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ELEKTRO OLDTIMER

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MARKENHISTORIE

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OLDTIMER UNTER

STROM

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Kein Diesel und kein Super-Plus, sondern Strom! Deshalb hier die dringende Warnung an Oldtimer-Puristen: Beim Weiterlesen droht Herzstillstand! Wer die Verbindung von Nostalgie und Fortschritt dagegen entspannter sieht, wird sich für das Thema begeistern können.

In Deutschland sind offiziell etwa 400.000 Fahrzeuge zugelassen, die mehr als 30 Jahre auf dem Buckel haben. Obwohl betagte Autos in der Regel ein bedenkliches Abgasverhalten an den Tag legen, muss man als Youngtimer- beziehungsweise OldtimerBesitzer eigentlich keine Fahrverbote fürchten, da für diese H-Kennzeichen-Träger allgemeiner Bestandschutz gilt. Insofern besteht eigentlich keine Notwendigkeit, historische Schätzchen auf E-Antriebe umzurüsten. Doch genau dies kommt zunehmend in Mode. Immer mehr Klassiker werden durch junge, aufstrebende Unternehmen unter Strom gesetzt und mit einem Elektromotor versehen: V8-Triebwerk raus, E-Maschine rein! Konzepte, mit denen klassische Automobile unter Strom gesetzt und Elektro-Oldtimer auf die Straße gebracht werden, gibt es viele: Von moderner Elektrotechnik in alten Karosserien bis zu komplett neu konzipierten Elektroautos in Retro-Optik als Replika historischer Automodelle. Ob man es gut findet, wenn ein Oldtimer nur noch surrt, ist eher eine emotionale als eine rationale Angelegenheit.

Mit dem Wunsch einer Umrüstung steht man allerdings vor einem Dilemma: Für viele potenzielle Käufer des Garagengolds bemisst sich der Preis am Originalzustand. Je mehr historische Substanz erhalten bleibt, desto mehr kann man für ein altes Modell verlangen. Das trifft auch auf den Motor zu. Wird der Originalmotor entfernt und durch ein modernes Industrie-Elektroaggregat ersetzt, dürfte das viele Kaufinteressenten abschrecken. Echte Oldtimer-Fans sehen darin sogar ein Sakrileg. Einerseits. Andererseits macht eine E-Konversion manch altes Schnauferl auch attraktiver. So wird in den meisten Fällen ein E-Motor die Fahrdynamik verbessern, denn alte Verbrenner sind aus heutiger Sicht oft ziemliche Spaßbremsen. Außerdem verringern sich die Unterhaltskosten, da E-Autos steuerbefreit sind. In der Regel fallen weniger Energiekosten an. Zudem werden die umgebauten Oldtimer alltagstauglicher. Wen ständiges Schrauben und die generell erhöhte Pannengefahr eines betagten Automobils nervt, der wird sich über einen E-Umbau freuen, der aus launischen Diven wartungsarme und zuverlässige Autos macht. Obendrein bekommt man Sicherheit in Hinblick auf mögliche Fahrverbote. Mit einem wachsenden Bewusstsein für Klimaschutz und Luftverschmutzung in Städten könnten diese irgendwann möglicherweise auch alle Oldtimer treffen. Wenn aber die Zukunft elektrisch sein soll, müssen die Bemühungen um die Rettung unserer Verbrennungsklassiker jetzt beginnen.

Allgemein gilt E-Mobilität als große Lösung, um nationale CO2-Bilanzen aufzubessern. In einigen europäischen Ländern wurden deshalb bereits generelle Zulassungsverbote für Verbrenner beschlossen. Einige europäische Metropolen wie London und Paris wollen sogar schon früher drastische Einschränkungen für Verbrenner verhängen.

Bei unseren Nachbarn in Großbritannien verstärken Autohersteller deshalb ihr E-Engagement. So planen etwa die Sportwagenmarken Aston Martin und Jaguar ihre Zukunft elektrisch – auch in Hinblick auf historische Fahrzeuge. Der traditionelle Sportwagenhersteller Aston Martin hat mit Heritage EV eine Konversionsabteilung ins Leben gerufen, die bereits einen fast 50 Jahre alten DB6 MkII Volante zum Stromer gewandelt hat. Dieser erste Wurf sollte die Machbarkeit demonstrieren. Über die Kosten wurden keine Angaben gemacht. Doch in Gaydon glaubt man an die neue Geschäftssparte und will sie dauerhaft im Markt etablieren. Die Traditionsmarke Jaguar hat aus dem E-Type von 1968 den wohl schönsten Elektro-Oldtimer geschaffen – den „EType Zero“. Bei einer Beschleunigung von 5,5 Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometern ist er eine Sekunde schneller als das Original. Auch wenn das der eine oder andere Herausgeber von Octane-haltigen Magazinen anders sehen wird: Man wird den Originalmotor abgesehen vom Klang wohl gar nicht vermissen. Und zu aller Beruhigung sei gesagt, dass die Erben der elektrifizierten Oldtimer – diese gar als „Histo-Zombies“ bezeichneten Umbauten – problemlos wieder in den Originalzustand zurückgebaut werden können.

Die Idee, einen Elektromotor in Young- oder Oldtimer einzubauen, fasziniert

Die Restaurierung alter Fahrzeuge bei gleichzeitiger technischer Aufwertung geht immer häufiger auch mit einer Elektrifizierung einher. Zu den angesagten Anbietern dieser Umrüstszene gehört die im englischen Silverstone ansässige Firma Lunaz Design.

So schön können E-Oldtimer aussehen, wenn sie von Lunaz Design bearbeitet wurden.

Der Haken ist lediglich der Preis, denn der E-Type Zero dürfte um die 400.000 Euro kosten. Ein ähnlich exklusives Umbau-Angebot bietet die englische Firma Evolution E-Types in Kooperation mit dem irischen Konversionsspezialisten Electrifi, die gemeinsam Restaurierung und Elektrifizierung von Jaguar E-Types durchführen. Das Ergebnis, das ebenfalls seit vergangenem Jahr offiziell in Kleinstserienproduktion gegangen ist, kann sich sehen lassen. Der stromernde Oldtimer leistet 456 PS und sprintet in vier Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Auch hier lassen sich die Umbauten in einen Stromer wieder rückgängig machen.

Immer häufiger geht die Restaurierung alter Fahrzeuge bei gleichzeitiger technischer Aufwertung auch mit einer Elektrifizierung des Antriebs einher. Zu den angesagten Anbietern der Umrüstszene gehört David Lorenz mit seiner im englischen Silverstone ansässigen Firma Lunaz Design, die Konversionen markenübergreifend anbietet. Lunaz präsentiert bereits eine Fülle an respektablen Fahrzeugumbauten. Die Oldtimer werden zunächst komplett entkernt, 3D-vermessen und anschließend mit Unterstützung eines CAD-Modells akribisch wieder zusammengebaut. Dabei wird der alte Verbrenner durch einen E-Antrieb ersetzt. Lunaz hat ein eigenes modulares System entwickelt, welches Elektromotoren mit einem Leistungsspektrum von 135 bis gut 600 PS sowie auf den Bauraum anpassbare Batteriegrößen umfasst. Diese lassen sich laut Lunaz auf bis zu 480 Kilometer Reichweite dimensionieren. Der Reichweite zuträglich sind außerdem neue Bremsanlagen, die eine Rückgewinnung von Energie erlauben. Auch in anderer Hinsicht bietet Lunaz umfangreiche Aufwertungen an. Dank neuer Bordelektronik sind unter anderem die Integration von ABS oder Traktionskontrolle möglich. Klimaanlage, LED-Scheinwerfer, Servolenkung, Infotainment-System und eine entsprechende Modernisierung des Interieurs gehören ebenfalls zum Angebot der Briten. Erstlingswerk von Lunaz war der Umbau eines XK120 Baujahr 1953. Dieser hat einen zweimotorigen Antrieb mit 380 PS und 700 Newtonmeter Drehmoment in Kombination mit einer 80 kWh großen Batterie erhalten. Im Vergleich zum Original hat sich die Sprintzeit des Ur-XK von 0 auf 100 km/h mit nur noch fünf Sekunden in etwa halbiert. Ebenfalls zu Stromern umgebaut hat Lunaz bereits einen Bentley S2 Flying Spur und zwei Rolls-Royce-Klassiker: einen 56er Silver Cloud sowie einen 61er Phantom V. Letzterer hat eine 120 kWh große Batterie erhalten, was im PkwBereich einem neuen Rekord entspricht. Billig ist die Lunaz-Kur aber nicht: Die Preise liegen in der Grundbasis bei umgerechnet rund 400.000 Euro. Zudem müssen die Kunden auf diesen Preis noch ihre landesspezifische Mehrwertsteuer hinzurechnen.

Faszination Oldtimer Elektromobilität Lautlos, aber mit nicht weniger Spaß unterwegs im Klassiker von damals.

Eine Fusion von Elektromotor und Oldtimer zum Elektro-Oldtimer mag bei dem Aufwand wie bei den Preisen auf den ersten Blick nicht schlüssig wirken. Je nachdem, um welches Fahrzeug es sich handelt, verbinden Liebhaber klassischer Autos nicht nur einen charakteristischen Motorenklang, sondern vielfach auch den Geruch und eben auch die Öllachen mit ihren Lieblingen. Da stellt sich die Frage, ob ein Elektro- oder E-Oldtimer, dem diese Charaktermerkmale fehlen, überhaupt Emotionen wecken kann? Und abseits der Emotionen stellt sich auch die Kosten-Nutzen-Frage, denn für den Preis des Umbaus könnte man sich ja auch gleich ein modernes Elektroauto kaufen. Wer die Diskussion über Sinn und Unsinn von Oldtimer-Umrüstungen und den mit einem Umbau einhergehenden Aufwand minimieren will, könnte sich alternativ zum Beispiel für ein neues Elektro-Auto in Retro-Optik entscheiden. Im Kleinstwagen-Segment gibt es etwa die Projekte Nobe 100 (ab 37.000 Euro) und Microlino (ab 12.000 Euro), bei denen 50er- und 60er-Jahre-Flair modern interpretiert wurde. Dennoch scheint die Umrüstung von Oldtimern zu E-Oldtimern derzeit häufiger ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.

Auch in Deutschland gibt es inzwischen eine Fülle an Unternehmen, die hauptsächlich einstige Alltagsautos elektrifizieren. Allen voran steht hier der gute alte Käfer von Volkswagen. Auf diesen Wagen hat sich Robert Tönnies mit der Firma Murschel Electric Cars spezialisiert. Diese restauriert die Schrottautos und stattet sie mit einem 100 Kilowatt starken Elektromotor aus. Der „E-Retrokäfer“ beschleunigt in sehr untypischen nur knapp 5 Sekunden von 0 auf 100 Stundenkilometer. Auch Alltagsklassiker aus dem europäischen Ausland, der Fiat 500 oder der Citroën 2CV müssen häufig für den Umbau zum E-Oldtimer herhalten, beispielsweise bei Fleck Machines im niederbayerischen Pfarrkirchen. Dort hat man auch schon einen Trabant, ein Goggomobil, T2-Bullis von VW und sogar ein Amphibienfahrzeug aus den 1960er-Jahren umgerüstet. Der Umbau zum Elektroauto erfolgt natürlich nicht in erster Linie, um ein alltagstaugliches Fahrzeug zu schaffen. So dürfte der Markt für die Umrüstung von automobilen Stilikonen vermutlich mindestens genauso zukunftsträchtig sein. So hat sich e-cap Mobility beispielsweise an einen DeLorean aus dem Jahr 1981 gewagt und dem Wagen einen 50-Kilowatt-Motor mit einer Spitzengeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern verpasst – ganz ohne Flux-Kompensator.

Bei Elerra motiv in Erfurt hat man bereits mehrfach Porsche 911 verschiedener Baujahre elektrifiziert. Sogar ein Porsche 550 Spyder-Replika ist in Arbeit. Aber wie wirkt sich ein Umbau auf Elektroantrieb bei einem Oldtimer auf den Wert aus? Geht der Wert des Fahrzeugs verloren, bleibt er stabil oder steigt er sogar? Dazu hat Frank Wilke von classicanalytics eine klare Meinung: „Die Nachfrage nach ‚elektrifizierten‘ Oldtimern wird immer größer, sie kommt aber in den seltensten Fällen von der traditionellen Käufergruppe, sondern von Leuten, die ein Auto mit klassischer Optik, aber problemloser, leiser und abgasfreier Technik haben wollen –und die bereit sind, die hohen Umbaukosten zu tragen“, erklärt er. „Bevorzugt werden E-Motoren derzeit in Autos eingebaut, mit denen man eher gelassen cruist. Weil der Charakter des Wagens durch den E-Motor so extrem verändert wird, hat auch sein Marktwert mit dem des Basismodells nichts mehr zu tun. Derzeit setzen die meisten Versicherer nach Rücksprache mit uns den Verkaufspreis als Marktwert an, denn ein wahrnehmbarer Markt für gebrauchte E-Oldtimer ist derzeit nicht vorhanden.“ Und Wilke ergänzt: „Für überzeugte Oldtimerfans wird ein Oldtimer durch die Umrüstung mit einem Elektro-Motor definitiv entwertet.“

AUSSEN IKONE, INNEN AVANTGARDE: DIESE BRUMMER SIND NUN SUMMER

Viele Autofahrer mit Benzin im Blut stehen mit der Elektromobilität auf Kriegsfuß. Dabei bietet sie selbst für Fahrer der ganz alten Schule reizvolle Facetten.

Ist man jedoch offen für eine Reise in die Zukunft und lässt die Pros und Contras von Verbrennungsmotor und Elektromobilität einmal außen vor, realisiert man schnell: Elektromobilität bewegt, fasziniert und weckt Emotionen.

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