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MISSION: EMISSIONSFREI

Ein wenig mehr geht von einem Frachtsegler aus

Text: Joachim Fischer ∙ Fotos: Pierre Fromentin

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Der internationale Schiffsverkehr ist ein Klimakiller. Während sich die Einen für den Einsatz von emissionsarmem flüssigem Erdgas einsetzen, besinnen sich andere zurück in Zeiten, in denen Waren völlig emissionsfrei per Segelschiff transportiert wurden. 5000 Jahre lang wurden Waren mit Segelschiffen transportiert – bis im 19. Jahrhundert der Motor erfunden wurde und den Segelschiffverkehr abschaffte. Drei Freunde nutzen nun wieder den umweltschonenden Weg, Waren nur mit Windkraft zu transportieren statt mit Motoren, die mit Öl betrieben werden: Mit der motorlosen Segelflotte Tres Hombres und Nordlys bewegen sie Fracht nachhaltig über das Meer.

Nein zu einem „immer schneller, höher, weiter“! In einem Zeitalter, in dem alles immer schnell und permanent verfügbar sein muss, scheint sich die antiquierte Technik des Segelns als Gegenpol zu entwickeln.

Auf den Grund aller Dinge sind wir noch nicht vorgedrungen. Doch der Anblick des Ozeans genügt – und schon wollen wir dorthin aufbrechen. Es soll Menschen geben, die in Tränen ausbrechen, wenn sie das Meer sehen. Und es gehört naturgemäß zum Anblick des Ozeans, dass er selbst poetisch durchschnittlich begabte Gemüter zum Tiefsinn ermutigt. Plötzlich ist der Himmel nach unten verrutscht, bis man ihn nicht mehr vom Meer unterscheiden kann – wie auf dem Seestück von Gerhard Richter. Träume, denen man nachjagt oder gerne nachjagen würde … Ja, wir betreten nun höchst metaphorisches Gelände. Es gehört auch zum Blick auf das Meer, dass man den Schiffen hinterhertrauert, auf die man nie gestiegen ist. Im Grunde sind alle Liebeserklärungen ans Meer zugleich auch welche an seine wirtschaftliche Metapher.

In See stechen, das geht in Gedanken und mit eigener Fantasie. Oder mit einem der motorlosen Segelschiffe „Tres Hombres“ und „Nordlys IV“. Und hier gehen wir zurück an den Anfang, wie alles begann ... Moderne Containerschiffe sind schwimmende Giganten – und eine enorme Umweltschweinerei, findet Andreas Lackner. Mit zwei Geschäftspartnern betreibt der Österreicher das Gegenmodell. Seine beiden Schiffe gehören zu den ersten Frachtseglern im Transatlantikverkehr.

Im Jahr 2007 gründeten die drei Freunde eine Schiffsreederei. Begeistert von der holländischen Bark „Europa“ entschlossen sie sich, die weltweit erste emissionsfreie Schiffsflotte aufzubauen. Das Projekt ist mittlerweile stark angewachsen und wurde bekannt unter dem Namen „Fairtransport“. Das ist sowohl der Name der alternativen Reederei mit Sitz in Willemsoord als auch eine Qualitätsbezeichnung für sauberen Transport. „Tres Hombres“ befährt nun seit Jahren eine nachhaltige Handelsroute zwischen Europa und der Karibik. Das zweite Schiff, die „Nordlys IV“, deckt die europäische Küste ab und es gibt Expansionspläne.

Transporte nachhaltiger Fracht über den Ozean, nur mit der Kraft des Windes

Die Themen „Regionalität“ und „Nachhaltigkeit“ sowie die aktuell omnipräsenten Bilder des gigantisch großen Containerschiffs „Ever Given“, das im Suezkanal auf Grund gelaufen ist, erfahren immer größere Beachtung. Nicht nur die Bilder des unvorstellbar großen Containerschiffes in den Nachrichten, sondern auch von Hunderten von wartenden Ozeangiganten, haben uns den Irrsinn und die Verletzlichkeit des globalen Warenverkehrs vor Augen geführt. Wie wohltuend hier die Ansichten von kühl kalkulierenden und ehrbaren Kaufleuten, die sich unter dem Motto „Von A nach B ohne CO²“ ins Herz verantwortungsbewusster Konsumenten segeln und fair angebaute sowie produzierte Güter emissionsfrei ans Ziel bringen. Größer könnten die Unterschiede kaum sein.

Eine positive Bewegung, die Natur, faire Partner und verantwortungsbewusste Konsumenten miteinander verbindet. Alle Produkte wurden biologisch, sozialverträglich oder traditionell hergestellt, bevor sie auf umweltfreundliche Art und Weise transportiert wurden.

Die „Tres Hombres“ fährt jedes Jahr über den Atlantik. Das Schiff startet in den Niederlanden, lädt Stockfisch in Norwegen, Wein in Frankreich und Olivenöl in Portugal. Die Route führt dann zum brasilianischen Belém, wo Wein und Olivenöl entladen und im Gegenzug Kaffeebohnen und andere fair gehandelte Produkte aus dem Amazonasbecken aufgenommen werden. Auf der Rückreise läuft die „Tres Hombres“ für Rum und Kakaobohnen am Rand der Karibik unter anderen die Antilleninseln Grenada und die Dominikanische Republik an. Auf dem Weg zurück nach Europa können auf den Azoren Fischkonserven geladen werden.

Wohl die wenigsten, die heute noch das romantische Lied von der Seeschifffahrt anstimmen, kennen die ganz unromantischen Fakten: 90 Prozent des globalen Seehandels wird über Containerschiffe abgewickelt, die maßgeblich für den steigenden Ausstoß von Treibhausgasen und Feinstaub verantwortlich sind. Über 50.000 Frachter weltweit vergiften die Atmosphäre mit unvorstellbaren 846 Millionen Tonnen CO2 jährlich, 20 Millionen Tonnen Stickoxid und zwölf Millionen Tonnen Schwefeldioxid – neben weiteren schädlichen Stoffen. Die Weltschifffahrt stößt jedes Jahr mehr CO2 aus als die gesamte Bundesrepublik Deutschland, die unter den Kohlenstoffdioxidemittenten der Welt immerhin auf Platz sechs liegt. Was auf unseren Straßen mit grünen Plaketten und Schadstoff-Richtlinien längst geregelt wird, ist auf See kaum Thema. Mit mehr als 20 Millionen Tonnen Stickoxid übertrifft die Schifffahrt in puncto Emissionsausstoß den Luftverkehr um das Zehnfache und bei Schwefeldioxid sogar um das Hundertfache. Das möchten einige Reedereien ändern! Da fügt es sich, dass die Idee, wieder umweltfreundliche Frachtsegler zu nutzen, eine Renaissance erlebt, auch wenn die transportierten Waren nicht wie bei Containerriesen „just in time“ im Bestimmungshafen eintreffen. Eine Vielzahl von für den Warentransport reaktivierten und restaurierten Segelschiffen, teilweise ohne Antriebsmotor, transportieren wieder Waren wie Kaffee, Rum, Honig, Gin, Gewürze, Kakao und Salz wie in alten Zeiten über den Atlantik. Die Crew ist ein Mix aus Profis und Freiwilligen aus verschiedenen Ländern. Auch Privatpersonen sind eingeladen, mitzusegeln und an diesem Abenteuer aus scheinbar längst vergangenen Zeiten teilzuhaben.

Nach einer mehrjährigen Restaurierungsphase nahm die Brigantine „Tres Hombres“ im Jahr 2009 seinen transatlantischen emissionsfreien Frachtdienst zwischen der Karibik und Europa auf. Als erstes motorloses Segelfrachtschiff der Welt ist sie zu Recht weltweit berühmt geworden. Zur Flotte von „Fairtransport“ gehört seit 2015 auch die 1873 auf der Isle of Wight gebaute Holz-Ketsch „Nordlys“. Die „Nordlys“ ist bisher unwidersprochen der älteste Frachtsegler der Welt. Die von „Tres Hombres“ aus der Dominikanischen Republik nach Amsterdam transportierten Kakaobohnen wurden – zu Schokoladentafeln verarbeitet – von fünf Bremer Lastenfahrradfahrern nach Bremen gebracht. Pro Lastenrad wurden zehn Kilogramm Schokolade transportiert. Die „Schokofahrt“ per Fahrrad dauert von Amsterdam nach Bremen drei Tage und findet zwei Mal pro Jahr statt. Von anderen Lastenrädern wird in mehr als 30 deutsche und österreichische Städte Schokolade geliefert. Mit einem der Gründer, Andreas Lackner, haben wir uns darüber unterhalten, wie alles begann, wir sprachen über umweltbewusstes Konsumverhalten und die Crew der Zukunft.

Leidenschaft für die alternative Schifffahrt in der ganzen Welt entwickeln

Andreas, wie wurde aus der Idee tatsächlich ein Unternehmen?

Joren, Arjen und ich haben uns vor 15 Jahren kennengelernt, als wir auf dem Segelschiff Europa als Matrosen gearbeitet haben. Der Kapitän gab uns den Namen „Tres Hombres“. Wir fuhren tagelang neben einem Frachtschiff her und waren auch ohne Motor gleich schnell. So entstand die verwegene Idee, die alte Tradition der Schifffahrt wiederzubeleben. 5.000 Jahre lang wurden Waren mit Segelschiffen transportiert, dann wurde im 19. Jahrhundert der Motor erfunden und hat das ganze Konzept des Segelschiffverkehrs umgeschmissen. Wir wollten den umweltschonenden Effekt nutzen und Waren nur mit Windkraft statt mit Motoren, die mit Öl betrieben werden, zu transportieren. Wir mussten nur eine Möglichkeit finden, das wieder wirtschaftlich zu machen. Unser erstes Schiff, die „Tres Hombres“ war ein Wrack und saß in Holland irgendwo in einem kleinen Hafen völlig vergessen fest. Wir haben Freunde und die Öffentlichkeit mobilisiert, um 500.000 Euro das für die Restaurierung zusammen zu bekommen.

Bei Fairtransport versteht man sich als Vertreter der Gemeinwohl-Ökonomie: Bei dem Projekt geht es nicht um die Vermehrung von Geld, sondern um einen kooperativen, nachhaltigen Ansatz, um die Seefahrt wieder umweltverträglich zu gestalten. Auch wenn das körperlich anstrengend ist.

Mit einer Ladekapazität von rund 70 Tonnen wirken die Frachtsegler nicht gerade wie eine Konkurrenz zu riesigen Containerschiffen, die bis zu 150.000 Tonnen transportieren können.

Erst wenn wir unsere Freiheiten vermissen wird uns klar, wie wichtig sie in Wahrheit sind.

Es ist an der Zeit unser Tun zu hinterfragen, statt uns von Instagram-Ästhetik, Mode und Productplacement ein unheimlich bedeutsames Leben vorgaukeln zu lassen. Hier und jetzt: Zurück ins richtige Leben! Das heißt, Ihr habt die Möglichkeit gegeben, in Euer Unternehmen zu investieren?

Ja, wir haben Anteilsscheine ausgegeben, sodass die Leute in Papierform Miteigentümer des Schiffes werden konnten. Wir fahren nun auch für sie, um für sie Gewinne zu erzielen. Wir möchten das Projekt aber genauso bekannter machen, um andere zu animieren, ähnliches zu tun. Es geht nicht nur um Schiffsbau, maritime Ausbildung sowie Frachttransport von exklusiven und exotischen Gütern. Wir wollen auch das Konsumverhalten der Menschen beeinflussen. Wenn sie Waren kaufen, die biologisch und unter fairen Arbeitsbedingungen produziert werden und dann noch emissionsfrei verschifft im Laden ankommen, dann sind diese so sauber wie der Apfel im eigenen Garten. Es ist erschreckend, dass 90 Prozent der Güter mit Frachtschiffen transportiert werden, die an einem Tag 200.000 bis 500.000 Liter hochgiftiges Schweröl verbrauchen. Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir so nicht mit der Umwelt umgehen können.

Wohin geht die nächste Reise?

Unser Schiff „Nordlys“ liegt gerade in Frankreich im Hafen von Douarnenez. Es fährt jetzt mit französischen Produkten, Cidre und Rotwein nach Schottland. Unsere Politik ist, dass wir Waren transportieren, die es am Ankunftsort nicht gibt. Wir wollen nicht mit lokalen Märkten konkurrieren. Wir bringen Rotwein nach Schottland, Kakao und Rum aus der Karibik nach Europa, Stockfisch von Norwegen nach Portugal oder Olivenöl von Portugal nach Deutschland.

Fairtransport bietet auch die Möglichkeit, als Passagier mitzufahren. Braucht man dafür Segelkenntnisse?

Nein, die kriegt man ja bei uns. Man darf so viel mitmachen, wie man will. Und soviel man sich zutraut. Wir haben eine professionelle Crew an Bord und die Leute, die mitfahren, packen mit an. Das macht natürlich auch Spaß. Es geht schließlich vor allem darum, teilzuhaben an diesem Abenteuer.

Nun wollen die Leser der RETROWELT bestimmt wissen, welche Voraussetzungen man mitbringen muss?

Nun ja, wie ich gesehen habe, geht es bei dem Magazin vornehmlich um Automobile. Also sollte man schon eine Portion Freude daran mitbringen, für eine bestimmte Zeit festen Boden gegen schwankende Dielen einzutauschen. Zusätzlich muss man mental fit und körperlich robust sein, dann kann jeder unabhängig vom Alter mitmachen. Wir haben viele Passagiere der älteren Generation an Bord. Der Älteste war 82 Jahre alt: Ein deutscher Schiffskapitän, der eine Reise mitgemacht hat von England über Belgien nach Holland. Ihm hat das irrsinnig gut gefallen. Wie sind die Reaktionen Ihrer (Mit)Segler?

Wir machen das ja nicht nur für uns, sondern hauptsächlich für die nächste Generation, damit sie mitbekommt, dass es möglich ist, nicht im umweltschädlichen Strom mitzuschwimmen. In diesem Sinne bilden wir unsere Crew selbst praktisch und theoretisch aus. Das ist die Crew für die Zukunft.

Man mag es kaum glauben, dass der ZeroEmission-Transport für eine Flasche Wein aus Portugal nur fünf Prozent teurer ist, als wenn sie von dort per LKW nach Deutschland gebracht wird. Weil die Segelschiffe keinen Motor haben, musste eines zuletzt wie in alten Zeiten wegen unpassender Windrichtung drei Tage in der Wesermündung ankern, bevor es weiter bis Bremerhaven segeln konnte. Schon unpassendes Wetter in der Biskaya verzögerte die Ankunft um mehr als fünf Wochen. Vielleicht sind es aber gerade solche Anekdoten, mit denen die Idee des umweltfreundlichen Warenverkehrs bei uns Konsumenten ankommt, in Erinnerung bleibt und etwas bewegt. Ebenso bei Maklern, kleinen Reedereien und Investoren. Obwohl das Volumen der transportierten Fracht im Vergleich zu Containerriesen verschwindend gering ist, wächst die Akzeptanz der auf diese Weise transportierten Waren beim Endverbraucher zunehmend. Zitat eines Händlers aus Bremen: „Du kannst in jedem Laden Rum kaufen, aber bei mir gibt es fair gesegelten Rum.“ Und so ist man bei der Fairtransport Shipping Company davon überzeugt, dass Investitionen in Clean Shipping dabei helfen, eine nachhaltige Zukunft für die nächsten Generationen zu sichern. Hier hat man jahrzehntelange Erfahrung im weltweiten Verschiffen von edlen Gütern. Man arbeitet mit den angesehensten Produzenten und Händlern der Welt zusammen – mit Leuten, die Mut und eine umweltfreundliche Vision haben. Wer davon nicht genug bekommen kann, dem empfehlen wir auf der Website vorbeizusegeln:

www.fairtransport.eu

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