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Weinbau an der Mosel

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Angesagt

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„Daumen drücken!“

Wetterkapriolen und Covid-19-Maßnahmen: Für viele heimische Weinbauern war 2020, trotz guten Jahrgangs, keine einfache Saison. Dieses Jahr wird wohl kaum weniger herausfordernd.

Während die einen sich immer noch von den Anstrengungen der Weinlese im vergangenen Herbst erholen (wir erinnern uns, die revue hatte einen Selbsttest gemacht – Ausgabe Nr 38/2020), haben die Winzer ganz andere Sorgen: Sie bangen derzeit um das Wohl ihrer Trauben. Der Grund: Wetterkapriolen. Der April, der macht bekanntlich, was er will. Auch dieses Jahr zeigt sich der Monat von seiner launischsten Seite. Zeigte das Barometer an einem Tag 20 Grad Celsius an, sprang es am nächsten auf Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, inklusive Schneeflocken auf dem Messgerät.

Für die Winzer eine Herausforderung der komplizierteren Art. Die Knospen treiben, Klimawandel sei Dank, von Jahr zu Jahr früher aus, und so steigt auch das Risiko von Spätfrostschäden. Und die können, da kaum etwas dagegen unternommen werden kann, verheerende Folgen nach sich ziehen. Sonja Kanthak vom „Institut fir Biologesch Landwirtschaft an Agrikultur” (IBLA) erinnert sich: „Die großen Frostschäden im Jahr 2019 – über 40 Prozent der Reben waren erfroren – haben wir alle noch bildlich vor Augen. Und auch wenn die ganz großen Schäden bisher ausgeblieben sind, heißt es aktuell: „Daumen drücken!". Serge Fischer, Weinbauberater am Institut Viti-Vinicole (IVV) bestätigt das: „Ab Austrieb (d.h. zum jetzigen Zeitpunkt) ist schon ein kleiner Nachtfrost von -3 Grad Celsius gefährlich. Am 8. April etwa wurden bis zu -5,4°C gemessen. Da die allermeisten Reben zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ausgetrieben waren, kam es höchstwahrscheinlich zu keinen großen Schäden. Definitiv wissen wir das aber erst, wenn die Knospen austreiben.”

Bis zu den Eisheiligen, also Mitte Mai wird diese Zitterpartie noch andauern. Und als hätten die Winzer damit nicht schon genug Sorgen, sind auch die Nachwehen vom Ausbruch eines gewissen Virus immer noch zu spüren: Covid-19 und dessen Einschränkungen haben nicht nur Restaurants und Bars, sondern auch deren Händler, unter anderem eben die Weinbauern, getroffen. „Genaue Daten liegen uns noch nicht vor. Fakt ist aber,

Covid-19 und dessen Einschränkungen haben nicht nur Restaurants und Bars, sondern auch deren Händler, unter anderem eben die Weinbauern, getroffen.

dass der Verkauf gelitten hat, insbesondere im HORECA Bereich. Auch der Ausfall der Fach- & Endverbrauchermessen, sowie der Weinproben und Weinfeste, hatte sicherlich einen großen Einfluss auf die Umsätze der Winzereien”, erklärt Serge Fischer. Der Absatz erfolge jedoch zum größten Teil über die klassischen Vertriebswege, also Supermarkt oder Direktvermarktung. Daten zum Onlinehandel lägen zwar noch nicht vor, „doch nicht zu unterschätzen sei wohl der Einfluss, den die sozialen Medien in diesem Bereich haben”, erklärt er.

Die zunehmende Digitalisierung kommt derweil nicht nur immer öfter zu Vertriebszwecken in den Einsatz, der Einsatz diverser Technologien bringt noch ganz andere Vorteile mit sich: Seit längerem bereits gibt es Geräte mit intelligenter Software, die es den Winzern dabei unterstützen, sparsamer mit Pflanzenschutz- und Düngermitteln zu haushalten. Aber nicht nur am Weinberg, auch bei der Verkostung greifen Winzer vermehrt auf digitale Anwendungen zurück: Viele Winzer bieten Weinverkostungen seit Corona mittlerweile virtuell an, dazu werden die Weine an die Haushalte geliefert und die Verkostungen per Videokonferenz abgehalten. „Das war vor der Pandemie eigentlich kaum vorstellbar und gehört jetzt quasi zur Normalität“, so Sonja Kanthak.

Ein weiteres Novum hatte der diesjährige Weinbautag inpetto: Der kam, dank Corona, per Bildschirm zu den Interessierten in die heimische Stube. Eine Premiere, die viele als positiv empfanden. „Bis auf die fehlende Weinverkostung und ein paar technische Probleme erhielten wir eigentlich nur positive Rückmeldungen“, so Serge Fischer.

Der Trend zum Digitalen geht aber noch viel weiter. Wollen die Winzer Subventionen beantragen, müssen sie ihre Weinbaukarteierhebung online an die zuständige Verwaltung schicken, seit diesem Jahr geht das nämlich nur mehr über den virtuellen Schalter „myguichet. lu“. Ganz neu wird ab der kommenden Saison auch sein, den Weg von der Rebe bis in die Weinflasche zu verfolgen: QRCode und AOP-Label sollen das möglich machen. „Große Erwartungen werden derzeit auch an die autonomen Weinbergschlepper gestellt”, so Serge Fischer. Erste Prototypen könnten bereits jetzt autonom Bodenpflege-Maßnahmen durchführen. Auch Umweltfreundlichkeit wird großgeschrieben: Um den CO₂-Ausstoß in den Weinbergen zu senken und batteriebetriebene Traktoren zu vermarkten, sind bereits einige Unternehmen in den Startlöchern. Auch im Biobereich gibt es Trends dieser Art: „Einige unserer Mitglieder experimentieren bereits mit neuartigen Technologien, etwa Drohnen, die Pflanzenschutzmittel verteilen“, so Sonja Kanthak. Eine Technik mit großem Vorteil – vor allem zum Schutz der Arbeiter, etwa in steilen Hängen.

Technologien, die die Auswirkungen von Frostschäden zu verhindern vermögen oder gar einen Blick in die ferne Wetterglaskugel ermöglichen, gibt es vorerst allerdings noch nicht. Eines dürfte aber klar sein: Wein, auch die überaus gute Qualität des 2020er-Jahrgangs, ist zwar kein Heilmittel gegen Corona, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Anfang der Pandemie Gerüchte kommentierte. Doch Covid-19 hin oder her: Ein Gläschen Wein, vor allem aus regionalem Anbau, ist für viele ein Genuss, der eben einfach dazugehört.

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