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Der junge Filmemacher Damir Mehic
Zeit der Cineasten
Seine Passion gehört dem Kino, seinen ersten Kurzfilm hat er gedreht, weitere sollen folgen. Damir Mehic will als Filmemacher seinen Traum verwirklichen. Das Porträt eines jungen Enthusiasten der siebten Kunst.
Aus dem Off ist seine Stimme zu hören. Sie ist beleidigend und wird immer lauter. Ein Filmproduzent schimpft auf einen Drehbuchautor ein, dessen Skript er abgelehnt hat. Dieser geht nach Hause und setzt sich an seine Schreibmaschine, fängt ein um das andere Mal zu tippen an, wird unterbrochen, fängt wieder an, zerknäult das Papier, wirft es weg.
Der Film „Typewriter“ dauert 24 Minuten. Es ist Damir Mehics erster. Er hat ihn in Schwarzweiß gedreht. Die Dialoge karg und knapp. Der Regisseur hat sich auf das Wesentliche konzentriert. Unnötiges ausgelassen. Was zählt, ist die Filmsprache. Und die erinnert an den jungen Jim Jarmusch, aber auch andere Filmautoren. Markant sind bereits die einzelnen Einstellungen, schließlich die Schnitte, eine wichtige Begleitung gibt die Tonspur.
Vergleiche zu ziehen ist gefährlich, aber erlaubt für einen jungen Filmemacher. Zum einen gelten die Götter des Kinos als sakrosankt, zum anderen will man sie nachahmen. Nur so ist eine eigene Filmsprache zu entwickeln, die sich in den ersten Versuchen andeutet, aber erst allmählich herausentwickelt. Als gelte es ein x-beliebiges Idiom zu erlernen: die Worte, die Grammatik, die Semantik. Aus dem Alphabet der Bilder schält sich deren Bedeutung, fügt sich zu einem Ganzen.
Damir Mehic hat sich früh fürs Kino begeistert. Zuerst hat er im Fernsehen viele Filme angeschaut. Immer mehr. Die Faszination für die sogenannte siebte Kunst entsteht allmählich. Eine Initialzündung gibt es in der Regel nicht. Der Zauber stellt sich ein, wenn aus dem einfachen Betrachten ein Lesen und Deuten wird. James Monaco hat dies in seinem berühmten Buch „Filme verstehen“ verdeutlicht. Er führt seine Leser in das Zeichensystem dieser Kunst ein. Filme zu sehen ist leicht, heißt es, weil jeder, der sehenden Auges ist, Zugang zu ihrer Oberfläche erhält, sie zu verstehen ist eine andere Dimension, weil es ein geschultes Auge verlangt, um die Filmsprache entschlüsseln zu können.
Die Filme von Kubrick, Hitchcock und Fellini hatten eine nachhaltige Wirkung auf ihn.
Als erste Filme, die eine nachhaltige Wirkung auf ihn ausübten, die ihn verzauberten und in diese neue Sprachwelt lockten, nennt Damir Mehic „2001: A Space Odyssey“ von Stanley Kubrick und „Vertigo“ von Alfred Hitchcock. Überhaupt hatten es ihm Kubrick und Hitchcock als Regisseure besonders angetan. Dass Damir dazu noch ausgerechnet im Jahr 2001 zur Welt kam, mag ein ihm bisher unerkanntes Zeichen sein. Wäre es ein Filmdetail, müsste man es sich bei jeder Analyse notieren. Kaum ein Werk der Filmgeschichte zog so sehr den interpretatorischen Eifer auf sich wie „2001“, in dem die Möglichkeiten der Verrückung von Raum und Zeit erweitert werden. „Ein transzendentales Erlebnis“, kommentiert Damir den berühmten Film, der mehr ist als Science Fiction.
Mit der Zeit hat Damir Filme anders gesehen. „Meine Sicht darauf hat sich
verändert“, erzählt er. „Ich habe angefangen, Rezensionen zu lesen, bin noch häufiger ins Kino gegangen. Zu Hause habe ich jeden Tag einen angeschaut.“ Er hat gelernt, sie zu „lesen“. Und er hat einen nach dem anderen aufgesogen, bei Büchern würde man vielleicht von Verschlingen sprechen. Davon zeugt zum einen seine für sein junges Alter bereits beträchtliche Sammlung an DVDs. In seinem Zimmer im elterlichen Haus in Cents, wo er zusammen mit seiner Schwester aufgewachsen ist, sind zahlreiche Meisterwerke fein säuberlich im Regal sortiert. Von Giuseppe Tornatores wunderschönem, sentimentalem „Cinema Paradiso“, der Geschichte der Menschen eines sizilianischen Dorfes und ihres Kinos als einem Ort der Träume bis hin zu einigen Werken Federico Fellinis oder Sergio Leones, aber auch der italienische Neorealismus der Nachkriegszeit ist mit Vittorio de Sicas „Ladri di biciclette“ vertreten, sowie zahlreiche amerikanische Streifen der vergangenen Jahrzehnte, aber auch „Star Trek“. „Manchmal weiß man nicht, wo man anfangen soll“, sagt Damir. „Die Welt des Films zu entdecken, ist wie ein Abenteuer.“
Selbstverständlich geht Damir so oft es geht ins Kino, und so häufig wie nur möglich besucht er die Cinématheque, ob allein oder mit einem Freund. Der Rückzug in den dunklen Kinosaal, der Beginn der Vorstellung bis hin zum Ende des Films und das Wiederhinaustreten in die Wirklichkeit der Nacht oder ins Tageslicht, als sei man aus einem Traum erwacht, bringen dem Cineasten unvergleichliche Momente. Die Wertschätzung des Kinos als Refugium für Träumer wurde ihm noch bewusster während der Pandemie und erst recht zur Zeit des Lockdowns. „Wenn man oft ins Kino geht, begegnen einem oft die immer gleichen Leute“, sagt er. „Ein kleines Kino oder auch ein Kinopalast, beide haben ihren jeweils eigenen Charme. Wir brauchen das Kino. Es darf nicht aussterben, es muss weiterleben. Doch es befindet sich in großer Gefahr. Umso mehr müssen wir es erhalten.“
In seiner Freizeit hat er bereits einige Filmkritiken für die Wochenzeitung woxx geschrieben. Nicht wenige Filmemacher haben als Kritiker angefangen, weiß er und denkt an die großen französischen
Mit der Zeit hat Damir Filme anders gesehen. Er hat gelernt, sie zu „lesen“.
Regisseure wie Chabrol, Godard und Truffaut, die in der Zeitschrift Cahiers du Cinéma eine neue Ära des Films einläuteten. Dass er vom Schauen zum Machen übertrat, ermöglichte ihm seine Schule: Damir besucht das Lycée Ermesinde in Mersch. Mit „Typewriter“ drehte er seinen ersten Film und wurde damit zum Open Screen des Luxemburger Filmfests eingeladen. Er schickte ihn auch an andere Festivals und wurde kürzlich vom internationalen Studenten-Filmfestival im kalifornischen San Bernardino angenommen. Eine weitere Anerkennung, die ihn ermutigte, sich bei Filmhochschulen zu
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bewerben. Obwohl das Festival pandemiebedingt online stattfinden musste, habe er einige positive Feedbacks bekommen.
Noch steht das Abitur dieses Jahr bevor. So befasst er sich mit Goethes „Faust“. Danach würde er gerne an der Staatlichen Hochschule für Film, Fernsehen und Theater in Lodz studieren, die große polnische Regisseure wie Roman Polanski, Krzysztof Kieslowski, Jerzy Skolimowski, Andrzej Wajda und Krzysztof Zanussi, aber auch renommierte Kameraleute und Schauspieler hervorbrachte. Dort werde man zum kompletten Filmemacher ausgebildet, weiß er, „bis ins Detail“. Das osteuropäische Kino „mache ihn an“, sagt Damit. Jedes Mal besucht er das CinEast-Festival für den mittel- und osteuropäischen Film, der gesellschaftliche Themen anders aufgreife als der Film im Westen. Er kommt dabei auf Andrej Tarkowskj zu sprechen, jenen großen russischen Filmmagier, den er bewundert, aber auch Milos Forman, der in den 60er Jahren im Zuge der „Tschechoslowakischen Neuen Welle“ bekannt wurde und später in die USA emigrierte, wo er für „One Flew Over the Cuckoo’s Nest“ und „Amadeus“ mit Oscars ausgezeichnet wurde. „Vielleicht liegt das Interesse am osteuropäischen Film an meiner Herkunft aus dem ehemaligen Jugoslawien“, mutmaßt er. Nicht wenige Regisseure von dort studierten auf der Prager Filmhochschule FAMU. Neben der französischen Nouvelle Vague begeistert ihn nicht zuletzt auch „The Black Wave“, der jugoslawische Film der 60er und 70er Jahre.
Wo immer ihn sein weiterer Weg hinführe, wird er der Faszination Film treu bleiben. „Ich weiß, dass ich noch in meinen Kinderschuhen stecke“, sagt Damir. Deshalb gelte es, weiter zu probieren und zu experimentieren. Schon arbeitet er an einem neuen Drehbuch. Nach dem Abi will er einen weiteren Kurzfilm drehen. „Ich möchte meine Filmsprache weiterentwickeln, daran feilen und meinen eigenen filmischen Ausdruck finden“, erklärt er. In der Zwischenzeit wird er unzählige weitere Filme anschauen. In seinem Zimmer liegt „L´Armée des ombres“, jenes französische Kriegsdrama von Jean-Pierre Melville aus dem Jahr 1969, mit den großartigen Lino Ventura und Simone Signoret. Ikonen einer längst vergangenen Zeit, aber durchs Kino unvergesslich geworden. Abschließend sagt er noch, dass er glücklich sei, gerade jetzt in Luxemburg aufzuwachsen. „Denn die luxemburgische Filmindustrie habe sich sehr weiterentwickelt“, fügt er hinzu. „Da besteht ein großes Potenzial. Der Film hat in Luxemburg eine Zukunft.“
Ob auch der verzweifelt seine Schreibmaschine traktierende Drehbuchautor in seinem ersten Film eine Zukunft hat, wird er nicht verraten. Während er über den leeren Seiten brütet, vergisst er die Lasagne, die seine Freundin zubereitet hat und auf die er aufpassen muss. Ein Papierknäuel nach dem anderen fällt auf den Boden. Der Regisseur selbst hat den Studioboss gespielt, Nicolas Lech die Hauptrolle übernommen. Der Plot ist zielgerichtet. Der Streifen weckt das Interesse auf mehr. Für Cineasten ist immer Zeit. Nach der Pandemie erst recht, wenn all die Ideen ans Licht kommen.
Text: Stefan Kunzmann Fotos: Philippe Reuter, Filmverlagshäuser
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