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Peitschende Gliedmassen und Orangenmenschen

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RePHlex Ausgabe 39

RePHlex Ausgabe 39

Text und Illustration: Vera Kobler

Auf einer bunten Wiese mit unzähligen Blüten und Gräsern liege ich und starre den Himmel und die vorbeiziehenden Wolken an. Mein Körper ist ganz ruhig, die Hände liegen sanft auf dem Gras, sie spüren die feuchte Erde, welche sich langsam zwischen meine Finger gräbt. Die Hände sinken allmählich in die Erde.

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Ich spüre, wie der Boden plötzlich weich wird. Mein Körper beginnt sich mit Erde zu überdecken, und wie ein Mantel legt die Erdschicht sich über mich. Mein Blick jedoch, der weicht nicht vom Himmel. Noch immer schaue ich zu den Wolken, die sich nun immer schneller bewegen. Ich bin schon halb mit Erde zugedeckt, bin starr, kann mich nicht bewegen, obwohl ich Schritt für Schritt unter der Erde begraben werde.

Panik bricht in mir aus. Doch mein Körper ist entspannt und reglos. Um noch ein bisschen Reserve zu haben, halte ich die Luft an, bevor sich der Erdmantel über meinen gesamten Körper legt. Ich falle. Mein Körper ist jetzt weich wie Gummi. Er schwebt in einer unendlichen und dunklen Umgebung umher.

Ich sehe nichts als meine schwabbligen Gliedmassen. Sie schlagen um mich wie Peitschen, die meinen Körper foltern. Unkontrolliert fliege ich noch immer in rasendem Tempo, schaue nach links und stehe dann vor einem Abgrund. Blicke hinunter und sehe auf einen Festplatz, wo sich unzählige Menschen im exakt gleichen Schritt bewegen. Sie tanzen zu einem Lied, dessen Melodie ich nicht hören kann. Sie alle sind mit Orangenschalen bedeckt, der Saft läuft ihnen über die Beine, während sie noch immer synchron tanzen.

In grossen Schritten entfernt sich der Planet von mir oder ich von ihm. Nun ist sie gerade noch so gross wie ein Nadelkopf. Der Lift zieht immer weiter, höher in die Unendlichkeit. Meine Hände krallen sich an das Eisen. Ich schaue nach oben und sehe nun, dass sich meine Hände an der Sprosse einer Leiter umklammern. Meine Füsse aber finden keinen Tritt.

Mühsam erklimme ich eine Sprosse um die andere und benutze dabei nur meine Hände. Der Unterkörper lässt sich nicht bändigen und scheint durch die Schwerelosigkeit davonfliegen zu wollen. Mein Körper schwingt dabei Hin und Her wie eine Pendeluhr.

Ding - Dong - Ding - Dong

«Ding - Dong - Ding - Dong» höre ich von Weitem rufen.Die Stimme wird immer lauter «Ding- Dong», bis die Stimme zu schreien beginnt: «DING- DONG!» Ich halte den Lärm nicht länger aus und lasse meine Hände los.

Wie ein Igel, der Schutz sucht, rolle ich meinen ganzen Körper zusammen, halte dabei mit beiden Händen die Ohren zu und schliesse meine Augen. Der Schrei wird dumpf und wandelt sich allmählich zu Wasserrauschen.

Ich kann wieder atmen, merke, wie sich mein Körper entspannt. Nun liege ich da, den Duft von frischen Blüten in der Nase, und entscheide mich, die Augen langsam zu öffnen.

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