Servus in Stadt & Land - Bayern 6/13

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06 /2013 &

in Stadt & Land

Die legendäre Haglmo

Geschützte Alpenblumen  & Rittersporn & Brokkoli &  Die Fischerin vom Starnberger See  &  Altdorfer Bierkuchen

Harmonikas aus Niederbayern

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E i nfac h

.

Gut .

Leben

Oberpfalz im Pfandl

Gerichte mit Geschichte

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Juni

06/2013 EUR 3,90

magische

Momente Sommer in den Bergen

Zu Gast in der Jachenau

&

Die tapferen Weiber von Kronach

&

Die Radhauben vom Allgäu

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Inhalt 2013 Juni

10 Schützenswerte Schätze

Seltene Blumen sind blühende Wunderwesen und brauchen immer mehr unseren Beistand.

18 Garten für Generationen

Ein Besuch bei Marianne und Ernst Endres in Neumarkt in der Oberpfalz.

26 Delphin im Staudenbeet Der Rittersporn – ein prächtiger Blickfang in Blau.

34 Beet für Schmetterlinge So kann man den flatternden ­Gartenbesuchern Gutes tun.

122 Der Herr der Rinde

Kunstvolle Burgen baut der Biber – selbst ist er kaum zu sehen.

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Küche 46 Grüne Rosen

Brokkoli ist gesund und schmeckt kurz und knackig gekocht am besten.

50 In der Erdäpfelpfalz

Wahre Stärke unter rauer Schale, das gilt in der Oberpfalz auch fürs Essen.

58 Bier statt Wein

Altdorfer Bierkuchen nach einem Rezept aus Omas Kochbuch.

60 Gut Kirschen essen

Reif, prall und rot und nicht nur in Süßspeisen lecker.

66 Sauer macht knusprig

Selbst gemachtes Roggenbrot aus Sauerteig, damit es richtig schön aufgehen kann.

Wohnen 38 Nah am Feuer gebaut Eine selbst gezimmerte Bank als

Lieblingsplatz zum Grillen.

70 Die Mühle am Bach

Die Bräutigams haben einem 650 Jahre alten Gebäude neues Leben eingehaucht.

80 Zart und betörend

Die Wilde Möhre bietet auch in der Vase einen zauberhaften Anblick.

82 Eine Brotzeit am Bach

Praktische und feine Begleiter für einen lauschigen Platz im Freien.

86 Schöpfungsgeschichte

Aus Schnipseln, Wasser und Blüten entsteht schönes Papier.

coverfotos: mauritius, gerald klepka, eisenhut & mayer

Natur & Garten

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Standards Land & Leute 90 Das Goldstück

Roswitha Köhler aus Oberstaufen stickt Goldhauben und erhält damit ein glänzendes Stück Tradition.

106 Von Räubern und Renken Susanne Huber führt als Fischerin auf dem Starnberger See das Erbe ihres Vaters fort.

118 Zieh mich, drück mich juniors tierbild, elisabeth berkau

fotos inhalt: gap gardens, gerald klepka, eisenhut & mayer, quirin leppert, monika höfler, stephan sahm,

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Wie der niederbayerische Physiker Siegfried Haslbeck zum Ziehhar­ monikabau fand und seither einzig­artige Instrumente herstellt.

126 Zu Gast in der Jachenau

Versteckt wie ein Mauerblümchen liegt das idyllische Hochtal zwischen Lenggries und Walchensee.

Brauchtum 94 Berge in Flammen

Auf dem Waxensteinkamm in der Zugspitzregion entzünden die Grainauer Männer in der JohanniNacht Dutzende von Feuern. Ein mutiger Brauch, den sie sich nie nehmen lassen würden.

112 Tapfere Weiber

Im oberfränkischen Kronach wird alljährlich des Sieges über die Schweden im 17. Jahrhundert gedacht. Dabei spielen die Frauen seit jeher eine besondere Rolle.

150 An Aschen zum Waschen

Um früher seine Siebensachen richtig sauber zu bekommen, ­brauchte man zweierlei: viel Kraft und einen Aschenmann in der Nähe.

3 Vorwort 6 Briefkastl, Altes Wissen 7 Mundart 8 Servus daheim 24 Schönes für draußen 32 Der Garten-Philosoph 40 Unser Garten, Mondkalender 44 Natur-Apotheke: Augentrost 68 Schönes für die Küche 78 Fundstück: Bücherregal 88 Schönes für drinnen 102 Michael Köhlmeier:

Rappenschaichen

136 Gutes von daheim:

Camembert aus Oberbayern

138 Bodo Hell: Capriccio 142 ServusTV:

Sehenswertes im Juni

148 Feste, Märkte, Veranstaltungen 154 Impressum, Ausblick, Adressen

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gartenbesuch

Marianne liebt lauschige Eckchen wie den von Rosen, Rhododendron und Buchskugeln umrankten Frühstücksplatz, die Hängebirke oder den beheizbaren grünen Holzpavillon.

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Paradies für

Generationen

Mit großer Sorgfalt und viel Liebe für jedes Gewächs pflegen Marianne und Ernst Endres seit 35 Jahren ihren Garten in Neumarkt in der Oberpfalz. Kinder sowie Enkel genießen und gestalten fröhlich mit. Text: stephanie lahrtz Fotos: Nicole Lautner

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ie gelbe „Helene“ und die zuvorkommend lachende Marianne stehen beide vor dem Einfamilienhaus und begrüßen die Besucher. „Gell, das hier ist ein Prachtstück“, deutet Marianne Endres auf die voll erblühte Rose mit den kleinen Blütenbällchen, welche die ganze Hausecke verdeckt und noch weit über den Zaun hängt. „Die wurde mir einmal als Strauchrose verkauft, aber das ist ganz offensichtlich eine richtige Kletterin.“ Und eine besonders robuste dazu, hält sie doch schon seit vielen Jahren den hier in Neumarkt in der Oberpfalz manchmal ganz schön kalten Ostwind aus. „Leider sind nicht alle meine Rosen so unempfindlich“, sagt Marianne, als sie ums Haus geht und in ihren Garten eintritt. Wie mit einem Füllhorn ausgegossen, breiten sich hier die üppig bewachsenen Beete aus – von den Koniferen und den alten Obstbäumen am Rand bis mitten in den saftig grünen Rasen hinein. Manche Beete werden von niedrigen Buchshecken begrenzt, andere von dicken Buchskugeln oder -kegeln aufgelockert.

Nicht jede Rose ist eine Mimose

Jetzt im Juni leuchten überall Rosen. „Vor allem auf die Rosenbäumchen muss ich achtgeben wie auf Primaballerinen“, erklärt die Gartenbesitzerin, „im Winter abdecken, ab dem Frühjahr öfter düngen, Schädlinge abzupfen oder mit dem Schlauch abspritzen und vor allem viel gießen.“ Denn hier in Neumarkt sind die Böden sandig und schnell trocken. Mal schauen, wie sich der diesjährige Neuzugang, die kirschrote „Chevy Chase“, so macht. Lange nicht so zimperlich wie die meist hüfthohen Rosenbäumchen gebärden sich die Kletterrosen. Vielen sieht man ihr ehrwürdiges Alter an, ihre zum Teil männerarm­dicken Stämme winden sich besitzergreifend um Baumstämme oder Gerüste. Jede Sitzecke wird so umgarnt, manchmal in Kom­ bination mit einer Clematis. So wie beim Frühstücksplatz mit den ein bisschen verwitterten schmiedeeisernen ➻

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Wasser braucht es viel in Neu­ markt. Deshalb steht am oberen Gartenende ein Regenwasser­ reservoir zwischen Buchs, Farnen und Sonnenhut; am Haus plät­ schert im Sommer Wasser in den steinernen Brunnentrog unter alten Weinreben und Glyzinien.


Rosenpflege geht zu zweit viel besser, finden Marianne und Ernst.

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„Meine Familie sagt immer: Marianne, Wenn Du im Frühjahr endlich wieder garteln kannst, bist Du gleich viel entspannter.“

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Ob mit Tautropfen (oben links), mit anderen Bäumchen und Fingerhut (links) oder als Kletterrose, verwoben mit Clematis: Rosen machen immer eine gute Figur.

Die Goldfische im kleinen Gartenteich tauchen unter Seerosen durch. Für die gefiederten Gäste sammelt Marianne auf ihren Reisen alte Vogelhäuschen (rechts).


Den kleinen Laubengang begrenzen links hohe Rosen und Fingerhutstauden vor Blutpflaume und Eiben, rechts verwachsen Akeleien, Funkien, der gelbliche Frauenmantel und blaue Katzenminze miteinander.

Stühlen und dem Tischchen. Hier rankt sich die ganz und gar nicht furchterregende rosa Raubritterrose um das Pavillongerüst. Zwei üppige Rhododendronbüsche sorgen mit ihren weißen und lila Blüten für Rücken­ deckung beim Start in den Tag. Aber eigentlich sind ja die klassischen Rosen überhaupt nicht Mariannes Lieblings­ gewächse. Und das hat auch gar nichts mit den Mühen zu tun, die sie der tatkräftigen Gärtnerin immer wieder bereiten. Nein, am allerliebsten im ganzen Garten mag sie die Pfingstrosen. „An deren herrlich vielfältigen und un­ vergleichlich üppigen Blüten kann ich mich

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gar nicht sattsehen“, schwärmt sie. Deshalb hat sie in jedem Beet mindestens ein Exem­ plar, in Weiß, in Rosa oder auch Dunkelrot, einmal mit gefüllten Blüten oder auch mit besonders großen. Was sich zu den vielen Rosen alles noch gesellen darf, das entscheidet die Gärtnerin nach Lust und Laune. „Ich habe da kein Konzept, also dass es farblich passen soll oder dass ständig etwas blühen muss“, erklärt sie. „Mal pflanz ich Lavendel, oft Funkien, dann kommt ein roter Phlox, der lustig gebogene rosa Türkenbund oder ein Salo­ monsiegel mit den filigranen Blütenglöck­ chen dazu.“

Und weil sich Geschmäcker ändern und Wandel zum Garten gehört, werden auch jedes Jahr Pflanzen umgesetzt. „Hoffentlich können mein Mann und ich diese manchmal ganz schön anstrengende Arbeit noch recht viele Jahre leisten, wir sind ja schon lange im Rentenalter“, sagt Marianne. Manchmal muss eine Pflanze auch im wahrsten Sinn des Wortes auf Druck von oben weichen. Marianne und Ernst lieben nämlich nicht nur ihren Garten, sie sind zu­ dem auch passionierte Großeltern. Und alle vier Enkelkinder nutzen das grüne Reich fast genauso intensiv wie Oma und Opa. So hatte sich Simon auf dem Holzgerüst


Rosen und Clematis (links) sorgen für Farbtupfer. Vor der Terrasse bilden die Magnolie über dem silbrig-weißen Wollzist, die Schwertlilienblätter, eine gegabelte Hängebirke, die dunkle Hemlocktanne und niedrige Funkien die grüne Kulisse dazu.

über dem Sitzplatz in der nördlichen Gartenecke ein Häuschen aus alten Brettern und sonstigen Fundstücken gezimmert. Ins Spiel vertieft, fiel ihm einmal ein dicker Stein auf die darunter stehende Buchskugel. „Schaut, die Delle sieht man noch“, erzählt Marianne mit einem Lächeln. Um der Pflanze weitere Attacken zu ersparen, suchten die Großeltern umgehend ein neues Plätzchen für sie.

Der Endres-Garten Laubengang

Teich

Sitzplatz

Rhododendron Pavillon

Erinnerungen an die Kindheit

Kirschbaum

Pfingstrose Teehäuschen

Ramblerrose ca. 52 m

Rosenbäumchen Magnolie

Wohnhaus

überdachte Terrasse

illustration: julia lammers

Gemüsegarten

Rose „Helene“

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Garage S

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ca. 24 m O

Auch andere Erinnerungen an die Familie bewahrt Marianne in ihrem grünen Reich auf. Von einem Sohn und seinen Streifzügen durch die ganze Oberpfalz stammen die manchmal von Pflanzen halb zugewucherten Fossilien. Manches gute Stück liegt auch im Beet neben dem alten Brunnentrog – dort, wo Marianne abends so gerne die letzten Sonnenstrahlen genießt. Und Andenken an ihre ersten Lebensjahre auf dem Bauernhof der Großeltern haben auch ein würdiges Plätzchen gefunden. Schon vor Jahren haben Marianne und Ernst bei einem Spaziergang mit den Enkelkindern auf einer der Hofwiesen zwei alte steinerne Pfosten aufgespürt. Beide haben noch die Löcher, durch die früher die Stangen zum Absperren des Zutrittspfads geschoben wurden. Jetzt grenzen die Pfosten nichts mehr ein oder aus, sondern sind verwachsen und verwoben mit den umgebenden Astilben, Maiglöckchen, den Fuchsien und Hortensien in Töpfen und Körben – und natürlich mit all den Erinnerungen. 3

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rezepte mit Tradition

So schmeckt’s in der Erdäpfelpfalz

Wahre Stärke unter rauer Schale – so werden die Oberpfälzer gerne charakterisiert. Dasselbe gilt auch für die Kartoffel, ohne die hier gar nichts geht. Nur ein Kuchen, an dem man sich allerdings daamisch isst. Redaktion: uschi korda & christian teubner Fotos: Eisenhut & Mayer

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zusatzfoto: imago

Würziger Knödelsalat Salate mit Semmelknödeln sind in unseren Regionen in vielen Varianten anzutreffen. So etwa die kalt-sauren Knödel aus dem Schwäbischen, die mit viel Zwiebeln und viel Essig zubereitet werden. In der Oberpfalz ist der Knödelsalat gleichzeitig eine besonders delikate Restlverwertung, weil sich darin auch noch ein knuspriger, lauwarmer Schweinebraten versteckt.

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Saftiges Fischgratin „Das Land der tausend Seen“ – das mag vielleicht etwas übertrieben klingen. Tatsächlich ist der nördliche Teil der Oberpfalz von Seen und Teichen übersät. Sie sind ein ausgezeichnetes Terrain für exzellente Speisefische, allen voran den Karpfen. Ein Klassiker der Region ist daher auch der gratinierte Karpfen. Da er aber erst im Herbst abgefischt wird, wird das Rezept im restlichen Jahr mit anderen Süßwasserfischen zubereitet. Diese sollten jedoch wie der Karpfen möglichst festes Fleisch haben. Wir haben Zanderfilets dafür gewählt.

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Wurst-und-Kartoffel-Pfanne Ohne Kartoffeln ist die Oberpfälzer Küche fast nicht denkbar. In früheren Zeiten gab man der Region auch den Beinamen „Erdäpfelpfalz“. Die erdige Knolle spielt mittlerweile in unzähligen Rezepten die Hauptrolle und deklassiert in unserer Pfanne die Wurst zum Statisten. Als beliebteste Beilage sind die Kartoffeln ohnehin un­geschlagen, selbst wenn sie in Form von Klößen auf den Teller kommen.

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Sauerbraten von der Lammschulter Lammfleisch hat Tradition in der Oberpfälzer Küche. Vor allem der Fränkische Jura mit seinen kräuterreichen Trockenrasen ist ein ideales Terrain für Schafe, ihr Fleisch ist von höchster Qualität. Besonderes jenes von den Juradistl-Lämmern, die seit 2004 im Rahmen eines Projektes für biologische Vielfalt mit ihren Schäfern über die Jura­ hänge ziehen. Da schmecken nicht nur Keule und Rücken, sondern auch die anderen Teile wie etwa die Schulter.

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Friss-de-daamisch Beim Süßen gibt’s in der Oberpfalz kein Halten. Woher dieser üppige Kuchen seinen Namen hat, weiß man nicht mehr genau. Tatsache ist aber: Wahnvorstellungen waren noch nie die Folge, selbst bei unbotmäßigem Verzehr. Wahrscheinlich ist mit „daamisch“ eher gemeint, dass man nicht leicht aufhören kann, hat man erst einmal angefangen zu essen. Unbestätigten Gerüchten aus der Oberpfalz zufolge soll es durchaus schon vorgekommen sein, dass der Kuchen bereits verputzt war, bevor die Gäste eintrafen. Daher die Menge lieber nicht zu knapp kalkulieren.

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Würziger Knödelsalat

Saftiges Fischgratin

Wurst-undKartoffel-Pfanne

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 1 Stunde

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 1 Stunde

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 40 Minuten

400 g Schweinehals ½ Knoblauchzehe Salz, Pfeffer ½ TL Kümmel ½ TL Thymian 1 EL Schweineschmalz 750 g Semmelknödel vom Vortag 120 g Zwiebeln 2 EL Sonnenblumenöl 2 EL Weinessig 1 Messerspitze Zucker 4 Radieserl 3 EL gezupfte Wildkräuter

4 Zanderfilets à 200 g 2 Eier 4 EL Semmelbrösel 1 TL edelsüßes Paprikapulver 1 EL gehackte Petersilie 1 kleine zerdrückte Knoblauchzehe Salz, Pfeffer 40 g Butter 100 ml trockener Weißwein 150 g Crème fraîche 60 g Butterflöckchen

300 g gekochte Kartoffeln 200 g Stadtwurst 80 g durchwachsener Räucherspeck 100 g Essiggurken 80 g Zwiebelwürfel 1 zerdrückte Knoblauchzehe 30 g Butter Pfeffer 1 TL Majoran und Thymian 50 g gewürfelte Paprikaschote 4 Eier Salz 2 EL Schlagrahm 1 EL Schnittlauch oder Frühlingskräuter

Zubereitung 1. Backrohr auf 190 °C vorheizen. 2. Den Schweinehals längs vierteln.

der Hautseite nach oben auf eine Arbeits­ fläche legen. Ein Ei verquirlen und die Filets auf der Hautseite damit bestrei­ chen. Die Semmelbrösel mit den Gewür­ zen sorgfältig vermischen. Auf der be­ strichenen Oberfläche verteilen und mit einem breiten Messer andrücken. 2. In einer Pfanne Butter zerlaufen lassen und die Fischstücke mit der panierten Seite nach unten einlegen. Bei mittlerer Hitze braun anbraten. 3. Das Backrohr auf 200 °C vorheizen. 4. Mit einem Schneebesen Weißwein, Crème fraîche, das zweite Ei, Salz und Pfeffer verrühren. In eine passende Auf­ laufform oder in vier Teller füllen. Die panierten Fischfilets mit der noch nicht gegarten Unterseite hineinsetzen. Die Butterflöckchen darauf verteilen und im Ofen 10 bis 12 Minuten überbacken. Dazu passen Petersilienkartoffeln und Blattsalate.

Knoblauch mit Gewürzen vermischen und die Stücke damit einreiben. 3. Schweineschmalz in einer Pfanne erhitzen und das Fleisch bei starker Hitze rundum anbraten, damit eine schöne Kruste entsteht. Dann im Ofen fertig garen. 4. In der Zwischenzeit Knödel in gleichmäßig dünne Scheiben schneiden und in eine Schüssel geben. Zwiebeln in mög­ lichst dünne Ringe schneiden und über den Knödeln verteilen. Aus Öl, Essig, Zucker, Salz und Pfeffer eine Marinade rühren und über die Knödel gießen. Die warmen Schweinefleischstücke in dünne Scheiben schneiden und zusammen mit dem Bratenfett zugeben. Die Radieserl waschen und fein hobeln. Mit den Kräu­ tern darüberstreuen und vorsichtig zu einem Salat vermischen.

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Zubereitung 1. Die Fischfilets dicht nebeneinander mit

Zubereitung 1. Kartoffeln kochen, schälen und in dünne

Scheiben schneiden. Wurst ebenfalls schälen und in Scheiben schneiden. Speck und Essiggurken klein würfeln. 2. Zwiebelwürfel, Knoblauch und Speck in einer Pfanne andünsten. Butter und Kartoffelscheiben zugeben und unter Rühren goldbraun anbraten. Dann die Wurst einmischen, mit Pfeffer, Majoran und Thymian würzen. Essiggurken und Paprikawürfel darüberstreuen. 3. Die Eier mit dem Schneebesen verrühren. Mit Salz und Pfeffer würzen und den Schlagrahm unterrühren. Die KartoffelWurst-Mischung in der Pfanne gleich­ mäßig verteilen, die Eier darübergießen und zugedeckt auf dem Herd oder im Ofen leicht stocken lassen. Mit Schnitt­ lauch oder Kräutern bestreuen.


Sauerbraten von der Lammschulter

Friss-dedaamisch

Zutaten für 4 Personen Zeitaufwand: 2 K Stunden (plus 3 Tage zum Marinieren)

Zutaten für 8 Personen Zeitaufwand: 2 Stunden Für den Boden: 120 g Butter 100 g Zucker 3 Eier 1 Prise Salz 130 g Mehl 1 TL Backpulver 2 Tropfen Bittermandelöl 2 Tropfen Buttervanilleöl Butter fürs Blech

1 kg ausgelöste Lammschulter (ohne Knochen) 150 g Knollensellerie 150 g Gelbe Rüben 50 g Petersilienwurzel 200 g Zwiebeln ¾ l trockener Rotwein (Blauburgunder) 100 ml Rotweinessig ½ TL weiße Pfefferkörner 2 Lorbeerblätter 10 Wacholderbeeren 5 Pimentkörner 1 gehäufter EL Mehl Salz, Pfeffer 40 g Butterschmalz 50 g Schwarzbrotkrümel 250 ml Kalbsfond (oder Lammfond) Zubereitung 1. Das Fleisch, wenn nötig, mit einem Baum-

wollfaden rund binden. Wurzel­gemüse waschen, trocknen und in grobe Würfel schneiden. Zwiebeln schälen und grob würfeln. 2. Das Fleisch in einen großen Topf legen, Gemüse und Zwiebeln darüber verteilen. Mit Rotwein und Essig übergießen und die Gewürze darüberstreuen. Zudecken und das Fleisch mindestens drei Tage im Eiskasten marinieren lassen. Dabei immer wieder wenden, damit die Marinade gleichmäßig einwirken kann. 3. Das Fleisch aus der Marinade heben und trocken tupfen. Mehl mit Salz und Pfeffer vermischen, das Fleisch damit rundherum einreiben. 4. Die Marinade durch ein Sieb ablaufen lassen und ½ l davon zum Kochen abmessen. Das Gemüse gut abtropfen lassen.

Für die Creme: 380 ml Milch 1 Pkg. Vanillepudding 2 EL Zucker 100 g Butter 70 g Puderzucker

5. D en Backofen auf 190 °C vorheizen. 6. In einer großen Kasserolle Butterschmalz

erhitzen, das Fleisch darin von allen Seiten anbraten. Das Gemüse zugeben und kurz mitbraten. Mit dem Kalbsfond und der Marinade ab­löschen, mit Schwarzbrotkrümeln bestreuen. Zudecken und den Braten im Ofen 1 ½ bis 2 Stunden schmoren. Dabei immer wieder wenden und mit dem Saft begießen. Den fertigen Braten warm halten und die Sauce durch ein Sieb gießen. Dazu passen fränkische bzw. Oberpfälzer Klöße.

Für den Belag: 100 g Butter 150 g gehackte Walnüsse 50 g Mandelstifte 100 g Zucker Schokoladenguss Zubereitung 1. Für den Boden alle Zutaten gut ­verrühren.

Ein kleines, tiefes Backblech mit Butter ausschmieren und den Teig aufstreichen. Im Backrohr bei 175 °C etwa 30 Minuten lang backen. Herausnehmen und abkühlen lassen. 2. Für die Creme aus Milch, Puddingpulver und Zucker einen Pudding kochen und abkühlen lassen. Dann Butter und Puderzucker schaumig rühren und den Pudding löffelweise zugeben. Die Masse auf den ausgekühlten Teigboden streichen. 3. Für den Belag die Butter zerlaufen lassen, Nüsse und Mandelstifte mit Zucker darin hellbraun rösten. Abkühlen lassen und auf der Creme verteilen. Zum Schluss mit flüssigem Schokoladenguss beträufeln.

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Hausbesuch

Die rötliche Terrakotta-Farbe für die Fassade wurde von einem Restaurator empfohlen. Sie entspricht dem ursprünglichen Anstrich des Hauses, verleiht ihm etwas Fröhliches und dem Platzerl davor eine besondere Note. Rechte Seite: Der wunderschöne Ofen in der ehemaligen Backstube ist zwar nicht mehr in Betrieb, schafft aber ein einzigartiges ­Ambiente. Im Raum davor hängt neben der Tür die original Preistafel für frisches Gebäck.

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Die alte Mühle am Bach Seit fast 650 Jahren steht am Etzelbach im Landkreis Amberg-Sulzbach in der Oberpfalz die Oedmühle. Gabriele und Fabian Bräutigam haben ihr neues Leben eingehaucht. Text: Susi Biró Fotos: Thomas Drexel

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in kleines, schmuckes Wochenendhäuschen wollten Gabriele und Fabian Bräutigam haben. Nicht allzu weit entfernt von Nürnberg sollte es sein, damit ihre beiden Buben Vinzenz und Valentin (heute 16 und 12) in der Natur aufwachsen können, aber die Familie trotzdem schnell wieder die Stadt erreicht. Schön in die Landschaft eingebettet sollte das Häuschen sein, vielleicht an einem Bach liegen, jedenfalls fernab vom Verkehr. Ja und zu viel Arbeit sollte der neue Besitz auch nicht machen. So in etwa schwebte es den Bräutigams vor. Natürlich kam es anders. Gabriele und Fabian verliebten sich zwar sofort in das ­Gebäude, das sie in Weigendorf in der Oberpfalz fanden. Es lag sogar, wie gewünscht, an einem ruhigen Platzerl am Bach, nur: Das „Häuschen“ war eine riesengroße fünfstöckige Mühle, die Oedmühle. „Die noch dazu von außen sehr heruntergekommen wirkte, weil da ja viele Jahre niemand gewohnt hatte“, erinnert sich Gabriele.

Das Haus wollte bewohnt werden

Die Bräutigams wussten also gleich, dass man da nicht ausspannen kann, sondern erst einmal die Ärmel aufkrempeln und tüchtig anpacken muss. Trotzdem: „Das Haus wollte wieder bewohnbar gemacht werden“, sagt Gabriele lächelnd, und so ging man eben ans Werk. Zur Überraschung der neuen Besitzer war im Inneren der Mühle, in der sich einst neben dem Wohnbereich auch eine Bäckerei und eine Gaststube befanden, noch vieles gut erhalten. Außerdem gefiel ihnen, was sie zu sehen bekamen. Gabriele hatte es vor allem die Küche angetan. In ihrem Zentrum stand ein großer gemauerter Herd, über dem Töpfe hingen, die schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts benutzt worden waren. „Ich fühlte mich sofort zu Hause, darum sind wir letztendlich ganz hierherzogen“, sagt Gabriele. Und: „Aus Liebe macht man die verrücktesten Dinge, warum sollten wir uns also nicht in dieses Abenteuer stürzen?“ Die beiden Werbetexter begannen also ein neues Leben in der Oedmühle, die eine lange Geschichte und viele Besitzer hinter sich hat. Mit dem Nürnberger Industriellen Johann Wolfgang Arold gab’s sogar eine bis dahin nicht gekannte Verbindung, wie sich später herausstellen sollte. ➻

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Die Gaststube vis-à-vis der Backstube ist original erhalten. Heute fühlen sich hier die Besucher der Hausbesitzer wohl. Unten: Als Gabriele Bräutigam die große Küche sah, war es Liebe auf den ersten Blick. Mittlerweile ist ihr Reich perfekt renoviert und modernisiert. Aber die alten Töpfe oberhalb des Herds verwendet sie immer noch.


Wer zu Gabriele und Fabian Bräutigam auf eine Brotzeit kommt (ganz oben), freut sich auf das für die Region typische Z ­ wiebelbrot. Alte Schilder wie „­ Verkauf gegen Barzahlung“ sind heute Schmuck, das blaue Geschirr (oben) auch. Es ist original Baumann-Email.

In der Backstube stellt Gabriele heilsame Tinkturen gegen kleine Wehwehchen her. Oder sie verkocht ihre Kräuter nach alten Rezepten.


Der alte Sekretär im Hintergrund ist ein Erbstück aus der Familie F ­ abians und steht heute im Wohnzimmer, der ehemaligen Müller­stube, im ersten Stock. Das Zusammenspiel aus altem Boden, neuen Sofas und dem Holzstumpf als Tischchen ist gut gelungen.

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Dieser hatte jedenfalls in den 1920erJahren das Gebäude gekauft, um sich für schlechte Zeiten zu wappnen. „Er betrieb hier eine Brot- und Feinbäckerei samt Kaffeehaus“, sagt Gabriele. Nur ein einziger Mann war nötig, um die auf fünf Stockwerke verteilten Mahlmaschinen zu betätigen, damit schließlich im Erdgeschoß feinstes Mehl zu Backware verarbeitet werden konnte. Vis-à-vis der Bäckerei, in der Gaststube, wurden die Brote, Kipferl, Kuchen und vieles mehr dann verkauft. Auch heute noch ist dieser Teil des ­Hauses, der etwa die Hälfte der Fläche einnimmt, sehr gut erhalten. Über knorrige, sehr steile Stufen gelangt man hinauf zu den alten Walzenstühlen, Förderanlagen und Spitz- und Schälmaschinen, die dem Haus musealen Charakter verleihen. Auf Schritt und Tritt Geschichte

Der Wohnbereich ist großzügig und haupt­ sächlich mit historischen Möbeln bestückt. Ganz oben: Die Hälfte des Hauses nimmt die alte Mühle ein, deren Maschinen fast voll­ ständig erhalten sind. Steile Stiegen f­ ühren von einer Etage in die nächste.

Auch im Wohnbereich sind die Bräutigams auf Schritt und Tritt mit der Geschichte der Mühle konfrontiert. Schließlich mussten sie beim Revitalisieren die strikten Auflagen des Denkmalamts einhalten. „Das war nicht immer einfach. Von der Fassadenfarbe bis hin zur Türschwelle, die nur aus Birnenholz gefertigt werden durfte, wurde vieles genau vorgegeben“, erzählen die beiden. Doch mit jedem fertigen Bauabschnitt wuchs die Freude. Auch weil es recht gut erhaltene Möbel und Gebrauchsgegenstände gab, die wiederverwendet werden konnten. Und dann eines Tages fand Gabriele beim Aufräumen auf dem Dachboden ein Foto. „Ich konnte es nicht glauben, das historische Bildchen zeigte jenes Gebäude, in dem ich als Studentin in Nürnberg gewohnt hab.“ Es stellte sich heraus, dass das die stillgelegte Fabrik von Arold war. Und nun, Jahre später, lebte sie in seiner Mühle. Die Bräutigams nahmen diesen Zufall zum Anlass, um Kontakt mit Arolds Nachfahren aufzunehmen, und konnten so in ­vielen Details das alte Leben am Etzelbach rekonstruieren. Deshalb steht heute zum Beispiel in der ehemaligen Gaststube ein Stuhl wieder genau dort, wo er schon 1920 gestanden ist. „Er hat Lüftungslöcher im Sitzteil, was zu lustigen Spekulationen bei Gästen führt“, sagt Fabian und schmunzelt. Auch die Tafel, an der die Tagespreise für Brot und Gebäck angeschrieben worden sind, steht wieder an ihrem alten Platz. ➻

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brauchtum

Berge in Flammen

Auf dem Waxensteinkamm in der Zugspitzregion werden in der Johanni-Nacht Dutzende von Feuern entzündet, um die Geburt des Täufers zu feiern. Ein beeindruckender Brauch, den sich die Grainauer Männer nicht nehmen lassen. Text: Gero Günther Fotos: Stephan sahm

An der Schönangerspitze legen die Grainauer Burschen ihre Feuer aus. Alle zehn bis zwanzig Meter wird eine Flamme entzündet.

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ott sei Dank san die Burschen wieder wohlbehalten herunten“, sagt die ­fesche Frau im Dirndl. „Ja“, nickt der Musi­ ker mit dem Instrumentenkoffer, „ist halt schon gefährlich, was die da oben machen.“ Die beiden blicken hinauf zum Waxenstein­ massiv, eine drei Kilometer lange Felswand, die fast senkrecht hinter dem Dorf aus den Wäldern steigt. „Drei Tote hatten wir schon zu beklagen beim Bergfeuer …“ Es ist ein strahlender Sonntagmorgen in Grainau. Besucher in festlicher Tracht strömen aus der Kirche und hinüber zum Frühschoppen. Die Bergfeuer, die in der ver­gangenen Nacht auf den Gipfeln fla­ ckerten, sind das bestimmende Thema der Gespräche. „So schön wie heuer war es schon lang nimmer. Und dabei hat es kurz zuvor noch nach Regen ausgeschaut.“ Wie jedes Jahr war eine Gruppe Männer aufgestiegen, um die Johannifeuer auf dem Grat zu entzünden. Bergfeuer gibt es auch in anderen Gegenden Bayerns, aber auf dem Waxenstein sind sie besonders be­ein­ druckend. Der ganze Kamm ist von Dutzen­ den von Flammen übersät. Eine riskante ­Sache, klar – aber ein wichtiges Ritual eben auch, das nicht hinterfragt wird. 60, 70 Jahre soll der Brauch zurück­ reichen. So genau weiß das keiner im Dorf. „Ein Onkel von mir war Bergsteiger, der ist schon in den 1940ern dabei gewesen“ gehört noch zu den präziseren Auskünften.

Früher hatten am 24. Juni alle frei

Eines steht fest: 1797 haben die Ober­grain­ auer auf einer Anhöhe im Süden des Dorfs die erste Kapelle errichtet und Johannes dem Täufer gewidmet. „Johanni ist schon immer ein wichtiger Feiertag bei uns“, sagt der Holzschnitzer Martin Ostler, der früher selber jedes Jahr mit auf den Berg gestiegen ist. „Damals hat niemand im Dorf am 24. Juni arbeiten müssen.“ Frei bekommt heute niemand mehr, aber noch immer wird die Messe am Patronatstag festlich begangen. Dreigesang und Saitenmusik gehören dazu. Von den Feuermachern haben es nur zwei in die Festmesse geschafft. Kein Wun­ der, die Männer sind erst um drei Uhr mor­ gens wieder im Dorf angekommen. Man ist erledigt, aber auch aufgekratzt. Ein, zwei Maß müssen noch sein, so will’s der Brauch. Natürlich ist Johanni ein kirchliches Fest mit einer vorchristlichen Tradition, das wis­ sen alle. Aber für die wilden Grainauer Feu­ ermacher ist es mehr als eine fromme ➻

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An manchen Stellen des Waxensteinmassivs müssen die Männer kräftig kraxeln. Dennoch sind Helme und Klettergurte beim Johanni­feuer verpönt.


Glücklich lugt Schorsch die 800 Meter auf den Eibsee hinunter. Links: Über den Kletter­steig gelangen die Grainauer auf den Grat. Unten: Gedenk­tafel für einen ver­unglück­ten Kameraden.

Pflichtübung. An einem der längsten Tage im Jahr rückt das Dorf zusammen. Die Gefahr und die Anstrengung gehören dazu, ebenso die Begeisterung und die Ehrfurcht vor der gewaltigen Landschaft, die die Menschen in der Zugspitzregion umgibt. Alte Anekdoten und die ewige Plackerei

Begonnen hat die Aktion der Feuermacher am 23. Juni um 14 Uhr. Mit Sack und Pack haben sie sich an der Zugspitzbahn eingefunden. 20 Mann sind gekommen, deutlich mehr als erwartet, und das ist gut so. Je mehr Dörfler mitkommen, desto dichter werden die Gipfelfeuer beieinanderstehen. Die Rucksäcke sind vollgestopft mit Zunder – Plastiksäcke voller Sägemehl, das mit Bio-

diesel getränkt wurde. Dazu noch ein paar Fackeln, leere Konservendosen als „Kerzenständer“, Brotzeit und Getränke. Die ersten 750 Höhenmeter werden mit dem Zug überwunden, Ausstieg ist in einem feuchten Tunnel, in dem ausnahmsweise kurz gehalten wird. Dann geht es über einen Klettersteig hinauf zur Riffelscharte. Frisch ist es hier oben, aber die Burschen haben gute Laune. Alte Anekdoten werden ausgepackt. Geschichten von schlechtem Wetter, Blitzschlag und dichtem Nebel, Missgeschicken und Streichen. „Früher sind wir ganz zu Fuß von unten rauf“, sagt einer der Älteren. „Das große Geröllfeld war allweil eine elendige Plackerei.“ Es wird erzählt, gelästert, gelacht.

Manche, wie der Anton, sind seit 40 Jahren dabei. „Als Grainauer machst du ja schon als Kind beim Johannifeuer mit“, erzählt er. Zuerst unten am Angerbichl, wo ein hoher Scheiterhaufen aufgeschichtet, gegrillt und gefeiert wird. Später mit 16, 17 dürfen die bergfesten unter den Burschen auf die Gipfel mitkommen. Mädel sind bei den Feuermachern unerwünscht. Man will unter sich bleiben. Keine Touristen, keine Fremden, keine Frauen. „Die dürfen doch sonst schon überall mitmachen.“ Heuer sind die Jüngsten 18 Jahre alt. ­Korbinian zum Beispiel, der sich gerade erst einen langen Nagel durch den Fuß getreten hat und trotzdem mitgeht. „Passt scho“, sagt er, „Johanni lass ich mir ned entgehen.“ ➻

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Die Dosen dienen als „Kerzenständer“ für den Zunder aus Sägemehl und Biodiesel. Jetzt heißt es, die Flammen zügig über den gesamten Kamm zu verteilen.

Inzwischen hat sich die Gruppe aufgeteilt. Die anspruchsvolleren Kletterer steigen zum Großen Waxenstein und zum Zwölferkopf auf. Hier muss kräftig gekraxelt werden. Es gilt, ein paar haarige Stellen zu überwinden. Ein Seil, einen Klettergurt oder Helm hat trotzdem keiner dabei. „Brauch ma ned.“ Korbinian hat sogar den Helm wieder aus dem Rucksack geholt, den sein Vater ihm heimlich hineingepackt hatte. Viel zu uncool! Zumindest an Johanni. Lieber hat man einen Filzhut auf. Schließlich ist das kein Sport hier, sondern Brauchtum. Die andere Gruppe kämpft sich zur 2.284 Meter hohen Schönangerspitze hinauf und legt dort entlang der Felskante ihre Säcke aus. Alle zehn, zwanzig Meter wird

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Zunder positioniert. „Da könnte man einen hinlegen“, zeigt der Schorsch, der mit seinen klingelnden Tomatendosen am Rucksack wie eine ganze Kuhherde klingt. „Falsche Richtung! Das sehen ja dann bloß die Ehrwalder“, witzelt ein anderer. Dass der Berg auf der Nordseite 800 Meter senkrecht abfällt und es auch auf der anderen Seite extrem steil hinuntergeht, stört niemanden. Die Feuermacher bewegen sich ganz selbstverständlich und sicher in dem extrem gerölligen Gelände. Gebirgler halt. Immer mehr Juchzer werden in den Himmel gestoßen. „Schau, da drüben stehen wieder die Gamsen“, schwärmt der Toni und schreit noch einmal sein Glück heraus. Es ist neun Uhr abends. Den ganzen ➻

gut zu

wissen Johannes der Täufer, dessen Geburtstag am 24. Juni gefeiert wird, war es, der Jesus als denjenigen angekündigt hatte, „der mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ werde. Das „Feuer“ und das „Licht aus der Höhe“ aus dem Lobgesang des Zacharias sind wichtige Symbole des Christentums. Johannifeuer gibt es mindestens seit dem Mittelalter. Vermutlich sind sie christliche Abwandlungen heidnischer Reinigungs- und Fruchtbarkeitsrituale.


Die Sonne ist längst hinter den Gipfeln versunken, als die Männer sich auf den Weg nach unten machen.

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Handwerk

Zieh mich, drück mich

Wenn ein Physiker beginnt, Ziehharmonikas zu bauen, dann entsteht ein e ­ inmaliges Instrument: die Haglmo. Ein Besuch bei Siegfried Haslbeck im niederbayerischen Marklkofen. Text: Markus Honsig  Fotos: Gerald Klepka

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A

m Ende unseres Tages am Hagl­ hof wird Siegfried Haslbeck seinen schwar­ zen Hut nehmen, seine Trachtenjacke an­ ziehen, sich auf einen Baumstamm setzen, seine Harmonika umschnallen und uns ein paar alte Melodien vorspielen, die er schon von seinem Vater gelernt hat. Nicht zu über­ sehen ist, dass Spieler und Harmonika ein sehr vertrautes Verhältnis zueinander haben. Und nicht zu überhören ist, dass der Mann sein Instrument zu spielen weiß. Wobei sich in diesem Fall die spezielle Frage stellt, ob der Hörgenuss mehr dem Musikanten oder dem Instrument zu verdanken ist. Wie auch immer die Antwort ausfallen mag: Die Ehre trifft ohnehin dieselbe Person – Siegfried Haslbeck. Das Instrument, das nicht nur sehr schön klingt, sondern ebenso schön aussieht, stammt schließlich aus sei­ ner eigenen Werkstatt. 2008 hat der Doktor der Physik seinen Job an der Technischen Universität in München endgültig aufgege­

Feinarbeit an der Oberfläche: Eine Harmonika muss nicht nur schön klingen, sondern auch schön aussehen (großes Bild). Oben links: die für eine Haglmo charakteristischen gleichlangen Hebel und die Signatur des Meisters (darunter).

ben, um sich nach jahrelangen Versuchen an Prototypen alleine der Herstellung von hoch­ wertigen Ziehharmonikas zu widmen. Ein Schritt, der gewissermaßen auch eine Rück­ kehr zu seinen biografischen und musikali­ schen Wurzeln war. Die Harmonika ist jenes Instrument, das den 47-Jährigen seit seiner Kindheit beglei­ tet, seit sein Vater von hinten seine Hände fasste und dem damals 12-Jährigen die ers­ ten Griffe zeigte. Der Mann vom Haglhof

Insofern war es auch kein Zufall, dass er sei­ ne Werkstatt in einem Nebengebäude seines Elternhauses einrichtete, dem Haglhof im Vilstal, einem Einödhof am Ende der Straße mit nichts als Landschaft rundum. Und dass er seinen Handwerksbetrieb nach seinem Vater Hans benannte, der ein begeisterter Harmonikaspieler und -lehrer war: „Hagl­ mo“, der Mann vom Haglhof.

In der Werkstatt liegt noch eines der In­ strumente aus der Zeit, in der sein Vater un­ terrichtete, eine Roßhuber aus den späten 1930er-Jahren, „eine niederbayerische Har­ monika, die vor allem bei Sängern sehr be­ liebt war“, erzählt der Instrumentenbauer. Sie war mit ihrem schlichten Korpus und dem abgesetzten Basskasten Vorbild für das Design der „Haglmos“. Das Innenleben, die Mechanik der In­ stru­mente beruht aber zu einem guten Teil auf eigenen Entwicklungen, das Ergebnis von Siegfried Haslbecks musikalischer Aus­ bildung beim Vater und seiner fachlichen Ausbildung als Physiker. Ein glückliches Zusammentreffen: Das besondere – und auch patentierte – Kenn­ zeichen einer echten Haglmo sind vier ein­ zelne Achsen für die vierreihige Harmonika, die sogenannte 4er-Klasse. „Dadurch hat je­ der Hebel die gleiche Länge. Die Tastknöpfe reagieren präziser und gleichmäßiger ➻

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Oben: Die Stimmstöcke einer Haglmo-Harmonika sind aus Birnenholz gearbeitet, weil es frischer klingt. Für die Tasten gibt es hingegen mehr Auswahl – Büffelhorn, Ebenholz oder Hirschhorn (rechts oben). Fast fertig: Die Diskantseite wird auf den Balg aufgesetzt (rechts unten).

Zwischen Gredbeng und Tanzboden Unter diesem Motto lädt Siegfried Haslbeck jährlich zum Musikfest auf den Haglhof. Eingeladen sind alle, die gern musizieren (Instrumente mit­ bringen nicht vergessen!), gern tanzen (der Tanzboden unter der Trauerweide ist gerichtet) oder einfach gern zuhören und zusehen. Das Fest findet am Wochenende 8./9. Juni 2013 statt; Samstagabend ab 18.30 Uhr, Sonntag ab 10.30 Uhr. Aufspielen werden die Seehof-Musi aus Herrsching (Samstag) und die Schreinergeiger aus München (Sonntag). Eintritt: 12 Euro für den ersten Tag, 8 Euro für den zweiten Tag oder 16 Euro für beide Tage.

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als bei einem herkömmlichen Instrument“, erklärt der Erfinder das Prinzip. Zur Einordnung für Harmonikaspieler: Siegfried Haslbeck baut diatonische Zieh­ harmonikas, im Alpenbereich meist als „Steirische Harmonika“ ausgeführt, mit ­ihren ­typischen tiefen Bässen, mit Knöpfen in vier Reihen an der Diskantseite, also je­ ner Seite, wo die Melodie gespielt wird. Der wesentliche Unterschied zum chro­ matischen Akkordeon mit klavierähnlichen Tasten: Auf der diatonischen Harmo­nika las­ sen sich nur sieben statt der sonst ü ­ blichen zwölf (Halb-)Töne einer Oktave spielen; und sie erzeugt beim Auseinanderziehen und beim Zusammendrücken des Balgs jeweils einen anderen Ton. Das macht das Erlernen dieses Instruments nicht unbedingt leichter. Eine Anfangshürde, die zu überwinden sich aber lohnt. „Es klingt schöner, harmoni­ scher“, meint Siegfried Haslbeck, der in die­ ser Frage freilich nicht ganz objektiv ist.

Inoffiziell gibt es ungezählte Namen für die Ziehharmonika: Harmonie (niederbay­ erisch), Ziach (oberbayerisch) oder auch ­einfach Quetschn, um ein paar Beispiele zu nennen. Offiziell ist die Ziehharmonika ein Handzuginstrument. Das heißt: Im Unter­ schied zu Resonanzinstrumenten wie Geige oder Gitarre hat das Holz des Gehäuses we­ niger Einfluss auf Charakter und Qualität des Tons. Trotzdem lässt Siegfried Haslbeck größte Sorgfalt bei der Holzauswahl walten. Nichts ist präziser als ein Holzhebel

Für den Korpus verwendet er gerne Oliven­ holz, weil es eine schöne Maserung hat. „Aber es ist aufwendig zu verarbeiten.“ Als heimische Alternative bietet sich Zwetschge an. Oder auch Birne mit einer sehr schönen Farbe, „allerdings kaum Maserung“. Das innere Grundgehäuse hingegen wird immer in Fichte gefertigt, „feinjährige Fichte mit stehenden Jahresringen“, weil


Und damit kommen wir zum Herzstück jeder Harmonika: dem Stimmstock und den Stimmplatten. Für den Stimmstock seiner 4er-Klasse verwendet Siegfried Haslbeck Birnenholz. „Das ist auch nicht üblich. Normalerweise wird Fichte eingesetzt. Aber ­Birne klingt frischer. Die Fichte ist weicher und dämpft eher die Höhen“, erklärt er. Weil aber seine Instrumente von vornherein sehr weich und warm klingen, passt Birne besser zum Charakter einer Haglmo. die alten, namenlosen stücke

Der Physiker und die Ziach: Siegfried Haslbeck hat 2008 seinen Job aufgegeben und am Hof der Eltern mit der Herstellung von Harmonikas begonnen. Die Haglmo ist nach seinem Vater benannt, der ihm die Liebe zum Instrument und zum Musizieren mitgegeben hat.

das Holz im Verhältnis zum Gewicht die beste Stabilität bietet. Sein Können und Wissen um den Instrumentenbau eignete sich Siegfried Haslbeck selbst an. Schon als Jugendlicher hatte er ­begeistert Harmonikas zerlegt und wieder zusammengebaut. Aus dieser langjährigen Erfahrung weiß er auch, dass es für die Hebel­mechanik nichts Besseres als Holz gibt – Hainbuche, um genau zu sein. „Holzmechaniken, wie wir sie verwenden, gibt es nicht mehr oft. Aber nichts reagiert so präzise und schnell wie ein Hebel aus Holz.“ Inklusive Alugestänge und Klappe wiegt der ganze Hebel gerade einmal sieben Gramm. Jeder einzelne wird von Hand montiert und sorgsam in eine der vier Achsen eingefädelt. Stück für Stück, 46-mal. Durch die vier Achsen auf der Diskantseite lässt sich eine Haglmo besonders fein spielen, weiß der Harmonikaspieler Haslbeck. „Weil, wie gesagt, jeder Hebel die

richtige Länge hat. Ist er zu lang, reagiert er träge. Ist er zu kurz, neigt er dazu, in­ stabil zu werden, zu wackeln.“ Der Instrumentenbauer Haslbeck hin­ gegen hat sich mit seiner Eigenentwicklung das Problem eingehandelt, die durch die ­zusätzlichen Achsen komplexere Mechanik im ­Gehäuse unterzubringen, ohne dass sich die Hebel im Weg sind. „Eine immer wieder recht verzwickte Angelegenheit.“ Ein wichtiges Thema beim Harmonikabau ist, dass das Instrument luftdicht ist. ­Weniger, weil man es hören würde, wenn es nicht hundertprozentig dicht wäre. Aber man würde es bald sehen, weil der Spieler sich mehr anstrengen muss, wenn sein In­ strument Luft verliert. Besondere Sorgfalt gilt daher allen Stellen, wo Luft entweichen könnte: beim Einkleben des Balges in das Gehäuse etwa; beim Aufsetzen der Luftklappen. Darüber redet der erfinderische Geist aber nicht so gern, „Betriebsgeheimnis“.

Mit dem Einrichten von Stimmplatten und Stimmzungen gewinnt auch die Musikalität des Instrumentenmachers an Bedeutung: An dieser Stelle entsteht der Ton – wie bei einer Mundharmonika. Nachdem die Stimmplatte mit einer speziellen Wachsmischung und ­einem selbst gebauten Wachslöffel auf den Stimmstock geklebt ist, geht es um die ex­ akte Aus- und Einrichtung der Stimmzunge – eine Maßarbeit, die kaum Toleranzen erlaubt: „Wenn nur ein Teil nicht passt, hat es Auswirkungen auf das ganze Instrument.“ Aber bei Siegfried Haslbeck hat man eh immer den Eindruck, dass er gerade am wichtigsten Teil des Instruments arbeitet, so konzentriert ist er bei der Sache. Die endgültige Stimmung erfolgt durch vorsichtiges Kratzen und Feilen an den Stimmzungen: Schleift man am Fuß der frei schwingenden Zunge, wird der Ton tiefer, schleift man an der Spitze, wird der Ton höher. Am Ende wird das Instrument noch mit Datum, Tonlage und Unterschrift signiert, werden Balg und Seitenteile zusammen­ geschraubt, die Lederriemen montiert. Bestenfalls zwei Instrumente pro Monat entstehen auf diese Weise in seinem kleinen Betrieb. Guter Ton braucht eben seine Zeit. „Das Schöne an der Harmonika ist“, sagt der Musiker, „dass man sie allein spielen, aber ebenso einfach in einer Gruppe mitspielen kann.“ Er selbst versucht, täglich zu spielen, besonders die alten, oft namen­ losen Stücke, die er vom Vater gelernt hat. Ebenso gern überschreitet er aber auch die Grenzen der Genres, um die Möglichkeiten des Instruments auszuloten. Und mit jedem Tag, den sich Siegfried Haslbeck mit dem Instrument beschäftigt, lernt er, „dass es nicht einfacher wird, je länger man spielt. Denn das Instrument kann viel mehr, als man glaubt.“ 3

Haglmo Harmonikabau: Hackl 1, 84163 Marklkofen; Tel.: 08732/93 72 68 www.haglmo-harmonika.de

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Foto: Mauritius Images

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