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Warum eine gezielte Auswahl von Nahrungsmitteln Sinn macht

8 Warum eine gezielte Auswahl von Nahrungsmitteln Sinn macht

Die Ernährung kann rheumatische Erkrankungen positiv beeinflussen. Mit einer guten Auswahl von Nahrungsmitteln und einigen Grundkenntnissen ist es möglich, Genuss und gesundheitlichen Nutzen zu verbinden.

Eine einseitige Kost hat langfristig grosse Nachteile. Da viele Rheumabetroffene vorbeugend auf zahlreiche Nahrungsmittel verzichten oder wegen ihrer Schmerzen als Ausgleich mehr Genussmittel konsumieren, laufen Sie Gefahr, in einen Mangelzustand zu geraten. Daraus entstehen zusätzliche gesundheitliche Nachteile. Es lohnt sich deshalb grundsätzlich, nebst den diätetischen Massnahmen für die Krankheitsbilder auf eine vollwertige, gut zusammengestellte Ernährung zu achten.

Allgemeine Empfehlungen

Kohlenhydrate benötigen wir als Betriebsstoffe. Sie sollten rund 40 bis 55 Prozent der gesamten Energiezufuhr betragen und aus komplexen, das heisst möglichst naturbelassenen Kohlenhydraten mit einem hohen Faser- und Mineralstoffanteil bestehen. Die raffinierten

So setzen sich die Kalorien idealerweise zusammen

Kohlenhydrate (Vollkorngetreide, Kartoffeln, Reis, Gemüse, Obst) 40–55 % Tierische Eiweisse (Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte) 7–15 % Pflanzliche Eiweisse (Hülsenfrüchte, Tofu, Getreide, Kartoffeln) 7–15 % Fette (Fisch, Fleisch, Oliven-, Raps-, Nuss- und Leinöl) max. 35 % So viel Flüssigkeit benötigen Sie täglich mind. 1½ Liter Wasser oder ungesüsster Kräutertee

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Kohlenhydrate – Weissmehl und Zucker – sollten wie Genussmittel behandelt und entsprechend selten gegessen werden. Mit Vollkorngetreide, Kartoffeln, Reis, Gemüse und Obst erreichen Sie eine hohe Sättigung und haben schon den halben Teller gefüllt.

Eiweisse sind als Baustoff zur Erneuerung aller Körperzellen nötig. Sie sollten etwa 15 bis 30 Prozent der täglichen Kost ausmachen und je zur Hälfte aus tierischen (Fleisch, Fisch, Eier, Milchprodukte) und pflanzlichen (Hülsenfrüchte, Getreide, Kartoffeln) Quellen stammen. Das gelingt am einfachsten, wenn Sie zweimal pro Woche anstelle von Fleisch Hülsenfrüchte oder Tofu essen und Gemüse als Hauptgerichte in Ihren Menüplan einbauen.

Biologische Wertigkeit: Geschickte Kombinationen von Lebensmitteln steigern die Verwertbarkeit der Eiweissbaustoffe für den Körper. Essen Sie Getreide zusammen mit Linsen, Mais mit Bohnen, Kartoffeln mit Eiern, Haferflocken mit Nüssen und Milch. Im Kapitel «Rezepte» finden Sie Menüvorschläge dazu.

Fette benötigen wir unter anderem, um fettlösliche Vitamine aufzunehmen. Fette sollten höchstens 35 Prozent der gesamten Kalorien ausmachen. In den Industrieländern steigt der Anteil wegen der versteckten Fette oft auf bis zu 45 Prozent. Mit Ausnahme der Fischfette sind die fettreichen tierischen Produkte, allen voran Wurstwaren, nicht zu empfehlen. Allerdings ist es auch nicht nötig, ganz auf Fleisch zu verzichten, da es Eisen und hochwertiges Eiweiss liefert.

Pflanzliche Öle enthalten Fettsäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann und die deshalb mit der Nahrung zugeführt werden müssen. Olivenöl und Rapsöl für die warme Küche, Nussöl und Leinöl für die kalte Küche enthalten für Rheumabetroffene eine günstige Fettsäuremischung. Da diese Fettsäuren eng mit dem Entzündungsgeschehen verknüpft sind, wird

davon noch ausführlich die Rede sein.

Vitamine und Mineralstoffe sind für verschiedene Stoffwechselvorgänge im Körper nötig. Da der Bedarf bei Entzündungen steigt, ist es für Rheumabetroffene besonders wichtig, die fünf empfohlenen Portionen Früchte und Gemüse am Tag zu essen. Wenn Sie jeden Tag etwas Grünes, Rotes und Gelbes und dazu frische Kräuter geniessen, kommen Sie lustvoll zu einer guten Mischung. Zusammen mit Vollkornprodukten wird so auch die nötige Menge an Faserstoffen zugeführt. Flüssigkeit brauchen Sie täglich mindestens 1½ Liter, gerade auch wenn Sie Medikamente einnehmen müssen. Ein Glas Wasser oder ungesüsster Kräutertee pro Stunde ist eine gute Regel und Erinnerungshilfe.

Lebensmittelunverträglichkeiten sind bei Rheumabetroffenen relativ häufig. Von einem vorbeugenden Meiden ganzer Lebensmittelgruppen (zum Beispiel Milch oder Getreide) ist abzuraten, da sonst eine unterversorgung einzelner Nährstoffe entstehen kann. Bei wiederkehrenden Reaktionen

ist eine gründliche Abklärung ratsam, damit eine Lebensmittelallergie ausgeschlossen werden kann. Wenn Sie während etwa zwei Monaten ein Ernährungs- und Beschwerdeprotokoll führen und dieses mit einer Fachperson besprechen, kann dies helfen, die Beobachtungen zu objektivieren. Ihre unverträglichkeiten gelten nur für Sie und sind nicht zu verallgemeinern. Versuchen Sie, eine liebevolle Aufmerksamkeit für Ihre Körperreaktionen zu entwickeln. Dies wird Ihnen langfristig mehr helfen als ängstliches Weglassen von Nahrungsmitteln, die Sie gerne mögen.

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Medizinische Gründe für eine gezielte Lebensmittelauswahl oder etwas Theorie

Entzündungsstoffwechsel

Erwünschte Fettsäuren

Alpha-Linolensäure Raps-, Walnuss-, Leinöl Eicosapentaensäure fettreiche Meerfische Gamma-Linolensäure Borretsch-, Nachtkerzen-, Sesam-, Kürbiskernöl

Unerwünschte Fettsäuren

Arachidonsäure

Linolsäure fettes Fleisch, Würste, Innereien, Eier, fette Milchprodukte Sonnenblumen-, Distel-, Maiskeimöl

Arachidonsäure ist eine Omega6-Fettsäure. Sie kommt ausschliesslich in tierischen Lebensmitteln vor und wird in den Körperzellen zur Bildung von Entzündungsvermittlern verwendet. Eine hohe Zufuhr von fettem Fleisch, Würsten, Innereien, Eiern und fetten Milchprodukten wirkt darum entzündungsfördernd. Eine Einschränkung der Fleischmahlzeiten auf zwei pro Woche und die Verwendung von fettarmen Milchprodukten bewirkt bereits eine Reduktion der Arachidonsäure auf eine angestrebte Menge von unter 350 mg pro Woche (eine übliche Durchschnittskost enthält rund 2000 mg).

Für den Arachidonsäuregehalt tierischer Lebensmittel siehe Tabelle Seite 67.

Linolsäure, ebenfalls eine Omega6-Fettsäure, ist vor allem in Sonnenblumen-, Distel- und Maiskeimöl

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vorhanden. Sie ist eine Vorstufe der Arachidonsäure und kann bei hoher Zufuhr die Bildung von entzündungshemmenden Stoffen (EPA-Eicosapentaensäure) behindern. Diese Öle sollten darum nicht verwendet werden. Achtung: Mayonnaisen, Fertigsalatsaucen und Margarinen sind meist reich an Linolsäure.

AlphaLinolensäure ist eine Omega-3-Fettsäure und kommt vor allem in Raps-, Walnuss- und Leinöl vor. Sie kann zur entzündungshemmenden EPA (Eicosapentaensäure) aufgebaut werden und sollte deshalb soviel wie möglich konsumiert werden. Die Bildung von Arachidonsäure im Körper wird dadurch ebenfalls gehemmt. In Spuren kommt Alpha-Linolensäure auch in Leinsamen und in allen grünen Pflanzen vor. Deshalb haben Fleisch, Fisch, Eier und Käse aus Biofütterung einen höheren Anteil dieser Fettsäure.

Zur praktischen Anwendung von Raps- und Leinöl siehe Kapitel «Praktische Massnahmen bei entzündlichen Erkrankungen» und «Rezepte».

Eicosapentaensäure (EPA), die wichtigste Omega3Fettsäure, kommt fast ausschliesslich in Fischöl vor, am meisten in fettreichen Meerfischen. um eine genügend hohe Konzentration von EPA in den Zellen zu erreichen, sind zwei Fischmahlzeiten pro Woche zu empfehlen, mit einer gleichzeitigen Reduktion der zugeführten Arachidonsäure.

Wichtig zu wissen: Da die Omega3-Fettsäuren in die Zellwand eingebaut werden müssen, dauert es vier bis zwölf Wochen, bis sich eine Wirkung zeigt.

GammaLinolensäure ist in Borretsch-, Nachtkerzen-, Sesam- und Kürbiskernöl vorhanden. Sie kann vom Körper ebenfalls zum Aufbau der entzündungshemmenden EPA verwendet werden. Sesam- und Kürbiskernöl als Salatöl können zusätzlich die Wirkung der Fischöle unterstützen.

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Eisen ist in Fleisch und Fisch, aber auch in Hirse, Hafer, Quinoa, Amaranth, Hülsenfrüchten und Nüssen enthalten. Bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen wird durch die Entzündung sehr viel Eisen blockiert, das dadurch für die Blutbildung nicht mehr zur Verfügung steht. Die Behandlung der Entzündung hat Vorrang, eine zusätzliche Eisengabe ist meist nicht sinnvoll und muss mit der Ärztin oder dem Arzt besprochen werden.

Durch Magenschutzmittel, Kaffee und Schwarztee zu den Mahlzeiten wird die Aufnahme von Eisen zusätzlich vermindert, durch Vitamin C hingegen verbessert. Antioxidantien (Vitamine C und E, Selen, Zink und Kupfer) Beim Entzündungsprozess werden aggressive Stoffwechselprodukte (freie Radikale) freigesetzt, die dem Körper schaden. Die Antioxidantien haben dabei eine Schutzfunktion und werden deshalb vermehrt gebraucht.

Vitamin C und die Spurenelemente Zink und Kupfer lassen sich durch eine gezielte Ernährung mit reichlich Gemüse, Früchten, Salaten, Sprossen, Vollkornprodukten, Sojaflocken, Hafer und Nüssen decken. Für Vitamin E und Selen ist eine Nahrungsergänzung zu prüfen. Siehe Seite 33.

So viel Calcium und Vitamin D brauchen Sie

Calcium täglich 1000–1500 mg Milchprodukte, Sesam, Nüsse, Tofu, Hülsenfrüchte, grüne Gemüse, Kräuter, Vollkornprodukte, Mineralwasser

Vitamin D wird vor allem durch Sonnenlicht in der Haut gebildet, deshalb täglich ins Freie gehen

Knochenstoffwechsel Calcium in einer Menge von 1000 bis 1500 mg täglich wird für den Knochenaufbau gebraucht. Bei Rheumabetroffenen besteht durch die Einnahme von Cortison und die Bewegungseinschränkung ein zusätzliches Risiko für die Entstehung einer Osteoporose (siehe auch Seite 25).

Milchprodukte sind die nahelie gendste Quelle für Calcium. Bei Milchunverträglichkeit muss vermehrt auf pflanzliche Quellen geachtet werden wie Sesam, Nüsse, Tofu, Hülsenfrüchte, grüne Gemüse, Kräuter und Vollkornprodukte. Auch einige Mineralwasser sind reich an Calcium (Etikette beachten). Für den Calciumgehalt verschiedener Nahrungsmittel siehe Tabelle Seite 71.

Vitamin D wird benötigt für den Einbau des Calciums in den Knochen und für die Aufnahme des Calciums im Darm. Vitamin D kommt in geringen Mengen in fetten Fischen, Milch, Butter und Steinpilzen vor. Da der grösste Teil des Vitamins durch die Einwirkung von Sonnenlicht in der Haut gebildet wird, ist ein täglicher Aufenthalt im Freien empfehlenswert (siehe auch Seite 26).

Gicht – Harnsäurestoffwechsel Purin kommt in Innereien, Fleisch (auch Fleischbouillon), Fisch und Hül-

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senfrüchten vor. Bei einer erblichen Veranlagung zu Gicht kann es bei einem hohen Konsum von purinreichen Nahrungsmitteln zu einer Ablagerung von Harnsäurekristallen in den Gelenken kommen. Dies ist mit entsprechenden Entzündungen und Schmerzen verbunden. Bei einer Einschränkung von Purin durch die Nahrung sinkt die Harnsäurekonzentration im Blut. Alkohol und Fett haben ebenfalls einen Einfluss auf den Harnsäurespiegel und damit auf die Entstehung eines Gichtanfalles (siehe auch Seite 29).

Diese Lebensmittel sollten Sie meiden: fettes Fleisch, Innereien, Fisch, Meeresfrüchte, Alkohol

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