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Knapp 80 Prozent der Lebensmittel sollen sogenanntes

also vor dem Müll gerettete Waren. „Sie glauben gar nicht, was alles weggeschmissen wird“, sagt Georges Kieffer. Einerseits sind es Waren, deren Mindesthaltbarkeitsdatum nah herangerückt ist oder bereits überschritten wurde, andererseits sind es welche, die für den normalen Verkauf nicht schön genug aussehen, wie etwa unförmiges Obst oder verwachsenes Gemüse. „Doch der größte Anteil, etwa zwei Drittel“, sagt Kieffer, „sind frische Produkte, die auch 1A aussehen, aber trotzdem eher in der Biogasanlage landen als auf dem Esstisch.“

Das hat folgenden Grund: Studien haben erwiesen, dass Supermärkte für Kunden dann besonders attraktiv sind, wenn ihre Regale auch kurz vor Ladenschluss noch prall gefüllt sind. Findet man dagegen keine Ware mehr im Frischebereich, geht man beim nächsten Mal in einen anderen Laden. Deshalb wird überproduziert, um die Regale vollzuhalten, obwohl man weiß, dass sich die Ware nicht verkaufen lässt. Georges Kieffer schüttelt den Kopf. „Wir leben in einem System, das 1A-Ware produziert und bezahlt, um sie dann aber zu entsorgen, während an anderen Orten der Erde große Missstände und Hunger herrschen. Dabei reden wir über eine Fläche so groß wie China, auf der diese Überproduktion stattfindet.“

Deshalb will BENU Sloow ein Zeichen setzen. Und zeigen, dass man mit einer besseren Lebensmittelverwertung hochwertige Gerichte zaubern kann. Alle Waren kommen zuerst in das „atelier culinaire“. Dort wird gemeinsam mit den Köchen überlegt, wie sich jede einzelne bis zum letzten Blättchen verwerten lässt. Wenn beispielsweise Erdbeeren geliefert werden, gehen die guten Stücke in die Küche, aus dem Grün wird eine Art Sirup hergestellt, der für Cocktails benutzt werden kann, und selbst die nicht mehr ansehnlichen Teile können verbacken oder verkocht werden. Das Ziel ist es, so wenig Müll wie möglich zu produzieren, selbst auf den Kompost kommen nur die allerletzten Reste.

Das kulinarische Atelier ist bereits in Betrieb. Einmal kam eine Ladung mit 768 Kiwis an. Eine Menge, bei der wohl jeder andere gastronomische Betrieb gepasst hätte. Bei BENU wurde aus den Kiwis Senf hergestellt. „Ein Senf, der geknallt hat“, sagt Georges Kieffer. Um die Waren so gut wie möglich zu verarbeiten, haben sich die Mitarbeiter bereits über alte Methoden informiert, die seit Jahrhunderten angewendet werden, wie fermentieren oder pasteurisieren.

Anfangs gab es noch die Überlegung, Fisch und Fleisch anzubieten, von einem regionalen Biohof gekauft, weil bei diesen Produkten strenge Auflagen gelten und sie nach Ablauf der Haltbarkeit nicht mehr verzehrt werden sollen. Doch das Team rund um Kieffer entschied sich dagegen. „In allen Diskussionen, die wir hatten, kam heraus, dass wir, wenn wir wirklich so ökologisch wie möglich sein wollen, nicht umhinkommen, Fleisch ganz wegzulassen. Doch unser Anspruch ist, dass die Leute, die bei uns essen, Tränen in den Augen haben und sich gar nicht die Frage stellen, ob das jetzt vegetarisch oder vegan ist. Wir kreieren eine Küche, die alles andere als Verzicht ist. Wir produzieren Erlebnisse.“

Mit Thibault Bera und Jean-Alexandre Barge hat BENU Sloow zwei erfahrene Köche angeheuert, der eine mit viel Erfahrung in Sterneküchen, der andere ein studierter Ingenieur mit anschließender Kochausbildung. Beide hat das Konzept überzeugt, sie wären nicht gekommen, wenn es einfach nur um vegetarische Küche gegangen wäre, erzählt Kieffer. „Wir machen kein Restaurant auf, um ein Restaurant zu führen, wir wollen ein Beispiel dafür geben, wie man es mit überschaubaren Mitteln, wenig Technik, humanistischer Ausrichtung und trotzdem bester Qualität führen kann. Ich bin, was die Küche anbelangt, sehr kritisch. Mein Argument ist in der Regel: ‘Das ist mir nicht aufregend genug, das ist zu vorhersehbar.’ So treiben wir uns gegenseitig an.“

Eine Speisekarte mit festen Gerichten wie in anderen Restaurants wird es nicht geben. Bei einem Anteil von 80 Prozent geretteten Waren muss man verarbeiten, was kommt. Trotzdem soll eine Art Speisekarte erstellt werden, auf der dann aber Gerichte stehen werden, deren Zusammensetzung eher grob als in allen Einzelheiten definiert ist. Wie beispielsweise eine „Wurzelsuppe“, die sowohl aus Möhren, Pastinaken oder Petersilienwurzeln bestehen kann.

36 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat BENU momentan. Wenn das Restaurant läuft, werden es über 40 sein, schätzt Georges Kieffer. Ein Drittel der Angestellten arbeitet mit Sozialverträgen. Man gehe sehr auf die individuellen Bedürfnisse jeder einzelnen Person ein, betont er. Auch das sei etwas Besonderes.

In der Vorbereitung hat er mit mehreren Köchen gesprochen. Er wollte zum Beispiel wissen, welche Vorgaben es bezüglich der Hygiene gäbe. Denn auch, was Putz- und Desinfektionsmittel betrifft, möchte BENU so nachhaltig wie möglich arbeiten. Von den befragten Köchen schätzten die meisten die Vorschriften viel rigider ein als sie tatsächlich sind. 22 von 24 Auflagen, die ihm genannt wurden, bestätigten sich nicht. „Das zeigt uns, dass in den meisten Küchen viel mehr weggeschmissen und viel häufiger Seife benutzt wird, als es tatsächlich nötig wäre.“

BENU möchte als gutes Beispiel voran gehen und allen zeigen, dass man verantwortungsbewusst handeln kann, sowohl in ökologischer als auch in sozialer Hinsicht. „Es geht nicht darum, dass Leute uns in den sozialen Medien liken, sondern es geht darum, was jeder so macht. Wenn wir gegen den Klimawandel etwas tun wollen, dann müssen wir handeln, jeder von uns. Dann kann man nicht sagen, dass man selbst keinen Unterschied macht, und man kann auch nicht darauf warten, dass andere anfangen.“

Fotografieren durfte die revue die Inneneinrichtung des neuen Restaurants übrigens nicht. Es soll eine Überraschung sein. Doch alles, was man darin sieht, ist genau so entstanden, wie das restliche Dorf: aus recycelten Materialien, die mit Hilfe von Künstlern und Designern liebeund geschmackvoll aufgearbeitet wurden. Wer einen ersten Eindruck von BENU Sloow bekommen möchte, kann ab dem 13. Mai einen Platz an der „table d’hôtes“ buchen. Das Event dauert vier Stunden, mehr verrät Georges Kiefer nicht. Es wird

Essen und Getränke geben sowie ein „märchenhaftes und überraschendes Miterleben“. 140 Euro kostet die Teilnahme, 170 mit nicht alkoholischen, 190 mit alkoholischen Getränken. Die Plätze sind begrenzt, Einschreibungen sind auf der Website möglich.

Text: Heike Bucher  Fotos: BENU Village Asbl, Philippe Reuter (revue-Archiv)

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