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Träume on the rocks

Ein Thema, das alle Menschen beschäftigt: „Was passiert morgen, übermorgen und am Tag danach?“ Schon von klein auf ist vieles darauf ausgerichtet.

Mädchen bekommen Puppen, damit sie sich mit dem mütterlichen Instinkt identifizieren und Jungs bekommen Lego und Bauklötze, um ihre konstruktiven Talente zu schulen. Von Tanten, Onkeln, Grosseltern, Lehrpersonen und Erzieher*innen werden Kinder immer wieder gefragt, was sie mal werden wollen. Die Lebensträume werden eigentlich auf berufliche Träume reduziert.

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Text: Teresa Dreßler | Illustration: Chiara Profeta

Die träumerische Fantasie der Kinder

Wie entstehen solche Lebensträume? Von was werden sie inspiriert und geleitet? Ich zum Beispiel bin an der Fasnacht im Kindergarten von meiner Mutter als Primaballerina verkleidet worden. Ich selbst habe das Kostüm als Seiltänzerin verstanden und von da an war es mein Traum, Zirkusartistin zu werden. Bald darauf bekam ich einen Farbmalkasten zum Geburtstag und bildete mir ein, dass mein malerisches Talent unschätzbar gross sei, sodass ich eine Karriere als malende Künstlerin anstreben wollte.

In der Mittelstufe fand ich meine Primarlehrerin dann dermassen blöd, dass ich jedem, der es hören wollte oder auch nicht erzählte, dass ich Lehrerin werden würde, weil ich das viel besser könne – und überhaupt, so schwer kann das ja nicht sein! Als Nächstes wurde meine Berufswunschliste von einem Zoobesuch geprägt. Nachdem ich mit meiner Familie einen Tag im Zoo verbracht hatte, war ich sicher, Zoowärterin werden zu wollen. Ich dachte, mit meinen Kaninchen zu Hause hätte ich sowieso einen guten Draht zu Tieren.

In meiner Jugend sah ich eine Serie, in der ein recht cooler Automechaniker vorkam. Ihr könnt es euch denken: Ich wollte Automechanikerin werden. In diesem Bereich machte ich sogar eine Schnupperlehre. Was soll ich sagen, das Ende der Geschichte ist, dass ich nun an der PH bin und planmässig ab Sommer eine Primarschulklasse unterrichten werde.

Zurückblickend muss ich feststellen, dass meine Träume sehr ambitioniert und selbstbewusst waren, wenn nicht sogar von „Selbstüberschätzung“ strotzend. Ich weiss noch, eine Klassenkameradin aus meiner Schulzeit, hatte den unerschütterlichen Traum, Kassiererin in der Migros zu werden.

Die Fantasie ging ihm zu weit

In meinem ersten schulischen Praktikum vor zwei Jahren habe ich eine ganz andere Erfahrung gemacht. Ich gab den Schüler*innen, die in BG bereits fertig waren, die undurchdachte, aus-dem-Ärmel-geschüttelte Aufgabe, ihr „Traumhaus“ zu zeichnen. Ein Schüler (4. Klasse) zeichnete ein Villa-ähnliches Gebäude, mit Helikopterparkplatz auf dem Dach und einem grossen, protzigen Auto vor der Tür.

Als ich ihn darauf ansprach und ihn darum bat, mir von seinem Bild zu erzählen und die einzelnen Sachen zu erklären, zerknüllte er sein Bild urplötzlich und verlangte ein neues Blatt. Ich war erst verwirrt und gab ihm ein neues Blatt, aber fragte dann nach dem Grund. Er erwiderte, dass es dumm von ihm sei, so ein Haus zu zeichnen, da er sowieso niemals so viel Geld haben würde und sich sicher nie ein Haus oder sonst irgendwas leisten könne.

Seine Aussage verschlug mir die Sprache. Ich versuchte, ihn aus dieser Ausweglosigkeit etwas zurückzuholen, indem ich sein Bild aus dem Abfall suchte, es wieder glattstrich und ihn für seine Idee und die schöne Umsetzung des Bildes lobte. Ich hatte aber leider nicht das Gefühl, zu ihm durchgedrungen zu sein.

Psst! Ich träume gerade

Ich habe die Beobachtung gemacht, dass die Generation unserer Eltern und Grosseltern auch viele Lebensträume gesponnen hatte. Aber das Wort heisst ja nicht umsonst Lebenstraum. Wie das Wort schon sagt, hat das Leben noch ein Wörtchen mitzureden und schlägt des Öfteren quer.

Ausserdem der zweite Teil des Wortes: Traum. Es ist nun mal ein Traum und bei vielen bleibt es das leider auch bis zum Schluss. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, Träume und Ziele zu haben, denen man entgegenstreben kann. Es lohnt sich, für Träume zu kämpfen. Es kann zwar vorkommen, dass ein Traum wie eine Seifenblase zerplatzt. Aber auch aussichtslose Träume können manchmal wieder aufgenommen und doch noch verwirklicht werden. Wichtig ist nur, jene Wunschträume nicht zu verlieren, die man sich ausmalen kann, um den Alltag zu versüssen. Auch wenn mal alles rückwärts und bergab läuft …

Was wünscht ihr euch?

Was ist so der Traum eines durchschnittlichen PH-Studis? Wünscht sich hier irgendjemand eigentlich noch eigene Kinder? Oder ist jede und jeder ein bisschen froh, wenn sie diese um drei oder vier Uhr nachmittags nachhause schicken können? Wie viele wollen wirklich direkt nach dem Abschluss eine eigene Klasse übernehmen? Lieber erstmal ein Vikariat, Teilzeit, oder wenig Verantwortung? Und wie viele träumen davon, möglichst bald den Beruf zu wechseln? Oder steht bei allen der Fokus darauf, den Abschluss zu machen, und mit dem Diplom in der Hand der PH den Rücken zu kehren?

Wagnis-Pläne fürs 2021

Wer traut sich überhaupt noch zu träumen oder gar Pläne zu schmieden? Wer weiss schon, ob die nächsten Studierenden im vierten Semester ein QP machen können? Wer weiss schon, ob die Diplomprüfungen, die anstehen, stattfinden können? Wer weiss schon, was morgen kommt, geschweige denn übermorgen oder gar am Tag danach…

Ich habe das Gefühl, unsere Träume sind kleiner und schüchterner geworden. Ich träume nicht von einer Reise durch Afrika (die vor einem Jahr noch auf meiner Löffelliste ganz oben stand). Ich träume von einem Bier mit ein paar Freunden in einer Bar, einem Kinobesuch, oder, wenn ich mich ganz weit aus dem Fenster lehne, aber wirklich unanständig weit, dann träume ich von einem Festival.

Aber für den Moment bin ich auch einfach zufrieden mit dem Überleben meiner Liebsten und damit, in dieser ganzen Situation die Nerven zu behalten. Wir sollten alle einen kühlen Kopf bewahren, solange unsere Träume auf Eis gelegt sind.

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