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LAMBORGHINI URRACO
from RETROWELT #20
Der Lamborghini URRACO
Keilförmige Ikone war Urvater der modernen Lambos
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MIURA. ISLERO. ESPADA. JARAMA. SILHOUETTE. JALPA. COUNTACH. DIABLO und eben URRACO. Lamborghinis mit klangvollen Namen, die beides erzeugen: Bilder im Kopf und Gänsehaut am ganzen Körper.
Text: Ben Großmann ∙ Fotos: Lamborghini
Zum Öffnen der Fahrertür – man mag es kaum glauben – fingert man tatsächlich einen kleinen schmalen Schlüssel in den Zylinder am Türgriff und dreht diesen beherzt vorsichtig um. Wie so oft hakt das Ganze bestimmt ein wenig und erst nach einem liebevollen Stoß mit dem Oberkörper geht die Tür schließlich auf. Nun zwängt man sich in den kleinen Innenraum auf den unbequemen Fahrersitz. Und weiß letztendlich wie der Sportwagen zu seinem Namen gekommen ist. Schlüssel ins Zündschloss und ab geht die Fahrt… Von wegen! Zunächst muss man noch die Zündung auf Spät stellen und mit dem Gas spielen. Vooorsichtig kommen lassen…, die Zündverstellung nachregeln… und… der Motor ist aus. Also alles nochmal von vorne… Es ist dieser Moment, in dem der Motor letztlich doch anläuft, der mit starken – sehr starken – Emotionen behaftet ist! Der Lamborghini heult laut auf und man tritt genüsslich aufs Gaspedal, lauscht im Leerlauf dem sanften Grollen aus dem Heck. Fahrer und Fahrzeug sind bereit, die nächsten Kurven zu rocken. Oder dem Sonnenuntergang entgegenzufahren. Es ist das Unvollkommene, das so interessant, aufregend und höchstattraktiv ist. Solche Eigenschaften sind authentisch! Die Entscheidung, Der Uracco erinnert uns an Zeiten, in denen es sich noch lohnte, erwachsen zu werden. Denn nur zu einem Auto mit einer eigenen Geschichte kann man eine emotionale eine Lamborghini Viersitzer-Limousine Bindung aufbauen. In diesen Punkten sind Oldtimer den heutigen Autos schlichtweg um viele Kilometer voraus! Neben dieser „Emotionalität“ darf man bei einem historizu bauen, zielte darauf ab, ein breiteres Pubschen Lamborghini natürlich auch nicht dessen Rolle als ästhetisches Fortbewegungsmittel außer Acht lassen. likum anzusprechen, das vor allem am
reinen Fahrkomfort interessiert war
Mitte der Siebzigerjahre waren Mittelmotorsportwagen mit vier Sitzen und Schlafaugen das Gesetz der Stunde. Die drei Hersteller aus der Emiglia Romagna boten vergleichbare Sportwagen für die kleine (und sehr begüterte) Familie an: Ferrari mit dem Dino 308 GT4, Maserati mit dem Merak und Lamborghini mit dem Urraco. Wir schauen uns den Lamborghini Urraco genauer an. Dazu nimmt uns Valentino Balboni, der Ex-Chef-Testfahrer von Lamborghini, zu einer Ausfahrt mit: „Ferrari baut Autos für Mädchen“, sagt er grinsend und zirkelt den Urraco dabei elegant durch die engen Sträßchen von Formigine. „Wir wollten mit Lamborghini schon immer kompromisslosere Sportwagen bauen –eben solche für Männer“, erinnert sich Balboni. Gern wird erzählt, wie der Traktorenhersteller und Auto-Enthusiast Ferruccio Lamborghini einst Enzo Ferrari eine Konstruktionsänderung an einem der Sportwagen aus Modena vorgeschlagen haben soll.
Der wahrscheinlich schönste 2+2-Mittelmotor-Sportwagen seiner Zeit
Man muss den Urraco mit Körperkraft durch die Kurven zirkeln
Doch dieser habe abgelehnt mit dem Verweis, dass Lamborghini sich zwar gut mit Landmaschinen, aber weniger mit Sportwagen auskenne. Der Beginn einer waschechten Feindschaft, die Lamborghini dazu bewog, in Sant’Agata Bolognese, nur wenige Kilometer von Ferraris Firmensitz in Modena entfernt, künftig selbst Autos herzustellen und Ferrari Konkurrenz zu machen. Lamborghini begründete diesen Schritt damals so: „Die berühmtesten Sportwagen der Welt habe ich besessen. An jedem dieser großartigen Autos fand ich Fehler. Zu heiß oder unkomfortabel, nicht schnell genug oder nicht gut genug verarbeitet. Jetzt werde ich selbst einen Sportwagen bauen. Ein perfektes Auto.“
Was 1964 mit dem zwölfzylindrigen 350 GT begann, sollte sich zu einer Erfolgsgeschichte ausweiten, die trotz mitunter arger Finanznöte immer wieder faszinierende Fahrzeuge hervorbrachte. Das Durchhaltevermögen der Marke entsprach dem seines Wappentieres: Stier „Murciélago“ überlebte 1879 in einem Stierkampf 24 Lanzenstöße und wurde daraufhin begnadigt. „Der Urraco lässt sich immer noch sehr schön fahren. Gegenüber dem Silhouette bietet er aber eine deutlich bessere Performance“, erklärt Balboni und beschleunigt. Der 911er von Porsche hatte Anfang der 1970er-Jahre bereits seinen ersten Modell-Zyklus hinter sich, seit 1969 war der Dino 246 auf dem Markt, außerdem bastelte Ferrari schon fleißig am Dino 308 GT4 und Maserati plante den Merak. Da konnte Lamborghini natürlich nicht zurückstehen, Sant’Agata wollte auch ein kleineres, erschwinglicheres Modell im Programm haben. Also konstruierte Paolo Stanzani den Urraco. Der Entwurf – wieder einmal ein Meisterwerk von Marcello Gandini und der wahrscheinlich schönste 2+2-Mittelmotor-Sportwagen überhaupt – stand bereits 1970 auf dem Turiner Salon, verkauft werden konnte das Fahrzeug jedoch erst ab 1973. Dessen 3,0-Liter-V8 brachte Cheftechniker Giulio Alfieri auf 3,5 Liter Hubraum, was mit der an den verschärften Abgasgesetzen orientierten Abstimmung zwar 5 PS weniger Leistung (255 statt 260), dafür aber 40 Nm mehr Drehmoment (310 Nm bei 3500/min) und damit im Alltag mehr Elastizität brachte.
Lange Rechtskurve, Balboni gibt Gas. Er lebt und atmet Lamborghini – und er verehrt den Firmengründer Ferruccio Lamborghini. Die Autos der Marke sind wie seine Kinder. Wenn der durch jahrzehntelange Testfahrten jung gebliebene Grand Seigneur die Gänge sortiert, geschieht das fast zärtlich. Bis zu seiner Pensionierung 2008 zeichnete der sympathische Italiener, der übrigens auch hervorragend Deutsch parliert, maßgeblich für die Abstimmung der Modelle verantwortlich.
Der Lamborghini Urraco bietet Exotik und Exklusivität zum vergleichsweise kleinen Preis
Überhaupt der quer eingebaute V8: Er brabbelt im Leerlauf zufrieden vor sich hin, trompetet – von Gasstößen animiert – seine Lebensfreude hinaus, während Balboni flink die Gänge wechselt. Dank der satten Drehfreude begegnet der Lamborghini den Fahrwiderständen mit gefühlter italienischer Leichtigkeit, auch wenn die Messwerte deutlich hinter denen eines ähnlich starken Porsche 911 Turbo, aber in etwa auf Augenhöhe mit denen eines Ferrari 308 GTS bleiben: 6,9 Sekunden maßen Tester seinerzeit für den Lambo-Sprint von null auf Tempo 100 und als Spitze 237 km/h.
Solche Werte schafft heute eine gut motorisierte Turbodiesel-Limousine von Audi spielend, ohne jedoch jemals an den Erlebniswert eines Lamborghinis aus dem gleichen Konzern heranzureichen. Sei’s drum, im Straßenbild gab es für den Urraco nicht viele Gegner – was auch an seiner Exklusivität lag. Nur 776 Exemplare verließen die Werkshallen. Balboni dirigiert den Exoten spielerisch durch die Kurven. Die Lenkung besitzt keine Servo-Unterstützung. „Anfangs hatten wir Probleme mit der Lenkung. Sie war sehr stoßempfindlich. Erst mit der Verwendung einer neuen Zahnstange und eines neuen Ritzels im Jalpa haben wir sie in den Griff bekommen“, erzählt der Test-Profi. Wie alle Lamborghinis jener Zeit verlangt auch der Urraco nach wie vor nach einer festen und kundigen Hand. Die Bedienkräfte sind hoch, der Geradeauslauf nach heutigen Maßstäben mäßig, und mit Lastwechselreaktionen geizt er ebenfalls nicht. Balboni lächelt: „Es ist wie mit deinen Kindern: Sie folgen manchmal nur widerwillig, aber du liebst sie dennoch.“ Während Maserati 1830 Merak herstellte, wurden vom Lamborghini Urraco gerade einmal 776 gefertigt (die Nachfolger Silhouette und Jalpa basierten allerdings ebenfalls auf dem Urraco). Der Dino 308 GT4 (und 208 GT4) aber siegte auch am Markt mit 2826 Einheiten. Keiner der Drei erreicht zum heutigen Zeitpunkt hohe Notierungen, sie sind eigentlich erstaunlich günstig geblieben, obschon sie exotisches Aussehen, fantastisches Klangvermögen und Klassikerstatus kombinieren. Vielleicht sollte man ja jetzt zugreifen, dabei allerdings die durchaus erheblichen Unterhaltskosten nicht unbedacht lassen.
Beim Lamborghini Urraco wurde viel Wert auf Komfort und Fahrvergnügen gelegt, aber auch der Motor wurde neu durchdacht: Der Wagen bekam einen V8-Motor der neuesten Generation spendiert.
Extremes Design, avantgardistischer Name – und ein anständiges Heck
Ursprünglich hatte er 2,5 Liter Hubraum und 220 PS, die letzten Modelle schließlich 3 Liter Hubraum und 265 PS. Außergewöhnlich: die wohl am wenigsten ergonomischen Armaturen aller Zeiten.