SAMSTAG, 3. JULI 2021
EIN FAST UNABHÄNGIGES FORMEL-1-MAGAZIN
DAS GEHEIME LEBEN DES TOTO WOLFF REKORDE, RALLYES UND RED BULL
2 Gallery F1 Red Bull Ring
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3. Juli 2021 The Red Bulletin
Feiertage in Rotweißrot: Endlich gibt es wieder Fans in Spielberg, Max Verstappen (Bild) ist heißer Favorit, und Teamkollege Checo Pérez fährt seinen 200. Grand Prix.
UHRWERK
ORANGE Nach dem erfolgreichen Grand Prix der Steiermark letzte Woche geht es an diesem Wochenende beim Großen Preis von Österreich um einen Rekord: Könnte Max Verstappen seinen Sieg von letztem Sonntag wiederholen, wäre er der erste Fahrer der Geschichte, der auf dieser Strecke vier Mal gewinnt. In den beiden gestrigen freien Trainings zeigte der Niederländer mit Top-Zeiten am laufenden Band, dass er nicht vorhat, seine Kollegen an diesem Wochenende bezüglich der Chef-Rolle in Spielberg auch nur ein winziges Wörtchen mitreden zu lassen.
„Lass den Löwen nicht in seinem Hemdchen stehen!“ Sie verstehen nur Bahnhof? Vielleicht hilft ja die Lektüre unserer Kolumnistin auf Seite 6.
The Red Bulletin 3. Juli 2021
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F1 Red Bull Ring Gallery 3
Über ein Jahr lang haben wir auf diese Bilder gewartet: Bereits am Freitag waren die Tribünen gut gefüllt. Fürs Wochenende werden 100.000 Zuschauer erwartet.
Ende der Rekorde: Ab übernächstem Rennen wird es wegen eines geänderten Reglements kaum noch Boxenstopps in unter zwei Sekunden geben.
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WERNER JESSNER
„Kommt Regen?“ – „Heute nicht, aber am Sonntag wahrscheinlich.“ Christian Horner und Ferrari-Boss Mattia Binotto fachsimpeln hier ganz sicher übers Wetter.
Achtung, Track Limits: Immer wieder wurden gestern den Piloten Rundenzeiten wegen Überfahren der gelben „Sausage Curbs“ gestrichen. Das könnte auch im heutigen Qualifying ein Thema werden.
4 Gallery F1 Red Bull Ring
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3. Juli 2021 The Red Bulletin
Die Athleten vom Red Bull Skydive Team sprangen sich gestern bereits für ihren großen Auftritt beim Grand Prix am Sonntag ein.
Beeindruckender Rookie Yuki: Letztes Jahr noch in der F2 unterwegs, lag Tsunoda im AlphaTauri gestern über weite Strecken in den Top Five.
Australier mit A≠inität zu Fußball: Daniel Ricciardo, 2017 hier am Podest
GETTY IMAGES, GEPA IMAGES, GETTY IMAGES/RED BULL CONTENT POOL, PICTURESESK.COM
WERNER JESSNER
Vom Gejagten zum Jäger: Nach Jahren der Dominanz ist Mercedes endlich nicht mehr Favorit. Dem Sport tut es gut.
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6 Kolumne F1 Red Bull Ring
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3. Juli 2021 The Red Bulletin
HELEN PARADYCE: BOXEN-GEFLÜSTER
Welche Löwen Hemdchen tragen. Wie Sekt aus Daniel Ricciardos Schuhen schmeckt. Wie Eddie Irvine frühstückt. Die frechste Kolumnistin der Formel 1 zieht vom Leder. Vorwarnung der Redaktion: Im Vorjahr hatte uns Helen P aradyce, Institution des F1-Red Bulletin der ersten Stunde, mit ihrem Besuch am Red Bull Ring überrascht. Also waren wir dieses Jahr sehr gespannt, ob sie gute Nachrichten für uns hat – doch leider: Helen ist schon wieder da. Diese Frau kennt kein Ablaufdatum (wie Kakerlaken, Bernie Ecclestone und Bundesheer-Dosenbrot). Wir ergeben uns und machen uns auf so manchen Untergriff gefasst …
K
inder, Kinder, jetzt ist schon wieder ein Jahr vergangen! Und, uuups, da war ja was: Corona. Leider nicht in Flaschen mit fancy Zitronenschnitzen, sondern mühsam mit Ansteckung. Wir also alle Masken vor die Nase, die waren wohl mit Team-Logos behübscht, aber trotzdem Chinaschrott und überhaupt: Wie sieht das denn aus?! Da kann ich ja gleich als Phantom der Oper durch den Paddock stelzen. Und dann diese Monster-Wattestäbchen, die sie dir bis hinters Gaumenzäpfchen rammen. Danke! Ich bin ja eher Kaviar gewöhnt. Apropos Kaviar. Das ist ja in Österreich nicht so das Ding. Hier ist das Kalb der King de Cuisine. Und wenn mal kein Schnitzel auf dem Teller liegt, dann halt was mit oder aus Milch. Wenn man nicht aufpasst, kriegt man einen Trank vorgesetzt, der „Lattella“ heißt. Schmeckt wie Sekt aus Daniel Ricciardos Rennstiefeln. Woher ich das weiß? Themenwechsel. Also: Kaviar. 2021 ist eine F1-Saison auf Royal-Beluga-Niveau. Endlich bekommen wir einen ordentlichen Fight zwischen Max und Lewis. Lewis ist immer noch der Alte, doch Max ist zu einem F1-ZenMönch gereift, der nicht mehr jedes Rennen in der ersten Kurve zu gewinnen versucht. Und – weiterer Pluspunkt: Mäxchen sieht endlich nicht mehr aus wie Alfred E. Neuman auf dem Cover von „Mad“. Bad News gibt es zu Valtteri Bottas. Seine Saison ist im Keller (sorry, geliebte Silberpfeiler). Normalerweise ist der hübsche Finne ja eine Ausgeburt an Zuverlässigkeit. Aber heuer sieht er aus wie ein Einbeiniger bei einem Arschtritt-Wettbewerb. Wobei: Mein Mitleid mit F1-Piloten, die unter Beinahe-Berührungen leiden, hält sich in Grenzen. Wenn ihr wüsstet, wie oft ich schon beinahe berührt worden wäre – Romane könnte ich schreiben! Lieber Valtteri, mach dir nix draus. Eddie Irvine ging’s genauso im Schatten von Schumacher.
IMPRESSUM Chefredakteur Alexander Müller-Macheck Stv. Chefredakteure Justin Hynes, Werner Jessner Creative Director Erik Turek Art Directors Marion Bernert-Thomann, Miles English, Kasimir Reimann Head of Photography Eva Kerschbaum Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Goll Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Project Management Bernhard Schmied (Ltg.), Sara Varming, Anna-Lucia Wilczek Executive Creative Director Markus Kietreiber Herstellung Veronika Felder Produktion Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Josef Mühlbacher Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Paul Keith Druck 1a druck Judenburg, Aichfelder Druck Ges.m.b.H., A-8750 Judenburg Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-0 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber
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HELEN PARADYCE
Zwischen zwei Gläschen Schampus verriet mir ddie, wie sich das Leben neben Michael so anfühlte: E „Helen, das ist, wie wenn dir einer jeden Morgen zum Frühstück eine mit einem Baseballschläger über die Rübe zieht.“ Breakfast with a Champion quasi. Was ich ja gar nicht verstehe, ist, warum Max beim Grand Prix der Steiermark letztes Wochenende nicht zum „Fahrer des Tages“ gewählt wurde (sondern Charles Leclerc). Wie kann das sein? Meines Wissens sind Holländer per Gesetz verpflichtet, nach jedem Rennen für Max zu stimmen (selbst wenn er in der Einführungsrunde rausgeflogen ist). Was ist los mit den Niederländern? Ich hab’s rausgefunden. Die Holländer waren damit beschäftigt, ihre Autos und Wohnwagen mit Krempel zu bepacken: Schals, Shirts, Holzschuhen und „lustigen“ Kostümen – um am folgenden Wochen ende bereit für die orange Invasion des Red Bull Ring zu sein. Zu Zehntausenden werden sie kommen, und sie werden ihre seltsamen Lieder singen. Mit Texten wie „Laat de leeuw niet in zijn hempie staan“, was – wie ihr alle wisst – übersetzt bedeutet: „Lass den Löwen nicht in seinem Hemdchen stehen.“ Na, wenn das keine Ansage ist! Ich hab übrigens ein Blüschen und kein Hemdchen, aber sei’s drum, Hauptsache, ihr lässt auch mich nicht „staan“. Küsschen, Helen
TIM MARRS (COVER), YANN LEGENDRE
„Max sieht endlich nicht mehr aus wie Alfred E. Neuman auf dem Cover von ‚Mad‘!“
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8 Cover F1 Red Bull Ring
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3. Juli 2021 The Red Bulletin
So kennen wir ihn: Toto Wol≠ am Kommandostand von Mercedes
DAS GEHEIME LEBEN DES Als seriösen Mercedes-Teamchef kennt ihn die Welt. Doch TORGER CHRISTIAN WOLFF hatte einst noch ganz andere Qualitäten. Ein Blick ins geheime Red Bulletin-Archiv offenbart einen vielseitigen Racer ohne Scheu vor Drama. Text WERNER JESSNER
PICTUREDESK.COM
TOTO W.
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F1 Red Bull Ring Cover 9
Helm auf für den Höllenritt: „Es heißt immer, nur Einheimische könnten hier schnell fahren. Ich bin von Wien heraufgefahren, habe ein bisschen geübt, und jetzt schauen wir, was geht.“
Der Rekord ist gefallen: 7:03,28 Minuten für 20,8 Kilometer. Toto danach: „Das Auto erscheint mir ein bisschen gefährlich. Auf der Nordschleife muss alles stimmen. Man landet sehr rasch im Krankenhaus von Adenau, wenn man nicht aufpasst.“
BILDSYMPHONIE/ANDREAS TRÖSTER
TOTO, DER REKORDMANN
Die Nordschleife des Nürburgrings gilt zu Recht als schwierigste Renn strecke der Welt. Im April 2009 versuchte Toto mit einem Porsche 911 RSR den Rundenrekord von 7 Minuten und 7 Sekunden zu brechen. Das gelang ihm im ersten Anlauf: 7:03,28! Dann gibt es noch den inoffiziellen (da hand gestoppten) Rekord von Niki Lauda aus den 1970er-Jahren: 6:58. Auch der sollte nach Totos Willen fallen. Dass sich schon beim ersten Anlauf fingernagelgroße Stücke aus den Reifen gelöst hatten, hätte Toto zu denken geben können. So passierte, was passieren musste: Abflug in der berüchtigten „Fuchs röhre“ bei 268 km/h. Es dauerte Monate, bis er nach dem fürchter lichen Crash wieder riechen und schmecken konnte: Die Ver zögerung beim Aufprall hatte die Nerven verletzt.
Der Porsche 911 der Modellreihe 997 war im Jahr 2009 das Werkzeug der Wahl, um am Nürburgring auf Rekordjagd zu gehen. Der rund 460 PS starke Rennwagen hatte in den Jahren zuvor das 24-Stunden-Rennen auf dieser Strecke dominiert.
Sein Freund Niki Lauda bezeichnete Totos Aktion als „dümmstes Himmelfahrtskom mando, von dem ich in meinem ganzen Leben gehört habe“. Porsche sagte: „Das war der am schlimmsten beschädigte Überrollkäfig, den ein Fahrer noch persönlich zurück bringen konnte.“
10 Cover F1 Red Bull Ring
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3. Juli 2021 The Red Bulletin
Volle Attacke: Dank seines kompromisslosen Fahrstils räuberte sich Toto rasch in die Herzen der Zuschauer. Und er dachte von Anfang an international: 2005 startete er sogar bei einem WM-Lauf und belegte einen respektablen sechsten Rang in der seriennahen Klasse N.
TOTO, DER RALLYE-FAHRER Sein Beifahrer Gerald Pöschl dirigierte den Wiener während der gemeinsamen Rallye-Jahre durch dick und dünn.
Toto galt unter RallyeFahrern als einer, der das Limit von oben suchte – woraufhin oben manchmal unten war. Doch er war überzeugt: „Ich hätte vom Rallye-Fahren leben können.“
HARALD ILLMER, GEPA IMAGES, WERNER SCHNEIDER
Zwar war er motorsportlich auf der Rundstrecke sozialisiert worden, doch der Rallye-Sport reizte ihn genauso. Immerhin könnte man, so Toto damals, viel mehr Spaß an einem Tag haben als bei einem Langstreckenrennen, das zum Großteil aus Warten bestehe. Als Spätberufener lernte er schnell. Und wie man es von Toto kennt, ging er die Sache gründlich an. Zwischen Juli 2006 bis Ende 2013 war er an der Rallye-Edelschmiede BRR von Raimund Baumschlager beteiligt, deren Autos (meist Mitsubishi) er auch fuhr. Highlight: österreichischer Vize-Staatsmeister hinter Teamleader Baumschlager.
The Red Bulletin 3. Juli 2021
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TOTO, DER BULLE
ARCHIV DIETER QUESTER
Anfang der 2000er-Jahre war Toto Wolff mit hochkarätigen Partnern in der FIA-GT-Weltmeisterschaft und bei anderen großen Lang streckenrennen zwischen Silverstone, São Paulo und Spa-Francor champs unterwegs und fuhr mit Partnern wie Karl Wendlinger, Dieter Quester oder Philipp Peter jahrelang Klassensiege auf Porsche, BMW und Ferrari ein. Mit den beiden letztgenannten Fahrern sowie der deutschen Legende Hans- Joachim Stuck schrieb er 2006 Geschichte, als er das allererste 24-Stunden-Rennen von Dubai gewann – n atürlich im blauen Overall mit den Roten Bullen.
F1 Red Bull Ring Cover 11
Womit man 2004 nicht rechnen konnte: dass dieser junge Mann mit adretter Frisur und Plastikuhr Jahre später erfolgreicher MercedesChef und härtester Gegner seines lang jährigen Partners Red Bull werden sollte.
Legendär: Klassensieg von Wendlinger/Wol≠/ Quester/Zonca bei den 1000 Meilen von Inter lagos 2004. Schnellste Runde unter schwierigs‑ ten Bedingungen: Toto.
Toto Wol≠, Dieter Quester und Philipp Peter feiern den Sieg beim 6‑Stunden-Rennen von Misano 2005 auf ihrem BMW E46. Beinahe wie Vater und Sohn: Toto hat nur ein einziges Langstrecken‑ rennen ohne Altstar Dieter an seiner Seite bestritten.
12 Best of F1 Red Bull Ring
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3. Juli 2021 The Red Bulletin
DIE FÜNF
STÄRKSTEN RENNEN MEINES LEBENS
Erst verlor er seinen besten Freund, dann büßte er seine Renn-Performance ein. Er stürzte ab – und kam zurück, stärker denn je: Pierre Gasly über die Momente, die ihn zum Shootingstar der Formel 1 machten. Text MATT YOUSON
P
ierre Gasly hat mehr erlebt als der durchschnittliche 25-Jährige – mehr auch als der durchschnittliche 25-jährige F1-Pilot. Im Moment reitet er auf der Welle des Erfolgs. Ob Qualifying oder Rennen – bei AlphaTauri liefert er zurzeit Leistungen ab, die alle beeindrucken. Pierre ist natürlich nicht zum ersten Mal an diesem Punkt. Nur wenige Fahrer werden jemals einen derart rasanten Aufstieg, einen ebenso heftigen Absturz und ein so beeindruckendes Comeback erleben wie der Mann aus Rouen. Während dieser Achterbahnfahrt hat er bemerkenswertes Rückgrat bewiesen, eine mentale
Stärke, von der er sagt, dass sie von seinen Erfahrungen herrührt. „Ich glaube, dass man als Fahrer von Jahr zu Jahr stärker wird. Aber man wird auch von Rennen zu Rennen zu dem, was man ist“, sagt er. „Man lernt aus den Fehlern und Misserfolgen. So verbessert man sich.“ Wenn man ihn fragt, welche Rennen ihn zu dem Fahrer gemacht haben, der er heute ist, nennt Pierre – vielleicht überraschend – vor allem Erfahrungen während seiner Zeit im Red Bull Junior Team. Er meint, dass es schwierig sei, sich bei so vielen auf einige wenige festzulegen – was ihm schließlich doch gelungen ist. Das sind die fünf besten Rennen seiner Karriere.
SANDRO BAEBLER
The Red Bulletin 3. Juli 2021
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F1 Red Bull Ring Best of 13
In den letzten Jahren ist Pierre nicht nur optisch gereift. Seit Monza 2020 gehört er jener Elite von Rennfahrern an, die einen Grand Prix gewonnen haben.
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3. Juli 2021 The Red Bulletin
2013
Unbelohnt in Italien
Formula Renault 2.0, Circuit de Catalunya, Spanien, letztes Rennen der Saison. Team Tech 1 Racing, 6. Platz „Mein letztes Rennen in der Formel Renault 2.0 ist mir in Erinnerung geblieben, weil ich an diesem Tag die Meisterschaft gewonnen habe – aber es war bis zum letzten Rennen ein sehr enger Kampf mit Oliver Rowland. Das Qualifying war sehr schlecht gelaufen: Ich hatte eine Menge Verkehr und gelbe Flaggen und konnte einfach keine saubere Runde fahren. Ich stand unter starkem Druck, weil ich auf Position 20 lag. Ich hatte nur noch einen Versuch – im letzten Abdruck fuhr ich eine saubere Runde und holte die Pole-Position. Ich ging mit acht Punkten Vorsprung in dieses letzte Rennen der Saison. Oliver Rowland wollte noch den Titel gewinnen und rammte mich in der ersten Runde bei seinem Überholversuch. Er zerstörte den Frontflügel und beschädigte mein Auto – wofür er eine Durchfahrtsstrafe erntete. Ich konnte aufholen und wurde Sechster. Es war eine ziemlich intensive Erfahrung, aber mit solchen Situationen umzugehen erwies sich für mich später als wertvoll.“
2015
GP2-Rennen, Monza, Italien, Team DAMS, DNF
„Das eine Rennen, das in meiner GP2-Karriere heraussticht, war im ersten Jahr in Monza. Ich holte meine erste Pole-Position. Rückblickend erinnere ich mich, dass ich damals das Gefühl hatte, wirklich schnell gewesen zu sein. Im Rennen tat ich mir etwas schwerer – dennoch lag ich komfortabel in Führung. Und dann ist mir beim Boxenstopp die Antriebswelle gebrochen. Es war ein ziemlich harter Schlag. Es wäre mein erster Sieg in der GP2 gewesen. Ich habe daraus gelernt, zu akzeptieren, dass man manchmal ein sehr gutes Wochenende haben kann, aber nicht dafür belohnt wird.“
2016
GP2-Rennen, Silverstone, England. Team Prema, Sieg
Emotionaler Sieg in Silverstone
„2016 habe ich den GP2-Titel gewonnen. Silverstone ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Es war so ein merkwürdiges Wochenende. Am Freitag hatte ich mit meiner Familie und meinem Trainer einen Autounfall. Auf dem Weg zur Rennstrecke überschlug sich unser Auto – mit meiner Mutter und mir auf der Rückbank – nach einer Kollision mit einem anderen Wagen Berichten zufolge viermal, bevor es 50 Meter von der Straße entfernt zum Stehen kam. Meine Mama musste mit Wirbelund Rippenbrüchen und einer Kopf verletzung auf die Intensivstation. Ich machte mir ziemliche Sorgen. Dennoch war ich im Training Schnellster, dann qualifizierte ich mich am Nachmittag auf Platz 2 und gewann das Rennen am Samstag. Es war ein eigenartiges Gefühl, denn meine Eltern konnten logischerweise nicht mit mir feiern. Mein Vater war bei meiner Mutter im Krankenhaus. Ich war seltsam motiviert, aber dieses Rennen war mental nicht einfach: das Wochenende durchzustehen und trotzdem noch in der Lage zu sein, meine Leistung zu bringen.“
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14 Best of F1 Red Bull Ring
The Red Bulletin 3. Juli 2021
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F1 Red Bull Ring Best of 15
2020
F1, Großer Preis von Italien, Team AlphaTauri, Sieg
Wunschloses Glück in Monza
2017
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Super Formula, Autopolis, Japan, Team Mugen, Sieg Meistens gelingt es dem Sieger der GP2/F2, sich für die folgende Saison einen Startplatz in der Formel 1 zu sichern, aber da bei den F1-Teams von Red Bull kein Platz frei war, wurde Pierre für ein Jahr nach Japan geschickt, um in der leistungsstarken Super Formula zu fahren. Es fehlte ihm am Ende nur ein halber Punkt auf den Titel, und wenn die letzten beiden Rennen nicht wegen des Taifuns „Lan“ abgesagt worden wären, hätte er vielleicht sogar noch besser abgeschnitten – aber die Erfahrung war entscheidend. Pierre bezeichnet seinen Rennsieg in Autopolis als das herausragende Rennen – weil er und sein Team sich entschieden, auf die unbekannte weiche Reifenmischung zu setzen. Es war Teil eines größeren Lernzyklus, bei dem er viel tiefer in die Technik eintauchte und lernte, sie besser zu verstehen. „In Japan war für mich vieles neu. Als ich nach Japan ging, hatte ich keine Ahnung, was dort passieren würde. Ich
Lehrreiches Japan
baute eine Beziehung zu Honda auf und konnte auch mehr Zeit als sonst mit meinem Team verbringen und lernte zu verstehen, wie sie arbeiten. Ich sprach kein Japanisch, im Team sprach nur e iner Englisch, also waren Miss verständnisse programmiert. Daher habe ich mich vermehrt in die tech nischen Aspekte unseres Sports ver bissen, damit ich erklären konnte, was ich brauche. Es war eine wichtige Erfahrung. In Japan habe ich viel gelernt und war viel tiefer ins Gesamte involviert als in anderen Serien, wo der Fahrer zwar Feedback gibt, aber sich hauptsächlich auf das Fahren konzentriert.“
Dank seiner Leistungen und Erfahrungen in Japan wurde Pierre von Toro Rosso für die letzten paar Rennen der F1-Saison 2017 engagiert und bekam 2018 einen Stammplatz für die ganze Saison. Der Aufstieg zu Red Bull Racing 2019 führte jedoch zur härtesten Zeit in Pierres Karriere, als er mit dem RB15 nicht zurechtkam und schließlich zu Toro Rosso zurückgeschickt wurde, um seine Form wiederzufinden. In Spa verlor er in jenem Jahr zudem seinen engen Freund Anthoine Hubert durch einen tödlichen Unfall in der Formel 2. Es war eine harte Zeit für den jungen Franzosen, aber im Jahr darauf wandelte er diese negative Energie in positive Leistungen um, holte in Brasilien sein erstes Podium und dann letztes Jahr seinen unglaub lichen Premieren-Sieg beim GP von Italien in Monza. „Es muss so viel stimmen, um in der F1 ein Rennen zu gewinnen. Als ich die Ziellinie überquerte, dachte ich nur an mein Team und an meine Familie – ich war so dankbar für all ihre harte Arbeit und die Opfer, die sie gebracht hatten“, sagte er gegenüber der Internet-Plattform The Players’ Tribune. „Ich wusste, dass ich derjenige war, der die Ziellinie physisch überquert hatte, aber sie waren alle unmittelbar neben mir. Diese Auslaufrunde … ich wünschte, ich könnte das eine Million Mal er leben. Das ist das schönste Gefühl. Das allerschönste.“ Im Rückblick auf seine harten f rühen Jahre in der Köngsdisziplin sagt Pierre heute, dass erst sie ihn zu jenem Fahrer und Menschen gemacht hätten, der er heute ist. „Man steht im Leben immer vor Herausforderungen, egal was man tut“, sagt er. „Das ist nicht nur bei mir so. Jeder kann das nach empfinden. Es ist wichtig, sich diesen Herausforderungen zu stellen, und ich meine, das ist es auch, was einen formt – als Fahrer, als Mensch. Dieser Abschnitt meines Lebens hat mich wirklich zu dem gemacht, was ich heute bin. Und auch wenn es schwierig war, habe ich nie auf gegeben und hatte immer eine klare Vorstellung davon, was ich will und was ich erreichen möchte. Man lernt, setzt es um und kommt stärker zurück.“
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