sich wahre Schätze auf: ein mächtiger Chorbogen, ein kleiner gotischer Flügelaltar mit Kreuzigungsszenen und prachtvolle Bauernmalerei an Decke und Wänden. Das Gemälde „Jüngstes Gericht“ ist wegen seiner schaurigen Dar­ stellung der Hölle im ganzen Oberallgäu bekannt. Rohrmoos, direkt vor dem Berggasthof, im Frühjahr und Sommer geöffnet. 2. Berggasthof am Gottesacker Große, schwere Kuhschellen baumeln von der Stange überm Kachelofen, die Decke hängt nieder in die Gaststube, und in einem silbernen Rahmen auf dem Klavierkasten steht: „Eine kurze Rast hält niemals auf.“ Wirt Torsten Friedrichs, der im Rohrer Moos aufwuchs, will seinen Gästen die Langsamkeit, die Einfachheit wieder nahebringen. Dieser einma­ lig schöne, ursprüngliche Berggasthof, schon im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnt, ist vollständig aus Holz und erinnert an die Häuser im nahen Bre­ genzerwald. Ausgezeichnete regionale Küche, zehn kuschelige Gästezimmer. Ein Haus zum Verweilen. Berggasthof Rohrmoos, Familie Friedrichs, Rohrmoos 5, 87561 Oberstdorf/Tiefenbach, an den Gottesacker­ wänden, Tel.: +49/8322/44 17, www.rohrmoos.de 3. Alpe Schattwald Auch beim Senner-Ehepaar Bernhard und Anneliese Hartl kann man einkehren und Brotzeit machen. Ob hausgemachter Bergkäse, frische Milch oder selbst­ gemachter Kuchen – in frischer Bergluft schmeckt alles doppelt so gut. Familie Hartl, Rohrmoostal, Tel.: +49/8322/60 67 07; geöffnet vom 15. Mai bis 15. Oktober. 4. Die Schlucht der Schluchten Ein schmaler, aber gut befestigter Pfad führt durch das vielleicht größte Naturschauspiel des gesamten Allgäus, die Breitachklamm. Seit dem Ende der letz­

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ten Eiszeit hat die unbändige Kraft des Quellwassers der Breitach große Gräben mit 100 Meter hohen Wänden in die Felsen gefräst. Stege, Brücken und Geländer sichern den zwei Kilometer langen Weg durch diese tiefste Schlucht Mitteleuropas. Breitachklamm, der Weg ist vom Ortsteil Tiefenbach aus gut beschildert.

tenhemden, Strickjacken, Janker und Westen zu ­kaufen, in der Nähwerkstatt im ersten Stock werden Lederhosen auf ganz traditionelle Weise maßge­ fertigt. Hirschlederne kosten ab 700 Euro, Hosen aus Wildbock gibt’s schon um 300 Euro. Leder Eberhart, Oststraße 18 a, Oberstdorf, Tel.: +49/8322/33 29, www.leder-eberhart.de

5. Bergdorf Gerstruben Mitte des 15. Jahrhunderts kamen Walser, Nach­ kommen des Hirtenvolks aus dem schweizerischen Kanton Wallis, hierher und trotzten auf steiler Höhe diesem Berg im Oberallgäu ein Stück Land ab. Sie führten ein hartes und karges Leben, brachten ihr Vieh mit ein paar Büscheln Heu über den Winter und waren oft monatelang von der Welt abgeschnitten. Bis 1892 lebten Bergbauern in Gerstruben, dessen Name sich vermutlich aus Gerste und Rüben zusam­ mensetzt. Heute kann man die unter Denkmalschutz stehende Sägemühle, die Marienkapelle aus dem 17. Jahrhundert und ein Sennerhaus des verlassenen Bergdörfchens besichtigen. Auf 1.154 Meter Höhe im Dietersbachtal, einem Seitental des Trettachtals.

7. Der Holzkünstler Andreas Ohmayer stammt aus der Dynastie der Oberstdorfer Holzschnitzer. In vierter, fünfter Ge­ neration schon schnitzen die Männer der Familie. Die alten Holzkreuze auf dem Friedhof des Marktes stammen fast ausschließlich von Ohmayers Groß­ vater. Er selbst hat in München Betriebswirtschaft studiert und wollte eigentlich einen ganz anderen Weg einschlagen, bis sich die Berufung immer lauter meldete. Andreas Ohmayer will traditionelles Hand­ werk mit zeitgenössischer Kunst verbinden, seine Skulpturen sind minimalistisch, elegant und trotz der Reduziertheit voller Harmonie. Der 38-Jährige arbeitet viel mit Findlingen aus dem Wald, Makel und Unebenheit des Holzes interessieren ihn am meisten. Am liebsten aber formt er Obstgehölz. Bildhauermeister Andreas Ohmayer, Tel.: +49/8322/39 29, www.ando-kunst.de

6. Hirsch zum Tragen Nervös war er am Anfang seiner Lehrzeit, beim Zuschnitt des Hirschleders. Heute, 27 Jahre und viele Krachlederne später, kann der Mann mit dem sanften Augenaufschlag darüber nur noch schmun­ zeln. Jodok Krumbacher, 43 Jahre alt, ist Lederhosen­ schneider. Einer der ganz wenigen im Allgäu. Schon als Bub, erzählt seine Tante Marianne Vogler, die mit ihrem Neffen den Betrieb führt, sei er bei ihr auf der Nähmaschine gesessen. Das Handwerk liegt den beiden in den Genen, schon Jodoks Großvater war ein Säckler. Im Geschäft in Oberstdorf gibt’s Trach­

8. Der Gamsbartbinder Otto Schall bindet Gamsbärte auf Bestellung, hat aber auch fertige Prachtexemplare zum Verkauf. Zwischen 500 und 2.500 Euro muss man für ei­ nen Gamsbart rechnen, immerhin gilt es bis zu 10.000 Haare anzuordnen. 30, 40 Stunden sitzt Otto oft an einem Exemplar. Das müsse man gern ma­ chen, sagt er. Rechnen würde sich die Binderei nicht. Otto Schall, Karatsbichlweg 10, Oberstdorf, Tel.: +49/8322/47 80

illustration: andreas posselt

Berge, so weit das Auge blickt Mehr Süden gibt’s nicht. Nicht in Bayern. Das Hal­ denwanger Eck, dieser Bergsattel mitsamt dem ­südlichsten Punkt Deutschlands, dort, wo sich Bay­ ern, Tirol und Vorarlberg treffen, ist in Sichtweite von Oberstdorf. Das ehemals abgelegene Bergdorf liegt auf 813 Metern und ist ringsum begrenzt von All­gäuer Hochalpen: Fellhorn, Himmelschrofen, Riffenkopf, Schattenberg und Nebelhorn. Von Oberstdorf aus kann man herrlich in viele Sei­ tentäler wandern. Das Rohrer Moos liegt in einem Hochtal auf 1.070 Meter Seehöhe, gehört zum Ortsteil Tiefenbach und ist über eine Mautstraße erreichbar.


9. Der Stern des Südens Dort, wo heute den Gästen „feinheimische“ und internationale Küchenkreationen aufgetischt werden, stand früher ein Kuhstall. Vor 20 Jahren haben Ludger Fetz und seine Frau Margret Bolkart, Tochter des legendären Vierschanzentournee-Siegers Max Bolkart, das Anwesen mit viel Leidenschaft um- und ausgebaut. Heute führen sie Deutschlands südlichstes Michelin-Sterne-Restaurant. Eine der besten Adressen in ganz Bayern. Petersilienwurzelsuppe, Reh gebeizt, bunte Bete, Käsetaschen aus Boxelemehl oder Grieß-MohnStrudel mit eingelegtem Obst – die Küchencrew ­entführt in besondere Genusswelten. Im angeschlossenen Landhaus mit acht ausgewählt schönen Zimmern, alle mit Blick auf die Allgäuer Berge, werden die Gäste von Margret Bolkart-Fetz rundumbetreut. Sie stellt ihnen eigenhändig Wande­ rungen zusammen, packt Rucksäcke, bringt Regenschirme hinterher oder lädt spontan auf ein Glas Sekt ein. Einfach so. Weil sie die Beste sein will. Den Ehrgeiz hat sie von ihrem Vater. „Hätt ich eine Alp, würde ich den besten Käs machen.“ Ihr Motto: Mittelmaß ist langweilig. Maximilians Restaurant und Landhaus Freiberg, Familie Bolkart-Fetz, Freibergstraße 21, Oberstdorf Tel.: +49/8322/967 80, www.landhaus-freiberg.de 10. Zu Tisch beim Prinzregenten Heimische Forelle, Rind von den Weiden des Allgäus, Hirsch und Gams bringen die Jäger aus der Umgebung von Oberstdorf: Die Küche im ehemaligen Jagdhaus von Prinzregent Luitpold ist bodenständig und regional. Die drei rustikalen Holzstuben im unte­ ren Stock sind beinah original erhalten, der Garten des Jagdhauses ist heute ein Biergarten, in dem über 100 Leute Platz finden. Königliches Jagdhaus, Ludwigstraße 13, Oberstdorf, Tel.: +49/8322/98 73 80, www.koenigliches-jagdhaus.de 11. Das Sennerstüble Vor sechs Jahren hat Hans Besler aufgehört, die Milch seiner Kühe an die Molkerei zu liefern. Seitdem wird auf dem 400 Jahre alten Bergbauernhof Käse produziert. Anfangs lief der Verkauf eher schleppend, heute fertigen Hans Besler und sein Sohn, ein gelernter Molkereifachmann, bis zu 25 Tonnen Bergkäse pro Jahr. Ein Käse, der jährlich Spitzenprämierungen einheimst. Seit zwei Jahren haben die Beslers neben dem Hofladen auch ein modernes Sennerstüble. Mit Blick in die unberührte Bergwelt kann der Gast hier hauseigenen Käse, Speck, Rinderschinken, selbstgebackenen Kuchen und regionale Köstlichkeiten wie Hirschsalami probieren. „Nammas B’sünders“, etwas Besonderes also, wollen die Beslers ihren Besuchern bieten. Und besonders schön sind auch die drei Ferienwohnungen auf dem Hof. Familie Besler, Schwand 4, Stillachtal, Tel.: +49/8322/41 40, www.beslers-schwand.de

Mächtige Bergahornbäume ­zieren den Weg durchs Rohrer Moos. Das felsige Plateau im Hintergrund gehört zu den Gottesackerwänden. Am Ende des Tales wartet Sibratsgfäll, ein Ort, der die Landesgrenze markiert und schon zu Vorarlberg gehört.

heraus, weil es nichts gab. Da sei die Verführung groß gewesen. Die Wälder rund um Oberstdorf sind heute noch heißbegehrte Jagdreviere. Hirsch, Reh, Gams, Murmeltier, Auerwild, selbst Steinadler ziehen in der Region ihre Kreise. Auf der Roten Wand im Rohrmoostal gibt es sogar einen sehr berühmt gewordenen Steinadlerhorst. Ludwig Ganghofer, der im Allgäu gebürtige Heimatdichter, hat in seinem Roman „Schloss Hubertus“ eine ­Szene nachempfunden, die sich im Rohrmoostal zutrug. Mithilfe von vielen, vielen mit Stricken aneinanderge­bun­ denen Holzleitern wurde einst die Felswand bestiegen, um einen Adlerhorst auszuheben. In Ganghofers Buch erblindete der Graf, der die jungen Adler aus dem Nest holt, bei dieser gefährlichen Aktion. Um schicksalshafte Jagdleidenschaft kreist Ganghofers „Schloss Hubertus“, das später verfilmt wurde. Auch in Oberstdorf entfacht das Thema Jagd so manche Leidenschaft. Fünf Reviere gibt es hier zu pachten. Jäger nehmen sie gerne ins Visier, schon Prinzregent Luitpold von Bayern kam zeit seines Lebens mit seinem ganzen ­Gefolge hierher zum Jagen. Von Jägern und Sammlern

Teuer ist eine Oberstdorfer Jagd, sehr teuer. Schon allein der Abschuss eines Hirschen, den Jagdpächter manchmal freigeben, kostet zwischen 5.000 und 8.000 Euro. Jetzt gibt es aber in der Region Oberstdorf viele Jäger, und von denen können sich manche weder einen Abschuss geschweige denn eine Jagdpacht leisten. Und deshalb fällt gelegentlich ein Schuss in den Tälern rund um Oberstdorf. Ein Schuss aus einem Gewehr, das nicht amtlich registriert ist. Ja, es gibt Wilderer in Oberallgäus Bergen. In letzter Zeit mehr als noch vor Jahren. Otto Schall, Skilehrer in Ruhestand, der für sein Hobby, das Gamsbartbinden, jetzt mehr Muße findet als früher, hat davon gehört. Schwer entrüstet darüber ist er nicht. Der heute kreuzbrave Mann hat selbst viele, viele alte Gamsgeweihe bei sich zu Hause an der Wand hängen. ­Gefunden habe er die. Ja, ja, sagt er, gefunden. Jedes einzelne Loch habe er damals im Frühjahr in den Bergen nach Gämsen abgegraben und sie schließlich auch entdeckt. „Alles Lawinenopfer“, strahlt Otto Schall bis über beide Ohren. Dabei blinzelt er nicht ein einziges Mal mit der Wimper. 3

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