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OWNER STEFAN BOGNER
from RETROWELT #20
AUF DEN SPUREN DER KURVEN
Text: Joachim Fischer Fotos: Maximilián Balázs
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Im Matheunterricht in der Schule hat man gelernt, dass der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten eben eine Gerade ist. Der schönste Weg allerdings ist die Kurve –idealerweise am Steuer eines Porsche.
Kein anderer zeigt uns die Kurven dieser Welt so eindrucksvoll wie Stefan Bogner. Und das, obwohl Landschaften durch Straßen eher verschandelt werden. Auf den Fotos von Stefan Bogner ist das anders: Sie zeigen Straßen und Pässe, die sich scheinbar natürlich in die Landschaften einfügen. Was den Fotografen, Gestalter, Verleger zum Kurvenkünstler macht, ist vor allem seine ganz eigene Sichtweise auf die Welt und das Gefühl, ein bisschen Abstand zu den Dingen da unten gewonnen zu haben und dabei näher bei sich selbst zu sein. Genau das transportieren seine Fotos. Und freundlicherweise liefert er Wegbeschreibungen, wo man solche Orte – und damit bestenfalls sich selbst – findet. Dass dies dann alles noch mit den schönsten PorscheModellen stattfindet, rundet die Touren durch die Kurven ab. Wir treffen Stefan Bogner in seinem Büro in München. Das Eklektische, das Kreative in diesen Altbauräumen zieht mich auf Anhieb in seinen Bann. Es zeugt von der grenzenlosen Passion von Stefan Bogner. Ich stehe vor Reihen von Special-Edition-Magazinen, die Bogner über die Jahre herausgebracht hat, außerdem wundervoll gestaltete Bücher über Autos – vornehmlich Porsche. Oh, und natürlich Kunst, massig davon. Von Postern über Gemälde bis hin zu Siebdrucken und großen Fotoprints von Straßen. In den Bergen. Was sonst?! Besonders beeindruckt bin ich von den unzähligen kleinen Accessoires, die mich daran erinnern, dass mein Gastgeber ja auch ein großer Petrolhead ist.
Während uns Bogner in der Küche einen Espresso brüht, entdecke ich weitere Details, die das Büro einzigartig machen: Porschemodelle in allen Größen, Zeichnungen, zahlreiche Bücher und Magazine. Nicht nur seine eigenen. Und Pläne, Straßenkarten, neue wie auch alte, die er vorsichtig auf dem Tisch ausbreitet. Alles, wirklich alles hier dient ihm zur Inspiration. Für Max und mich öffnet er eine gute halbe Stunde lang Schubladen auf der Suche nach seltenen Postkarten und historischen Straßenkarten. Er ist ein stolzer Vater seiner Kreationen. Und so fügt er zusammen, was – und wie es –ihm gefällt. In seinen Bildbänden und dem Reisemagazin „Curves“ macht Bogner nichts anderes, als seine gesammelte Erfahrung zu teilen. „Wenn ich mir eine Auszeit nehme, fahre ich immer in die Berge“, sagt er in sanftem Bayerisch. „So bin ich zum Beispiel öfter im Jahr mit einem guten Freund in meinem alten Porsche dorthin unterwegs. Zur Vorbereitung so einer Reise hat mir immer ein Roadtrip-Magazin gefehlt, das mich wirklich anspricht. Ich hatte zu der Zeit bereits acht Jahre Reisemagazine für MairDumont gestaltet und in unserem Job ist die Antenne ja immer auf Empfang.“ Auf einer Tour um die Sella-Runde in den Dolomiten habe er das Konzept von „Curves“ dann in ein Skizzenbuch gezeichnet: „Fünf Tage Roadtrip – das Zeitfenster kann man sich immer irgendwie rausschneiden.
„Curves – Soulful Driving“ Vor zehn Jahren ging es los mit Stefan Bogners großem Kurvenreigen. Seitdem sind 16 Ausgaben der „Curves“ und ebenso viele Bücher erschienen.
Stefan Bogner, Unternehmer, Publizist, Artdirector und eben Fotograf in seinem Büro in München.
Ein Land, leere Straßen, modernes Layout.“ So hat er die Idee zu „Curves“ aufs Papier gebracht. Ein Magazin, in dem auf jeweils rund 200 Seiten die besten Routen einer Bergregion vorgestellt werden. Mit vielen Fotos, Karten und dazu kleinen Storys. „Jede Ausgabe ist aufgebaut wie ein Roadmovie“, sagt Bogner. „Ich habe mir einfach vorgestellt, wie Quentin Tarantino und Sofia Coppola zusammen unterwegs sind. Die unterhalten sich dann natürlich nicht über die Berge, sondern einfach übers Leben. Idealerweise wird das dann von Wes Anderson verfilmt.“ Er verstehe „Curves“ als „Liebhabermagazin für Menschen, die passionierte Auto-, Motorrad- oder Radfahrer sind und den Genuss sowie das Abenteuer der Straße suchen. Eben für Menschen, die aus dem Alltag ausbrechen und sich einen Traum erfüllen möchten. Ein Magazin für Menschen, die schon die Planung einer Reise zelebrieren. Es ist für all die unverbesserlichen Schwärmer und Schwelger, die ihre Ausfahrt im Geiste durchleben, bevor sie sich dem echten Abenteuer hingeben. Oft hat man ja den Traum, eine gewisse Strecke zu fahren – genau daran knüpft das Konzept von Curves an.“ Und Bogner ergänzt: „A bissi Style braucht’s scho.“
MAN MUSS DIE KURVE KRIEGEN
Stefan, wie bist Du eigentlich zur Fotografie gekommen –was hat Deine Leidenschaft geweckt?
Ich komme aus dem Design und hatte auch 25 Jahre lang eine Designagentur, bei der unser Fokus stark auf Editorial Design und Reiseführern lag. Und das wirkt sich natürlich auch auf die Komposition der Fotos aus. Ich hatte schon immer sehr viele Ideen und war auch früher ein Mensch, der oft mit Freunden weggefahren ist. Dabei fasziniert mich in der Natur der ewige Kampf der Elemente, das immer wieder neue Spiel von Licht und Farben, Formen und Strukturen. Da ich ein recht kreativer Mensch bin, entstand irgendwann der Wunsch, diese Eindrücke und Emotionen festzuhalten und visuell zu verarbeiten. Für mich war die Fotografie genau das richtige Medium und fasziniert mich bis heute wegen der einzigartigen Melange aus Naturerlebnis, körperlicher Herausforderung, Kreativität und Technik. Was ich an der Fotografie auch mag ist, dass es ein unmittelbares Feedback für das eigene Tun gibt. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass man mit seiner Arbeit andere Menschen erreichen, in ihnen emotional etwas auslösen kann. Nicht zuletzt hoffe ich dabei auch immer, den Betrachterinnen und Betrachtern nicht nur die Schönheit unserer Berge nahe zu bringen, sondern sie vielleicht genauso für die Verantwortung für unseren einzigartigen Planeten sensibilisieren zu können.
Woran denkst Du zuerst, wenn Du eine Route planst?
Natürlich bin ich zu allererst daran interessiert, spannende FotoLocations zu finden. Wenn ich Touren zusammenstelle, betreibe ich also erst einmal ausführliche Recherche. Ich fühle mich wie ein Abenteurer, wenn ich anfange, neue Pläne zu machen. Nach und nach baut sich eine gespannte Erwartung auf. Was könnte fotografisch reizvoll sein, wann herrscht wo welches Licht, welche Perspektiven versprechen interessant zu sein und wie komme ich dort eigentlich hin? Was die Planung angeht: In den Alpen kennen wir uns gut aus, bei Destinationen wie beispielsweise Island benötigen wir etwas Vorbereitung und akquirieren Personen aus Social Media oder wenden uns an Freunde von Freunden. Das funktioniert sehr gut. Neben digitalen Tools wie Google Earth nutze ich immer noch herkömmliche Straßenkarten. Die helfen ungemein. Wenn man Karten richtig lesen kann, erhält man ein besseres Gefühl für Orte und Perspektiven. Solche Planungen machen einen nicht ganz kleinen Teil meiner fotografischen Zeit aus. Das Magazin entsteht dann in der Regel innerhalb von zwei Wochen: Zwölf Tage widmen wir uns nur der Landschaft, danach kommen die alten und neuen Autos unseres Partners Porsche an die Reihe. Wenn wir aber beispielsweise in den USA unterwegs sind, nehmen wir uns etwas mehr Zeit. Die Arbeit an einer Ausgabe vergleiche ich gerne mit einem guten Rennwagen: Wenig Gewicht, aber eine gute Leistung.
Wie definierst Du „Curves - Soulful driving“, was verstehst Du darunter?
Es geht doch immer darum, eine gute Zeit mit Freunden zu haben und sich auf das Fahren zu konzentrieren, egal ob mit dem Auto, Fahrrad, Motorrad oder auf Skiern. Zuletzt war ich mit Michael Mauer, dem Porsche-Designchef, beim Skifahren in den Bergen. Dabei ging es uns nicht um Geschwindigkeit und den Adrenalinkick, sondern um den Genuss der Landschaft. Außerdem spielen auch Essen und unterschiedliche Kulturen eine wichtige Rolle. Es geht um das „schöne Unterwegssein“ und um gute Erinnerungen, die man gerne teilt. Das ist die Intention von „Soulful driving“. Ich vergleiche es gerne mit einem Musikstück, das zum Ohrwurm wird und einen stetig begleitet. Beim Autofahren empfinde ich großen Frieden, denn da redet mir keiner rein. Ich habe meine Ruhe und kann entspannen.
Stefan Bogner zieht analoge, „begreifbare“ Dinge vor – was vielleicht auch erklärt, warum er klassische Automobile so sehr liebt. Wir gehen nach unten auf die Straße. Das Lehel zeigt sich von seiner schönsten Seite: Die Frühlingssonne strahlt, trotz Corona flanieren gut gelaunte und ebenso gut gekleidete Menschen (mit Abstand) durch die Stadt. Bleiben stehen und beobachten uns, wie wir Bogners bahamagelbes 911er T-Model auf Touren bringen. „Ich hatte leider keine Zeit, ihn noch einmal zu waschen“, sagt er. Doch was viel wichtiger ist: Der Wagen ist mechanisch topfit und springt mit dem angenehmen Grollen eines satten Sechszylinder sofort an. Versierte Porschebesitzer hören da genau hin. Ja, Bogner hat den Wagen auf seine Ansprüche hin modifiziert. Markanter, leichter und stärker ist er nun. Seit seinem 28. Lebensjahr fährt er die Marke. Und in „Curves“ kommen ja auch nur Porsche vor die Linse. Am liebsten die ganz Seltenen. Die von Freunden und die aus dem Museum in Zuffenhausen. Umso gespannter sind wir auf das Ziel unseres heutigen Ausflugs: die Garage, in der Bogner seine weiteren Porscheschätze eingestellt hat. Darunter sein Porsche 964 RS im knalligen LilaLippenstift-Farbton Sternrubin sowie sein Lieblings-Curver, der 911 S/T“. „Das ist ein 911er von 1970, den ich originalgetreu umgebaut habe, mit breiterer Karosserie, 2,5-Liter-Magnesiummotor mit Doppelzündung und komplett reduziertem Innenraum wie bei einem Rennwagen. In diesem Wagen fahre ich am liebsten in die Berge. Das ist eine unheimlich intensive Erfahrung!“, so Bogner vor Ort. Leider mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass unser geplanter Stopp am Isarufer ausfallen musste: Die Fotolocation war bei der Verkehrsdichte am Samstagnachmittag schlicht nicht erreichbar. Wir trösten uns damit, dass es bei all den Staus noch schlimmer hätte sein könnte. Denn es ist ein wunderschöner Tag und Bogner will den Mangel an spannenden Destinationen wettmachen, indem er weitere Alpentouren aufzählt. Ich habe keine Zeit, sie alle zu notieren. Doch eines scheint klar: Raus aus der trubeligen Stadt, hinein in die stillen Bergwelten werden wir es heute nicht mehr schaffen. Als einzig veritable Entschädigung trösten uns jedoch die Ausgaben von „Curves“ sehr gut darüber hinweg.
Plötzlich wird der Verkehr flüssiger, die anderen Autos sind verschwunden. Max winkt uns heran. Bogner öffnet die Fenster seines Porsche und innerhalb von wenigen Sekunden fügen sich die Eindrücke des Tages in einer Symphonie aus Geschwindigkeit und Motorsound in einem Bild zusammen. Es ist eine Fügung, dass unser Fotoshooting auch ohne Ausflug in die Berge perfekt ist. Alles entwickelt und verändert sich, und das hat in der Tat auch etwas Gutes. Ich jedenfalls schätze mich glücklich, den Tag in München an der Seite von Stefan Bogner vom Beifahrersitz aus ausklingen zu lassen.
Die Fotos in „Curves“ bedürfen eigentlich keiner Worte: Allein die Straßen, Pässe und Serpentinen, die sich Bergen hinaufschlängeln, wirken wie Kunstwerke aus Asphalt und Pflastersteinen.
Bogner-Tipp: Halten Sie Ausschau nach den grünen Straßen – das sind die landschaftlich reizvollen Strecken!
Natürlich Magazine, massig davon. Und Bücher. Besonders beeindruckend ist die Sammlung an Modellen und Fotos, die daran erinnert, dass Bogner ein großer Porschefan ist. Bogner ist ein Mann weniger Worte. Er zieht es vor, mir seine Designs zu zeigen und dann im Detail über sie zu sprechen.
„Wer einen Porsche besitzt, hat festgestellt, dass die meisten Fahrzeuge der Marke jede erdenkliche Reise mitmachen. Der 911 T hat sich für mich als perfekter Begleiter erwiesen. Er ist schmal genug für enge Straßen in der Stadt und gleichzeitig ausbalanciert für die Haarnadelkurven in den Bergen.“