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Ein Leben im Handball

Bereits als Jugendliche setzte Tina Welter alles aufs runde Leder, war der Handball ihre große Leidenschaft. Nach intensiven Jahren in der Bundesliga hat sich das nicht geändert, mit gerade einmal

30 Jahren setzt sie jetzt zur nächsten Etappe an.

Plötzlich ändert die Stimmlage, ihre Begeisterung wird greifbar, als wir von einer eher nüchternen Analyse der aktuellen Situation zum nostalgischeren Rückblick wechseln: „Das war mega! Ich war gerade einmal ein paar Tage bei Göppingen, als es gleich gegen das Champions League-Team aus Wittigheim ging. Mein erstes Spiel in der 1. Bundesliga, ein paar Tausend Zuschauer, ich war total nervös und ich bekam gleich zwanzig Minuten Spielzeit. Ich warf auch mein erstes Tor, Tausende unbekannte Menschen, die dich total anfeuern, das vergesse ich nie mehr.“

Trotz ihrer Schnelligkeit war es aus dem Süden des Landes ein langer, anstrengender und beschwerlicher Weg bis in die erste Bundesliga zu Frisch Auf Göppingen. Als sie am letzten Spieltag den Abstieg nicht vermeiden konnten, blieben weitere spannende Angebote aus und nach gerade einmal zwei Spielzeiten ging es wieder zurück zum Heimatverein HB Käerjeng. In ihre sportliche Karriere hat Tina Welter viel investiert, auch die schulische Laufbahn geopfert. Leid tut es ihr nicht: „Ich bereue nichts und bin total glücklich über das, was ich erreicht habe. Ich weiß, dass ich meinen Sport gemacht habe, weil ich es wollte.“ großen Duell des luxemburgischen Frauenhandballs gegen den HB Düdelingen war sie am Samstag umgeknickt, begann montags die Grundausbildung mit jener Verletzung und musste nach zwei Monaten aufgeben.

Eine halbherzige „11ème“ zur „aide-soignante“ folgte. die Frage, Schule fertig machen oder Handball, stellte sich ihr nicht wirklich: beim TV Nellingen forcierte sie ihre sportliche Karriere. Morgens eigenes Training, dann ein Minijob auf 450 Euro-Basis, abends dann erst ihr Training mit dem zweiten Team und danach noch die erste Mannschaft aus der zweiten Bundesliga. Täglich drei Trainingseinheiten als schlecht entlohnter Halbprofi: „eine super Erfahrung“, findet sie. Zuhause sei man in seiner Komfortzone, hier musste man sie diese schnell verlassen, härter trainieren und sich gut organisieren, um den Tagesablauf und die Müdigkeit zu bewältigen.

Eine Nationalmannschaft der Frauen gab es zu dieser Zeit nicht mehr, und so durfte sie auch lange keinen zweiten Anlauf bei der Armee starten. Während ihren erfolgreichen Jahren bei den Trierer Miezen in der zweiten Bundesliga durfte die Stammspielerin 2018 dann aber vier Monate Grundausbildung und an den „freien“ Wochenenden Training und Spiel miteinander verknüpfen. Auch jene Grundabsicherung durch die Armee ermöglichte den Sprung in die erste Bundesliga. Denn überraschend sagt sie: „In der zweiten Liga verdiente ich mehr als in der ersten. Dort hatte ich mir einen Namen erarbeitet, in der ersten war ich nur eine kleine Luxemburgerin.“

Die Eltern wollten es weniger. Natürlich freuten sie sich über die Erfolge der Jugendlichen, unterstützten sie, mahnten aber auch die Schule nicht zu vergessen. „Ich habe nicht wirklich zugehört“, lacht sie unbekümmert und ergänzt: „Die Schule hat gelitten.“ Es war die Zeit ab 16 Jahren, als sie in anderthalb Vereinen spielte und Käerjeng als „Roude Léiw Bascharage“ auch im deutschen Handball mitmischte. Sie hatte ihre „9ème“ und „10ème Paramédicale“ absolviert, als sie sich 2012 als erste Frau für die Elitesportsektion der Armee bewarb. Doch im

Geld war bei ihrer sportlichen Leidenschaft jedoch immer zweitrangig, ihre Frage vielmehr wie weit sie es schaffen kann. Selbst als Profi, noch weniger im Frauenbereich, wird man in den wenigsten Fällen und Sportarten reich. Vielmehr erinnern zahlreichen ihrer Aussagen an den „grand seigneur“ des luxemburgischen (Männer-)Fußballs: Als junger Profi fühlte sich Paul Philippe gekränkt, als sich der neue Trainer bei Standard Lüttich wunderte, dass man in Luxemburg überhaupt richtig Fußball spielte. Seither macht er es sich zur Lebensaufgabe, dem großherzoglichen Fußball internationale Anerkennung zukommen zu lassen.

Tina Welter sagt: „Ich bin sehr dankbar, dass ich das alles erleben durfte. Ich will jetzt hier etwas zurückgeben, mit meinem Land etwas erreichen.“ Auch wenn sie bisher erst die U17 ihres Heimatvereins trainiert, so scheute sie sich nicht, bereits bei ihrer Rückkehr vor anderthalb Jahren den Hut in den Ring zu werfen: „Ich will irgendwann die Nationalmannschaft trainieren. Das ist mein Plan für die Zukunft.“

Derzeit aber drückt sie erst einmal die Schulbank. Nach ihren Jahren als Profi und in der Sportsektion darf sie wie andere Soldaten ihre schulische Ausbildung fortsetzen, holt mit einer „11ème“ und „12ème“ bis Ende des Jahres Versäumtes nach. Und will Anfang nächstes Jahr das Staatsexamen für das Zollamt oder Unteroffizier bei der Armee schaffen. Nachdem sie bereits zu ihrer Zeit in Deutschland beim DHB den beschleunigten B-Trainerschein für Profispieler machte, nimmt sie an der ENEPS an der Ausbildung zum A-Schein teil. Selber weiter als Spielerin bei Käerjeng und als Kapitän der Nationalmannschaft aktiv, im Verein auch

Nachwuchstrainerin und demnächst mit der nationalen U17-Auswahl als Co-Trainerin von Adrian Stot in Aserbaidschan, Langeweile kommt bei Tina Welter auch weiterhin nicht auf.

Den Nachwuchs lobt sie begeistert: „Die Spielerinnen, die nachkommen, werden richtig gut! Insbesondere Düdelingen hat eine bombastische Jugend, sie entwickeln sich konstant weiter.“ Allerdings kritisiert sie dabei ein generelles Problem des luxemburgischen Sports, vor allem bei den kleineren Sportarten und im Frauenbereich: „Der HBD spielt mit der U17 auch in Frankreich und sie liegen Welten vor uns und dem Museldall und danach kommt nicht mehr so viel.“ Es würde dem Handball nicht nur an erfahrenen Spielerinnen, sondern insgesamt an Mädchen fehlen, die sich für den Sport und hartes Training interessierten. Nach außen müsste man den Sport attraktiver machen und auch mehr auf solche tollen Turniere wie jüngst den traditionellen und international stark besetzten Youth Cup zurückgreifen. Der Frauenhandball würde sich zwar weiterentwickeln, nur viel zu langsam, und im Gegensatz zu den Jungs fehle bei den Mädchen noch der nächste Schritt der Entwicklung mit Spielerinnen im nationalen Sportgymnasium oder an ausländischen Ausbildungszentren.

Das Aushängeschild des luxemburgischen Frauenhandballs will dem Verband dabei zur Hand gehen:

„Ich fühle mich jetzt wieder zuhause und wenn ich irgendwann Trainer sein werde, dann sicher hier im Land. Im Ausland gibt es viele gute Leute, ich will hier meine Erfahrung weitergeben.“ Sie erkennt an, dass viele Übungsleiter teils sogar gratis Trainings leiten würden, es den Vereinen dennoch an qualifiziertem Personal mangelt. Tina Welter schließt zwar weder aus, irgendwann im Ausland oder dem Männerbereich zu arbeiten, aber zuerst sieht sie ihre Aufgabe in dem Bereich, in dem sie sich am besten auskennt und in dem ihrer Meinung nach am meisten Handlungsbedarf besteht, dem Frauenhandball. Hier will sie „einen Entwicklungssprung schaffen“. Dem Ziel ordnet sie alles unter, sogar die eigene Spielerkarriere. „Ich will so lange wie möglich weiter spielen, aber alles hängt davon ab, wie es mit meiner Trainerkarriere aussieht und welche Chancen sich da bieten. Ich freue mich auf die Herausforderung der Qualifikation zur Euro 2024 gegen Schweden, Island und die Färöer Inseln ab Oktober, aber danach muss ich sehen, wie es weiter geht“, meint die Kapitänin und mit bisher 21 offiziellen Einsätzen ebenfalls Rekordnationalspielerin.

Klagen will sie nicht, aber wirklich verstanden hat sie es auch nicht, und erklärt hat es ihr bis heute auch noch niemand: „Wir wurden abrupt in unserer Entwicklung gestoppt. Als wir 2010 mit dem Flieger von der Qualifikation aus Rumänien zurückkamen, erfuhren wir aus der Zeitung, dass unser Nationalteam aufgelöst wurde.“ Alle Spielerinnen seien froh, dass es diese Auswahl mittlerweile wieder gibt, aber die fünf, sechs Jahre Auszeit würde man ihr noch anmerken. Auch wenn man die letzten fünf Jahre einen Schritt nach vorne gemacht habe, so würde die Konstanz fehlen, man würde ohne jene abrupte Unterbrechung heute vermutlich anders da stehen. „Wir können es, aber wir müssen es aufs Spielfeld bringen. Mit nur zwei, drei starken Teams in der Meisterschaft fehlt es uns aber an Erfahrung in schweren Spielen“, gibt sie ihre Einschätzung preis. Nicht auszuschließen ist, dass Tina Welter dabei ihre eigene Erfahrung noch ein paar wenige Jahre als Spielerin, anschließend 17 Jahre als Nationaltrainerin und am Ende als Verbandspräsidentin auf Lebenszeit weiter geben wird.

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