The Red Bulletin INNOVATOR AT 22/01

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01 2022

AUSGABE ÖSTERREICH

3,50 EURO

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN 01/2022

Ideas for a better future

BIT ODER COIN? IDEAS FOR A BETTER FUTURE

Das ist die Frage. 21 Antworten, die dir so noch keiner gegeben hat.

u. a. von: Alex Gladstein Hillary Clinton Satoshi Nakamoto Thomas Glavinic Christine Lagarde Janet Yellen Larissa Kravitz Recep Erdoğan Warren Buffett Nayib Bukele Natalie Enzinger


Z T Ü H SC . A M I L K S A D R Ü F K C U L H C S K. C U L SC H

Der erste klimaneutrale Saft im Kühlregal. Klimaneutral durch Einsparungen & Kompensation


EDITORIAL

I N N O V AT O R

BIT ODER COIN? CONTRIBUTORS

Niko Jilch

BIRGIT PALMA (COVER) MAGDALENA SCHAUER-BURKART, PHILIPP HORAK

Der Wiener Finanzjournalist ist mit seiner Expertise zum Thema Bitcoin schon lange eine der bekanntesten Stimmen der Szene. Jetzt kann man sie auch hören: Jilch hat mit „Was Bitcoin bringt“ erst kürzlich einen Podcast zu diesem Thema gestartet. Für uns hat er den Schwerpunkt betreut. AB SEITE 22

Larissa Kravitz Die gebürtige Wiener Neustädterin lebt das Finanzwesen, seit sie sich mit 14 Jahren ihre ersten Aktien gekauft hat. Jetzt will sie mehr Frauen motivieren, sich mit Finanzen auseinanderzusetzen. Drei Investitionstipps findest du auf unserem Instagram-Account, ihre Analyse zur Männerdomäne Bitcoin AB SEITE 5 4

INNOVATOR

„Bit“ im Sinne rein digitaler Kryptowährungen oder doch lieber „Coin“ in Reminiszenz an „unser gutes altes Geld“? Die Frage scheidet die Geister. Bitcoin gilt manchen als Heilsversprechen auf eine bessere Welt und anderen als Spitze eines unkontrollierbaren betrügerischen Pyramidenspiels. Doch was genau ist Bitcoin, und was kann es? Wir stellen 21 Fragen zum digitalen Gold und beantworten sie in einer 60 Seiten starken Schwerpunktstrecke, die sich tief in unser ­Finanzsystem gräbt. Ab Seite 58 erfahren wir etwa, was Ex-Politikerin Hillary Clinton gegen die Kryptowährung hat und warum Autor ­Thomas Glavinic Bitcoin so sehr liebt. Wo wir uns hingegen weniger digital wünschen und wieder mehr Erfahrungen vor Ort, das sind Events. Ab Seite 88 verrät uns Patricia ZupanEugster, Mastermind von Female Future Festival, wie eine Veranstaltung gelingt und welche ­Termine wir nicht verpassen dürfen. Viel Vergnügen mit diesem Heft! 3


INHALT BULLEVARD

GUIDE

8 10 12 14 16 18 20

88 92 93 94 96 98

Walk the Wine Laure Babin entwirft coole Sneakers – aus Abfällen der Weinproduktion.

Luftnummer Drei Norweger haben das (Wind-)Rad neu erfunden – eine Energie-Revolution.

So ein Mist Der smarte Müllschlucker ­Lasso trennt Abfall und macht daraus Recyclingmaterial.

Richtig abschalten Der elektrische Camper Stella Vita versorgt sich im ­Urlaub komplett selbst.

Der Zaubertrank Der Oberösterreicher Daniel Kallinger hat einen speziellen Pflanzendünger entwickelt.

Save the Date Patricia Zupan-Eugster im Talk. Plus: die Top-Event-Tipps

Polarisierung ist gut CEO Martin Henne kontert die Kritik an seinem XBUS.

Lass dich inspirieren Worauf Gründerin Nina Julie Lepique im Alltag vertraut

Schwing dich frei Experte Andreas Breitfeld stellt uns die Echobell vor.

Einfach cool bleiben Motivator Ali Mahlodji über die Kunst der Gelassenheit

Bitte lächeln! Zeichner Nicolas Mahler gibt Einblick ins Homeoffice.

Senkrecht-Start-up Das elektrische Flugtaxi wird bald Alltag. Auch dank eines jungen Gründers in Mödling.

Glänzende Idee Der Schmuckhersteller „mood“ verwandelt Mund-­NasenMasken in Diamanten.

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SPECIAL

Kryptowährung: die Revolution Zwei Seiten der Freiheit: wieso wir neue Level an Souveränität erleben und das Gefahren birgt

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INNOVATOR


I N N O V AT O R

BITCOIN SPECIAL Digitales Geld in der Welt ­zwischen Betrug oder Erlösung

Tick, tock, next Block Das Einmaleins über Plebs, M ­ iner, Blockchain und Co

Wer hat’s erfunden? Wo Bitcoin herkommt und was das alles mit Punk zu tun hat

Jetzt wird’s historisch Wieso die Geschichte von Bitcoin auch eine wienerische ist

Beiß auf Gold Die neue digitale Währung auf dem Markt-Prüfstein

Krumme Geschäfte Bitcoin als Währung für ­Kriminelle und Drogenlords

Freiheit für alle Menschenrechtsaktivist Alex Gladstein im Interview

56 58 64 68 74 76 83

Klimakiller Nummer 1 Schadet Bitcoin der Umwelt? Ein Pro und Contra

Nichts für uns Die prominentesten Bitcoin-­ Gegner und ihre Argumente

Die ganz große Liebe Krypto-Fan Thomas Glavinic über seine wahre Leidenschaft

Einstieg zum Aufstieg Wie du zu Bitcoin kommst – ­ in drei einfachen Schritten

Ran an die Steuer Wie Österreich Kryptos besteuert und was du wissen musst

Das Unicorn Ein Besuch bei den Gründern des Erfolgs-Start-ups Bitpanda

Das Ende naht Was tun, wenn Bitcoin verboten wird? Und: Ist das realistisch?

Buon appetito! Der teuerste Einkauf der ­Bitcoin-Geschichte

¡Ay, caramba! Ein Besuch in El Salvador, das als Land auf Bitcoin setzt

Die anderen Die Welt von Solana, Tether, Dogecoin oder Ethereum

Erklär mir das Risiko Wie stehen die Chancen: heute reich und morgen wieder arm?

Frauen an die Macht Larissa Kravitz möchte die ­Männerdomäne beenden.

BIRGIT PALMA

22 25 26 27 34 37 39 43 44 52 53 54

Bitte ein Bitcoin

INNOVATOR

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Vienna UP’22 Let’s talk startups.

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BULLEVARD

I N N O V AT O R

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für eine bessere Welt

INNOVATOR

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B U L L E VA R D

Die Idee für Zèta kam Laure, die am IAE Bordeaux Ma­nage­ ment studierte, aber schon immer ein Faible für Mode hatte, während ihrer Masterarbeit. „Mir wurde klar, dass ich ein Projekt starten will, was mich repräsentiert. Gleichzeitig wurden mir viele ­Probleme in der Modewelt ­bewusst, speziell was umweltund sozialpolitische Themen angeht. Ich stand also vor der Frage: Wie kann ich diese Her­ ausforderungen aufgreifen, auseinandernehmen und ­besser zusammensetzen?“ MUTIGER SCHRITT

Laure Babin, 24, geht mit der Zeit: Unter ihrem Label Zèta produziert und vertreibt die junge Französin vegane Sneakers, deren Basismaterial aus recycelten Rückständen der Weinproduktion gewonnen wird.

Würde man Laure Babins Sneakers als „trashig“ bezeichnen, könnte es einem die französische D ­ esignerin wohl nicht übel nehmen. Denn die 24-Jährige macht tatsächlich Müll zu Mode. ­Genauer gesagt nutzt sie Abfälle aus der Weinproduktion, recyceltes Plastik und Kork und ver­wandelt all das in vegane „Lederschuhe“. Dadurch schenkt sie Tonnen von Weintrester – so nennt man die Rückstände aus der ­Weintraubenpressung im Fach­jargon – und anderen Mate­rialien, die eigentlich schon am Ende ihres herkömmlichen Verwendungszyklus angekommen sind, eine zweite Bestimmung. 8

JAKOB HÜBNER

WALK THE WINE

Laure beantwortete diese Frage ebenso kreativ wie pragmatisch. Zumal sie die Mecha­ nismen des Managements gründlich erforscht hatte, ­erkannte sie: Der stärkste Verbündete des Idealismus ist der Realismus. Wer die Warenwelt nachhaltig positiv beeinflussen will, sollte nicht auf einen biozertifizierten Linkshänder-Trüffelhobel setzen, sondern die Masse ansprechen. Denn wirklich tief wird der ökologische Fußabdruck auf dem Trampelpfad. Von dieser Erkenntnis war es nur noch ein kleiner Schritt zu Sneakers. „Sneakers sind die meistverkauften Schuhe der Welt. Jeder, egal in welchem Alter, hat ein Paar zu Hause. Es handelt sich also um ein

Produkt, mit dem man wirklich global Einfluss nehmen kann.“ Im September 2020 startete Laure eine Crowd­ funding-Kampagne, und die Hürde von 100 Schuhen war innerhalb weniger Stunden geschafft. Kurze Zeit ­später standen bereits 500 Paare im Vorverkauf; mittlerweile ist Geduld gefragt, wenn man ein Paar dieser handgefertigten Trendtreter ergattern will. Mit einem Verkaufspreis von 129 Euro sind die Teile zwar kein Schnäppchen, liegen angesichts des Markenkults bei Sneakers aber auch in dieser Hinsicht im grünen Bereich. Die genaue Recycling-Rezeptur für das „vegane Leder“ der Zèta-Sneakers ist natürlich streng geheim. Aber allein das Wissen, dass es sich dabei um Reststoffe aus der Wein­herstellung – pro Paar werden rund drei Kilo Abfall wiederverwertet – handelt, macht diese Schuhe nicht nur sehr sympathisch, sondern ­irgendwie auch erlesen. zeta-shoes.com

Manufaktur: Die Zèta-Sneakers werden von einem Familienunternehmen in Portugal hergestellt.

ZÈTA

N A C H H A LT I G E M O D E

MIR WURDE KLAR, DASS ICH EIN PROJEKT STARTEN WILL, DAS MICH REPRÄSENTIERT.

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Da hat eine gut lachen: Um die Nachfrage nach ihren Trendtretern zu befriedigen, hat Laure Babin alle Hände voll zu tun.

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B U L L E VA R D ENERGIE

FANG DEN WIND

Das Rad kann man nicht neu erfinden – das Windrad schon. Ein innovatives Offshore-Konzept aus Norwegen führt die Wind­ energie­gewinnung in eine neue Dimension. Wind ist ja eigentlich ein perfekter Rohstoff für die Energieproduktion: Er ist ­kostenlos, wird immer wieder­ frisch angeliefert, und bei ­seiner Verarbeitung zu elek­ trischem Strom wird die ­Umwelt nicht verschmutzt. So weit auf dem Papier. In der Realität sieht die Sache freilich differenzierter­aus. Denn neben der optischen Umweltverschmutzung durch horizontfüllende­Pro­ pellerlandschaften ist auch die akustische Belastung – Stichwort Infraschall – ein hochsensibles Thema. Dazu kommt, dass Wind­energie nur dann ­gewonnen werden kann, wenn tatsächlich Wind weht. Da Windenergie auch nicht die kostengünstigste Art ist, Strom zu erzeugen, gibt sie unterm Strich also eher ­eine „Ja, aber …“-Antwort auf die großen Energiefragen der Zukunft.

Damit wollten sich Asbjørn Nes, Arthur Kordt und Ole Heggheim nicht zufrieden­ geben. Die drei Norweger begannen 2017, Windenergie ganz neu zu denken: effizien­ ter, beständiger und kosten­ günstiger als alles, was es bis dahin gab. Das Ergebnis ist der „Wind Catcher“. Dabei handelt es sich um eine Offshore-Windkraft­ anlage, bestehend aus rund 100 kleinen Windrädern, die 10

Um mehr als 70 Meter über­ ragen die größten Kreuzfahrtschiffe die Wasser­ oberfläche.

324 Meter hoch: der Eiffelturm, eines der Wahr­ zeichen von Paris

INNOVATOR

WINDCATCHING.COM

GRÖSSERE AUSBEUTE


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EFFIZIENTER, BESTÄNDIGER UND KOSTENGÜNSTIGER ALS ALLES, WAS ES BISHER GAB.

in einem gut 300 Meter hohen Gerüst angeordnet sind. Die Innovation liegt in der Kom­ paktheit der einzelnen Tur­ binen – die Rotorblätter sind gerade mal 15 Meter lang – und deren Anordnung. Her­ kömmliche Windräder kön­ nen Windgeschwindigkeiten bis 11 m/s in Strom umwan­ deln, der „Wind Catcher“ hält bis 17 m/s mit. Was nach einem Plus von knapp 50 Pro­ zent klingt, ist tatsächlich ­eine Vertausendfachung der erzeugten Strommenge, weil die Ausbeute exponenziell­ steigt. Ein weiteres Plus bringt die schlaue Anordnung der Rotoren: Sie verwirbeln die Luft und erzeugen damit ­zusätzlichen Wind, den der Nachbarrotor wiederum als Energiequelle nützen kann.

Anstelle eines großen Rotors setzt der „Wind Catcher“ auf einen Cluster mit über 100 kleinen Windrädern.

G E R I N G E R E KO S T E N

ALEX LISETZ

Das Standardmodell des „Wind Catcher“ ist 324 Meter hoch und soll in der Lage sein, eine Stadt mit 250.000 Einwohnern mit Strom zu versorgen. Geplante Inbetriebnahme des ersten Prototyps ist bereits 2022.

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93 Meter hoch: die Freiheits­ statue vor New York

Kenner der Materie werden nun sagen: Offshore? Okay. Gute Idee, weil es dort per­ manent relativ viel Wind gibt und sich keine ­Anrainer ge­ stört fühlen. Aber sie ­werden auch den Kopf schütteln und sagen: Offshore bedeutet ­unheimliche Kosten bei Errichtung und Erhaltung. Rechnet sich niemals. Valider Punkt, aber nicht hier: Denn der „Wind Catcher“ lässt sich dank seiner kompakten Kon­ struktion vergleichsweise ein­ fach aufs Meer transportieren und dort verankern. Und nimmt einer der Rotoren im Betrieb Schaden, läuft die Anlage­ un­beeindruckt weiter. Service-Intervalle sind planbar und lassen sich gege­ benenfalls ins nächste Schön­ wetterfenster verschieben, das spart erhebliche Kosten. Außerdem soll der „Wind Catcher“ nicht wie eine her­ kömmliche Windkraftanlage 20 Jahre, sondern 50 Jahre lang Strom erzeugen – was Ökonomen und Öko­logen gleichermaßen freut. 11


I N N O V AT O R

B U L L E VA R D

R ECYC L I N G

SAMMLERSTÜCK Ein revolutionärer Haushalts­ roboter erzeugt aus Plastik, Glas und Metall sortenreine Abfallprodukte, die voll­ ständig wieder­verwertet werden können.

– automatisch. Der Roboter erledigt nicht nur die Mülltrennung, sondern kümmert sich auch um die Säuberung und Zerkleinerung aller zu­ geführten Teile. Selbst stark verschmutztes Leergut ist kein Problem, und smarte Sensoren erkennen sofort, wenn einmal irrtümlich etwas eingeräumt wird, was sich nicht recyceln lässt – Warnmeldung folgt. Am Ende erhält man sortenreines Abfallmaterial, das dicht komprimiert im unteren Teil des Geräts gelagert wird, bis der Abholdienst kommt. KREISL AUF WIRTSCHAF T

In einer späteren Version sollen auch Altpapier oder

Biomüll wiederverwertet werden können. Und irgendwann, wenn alles nach Plan läuft, werden Lasso-Kunden ihre Abfallprodukte sogar selbst weiterverkaufen können – was dem Ziel einer echten Kreislaufwirtschaft schon sehr nahe kommt. Das ambitionierte Projekt soll rund um die Jahreswende 2022/23 zunächst in der Bay Area um San Francisco ausgerollt werden – wohl auch, weil dort Umweltbewusstsein und Einkommen überdurchschnittlich hoch sind. Denn die ersten Lasso-Modelle werden zwischen 3500 und 4500 Dollar kosten. lassoloop.com

Die Statistik ist desaströs: 91 Prozent des weltweit verbrauchten Plastiks werden nicht wiederverwertet. Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2050 in den Ozeanen mehr Plastikreste schwimmen werden als Fische. Saubere Lösungen müssen her, und zwar schnell. Wie die globale Recyclingquote für Hausmüll in die Höhe geschraubt werden könnte, macht derzeit ein Start-up in den USA vor. Das Team von Lasso steht kurz vor der Fertigstellung eines Recyclingroboters, der schon bald seinen Fixplatz in jeder Küche bekommen soll.

Ähnlich wie bei einem Ge­ schirrspüler werden benutzte Plastikbehälter, Aludosen oder Glasflaschen einfach in die obere Lade des Geräts eingeschichtet. Der Rest geschieht – wie von Zauberhand 12

GÜNTHER KRALICEK

TRENNSCHÄRFE

Einer für alles: Der Lasso-­ Roboter verarbeitet Hausmüll zu komprimiertem und sorten­ reinem Recyclingmaterial. INNOVATOR


Bytes, Hertz und

Weltraumtechnik Foto: JOANNEUM RESEARCH / Bergmann

Rund 40 Expert*innen der JOANNEUM RESEARCH bringen am Standort Graz ihr Know-how im Thema „Space“ ein. Sie sind international bestens vernetzt und gefragt. Das Spektrum der aktuell mehr als 50 laufenden Projekte ist breit: von So wareentwicklung über Bildauswertung bis hin zu Fernerkundung und Signalverarbeitung.

Balazs Ferenczi überprüft im „Software Defined Radio Labor“ die Spezifikationen des Monopuls-Tracking-Empfängers.

Unter der Leitung von Michael Schmidt gelang erstmals der Empfang von Satellitensignalen in einem neuen Frequenzband.

Fotos: Novel View

Die Hilmwarte in Graz ist einer der Standorte der JOANNEUM RESEARCH. Hier wird unter anderem an Satellitenkommunikation im Q/V-Band geforscht.

Am Dach der JOANNEUM RESEARCH in der Grazer Steyrergasse steht die Antenne der W-Band-Bodenstation, mit der zum ersten Mal ein W-Band-Funksignal von einem Satelliten am Boden empfangen wurde.

We transmit your bytes with our hertz. Let´s join for the future!

Über den Dächern von Graz steht auch ein Radiometer für Alphasat- und W-CubeSat-Experimente. Gemessen wird das atmosphärische Rauschen. Daraus kann man auf die Dämpfungen von Funksignalen rückschließen.

Weltraumtechnik für den Alltag: Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen!

www.joanneum.at/digital


B U L L E VA R D

MIT „ STELLA VITA“ LÄSST SICH IM URLAUB SO RICHTIG ENERGIE TANKEN. Um die leere Batterie voll aufzuladen, benötigt das innovative Wohnmobil zwei bis drei Sonnentage.

M O B I L I TÄT

PERPETUUM WOHNMOBILE Der Sonne entgegen: Ein Studententeam aus den Niederlanden hat einen Camper entwickelt, der zur Gänze ohne externe Energieversorgung auskommt.

Die zentralen technischen Probleme, die herkömmliche E‑Autos nun endlich in den Griff bekommen zu haben scheinen, wiegen bei E-Wohnmobilen dop­ pelt schwer: relativ hoher Strom­ verbrauch, weil relativ hohes Ge­ wicht, und daher relativ geringe Reichweite. Gerade für Urlaubs­ reisen ein ziemliches Totschlag­ argument, zumal in entlegeneren Gegenden bekanntlich nicht an jeder Waldlichtung eine Lade­ station blinkt. Kurz: Ein aus­ gedehnter Camping-Urlaub und ein ruhiges CO²-Gewissen waren bisher nicht wirklich vereinbar.

zur Gänze selbst mit Energie ver­ sorgt. Denn auf dem Dach thront eine Solaranlage, die sowohl das Auto wie auch sämtliche elektri­ sche Geräte im Wohnbereich mit Strom beliefert. Zugegeben, die Idee, eine ­Solaranlage aufs Dach eines Fahr­ zeugs zu klatschen, ist nicht neu. Was aber neu ist: Das Dach von „Stella Vita“ kann über einen aus­ geklügelten Mechanismus aus­ geklappt werden, was einerseits den Wohnraum beim Parken um eine solarzellenpaneelbestückte Markise vergrößert und anderer­ seits die Solarfläche auf immer­ hin 17,5 Quadratmeter verdop­ pelt. So kann beim Parken eine recht beachtliche Menge Strom

Wo Sonne ist, da ist auch Schatten: Im Stand werden bei hochgestelltem Dach die Seitenflügel ausgefahren. Das verdoppelt die Fläche der Solarpaneele auf stolze 17,5 Quadratmeter und dient gleichzeitig als praktische Markise.

Dank extremer Leichtbau­ weise und ebensolcher Aero­ dynamik schafft die Wohn­ flunder an sonnigen Tagen­ bis zu 700 Kilometer und eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h.

SONNENSEGEL

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BART VAN OVERBEEKE

ALEX LISETZ

Das könnte sich aber erstaunlich bald ändern. „Stella Vita“ ist der Name eines revolutionär kon­ zipierten Wohnmobils, das ein Team aus 22 Studentinnen und Studenten der Technischen Uni­ versität in Eindhoven in den Nie­ derlanden von August 2020 bis September 2021 entwickelt hat. Dieser Lebensstern ist das welt­ weit erste Wohnmobil, das sich INNOVATOR


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erzeugt werden. Dank seiner ­konsequenten Leichtbauweise, der aerodynamischen Form und effizienter Energie-Managementsysteme geht das „Stella Vita“Mobil zudem extrem sparsam mit der Energie um, die es zuvor der Sonne abgerungen hat. JUNGFERNFAHRT

Alles an Bord: Trotz vergleichsweise kompakter Maße bietet „Stella Vita“ Küche, Bett, Sofa, Dusche und Toilette.

INNOVATOR

Je nach Wetter und Fahrstil schafft das vollgetankte Mobil bis zu 700 Kilometer, und wenn an sonnigen Plätzen ­gerastet wird, lässt sich der Ladestand der Batte­ rie zwischendurch immer wieder nachbessern. So reichte es bei „Stella Vitas“ Jungfernfahrt von den Niederlanden bis ins südliche Spanien immerhin für eine rund 2000 Kilometer weite Reise. Die leere Batterie voll auf­ zuladen erfordert zwei bis drei Schönwettertage, aber im Urlaub hat man ja zwischendurch auch Muße. 15


B U L L E VA R D

GARTEN - RE VOLUZ ZER

DEM MUTIGEN GEHÖRT DIE WELT

Eines Tages stand Kallinger dann vor einem Kübel, gefüllt mit einer nicht gerade wohl­ riechenden Brühe, und war kurz davor, das Zeug einfach 16

Je kleiner die Minerale, desto größer die Oberfläche der einzelnen Körner. Diese Mikro­ teilchen können nährende Stoffwechselprodukte besser an sich binden und leichter ins Innere der Pflanze vor­ dringen. Über die Blattober­ fläche gelangen sie durch die Zellwände bis ins Zellplasma.

Flaschennahrung: Für Hobbygärtner gibt’s den „Global Green“-Dünger in der handlichen 1-LiterSprühflasche. Für die professionelle Anwendung darf es aber auch ein bisschen mehr sein.

Was sich in der Petrischale da so alles tummelt, ist natürlich streng geheim – aber Gift ist keines dabei. GÜNTHER KRALICEK

Die Zeichen standen auf Widerstand, als Daniel Kallinger, 35, vor fünf Jah­ ren damit begann, an einem Düngemittel für seine Garten­ pflanzen zu tüfteln. Dem Oberösterreicher schwebte ein biologisch nachhaltiges Gemisch aus Mineralien und Mikroorganismen vor. Fach­ leute, die er zu Rate gezogen hatte, belächelten den Auto­ didakten jedoch nur milde. So, wie er es angehe, könne das niemals funktionieren.

wegzuschütten. Er atmete einmal tief durch und ent­ schied sich dafür, weiterzu­ machen. Die Sache ging auf. Und wie. Bis zu 30 Prozent mehr Wachstum und Ertrag ver­ spricht „Global Green“, das wundersame Pflanzennah­ rungsmittel, das Kallinger da zusammengebraut hat. Das Geheimnis liegt nicht nur in der Kombination von Mine­ ralien und Mikroorganismen, sondern in deren innovativem Zusammenspiel. Entscheidend­ dabei ist ein spezielles Mahl­ verfahren, bei dem die Mine­ ralien zu extrem feinem Staub zerkleinert werden.

FLORIAN VOGGENEDER

Ein Autodidakt aus Mondsee ließ sich vom milden Lächeln der Experten nicht beirren und entwickelte ein Düngemittel, das seine ehemaligen Kritiker mittlerweile staunen lässt.

INNOVATOR


I N N O V AT O R

DER ZAUBERTRANK AUS MONDSEE ­V ERSPRICHT BIS ZU 30 PROZENT MEHR WACHSTUM. Möglich macht’s ein innovatives Zusammenspiel von Mineralien und Mikroorganismen.

FÜR BOBOS & BAUERN

Ob Gemüsebeet oder Wein­ garten, Weideland oder Hanf­ plantage, Fußballrasen oder Ackerbau – für jede Anwen­ dung gibt es die richtige Mi­ schung. Der botanische Zau­ bertrank ist in der handlichen Literflasche für Hobbygärtner ebenso erhältlich wie in deut­ lich größeren Gebinden für die Landwirtschaft. Und das Schönste: Diese Düngemittel kommen komplett ohne Gifte und Schadstoffe aus. Der Boden wird geschont, Nutz­ insekten und andere Tiere dürfen aufatmen. G U T F Ü R S S A AT G U T

Daniel Kallinger, 35, Autodidakt: Die Idee zu „Global Green“ ist auf seinem Mist gewachsen.

INNOVATOR

Daniel Kallinger und sein Team forschen am Standort in Mondsee unermüdlich wei­ ter. Die F&E-Abteilung unter der Leitung von CTO Dr. Lukas Kramberger-Kaplan arbeitet derzeit an einer Methode, Saatgut vorab mit einer spe­ ziellen Kultur von Stickstoff­ bakterien zu „beizen“. Diese Bakterien sind in der Lage, atmosphärischen Stickstoff in Ammonium umzuwandeln, das die Pflanze zum Wachsen braucht. Der Stickstoffbedarf aus konventionellen Dünge­ mitteln lässt sich auf diese Weise deutlich reduzieren. Dies bringt auch eine signi­ fikante Reduktion von CO²Emissionen mit sich, weil die Herstellung von stickstoff­ haltigem Kunstdünger be­ sonders energieintensiv ist. 17


B U L L E VA R D

Glaubt man den ­Pro­gnosen, werden elektrisch betriebene Flugtaxis schon bald so normal sein wie einst ein Mercedes Diesel. Der Apeleon X wird in Mödling bei Wien ent­ wickelt, der erste Prototyp des „Planecopter“ soll 2023 abheben.

M O B I L I TÄT

SENKRECHTSTART- UP

GRÜNDER UND CEO DER VOLARE GMBH

Mit seinem 15-köpfigen Team arbeitet der passionierte Pilot an Mobilitätskonzepten für die Zukunft.

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Der Apeleon X ist ein „Planecopter“, also ein Hybrid aus Flugzeug und Hubschrau­ ber. Zwei Flügel sorgen für Stabilität während der Luft­ fahrt, 16 Rotoren ermöglichen dem Apeleon, senkrecht zu starten und zu landen – mehr oder weniger auf jedem Gara­ genvorplatz mit entsprechen­

der Genehmigung. Angepeilt wird eine Reichweite von 100 bis 150 Kilometern, was auch schon klar macht, welchen Einsatzbereich Fürlinger für sein Fluggerät im Sinn hat: Es soll als Flugtaxi Gegenden mit magerer Infrastruktur ver­ binden mit Ballungsräumen oder Verkehrsknotenpunkten. INNOVATOR

APELEON, VOLARE GMBH

Andreas Fürlinger

Egal wie die Geschichte ausgehen mag: Andreas Fürlinger lebt seinen Traum. Als Kind begeisterten ihn Modellflugzeuge, er studierte Maschinenbau an der TU Wien, arbeitete bei Airbus am A380 mit, ist Inhaber eines Pilotenscheins und war Teil jenes Teams, das mit der „Solar Impulse“ Geschichte schrieb. Zur Erinnerung: Die „Solar Impulse“ war das erste Flugzeug, das 2015/16 allein mit der Kraft der Sonne eine Weltumrundung schaffte. 2017 gründete Fürlinger die ­VOLARE GmbH und startete sein ambitioniertes Projekt: die Entwicklung eines elek­ trisch betriebenen Flugtaxis, des Apeleon X.

ALEX LISETZ

Können Taxis fliegen? Wenn es nach einem jungen Unternehmen aus der Umgebung Wiens geht: ja. Und zwar schon erstaunlich bald.


I N N O V AT O R

Schnell, wendig und kostengünstig. Und zwar absolut kostengünstig, nicht nur relativ – denn Fürlinger kalkuliert mit Preisen, die jenen von erdgebundenen Taxis entsprechen. Auf häufig genutzten Strecken können auch Shuttle-Verbindungen angedacht werden, das Platzangebot in einem Apeleon X gleicht dem eines herkömm­ lichen Pkw. LUF T NACH OBEN

„WIR GESTALTEN EINE NEUE GENERATION DES PENDELNS.“ Der Apeleon X soll vor allem im Umland von Ballungsräumen zum Einsatz kommen.

Fürlinger mag mit seinem 15-köpfigen Team aus dem 20.500-Einwohner-Städtchen Mödling keiner der großen Player unter den Produzenten von Kleinstfluggeräten sein, angesichts der unglaublichen Dynamik dieses boomenden Marktes werden sich aber auch Nischen auftun. Mit Lilium und EHang notieren ein deutscher und ein chinesischer Anbieter bereits an der Börse, mit Volocopter und Vertical Aerospace liebäugeln zwei weitere mit einem Börsengang. Sollten sich aktuelle Pro­ gnosen auch nur halbwegs bewahrheiten, wird die Branche mächtig abheben: Der Markt für Flugtaxis soll ab 2025 – nach entsprechenden regulatorischen Weichen­ stellungen – zu wachsen beginnen, irgendwann zwischen 2030 und 2035 könnte ein Teil ­unseres Alltagsverkehrs in der dritten Dimension stattfinden. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) ist jedenfalls schon eifrig am Basteln entsprechender Rahmenbedingungen. Der Zeitplan von Apeleon X verspricht eine präzise Punktlandung: Ein erster Prototyp soll schon im kommenden Jahr über Mödling zu sehen sein, für erste kommerzielle Flüge möchte Andreas Fürlinger ab 2026 ready for take-off sein. apeleon.com

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Diamonds are ­forever (MNSMasken hoffent­ lich nicht): So schön kann nachhaltiges ­Upcycling sein.

U P CYC L I N G

Hightech-Alchemie: wie der Schweizer Schmuckhersteller „mood“ gebrauchte Mund-NasenMasken in etwas sehr Edles verwandelt – und obendrein die Natur schützt.

Sie schützen uns seit nunmehr zwei Jahren, in denen uns Covid-19 intensiver be­ schäftigt, als uns lieb ist: Mund-Nasen-Schutzmasken sind zu oft lästigen, aber unverzichtbaren Accessoires unseres Alltags geworden. Doch was den Menschen hilft, gefährdet zunehmend die Umwelt. Ein Großteil der zig Milliarden benutzten Masken aus Polypropylen landet im ganz normalen Hausmüll. Viele tauchen auch dort auf, wo wir sie keinesfalls sehen wollen: auf Gehsteigen oder 20

mitten in der Natur. Im Pazifik kreist bereits eine mehrere Quadratkilometer große ­„Insel“ aus Plastikmasken. Deren Halbwertszeit beträgt ein paar Jahrhunderte, sagt die Forschung. Zum Glück macht Not auch erfinderisch. Könnte man nicht etwas Schönes und Wertvolles aus dieser Rohstoffquelle machen? Das fragte sich der Schweizer Schmuckhersteller mood. Die Firma aus Orbe im Kanton Waadt stellt seit 2004 stilvolle Ringe her, die aus einer Edelstahl- oder Titanfassung und verschiedensten Aufsätzen („Add-ons“) be­stehen, die sich je nach Laune austauschen lassen. E D E L S T E I N E A U S A B FA L L

Das zukunftsweisende Projekt des Masken-Upcy­clings von mood funktioniert folgendermaßen: Jeweils ein Labor-Diamant kann unter hohem Druck (150 Kilo­bar)

Schmucke Verwertung: Unter hohem Druck und großer Hitze werden aus alten MNS-Masken Kunstdiamanten hergestellt.

und großer Hitze (1200 bis 1400 °C) aus einer benutzten Maske hergestellt werden. Diese werden dann zu Ringaufsätzen weiterverarbeitet. Bei mehr als 50.000 Kunden weltweit kann man also davon ausgehen, dass schon bald viele einstige Schutzmasken als Diamanten am Finger getragen werden. Wer das Projekt unterstützen möchte, kann seine gebrauchten Masken übrigens ganz einfach an den mood-Store in Orbe senden. Sämtliche ­Informationen dazu ­finden sich auf der Website. yourmood.net INNOVATOR

SIMON SCHREYER

DIAMANTEN AUS MASKEN


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Bitte ein Bitcoin!

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60 SEITEN SPECIAL

Digitaler Schatz oder sensationeller Betrug? Jeder weiß, was Bitcoin ist – und weiß es auch wieder nicht. Schluss damit! Hier gibt es jetzt alles zur Kryptowährung. In exakt 21 Antworten.

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INNOVATOR


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Fangen wir doch beim kleinsten gemein­ samen Nenner an: Bitcoin, was ist das?

BITCOIN

60 SEITEN SPECIAL

ist Technologie, Philosophie – ja, sogar Politik. Das digitale Geld hat so viele Facetten, dass sie gar nicht alle auf eine Seite oder unter eine Frage passen. Deshalb haben wir in 21 Antworten zusammengetragen, was Bitcoin alles ist. Es lässt Diktatoren zittern und Computer-Nerds triumphieren. In El Salvador hat der technik­affine Präsident seinen Landsleuten Bitcoin gar als

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was manchen große Sorgen be­reitet, denn Bitcoin ist auch ­instabil. Deswegen gibt es g ­ enug kluge Menschen, die mit Kritik an der Kryptowährung nicht sparen, und viele kluge Menschen, die dagegen­ reden. Wie geht der Staat Öster­reich mit der Währung um? Wie hält er es beispielsweise mit Steuern? Wie lässt sich diese transformative Kraft so herunterbrechen, dass ein Unternehmen in Öster­reich damit zig Arbeitsplätze schaffen kann? Und wie führt das alles zu Pizza und mög­lichem Reichtum? INNOVATOR

BIRGIT PALMA

Bitcoin ist digitales Geld. Es gibt weder Münzen noch Scheine, die Kryptowährung existiert als digitale ­Zeichenabfolge in einem Computer­ programm. Zu einfach gedacht? Ganz bestimmt. Die Krypto­ währung ist für die einen das beste Geld der Welt, die Revolution des Finanzsektors, für die anderen Betrug, unverständliche, un­­ sichere Mathematik. Spekulanten vermuten Gewinne. Betrüger leider auch. Politiker sehen Wählerstimmen, Banker eine Herausfor­ derung für ihr Geschäfts­ modell. Und Bitcoin-Nutzer sind fasziniert, weil sie Geld verschicken neue Währung vorgesetzt – können wie eine E-Mail.


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Okay, okay, fast schon zu detailliert: Klären wir lieber erst einmal ein paar Fachbegriffe.

BLOCKCHAIN, die

PLEBS, die Bitcoin wird von einer anony­ men Masse an Menschen ge­ tragen, die sich selbst „Plebs“ nennen – angelehnt an die Ple­ bejer des alten Rom: Bürger, Handwerker und Bauern, die kein Teil der Oberschicht (Pa­ trizier) waren. Diese Masse an Plebs bildet das ökonomische und soziale Immunsystem, das Bitcoin bedingungslos vor allen Attacken verteidigt.

Die Blockchain (dt. „Block­ kette“) ist eine Art Kassabuch, das alle Transaktionen seit dem Bitcoin-Start am 3. Jän­ ner 2009 erfasst. Sie löst das Problem, wie sichere, nicht manipulierbare Transaktionen im Netz ohne eine Trusted Third Party – bei Überweisun­ gen etwa eine Bank, die den Vorgang überwacht und ab­ wickelt – durchgeführt werden können. Die Blockchain ersetzt diese Vertrauensstelle. Sie besteht aus einzelnen Blöcken, die in einer chronologischen Kette verbunden sind. Jeder Block beinhaltet drei Elemen­ te: Daten, Hash (den digitalen Fingerabdruck) und die Prüf­ summe vom vorherigen Block.

BLOCK REWARD, der Um die Miner zu motivieren, gibt es beim Erschließen eines neuen Blocks eine B ­ elohnung, den sogenannten Block Re­ ward (dt. „Blockbelohnung“): Wer erfolgreich einen Block an die Blockchain anschließt, er­ hält einen Bonus in Form neuer Coins. Derzeit erhalten Miner 6,25 neue BTC für einen Block.

KRYPTOGRAFIE, die MINER, der

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Man kann Bitcoin entweder kaufen oder selbst schürfen: Letzteres tun die „Miner“. Mit sehr leistungsstarken Com­ putern und konstantem Über­ prüfen mathematischer Re­ chenaufgaben fügen sie neue Blocks zur Blockchain hinzu. Mit jedem neuen Block ent­ stehen neue Bitcoins, die jener Miner erhält, der den neuen Block erzeugt hat. Zusätzlich erhält dieser Miner auch die Transaktionsgebühren aller Überweisungen in diesem Block. Zuvor muss er aber eine Menge investieren: Hardware und Strom. Dabei konkurriert er mit Firmen, die in riesigen Hallen Bitcoin-Mining in gro­ ßem Stil betreiben. INNOVATOR

PROOF OF WORK, der Um der Blockchain einen neuen Block anfügen zu kön­ nen, müssen Miner eine sehr komplizierte passende Zahl finden. Das verlangt sehr viel Rechenleistung, also große Mengen an Energie (dieses Maß an auf­gewendeter Energie ist einer der Hauptkritikpunkte an Bitcoin; siehe Frage 15). Die Arbeit, die hier hineingesteckt wird, nennt sich „proof of work“ (dt. „Arbeitsnachweis“): Ähnlich wie beim Schürfen von Gold muss zunächst eine Leis­ tung erbracht werden, bevor es den Lohn dafür gibt.

Es ist extrem unwahrschein­ lich, dass die Bitcoin-Block­ chain durch Hacker manipu­ liert werden kann, und das liegt an der Kryptografie: einer Technologie zur Verschlüsse­ lung von Informationen, damit geheim bleibt, was geheim bleiben soll. Bei Bitcoin be­ ruht das auf der sogenannten asymmetrischen Verschlüs­ selung. Dabei werden zwei unterschiedliche Schlüssel verwendet. Der Schlüssel für die Verschlüsselung ist öf­ fentlich, der Schlüssel für die Entschlüsselung ist geheim, und er ist individuell. Der sogenannte Private Key, den Inhaber von Kryptowährungen besitzen, kann bei einem Ver­ lust nicht durch einen anderen ersetzt werden, die Coins ­wären in dem Fall verloren.

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Die Wahrheit ist: Wir wissen es nicht. War es eine Person? Eine Gruppe? Eine Firma, gar ein Geheimdienst? Der Erfinder von Bitcoin nannte sich selbst Satoshi Nakamoto und legte höchsten Wert auf seine ­Anonymität. Im Jahr 2011 verschwand er von der Bildfläche und überließ das Projekt der Community. Diese Schritte waren wohlüberlegt, denn ein bekannter „Chef“ wäre ein S ­ icherheitsrisiko, ein „Single Point of ­Failure“. Wer eine Währung gestaltet, die Staaten herausfordert, sollte seine Adresse möglichst für sich behalten. Was wir wissen: Nakamoto gab sich in einem Online-Forum das männliche Geschlecht und als Geburtstag den 5. April 1976 an – wohl ein Hinweis auf den 5. April 1933, an dem die US-Regierung der Bevölkerung privaten Goldbesitz verbot. Nakamotos Schreibstil hat einen britischen Einschlag, und er setzt hinter jeden Punkt üblicher­ weise zwei Leerzeichen.

Im Technologiepark der Firma Graphisoft in Buda­ pest ehrt eine Statue den Bitcoin-Gründer, der seit zehn Jahren spurlos verschwunden scheint.

60 SEITEN SPECIAL

Die Verehrung Nakamotos selbst nimmt teils religiöse Ausmaße an. Ein Umstand, den er auch selbst befeuerte, etwa indem er das „Whitepaper“, das Gründungsdokument von Bitcoin, am 31. Oktober 2008 veröffentlichte: just an jenem Tag, an dem Martin Luther im Jahre 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte. Luther wandte sich gegen die Macht der Kirche. ­Nakamoto fordert die Macht von Staaten und Notenbanken heraus. 26

Und was hat Bitcoin mit zivilem Ungehorsam zu tun? Die Crypto ­Rebels und späteren ­Cypherpunks, hier auf einem Cover des „Wired“-­Magazins aus dem Jahr 1993, hatten ein erklärtes Ziel: die ­Privatsphäre in der digitalen Welt um jeden Preis zu schützen.

Bitcoin entspringt den Idealen einer ­ leinen Gruppe von ­Informatikern und k Kryptografen, den ­„Cypherpunks“, die vor allem die Privatsphäre von Individuen in der ­digitalen Welt schützen wollen. Das Wort ist eine Abwandlung der „Cyberpunks“, wobei „Cypher“ für jene Menschen steht, die Verschlüsselung nutzen. Ihnen ist zu verdanken, dass sich heute Privatpersonen im ­Internet überhaupt schützen können, wenn sie Mails und Nachrichten austauschen. Die Cypherpunks legten sich in den so­ genannten Crypto Wars der 1990er mit der US-Regierung an, als diese die Kryptografie zur militärischen Technologie erklärten und dadurch Regierungsbehörden unbegrenzt Zugriff auf die Kommunikation e­ rmöglichen wollten. Die Cypherpunks, denen sich auch Satoshi Nakamoto zugehörig fühlte, verbreiteten die Krypto-Codes überall, wo sie konnten: auf T-Shirts, als Briefe, ­Tattoos und auch als Bücher. Am Ende gab die US-Regierung auf. Bücher zu verbieten ist nicht einmal ihr möglich. Das ist auch ein wichtiger Faktor beim Kampf um und gegen Bitcoin: Das ganze System besteht am Ende nur aus Mathematik und Text. Es zu verbieten würde die Meinungsund Pressefreiheit einschränken, argumentieren die Cypherpunks von heute. INNOVATOR

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Welches Genie hat das digitale Geld eigentlich erfunden?


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Dieser Traum von Freiheit mündet also in ein digitales Zahlungssystem. Wie ist das geschehen?

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Text Niko Jilch

WIENER SCHULE Was hat ein Wiener Kaffeehaus im Jahr 1886 mit Bitcoin zu tun? Tatsächlich ist die Geschichte der Kryptowährung viel älter, als ihr Start im Jahr 2009 vermuten lässt.

Der Bitcoin-Kurs seit 2009

Jänner 2009

Juli 2009

Genesis-Block: Satoshi Nakamoto himself startet die Bitcoin-Blockchain. Sie läuft seit 13 Jahren ohne große Probleme. INNOVATOR

Jänner 2010

Mai 2010 In Florida erhält der Programmierer Laszlo Hanyecz zwei Pizzas, für die er 10.000 Bitcoin zahlt.

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Oder das des aktuellen Geldsystems. Für die meisten Menschen kommt Geld aus dem Bankomaten, vom Arbeitgeber oder vom Kunden. Dass unser Geld­ system so ist, wie es ist, bringt die wenigsten zum Zweifeln, selbst viele Ökonomen denken nie darüber nach. Sie akzeptieren, dass das Geld von der Noten­ bank kommt, vom Staat. Fragen kommen meist auf, wenn es zu einem Inflationsdesaster kommt – wie unlängst in der Türkei. Ist unser Finanzsystem das bestmögliche? Kann es smart sein, ein zentrales Gut des Lebens – das Geld – Staat und Politikern zu überlassen? Warum zerbrechen wir uns wochen­ lang den Kopf darüber, welches Smartphone wir nutzen – und nur einen Bruchteil der Zeit über das Geld, das auf unserem Konto liegt? Bitcoin ist eine Erfindung jener, die dieses Geld­ system neu denken wollten. Bitcoin läuft seit 2009, doch seine Geschichte geht viel weiter zurück. Tat­ sächlich reichen die geistigen Wurzeln der Krypto­ währung zurück bis in die letzten Jahrzehnte der Habsburgermonarchie. Damals, rund um die vor­ letzte Jahrhundertwende, entstand in Wien eine eigene ökonomische Denkschule, die der Idee eines staatlichen Geldsystems extrem kritisch gegenüber­ stand. Ja, Bitcoin hat Wiener Wurzeln.

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Die Europäische Zentralbank schreibt im Jahr 2012: „Die theoretischen Wurzeln von Bitcoin kann man in der Österreichischen Schule der Nationalökonomie

Februar 2011

Jänner 2012

und ihrer Kritik am herrschenden Geldsystem sowie den Eingriffen durch Regierungen und andere ­Institutionen finden, die, aus ihrer Sicht, in über­ triebenen Investitionen und einer massiven Inflation enden.“ Geld ist heute etwas, das per Gesetz fest­ gelegt ist und vom Staat herausgegeben wird, ein über die Jahrhunderte entstandenes und in den ver­ gangenen Jahrzehnten verfestigtes System. Doch für die Ökonomen rund um Eugen Böhm von Bawerk, Carl Menger, Ludwig von Mises und seinen Schüler Friedrich August von Hayek war Geld ein Gut wie jedes andere: etwas, was entsteht, wenn zwei Men­ schen am Marktplatz handeln, aber nichts Gleich­ wertiges zum Austausch haben und sich also mit etwas Drittem behelfen müssen. Und dieser Markt sollte naturgemäß auch darüber entscheiden, was das beste Geld, also das beste Gut dafür wäre. So oder so war der Erfolg der „Austrians“ beschei­ den. Sie wurden von den Ereignissen des 20. Jahr­ hunderts überrannt: 1913 wurde die US-Notenbank Federal Reserve gegründet und konsolidierte damit die staatliche Macht über die Wirtschaft. Vier Jahre später übernahmen in Moskau Kommunisten die Macht. Es folgten Faschismus, Weltkriege und ein Zeitalter mit wachsendem staatlichen Einfluss. 1971 sprengte der damalige US-Präsident Richard Nixon das internationale Währungssystem in die Luft: Am 15. August brach er in einer Fernseh­ ansprache das Versprechen der USA, den Dollar jederzeit in Gold ­umzutauschen. Heute noch als der „Nixon-Schock“ bekannt, ver­änderte diese Ankün­ digung weltweit das Denken über Markt und Staat und führte in Europa schlussendlich zu einer Wäh­ rungsunion und dem Euro. Die Finanzwelt wuchs in den kommenden Jahrzehnten zu einer Welt aus Papier, gelenkt von Politikern und Notenbankern. Die staatskritischen Ansichten der Österreichischen Schule gingen verloren.

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Geld bestimmt unser Leben. Wir arbeiten für Geld, verkaufen unsere Zeit. Wenn wir einkaufen, ist Geld stets unser Beitrag zu dieser Interaktion. Haben wir Sorgen, drehen sie sich oft um Geld. Das Konzept des Geldes? Das hinterfragen trotzdem die wenigsten.

Bis die Finanzkrise kam. Und Bitcoin. Satoshi Nakamoto lancierte seine digitale Währung zu einer Zeit, als das Vertrauen in Staat und Noten­ banken gering war. Nach der Finanzkrise 2008, die mit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen

Juli 2012

Jänner 2013

Der Preis von Bitcoin erreicht einen Dollar. Bis Juni wird er auf fast 30 Dollar steigen – ein Plus von 3000 Prozent.

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INNOVATOR


RICHARD NIXON hob 1971 die Goldbindung des US-Dollars auf, was heute noch als „Nixon-Schock“ bekannt ist und das weltweite Denken über Markt und Staat nachhaltig veränderte.

Der Ökonom FRIEDRICH AUGUST VON HAYEK – im Bild 1948 mit einer Klasse Studenten an der London School of Economics – setzte sich für die Abschaffung des staatlichen Währungsmonopols ein.

Großbank Lehman Brothers ihren Höhepunkt hatte, wurde versucht, jene Institutionen am Leben zu halten, die den Crash erst mitverantwortet hatten. Banken und Versicherungen erhielten viele Milli­ arden, allein Österreich kostete die Bankenrettung zwischen zehn und elf Milliarden Euro. Für den Normalbürger gab es hingegen kaum Entschädi­ gung oder Unterstützung. Nakamoto wollte eine Alternative: ein Geld, das allen gehört und bei dem jeder mitmachen kann. Ein gespeichertes Vermögen, geschützt vor der Entwertung und dem Konfiszieren durch den Staat.

Keine Zentralbank, kein Vertrauen Es war die Fortführung der Denkschule, aus der Nakamoto kam: der Bewegung der Cypherpunks,

Dezember 2013 Bitcoin durchbricht die Marke von 1000 Dollar und erreicht ein Allzeithoch von 1237 Dollar. INNOVATOR

LUDWIG VON MISES ist einer der bedeutendsten Vertreter der Öster­ reichischen Schule der Nationalökonomie.

deren Heiliger Gral privates, unzensierbares Geld war. Nur war das bisher daran gescheitert, ein funk­ tionierendes System zu schaffen. Nakamoto stellte die Dezentralisierung in den Mittelpunkt. Es sollte keine zentrale Stelle wie eine private Zentralbank oder eine Art „Münzamt“ geben, keine Kontakt­ adresse, keine Figur an der Spitze. Keine Schwach­ stellen, die attackiert werden könnten, und auch kein persön­licher Ansprechpartner, dem Nutzer vertrau­ en müssen. Darauf baut das Bitcoin-Netzwerk auf. Nakamoto bediente sich dabei der Vorarbeit jener, die vor ihm an diesem digitalen „Stein der Weisen“ gearbeitet hatten. Bei Nick Szabo etwa, Informatiker und Kryptograf, der mit seiner Idee „bit gold“ schei­ terte, die jedoch als direkter Vorläufer für Bitcoin

Februar 2014

Jänner 2015

Mt. Gox, die bisher größte Bitcoin-Börse, bricht zusammen und reißt den Bitcoin-Kurs nach unten.

Nach einem sehr schwachen Jahr steht Bitcoin Anfang 2015 bei rund 300 Dollar.

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Die Cypherpunks und andere Krypto-Fans 1_Julian Assange Wikileaks-Gründer, für manche Vater des modernen Investi­ gativjournalismus, für andere ein Staatsfeind. Er sitzt in ­einem britischen Gefängnis.

7_Moxie Marlinspike Kein Cypherpunk im klas­ sischen Sinn, hat aber die verschlüsselte MessagingApp Signal erfunden, welche die Privatsphäre schützt.

2_Edward Snowden Der berühmte NSAWhistleblower hat das Ausmaß der elektronischen Überwachung im Westen offengelegt.

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1 6_Nick Szabo Der Computer­ wissenschaftler hat 1998 den BitcoinVorläufer „bit gold“ erfunden, wird immer wieder als Mensch hinter Satoshi Nakamoto genannt.

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5_Phil Zimmermann Cypherpunk der ersten Stunde und Mann hinter „Pretty Good Privacy“ (dt. „ziemlich gute Privatsphäre“), einem Programm zum Verschlüsseln von Daten.

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4_Dr. Adam Back Erfinder des „proof of work“, einer der Grundlagen von Bitcoin. Hat mit Nakamoto direkt kommuniziert und wird im Whitepaper erwähnt.

Jänner 2016

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3_Jack Dorsey Gründer von Twitter und Square und Fürsprecher von Bitcoin, der für ihn „wichtigsten Technologie“ seit Jahrzehnten.

Juli 2016

Jänner 2017

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gilt – Szabo wird im Übrigen auch gerne hinter der Figur Nakamoto vermutet. Oder bei Adam Back, einem britischen Kryptografen und Hacker, der das Modell des „proof of work“ (dt. „Arbeitsnachweis“) erfunden hatte, das die Grundlage des BitcoinMinings ist. Bitcoin wurde durch Nakamoto zu einer Art digi­ talem Gut, einem Rohstoff. Im Zentrum der Attraktivität von Bitcoin steht dabei seine Begrenzung auf 21 Millionen Stück. Diese Form der digitalen Knappheit hat es vor Bitcoin noch nicht gegeben, was Enthusiasten rätseln lässt: Hat Nakamoto die digitale Knappheit erfunden – oder hat er sie entdeckt? Hinter dieser scheinbar semantischen Spie­ lerei steckt viel. Denn eine Erfindung kann repliziert und verbessert werden, eine Entdeckung nicht. Die gibt es nur einmal. In jedem der 21 Millionen Bitcoins stecken 100.000.000 (in Worten: hundert Millionen) Untereinheiten, die nach Nakamotos Vornamen „Sato­ shis“ genannt werden. Es gäbe also genug Einheiten dieses digitalen Guts, um eine allgemeine Nutzung möglich zu machen. Wenn nötig, könnte der Code ein Update erfahren, um weitere 100.000.000 Untereinheiten zu erzeugen, nach unten sind dem Bitcoin nämlich keine Grenzen gesetzt – nach oben jedoch schon: 21 Millionen ganze Coins. Mehr wird es nicht geben. Dann ist das Schürfen vorbei. Dass man mit Bitcoin bezahlen kann – und zwar ­ohne Aufsicht durch Staat oder Banken – ist bis­ her eher eine sekundäre Eigenschaft. Bitcoin kann

Die Grenze? 21 Millionen ganze Coins. Mehr wird es nicht geben. Dann ist das Schürfen vorbei.

als Währung fungieren und dank zusätzlicher ­Technologien wie dem „Lightning Network“ sogar im ­Alltag, denn mit „Lightning“ kann man Bitcoin-­ Zahlungen in Sekundenschnelle und fast zum ­Nulltarif abwickeln. Doch im Kern und seinem Ursprung nach ist Bitcoin eher als digitales Gold zu verstehen. Eine klassische Bitcoin-Transaktion auf der Blockchain könnte eher mit dem Transport eines Goldbarrens von einem Tresor in den nächsten verglichen werden als mit einer Kreditkartenzahlung – nur schneller. Hunderte Millionen Dollar können binnen weniger Minuten und zu einem winzigen Bruchteil jener Kosten, die bei einem Goldtransport angefallen wären, um den Erdball geschickt werden. Diese Gold-Funktion und seine Knappheit machen Bitcoin zu einem so attraktiven Gut. Und solange Bitcoin unter den Krypto­ währungen die beste Sicherheit und den größten Netzwerkeffekt garantiert, werden sich andere digitale Coins nicht durchsetzen. Was es jedoch immer häufiger geben wird, sind digitale Bezahlsysteme. Die Notenbanken wollen ihre eigenen Währungen digitalisieren: „Central Bank Digital Currency“ heißt das – CBDC. Visa und Mastercard, Apple Pay und Google Pay fehlt aber vor allem anderen ein Punkt, den Bitcoin hat und der den Cypherpunks über alles ging: die Privat­sphäre. Sie ist bei anderen digitalen Bezahlsystemen eingeschränkt oder könnte massiv eingeschränkt werden. In China etwa, wo die digitale Zentralbankwährung

Dezember 2017

Ein gewaltiger Anstieg binnen weniger Wochen beschert Bitcoin ein neues Allzeithoch von 19.345 Dollar.

INNOVATOR

Dezember 2018

Auf den Boom folgt das Jahr darauf der Fall des Preises auf etwas mehr als 3000 Dollar.

Juli 2019

Der Preis erholt sich und steigt auf knapp 12.000 Dollar.

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Das Bitcoin-Netzwerk wächst schneller als das Internet. Fast doppelt so schnell. Geht es so weiter, steht es in vier Jahren bei weltweit rund einer Milliarde Nutzern.

Usern. Geht es so weiter, sind es in vier Jahren welt­ weit rund eine Milliarde Nutzer. Wo der Wert dann steht? Das weiß niemand. Weil das Angebot an ­Bitcoins ultimativ hart begrenzt ist, schlägt sich eine steigende Nachfrage rasch in höheren Preisen nieder. Anfang 2022 hatte Bitcoin eine Marktkapi­ talisierung von rund einer Billion Dollar. Das sind 1000 Milliarden. Viel Geld – aber nichts im Ver­ gleich mit klassischen Finanzassets, also Kapital­ anlagen wie Immobilien oder Aktien. Alleine Gold ist zehn Billionen schwer. Und in Immobilien ste­ cken weltweit hundert Billionen.

Bitcoin als Sparstrumpf Es sind diese Gelder, die in Aktien, Immobilien, Gold und auf Konten liegen, die Bitcoin anziehen könnte. Geld, das als Zukunftsvorsorge gedacht ist, das Geld der Sparer sozusagen. Wer früher langfris­ tig gedacht in Immobilien investiert hat, könnte das nun bei Bitcoin machen – was sogar den positiven gesellschaftlichen Nebeneffekt hätte, dass wieder mehr Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt frei würden. Der Markt gibt nun Bitcoin einen Wert.

Wenn Tesla-Chef ELON MUSK twittert, verändert er den Kryptomarkt, seine Beiträge lassen die Kurse steigen oder sinken. Als er etwa im Juni 2021 ein Emoji mit gebrochenem Herzen und #Bitcoin twitterte, fiel der Kurs um fünf Prozent.

am weitesten fortgeschritten ist, wird sie in den Überwachungsstaat integriert.

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Nakamoto hat sich also bei den Austrian Economists und den Cypherpunks gleichermaßen bedient, um ein knappes, sicheres und anonym nutzbares digi­ tales Bargeld für das 21. Jahrhundert zu schaffen. Anscheinend mit Erfolg: Das Bitcoin-Netzwerk wächst schneller als das Internet – fast doppelt so schnell. Heute steht es bei rund 150 Millionen

Allerdings gibt es dabei ein Problem: Dieser Wert ist alles andere als konstant. Der Kurs geht rauf und runter; und damit Bitcoin im Alltag langfristig genutzt werden könnte, braucht es mehr Stabilität. Dazu muss der Markt wachsen, dann könnte Bitcoin eine Ergänzung zu anderen Assets werden. Und vielleicht kommt der Moment, in dem Menschen diese neue Währung verwenden werden, ohne groß darüber nachzudenken. So wie sie es heute mit dem Dollar oder dem Euro tun. Nur dann mit neuem, digitalem Geld, in einer neuen, digitalen Welt.

März 2020

Corona schockt die Welt, und Bitcoin fällt auf 5000 Dollar.

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Februar 2021

Elon Musk lässt den US-Elektro­ autobauer Tesla Bitcoin um 1,5 Mrd. Dollar kaufen – der Kurs steigt.

September 2021

Der neue Höchststand von 67.000 Dollar wird erreicht. Twitter führt Bitcoin-Zahlungen ein.

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S Pen nur beim Galaxy S22 Ultra integriert.


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Ein paar Cypherpunks gründen ein digitales Geldsystem. Kann so eine Währung überhaupt hart sein? 120

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Bitcoin 2025

Gold

Bitcoin 2021

Bitcoin 2019

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Silber

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Platin

Palladium

BITCOIN IST AKTUELL SO HART WIE GOLD – UND BALD DOPPELT SO HART Welche Menge eines Rohstoffs ist bereits auf dem Markt? Und wie viel davon kommt durch Neuförderung dazu? Die Stock-to-Flow-Ratio beschreibt das Verhältnis dieser beiden Werte – und definiert die „Härte“, also die Wertbeständigkeit des Rohstoffs. Bei Bitcoin ist festgelegt, dass seine Neuförderung alle vier Jahre halbiert wird. Dadurch wird der „Rohstoff“ Bitcoin automatisch immer härter.

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Wie viele Dollars oder Euros existieren eigentlich? Das weiß in Wahrheit niemand – nicht einmal die Zen­tralbanken, die dafür verantwortlich sind. Selbst bei Gold oder Silber wird geschätzt. Wie viel wurde in den vergangenen Jahrtausenden aus der Erde ­geholt? Wie viel kann realistischerweise noch ge­ fördert werden? Auch auf diese Fragen gibt es keine eindeutige Antwort. Bitcoin ist anders. Der Bestand von Bitcoin ist jeder­ zeit überprüfbar. Auch ist klar (weil klar geregelt und von Abertausenden argwöhnischen Minern kontrolliert), wann wie viele neue Bitcoin dazu­ kommen, also geschürft werden dürfen. Aktuell sind das exakt 6,25 Bitcoins alle zehn Minuten.

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Alle vier Jahre wird diese Fördermenge beim so­ genannten Halving halbiert. Das nächste Mal wird das 2024 passieren. Das geht so lange weiter, bis die definierte Maximalmenge von insgesamt 21 Mil­ lionen Bitcoin gemint wurde. Das soll im Jahr 2140 der Fall sein. Was bedeutet das für die Wertbeständigkeit, also die „Härte“ des Bitcoin? Sein Bestand („stock“) wird immer höher, sein Zu­ fluss („flow“) an frischen Bitcoins wird ständig ­kleiner. Somit verliert der Faktor „Neuförderung“ kontinuierlich an Einfluss auf die insgesamt vor­ handene Menge an Bitcoins. Im Gesamtergebnis wird die Kryptowährung daher zwangsläufig härter – nach dem nächsten Halving sogar härter als Gold.

AGENDA AUSTRIA

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Zurück zur Entwicklung: Die Finanzgeschichte vor Augen, ist Bitcoin also eine Revolution? Illustration Birgit Palma

Die eine Seite der Freiheit: Bitcoin ist eine Revolution, weil es Menschen ein neues Level an Souveränität garantiert. INNOVATOR

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Es ist Bitcoin völlig egal, wer du bist. Es ist egal, woher du kommst, welche Hautfarbe oder Religion du hast, welche sexuelle Orientierung oder politische Ein­ stellung. Zu arm, zu reich, zu schön, zu alt, zu jung: Menschen finden oft Gründe, zu diskrimi­ nieren. Bitcoin ist anders. Bitcoin diskriminiert nicht. Das kann es gar nicht. Bitcoin weiß nicht ein­ mal, dass Menschen überhaupt existieren. Bitcoin weiß nur, dass Bitcoin existiert. Bitcoin ist eine Revolution, weil es einzelnen Menschen ein neues Level an Souveränität garantiert, eine neue Form von Freiheit. Es stellt in diesen Belangen das Indivi­ duum auf eine Stufe mit Staaten oder Konzernen. Das hat es so noch nie gegeben, denn der Zu­ gang zum Finanzsystem ist nicht so offen, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Banken, Staaten und auch Diktatoren ­können Menschen die Nutzung des Geldsystems verwehren. Es ist auch ein Machtinstrument, das etwa die USA oder die EU einsetzen, um Staaten oder ­Diktatoren zu sanktionieren. 36

Die dezentrale Architektur des Bitcoin hingegen soll garantieren, dass kein Staat das System unter Kontrolle bringen kann, um es als Teil seines Macht­ apparats zu verwenden. Bitcoin ist für alle da. Viel mehr als Aktien, Fonds, Gold, Anleihen. Oder Im­ mobilien. Wer über seinen privaten Schlüssel, den „private key“, verfügt, hat die Kontrolle über sein Bitcoin-Vermögen. Theoretisch ist es auch möglich, sich 12 bis 24 Wörter in der richtigen Reihenfolge zu merken – und so mit Millionen an Dollar oder Euro im Kopf über Landesgrenzen zu reisen. Und wenn der Zollbeamte fragt, ob man Devisen einführt, kann man getrost „Nein“ sagen. Denn die Bitcoin sind ja längst da, sie existieren als Einträge auf der Blockchain überall gleichzeitig. Bitcoin kennt keine Grenzen. Bei Bitcoin gibt es keine Nachtruhe, kein Wochenende und keine Feiertage, auch keine Sperrstunde. Der Markt hat 24 Stunden, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr geöffnet. Und zwar global, in jedem Land der Welt. Auch das ist neu. Bitcoin ist also offen. Man kann es ohne Erlaub­ nis nutzen. Egal wo, egal wozu. „Permissionless“ nennen das die Experten. Bitcoin ist dezentral und damit unzensierbar. Keine Macht der Welt kann eine Transaktion rückgängig machen. Deswegen verlangt Bitcoin den Nutzern auch mehr Verantwortung ab, als wir es aus dem traditionellen Finanzsystem gewohnt sind. Es gibt keine Hotline, keinen Help­ desk. Keinen CEO, den man verklagen kann. Und natürlich keine Einlagensicherung. Wer einen Fehler macht, kann alles verlieren. Ein Problem dabei ist: Noch befinden sich viele Teile der User-Experience nicht auf dem Niveau, das wir aus anderen Bereichen der Software gewohnt sind. Wobei der Fortschritt rapide ist. Und wenn Banken das Asset erst mal integriert haben – ein Prozess, der längst im Gange ist –, wird die Hand­ habung von Bitcoin für den Normalbürger immer einfacher.

Die BlockchainRevolution Das zentrale Element von Bitcoin ist die Blockchain-Technologie, die im übertragenen Sinn das zentrale Bankensystem ersetzt und Überweisungen zwischen Kryptonutzern erlaubt, die weder nachvollziehbar noch kon­ trollierbar sind. Es gibt hier keine Instanz, die Informationen an Staaten oder Interessengruppen weitergeben, Konten sperren oder Zahlungen rückgängig machen könnte.

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Ob Freund oder Feind, lässt sich da nicht gut unterscheiden. Macht die Anonymität Bitcoin zu einer Währung von Drogenlords und Waffenhändlern?

Die andere Seite der Freiheit: Bitcoin ist für alle offen, das hat seine Schatten­seiten. INNOVATOR

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Bitcoin ist für alle offen, Bitcoin können ohne Erlaubnis genutzt werden, und das hat natürlich seine Schattenseiten. Politiker und Notenbanker bezeichnen Bitcoin schon lange als „Währung für Kriminelle“. Bitcoin tauge als Instrument zur Steuerhinterziehung, zur Geldwäsche und zur Terrorismusfinanzierung. Und es stimmt: Bitcoin kann für all diese Dinge genutzt werden. Ein besonders prominenter Einsatz von Bitcoin im kriminellen Bereich sind sogenannte ­Ransomware-Erpressungen: Dabei legen Hacker die Computer­ systeme von Firmen, Regierungen, selbst von Schulen oder Krankenhäusern lahm und verlangen als Lösegeld eine gewisse Summe in Bitcoin. Alternative Krypto­ währungen wie etwa Monero spielen hier übrigens auch eine Rolle, weil sie noch deutlich ­anonymer sind als Bitcoin. Im Jahr 2020 sind die Summen, die nach solchen Attacken in Form von Kryptowährungen verschickt wurden, um über 300 Prozent gestiegen. Das zeigen die aktuellsten Daten der 38

Analysefirma Chainalysis. Aber sie zeigen auch: Der Gesamtanteil an Scams, Erpressungen und anderen illegalen Aktivitäten ist im Krypto-Sektor nicht höher als in der normalen Wirtschaft, wo schon vor Bitcoin Kriminelle und Betrüger unterwegs waren. Chainalysis beziffert den kriminellen Anteil am gesamten Krypto-Transaktionsvolumen für 2020 bei unter einem Prozent. Und eine Studie der US-Elite­ uni MIT, in der angeblich alle bisherigen BitcoinTransaktionen ausgewertet wurden, kam zu dem Schluss, dass nur drei Prozent der Transaktionen mit kriminellen Aktivitäten zu tun hatten. Sind die Daten korrekt, wäre die kriminelle Energie bei Bitcoin nicht höher als in den traditionellen Märkten. Gedealt, erpresst und betrogen wurde ja schon vor dem Bitcoin-Gründungsjahr 2009. Ein Unterschied ist jedoch, dass Bitcoin-Trans­ aktionen nachvollziehbar sind. Es ist zwar nicht bekannt, wer hinter welchen Adressen steckt, aber ist diese Verbindung einmal hergestellt, können Behörden rasch den Spuren des Geldes folgen. Auch in Österreich wurden so schon Dealer und andere Kriminelle festgenommen. Es hat schon seinen Grund, warum etwa die italienische Mafia weiterhin lieber auf Bargeld setzt als auf Bitcoin. Unbestritten ist: Bitcoin erleichtert krumme Geschäfte. Sichtbar wurde das beim berühmten OnlineDrogenmarkt „Silk Road“, dessen Gründer Ross Ulbricht nun mehrere lebenslange Strafen absitzen muss. Nicht wenige der frühen Bitcoiner hatten ihren Erstkontakt mit der Währung, als sie online Drogen kauften, und finden folgerichtig, dass Ulbricht viel zu überzogen bestraft wurde. Ihr Argument: „Silk Road“ habe den Sicherheitsgrad der Kunden massiv erhöht, schließlich hätten sie in keine dunklen ­Gassen mehr gehen und sich keinen körperlichen Gefahren aussetzen müssen. Fakt bleibt: Bitcoin hat einen Online-Drogenmarkt überhaupt erst möglich gemacht. Aber auch das ist Bitcoin eben. Es ist wirklich für alle. Auch für Feinde. Auch für Kriminelle.

Krumme Geschäfte Transaktionen mit Kryptowährungen sind schnell und bieten sowohl Sicherheit als auch eine Form der Anonymität: etwas, was auch für illegale Geschäfte von Vorteil ist. Mehr Regulierung kann dabei helfen, Kryptowährungen zu professionalisieren. Die Herausforderung dabei: Regulierungen sind nicht so effizient, wenn sie auf einzelne Länder beschränkt sind und Märkte bleiben, die keine Identifizierungspflicht an den KryptoBörsen verlangen.

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Gut, Bitcoin ist also für alle da. Kann er dann Freiheit für alle bringen? Oder anders: Kann Bitcoin Diktaturen stürzen? Menschenrechtsaktivist und Bitcoin-Fan Alex Gladstein im Gespräch.

ALEX GLADSTEIN ALEX GLADSTEIN

ist Chief Strategy Officer bei der Human Rights ­Foundation und Mitveranstalter des Oslo F ­ reedom Forum. Er ist ein gefragter Speaker und Gast in ­Medien wie der „New York Times“ und dem „Wall Street Journal“. In den vergangenen ­Jahren hat er sich darauf konzentriert, die Vorteile von ­Bitcoin für die Stärkung von Menschenrechten rund um die Welt zu unterstreichen. INNOVATOR

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Alex Gladstein hat wenig Zeit. Einen Interviewtermin auszumachen er­fordert also einiges an Geduld. Verständlich. Die Karriere des US-Amerikaners hat in den vergangenen Monaten einen Boost erhalten, spätestens seit seinem A ­ uftritt in dem sehr bekannten Podcast von Lex Fridman vergangenen Oktober, den fast 500.000 Menschen gesehen haben. Auf Twitter folgen ihm mittlerweile 160.000 Menschen. Als Menschenrechtsaktivist konzen­ triert sich Gladstein auf die Rolle, die Bitcoin bei der Verteidigung und Wieder­ erlangung grundlegender Menschen­ rechte spielen kann. Etwas, was er auch als Mitautor des „Little Bitcoin Book“ (Aprycot Media) hervorhebt. So gehöre die Kontrolle über die Finanzen von politischen Gegnern und unliebsamen Gruppen zu den Lieblingsmethoden der Unterdrückung seitens autoritärer Regime, Diktatoren und Despoten, sagt Gladstein. Er wirft allerdings auch ein Auge auf Themen, die andere Bitcoiner ge­flissentlich ignorieren. Er ist etwa einer der l­ autesten Kritiker des ­rechts­populistischen Präsidenten von El Salvador, Nayib Bukele, der erst kürzlich Bitcoin zur Staatswährung ernannte.

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T the red bulletin inno­vator: Wie kommt man als Menschenrechtler dazu, sich mit Bitcoin zu beschäftigen? alex gladstein: Ich habe bei der ­Human Rights Foundation ein Jahr­ zehnt lang mit Menschen gearbeitet, die in ­autoritären Regimen leben, und in der Zeit nicht über Geld und Währung nachgedacht – erst als ich 2017 von Akti­ visten gehört habe, dass sie auf Bitcoin ­um­gestiegen sind. In Afghanistan habe ich von einer Aktivistin gelernt, warum: Die Menschen in ihrer Community hat­ ten Telefone, aber das Bankensystem wurde kontrolliert. Die Frauen durften keine Bankkonten eröffnen, und es war ihnen verboten, Bargeld zu benutzen; die Männer hielten sie abgeschottet und machtlos. Bitcoin war eine Offenbarung, weil es den Menschen erlaubte, ein an­ deres Finanzsystem als das traditionelle zu nutzen. In Indien begingen Frauen Suizid, weil einige Banknoten entwertet wurden und ihre heimlichen Ersparnisse somit plötzlich wertlos waren. Kann das mit Bitcoin passieren? Das Coole an Bitcoin ist, dass er dir gehört. Niemand kann ihn demoneti­ sieren, niemand kann ihn entwerten oder beschlagnahmen. Niemand kann dich daran hindern, Bitcoin zu nutzen. Das ist Freiheit. Wenn Regierungen die Bankkonten von Menschen schließen,­ die sie nicht mögen, stellt das einen Bruch der Menschenrechte dar: Daraus­ folgt, dass eine Technologie, mit der Menschen­dagegen ankämpfen können, für die F ­ reiheit ist. Mit Bitcoin kann man INNOVATOR


„Letzten Endes wird Tyrannei durch Geld angetrieben. Bitcoin hingegen gibt dir die Freiheit, etwas zu besitzen, zu handeln und frei zu sprechen.“

das derzeitige System der Kontrolle, Überwachung und Diskriminierung umgehen. Bitcoin kann nicht wie das derzeitige System geopolitisch kontrolliert werden. Das heutige System wird vom US-Dollar dominiert? Ja. Das System beruht auf dem Dollar als Leitwährung, das macht alle anderen Länder davon abhängig. Leute in Washington und New York treffen also Entscheidungen für andere, eine Zinsentscheidung der US-Noten­ bank betrifft da die ganze Welt. Das halte ich für ungerecht. Als Amerikaner profitiere ich mit finanziellen Privilegien von diesem System; wir sollten in der Zukunft aber ein offenes und neutrales System haben, in dem nicht vier Prozent der Weltbevölkerung die Regeln für alle anderen festlegen. Gleichzeitig hat dieses System auch Vorteile. Ja, die USA sind Leitnation, aber wenigstens demokratisch und liberal veranlagt. Ist Bitcoin in den USA eigentlich im politischen Diskurs angekommen? Es gibt Senatoren und Kongressabgeordnete, die für Bitcoin sind und sich dafür einsetzen,­ dass Amerikaner Bitcoin besitzen können. Es gibt eine Krypto-Industrie, die inzwischen­ sehr mächtig und wohlhabend ist und Lobby­ arbeit betreibt. Es ist ein politisches Thema, und ich glaube nicht, dass gegen Bitcoin zu sein eine sehr erfolgreiche Plattform für ­einen Politiker in den USA sein wird. INNOVATOR

Es gibt ja auch US-Bundesstaaten, die Bitcoin-Miner ins Land ziehen wollen. Natürlich. Die bringen Arbeitsplätze, Chancen und Freiheit. Bitcoin-Mining wird die Energiewirtschaft revo­ lutionieren und dazu beitragen, Quellen erneuerbarer Energie zu monetarisieren und nutzbar zu machen, die sonst nicht nutzbar sind. Wie sieht es außerhalb des reichen Westens aus? Die Realität ist, dass etwa 53 Prozent der Weltbevölkerung in einem autoritären Regime leben. Das sind mehr als vier Milliarden Menschen, die nicht in einem System­von Gesetzen und Freiheiten leben, in dem sie die Möglichkeit haben, sich gegen staatliche Übergriffe zu wehren. Das führt zu einem Geldsystem, das kaputt ist und gegen sie verwendet wird. In einer Welt, in der es keine Möglichkeiten gibt, sich gegen die Regierung zu wehren, sie zurückzudrängen und zur Verantwortung zu ziehen, korrumpiert absolute Macht total. Im Grunde genommen verwandelt die Regierung in diesen Ländern das Bankensystem in etwas, was in erster Linie ihnen selbst nützt – und es kann als Waffe gegen ihre Kritiker ein­gesetzt werden. Wie? Unter autoritären Regimen kommt es häufig zu hoher ­Inflation. Man sieht Kapitalverkehrskontrollen und Regierungen, die versuchen, die Bürger an der Verwendung anderer Währungen zu hindern. Man sieht Beschlag­ nahmungen oder Verbote von Gold oder Dollar.­Im Grunde zwingen solche Regierungen ihre Bürger, eine schlechte Papierwährung zu verwenden, die sie dann entwerten können. Aufgrund der Kräfteverhältnisse in der Welt sind Dollar und Euro viel stärker und begehrter, sie sind nicht so volatil und leiden nicht unter der gleichen Art von Inflation, wie man sie in Ländern wie dem Sudan, dem Iran oder dem Libanon beobachten kann. Wie kann Bitcoin konkret wirken? Bitcoin kann ein Instrument der Menschenrechte sein: Er gibt dir die Freiheit, etwas zu besitzen, zu handeln­ und frei zu sprechen. Es geht um freie Meinungs­ äußerung, um Privatsphäre, um Privateigentum. Und es ist eine mächtige Kontrolle gegen Autoritarismus. Letzten Endes wird Tyrannei durch Geld angetrieben, oft in einem Arrangement, in dem die Regierung durch die Kontrolle über das Geld gestützt wird. Nimmt man diese Kontrolle weg, ist Tyrannei nicht mehr so effektiv. Das ist übrigens auch ein Dilemma für viele Diktatoren: Sie würden B ­ itcoin gern nutzen, um etwa US-Sanktio­ nen zu umgehen, wissen aber gleichzeitig, dass es schlecht für ihre Machtbasis ist, wenn sich die Währung verbreitet. Bitcoin ist wie ein Virus. Er verbreitet sich schnell. In meinen Augen ist er nicht mehr aufzuhalten.

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„Wladimir Putin hasst den US-Dollar und interessiert sich daher für die Kryptowährung. Was er nicht will: dass Russen Bitcoin nutzen.“

gangenen Jahrhundert gesehen haben. Es gab eine Zeit, da konnten die Menschen Gold nutzen, um Vermögen zu speichern und zu sparen. Diese Möglichkeit wurde ­ihnen weggenommen. Inzwischen können US-Bürger wieder Gold besitzen. Ja, das sollte nur ein Beispiel sein. Der Punkt ist: Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Regierungen, der ­Bevölkerung ein System mit weichem staatlichen Geld aufzuzwingen und die harten Werte wegzunehmen. ­Darauf ist Bitcoin eine Antwort.

Der russische Präsident Wladimir ­Putin hasst den Dollar und die Macht der ­Amerikaner im Finanzsystem und redet jetzt mehr über Bitcoin. Ja, aber er liebt seine eigene Papierwährung mehr, als er den US-Dollar hasst. Er will die Kontrolle über den Rubel nicht aufgeben. ­Einerseits ist er an Bitcoin als Einnahmequelle für den Staat interessiert, weil Russland enorme Energiereserven hat, andererseits ­daran, Bitcoin als Möglichkeit zu nutzen, USSanktionen zu umgehen. Was er nicht will: dass Russen Bitcoin nutzen. Das konnte man bei der Kampagne des Oppositionspolitikers­ Alexei Nawalny erkennen, der Millionen von ­Dollar in Form von Bitcoin sammelte, wogegen der Kreml nichts tun konnte.

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Worauf wird es hinauslaufen? Was werden autoritäre Regime tun? Letzten Endes werden sie Bitcoin adoptieren. Papierwährungen werden weiter an Kaufkraft verlieren, Bitcoin wird an Kaufkraft gewinnen. Zentralbanken und Nationen werden beginnen, ihre Reserven in Bitcoin umzuwandeln und Bitcoin zu minen. Gleichzeitig werden sie versuchen, den Menschen den Zugang zu Bitcoin zu erschweren.

Kannst du ein aktuelleres Beispiel nennen? In Kuba druckt der Staat wertlose Pesos, um die Arbeiter zu bezahlen. Diese Pesos werden in den Geschäften gar nicht akzeptiert. Man braucht sogenannte MLC (moneda libremente convertible, dt.: frei konvertierbares Geld; Anm.). Die kann man sich wie Gutscheine vorstellen. Aber um MLC zu bekommen, braucht man ausländische Währung, Dollars zum Beispiel. Die Regierung nimmt diese Devisen und schreibt sie auf einem MLC-Konto gut. Und die wertlosen Pesos, die man bekommt, muss man auf dem Schwarzmarkt zu einem extrem schlechten Kurs in MLC umtauschen. Das ist ein Weg für das Regime, Geld zu drucken und harte Vermögenswerte zu erhalten. Ist beim Weg Richtung Bitcoin Gewalt zu befürchten? Es ist nicht wie Krieg. Bitcoin ist eine friedliche Revolution, die Zeit braucht. Bitcoin ist nicht konfiszierbar und nicht zentralisiert. Die Mehrheit an Bitcoin wird von Menschen gehalten. Nicht von Regierungen. Was sind die Folgen des Übergangs? Unmittelbar wird es zu einer Reduzierung der staat­ lichen Aktivitäten kommen. Die Systeme, die Regie­ rungen mit ihrer Fiat-Währung betreiben, werden ­weniger nachhaltig sein, und sie werden klüger aus­ wählen müssen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Das gilt für Demokratien, in Diktaturen wird es viel chaotischer zugehen. Wenn Diktatoren die Möglichkeit verlieren, Geld zu drucken, werden sie gestürzt. Wir haben das in der Geschichte immer wieder gesehen, wenn Währungen zusammenbrechen.

Wird das funktionieren? Es ist ein langwieriges Spiel und eine schrittweise Umgestaltung der Welt. Aber wir be­ wegen uns auf ein System zu, in dem es den Bürgern möglich sein wird, mehr und mehr wirtschaftliche Macht zu haben. Es ist wie eine Umkehrung von allem, was wir im ver42

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Was wurde eigentlich mit den ersten Bitcoin der Geschichte gekauft? Die wahrscheinlich teuerste Pizza der Welt. Der 22. Mai ist bis heute als „Bitcoin Pizza Day“ bekannt: An diesem Tag im Jahr 2010 lieferte der Student Jeremy Sturdivant zwei Pizzen von „Papa John’s“ aus und erhielt dafür 10.000 Bitcoin – die er für einen Roadtrip ausgab.

D Die zwei vermutlich exklusivsten Pizzen, die sich jemals jemand zustellen ließ, bezahlte der US‑amerikanische Programmierer Laszlo Hanyecz am 22. Mai 2010. Für sein Abendessen und das seiner ­K inder „blätterte“ er 10.000 Bitcoin hin. Nach heutigem Wechselkurs entspricht das 377 Millionen Euro.

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Damals war das in erster Linie ein Ex­ periment über die Fragen: Was könnte ­unser neues, digitales Geld wert sein? Kann ich mir etwas real, also physisch Existierendes damit kaufen? Folgerichtig postete Hanyecz in jenem Forum, das auch Satoshi Nakamoto nutzte, ob ihm jemand Pizzen nach Florida liefern und dafür Bitcoin akzeptieren würde. INNOVATOR

Zuerst sah es schlecht aus. Nach drei Tagen Ratlosigkeit in der Community stellte Hanyecz die aus heu­tiger Sicht bizarre Frage: „Will mir wirklich niemand zwei Pizzen ver­kaufen? Sind 10.000 Bitcoin zu wenig?“ Schließlich ging der Student und „Papa John’s“-Mitarbeiter Jeremy Sturdivant auf den Deal ein. Die Pizzen wurden geliefert, die Bitcoin überwiesen, und Laszlo postete zum Beweis Fotos des Abendessens mit seinen Kindern. Das digitale Geld hatte Hanyecz, wie damals üblich, selbst geschürft. Und wäre heute US-Dollar-Multimillionär, hätte er sie nicht fürs Dinner aus­gegeben. ­Bereut er das? „Natürlich nicht“, sagt er. „Bitcoin war ein interessantes System, aber niemand benutzte es. Und wenn es niemand benutzt, ist es egal, wie viel Bitcoin ich besitze.“ Also trieb er die Idee voran und wurde (soweit bekannt) nicht reich, sondern zur Legende. 43


PLAZA LIBERTAD

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El Salvador ist ein Land der Widersprüche. Der Platz der Freiheit in der Hauptstadt San Salvador ist umgeben von Vulkanen und einer atemberaubenden Landschaft, zugleich Brennpunkt eines Landes mit einer der höchsten Kriminalitätsraten der Welt.


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Taugt Bitcoin als Landeswährung? Wir haben das bisher einzige Land der Welt besucht, das mit Bitcoin auf ein digitales Geldsystem setzt:

Text Friedemann Brenneis Foto Juan Carlos

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Vor den neuen staatlichen Geldautomaten bildeten sich nach der BitcoinEinführung lange Schlangen: 30 Dollar Startguthaben schenkt der Staat jedem seiner Landsleute, der sich die Chivo-App runterlädt.

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Dazu der allgegenwärtige fiepsig-­ blecherne Sound von bunt blinkendem Plastikspielzeug. Es ist ein neonerleuchtetes Labyrinth aus Wäsche, Essen und Alltagswaren, und Melvin David Her­ nandez Esquivel ist ein Teil davon. Der 35-Jährige verkauft hier aus seinem schiefen Bauchladen heraus Kaugummis, Bonbons und kleine Säckchen mit Nüssen. Damit macht er am Tag vierzig Dollar Umsatz; seit er auch Bitcoin als Zahlungsmittel nimmt, ist es etwas mehr. „Ich habe das als Chance gesehen, ein 46

USA

Kuba Mexiko Honduras Nicaragua Guatemala El Salvador

Venezuela

Kolumbien

HOHE BEVÖLKERUNGSDICHTE El Salvador ist das kleinste Land in Mittel­ amerika und mit 21.000 km² nur etwas größer als Niederösterreich. Es hat allerdings mit fast sieben Millionen Einwohnern eine sehr hohe Bevölkerungsdichte. El Salvador grenzt im Nordwesten an Guatemala und im Nordosten an Honduras.

bisschen etwas zusätzlich zu verdienen“, sagt er und zeigt auf ein Schild an seinem Bauchladen. Da steht, dass er Bitcoin-Zahlungen erst ab einem Mindestumsatz von einem Dollar akzeptiert: Wenn jetzt jemand etwas mit Bitcoin bezahlt, verkauft er anstatt einer Tüte Erdnüsse also mindestens vier. Ein Viertel seines täg­lichen Umsatzes mache er mittler­weile mit dem digitalen Geld. Tendenz: weiter steigend.

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Die Markthalle Sagrado Corazon im Herzen San Salvadors. Die Gänge sind schmal und verwinkelt. Bunt leuchten die Farben der Röcke, Tücher und Kleider in den Aus­lagen der Marktstände, die sich hier drängen. Von überall dringen laute Stimmen, die reden, feilschen, rufen.

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Vorausgesetzt, sie verfügen über die notwendige technische Infrastruktur, müssen Unternehmen in El Salvador n ­ eben dem US-Dollar mittlerweile auch Bitcoin annehmen. So will es das Gesetz, seit sich der erst 40-jährige Präsident Nayib Bukele zum Ziel gesetzt hat, seine Heimat in einen Bitcoin-Staat umzubauen. Im Juni 2021 verkündete er per Video bei der Bitcoin 2021 Conference in ­Miami zum Entzücken der Bitcoin-­ Gemeinde und zum Erstaunen der internationalen Staatengemeinschaft, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, vor allem aber der meisten seiner Landsleute, er werde Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel einführen. Im September machte er Ernst und ließ das Gesetz im Parlament, in dem seine Partei die Mehrheit hält, durchwinken. Und geht es nach Bukele, war das erst der Anfang. Der Mann, der sich auf dem Nachrichtendienst Twitter als „CEO of El Salvador“ bezeichnet und sich gerne mit Basecap und Lederjacke zeigt, plant ­bereits weiter: Krypto-Bonds, ein riesiges Technologiezentrum und Energiegewinnung aus Vulkanen, all das soll den Wandel in ein Land bringen, das zwischenzeitlich die höchste Mordrate der Welt hatte. Einer der Gründe, warum Bukele auf das digitale Geld setzt: finanzielle Inklusion. Siebzig Prozent der Bevölkerung El Salvadors sind bislang unbanked, haben also kein Konto und damit kaum Zugang zum nationalen und internationalen Zahlungsverkehr. Ein weiterer Grund ist, dass fast ein Drittel der Bevölkerung in den Vereinigten Staaten und Kanada lebt und arbeitet und Geld an Verwandte ohne Konto zurück in die Heimat schickt. Dazu nutzen sie Finanzdienstleister, die sich den Service teuer bezahlen lassen. Von 100 versendeten Dollar kommen in El Salvador mitunter nur 80 an. Individuell und auf nationaler Ebene ist das ein ökonomisch signifikanter Reibungsverlust, immerhin machen Transferzahlungen aus dem Ausland fast ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts El Salvadors aus. INNOVATOR

Als Bitcoin lassen sich 100 Dollar dank des Lightning-Protokolls, einer alltagstauglichen Erweiterung des digitalen Geldes, die das sichere Bezahlen in Sekundenschnelle ermöglicht, bereits für den Bruchteil eines Cents an jeden Ort der Welt schicken – ganz ohne hohe Gebühren. Eine Kostenreduktion um über 99 Prozent. Der Umstieg auf diese effi­ zientere Zahlungsinfrastruktur ist daher im Interesse des Staates, weil unter dem Strich mehr Geld ins Land kommt. Vor allem profitieren dann natürlich die Menschen, denen das Geld dann zur Verfügung steht. Ein Vorteil, den viele Salvadorianer nachvollziehen können, und deshalb geben sie Bitcoin trotz seiner Fremd- und Neuartigkeit eine Chance. In den ersten Wochen nach der Einführung bildeten sich lange Schlangen vor den neuen staatlichen Geldautomaten,

ERDNÜSSE PER BITCOIN Melvin Esquivel durchstreift auf der Suche nach Kund­ schaft jeden Tag die Gänge der Markthalle Sagrado Corazon und verkauft aus seinem Bauchladen heraus Kaugummis, Bonbons und kleine Säckchen mit Nüssen. Ein Viertel seines täglichen Umsatzes macht er mittler­ weile mit dem digitalen Geld.

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El Salvador will auf erneuerbare Energien setzen, um Bitcoin zu generieren. Neben dem geothermischen Kraftwerk in der Nähe des Tecapa-Vulkans steht ein Container, in dem Tag und Nacht 300 Computer laufen.

Viele der ärmeren Salvadorianer protestieren, sie haben Angst, ihr Geld bei starken Kursschwankungen zu verlieren.

Überall in dem kleinen Land in Mittelamerika wurden blaue Chivo-Automaten aufgestellt, streng bewacht von Polizei oder Militär mit Sturmgewehren, wo sich 48

die Menschen digitales Guthaben kaufen oder Bitcoin in Dollar wechseln können. An Infoständen soll die neue Währung den Interessierten besser erklärt werden, doch das kommt nicht bei jedem gut an. An ­einem Stand auf dem Mercado De Mejicanos im Norden San Salvadors steht Rosario­, sie möchte ihren Nach­ namen und ihr Alter nicht nennen. Sie verkauft Dinge des alltäglichen Lebens, Papier­tüten, eingelegte Bohnen und Gewürze, und zwar vor allem an Arbeiter oder ­Tagelöhner. Um zu sprechen, zieht sie sich tiefer in ihren Stand zurück, wirkt unruhig, schaut sich nervös um. Von ­Bitcoin habe sie noch nie etwas

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an denen die Menschen Bitcoin und ­Dollar ein- und auszahlen können. Innerhalb von nur drei Wochen, verkündete der Präsident Ende September 2021 auf Twitter, seinem bevorzugten Sprachorgan, hätten bereits 2,1 Millionen Salvadorianer die Chivo-App, die staatliche Bitcoin-Wallet, heruntergeladen: El Salvador sei das ­erste Land der Welt, in dem die Menschen mehr Bitcoin-Wallets als Bank­konten nutzten.

Jüngeren Menschen fällt die Umstellung auf das digitale Geld leichter. Nelson Lovo führt mit seinem Vater ein Restaurant im Norden der Hauptstadt San Salvador. Er hat ein Bitcoin-Konto, aber sein Vater schreibt die Rechnungen am liebsten noch mit der Hand.

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­ ehört. Niemand sei vorbeigekommen g und habe ihnen irgendwas erklärt. Es ­interessiere sie auch nicht. All ihre Waren kaufe sie mit Cash und alle, die zu ihr kämen, bezahlten ebenfalls bar. Da locken sie auch nicht die 30 Dollar Startguthaben, die der Staat jedem Salvadorianer schenkt, der sich die Chivo-App runterlädt. Der Präsident, der sich selbst gerne ­jugendlich gibt, bemüht sich vor allem um eine enge Bindung zur jungen Bevölkerung, bei vielen gilt er als Popstar. So nahmen jüngere Menschen das digitale Geld bisher mit mehr Begeisterung an, es sind meistens jene, die bereits mit Smartphones und Internet aufwachsen, die weniger digitale Berührungsängste haben. Nelson Eduardo Martinez Lovo etwa. Der 24-Jährige besaß, wie viele seiner Freunde, schon vor der Pandemie ein Konto bei einer Bitcoin-Börse im INNOVATOR

Präsident Bukele, der sich auf Twitter als „CEO of El Salvador“ bezeichnet, plant bereits weiter: Krypto-Bonds, ein riesiges Technologiezentrum und ­Energiegewinnung aus Vulkanen. Netz. „Mein Vater schreibt Rechnungen am liebsten noch mit der Hand“, sagt er und lacht. Gemeinsam führen sie das Sopón Zacamil, ein großes, helles Restaurant mit dunklen Holztischen an der Grenze zum Bandengebiet im Norden San Sal­vadors, in das Einheimische aus der Umgebung zum Mittagessen kommen. Der grüne Leguan, der mit verschmitztem Blick eine Limettenspalte 49


BOHNEN UND GEWÜRZE Rosario interessiert sich nicht für Bitcoin. Sie kauft ihre Waren mit Cash, und ihre Kunden bezahlen ebenfalls bar, sagt sie.

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Solche Beispiele sind Wasser auf die Mühlen der Bitcoin-Skeptiker im Land, die eine zunehmend autokratisch agierende Staatsführung misstrauisch beobachten. Sergio Arauz ist einer von ihnen. Die Regierung mache es investigativen Journalisten zunehmend schwer, frei zu recherchieren und kritisch zu berichten. Zu offiziellen Terminen werden mitunter nur staatsnahe Medien eingeladen, Regierungserklärungen per Tweet statt über die offiziellen Webseiten verbreitet. Und der Druck wachse. „Ich hätte nie ­gedacht, dass der Zeitpunkt kommen würde, an dem ich ernsthaft in Er­ wägung ziehen muss, das Land zu ver­ lassen, weil ich Journalist bin. Weil ich anders denke“, sagt Sergio mit ernstem Blick. Diese Gedanken über Exit-Strate­ gien sind nun real. Arauz sitzt im warmen Wind, der durch eine offene zweistöckige Beach-Bar weht. Hinter ihm senkt sich die Sonne über dem Pazifik, wuchtige Wellen brechen auf den feinen Sandstrand. Hier in El Zonte, wo zwei staubige Straßen das Zentrum eines Surfspots bilden, hat das salvadorianische Bitcoin-Experiment bereits 2019 seinen Anfang genommen. 50

Anders als bei der nationalen Umsetzung wurde am mittlerweile berühmten „Bitcoin Beach“ niemand gezwungen, Bitcoin zu akzeptieren, es war ein freiwil­ liges Graswurzelprojekt. Der Versuch, mithilfe des digitalen Geldes eine kleine Umlaufökonomie zu schaffen. Ein Community-Projekt von den Menschen für die Menschen, dessen Erfolg jedoch das Interesse von Entwicklern, Investoren und der Regierung auf sich zog, die es auf das ganze Land ausrollte. Ein Fehler, findet Sergio. „Ich bin nicht gegen Bitcoin an sich“, sagt er, „sondern gegen

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­ altend die Karte ziert, ist die Spezialität h des Hauses und auch Nelsons Lieblingsessen. Eigentlich würden sie das schon längst auch für Bitcoin verkaufen, erklärt er, sie müssen jedoch noch auf das dafür notwendige Bezahlterminal warten. Das kommt aus China, die Lieferung verzögere sich immer wieder.

Siebzig Prozent der Bevölkerung sind bislang „unbanked“, haben also kein Konto und damit kaum Zugang zum nationalen und internationalen Zahlungsverkehr. Das soll Bitcoin ändern. Kritiker beklagen, dass die Regierung nicht genug aufklärt und keine Infrastruktur bereitstellt.

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Staatschef Bukele ist ein leidenschaft­licher BitcoinJünger: Er will im Osten des Landes jetzt „Bitcoin City“ bauen – die weltweit erste Stadt, die mit Einnahmen aus Bitcoin-­ Bonds ­finanziert wird.

„Ich hätte nie gedacht, dass der ­Zeitpunkt kommen würde, an dem ich ernsthaft in Erwägung ziehen muss, das Land zu verlassen, weil ich ­Journalist bin. Weil ich anders denke.“ Sergio Arauz, Journalist

die Art, wie es den Leuten im Land aufgezwungen wurde. Überstürzt und per Gesetz.“ Wieso sich die Regierung nicht Zeit genommen habe, die Einführung ­ordentlich vorzubereiten, fragt er, mit umfassenden Informationskampagnen und dem Bereitstellen einer verlässlichen technischen Infrastruktur. Wo überhaupt das Geld herkomme, mit dem das Land Bitcoin kauft. „Sie sind für alle Menschen des Landes verantwortlich. Nicht nur für jene, die sich den Luxus leisten können, sich mit Bitcoin zu beschäftigen“, kritisiert er. INNOVATOR

Kritiker bemängeln, dass der Präsident mit seinen Bitcoin-Investitionen Steuergelder riskieren würde, und das in einem Land, das ohnehin hoch verschuldet ist. Viele der ärmeren Salvadorianer haben außerdem Angst, ihr Geld bei starken Kursschwankungen zu verlieren. Die ­Armut im Land geht zwar zurück, aber noch immer muss mehr als jeder Fünfte mit weniger als fünfeinhalb Dollar am Tag auskommen. Wer nur wenig verdient, für den sind schon geringe Wertschwankungen ein Problem – und der Bitcoin-Kurs ist alles andere als stabil. ­Etwas, was den Präsidenten nicht irritiert – im Gegenteil. Erst im Jänner dieses Jahres, als der Bitcoin-Kurs abstürzte, verkündete Bukele auf Twitter, er habe 410 Bitcoin für 15 Millionen US-Dollar gekauft, zusätzlich zu dem bisherigen ­Investment von rund 70 Millionen Dollar. „Die meisten Leute steigen ein, wenn der Preis steigt, aber der sicherste und profitabelste Zeitpunkt zum Kaufen ist, wenn der Preis fällt. Das ist keine Raketen­ wissenschaft“, schrieb er dazu. Ob er die ­Bitcoin mit staatlichem Geld oder mit ­privatem Vermögen gekauft hat, beantwortete er nicht. Angeblich hat er sein Smartphone für den Kauf benutzt. Auf Kritik heißt es von offizieller Seite pragmatisch, man wollte unbedingt ­Erster sein; Geschichtsbücher kennten keinen zweiten Platz. Das große Ziel sei es, El Salvador zum digitalen Pionier des Kontinents zu machen. Abgesehen davon sei das Interesse der Weltöffentlichkeit enorm. Ob die breite Bevölkerung davon profitieren wird, ist unklar. Erst im Jänner dieses Jahres forderte der Internationale Währungsfonds (IWF) El Salvador auf, Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel aufzugeben, zu hoch seien die Risiken für die Finanzstabilität. Bukele reagierte auf Twitter mit einem „Simpsons“-Meme. 51


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Im Fahrwasser von Bitcoin sind seit 2009 über 15.000 weitere „Kryptowährungen“ entstanden. Es gibt anonyme Kryptos wie Monero, App-Plattformen wie Ethereum und sogenannte Stablecoins wie Tether. Ein Überblick über die bedeutsamsten dieser Währungen und wie sie sich unterscheiden.

ETHEREUM

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Ethereum ist anders. Die zweitgrößte Kryptowährung hat mehr Features als Bitcoin. Etwa die Fähigkeit zu Smart Contracts, wo eine vertragliche Regelung als Code geschrieben wird, der einem Wenndann-Muster folgt: Werden bestimmte Voraussetzungen erfüllt, tritt automatisch eine bestimmte Vertragsklausel in Kraft. Bei Smart Contracts sorgt die Technologie für die Einhaltung des Vertrags. Das ermöglicht allerlei Spielereien, wie die zuletzt sehr beliebten NFTs (Non-Fungible Token, also ein nicht ersetzbares Objekt, meist digitale Dateien wie ­Memes oder Kunstwerke), die die Welt der digitalen Kunst auf den Kopf stellen. Ethereum ist deutlich zentralisierter als Bitcoin und wird bis heute von den Gründern der Kryptowährung beeinflusst. Die Geldpolitik ist unklar – sie wird häufig geändert. Und das Netzwerk ist oft überlastet, was zu hohen Transaktionskosten führt.

wer weiß, wem eine Adresse gehört, der kann auch alle Zahlungsflüsse nachvollziehen. Deshalb sind vollkommen anonyme Coins wie Monero eine eigene Marktnische. Wer – aus welchem Grund auch immer – Wert auf totale Privatsphäre legt, ist hier gut aufgehoben. Geht es um langfristigen Wert­ erhalt, sind anonyme Coins jedoch weniger geeignet. Je ­anonymer die Coins, desto ­geringer die Infos über Geldmenge und Geldpolitik.

Bitcoin ist pseudonym, nicht anonym. Das heißt, dass auf der Blockchain alle Trans­ aktionen abrufbar sind – und

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Die sogenannten Stablecoins – also digitale Währungen, die an einen stabilen Reservewert wie Dollar oder Gold gekoppelt sind – funktionieren anders als Bitcoin. Es sind quasi Gut­scheine für normale Währungen auf der Blockchain, Kryptos, die eins zu eins an Dollar oder Euro gebunden sind. In der Praxis ermöglichen Stablecoins wie Tether die Verwendung von Dollar auf der Blockchain. Es gibt nur einen Haken: Diese Coins werden nicht von Staaten oder Zen­ tral­banken herausgegeben – wie etwa digitales Geld –, und sie sind auch nicht dezentral organisiert wie Bitcoin; hinter ihnen stehen Firmen. Das ist ein Risiko. Gerade bei Tether gibt es immer wieder Kontroversen und offene Fragen. Wer steckt wirklich dahinter? Und vor allem: Hält Tether ausreichend echte Dollars, um alle im Umlauf befindlichen Kryptos eintauschen zu können?

DOGECOIN, SHIBA INU

SOLANA etc.

Hohes Risiko, hoher Gewinn, hohe Verluste: Die sogenannten Meme-Coins hatten 2021 ihre große Stunde. Die Spaßwährungen werden von Stars wie Elon Musk gehypt – manche haben mit der Spekulation auf diese Hundetoken viel Geld verdient, die meisten haben viel verloren.

Mit Projekten wie Solana, Cardano, Polkadot oder Tezos sind in den vergangenen Jahren viele Plattformen entstanden, die Ethereum den Rang ablaufen wollen. Auch sie bieten Smart Contracts. Oft sind sie schneller und billiger als Ethereum. Das führt zu einem harten Konkurrenzkampf und einer Zersplitterung der Communitys. Solana war der Star des Jahres 2021 – auch was die Performance betrifft. Aber jeder Hype bringt neue KryptoStars; der Sektor ist ständig in Bewegung. Mit dem Big Boy Bitcoin jedoch legt sich keiner mehr an. Die neuen Coins versuchen gar nicht erst, ihm den Rang abzulaufen und sich als elektronisches Geld zu positionieren – sondern als Plattform für Anwendungen wie NFTs.

BITCOIN CASH, BITCOIN SATOSHI’S VISION, BITCOIN GOLD MONERO

TETHER

Einige besonders dreiste KryptoHintermänner setzen auf den ­Namen Bitcoin, um ihren eigenen Projekten den Anschein von ­Legitimität zu verleihen. Nicht drauf reinfallen!

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Der Hype um Krypto: Was ist eigentlich mit den anderen Währungen?


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Wie hoch ist das Risiko tatsächlich, also bin ich heute reich und morgen wieder arm? Der Bitcoin-Kurs ist volatil, das heißt, er schwankt – und vielleicht ist das sogar eine Untertreibung: Auf schwindel­ erregende Höhen ­folgten meist ge­ waltige Abstürze.

ADOBESTOCK

Wenn ein Asset, also ein Vermögenswert, an der Börse wie verrückt rauf und runter geht, sagt man, er sei volatil. Nun, der Bitcoin-Kurs ist volatil, und vielleicht ist das sogar eine Untertreibung. Bitcoin erlebte in seiner nicht so langen Börsengeschichte schon Boom-Phasen, der Preis stieg in schwindelerregende Höhen – und stürzte dann meist gewaltig ab. So reichten in jüngster Vergangenheit schon Tweets von Tesla-Chef Elon Musk, um die Kurse tanzen zu lassen. Ein Rückgang von 90 Prozent kann also passieren, und das muss man erst einmal verkraften lernen. Dazu kommt, dass keiner die langfristige Existenz von Bitcoin garantieren INNOVATOR

kann. Will man also wissen, ob ein Risiko besteht, alles zu verlieren: Ja, das gibt es. Dieser extremen Volatilität steht gegenüber, warum sich das Risiko lohnen kann: Innerhalb weniger Jahre stieg Bitcoin von null auf jenseits von 50.000 Dollar. Wer es sich leisten konnte, die Crashs durchzustehen – und vielleicht sogar nachgekauft hat –, ist heute wohlhabender als zu Be­ ginn. Ein gern getätigter Vergleich von Kritikern ist jener mit der holländischen Tulpenmanie, der Mutter aller Spekula­ tionsblasen: 1637 brach der Markt für Tulpen in den Niederlanden dramatisch ein, nachdem Tulpenzwiebeln in den Jahren zuvor ein immer beliebteres Investi­

tionsobjekt geworden waren. Sie schienen mit ihren steigenden Preisen ein sicheres und lukratives Geschäft zu sein, jeder wollte damit spekulieren. Folgen: zahl­ lose Bankrotte und gewaltige Rezession. Fast vierhundert Jahre danach sehen manche in Bitcoin die neuen Tulpenzwiebeln, andere weisen darauf hin, dass es mehr als ungewöhnlich wäre, dass eine derartige Blase sich über mehrere Jahrzehnte aufbläst, und das auch noch erneut nach jedem Crash. Ultimativ gibt es also nur einen sinnvollen Umgang mit der jungen, risikoreichen Kryptowährung: Man sollte nur so viel investieren, wie man im Fall der Fälle verlieren kann. 53


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Gleich noch ein kontroverses Thema: Bitcoin scheint eine Männerdomäne zu sein. Ist das so? Finanzexpertin Larissa Kravitz analysiert. Männer, nichts als Männer: So scheint es, wenn man auf Twitter den Hashtags #btc, #krypto oder #buythedip folgt. Dann taucht nämlich ein männliches Profilbild nach dem anderen auf. Sogar NFT-Profilbilder (NFT = „NonFungible Token“, also ein nichtersetzbares Objekt, meist digitale Kunst) von Comicfiguren sind ­öfter vertreten als weibliche Gesichter. Stimmt somit das ­Klischee, die Welt der Kryptowährungen sei eine absolute Männerdomäne? Zumindest auf den ersten Blick scheint sich das zu bestätigen: Je nach Region und Umfrage ist nur ein Viertel bis ein Drittel der in Kryptowährungen Investierenden weiblich.

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Das ist jedoch erst mal nicht sonderlich überraschend. Bei anderen Assetklassen, also anderen Anlageformen wie Aktien, An­leihen oder Immobilien, zeigt sich ein nahezu identes Bild. Zahl­reiche Studien belegen, je risikobehafteter eine Assetklasse, desto größer ist der GenderInvest­ment-Gap. Laut einer Umfrage sind Frauen traditionell in all jenen Assetklassen anzahl-

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mäßig vorne, in denen das Risiko am geringsten ist, das belegt eine Umfrage­der Raiffeisen KAG und Spectra Marktforschung. Bei Sparbüchern und Bausparverträgen ist der Frauenanteil noch höher als der Männeranteil, kaum klettern wir in der Risikoleiter hinauf, sinkt der Frauenanteil rasant. Fondssparpläne werden von 23 Prozent der Männer und nur 14 Prozent der Frauen genutzt, 21 Prozent der Männer besitzen Aktien, aber nur acht Prozent der Frauen. Hier nähern wir uns den Verhältnissen der Bitcoin-Welt an, wo es nur ein Drittel bis ein Viertel an Krypto-Investorinnen gibt. Als gängige Erklärung dieses vorhandenen GenderInvestment-Gaps wird gern genannt, dass Frauen weniger verdienen als Männer. Die Gender-Pay‑GapTheorie ist jedoch als Erklärung unzulänglich, wie etwa Studien des Deutschen Aktieninstituts zeigen. Bei gleichem Einkommen und gleichem Bildungsstand verhalten sich Frauen und Männer nämlich trotzdem unterschiedlich: Während bei Männern die Aktionärsquote mit dem Einkommen kontinuierlich steigt, ist das bei Frauen nicht so. Die Topverdienerinnen kaufen weniger Aktien als Frauen in der zweithöchsten Einkommensstufe. Der Faktor Einkommensunterschiede allein kann also Investmentpräferenzen nicht erklären, da treffen zusätzlich noch eine Reihe anderer kultureller und soziologischer Gründe aufeinander. Wie zum Beispiel, dass Töchter bereits durchschnittlich um 20 Prozent weniger Taschengeld kriegen als Söhne. Was das Risikoverhalten von Frauen betrifft, sind also zahlreiche Faktoren am Werk, die bei den ­jüngeren Generationen allmählich zu verschwinden­ scheinen: Die weiblichen Mitglieder der Genera­tion Z holen nämlich rasant auf. Die Zuwachsraten der Userinnen von Krypto-Trading-Plattformen ­liegen Branchenstudien von CoinMarketCap zufolge

Larissa Kravitz 1985 in Wiener Neustadt geboren, ist Finanzmathematikerin, ehemalige Aktienhändlerin und Aufsichtsrätin und besitzt ein Vermögensberatungs-Unternehmen. Sie arbeitet in der Finanz­branche, seit sie 18 Jahre alt ist, und hatte hier fast ausschließlich mit Männern zu tun. Um das zu ändern, hat sie sich 2019 selbständig gemacht. Ihr Ziel: die finanzielle ­Autonomie von Frauen zu fördern. Das tut sie als Buchautorin („Money, Honey!“), in ihrem Podcast Inves­ torella und mittels ­(Online-)Workshops.

Text Larissa Kravitz Foto Philipp Horak INNOVATOR


This is a man’s world. Gegen dieses Vorurteil arbeitet Larissa Kravitz in der Kryptowelt an. Mit Erfolg.

bei durchschnittlich 50 Prozent und sind in manchen Regionen sogar dreistellig. Nicht auf Jahresbasis, wie man vielleicht vermuten würde, sondern tatsächlich bereits von einem Quartal zum nächsten. Besonders starkes Wachstum verzeichnen die Trading-Platt­formen bei jungen Frauen aus Entwicklungsländern. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Frauenanteil in der Kryptowelt also fast verdreifacht. Und selbst wenn Frauen noch nicht in Bitcoin & Co investiert haben, fühlen sie sich davon angesprochen – fast genauso sehr wie Männer. Demnach interessierten sich im Jahr 2021 bereits 53 Prozent der Frauen für Bitcoin und damit um sechs Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor, während der Anteil der Männer bei 65 Prozent lag und nur um einen Prozentpunkt gestiegen war. Das belegt eine Verbraucherbefragung des Kryptoanbieters Grayscale. Was treibt diese Entwicklung an? Es sind nicht nur hohe Kryptowährungspreise, die Interessentinnen locken. Der große Pull-Faktor ist vor allem der einfache Zugang zum Kryptomarkt über userfreundliche Apps. Ein weiterer Schlüssel liegt in der Weiterbildung. Je öfter Finanzbildung auf sozialen Kanälen wie etwa YouTube aufpoppt, desto größer die Bereitschaft, in Kapital- oder Kryptomärkte zu gehen. Und: Je jünger Frauen sind, desto mehr wollen sie sich aktiv einbringen, um ein Stück des Krypto-Kuchens abzukriegen oder in Metaversen zu investieren, diesen in den vergangenen fünf Jahren entstandenen virtuellen Parallelwelten, wo etwa mit Immobilien gehandelt werden kann.

„Es geht nicht nur um die persönlichen Finanzen, es ist auch ein wichtiges feministisches Thema, weil: Du brauchst als Frau einfach dein eigenes Geld.“

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Auf den ersten Blick sehen die Daten aus Meta­versen und NFT-Verkäufen noch nicht rosig aus: Geschätzt sind nur fünfzehn Prozent der NFT-Artists weib­lich, und rund fünf Prozent des Verkaufsvolumens ist auf Künstlerinnen zurückzuführen. In die Top‑10-­Liste der NFT-Artists schaffte es lediglich die Synth-PopSängerin Grimes, die um knapp neun Millionen Dollar NFT-Kunst verkaufte – was in Relation zur klassischen Kunstwelt eine Sensation ist, hier waren zwischen 2008 und 2019 nur zwei Prozent des Auktionsvolumens auf Künstlerinnen zurückzuführen. Junge Frauen ergreifen langsam, aber deutlich die Initiative: mit weiblichen NFT-Kunstshows in einem Metaversum, mit der Gründung von Start-ups, bei von Frauen mitgestalteten Venture-Capital-Fonds und Female-Coding-Initiativen, die jungen Frauen die Tech-Branche, die Vorstufe zur Kryptowelt, schmackhaft machen können. 55


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Worüber oft diskutiert wird: Ist Bitcoin ein ­Klimakiller oder schlussendlich gut für die Umwelt?

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Pro Anita Posch, Bitcoin-Expertin und Autorin

„Wer ein faires Geldsystem will, sollte Bitcoin nutzen“ Das Bitcoin-Mining verbraucht derzeit weltweit rund 0,6 Prozent des Stroms, und ja, der unbestritten wachsende Strombedarf lässt viele vorschnell nach einem Verbot rufen. Doch dieses Verbot würde nur oberflächlich Sinn ergeben, im Grunde läuft es ins Leere. Dass Bitcoin viel Energie verbraucht, ist Fakt. Darauf ist das System aufgebaut. Um die Kryptowährung zu schürfen, müssen Computer komplexe Rechen­aufgaben lösen; der erste Rechner, der das Rätsel löst, bekommt einen Bitcoin. Je höher der Bitcoin-Kurs ist, desto höher der Stromverbrauch, schließlich wollen immer mehr Menschen Bitcoin erzeugen. Proof of Work (Arbeitsnachweis) sichert dieses Netzwerk, oder einfacher gesagt: Wer mitmachen will, muss zuerst Energie aufwenden. Das verhält sich ähnlich wie bei Gold: Wer etwas haben will, muss zuerst echte Arbeit aufwenden. So wird auch der Wert erzeugt. Und es ist gleichzeitig ein fairer Prozess. Denn Proof of Work garantiert Sicherheit sowie Dezen­ tralität und damit die Unbeeinflussbarkeit und Neutralität von Bitcoin. Bitcoin verbraucht also viel Strom, aber ist das vernachlässigbar, wenn man sich all die anderen Vorteile vor Augen führt? Eindeutig ja. Etwas anderes behaupten kann nur, wer den Sinn und wahren Nutzen der Währung noch nicht versteht. Es ist zudem eine sehr privilegierte Form zu denken. Nur 8,4 Prozent der Weltbevölkerung leben in vollwertigen Demokratien mit funktionierendem Wirtschafts- und Banksystem, über 50 Prozent hingegen in Ländern, die von freien Demokratien weit entfernt sind. Milliarden Menschen besitzen kein Bankkonto, sie werden aufgrund ihrer geringen Einkommen und mangels Identitätsnachweis nie eines haben und leiden unter Hyperinflation und totali­ tären Regimen, die ihre Menschenrechte beschneiden. INNOVATOR

Bitcoin ist für sie. Es steht allen Menschen offen, unabhängig von Hautfarbe, Wohnort, Geschlecht, Macht oder Vermögen. Es ist für hunderte Millionen Menschen, die keine Möglichkeit haben, Geld auf einem Konto zu sparen. Bitcoin ist die bessere Lösung für so viele Dinge oder zumindest eine Alternative zu dem bestehenden System. Denn im Übrigen ist das jetzige Geldsystem mit schuld an der Klimakrise, in der wir stecken. Schließlich würde niemand behaupten, dass die gängigen Methoden ressourcenschonend sind. Im Gegenteil: Bitcoin fördert Langzeitdenken und Sparen und ist damit nachhaltiger als unser derzeitiges System. Die Kriegsmaschinerie etwa ist mit einem Ausstoß von 2500 Millionen Tonnen CO² weltweit einer der größten CO²-Produzenten. Der Finanz- und Versicherungssektor stößt noch 1368 Millionen Tonnen aus, Bitcoin im Vergleich 44,1 Tonnen. Die Energiegewinnung muss generell neu reguliert werden. Wer fossile Brennstoffe verwendet, egal wofür, soll für die externalisierten Schäden aufkommen. Bitcoin schützt vor Inflation, es ist ein faires, hierarchieloses Finanzsystem. Es ist kein Allheilmittel, aber das beste Werkzeug, mit dem wir den Wohlstand global neu verteilen können.

Contra Mauricio Vargas, Finanzexperte bei Greenpeace Deutschland

„Wer das Klima schützen will, sollte Bitcoin meiden“ Nicht alles Neue ist auch zeitgemäß, und nichts verdeutlicht das besser als Bitcoin und andere Kryptowährungen. Die Universität Cambridge schätzt den jährlichen Stromverbrauch von Bitcoin auf 135 Terawattstunden (TWh) – mehr, als die gesamten Niederlande brauchen. Insgesamt entfällt etwa ein Prozent der

globalen Stromnachfrage auf sogenannte Proof-of-Work-Kryptowährungen wie Bitcoin. Damit ließen sich hundert Millio­ nen Elektroautos betreiben – oder fünfzig Kohlekraftwerke abschalten. Das Mining der Kryptowährungen findet überwiegend in Ländern mit einem hohen Stromanteil aus fossilen Kraftwerken statt, und nur etwa ein Drittel des Stroms wird CO²-frei erzeugt. Der ­Klimaschaden durch Bitcoin-Mining ist mit einem jähr­ lichen CO²-Ausstoß von sechzig Gigatonnen entsprechend gigantisch. Wer Bitcoin als Wertspeicher hält, verursacht mit einem Bitcoin etwa vier Tonnen CO² pro Jahr – die Hälfte der deutschen ProKopf-Emissionen. Sieht man Bitcoin als Zahlungssystem, stößt jede Transaktion etwa 400 Kilogramm CO² aus und damit mehr als ein Kurzstreckenflug. Dieser verheerenden Ökobilanz entgegnen Bitcoiner, das Mining würde auf der Suche nach günstiger Elektrizität perspektivisch grüne Stromquellen erschließen und gar deren Ausbau fördern. Diese These ist falsch! Wahr ist, dass es das Mining dorthin zieht, wo Strom am günstigsten ist. Diese günstige Energie findet sich in Ländern wie Russland, Kasachstan, den Golf­ staaten und den USA, die auf großen ­fossilen Energievorkommen sitzen und sich Klimaschutzbestrebungen entziehen. Bislang werden Bitcoin hauptsächlich in diesen Ländern geschürft. Nachdem China 2021 ein Mining-Verbot erlassen hat, zogen die Miner in Länder mit schlechterer Klimabilanz. Es ist also kein Trend hin zu grünem Mining festzu­ stellen, im Gegenteil. In der Theorie wäre eine solche Entwicklung auch kontra­ intuitiv, da energieintensive Produkte bei schärferen Klimaregeln stets in weniger regulierte Regionen mit schmutzigerem Energiemix abzuwandern drohen. In der Wissenschaft spricht man von „Carbon Leakage“, was auch auf Bitcoin zutrifft. Die sich beschleunigende Klimakrise ist nur zu bremsen, indem wir Emissio­ nen schnell und deutlich reduzieren. ­Angesichts dieser Aufgabe wirkt Bitcoin mit seinen rasant steigenden Emissionen wie aus der Zeit gefallen. Jeder BitcoinNutzer sollte sich fragen, ob Bitcoin es wert ist, die Stabilität unserer Öko­ systeme zu riskieren. 57


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In der Zentralbank ist das Geld am sichersten Christine Lagarde PRÄSIDENTIN DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

Der Stromverbrauch sei enorm. ­ Bitcoin werde zur Geldwäsche genutzt. Von Kriminellen. Zur Terrorfinanzierung gar. Christine Lagarde, die erste Frau an der Spitze der Europäischen Zentral­ 58

bank, macht kein Geheimnis daraus, dass sie Bitcoin nicht mag. Sie hat sich die Schaffung einer digitalen Zentralbank­ währung zur Priorität gemacht und gräbt damit Bitcoin-Fans das Wasser ab, die mehr staatliche Überwachung und die Ausweitung der Negativzinsen auf private Konten befürchten. Die EZB hält dagegen: Der digitale Euro werde deut­ lich weniger Energie verbrauchen als die Kryptowährung, und Zentralbankgeld sei „das sicherste Geld überhaupt“.

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Bitcoin ist ein kontroverses Thema. Es gibt eine Reihe einfluss­ reicher Menschen, die halten die ­Währung für eine ausgesprochen schlechte Idee.

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Was sind ihre Hauptargumente?

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Bitcoin ist als Währung gescheitert Nassim Taleb AUTOR UND FINANZMATHEMATIKER

Der weltbekannte Autor und Finanz­ mathematiker Nassim Taleb hat den ­Begriff des „Schwarzen Schwans“ popu­ lär gemacht, der unvorhergesehene ­Er­eignisse (an Börsen) mit großer Aus­ wirkung beschreibt, die so niemand hat kommen sehen. ­Taleb war früher ein Fan von Bitcoin, er hat für das bekannte Buch „Der Bitcoin-Standard“ sogar das Vorwort geschrieben und Bitcoin als eine „Ver­sicherung“ gegen den Missbrauch der Währung durch Regierungen be­ zeichnet. In den vergangenen zwei Jah­ ren allerdings hat er seine Bitcoin ver­ kauft, beklagt die hohe Volatilität des Kurses und beschimpft auf Twitter Bit­ coin-Fans als „Idioten“. Mittlerweile hat er ein eigenes „Black Paper“ verfasst – als Antwort auf das „White Paper“ von Satoshi Nakamoto. Darin kommt er zu dem Schluss, dass Bitcoins langfristiger Wert „exakt null“ und Bitcoin als Ver­ sicherung und Währung gescheitert sei.

Bitcoin gefährdet die Rolle des US-Dollars Hillary Clinton EHEMALIGE FIRST LADY, US-AUSSENMINISTERIN UND PRÄSIDENTSCHAFTSKANDIDATIN

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Dass sich Hillary Clinton, nach wie vor eine der einflussreichsten und ­bekanntesten Stimmen in den USA, ­überhaupt zu Kryptowährungen äußert, zeigt, welchen Stellenwert das Thema inzwischen hat. Die einstige Außen­ ministerin ist kein Fan von Bitcoin, sie sorgt sich vor allem um die „Stellung des US-Dollars“ in der Welt. Ohne jedoch ­Bitcoin beim Namen zu nennen, sagte sie: „­ Kryptowährungen könnten ganze Staaten destabilisieren. Zuerst kleinere, aber dann immer größere.“ INNOVATOR


Schwächt seinen Einfluss auf die Zentralbank Recep Tayyip Erdoğan PRÄSIDENT DER TÜRKEI

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Recep Tayyip Erdoğan zeigt seinen Hass auf Bitcoin ganz offen, er sieht die Türkei sogar in einem „Krieg mit Bitcoin“. Aus seiner Sicht ist das nicht ganz falsch; der Autokrat nutzt seine Macht, wo er nur kann, auch um die Geldpolitik der türkischen Zentralbank zu beeinflussen. Immer wieder feuert er Notenbanker, die seinen Wünschen nach noch nied­­ rigeren Zinsen nicht nachkommen. Die Folge: Eine gewaltige Inflationskrise hat das Land gepackt, die türkische Lira stürzt von einem Tief ins nächste – und die Menschen leiden. Die Bevöl­kerungs­ struktur der Türkei weist aller­dings be­ sonders viele junge Menschen auf, die Nutzung von Bitcoin und anderen KryptoAssets ist extrem hoch. Erdoğan geht zwar gegen Börsen vor, kann den Besitz von Bitcoin aber nicht verbieten – im­ merhin ist es auch ein Weg, um harte De­ visen ins Land zu holen.

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Bitcoin sind weder fair noch gerecht Nouriel Roubini US-AMERIKANISCHER ­ NATIONALÖKONOM

Roubini wurde als „Dr. Doom“ („doom“ heißt auf Deutsch „Untergang“) bekannt, weil er bereits ab dem Jahr 2008 vor ­einem Platzen der Immobilienblase und der daraus resultierenden Finanzkrise gewarnt hatte. Mit Bitcoin, das als Ant­ wort auf die Finanzkrise ins Leben ge­ rufen wurde, kann er allerdings nichts anfangen. R ­ oubini ist einer der lautesten Bitcoin-Kritiker überhaupt. Er nennt die digitale Währung die „Mutter aller

Bubbles“ und kann Argumenten von Krypto-Fans nichts abgewinnen: So sieht er etwa ­keinen gerechteren Zugang zu Finanzdienstleistungen, stattdessen hät­ ten die ursprünglichen Programmierer zu viel Macht über die Währung und könnten unter anderem Transaktionen rückgängig machen, die angeblich un­ veränderlich seien. ­Bitcoin sei weder fair noch gerecht, schließlich würden einige wenige einen Großteil aller verfügbaren Bitcoin besitzen. Traditionelle Finanz­ systeme seien zwar nicht anonym oder dezentralisiert, aber wenigstens sicher: Werde etwa eine Kreditkarte gestohlen, werde der Besitzer entschädigt – verliert ein Krypto-Besitzer den Private Key, ist das Vermögen weg.

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Bitcoin lässt sich nicht staatlich überwachen Xi Jinping

Bitcoin ist Schein und Trug Warren Buffett GROSSINVESTOR UND UNTERNEHMER

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Er gehört zu den reichsten Menschen der Welt und zu den bekanntesten Gesichtern in den USA. Gerade weil er sich zeit seines Investorenlebens von der Wall Street ferngehalten hat und lieber in ­Nebraska geblieben ist, zählt Warren Buffett geradezu zu den Volkshelden Amerikas. Sein Wort hat Gewicht, und das ist eindeutig. Der 91-jährige Aktien­ investor lehnt Bitcoin ab: „Ich halte keine Bitcoin. Ich halte keine Kryptowährungen – und das wird sich nie ändern.“ ­Bitcoin sei Schein und Trug, sagt Buffett, es habe keinerlei einzigartigen Wert, da es nichts produziere. „Man starrt es den ganzen Tag an, und kleine Bitcoin kommen raus … oder so ähnlich. Es ist eine Wahn­ vorstellung.“

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Der starke Mann Chinas hat schon mehrmals versucht, Bitcoin loszuwerden. Sein Regime in Peking zieht die ­Zügel überall an. Prominente verschwinden von der Bildfläche, Tech-­Unternehmer wie Alibaba-Gründer Jack Ma sind unauf­ findbar – und mit einer digitalen Zentralbankwährung will man die privaten ­Anbieter vom Zahlungsverkehr verdrängen (Alipay und WeChat Pay). Da passt Bitcoin so gar nicht ins Bild. Es ermöglicht den Chinesen nicht nur den Kapitalaufbau außerhalb des engmaschigen elektronischen Überwachungsstaats – sondern auch, dieses Kapital außer ­Landes zu schaffen. Der bisher härteste Schlag kam im vergangenen Jahr, als China das Bitcoin-Mining endgültig verboten hat. Die Miner flüchteten nach ­Kasachstan sowie Europa – aber vor allem in die USA, wo einige Staaten (Texas oder Wyoming) sie mit offenen Armen empfangen haben. Noch ist der Besitz von Kryptowährungen in China zwar ­legal, die Frage ist: wie lange noch?

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PRÄSIDENT DER ­VOLKSREPUBLIK CHINA


Mit Bitcoin verlieren Anleger ihr Geld Janet Yellen US-FINANZMINISTERIN GETTY IMAGES

Die frühere Chefin der US-Notenbank Federal Reserve hat bereits eine lange Historie mit Bitcoin. Im Sommer 2017 wurde sie zum Opfer eines Streichs. Als sie vom US-Kongress befragt wurde, hielt ein junger Mann im Hintergrund ein selbst gemachtes Schild hoch, das dann auch im Fernsehen zu sehen war. Die Botschaft war simpel: „Buy Bitcoin!“ Der Mann wurde daraufhin vom Sicherheitspersonal aus dem Raum geworfen. Anfang des Jahres 2021, als Bitcoin erneut in die Schlagzeilen geriet, rückte sie mit scharfer Kritik aus. Bitcoin sei ein „extrem ineffizienter Weg, Geld zu transferieren“, sagte Yellen. „Es ist ein hoch spekulatives Asset, und ich glaube, dass die Menschen das wissen sollten. Es kann sehr volatil sein, und ich mache mir Sorgen, dass Investoren Geld verlieren könnten.“ Die heutige Finanz­ministerin bevorzugt digitales Zentralbankgeld: „Es könnte schnellere, sicherere und ­billigere Zahlungen ermöglichen. Das sind wichtige Ziele.“

Bitcoin hat keine Zukunft Jamie Dimon CEO UND CHAIRMAN VON JPMORGAN CHASE & CO.

Der Chef von JPMorgan Chase & Co., der größten Bank der USA, hat ein sehr schwieriges Verhältnis zu Bitcoin. „Ich persönlich halte es für wertlos“, sagte er im Oktober 2021. Aber seine Bank bietet längst Produkte rund um Bitcoin und Krypto an. „Unsere Kunden sind erwachsen, und sie verlangen danach“, meint Dimon lakonisch. Er teilt die Position ­einiger anderer Titanen der Wall Street, die denken, dass Bitcoin von den Staaten über kurz oder lang verboten und aus dem Weg geräumt werden wird: „Es wird keine unkontrollierbare Währung auf der Welt geben. Die Regierungen machen da einfach nicht mit“, argumentiert Dimon.

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Gute Argumente. Eine Entgegnung? Schriftsteller Thomas Glavinic mit einem leidenschaftlichen Plädoyer, warum Bitcoin für ihn die beste Währung der Welt ist.

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Vor meiner Geburt führten Gott und der Schilling eine längere Unterhaltung, in der der Oberste­ Finanzminister die damalige ­österreichische Währung vor mir warnte. Die ersten Jahrzehnte meines Lebens würde ich in einem moralischen Zwielicht verbringen, sagte er in sorgenvollem Ton, so, als wäre er für meine Eigenheiten nicht im Geringsten mitverantwortlich. Seiner Ansicht nach war ich ein sündhafter Charakter, allzu sehr dem Laster und der Ausschweifung zugetan, und bis sich das legte, sollte man mit mir besser keinen engen Umgang pflegen. Eine ernsthafte Beziehung mit mir war nicht des Schillings göttliche Bestimmung, und falls er eines Tages aus Langeweile in Versuchung geriet, sich mir an den Hals zu werfen, sollte er stattdessen Udo Proksch verführen, also wenn es wirklich nicht anders ging.

W Wer sich noch an den Schilling erinnert, wird nicht vergessen haben, was für eine unter­ würfige Kreatur das war. Wenn die Währungs­ hüter sagten: „Hör zu, Schilling, gegen die D-Mark lässt du dich zwischen 6 und 8 han­ deln“, dann kostete er genau 7 öS für 1 DM, weil er solche Angst hatte, etwas falsch zu machen. Kein Wunder, dass ich mit meiner subversiven Persönlichkeitsstruktur zu so ­einem Apparatschik keine stabile Beziehung­ aufbauen konnte und mit zwanzig als Taxi­ fahrer arbeiten musste, was gar keine schlech­te Sache war, weil diese Tätigkeit den Charakter schult und die Moral festigt. 2002 war ich sicher, moralische Fort­ schritte erzielt zu haben, und erwartete, mit der Einführung des Euro reich zu werden, doch der intrigante Schilling muss ihm weiß Gott was über mich erzählt haben, denn auch der Euro hat mich von Anfang an sabotiert. Wahre Liebe ist bedingungslos, heißt es, ­womit wir beim Bitcoin sind.

THOMAS GLAVINIC, 49, veröffentlichte seinen Debüt­roman 1998, zuvor war er Werbe­texter und Taxifahrer. Er ist einer der erfolgreichsten Autoren Österreichs, seine Bücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Sein Buch „Das größere Wunder“ schaffte es auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis. INNOVATOR

Man muss nicht unbedingt selbst BitcoinHalter sein, um die wichtigste Kryptowährung­ zu mögen. Aber schon richtig, man mag ihn bestimmt noch mehr, wenn man einer der ersten Käufer war. Im Frühjahr 2010 lag der Kurs für 1 btc unter 1 Cent, im Juli 2010 waren es bereits 8 Cent. Ich wette 8 Dollar, dass da nur wenige Menschen bereit waren, 100 btc zu kaufen. Ich hätte nicht gekauft, egal ob bei 8 Dollar-Cent oder bei 8 Euro65


Bitcoin ist das beste Geld, das je erfunden wurde, weil es kein erfundenes Geld ist. Im Gegensatz zu den aus dem ökonomischen Nichts geschaffenen Dollars und Euros. Cent, denn mein Bankberater sagte, Bitcoin sei unsichtbares Luftgeld aus Amerika, die sicherste Anlage wäre immer noch das Sparbuch. Wenn ich mein Geld unbedingt anders investieren wolle, dann nicht in einen Schwindel wie Bitcoin, dessen Preis bald auf 0 fallen würde, sondern in etwas Solides wie die Aktie der Deutschen Bank. Die hatte noch vor einiger Zeit über 80 Euro gekos­ tet und war jetzt um die Hälfte zu haben, 40 Euro, ein Schnäppchen. Wenn ich das Wort Schnäppchen höre, bekomme ich Ausschlag. Mir egal, was an­ dere dazu sagen, ich bin eben sensibel. Mit Ausschlag kann ich keine Finanzgeschäfte abschließen, deswegen habe ich keine Aktien der Deutschen Bank gekauft. Stattdessen investierte ich mein Geld weiterhin in die lokale Wirtschaft, zum größten Teil in die Gast­wirtschaft. Das hatte ich immer so gehal­ ten, schließlich bin ich Patriot, und mit Geld­ angelegenheiten wollte ich mich nicht aus­ einandersetzen. Ich wusste sowieso genug.

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Man muss Geld verdienen, das sich dann auf unheimliche Weise selbst ausgibt. Wenn man mehr verdient, gibt es mehr von sich aus, und wenn man weniger verdient, gibt es noch mehr von sich aus. Zumindest in der Relation betrachtet. Ich kann mich an 2010 nicht mehr gut erinnern, aber ich war bestimmt dabei. Mit den Jahren danach verhält es sich ähnlich. Von Bitcoin hörte ich selten, und wenn über das unsichtbare Luftgeld aus Amerika be­ richtet wurde, hieß es nur, der Preis ist zwar gestiegen, weil es viele Idioten gibt, aber bald platzt die Blase. „Sehen Sie, ich hab’s ja gewusst!“, sagte mein Bankberater zu mir, als ich eines Tages wieder einmal vor ihm saß, um irgendeinen 66

Fonds zu kaufen, den er mir empfohlen hatte. Ich wuss­ te zwar nicht, was ein Fonds war, aber ich dachte, es genügt, wenn es einer von uns weiß. „Was meinen Sie?“, fragte ich, als ich den Kaufauftrag unterschrieb, wobei es mir so vorkam, als würde ich unterschreiben, dass ich das, was ich da kaufte, zu einem um zehn Prozent höheren Preis kaufte, als es eigentlich kostete, aber das ergab keinen Sinn, und ich wollte mich nicht mit einer dum­ men Frage blamieren. „Bitcoin. Totalabsturz! Von 1100 auf 200 Dollar! Der Kurs ist um achtzig Prozent eingebrochen! Ich hab’s Ihnen ja damals gesagt!“ „War der Bitcoin-Preis damals denn nicht viel nied…“ „Hören Sie mir auf mit dem dummen Bitcoin! Kom­ men Sie mir nicht mit Bitcoin! Sie sind doch ein intel­ ligenter Mensch! Der Bitcoin ist eine Blase!“ Die 100 btc, die 2010 acht US-Dollar kosteten, wären nach meiner Rechnung heute 3,7 Millionen wert. Ich bin allerdings in Mathematik einmal sitzengeblieben, also wer weiß. Ich würde ja meinen Bankberater fragen, aber der hat schon vor Jahren gekündigt. Vielleicht ar­ beitet er jetzt für die Deutsche Bank. Deren Aktie steht bei elf Euro. Die solide Investition hat knapp 80 Prozent ihres Werts verloren, das unsichtbare Luftgeld steht dagegen gerade bei 37.000 USD und ist mit einem Preis­ anstieg von 46.000.000 Prozent (46 Millionen Prozent) seit dem Jahr 2010 die erfolgreichste Anlage aller Zei­ ten. Die Inflationsrate des Dollars beträgt offiziell sieben Prozent, realistischer ist das Doppelte. Wie gesagt, man muss nicht unbedingt selbst Bitcoin halten, um ihn zu mögen. Es genügt, ein Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit zu entwickeln und zu begreifen, dass sich das globale Finanzsystem in wichtigen Gesell­ schaftsbereichen wie der Wirtschaft, der Information und der Unterhaltung auf Monopole und Kartelle stützen kann und sich eine privilegierte Minderheit einer Politik der Währungsinflation bedient, um sich auf Kosten der ahnungslosen Bevölkerungsmehrheit zu bereichern. Bitcoin ist das beste Geld, das je erfunden wurde, weil es kein erfundenes Geld ist, im Gegensatz zu den so­ genannten Fiat-Währungen, den aus dem ökonomischen Nichts geschaffenen Dollars und Euros. Bitcoin kann niemand nachdrucken, wie es ihm gerade einfällt, das ist dank der Blockchain-Technologie technisch unmöglich. Es kann niemals mehr als 21 Millionen btc geben, und von denen sind knapp 19 Millionen bereits von Minern geschöpft worden. Man weiß zu jeder Zeit, wie viele Bit­ coins existieren, und keine Regierung kann daran etwas ändern, indem sie zusätzliche Bitcoins emittiert.

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Das ist, was Politikern und Zentralbankern Angst einjagt. Sie können Bitcoin nicht mani­ pulieren. Das macht ihn zu einer Konkurrenz für ihre gepanschten Staatswährungen, und zwar zu einer, die dem Dollar und dem Euro in fast jeder Hinsicht überlegen ist. Die Bitcoin-Blockchain ist das bei weitem stärkste und sicherste Netzwerk der Welt. Es wird von tausenden Rechnern dezentral verwaltet, es ist öffentlich, jeder kann die Transaktionen überprüfen, und trotz seiner Transparenz ist es unhackbar. Bitcoin ist zensurresistent, ­demokratisch, überparteilich, neutral. Er nützt nicht nur einer privilegierten Elite, sondern allen Menschen. Deshalb würden ihn viele am liebsten verbieten, aber dieses Verbot wäre sinnlos, weil man weder die Bitcoin-Blockchain abschalten noch Trans­ aktionen verhindern kann. Wie lästig diese Eigenschaften sind, wissen die USA schon. In ihrem Kampf gegen die Enthüllungsplattform Wikileaks war eines der Ziele der US-Behörden, Julian Assange und seine Kollegen von finanzieller Hilfe durch Unterstützer abzuschneiden. Irgend­ wann hatten sie es geschafft. Alle WikileaksKonten waren gesperrt. Visa, MasterCard und die anderen großen Kreditkartenfirmen weigerten sich, Spendengelder für Wikileaks anzunehmen. Das System zeigte Härte und Stärke. Die staatlichen Strategen hatten ­jedoch eine Kleinigkeit übersehen: Bitcoin.

Wer noch immer nicht recht weiß, was er von Bitcoin halten soll, kann es sich einfacher machen, indem er Fotos sortiert. Das ist zwar eine etwas grobe, populistische Methode, aber deswegen noch lange nicht illegitim.

Wer noch immer nicht recht weiß, was er von Bitcoin halten soll, kann es sich einfacher machen, indem er ­Fotos sortiert. Das ist zwar eine etwas grobe, populis­ tische Methode, aber deswegen ist sie ja noch lange nicht illegitim. Ob man dazu einen Tisch oder einen Bildschirm verwendet, ist egal. Auf eine Seite legt man die Fotos bekannter Bitcoin-Gegner, auf die andere die von Befürwortern. Und dann schaut man sich eine Weile die Gesichter an. Prominente Bitcoin-Unterstützer: Michael Saylor, ­Edward Snowden, Twitter-Mitgründer Jack Dorsey, El Salvadors Präsident Nayib Bukele, Elon Musk, Stars wie Ashton Kutcher, Kanye West, Snoop Dogg, Paris Hilton, Gwyneth Paltrow, Jamie Foxx, Björk, Lionel Messi, ­Andrés Iniesta und Carles Puyol, berühmte Investoren wie Paul Tudor Jones, Stanley Druckenmiller, Mark Yusko, Mark Cuban, Raoul Pal, Mike Novogratz und Ray Dalio sowie Institutionen wie die Human Rights Foundation und Wikileaks. Prominente Bitcoin-Gegner: Donald Trump, Christine Lagarde, Ben Bernanke, SEC-Chef Gary Gensler, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Finanzhäuser wie JP Morgan und Goldman Sachs, der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, die Scharia-Hüter des indonesischen Religionsministeriums, der bald 92-jähri­ ge Warren Buffett, der Bitcoin „Rattengift“ nannte, und sein Geschäftspartner bei Berkshire Hathaway, der um sechseinhalb Jahre ältere Charlie Munger, der erklärte, er sei vom Erfolg von Bitcoin „angewidert“, die chinesi­ sche Staatsregierung, die Kommunistische Volkspartei Chinas, die Europäische Zentralbank, die Russische Zentralbank, jede andere Zentralbank, Hillary Clinton und natürlich die US-Finanzministerin Janet Yellen, der 2019 und 2020 vom Bankhaus Goldman Sachs über sieben Millionen Dollar überwiesen wurden, angeblich als Honorar für neun Vorträge, die sie zum Teil per Zoom gehalten haben will. Gerade wurde der Entwurf eines Gesetzes eingebracht, das sie ermächtigen würde, jederzeit und ohne besonderen Anlass im Alleingang jede in den USA ansässige Krypto-Handelsbörse von den Finanzmärkten abzuschneiden, was einer Schließung gleichkäme. Von einer solchen Machtfülle kann sogar der Staatspräsident von China nur träumen. Übrigens: In jener Zeit, als die Kreditkartenfirmen Spen­ den für Wikileaks blockierten, war es für ihre Kunden jederzeit möglich, andere Gesinnungsgemeinschaften, die von den Behörden als weniger radikal und gefähr­ lich eingestuft worden waren, ohne Einschränkungen finanziell zu unterstützen. Zum Beispiel den Ku-Klux-Klan.

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Interessant! Und wie komme ich nun zu einem ersten Bitcoin? Eine Einstiegshilfe in den digitalen Geldmarkt.

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Die Börsen, an denen man Bitcoin ­kaufen kann, tragen eigenartige Namen: Bit hier, Chain da, Coin überall. Nach dreizehn Jahren Bitcoin-Existenz hat sich die Handhabung der Kryptowährung massiv verbessert, sie ist aber immer noch nicht so einfach, wie wir es von anderen Apps und Diensten gewohnt sind. Ist der erste Schritt der Anmeldung getan, muss jeder neue Bitcoin-Besitzer klären, wie das Vermögen abgespeichert werden soll. Dabei ist vielen die Eigenverantwortung, die Bitcoin abverlangt, nicht ganz ge­ heuer. Doch wer die privaten Schlüssel zu seiner elektronischen Geldbörse selbst verwaltet, betritt ein völlig neues Finanzsystem. Maximale Freiheit – dafür weder Service-Hotline noch Einlagensicherung. Das ist die Welt von Bitcoin.

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Wer Bitcoins will, kann sie minen oder kaufen. Minen ist kompliziert, aufwendig und kaum noch mach­ bar, also muss man sie kaufen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: große Anbieter mit leicht zu bedie­ nenden Apps wie Bitpanda und Coin­ base; Börsen mit komplizierten Apps wie Kraken, Binance oder Bitfinex; und Plattformen, die sich ausschließ­ lich auf Bitcoin spezialisiert haben und keine anderen Kryptos verkau­ fen, wie Coinfinity, Relai und Pocket. Bei der Anmeldung muss man – egal wo – eine Form der Identifikation abgeben. Das geschieht entweder durch einen Videochat oder per Sel­ fie. Das ist nötig, damit die Börsen immer wissen, mit wem sie es zu tun haben. Umgekehrt ist das nicht so transparent, manche Börsen sind sehr fragwürdig. Man sollte also unbedingt auf etablierte Anbieter zu­ rückgreifen. Das wären in Österreich etwa Bitpanda und Coinfinity, die auch hier beheimatet sind. Anders als bei Banken unterliegen diese Börsen jedoch nicht denselben Regeln: Es gibt etwa nirgends eine Einlagen­ sicherung. Hält man Kryptos, ist man selbst dafür verantwortlich.

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Die wichtigste Regel: Hält man Kryptos, ist man selbst dafür verantwortlich.

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2. Entscheide, wann du Coins kaufst Hat man die Anmeldung erledigt, stellen sich zwei Fragen: Kaufe ich sofort, oder warte ich auf einen Preis, der mir zusagt? Wer sofort kaufen will, wird von den Einsteiger-Apps gut bedient. Bei Coinbase und Co klickt man auf „Buy“, und die Sache hat sich. Zumindest fast. Tatsächlich muss man hier die Augen für erste Gebührenfallen offen halten. Wer sofort kaufen will, macht das mit Kredit- oder Debitkarte. Der BitcoinKauf findet unverzüglich statt, das Geld wird in den nächsten Tagen abgebucht. Vorsicht: Das ist meist die teuerste Art, Bitcoin zu kaufen. Zu den Gebühren des Anbieters kommen zusätzliche Kosten für den Kauf über Karte. Es ist also besser, das Geld mit­ tels Überweisung zu schicken, was meist gratis ist. Dann muss man mit dem Kauf allerdings warten, bis das Geld angekommen ist – und riskiert, dass sich der Bitcoin-Kurs in der Zwischen­zeit ändert. Einsteiger-Apps wie Coinbase und Bitpanda fungieren als Händler, nicht als Börse. Auf einer Börse können Käufer und Verkäufer den exakten Preis einstellen, zu dem sie handeln wollen. Bei „Limit-Orders“ überweist man Geld auf ein Verrechnungskonto und gibt an, zu welchem Preis man Bitcoin kaufen will. Geht der Preis zu dieser Schwelle, wird der Kauf auto­ matisch ausgeführt. Die dritte Möglichkeit: In vielen Ländern gibt es Automaten, wo man mit Bargeld die Kryptowährung kau­ fen kann. Der österreichische Anbie­ ter Kurant betreibt in Österreich über 100, in Deutschland 20, in Griechen­ land 45 und in Spanien immerhin 8 solcher Automaten.

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1. Melde dich bei der richtigen Börse an


3. Verwalte dein Vermögen Lagern kann man die erstandenen Bitcoin entweder falsch – oder richtig.­ Es wäre falsch, die Coins einfach bei einer Börse liegen zu lassen. Damit gäbe man das wichtigste Feature auf, das Bitcoin hat – die selbstverantwortliche Kontrolle. Doch viele wollen nicht das Risiko eingehen, bei der Handhabung ihrer Coins einen technischen Fehler zu machen, und verlassen sich deshalb auf die Börse oder die App, wo sie eingekauft haben. Das geht zwar in den meisten Fällen gut, muss es aber nicht, da gibt es einige unrühmliche Geschichten von Hacks und von Börsen, die plötzlich offline waren. Man sollte sich also selbst um sein Bitcoin-Vermögen kümmern. Die besten Möglichkeiten hierfür sind sogenannte „HardwareWallets“: Sie speichern den privaten Schlüssel eines Bitcoin-Wallets sicher ab und ermöglichen eine einfache Hand­habung. Jede Transaktion muss auf dem Hardware-Gerät bestätigt werden, so können Nutzer unbesorgt sein, dass ein Computer kompromittiert sein könnte. Hier ist auch geschützt, wer sein Wallet verliert, denn ohne PIN kann ein Dieb oder Finder nicht hinein. Bei der Einrichtung notiert man eine geheime Wortfolge (Seed Phrase). Die wird sicher aufbewahrt und hilft bei Verlust, das Wallet wiederherzustellen. Die populärsten Hersteller von Hardware-Wallets ­heißen Trezor, Ledger und Bitbox.

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HIER EIN KURZER EXKURS: ## WALLET, DAS Digitales Geld existiert nur digital. Um den Überblick zu behalten, gibt es jedoch ein Bitcoin-Wallet: Es funktioniert ähnlich wie ein Online-Konto, das Senden und Emp­ fangen der Krypto­ währung abwickelt und so etwas wie eine digitale Geldbörse darstellt. Der Unterschied ist, dass die Coins nicht tatsäch-

lich in dem Wallet sind. Stattdessen liegt darin der „Pri­ vate Key“, eine privater Schlüssel, den jeder Nutzer braucht, um Zugang zu seinen Coins zu haben. Die Coins selbst bleiben immer in der Blockchain, das Wallet interagiert damit. Verliert man den Schlüssel, verliert man alles.

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Community Die wichtigsten Helfer im Bitcoin-Universum DER UR-BROKER

COINFINITY

KRYPTO-STEUER EINFACH BERECHNEN

BLOCKPIT

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Das Linzer Start-up Blockpit hat sich zu einem echten Star der Szene ent­ wickelt. Dabei handelt Blockpit nicht mit Kryptos. Die Firma unter CEO und Gründer Florian Wimmer hat eine Software entwickelt, die Anlegern dabei hilft, ihre Steuern korrekt zu berechnen. Damit man nicht zu viel zahlt – aber auch nicht zu wenig. Blockpit ist das Zentrum der Krypto-Aktivitäten in Linz und hat dort gerade ein neues Büro bezogen. blockpit.io 72

DER VERLAG DER KRYPTO-BÜCHER

APRYCOT MEDIA Gegründet von zwei jungen deutschen Bitcoinern, hat sich der kleine Verlag Aprycot Media binnen kürzester Zeit in die Mitte der deutschsprachigen Bitcoin-Szene gespielt. Mit Büchern wie „Der Bitcoin-Standard“ von Saif­ edean Ammous oder „Der Preis der Zukunft“ von Jeff Booth sind Aprycot­ schon echte Bestseller gelungen, die auf Amazon für Aufsehen sorgen. Mit der Übersetzung dieser schon auf Englisch sehr erfolgreichen Bücher hat man eine Marktlücke geschlossen. aprycot.media

ADOBE STOCK

Coinfinity, Österreichs ältester BitcoinBroker, hat in der Grazer Innenstadt auch ein Geschäftslokal. Dort wird man persönlich beraten und kann seine ersten Bitcoin-Schritte in geschützter Atmosphäre tun. Anders als die Konkurrenz bleibt Coinfinity auf die UrKryptowährung Bitcoin konzentriert und positioniert sich als langfristiger Partner auch für Firmen und betuchte Privatkunden. Über die Tochterfirma Kurant ist Coinfinity außerdem im Geschäft mit Bitcoin-Automaten tätig. Und gemeinsam mit der Staatsdruckerei stellt Coinfinity auch ein leicht zu handhabendes Bitcoin-Wallet her: das Cardwallet. coinfinity.co

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DER BEGLEITER

COINPANION Coinpanion ist der Newcomer in Wiens Krypto-Szene. Wie der Name schon andeutet, will Coinpanion ein Begleiter sein – und stellt dafür eigene Portfolios aus Bitcoin und anderen Kryptowährungen zusammen. So kann man ohne große ­Recherche in Hype-Themen wie „Decentralized Finance“ oder NFTs einsteigen. coinpanion.com

DIE ANWÄLTE

SV LAW Die Wiener Anwälte Oliver Völkel und Arthur Stadler haben sich schon vor Jahren auf die Themen Bitcoin und Blockchain gestürzt. Sie gelten als echte Experten auf dem Gebiet der digitalen Assets und haben auch mehrere Krypto-Börsengänge betreut – sogenannte „Initial Coin Offerings“. svlaw.at

DIE KRYPTO-KONFERENZ

BTC22 Im September geht in Innsbruck mit der BTC22 die bisher größte deutsch­ sprachige Bitcoin-Konferenz über die Bühne und bietet ein Rundum-Programm für Interessierte. Als Stargäste sollen Bitcoin-Größen wie der US-Unternehmer Michael Saylor oder der Autor Saifedean Ammous auftreten. Zudem wird alles ­mobilisiert, was in Deutschland, Österreich und der Schweiz Rang und Namen hat: vom bekannten YouTuber Roman „Blocktrainer“ Reher bis zum Wiener Ökonomen Rahim Taghizadegan. bconf.de

MEHR WISSEN

PODCASTS Im deutschen Sprachraum etablierten sich in den vergangenen zwei Jahren mehrere Podcasts, die regelmäßig über Bitcoin berichten. Das CommunityProjekt „Einundzwanzig“ hat Kultstatus und bietet detailreiche Information. einundzwanzig.space Bei „Bitcoin verstehen“ wird auch der Einsteiger abgeholt. bitcoinverstehen.info INNOVATOR-Autor und Finanzjournalist Niko Jilch startete mit „Was Bitcoin bringt“ den ersten Podcast aus Wien. wasbitcoinbringt.com

DER GOLDSTANDARD

INCREMENTUM Die beiden ehemaligen Banker Ronald Stöferle und Mark Valek managen bei der bankenunabhängigen Fondsgesellschaft Incrementum mehrere Fonds, die auf die Kombination von Gold, Bitcoin und anderen Kryptowährungen spezialisiert sind. Die beiden Österreicher sind beliebte Gäste in Finanzmedien und auf Kongressen für Gold und Bitcoin. Ihr jährlicher „Gold-Report“ umfasst hunderte Seiten und ist ein Standardwerk in der Branche. incrementum.li INNOVATOR

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Natürlich ist auch klar: Wer viel Geld verdient, muss viele Steuern zahlen. Oder wie ist das bei Bitcoin?

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Feuerwehrfrau, Tierärztin, vielleicht noch Prinzessin: Bei den Berufswünschen von kleinen Mädchen kommt Steuerberaterin gemeinhin nicht vor. Anders bei der Grazerin Natalie Enzinger, die wollte schon immer etwas mit Steuer machen, erzählt sie. Wie der Papa. Und gleichzeitig ganz anders. „Ich wollte immer etwas Spezielles gut machen als Steuerberaterin“, sagt sie, „nicht einfach nur das, was alle machen.“ Der Kindheitstraum hat geklappt. Nach sechs Jahren im Geschäft ist Enzinger landauf und landab als die Bitcoin-Steuer­ beraterin bekannt. Die Frau, die sich mit Kryptos auskennt. Und sie ist gefragt. 15 Leute arbeiten inzwischen in ihrer Kanzlei in der steirischen Landeshauptstadt. Die meisten davon sind mit Block­ chains beschäftigt, und das erst recht dieser Tage, denn die ­Regeln haben sich gerade ver­ ändert. Aber der Reihe nach. Wir ­schreiben das Jahr 2014. Wie die meisten normalen Menschen hatte auch Natalie Enzinger noch nie etwas von Bitcoin gehört, bis plötzlich ein junger Unternehmer vor ihr stand: Max Tertinegg, der Gründer der Grazer Bitcoin-Firma Coinfinity. Er wollte Bitcoin an

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die Allgemeinheit verkaufen. Als Erster in Österreich. Aber wie wäre das steuerlich geregelt? „Ich habe mich erst einmal in das Thema ein­ gearbeitet. Da muss man selbst bei den eigenen ­Klienten vorsichtig sein.“ Ein Jahr dauerte es, bis die junge Steuerberaterin überzeugt war. „Ich war sehr lange sehr skeptisch. Und hab dann erkannt, dass das natürlich eine Daseinsberechtigung hat.“ Viele ihrer Berufskollegen reagierten empört: War Bitcoin nicht die Währung von Kriminellen? Von Staatsfeinden?

DREI STEUER-TIPPS

Doch die heute 39-Jährige ließ sich nicht beirren. Bald akzeptierte sie Bitcoin auch als Zahlungsmittel. „Für mich war das eine gewisse Diversifizierung“, sagt sie. Als sie die Krypto-Sparte in ihr Unternehmen aufnimmt, kostet ein Stück Bitcoin noch weniger als 300 Euro. Heute lassen sich Berufskollegen von ihr fortbilden – ihr Vorsprung ist gewaltig und die damalige Nische keine mehr. Spätestens 2017 wurde Enzinger klar, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Das Geschäft des ersten Kunden lief prächtig, ihr eigenes ebenso. Bei Veranstaltungen war sie plötzlich ein Star, schließlich wollten hunderte junge Menschen mit der einzigen Person in Österreich sprechen, die sich mit Kryptosteuern wirklich auskennt. Bis Dezember 2017 explodierten die Kurse, wer rechtzeitig ausstieg, konnte ein Vermögen verdienen. Aber wie viel davon würde dem Staat ge­ hören? Das wusste kaum jemand, doch E ­ nzinger hatte die Antworten. Und dementsprechend Zulauf. „Das war wirklich arg damals. Nach den Events ­wurde ich richtig belagert.“ Bis Februar 2022 wurden Bitcoin und alle anderen Krypto-Assets in Österreich wie Gold besteuert. „Im Steuerrecht gibt es Kategorien, und wenn etwas Neues auftaucht, schaut man, wo es hineinpasst“, sagt Enzinger. Bitcoin landete im Topf mit der Aufschrift: „Sonstiges Einkommen aus Spekulations­ geschäften.“ Nun ist es hierzulande so, wenn es um sonstige Spekulationsgeschäfte geht: Nach einem Jahr kann

2. SUCHE EINE PASSENDE BANK Nicht jede Bank ist krypto­ freundlich. Die Bank benötigt einerseits eine detaillierte Beschreibung der Herkunft aller Mittel (Screenshots von Tradingverläufen, Rechnungen über Kauf von Krypto-Assets) und andererseits einen Nachweis (Einkommensteuerbescheide, Schenkungsverträge), woher die sogenannten Fiat-Beträge stammen.

1. DOKUMENTIERE KRYPTO-TRANSAKTIONEN VON ANFANG AN Zur Berechnung der rea­ lisierten Gewinne und Verluste ist es notwendig, alle Transaktionen (Trades, Deposits und Withdrawals) zu dokumentieren. Hilfreich sind dabei Steuertools, etwa: cointracking.info, blockpit.io

3. PRÜFE, OB KRYPTOVERLUSTE VERWERTET WERDEN KÖNNEN Vor Ende des Jahres sollte gecheckt werden, ob noch Krypto-Assets gezielt mit Gewinn verkauft werden können, um Verluste zu verwerten.

Text Niko Jilch Foto Philipp Horak INNOVATOR


Steuerberaterin Natalie Enzinger hat sich sehr früh auf Kryptowährungen spezialisiert und hat auf diesem Gebiet heute einen solchen Wissensvorsprung, dass sie Berufskollegen fortbildet.

Als Natalie die Krypto-Sparte in ihr Unternehmen aufnimmt, kostet ein Bitcoin noch weniger als 300 Euro. Heute lassen sich Berufskollegen von ihr fortbilden. Enzingers Vorsprung ist gewaltig. INNOVATOR

man steuerfrei weiterverkaufen. Will man früher einen Gewinn ­erzielen, landet dieser in der Ein­ kommensteuer. Heißt: Wer lang hält, muss sich um Steuern nicht scheren. Das passt zum Bitcoin, dessen treueste Fans möglichst lange halten wollen, aber es passt nicht in die neue, glitzernde Welt der 15.000 anderen Kryptos. Ja, so viele gibt es inzwischen. Wahr­ scheinlich sogar mehr. Und die werden permanent getradet. „Mein typischer Kunde ist männ­ lich, 20 bis 40 Jahre alt und im Kryptomarkt sehr aktiv“, sagt Enzinger. Das Finanzministerium hat nun eine Änderung geplant: Ab März 2022 werden Kryptos nicht mehr wie „sonstige Spekulations­ güter“ behandelt, sondern wie Wertpapiere. Finanzmarkthänd­ ler kommen trotzdem auf ihre Kosten, denn: Wer zwischen Kryptos hin und her wechselt, muss für diese Vorgänge keine Steuern zahlen. Erst wenn aus­ bezahlt wird, muss man Steuern abführen, zwar ohne Behalte­ frist, dafür aber mit dem einiger­ maßen niedrigen Steuersatz von 27,5 Prozent. Kryptowährungen sind jetzt ihr eigener Steuertatbestand, ­Verluste kann man abziehen, und sogar dann, wenn man die Gewinne mit Bitcoin und die Ver­ luste mit Aktien gebaut hat – oder umgekehrt. Natalie Enzinger hat also weiter viel zu tun. Denn die neue Regelung wurde rückwir­ kend eingeführt. Alles, was nach dem 28. Februar 2021 gekauft wurde, fällt unter die neuen Richtlinien. „Um zu beweisen, dass ich vor dem Stichtag gekauft habe, muss ich den Kauf doku­ mentiert haben“, sagt Enzinger. „Ich würde jedem raten, die Alt­ bestände von den neuen Coins zu trennen – falls man sie in Zukunft ver­kaufen will.“ 75


ERIC DEMUTH, 35, wuchs nördlich von Hamburg auf und fuhr zwei Jahre als Schiffsmechaniker zur See, bevor er Bitpanda mitbegründete. Eine Regel des jetzigen CEO lautet: Investiere nur in Dinge, die du auch wirklich verstehst. Demuth ist auch als Angel Investor tätig, beteiligt sich also finanziell an anderen Unternehmen und hilft Existenzgründern mit Know-how und Kontakten.

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Kann virtuelles Geld eigentlich reale Arbeitsplätze schaffen, oder was tut Bitcoin für die Wirtschaft? Ein Besuch bei den drei Gründern des erfolgreichsten Start-ups Österreichs: Bitpanda. Text Niko Jilch Fotos Konstantin Reyer

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CHRISTIAN TRUMMER, 35,

PAUL KLANSCHEK, 32,

ist in der Steiermark aufgewachsen. Er ist Softwareentwickler und ­Technischer Leiter bei Bitpanda, ­leitet als CTO also alle Aspekte der Entwicklung.

ist südlich von Klagenfurt, in Maria Rain, aufgewachsen und finanzierte sich sein ­Studium an der Wirtschaftsuni Wien mit semiprofes­sionellem Pokerspiel.

Außerdem ist er Serial Entrepreneur (dt.: Seriengründer) – vor Bitpanda hatte er bereits drei SoftwareFirmen gegründet.

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Er beschäftigt sich bereits seit 2010 mit Krypto, als es in Europa noch sehr schwer war, sich Bitcoin zu kaufen. Er ist heute CEO bei Bitpanda und Mitglied des FinTech-Beirats im Finanzministerium.

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Was steht am Beginn des amerikanischen Traums? Die Garage. Amazon, Apple und Google, drei der größten Unternehmen des frühen 21. Jahrhunderts, sind sogenannte Garagenfirmen.

Sie befeuern den Mythos, dass man den Weltmarkt auch dann erobern kann, wenn man zu Beginn nicht einmal ein Büro bezahlen kann. Aus Österreich sind wenige solche Garagen-Storys bekannt. Vielleicht wird man in vielen Jahren eher von der Autobahnraststätte sprechen, die am Beginn des österreichischen Traums stand. Denn genau dort, neben der Südautobahn, wurde das bisher erfolgreichste Startup des Landes gegründet. Bitpanda ist das erste und einzige Unicorn Österreichs, also ein Start-up, das mit über einer Milliarde Dollar bewertet wird. Und der Beginn dieser Erfolgsgeschichte klingt fast wie ein Witz: Im ersten Halbjahr 2014 verabredeten sich ein Norddeutscher, ein Kärntner und ein Steirer zu einem Treffen in einem schmucklosen Kaffeehaus irgendwo an der Autobahn zwischen Wien und Graz. Dort, an der Grenze zwischen ­Niederösterreich und der Steiermark, wurde nach etwas über zwei Stunden Gespräch von Eric Demuth, Paul Klanschek und Christian Trummer die Firma Bitpanda quasi gegründet, der Notartermin folgte nur wenige Wochen nach dem Treffen.

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Inzwischen hat das ehemals kleine Start-up Büros in Berlin, Barcelona, Dublin, Krakau, London, Madrid, Mailand und Amsterdam – doch die Zentrale ist in Wien geblieben. Und samt der mittlerweile 700 Mitarbeiter befindet es sich inzwischen im Wiener Prater, nur wenige hundert Meter entfernt von dem Ort, an dem sich zwei der drei Gründer, Demuth und Klanschek, erstmals getroffen haben. „Das war Ende 2013“, erzählt Klanschek. „Ich hatte schon ein halbes Jahr versucht, etwas auf die Beine zu stellen, und bin nicht weitergekommen. Dann habe ich Eric an der Wirtschaftsuniversität kennengelernt.“ 78

Die drei von der Tankstelle haben es in acht Jahren weit gebracht: Ihr Unter­nehmen ist das einzige Unicorn ­Österreichs, es wird mit über vier Milliarden Dollar bewertet.

Bitcoin war damals bedeutungslos und fast unbekannt. Die Kryptowährung zu kaufen war unendlich mühsam, zeit­ aufwendig und riskant. Man musste Geld nach Japan zu einer rudimentären Börse namens „Mt.Gox“ schicken, die Anfang 2014 schließlich gar zusammenbrach. Klanschek und Demuth hatten drei Dinge gemeinsam: Ihr Erstkontakt mit Bitcoin kam über die Onlinepoker-Community, wo Geldtransfers naturgemäß eine große Rolle spielen. Sie hielten die Bitcoin-Idee zuerst für Schwachsinn, änderten ihre Meinung jedoch rasch. Und am wichtigsten: Sie erkannten Ende 2014, dass es ein Problem zu lösen gab, und hatten damit eine brauchbare Geschäftsidee. Es brauchte eine europäische Bitcoin-Börse.

Doch zu Bitpanda fehlte das dritte Puzzleteil: der Programmierer. „Wir wussten: Wir können kein Hightech-Start-up gründen, ohne technischen Gründer. Wir kannten uns aus, aber wir konnten nicht programmieren“, sagt Demuth. Die beiden Studenten riefen Johannes Grill an, den Präsidenten des Vereins Bitcoin Austria. Er empfahl ihnen Christian Trummer, der tief in der südlichen Steiermark auf dem Bauernhof seiner Eltern saß und sich in seiner Freizeit mit Bitcoin beschäftigte. Daher das Treffen an der Autobahn. Es lag auf halbem Weg. Trummer war über den Aktienhandel auf Bitcoin gestoßen: „Es ist eine extrem interessante Verbindung aus Trading und Technologie. Bei Aktien konntest du damals nicht in die Börsen hineinblicken

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Merke: kein Hightech-Start-up ohne technischen Gründer. Also kontaktierten die beiden Christian Trummer, der tief in der Steiermark auf dem Bauernhof seiner Eltern saß.

und dir zum Beispiel das Orderbuch ansehen, also alle Kauf- und Verkaufsaufträge. Bei Bitcoin ging das immer schon. Alles war offen.“ Dass Trummer ein Interview gibt, grenzt übrigens an ein Wunder. Er stellte schon bei der Gründung klar: kein Geschäftsführerposten, keine Medien und am besten auch kein Umzug nach Wien. So nahm Bitpanda als Brokerdienst für Kryptowährungen seinen Anfang und war schnell der größte und sicherste in Europa. Daraus entwickelte sich eine Online-Börse, über die nicht nur mit Bitcoin & Co gehandelt werden kann. Bitpanda bietet heute tausende Assets an: neben Bitcoin, Ethereum und vielen anderen Kryptos auch Aktien, Fonds, Gold und Silber. „Als ich angefangen habe, mich dafür zu interessieren, war Bitcoin noch bei Centbeträgen“, erzählt Klanschek. „Es gab Phasen, wo wir nicht wussten,

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ob es überhaupt weitergeht. Oder ob das Ding stirbt.“ Doch die kleine Firma lief gut. Nach dem Treffen in der Autobahnraststätte kam Demuths Wohnung im 15. Wiener Gemeindebezirk, die eine Zeitlang als Firmenzentrale diente, rund ein Jahr nach dem Treffen folgte der große Launch. Am 15. Dezember 2014 wurde über Facebook bekanntgegeben: „Wir sind da, kauft Bitcoin bei uns.“

Und dann ging es los. Es folgten zwei Co-Working Spaces im siebten und neunten Wiener Gemeinde­ bezirk, die erste Mitarbeiterin wurde eingestellt. Im ersten „echten“ Büro von Bitpanda, in der Wiener Burggasse im siebten Bezirk, richteten seine Mitgründer dem Programmierer Trummer dann ein kleines Zimmer ein. Seine ­Weigerung umzuziehen musste er aufgeben, es ging nicht anders. Inzwischen hat er eine Bleibe in Wien, zum Schlafen. Demuth erzählt: „Paul und ich fuhren zu Ikea, um Möbel für das ganze Büro zu kaufen. Und ein Bett für Christian. Das kam in ein Zimmer, damit er nicht jeden Tag in die Steiermark fahren muss.“ Wenig später mietete Trummer seine erste Wohnung in Wien, gleich über dem Büro. Die Kammer war ihm dann doch zu klein. Und Interviews? Alle heiligen Zeiten. Doch bei einem blieb er hart: Das Bitpanda-Imperium besteht inzwischen aus rund zwanzig Firmen in mehreren Ländern. Bei keiner einzigen ist Trummer in der Geschäftsführung.

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Dafür steckt er tief drinnen in der eigentlichen DNA des Unternehmens, dem Code. „Christian ist der typische Gründer-CTO“, sagt Klanschek: „Den bekommst du nicht mehr raus. Er hat den Code geschrieben. Er kennt jede Zeile.“ Vielleicht liegt es daran, dass

Am 15. Dezember 2014 erfolgte die Bekanntgabe über Facebook: „Wir sind da, kauft Bitcoin bei uns.“ Und so fing es an.

Trummer öffentlichkeitsscheu ist. Vielleicht daran, dass Bitcoin, Krypto und der kometenhafte Aufstieg von Bitpanda an sich so viel Gesprächsstoff liefert, dass man über die Technik dahinter gar nicht viel reden muss. Dabei ist das FinTech-Unternehmen, kurz für Financial Technology, ein Start-up, das es mit den Besten aus dem Silicon Valley aufnehmen kann und in mehreren Runden hunderte Millionen­ Euro von Investoren eingesammelt hat. Und dessen Technik nun sozusagen vermietet wird, „White Label“ nennt sich das. Der neueste Geschäftsbereich für Bitpanda ist, ihren Service anderen Playern als Paket anzubieten. Banken beispielsweise, wie der französischen Mobile-Bank Lydia. „Unsere Technik, eure Kunden“, sagt Demuth dazu, in dessen Worten das Geschäft bisher „krass gut anrennt“. Wobei er zu bedenken gibt: „Du wirst in der Finanzwelt nie eine W ­ inner-takes-it-all-Situation haben. Es wird zum Beispiel immer regionale Banken geben, das ist nicht wie bei Google oder Facebook.“

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„Jahrelang wurden wir behandelt wie die größten Trottel. Und jetzt sagen alle: Schaut euch an, was die Jungs geschafft haben!“ INNOVATOR


Seit wenigen ­Monaten residieren die Bitpandas bei der Trabrennbahn, in unmittelbarer Nähe zur WU, im 2. Bezirk: 700 Mitarbeiter arbeiten hier auf 8000 Quadratmetern.

Inzwischen schießen überall Krypto­ firmen und Neobroker, eine neue Generation von Online-Brokern, aus dem Boden: rasche Anmeldung, schickes Design, coole Features. Das Investieren ist in den vergangenen zwei Jahren ­endgültig bei der Generation Smartphone angekommen. Und allen ist klar, wohin die Reise geht: Egal ob Bitpanda, Coinbase, Robinhood oder Trade ­Republic – am Ende werden alle alles anbieten, von Aktien bis Krypto. Da wird fast vergessen, wie lange die ­Bitpanda-Gründer belächelt wurden. Wie ihnen – und allen anderen BitcoinFirmen – das Leben schwer gemacht wurde. „Jahrelang wurden wir behan­ delt wie die größten Trottel, und jetzt sagen alle: Schaut euch an, was die Jungs geschafft haben“, resümiert Klan­ schek. „Aber gut, immerhin, die Leute haben dazugelernt.“

Bitpanda hat Standorte in zahlreichen europäischen Städten: die Zentrale in Wien (1) sowie: Berlin (2), Barcelona (3), Dublin (4), Krakau (5), London (6), Madrid (7), Mailand (8) und Amsterdam (9).

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Eine Nagelprobe für die damals noch junge Firma gab es 2017, dem Jahr, in dem die ganze Welt erstmals von Bitcoin und den vielen anderen Kryptowährun­ gen hören sollte. Die Medien berichteten permanent, Prominente sprangen auf, Bitcoin stieg innerhalb weniger Wochen von 5000 auf fast 20.000 Dollar. Die Börsen waren überfordert. In den letzten Wochen des Jahres war schon ein Profi, wer überhaupt ein Konto bei einem der großen Anbieter hatte. Denn Coinbase, Kraken, Binance und Bittrex mussten Neuanmeldungen sperren. Zu groß war der Andrang. Bitpanda blieb offen. „Wir waren die einzige Plattform in Europa, die immer Neukunden aufnehmen konnte“, erzählt Eric Demuth nicht ohne Stolz. Bitpanda hatte vor­gebaut, die Prozesse zur An­meldung und Identifizierung waren erprobt, und die Mitarbeiter legten Nachtschichten ein. 81


Ein Jahr nach der Gründung trafen die drei ihre beste Entscheidung: Sie änderten den Firmennamen. Der Panda ist heute fast schon in ihrer DNA, natürlich sind sie auch Paten der Großen Pandas im Zoo Schönbrunn.

ten. Einzig Demuth hat so etwas wie Erfahrung in einem Betrieb, allerdings eher einem – wie soll man sagen – speziellen. Zwei Jahre ist der Norddeutsche im Maschinenraum eines Schiffs zur See gefahren. „Ich wollte Nautik studieren“, erzählt er. „Das habe ich dann schnell sein lassen. Aber die Zeit will ich nicht missen, ich habe viel gelernt.“ ­Geblieben sind die heißgeliebten Rollkragenpullis – und die direkte Feedback-Kultur des Norddeutschen. Bis heute fungiert Demuth als Sprachrohr der Firma. Medien, Partner, Konkurrenten – sie kommen zu ihm, denn auch Klanschek ist kein Fan von Öffentlichkeits­arbeit.

Die beste Entscheidung? Den Firmennamen von „Coinimal“ in „Bitpanda“ zu ändern. Und das ein Jahr nach der Gründung.

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In nur acht Jahren schoss Bitpanda von null auf eine aktuelle Bewertung von über vier Milliarden Dollar. Dazu waren großer Mut, viel Arbeit und auch ein bisschen Glück notwendig. Dabei hatten die Gründer Demuth, Klanschek und Trummer vor Bitpanda jedenfalls keine „echten Jobs“, wie sie erzählen. Sie waren nie angestellt, sondern immer selbständig oder unternehmerisch tätig. Man kann auch sagen: Sie improvisier-

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Gibt es etwas, was die Gründer bereuen? „Vielleicht, dass wir nicht rascher die VC-Route gegangen sind“, sagt Demuth. VC steht für Venture Capital. Geldgeber, meist aus den USA, die auch Erfahrung und Appeal mitbringen. „Es ist unglaublich: Du bekommst ganz andere Zugänge, Partnerschaften, Mitarbeiter oder Banken.“ Neue Türen gehen auf: „Ab einer gewissen Größe brauchst du die richtigen­ Partner.“ Aber anders als viele andere Gründer haben die drei Jungs von der Raststätte immer noch die Kontrolle über ihre Firma, weil sie gemeinsam mehr als fünfzig Prozent besitzen. Und ihre beste Entscheidung? Die kam ein Jahr nach der Gründung. Denn die bis jetzt erzählte Geschichte hat einen Schönheitsfehler. An der Autobahn wurde eigentlich nicht Bitpanda gegründet, sondern eine Firma mit einem Namen wie ein Zungenbrecher: Coinimal. Und dieser Name stand nun im Weg, das zu erreichen, wofür die drei Gründer ursprünglich zusammengekommen waren: den Nutzern einen einfacheren Zugang zu Bitcoin zu gewähren. Man brauchte einen neuen Firmen­ namen. Einen, der einfacher zu merken war. Zwei Argumente sprachen für den alten Namen: „Wir hatten bereits rund 10.000 Kunden, es gab schon Sorgen wegen der Brand Recognition“, erzählen sie heute. Trummer, der Techniker, leistete aus einem anderen Grund Widerstand: Bei einem Namenswechsel müsste er den ganzen Code ändern. Die anderen beiden waren trotzdem dafür – und setzten sich durch. Einzig der Panda musste nicht erst erfunden werden, der war schon vorher Teil des Logos. INNOVATOR


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Da bleibt nur eine letzte Frage: Bleibt Bitcoin eine feste Größe in unserem Zahlungssystem? D Das ist gleichzeitig die 1000-Milliarden-Dollar-Frage, so viel Geld steckt nämlich inzwischen in Bitcoin. Was, wenn er verboten wird? Die neue Technologie bedroht staatliche Macht, sie stellt in ihrer grenzenund staatenlosen digitalen Welt eine Alternative zum herkömmlichen Geldsystem dar. Die Frage ist also nur angebracht. Die kurze Antwort wäre: Bitcoin zu verbieten ist nicht so einfach. Um nicht zu sagen, unmöglich. Darauf ­waren die Cypher­punks nämlich vorbereitet, und es ist ein Grund, war­um Dezentralität im Aufbau so wichtig war. Mit jedem M ­ iner, der mitmacht, mit jeder Node, jedem Bitcoin-Nutzer ist ein Verbot schwieriger umzusetzen. Versucht hat das etwa Nigeria – und musste das Verbot nach ­wenigen Wochen wieder aufheben. Die Bitcoin-Nutzung hatte sich innerhalb dieser Zeit um den Faktor drei vervielfacht. Vielleicht, weil die Menschen angenommen hatten, wenn die Regierung es verbietet, muss Bitcoin erst recht einen Nutzen haben.

Mit jedem Miner, der mitmacht, mit jeder Node, jedem BitcoinNutzer ist ein Verbot schwieriger umzusetzen. INNOVATOR

Es können Besitz und Handel verboten werden, die Einhaltung dieser Verbote ist allerdings kaum überprüfbar. Es könnte auch der Strom abgeschaltet werden, aber dann entstehen ­andere Probleme – etwa, dass niemand mehr Strom hat. Ähnliches gilt für das Internet. Abgesehen davon haben einige ausgefuchste Unternehmer längst Satelliten ins All geschossen, über die man die BitcoinBlockchain auch ohne Internetanschluss erreichen kann (nein, das ist kein Scherz). China, damals der wichtigste Standort für das Schürfen von Bitcoin, versuchte 2021, das ­Mining zu verbieten, was zu ­einer kurzen Panik am Markt führte. Zu einer sehr kurzen. Dann wanderten die Miner in ein anderes Land ab. Und wurden freudig in einigen US-Bundesstaaten aufgenommen. In den USA könnte ein Verbot Bitcoin tatsächlich schaden, da dort die größten Kapitalmärkte liegen. Die Zeichen stehen allerdings in eine andere Richtung: Staaten wie Texas und Wyoming oder Städte wie Miami und New York setzen auf Bitcoin als Zukunftstechnologie, die zuständige Aufsichtsbehörde gibt sich Bitcoin-freundlich. Ein Verbot ist deshalb zunehmend unwahrscheinlich. Anzunehmen ist jedoch, dass es zu einer stärkeren Regulierung kommt. Das betrifft vor allem die Betreiber von Börsen, die den­ selben Regeln wie andere Finanzdienstleister unterworfen werden – so sollen Geldwäsche und illegale Zahlungen verhindert werden. Die EU bereitet gerade ein großes Paket zum Thema „Kryptoregulierung“ vor, das alle Regeln in Europa vereinheitlichen­ soll („MiCa“) – über Details wird verhandelt. Und zwar noch ­mindestens ein Jahr lang.

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ELEKTRISIERENDE PERFORMANCE Made in Austria

Der erste vollelektrische Jaguar hört auf den Namen I-PACE und läuft bei Magna Steyr in Graz vom Band.

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rstmals in der Geschichte wird ein ­Jaguar rein elektrisch angetrieben. Eine hohe Reichweite, vereint mit der typischen Performance der britischen Raubkatze, macht den Jaguar I‑PACE zu einem sportlichen Alltagsbegleiter fernab des Alltäglichen. Ein weiteres Novum: Der preisgekrönte Perfor‑ mance-SUV wurde als erster Jaguar überhaupt ­außerhalb Großbritanniens gebaut – bei Magna Steyr in Graz. Mit zwei Elektromotoren auf leise Pfoten Zur Einordnung: Der Jaguar I-PACE ist ein reines Elektroauto – also kein Plug-in-Hybrid, bei dem ELEKTRISCHE LEISTUNG Dank der elektrischen Motoren und der nahe­ zu perfekten Gewichtsverteilung stellt das Fahrzeug ein sofort nutzbares Dreh­ moment von 696 Nm bereit und be­ sticht durch die für einen Sport­ wagen typische Agilität.

z­ usätzlich ein Benziner oder Diesel mit an Bord ist. Zwei Motoren hat der I-PACE dennoch, denn Jaguar hat in jede Achse jeweils einen Elektromotor inte­ griert und sorgt so gleichzeitig für den Allradantrieb. Gemeinsam wird eine Leistung von beeindruckenden 294 kW (400 PS) erzeugt, was die Raubkatze zum echten Power-SUV macht: Die Beschleunigung von 0 auf 100 Stundenkilometer wird in 4,8 Sekunden erledigt. Fast noch spannender ist die Frage nach der Reichweite. Im neuen Jaguar I-PACE kommt ein Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von 90 kWh und 432 Zellen zum Einsatz. Damit soll der voll­ elektrische Jaguar einen Aktionsradius von bis zu 470 Kilometern (nach WLTP-Standard) erzielen können – eine Alltagsreichweite auf hohem Niveau.


GARANTIE: ACHT JAHRE ODER 160.000 KILOMETER Die Batterie des I-PACE wurde auf Langlebigkeit ausgelegt und erlaubt maximale Leistung über längere Zeiträume hinweg.

Sehen lassen können sich auch die Daten zum Aufladen der Batterie: Wer Zugriff auf eine Gleichstrom-Schnellladestation mit 100 kW hat, kann den Jaguar dort bereits während eines kurzen Stadtbummels fast vollständig wieder aufladen: Binnen 40 Minuten lässt sich der I-PACE wieder auf 80 Prozent der Akku-Kapazität bringen.*** Und in nur einer Viertelstunde kann Strom für rund 100 Kilometer emissonsfreien Fahrspaß „­ getankt“ werden.

Elektrisierend ist auch das Design Der I-PACE definiert die für Jaguar typische Kombination aus sportlichem Design und hochwertiger Handwerkskunst neu und bietet einen geräumigen Innenraum mit nahtlos inte­ grierter Technologie. Dies macht sich unter anderem beim Platzangebot bemerkbar. So steht ein Kofferraumvolumen von 656 bis 1.453 Litern zur Verfügung. Innovativ sind auch die Bedienelemente, wie beispielsweise das neue Infotainment-System Pivi Pro.

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von richtig guten Leuten

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EVENTS Seit mehr als 12 Jahren leitet Patricia Zupan-­ Eugster gemeinsam mit ihrer Schwester Verena Eugster die Event­ agentur W3 Marketing.

Als Eventplanerin und Mitbegründerin des Female Future Festivals weiß Patricia Zupan-­Eugster, 43, wie man auch in unsteten Zeiten gelungene Veranstaltungen auf die Beine stellt. Im Interview verrät sie, wie das funktioniert.

„SO WIRD AUCH DEIN EVENT EIN ERFOLG“ Patricia Zupan-­Eugster

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Das war auch schon vor der Pandemie so. Dieses Worst-Case-Szenario-Denken hat sich natürlich durch Corona verstärkt – aber ja, ausbremsen l­ assen wir uns trotzdem nicht. Deine Arbeit als Veranstalterin hat sich in den letzten zwei Jahren aber trotzdem verändert, oder? Ja, man muss heute noch flexibler sein, noch gelassener reagieren und noch mehr auf die Bedürfnisse aller B ­ eteiligten

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W3/STEFAN MAYR

the red bulletin innovator: 2019 hast du mit deiner Schwester erstmals das Female Future Festival am Bodensee ausgerichtet. 2022 sind es bereits fünf Termine, darunter Stopps in Graz und Wien, zusätzlich expandiert ihr nach München und Zürich. Corona kann euch nichts anhaben – oder wie lässt sich das deuten? patricia zupan-eugster: Als „Event­ lerin“ gehe ich immer vom Besten aus, rechne aber mit dem Schlimmsten.


S A V E T H E D AT E achten. Speziell das Thema Sicherheit ist enorm wichtig. Hygienekonzepte müssen passen, damit sich die Besucher so wohl wie möglich fühlen. Bei dem Thema gibt es keine Kompromisse. Zugleich muss man sich aber auch dessen bewusst sein, dass es immer Dinge geben wird, die man nicht in der Hand hat. ­Darum ist mein Nummer-eins-Tipp: ­immer einen Plan B haben. Mal angenommen, die Technik streikt – wie sieht dein Plan B aus? Zunächst rate ich jedem, nicht erst am Tag des Events zu checken, ob der Beamer läuft und die Internetverbindung stabil ist. Schaut euch alles mindestens am Vortag an. So kann man reagieren, Ersatzgeräte besorgen oder Spezialisten kommen lassen. Und so merkt man auch, wie schwach oder auf Zack die lokale Technik-Crew ist. Im Ernstfall eine Person aus dem eigenen Team freischaufeln, damit die sich nur darauf fokussieren kann. Denn egal wie gut die Inhalte sind, wenn Technik oder Catering nicht passen, wird es niemals eine erfolgreiche Veranstaltung. Wie seid ihr im Team aufgestellt, um solche Ausfälle abzufedern? Wir sind insgesamt zwölf Leute und nach dem Vier-Augen-Prinzip organisiert. Wenn ich verhindert bin, wissen ­meine Kolleginnen Verena und Sarah über alles ­Bescheid, und umgekehrt. Es gibt nicht die eine Person, die das ganze Event überblickt, sondern alles ist runtergebrochen in kleinere Arbeitsgruppen, die aus mindestens zwei Personen bestehen. Und wenn kurzfristig eine Speakerin ausfällt? Uns ist von vornherein wichtig, mit den Speakerinnen persönlich zu sprechen, nicht über irgendwelche Manager. Dadurch ist deren Bindung zu uns und dem Event eine ganz andere. Und wir besprechen auch immer direkt, wie das Ganze abläuft, falls das Festival oder der Auftritt kurzfristig virtuell stattfinden muss. Das kann ja auch einmal ganz simpel daran liegen, dass ein Flug storniert wird. ­Ansonsten, wie gesagt: alles so flexibel wie möglich gestalten, Programmpunkte tauschen oder eine spontane Masterclass mit einer Speakerin aus der näheren ­Umgebung machen. Genau da zahlt sich eben der persönliche Draht wieder aus. Ähnlich halten wir es übrigens auch mit unseren Partnern.

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Wie kann man sich das vorstellen? Wir machen kein klassisches Sponsoring nach dem Motto „Gib mir dein Logo, und ich klatsch es für Geld irgendwohin“. Uns geht es um langfristige stabile Beziehungen. Dann ist auch mehr Verständnis da, wenn man umdisponieren, verschieben oder wirklich absagen muss. In solchen Fällen ist uns aber auch wichtig, Ersatzleistungen anzubieten. Einmal haben wir zum Beispiel Überraschungsboxen mit verschiedenen Goodies für alle Ticket­ besitzer rausgeschickt. Oder wir haben Online-Workshops organisiert, bei denen sich die Firmen dann präsentieren können. Mit dieser Devise sind wir super gefahren. So sind uns während der vergangenen zwei Jahre alle Partnerschaften erhalten geblieben. Welchen Anreiz schafft ihr für Be­ sucher, trotz aller Verunsicherungen wieder eure Events zu besuchen? Wir versuchen, das ganze Jahr über Kontakt zur Community zu halten und regelmäßig spannende Angebote und Inhalte per Mail oder online zu liefern. Davon abgesehen wird neben coolen Speakerinnen, gutem Essen und schönen Locations Networking vor Ort wieder eine große Rolle spielen. Dafür feilen wir bereits an verschiedenen Formaten, Round Tables oder Walk & Talks mit unseren Expertinnen und Experten. Wie blickst du im Moment auf die ­Zukunft deiner Branche? Sehr positiv. Speziell im Herbst 2022 wird viel los sein, ich denke, die meisten Veranstalter werden auch die Online-­ Livestreams beibehalten. Zugleich bin ich aber davon überzeugt, dass das niemals die Emotion realer Treffen ersetzen kann – das Lachen, den Austausch, die Begeisterung. Denn am Ende kann die Unterhaltung mit einer fremden, offenen Person genauso inspirierend sein wie der Vortrag einer Star-Speakerin auf der Mainstage.

5 × Female Future Festival 2022 Bodensee: 4. Mai Zürich: 15. September Graz: 29. September Wien: 6. Oktober München: 27. Oktober Alle Infos unter female-future.com

PATRICIAS TERMIN -TIPPS

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und 18. Mai 2022 „Auf ihrer Website versprechen sie das heftigste OMRFestival aller Zeiten: TopSpeaker wie Scott Galloway, kreatives Entertainment (mit dem Hamburger Fischerchor oder Lars Ulrich) sowie ­Aftershow-Party mit Live­ musik. Da ist Networking der anderen Art angesagt.“ #OMR22 – Das Festival für das ­Digitale Universum, Hamburg omr.com

1.

und 2. Juni 2022 „Ich fand die erste virtuelle Ausgabe des ‚Lead Today ­Shape Tomorrow‘ von den ­Female Founders im Vorjahr sehr gelungen. Ihren Schwerpunkt, mehr weibliche Talente für die Tech-Szene zu begeistern, haben sie superkreativ umgesetzt. Umso gespannter bin ich, was sie sich heuer überlegt haben.“ Lead Today Shape Tomorrow, Wien leadtodayshapetmrw.org

23.

bis 26. September 2022 „Das Festival steht schon länger auf meiner Liste, dieses Jahr soll es endlich mit dem Besuch klappen. Schweizer Events legen den Fokus oft stärker auf den Inhalt als auf das Drumherum. Ich bin trotzdem sehr gespannt auf die ­Location, das Catering und ­natürlich auf die Speaker.“ Digital Festival Zürich digitalfestival.ch

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EVENTTIPPS DER REDAKTION Nach einer langen Durststrecke steigt die Vorfreude auf reale Treffen und echten Austausch. Hier sind vier Termine, die du nicht verpassen solltest.

SAVE THE DATE 28.

bis 30. Juni 2022

Es ist ein Potpourri vieler Dinge, die auf den ersten Blick gegensätzlich wirken, sich am Ende aber ideal ergänzen: Nach­ wuchs­aktivisten treffen auf ­etablierte Politiker. Große Unternehmer diskutieren mit jungen Start-up-Gründern. Auf Key­ notes folgen Music-Acts. So passt es auch, dass man beim 4Gamechangers-Festival an zwei Tagen live per Stream oder im TV-Studio dabei sein kann, der Abschluss dann aber beim großen Sommerfest in der ­Wiener Marx Halle zelebriert wird – frei nach der Devise: Work hard, play hard.

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und 10. Juni 2022

„Unite. Create. Solve.“ Und das auf möglichst kreative Art und Weise – so das selbst erklärte Ziel des diesjährigen Fifteen Seconds Festivals. ­Damit das mit dem Vereinigen, Gestalten und Lösen klappt, treffen an verschiedenen ­Locations in Graz (diesmal auch wieder in der Stadthalle) Top-Speaker auf zehntausende Besucher.

23.

Mai bis 3. Juni 2022

Nachdem die ViennaUP 2021 komplett digital stattfinden musste, soll es nun ein Hybrid aus etwa fünfzig Vor-Ort- und Online-Formaten werden. In Workshops, Konferenzen und Vorträgen will man internationale und lokale Start-ups mit Visio­ nären und Geldgebern zusammenbringen. Der Fokus liegt dabei auf Themen wie FinTech, Smart City und Life Sciences. ViennaUP’22 viennaup.com

11.

und 12. Mai 2022

Das Netzwerkformat salz21 bringt zwei Tage lang im Messezentrum Salzburg Klein- und mittelständische Betriebe, Start-ups und Investoren ­zusammen. Dabei stets im ­Fokus: die Zukunft – egal ob in Bezug auf Mobilität, künst­ liche Intelligenz, Tourismus oder Green Tech. In einer ­eigenen „Innovation Area“ kann man solche zukunfts­ weisenden Technologien auch direkt selbst erleben. Salz21 salz21.at

Fifteen Seconds Festival fifteenseconds.co

KARIN HACKL, FIFTEEN SECONDS, MZS.AT

4Gamechangers 4gamechangers.io

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INNOVATOR


Noch mehr kreative Köpfe Innovator by The Red Bulletin gibt’s auch zum Anhören: inspirierende Interviews, Expertenwissen, kreative Selbstversuche. Laura Larsson entdeckt im Podcast „Innovator Sessions“ Kreativität auf eine neue Art und verrät dir Tipps und Tricks, wie auch du mehr Kreativität in deinen Alltag integrieren kannst.

AB APRIL

überall, wo es Podcasts gibt. Jetzt reinhören und gleich abonnieren.


K O M M E N TA R E K O M M E N T I E R T

The Red Bulletin Innovator

Dieser Bus revolutioniert die Autoindustrie Das Start-up ElectricBrands entwickelte den XBUS nach dem „Lego-Prinzip“.

FAN-POST Innovation sorgt für Irritation. Und Irritation für lustige Kommentare auf Social Media. Hier beziehen Innovatoren zu den Posts Stellung. Diesmal: Mobility-Pionier Martin Henne über seinen Elektrobus XBUS.

D Herb van Dijk

Vergrößertes Playmobil-­ Spielzeug??

Hanns-Helmut Köpke

Das Ding sieht aus wie ein russischer Gefangenentransporter.

Robert Falkner

Billiger Bulli T1, Chinesennachbau.

as deutsche Unternehmen ­ElectricBrands hat mit dem XBUS ein außergewöhnliches Gefährt entwickelt – mit 20 PS, bis zu 800 Kilometer Reichweite, einem smarten Modulsystem für Einsätze als Transporter, Pick-up oder als Campingbus – und nicht zuletzt mit der Fähig­keit zu polarisieren. Auf der INNOVATOR-­­Facebook-Seite (Liken erlaubt!) zog das Video zum Artikel aus unserer letzten Ausgabe hunderte Reaktionen und Postings nach sich. Wir ­geben nicht nur mit Freude drei der kreativsten wieder, sondern Electric­Brands-CEO Martin Henne zugleich die Möglichkeit, diese gleich selbst zu kommentieren. Denn eines steht fest: Der XBUS wird kommen – ob er gefällt oder nicht.

Martin Henne

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Martin Henne

arbeitete von 2011 bis 2021 als Managing Director bei der CT Engineering Group mit Fokus auf Automotive, Luftfahrt, Schienenfahrzeuge und erneuerbare ­Energien. Seit letztem Jahr ist er CEO des Mobility-Start-ups ElectricBrands.

INNOVATOR

ELECTRICBRANDS.DE

Danke für das Feedback! Den Vergleich mit dem Bulli hören wir oft – das ist ein Kult­auto, bei dem ­vieles richtig gemacht wurde. Daran knüpft ja unser „Keep it simple“-Motto an. Design ist immer Geschmacks­sache und kann polarisieren. Aber hey, ­Polarisierung ist bereichernd, regt zu ­Diskussionen an und kann Veränderungen vorantreiben. Und genau das wollen wir: Mobilität nachhaltig verändern.


1. Aus welchem Buch hast du am meisten gelernt? „Radical Candor: How to Get What You Want by Saying What You Mean“ von Kim Scott. Der Untertitel beschreibt sehr gut, worum es geht: Wie setzt man radikale Ehrlichkeit in Teams oder privat um? Das Buch ist eher schwere Kost, aber durch die vielen witzigen Beispiele und Situationen gut nachvollziehbar.

M Y F AV O U R I T E S

DIE TOOLS DER SEX-PIONIERIN

4. Bei welchem ­Podcast verpasst du keine Folge?

Welchen Apps und Inspirationsquellen „femtasy“-Gründerin Nina Julie Lepique im Alltag vertraut.

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5. Welche App hast du zuletzt für dich entdeckt?

2. Welchen News­ letter liest du bis zum Ende? Den von product. growth. Das ist ein cooler Newsletter von Produktdesignern, die bekannte Apps analysieren und konkretes Feedback geben. Auch als Nicht-Designer kann man viel lernen: wie man Business Metrics optimiert, wie man Features neu denkt, wie man mit Usern kommuniziert.

3. Welchen Instagram-­ Account likst du am häufigsten? Ich finde Lea-Sophie Cramers Account gut. Eine Mischung aus leicht konsumier­ baren Learnings und guten Einblicken über Ups und Downs aus dem Gründe­ rinnen-Alltag.

„Baby got Business“ von Ann-Katrin Schmitz ist meine Nummer eins. Wenn es witziger sein soll, aber ebenso mit schlauen Inhalten, dann empfehle ich „Weibers“ von Toyah Diebel und Leila Lowfire.

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Die Leadership-­ Training-App Bunch. Ich habe vor kurzem ­einen der Gründer kennengelernt. Er und sein Team liefern snackable Leadership-Tipps für ­jeden Tag. Du kannst unter mehreren Bereichen auswählen, je nachdem, in welchem Bereich du noch was lernen möchtest. Ich habe mich etwa für „Mehr Fokus“ entschieden.

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Nina Julie Lepique

Welche digitale „Guilty Pleasure“ erlaubst du dir? Ich erlaube mir viel digitale „Pleasure“ bei den femtasyStorys, aber das ist nicht guilty. Also muss ich zugeben: Ich lese manchmal Promiflash, auch wenn es mich eigentlich gar nicht ­interessiert.

hat sich die sexuellen Bedürfnisse von Frauen zum Beruf gemacht: Mit femtasy (ein Kofferwort aus female fantasy) gründete sie 2017 eine Plattform für erotische Audio-Formate, die sich speziell an Hörerinnen ­richtet. Fünf Jahre später steht die 28-Jährige einem 30-köpfigen Team vor und schreibt Umsätze in Millionenhöhe. Im Podcast INNOVATOR Sessions spricht sie über ihren Erfolgsweg und ihre größte Stärke: Ehrlichkeit. INNOVATOR Sessions gibt es auf allen gängigen Podcast-Plattformen zu hören.

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BIOHACKING-GADGET

„ DIESE GLOCKE BRINGT DICH IN BALANCE“ Biohacker Andreas Breitfeld zeigt uns Gadgets, die unser Leben verbessern. Dieses Mal: wie wir uns mit der Echobell in Ruhe schwingen. Außen Design, das an Esoterik erinnert, innen ein Hightech-­ Motor, der den Stößel (ganz ­unten) exakt vibrieren lässt.

Andreas Breitfeld

nimmt als Biohacker seine Gesundheit selbst in die Hand und in seinem Labor Gadgets auf den Prüfstand. Für uns bewertet er diese Gadgets – hier und in seiner Video-Serie. Code scannen und ansehen:

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Da Nervenendpunkte mit dem Mandel­ kern – also dem Emotionszentrum in ­unserem Gehirn – verbunden sind, sorgt das für Entspannung. Der begleitende Ton fördert diesen Prozess noch und wirkt zudem gegen Geräuschverschmutzung, die uns im Alltag meist umgibt. Für mich ist die Echobell mittlerweile ein unver­ zichtbarer Teil meines Abendrituals. 630 Euro; echobell.com GADGE T- O - ME TER

KLAUS PICHLER, NORMAN KONRAD

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pätestens wenn wir die Welt auf ­Molekularebene betrachten, müssen wir uns vom statischen Weltbild ver­ abschieden. Fast alles um uns herum und auch wir sind ständig in Bewegung. Diese Schwingung beeinflusst u. a. die Aktivität unserer Mitochondrien, also unserer ­Zellkraftwerke. Und genau hier setzt die Echobell an. Eine Kombination von feinen Schwingungen und einem subtilen Ton soll harmonisierend wirken und Stress abbauen. Klingt sehr ambitioniert, funk­ tioniert aber tatsächlich. Dafür wird das deorollergroße Gadget für ein paar Minuten an unterschiedlichen Nerven­ endpunkten wie etwa der Handinnen­ fläche platziert, während der Stößel am ­Boden des Geräts dank Hightech-­ Motor hochfrequent vibriert.

Schnäppchen Luxus 0

für jedermann 0

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für Freaks 10

Wissenschaft Esoterik 0

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DAS JAHRESABO

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KOLUMNE

Top-Speaker Ali Mahlodji erklärt, wieso ihm die Basketball-Ikone in Phasen der Unsicherheit hilft und wie wir Superkräfte auch in uns wecken.

WAS WÜRDE MICHAEL JORDAN TUN?

Widrig­keiten zum Trotz eines konnte: cool bleiben. Wir nennen es gerne auch Gelassenheit. In meiner Jugend war Michael Jordan mein Held. Für mich als stotternden und schüchternen Jugendlichen, dessen Klamotten jahrelang nur secondhand waren, war er diese eine, diese ganz spezielle Person, die mir Kraft gab. Aus einem „einfachen“ Grund: Er schaffte es auch in Situationen, in denen die Er­ wartungshaltung an ihn riesig war, bei sich zu bleiben und sich auf sein Können zu verlassen.

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ir schreiben den 7. Mai 1989: Noch wenige Sekunden im finalen Spiel der ersten Runde der NBA Finals zwischen den Chicago Bulls und den Cleveland Cavaliers. Cleveland führt vor eigenem Publikum mit einem Punkt. Der Ball wird eingeworfen, und trotz heftiger Defense findet er zu Michael Jordan. Der macht zwei Schritte, springt … und für einen Augenblick steht die Zeit still. In dem Moment, in dem der Ball von ­seinen Fingern tropft, ahnen alle, dass sie wieder einmal Zeugen davon werden, wie Michael Jordan mit dem Rücken zur Wand das Spiel zu Gunsten seiner Bulls umdreht. Im Laufe des Spiels hatte die Führung sechsmal gewechselt, doch zum Schluss zeigt das Scoreboard 101:100 für die Chicago Bulls. Warum erzähle ich das? Weil es ein einzigartiger Moment war? Nein. Sondern weil es eben kein einzigartiger Moment war. Jordans Leistung an diesem Abend war keine Ausnahme, sondern die Regel, die diesen Ausnahmesportler bestätigt. Michael Jordan war wie schon so oft die eine Person am Spielfeld, die allen

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Ali Mahlodji ist ein Meister des Wandels: vom Schulabbrecher zum Start-up-Gründer und Unternehmensberater, vom stotternden Flüchtlingskind zu einem der Top-Speaker im deutschsprachigen Raum. Der 41-Jährige ist EU-Jugend­ botschafter, Podcaster, Autor und nun auch Kolumnist. Seine Beiträge online: redbull.com/innovator

Von dem Moment an, als er in mein L ­ eben kam (es war ein Basketballheft von einem Kumpel), bis heute stelle ich mir, wenn ich vor einer schier unüberwind­baren Hürde stehe, die Frage: „Was würde ­Michael tun?“ Und in diesen Momenten erkenne ich dann schlagartig, dass ge­ rade in Phasen der Unsicherheit nur die innere Gelassenheit das Fundament für die nächsten klugen Schritte sein kann. Gelassenheit ist eine Superpower. Weil sie gegenwärtig ist. Wir erleben ständig, dass Menschen um uns herum Angst vor der Zukunft haben – und bei aller Panik die eine Sache übersehen, die wirklich zählt: den Fokus auf die Dinge, die wir tatsächlich ändern können. Natür­ lich stehen uns Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben, oft im Weg. Mental soll­ ten sie uns aber nicht im Weg stehen. Durch Michael Jordan habe ich gelernt, dass alles, was wir tun, niemals nur am Output zu bewerten ist, sondern daran, wie wir die Dinge sehen. Die mentale Haltung einer problematischen Situation gegenüber definiert viel eher unsere ­Lösungsfindung als die Frage, welche Tools wir anwenden. Gerade ältere Menschen sind sehr gut darin, dann gelassen zu bleiben, wenn meine Generation mal wieder den Teufel an die Wand malt. Was ältere Menschen uns voraushaben, ist die Weisheit, dass

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MATO JOHANNIK

Mit der Kraft der Gelassenheit


IMPRESSUM

der Fluss des Lebens eine Mischung aus Stromschnellen und ruhigen Bade­ plätzen vereint und dass wir Menschen mit beidem umgehen können. Voraus­ gesetzt, wir sehen das Leben nicht als eine einzige heimtückische Stromschnelle.

Lernen von Alten … oder Kindern

Was wir brauchen, damit Gelassenheit unser täglicher Begleiter wird, sind das Vertrauen in uns selbst und die un­ schuldige Naivität unserer Kindheit, mit der wir aus dem Nichts heraus den auf­ rechten Gang erlernt haben. Wohlgemerkt sind wir damals ständig hingefallen, ­haben uns das Knie angestoßen – und haben trotzdem weitergemacht. Weil wir von Neugierde beflügelt waren und die Gelassenheit unserer Eltern uns ­signalisierte, dass alles gut sei. Gelassenheit ist die innere Kraft, ­Situationen so zu akzeptieren, wie sie sind, und uns auf unser eigenes Wissen und unsere Erfahrung zu verlassen. Und das Beste daran: Das lässt sich üben! Da­ für müssen wir nicht jeden Tag stunden­ lang meditieren. Es reicht schon, dass wir uns – wenn wir das nächste Mal wie­ der anstehen und nicht weiterkommen – in die Fußstapfen jener Menschen hin­ einfühlen, deren Gelassenheit wir gerne hätten. „Was würde Michael jetzt tun?“, „Was würde meine Oma jetzt machen?“ oder „Was würde meine dreijährige Tochter jetzt sagen?“. Egal was das Leben uns hinschmeißt: Es ist deine Gelassenheit, mit der du den langen Pfad beschreitest. Und wenn du gelassen bleibst, hat dein Umfeld durch dich einen Leuchtturm, an dem es sich orientieren kann.

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Gesamtleitung The Red Bulletin Alexander Müller-Macheck (Ltg.), Sara Car-Varming Chefredaktion The Red Bulletin Andreas Rottenschlager (Ltg.), Andreas Wollinger Chefredakteur Innovator Alexander Müller-Macheck Creative Director Innovator Kasimir Reimann (Ltg.), Erik Turek Art Direction Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin FaustmannGoll, Cornelia Gleichweit, Antonia Uhlig Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör Digitalredaktion Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Marie-Maxime Dricot, Melissa Gordon, Lisa Hechenberger, Elena Rodriguez Angelina Head of Audio Florian Obkircher Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Publishing Management Melissa Stutz (Ltg.), Ivona Glibusic, Bernhard Schmied Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger Projektmanagement Co-Publishing, B2B-Marketing & Communication Katrin Sigl (Ltg.), Katrin Dollenz, Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B), Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner (Communication), Jennifer Silberschneider, Sophia Wahl Creative Services Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka , Tanja Zimmermann, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Management Co-Publishing Alexandra Ita Editorial Co-Publishing Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann, Michael Hufnagl, Irene Olorode, Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser Executive Creative Director Markus Kietreiber Senior Manager Creative Elisabeth Kopanz Art Direction Commercial & Co-Publishing Peter Knehtl (Ltg.), Luana Baumann-Fonseca, Silvia Druml, Erwin Edtmayer, Simone Fischer, Andreea Gschwandtner, Lisa Jeschko, Araksya Manukjan, Carina Schaittenberger, Julia Schinzel, Florian Solly, Dominik Uhl, Sophie Weidinger, Stephan Zenz Head of Direct to Consumer Business Peter Schiffer Direct to Consumer Business Marija Althajm, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar (Abo) Retail & Special Projects Manager Klaus Pleninger Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.), Martin Brandhofer, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailovic, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Simone Kratochwill MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler IT Service Desk Maximilian Auerbach Operations Alice Gafitanu, Melanie Grasserbauer, Alexander Peham, Thomas Platzer Projekt Management Dominik Debriacher, Gabriela-Teresa Humer Assistant to General Management Sandra Artacker Geschäftsführer Red Bull Media House Publishing Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Am Grünen Prater 3, A-1020 Wien Telefon +43 1 90221-0 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-LepperdingerStraße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838 Länderredaktion Alexander Müller-Macheck Country Project Management Bernhard Schmied Freie Mitarbeiter Niko Jilch, Saskia Jungnikl-Gossy Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Media Sales & Partnerships Thomas Hutterer (Markenlead), Alfred Vrej Minassian, Michael Baidinger, Franz Fellner, Ines Gruber, Wolfgang Kröll, Gabriele ­Matijevic-Beisteiner, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes Wahrmann-Schär, Ellen Wittmann-Sochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölß anzeigen@at.redbulletin.com Sales Operations & Development Anna Schönauer (Ltg.), David Mühlbacher Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: redbull.com/im/de_AT Kontakt redaktion@at.redbulletin.com

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion Maximilian Reich Country Project Management Nina Hahn Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei Österreich Media Sales & Partnerships Thomas Hutterer (Markenlead), Alfred Vrej Minassian, Franz Fellner, Ines Gruber, Thomas Gubier, Wolfgang Kröll, Gabriele Matijevic-Beisteiner, Nicole Okasek-Lang, Britta Pucher, Jennifer Sabejew, Johannes WahrmannSchär, Ellen Wittmann-Sochor, Ute Wolker, Christian Wörndle, Sabine Zölß

INNOVATOR BY THE RED BULLETIN Schweiz, ISSN 2308-5886 Länderredaktion Stefania Telesca Country Project Management Melissa Stutz Lektorat siehe entsprechenden Eintrag bei Österreich Media Sales & Brand Partnerships Christian Bürgi (Ltg.), christian.buergi@redbull.com Marcel Bannwart, marcel.bannwart@redbull.com Jessica Pünchera, jessica.puenchera@redbull.com Goldbach Publishing, Marco Nicoli, marco.nicoli@goldbach.com

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COMIC

DER WEISHEIT LETZTER SCHLUSS Unerwartete Digitalisierungs-Hindernisse für Götterkinder mit versteinerndem Charisma.

NICOLAS MAHLER

Nicolas Mahler, 52,

ist einer der renommiertesten Zeichner im deutschsprachigen Raum. Seine Illustrationen erschienen u. a. in „FAZ“, „Die Zeit“ oder „Der Spiegel“. Er lebt und arbeitet (zum Glück die meiste Zeit ohne eingefrorene Gesichter am Bildschirm) in Wien.

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INNOVATOR


CIRCULAR ECONOMY // SMART CITY // PLANT-BASED // FEMALE LEADERSHIP // GREEN TECH // UNIVERSAL DESIGN // MOBILITY // WEB3 // UNGENDERED LIFESTYLE // SOCIAL NETWORKS FIFTEEN SECONDS FESTIVAL 2022 // 9.–10. JUNI // STADTHALLE GRAZ + INNENSTADT JETZT TICKETS SICHERN // WWW.FIFTEENSECONDS.CO



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