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Dressurreiten: Nicolas Wagner und die Vorbereitung auf Olympia

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Appetizer

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Pandemie-Prüfung

Zwischen Corona- und Herpes-Pandemie versucht Nicolas Wagner, sich bestmöglich auf die Olympischen Spiele 2021 vorzubereiten – eine schwere Aufgabe. Der 29-jährige Dressurreiter nimmt uns mit hinter die Stalltür.

Vor wenigen Wochen, genauer gesagt am 24. März, jährte sich die erste Verschiebung einer Olympiade in ihrer 125-jährigen Geschichte. Mitten im ersten Corona-Frühling 2020, ohne konkrete Lösungsansätze in Sicht, blieb dem IOC nichts anderes übrig und aus Tokio 2020 wurde Tokio 2021. Nicht nur für die Organisatoren wurde die Verschiebung zu einer unerwarteten Hürde, auch für die qualifizierten Sportler war die Neuansetzung des sportlichen Großevents ein Wechselbad der Gefühle: „Im ersten Moment war ich einfach nur erleichtert zu wissen, dass das Turnier stattfinden wird. Eine Absage wäre für mich katastrophal gewesen. Die Verschiebung ist dagegen nur ein kleines Problem“, erinnert sich Nicolas Wagner an den vergangenen Frühling.

Der Dressurreiter wird also im Sommer dieses Jahres zu seinem OlympiaDebüt kommen. Was viele Sportler als Kindheitstraum bezeichnen würden, ist für Wagner eher die Folge einer organischen Entwicklung: „Ich habe nie so wirklich über die Olympischen Spiele nachgedacht. Ich wollte in erster Linie gute Pferde ausbilden und in meinem Sport besser werden.“ Erst als die Spiele in sportliche Reichweite kamen, fing Wagner an, sich nach den fünf Ringen zu sehnen. Dass es überhaupt so weit kommen sollte, hat ganz viel mit dem eigentlichen Star zu tun: Quarterback Junior. Der Wallach kam als fünfjähriges Jungpferd zu Nicolas Wagner und nahm in den Folgejahren zusammen mit seinem Reiter eine unglaubliche Entwicklung.

„Er war am Anfang etwas schwierig“, erzählt der Reiter von den ersten Stunden des Tandems Quarterback-Wagner. „Neben seiner Freundlichkeit und seinem Willen zeichnet ihn eine unglaubliche Energie aus. Das war am Anfang nicht einfach zu handhaben. Mittlerweile bin ich, sind wir, soweit gewachsen, dass ich mit seiner Energie besser umgehen kann und wir diese bei Turnieren zu unserem Vorteil nutzen können“, analysiert Wagner sein, im wahrsten Sinne der Floskel, „bestes Pferd im Stall“. Mittlerweile sind die beiden ein eingespieltes Team und der zwölfjährige Quarterback mutmaßlich auf der Höhe seines Schaffens: „Er ist mit acht Jahren schon Grand-Prix gelaufen, das ist verdammt früh. Meistens laufen Pferde ihre ersten Grand-Prix-Prüfungen erst mit neun oder zehn Jahren. Ihren leistungstechnischen Höhepunkt erreichen sie dann normalerweise mit elf oder zwölf Jahren“, beschreibt Wagner die sportliche Karriere von Pferden in der Dressurbranche.

Bei unserem Besuch bereiteten sich Wagner und Quarterback gerade auf ihr nächstes Turnier in Hagen vor: „Wir trainieren jeden Tag von 8 bis 14 Uhr. Bei so einer Intensität ist es natürlich wichtig, besonders auf die Gesundheit des Pferdes zu achten“, erklärt der Dressurreiter. In der Verletzungsprävention sieht Wagner den wahrscheinlich wichtigsten Bestandteil seiner Arbeit und gleichzeitig das größte Risiko der Verschiebung: „Du weißt halt nie, was passiert. Es reicht eine Kleinigkeit beim Weiden mit anderen Pferden aus, damit er sich verletzt und dann bleiben die Olympischen Spiele ein Traum.“

Ähnlich wie in Ausdauersportarten arbeitet auch Wagner auf eine Leistungsspitze hin: „Normalerweise fängt man vier, fünf Wochen vor dem Turnier an, deutlich intensiver zu arbeiten, um dann zum Turnierstart in Topform zu sein.“

Ich habe nie so wirklich über die Olympischen Spiele nachgedacht. Ich wollte in erster Linie gute

Pferde ausbilden und besser werden in meinem Sport.

Nicolas Wagner

Ganz so viele Turniere gibt es im Moment allerdings nicht und das wirkt sich auf die Olympia-Vorbereitung aus: „Es ist wichtig für das Pferd, regelmäßig vor einer gewissen Atmosphäre zu laufen. Ganz egal, wie oft Quarterback das schon mitgemacht hat, diese ganzen Rahmenbedingungen sind auch für das Pferd eine Herausforderung.“ In diesem Zusammenhang blickt Wagner mehr als zufrieden zurück auf den Jahresbeginn, als Quarterback und er sich bei einem prestigeträchtigen Turnier in Katar Platz Eins vor einer „brutalen Kulisse“ sichern konnten. Dass solche Turniere nicht regelmäßiger stattfinden, ist wenig überraschend der Corona-Pandemie geschuldet.

Doch damit nicht genug: Neben der Corona-Challenge lauert im Pferdeuniversum auch noch die Herpes-Hürde. In einem Informationsschreiben erklärt die Universität Zürich, dass es allen voran bei Erkrankungen am Typ 1 (EHV-1) oder am Typ 4 (EHV-4) zu schwereren Verläufen kommen kann (insgesamt gibt es neun Virus-Varianten). Einmal infiziert, erleben die Pferde Symptome wie Atembeschwerden, Fieber und Nasen- oder Augenausfluss. Viel schlimmer allerdings: Herpes-Infektionen können tödlich enden. „Das Schlimmste am Virus ist, dass es so leicht übertragbar ist. Als Stallbesitzer mussten wir in den vergangenen Monaten genauestens Acht geben, den Kontakt zu anderen Pferden, egal ob direkt oder indirekt, zu vermeiden“, erklärt Wagner die aktuelle Situation. gelöst hat man damit allerdings nicht: „Die Impfung verharmlost den Verlauf der Krankheit, verhindert allerdings nicht, dass sich die Pferde infizieren können. Wenn ich mit Quarterback auf ein Turnier gehe, muss er sich zuvor einem PCR-Test unterziehen und wir müssen zweimal am Tag Fieber messen.“ Angesprochen auf eine potenzielle Infektion von Quarterback wird Wagner deutlich sachlicher: „Wenn er sich infiziert, dann sind die Olympischen Spiele kein Thema. Das kann man dem Pferd dann nicht antun. Da ist dann auch egal, wie schade das Verpassen der Spiele wäre, die Gesundheit des Pferdes geht vor.“

Darüber großartig nachdenken will er im Moment allerdings nicht. „Wir fokussieren uns jetzt darauf, unsere aktuelle Leistung bis zu den Olympischen Spielen aufrechtzuerhalten, vielleicht noch ein paar Prozent rauszukitzeln.“ In Tokio angekommen verfolgt Wagner keine genaue Platzierung. „Die 79 Prozent zu erreichen“, (im Dressurreiten wird nach Prozentsätzen bewertet) sieht der authentische Luxemburger trotzdem als erstrebenswert an.

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