heuma R Management
Ausgabe 3/2011
rheumatologie/ Osteologie
Highlights der BDRh-Jahrestagung 2011 Neues Versorgungsgesetz im Blickpunkt
DGIM-Kongress Highlights aus Wiesbaden: SLE und Vaskulitiden im Fokus
Rheumatoide Arthritis GroĂ&#x;e Studie verdeutlicht hohes kardiovaskuläres Risiko
Gicht Update zum Therapiemanagement
Schmerztherapie bei rheumatischen Erkrankungen Neue Empfehlungen zu NSAR und Coxiben
Offizielles Mitteilungsorgan des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen e. V. (BDRh)
R
3 Editorial
Rückschau auf den 6. Kongress des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen (BDRh) Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, der 6. Kongress des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen (BDRh) vom 13.-14. Mai 2011 in Leipzig bot wieder einmal ein vielfältiges und interessantes Programm zu gesundheitspolitischen Themen, die uns Rheumatologen brennend interessieren. Mein Kollege, Dr. Edmund Edelmann, wie auch andere Autoren werden in dieser Ausgabe der Zeitschrift „Rheuma Management“ detaillierter über Themenschwerpunkte berichten und auf diese eingehen.
Das anstehende Versorgungsgesetz stand natürlich im Mittelpunkt des Kongresses. Weitere wichtige Themen waren in diesem Kontext für die Rheumatologie die Änderung der Bedarfsplanung, die sektorenübergreifende Versorgung und die Vergütung für sogenannte hochspezialisierte Fachärzte, eventuelle Änderungen beim § 116b, die angedachte qualifiziertere Einbindung der medizinischen Assistenzberufe in die Versorgung und nicht zuletzt eine weitere Honorarreform, die mit dem Versorgungsgesetz auf den Weg gebracht werden soll. Prof. Dr. med. Jörn Kekow Für die bisher erfolgreich verlaufene Förderung von Weiterbildungsassistenten in Praxis und Klinik über den industriegeförderten BDRh-Fond stand die überaus wünschenswerte Fortsetzung dieses Fond im Mittelpunkt einer gesonderten Session und eines Industrieforums. Mit Beginn des Jahres 2011 wurden mehrere umfassende Versorgungskonzepte in Brandenburg, Sachsen und Bayern mit verschiedenen Krankenkassen begonnen. Über das brandenburgische Konzept wurde bereits in der letzten Ausgabe von „Rheuma Management“ berichtet. Die Inhalte dieser für unser Fachgebiet wichtigen Versorgungskonzepte aus Sachsen und Bayern und die Sichtweise der Krankenkassen wurden in einer eigenen Session vorgestellt. Lesen Sie mehr zu den in Sachsen und Bayern initiierten Selektivverträgen in dieser Ausgabe.
Verständlicherweise trafen sich in Leipzig primär Kolleginnen und Kollegen aus dem regionalen Raum, erfreulich war aber, dass aus den alten Bundesländern ebenfalls zahlreiche Interessierte angereist waren. Insgesamt konnten knapp 200 Kongressteilnehmer registriert werden. Dies motiviert den Vorstand, den Berufsverbandskongress zu einem Treffpunkt weiterzuentwickeln, auf dem unsere Probleme und Zielsetzungen für eine erfolgreiche wirtschaftliche Ausübung unseres Berufsstands konstruktiv diskutiert werden. So können Sie sich schon jetzt den Termin für den 7. Kongress des BDRh in Berlin vormerken, den 26.-28. April 2012 im Hotel Intercontinental! ❍ Prof. Dr. med. Jörn Kekow 2. Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen (BDRh) e. V.
Hier steht eine Anzeige. Höhepunkte vom BDRh-Kongress in Leipzig 6. BDRh-Kongress
6 6
Rückblick auf die Leipziger Tagung Dr. Edmund Edelmann
Neue Versorgungsformen
10
Selektivvertrag „RheumaAktiv“ nach SGB V §73a zur Behandlung von Patienten mit Rheumatoider Arthritis in Sachsen Dr. Andreas Teich
Selektivverträge in Bayern
12
Flächendeckende elektronische Dokumentation und Früharthritisdiagnostik verbessern ambulante Versorgung Dr. Florian Schuch
BDRh-Kongress 2011 in Leipzig
14
BDRh-Kongress 2011
Gesundheitspolitik: Nach der Reform ist vor der Reform… Prof. Dr. Günter Neubauer
Deutsche Rheuma-Liga
16
Weiterentwicklung der Patientenversorgung
Versorgungssituation in der Rheumatologie
18
Bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung Im Interview: Dr. Christoph Straub
Neue KBV-Applikation Kleinräumige Versorgungsanalyse
Bild Titelseite rechts: © Rhale
20
Inhalt
o
1
Aktuelle Rechtsprechung: Was Ärzte beachten sollten 22 Aktuelle Rechtsprechung
22
Der nicht beachtete Zufallsbefund
Kassenärztliche Vereinigung Bayern
23
Termine
25
Unternehmen Arztpraxis
26
Erfolg mit marktstrategischem Denken
27 28
30
Update zu Immuntherapien in der Rheumatologie
ACPA-Antikörper
Year in review – Rheumatologie 2010
37
Nach Jahrzehnten wieder eine neue SLE-Therapieoption
Rheumatoide Arthritis
38
RA und Schwangerschaft
39
Aktuelle Erkenntnisse zu Therapierisiken
Segen und Fluch der Praxis-Telefonie
DGIM-Kongress 2011
36
Gleich hohes Infarktrisiko wie für Typ-2-Diabetiker
RA Christian Koller
Probleme in der Arztpraxis
Update zu Vaskulitiden
30
Wegenersche Granulamatose und Churg-Strauss-Syndrom im Fokus
Richtgrößenprüfung und Durchschnittsprüfung rechtswidrig vermischt?
Serie: Sie fragen – Experten antworten
Rheumatologie auf dem DGIM-Kongress 2011 in Wiesbaden
Schmerztherapie bei rheumatischen Erkrankungen
41
Neue Empfehlungen zum Einsatz von NSAR und COX-2-Inhibitoren
Ankylosierende Spondylitis
42
Interessante Studiendaten im Überblick
31
Hochspezifische und -sensitive Seromarker der RA
Gicht
43
Update zum Therapiemanagement
Rheumatoide Arthritis
32
Neue Klassifikationskriterien und Therapieempfehlungen
Systemischer Lupus erythematodes Aktuelle Daten vom DGIM 2011
1 – Pitopia
34
Pharmanews
54
Impressum
55
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
6 6. BDRh-Kongress
Rückblick auf die Leipziger Tagung Das Hauptthema des diesjährigen Kongresses war das anstehende Versorgungsgesetz, das im Januar 2012 in Kraft treten soll. Unter diesem Aspekt wurden die Themen Bedarfsplanung und Versorgung sowie das Kongressforum abgehalten.
Herr Dr. Thomas Kopetsch, Dezernent der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), stellte das ITProgramm der KBV vor, das eine hervorragende Möglichkeit darstellt, den Versorgungs-Istzustand nicht nur zu analysieren, sondern die Auswirkungen von Veränderungen der Zahl der zugelassenen Leistungserbringer auf die regionale Patientenversorgung detailliert zu erkennen. Bereits zum Zeitpunkt des Referates war über den vorausgegangenen 14 Punkte-Entwurf des BMG zum Versorgungsgesetz absehbar, dass die von der KBV vorgesehene kleinräumige Bedarfsplanung zugunsten einer nach Fachgruppen variablen regionalen Bedarfsplanung nicht etabliert werden wird. Ebenso war bereits klar, dass die von Herrn Dr. Thomas Uhlemann, GKV-Spitzenverband, vertretene Position einer Versorgungssteuerung über die zeitliche Begrenzung von Zulassungen politisch chancenlos ist und sich auch im aktuellen Arbeitsentwurf des BMG dementsprechend nicht findet. Frau Prof. Dr. Erika Gromnica-Ihle, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga, mahnte eine eigene Bedarfszulassung für Rheumatologen, die Fachärzte/innen für Innere Medizin und Rheumatologie an. Herr Dr. Christoph Straub, Vorstandsmitglied der RhönKliniken-AG, bekräftigte das Interesse der Klinikkette an der ambulanten Rheumatologie als ein Fachgebiet mit erheblichen Versorgungsdefiziten. Am Beispiel eines bisher nicht realisierten MVZ-Projektes in Bad Kreuznach zeigte er die Schwierigkeiten auf, die sich für Kliniken bei Projekten mit ambulanten MVZ auftürmen, den erheblichen Widerstand der regionalen Zuweiser gegen ein MVZ, aber auch die Problematik Rheumatologen zu finden, die willens sind in einer entsprechenden Versorgungseinrichtung tätig zu werden.
Aktuelle Zahlen zur rheumatologischen Versorgung Die Arztzahlentwicklung in der Rheumatologie wurde ebenso wie die Entwicklung der Weiterbildungsanerkennungen in der Rheumatologie dargestellt. Inzwischen sind 514 als Vertragsärzte/innen niedergelas-
Dr. med. Edmund Edelmann sene Rheumatologen und 325 im stationären Bereich tätige Rheumatologen in der Versorgung. Die Institutsambulanzen und die universitären Ambulanzen nicht mit eingerechnet befanden sich am 31. Dezember 2010 insgesamt 666 Rheumatologen in der ambulanten Versorgung. Die Zahl der niedergelassenen Fachärzte für Innere Medizin nimmt damit seit mehr als einem Jahrzehnt um ca. 20-25 Ärzte/innen pro Jahr zu. Demgegenüber nimmt die Zahl der Ermächtigungen seit 2007 langsam aber stetig ab (155 ermächtigte Rheumatologen Ende 2007, 127 ermächtigte Rheumatologen Ende 2010). Insgesamt ist die jährliche Arztzahlzunahme im ambulanten Versorgungsbereich deutlich zu gering, um in einem absehbaren Zeitraum die Unterversorgung in der Rheumatologie zu beenden. Durchaus kritisch und negativ ist daher die seit 2007 rückläufige Entwicklung der Zahl der Weiterbildungsanerkennungen zu sehen. Im Jahr 2007 waren es 69, 2008 nur 49 und 2009 und 2010 schließlich nur noch 40 bzw. 46 Weiterbildungsanerkennungen.
Update zur GOÄ-Reform Ohne Details zur in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden bereits weitgehend fertiggestellten neuen GOÄ zu nennen, wies Frau Dr. Ursula Hofer, Bundesärztekammer (BÄK), auf die im Vergleich zum EBM grundsätzlich andere Kalkulation und Struktur der GOÄ hin, die weiterhin auf der Vergütung von Einzelleistungen basieren wird. Zumindest im Vorfeld wurde seitens der BÄK daran gedacht, ärztliche Leistungen Bild: © Rheumatologische Fortbildungsakademie GmbH
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
7 aufzuwerten und technische Leistungen, z. B. Laborparameter, partiell, insofern maschinelle Laborbestimmungen bestehen, abzuwerten. Vorgaben zur Kostenkalkulation im Praxislabor waren vom BDRh bereits vor zwei Jahren an die BÄK weitergeleitet worden. Inzwischen wurde vom neuen Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr bekräftigt, dass eine GOÄ-Reform noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll.
Ausblick auf die kommende Honorarreform Herr Dr. Bernhard Rochell, KBV, stellte die Honorarentwicklung 2010 im Vergleich zu 2009 dar und gab einen Ausblick auf die kommende Honorarreform. Bundesweit hatten die Rheumatologen ein Plus von nur knapp über 1 % zu verzeichnen, damit weniger als die meisten anderen haus- und fachärztlichen Arztgruppen. Wichtig war der Hinweis, dass die KBV die diskriminierenden Pläne zur Budgetierung des fachgebietsbezogenen, eigenerbrachten Labors auf 1/3 des bisherigen Leistungsvolumens und die Überführung in ein qualitätsgebundenes Zusatzvolumen (QZV) nicht mehr verfolgt.
Fachgebietsbezogene Laborleistungen im Fokus In der Rheumatologie hat sich in den Jahren 2008 bis 2010 trotz einer Zunahme der Zahl der Leistungserbringer, bundesweit keine Mengenentwicklung im OIII-Labor gezeigt. Diese stabile Leistungserbringung im Labor ist wahrscheinlich Folge der qualitätsorientierten, indikationsbezogenen Laboralgorithmen, die im BDRh vor etwa fünf Jahren als Grundlage der fachspezifischen Laboranforderungen konsentiert wurden. Ab 2014 soll nur noch in den Fachgebieten
Bilder: © Rheumatologische Fortbildungsakademie GmbH
das fachspezifische Labor neben der ärztlichen Leistung erbracht werden dürfen, bei denen das Labor zur Kernkompetenz gehört. Noch in diesem Jahr sind die Parameter zu definieren, die im Rahmen dieser Kernkompetenz, die auch für die Rheumatologie vorauszusetzen ist, fachgebietsbezogen abrechenbar sein werden. Nach den Vorgaben des BMG für die Honorarreform ab 2012 sollen künftig wieder allein die Kassenärztlichen Vereinigungen für die Honorarverteilung zuständig sein, die Krankenkassen sollen wie in den Jahren vor 2004 nur noch das Benehmen, nicht mehr jedoch das Einvernehmen zur Honorarverteilung herstellen können. Bundesweit wird nach wie vor der EBM als Grundlage für die Vergütung erstellt, in der von der Politik eingeforderten EBM-Reform soll die derzeitige Pauschalierung bei fachärztlichen Leistungen durch Einzelleistungen abgelöst werden. Die Berufsverbände sollen hierzu angehört werden.
Eckpunkte des BMG zum neuen Versorgungsgesetz Im Kongressforum, fachkundig moderiert von Prof. Dr. Günter Neubauer, wurden gemeinsam mit Frau Prof. Erika Gromnica-Ihle, Dr. Thomas Kopetsch und Dr. Thomas Uhlemann die bis zum Kongress bekannten 14 Eckpunkte des BMG zum Versorgungsgesetz diskutiert. Die in den Eckpunkten vorgesehene dritte Versorgungsebene „Spezialärztliche Versorgung“ wurde seitens des BDRh als Chance betrachtet, die Versorgung relativ rasch zu verbessern. Der für diese Ebene vorerst vorgesehene Wegfall von Leistungs- und Fallzahlbudgetierungen, die von Seiten des BMG gewünschte Gleichbehandlung von Ambulanzen und Niedergelassenen eröffnet einen im Sinne der Versorgung deutlich verbesserten Versorgungsumfang für Ambulanzen wie für niedergelassene Rheumatologen. →
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
8 Inzwischen wurde diese spezialärztliche Versorgungsebene über einen Arbeitsentwurf des BMG weiter konkretisiert. Es ist geplant, zunächst alle im §116 vorgesehenen Indikationen dieser neuen Versorgungsebene zuzuführen. Damit wären alle Fachärzte/ innen für Innere Medizin und Rheumatologie daran beteiligt, so sie eine Teilnahme beim zuständigen Landesausschuss beantragen und die vom GBA noch zu definierenden Qualitätsvorgaben erfüllen. Es wird eine zentrale Aufgabe des BDRh in den Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes sein, dafür zu sorgen, dass diese Qualitätsvorgaben weder Ambulanzen noch Niedergelassene benachteiligen. Es gibt möglicherweise erhebliche Risiken bei der Wahl dieser Versorgungsebene: nicht mehr die Kassenärztlichen Vereinigungen, sondern allein die Krankenkassen sollen entsprechend des o. g. Arbeitsentwurfes für Wirtschaftlichkeit und Abrechnungsprüfung zuständig sein… Einig waren sich die Teilnehmer des Kongressforums, dass es für eine Behebung der Versorgungsdefizite eine eigene Bedarfszulassung für Rheumatologen, d. h. für Fachärzte/innen für Innere Medizin und Rheumatologie geben muss.
Aktuelle Situation bei der Weiterbildung Ein eigener Programmpunkt wurde der Weiterbildungssituation gewidmet. Prof. Dr. Jürgen Wollenhaupt stellte die Datenerhebung der Kommission Weiterbildung zu dieser Thematik vor. Bestehende Weiterbildungsermächtigungen werden offensichtlich nicht in ausreichendem Umfang genutzt. Schon ab April 2009 hat der BDRh über einen Firmen-geförderten Fond (Förderung durch Wyeth Pharma) ein maximal 24-monatiges Stipendium für Weiterbildungsassistenten in der Rheumatologie in Höhe von 2.000 € pro Monat vergeben. Das Programm war ein voller Er-
folg: 11 Teilnehmer/innen haben das Stipendium (zum Teil halbes Stipendium bei Halbtagsbeschäftigung) in Anspruch genommen und damit das Fördervolumen bis Ende 2010 voll ausgeschöpft. Eine Neuauflage dieser Förderung unter breiter Beteiligung, d. h. Förderung durch die in der Rheumatologie relevanten Pharmaunternehmen, ist unter Aufsicht des BDRh, der DGRh (und inzwischen auch des VRA) möglichst ab Oktober 2011 vorgesehen.
Neue Versorgungsformen in der Rheumatologie Last but not least wurden im Rahmen der Session „Neue Versorgungsformen in der Rheumatologie“ die seit Anfang des Jahres bestehenden Selektivverträge in Brandenburg und Sachsen vorgestellt und erste Ergebnisse aus den beiden Qualitätsvereinbarungen in Bayern vorgestellt. Über diese Ergebnisse und den Vertrag in Sachsen wird in diesem Heft gesondert berichtet. Das anstehende Versorgungsgesetz ist seit Jahrzehnten das erste Gesetzgebungsverfahren in Deutschland, das nicht eine Kostendämpfung im Gesundheitswesen als primäre Zielsetzung hat, sondern die Verbesserung der Patientenversorgung. In erster Linie für die Patienten, aber auch für einen Teil der Leistungserbringer, wie für uns Rheumatologen, ergeben sich hieraus Chancen. Es wird die Aufgabe des BDRh-Vorstandes in den nächsten Wochen sein, seinen Teil dazu beizutragen, dass absehbare Risiken für die Versorgung und für einzelne Leistungserbringer nicht Eingang in das Gesetzgebungsverfahren finden oder zumindest abgemildert werden. ❍ Dr. Edmund Edelmann Erster Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen (BDRh) e. V.
Bilder: © Rheumatologische Fortbildungsakademie GmbH
Hier steht eine Anzeige.
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig Neue Versorgungsformen
Selektivvertrag „RheumaAktiv“ nach SGB V §73a zur Behandlung von Patienten mit Rheumatoider Arthritis in Sachsen Hier steht eine Anzeige.
Seit Januar 2011 ist in Sachsen ein Selektivvertrag – nach SGB V §73a geschlossen – zwischen der KV Sachsen und der AOK Plus (Sachsen, Thüringen) zur Behandlung von Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) wirksam. Nach SGB V §73a ist garantiert, dass die Vergütung außerhalb der vereinbarten morbiditätsorientierten Gesamtvergütung zur Verfügung gestellt wird. Die Krankenkasse strebt an, die Honorarmittel aus Rabattvereinbarungen mit Pharmafirmen bereitzustellen.
Gespräche in Vorbereitung des Vertrages wurden mit den Vertragspartnern seit Mitte des Jahres 2009 geführt. Die Mitglieder des Landesverbandsvorstandes Sachsen im BDRh wurden zu den Arbeitstreffen der Vertragspartner jeweils mit eingeladen. Damit konnten Expertenmeinungen eingebracht werden. Wohlwollend wurden viele dieser Hinweise berücksichtigt. Bei gesellschaftlich definierter unterschiedlicher Interessenlage von Krankenkasse, KV und Ärzten wurden letztlich nicht alle Empfehlungen und Kritikpunkte seitens der Ärzteseite berücksichtigt.
Die wichtigsten Zielsetzungen des Vertrages Wesentliche Ziele des Vertrages sollen u. a. sein: • Weiterentwicklung und Verbesserung der qualitätsgesicherten ambulanten Versorgung von Patienten mit RA durch Bildung von patientenbezogenen Versorgungsverbunden zwischen Hausarzt und Rheumatologen • Frühzeitige Diagnosestellung und Einleitung von Interventionen • Arzneimittelmanagement • Koordinierung der Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln.
Voraussetzungen zur Teilnahme Teilnehmende Vertragsärzte sind Rheumatologen und Hausärzte. Am Vertrag können Kassenärzte teilnehmen, die Fachärzte für Innere Medizin/Rheumatologie sind, unabhängig ihrer Zulassung im fachärztlichen oder hausärztlichen Versorgungsbereich. Rheumatologen müssen als Voraussetzung jährlich 25 CME-Punkte in der Rheumatologie in zertifizierten, von der Pharmaindustrie unabhängigen Veranstaltungen erwerben. Eine weitere Voraussetzung ist die Vorhaltung mindestens einer nach Curriculum ausgebildeten Arzthelferin oder einer Arzthelferin mit mindestens 2-jähriger Erfahrung in der Rheumatologie. Hausärzte müssen als Voraussetzung
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
11 jährlich 6 CME-Punkte in der Rheumatologie in zertifizierten, ebenfalls von der Pharmaindustrie unabhängigen Veranstaltungen erwerben. Voraussetzung seitens der teilnehmenden Versicherten sind die Vollendung des 18. Lebensjahres, die gesicherte Diagnose der RA und die Unterschrift unter eine Teilnahmeerklärung mit erklärendem Text. Die teilnehmenden Vertragsärzte müssen für die Dokumentation im Rahmen des Vertrages eine von der AOK Plus zur Verfügung gestellte Software nutzen. Die weiteren technischen Voraussetzungen der Praxis sind im Vertrag in 31 A4-Seiten umfassenden Anlagen formuliert (Praxisausstattung, Technische Anlage). Für die Überweisung nutzt der Hausarzt neben dem üblichen Überweisungsschein einen Screeningbogen, durch welchen der Verdacht auf das Vorliegen einer RA weitgehend gesichert werden soll. Dabei beschränken sich die hierfür geforderten Angaben auf die Angabe der Anzahl weich geschwollener Gelenke und die Morgensteifigkeit. Damit wurde die bürokratische Belastung für den Hausarzt relativ gering gehalten. Der Rheumatologe gewährleistet einen Untersuchungstermin für die Erstuntersuchung innerhalb eines Zeitraumes von 2-6 Wochen. Im Falle der diagnostischen Sicherung der RA kann der Patient bei Bereitschaft in den Vertrag eingeschrieben werden. Nur in diesem Falle erfolgt auch eine Honorierung laut Vertrag. Auch Patienten mit etablierter und länger bekannter RA können bei Bereitschaft in den Vertrag aufgenommen werden. Voraussetzung ist, dass sie bei einem Hausarzt in Behandlung sind, der ebenfalls teilnehmender Vertragsarzt ist. Weitere Aufgaben des Rheumatologen sind dann u. a.: • Leitliniengerechte Therapie
Befundübermittlungen und Absprachen (z. B. Fallkonferenzen) zwischen Rheumatologen und Hausärzten sind vertraglich definiert. Die KV Sachsen führt jährlich in jedem Regierungsbezirk Sachsens (Chemnitz, Dresden Leipzig) je eine Fortbildveranstaltungen zum Selektivvertrag RheumaAktiv durch. Eine Vertragskommission aus je drei Vertretern der KV Sachsen und der AOK Plus überwacht den Ablauf der Behandlungen im Rahmen des RheumaAktiv-Vertrages, sammelt Erfahrungen und entwickelt den Vertrag weiter. Berater (ohne Stimmrecht) sollen je nach Bedarf zu den Beratungen hinzugezogen werden. Eine definierte Evaluation durch ein professionelles Institut ist geplant. Wie sind die bisherigen Reaktionen der sächsischen Hausärzte und Rheumatologen auf den Selektivvertrag? Auf den ersten Eindruck hin und ohne genaueres Studium des Vertragswerkes entsteht bei vielen Kollegen bedingt durch ein System überdimensionierter und unüberschaubarer Regelwerke, Vorschriften und Informationen eine bürokratielastige Motivationsbarriere. Es haben sich deshalb bisher in Sachsen lediglich 8 Rheumatologen und 131 Hausärzte als teilnehmende Ärzte für den Vertrag eingeschrieben. Das komplette Vertragswerk ist telefonisch anforderbar bei der AOK Plus unter 03737/790-67125 oder 03737/790-67128. Weitere Angaben zu Mitgliedern und Verträgen finden sich auch auf der Internetseite der KV Sachsen www.kvs-sachsen.de. ❍ Dr. med. Andreas Teich Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen im Berufsverband Deutscher Rheumatologen e.V.
• Nutzung von Arzneimitteln entsprechenden Rabatt verträgen der AOK PLUS • Definierte Verlaufskontrolle unter Nutzung etablierter Aktivitäts- und Funktionsscores (DAS28, FFbH, SF-36) • Information des Patienten über Möglichkeiten wohnortnaher Selbsthilfe • Motivation des Patienten zur Teilnahme an Schu lungsprogrammen. Weitere Aufgaben des Hausarztes sind u. a.: • Nötige Kontrolluntersuchungen zur Überwachung der Therapie. 2 – Pitopia
2
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
12 Selektivverträge in Bayern
Flächendeckende elektronische Dokumentation und Früharthritisdiagnostik verbessern ambulante Versorgung Die Möglichkeit der Selektivverträge eröffnet neue Perspektiven in der ambulanten Versorgungswelt. Im Folgenden stellen wir die zwei Selektivverträge vor, die der Berufsverband BDRh Bayern mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern seit dem Jahr 2010 etabliert hat. Grundlage und Idee ist es, die verbesserten Diagnosemöglichkeiten und Therapiequalität in die Versorgung einzubringen.
Im Rahmen der Qualitätsprojekte „Ausgezeichnete Patientenversorgung“ (www.ausgezeichnete-patientenversorgung.de), die von der KV Bayern auf den Weg gebracht wurden, konnten zwei Selektivverträge etabliert werden.
Elektronische Dokumentation: Voraussetzungen und erste Ergebnisse Der erste Selektivvertrag betrifft die elektronische Dokumentation und wurde mit allen Krankenkassen in Bayern abgeschlossen. Die Teilnahmevoraussetzungen für die elektronische Dokumentation sind die Tätigkeit im Schwerpunkt internistische Rheumatologie, der Nachweis definierter Weiterbildungen, unter anderem der verpflichtende Besuch eines der großen wissenschaftlichen Kongresse, z. B. DGRh, EULAR oder ACR, sowie die Mindestanzahl von 100 Patienten mit Betreuung immunmodulierender Systemtherapien. Desweiteren sind mindestens 10 % Neuvorstellungen gefordert. Diese elektronische Dokumentationsvereinbarung betraf sowohl den DAS28-Score als auch den Funktionsfragebogen Hannover (FFbH). Eine feste Eurovergütung erfolgte für jeden dieser dokumentierten Parameter einmal pro Quartal. Eine Zusatzvergütung von maximal initial 14,40 Euro (7,20
Rheumatologie in Bayern Ärzte in Bayern (ohne Ermächtigte/mit Ermächtigte) internistische Rheumatologen: 52/65 hausärztliche Rheumatologen: 7 Teilnehmerzahlen Elektronische Dokumentation Rheuma (31.12.2010) 47 internistische Rheumatologen: 45/52 → 90 % (ohne Ermächtigte) hausärztliche Rheumatologen: 2/7 → 29 % Abb. 1: Rheumatologie in Bayern
Dr. med. Florian Schuch Euro pro Assessment) konnte vereinbart werden. Die Daten wurden zentral in anonymisierter Form gesammelt, erfasst wurden die Dauer der Erkrankung und das Geschlecht. Erstmalig konnte so flächendeckend (Teilnehmerquote über 90 %) ein Abbild der ambulanten internistisch-rheumatologischen Versorgung in Bayern dargestellt werden (s. Abb. 1). Eine Abstaffelung der Vergütung war durch die hohe Teilnehmerzahl leider hinzunehmen. Insgesamt wurden über 40.000 DAS28-Scores erhoben, im Schnitt auf das Jahr 2010 gerechnet 867 pro teilnehmendem Arzt und über 40.000 FFbH, im Schnitt 860 pro teilnehmendem Arzt. Jeder teilnehmende Arzt kann seine persönliche Bilanz anfordern und mit der Gesamtheit vergleichen. Dies erfolgt in anonymisierter Form (s. Abb. 2). Es zeigt sich, dass in der ambulanten Versorgung eine mit anderen Datenbasen vergleichbare Versorgung, gemessen an DAS28 und FFbH, bayernweit stattfindet. Limitierend sind die fehlende Validierung der Daten, wobei dies z. B. in der Kerndokumentation, auch nicht durchgeführt wird. Eine individuelle Analyse des Verlaufes eines einzelnen Patienten ist aufgrund der Anonymisierung nicht möglich. Auch unterschiedliche Praxisstrukturen werden bei diesen Dokumentationen nicht berücksichtigt. Die E-Dokumentation wurde in der Mehrzahl der Fälle mit RheumaDok durchgeführt, Bild: © Rheumatologische Fortbildungsakademie GmbH
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
13 das eine speziele Exportfunktion anbietet. Die Software wird vom Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRh) kostenfrei den Mitgliedern gestellt. Die Nutzung von RheumaDok war jedoch nicht verpflichtend und notwendig. Die Daten wurden als ExcelTabelle zentral gesammelt, zusammengefasst und als Quartalsstatistik an die KV Bayern übermittelt. Erstmalig konnte in dieser Form nachgewiesen werden, dass eine flächendeckende elektronische AssessmentDokumentation möglich ist.
„Frühdiagnostik Rheuma“: Erste positive Schritte Im zweiten Projekt wurde mit den Ersatzkassen die „Frühdiagnostik Rheuma“ vereinbart; seit 2011 hat sich zusätzlich die SBK an diesem Projekt beteiligt. Voraussetzungen hierfür waren die Zulassung als internistischer Rheumatologe, orthopädischer Rheumatologe oder pädiatrischer Rheumatologe, definierte Weiterbildungen (wie zuvor beschrieben), sowie eine Ultraschall-Diagnostik mit erhöhten Qualitätskriterien und Mindestanzahl (> 30/Quartal). Eine Doppler-Diagnostik ist aktuell nicht verpflichtend. Eine Verordnungsquote von mehr als 75 % Basistherapie war notwendig um teilnehmen zu können. Diese Daten konnten von der KV selbst erhoben werden. Desweiteren waren, um die Frühdiagnostik zu verbessern, mindestens 10 % Neuvorstellungen notwendig. Hier sollten auch die Möglichkeiten der modernen sonografischen Diagnostik eingesetzt werden. Für alle Patienten mit Diagnose M05 bzw. M06 erfolgte eine Honorierung. Insgesamt konnten die Maßnahmen die Erstneuvorstellungsquote deutlich anheben. Im Durchschnitt war eine Neuvorstellungsquote von 30 % festzustellen, ausgehend von knapp 10 % in den Jahren zuvor. Somit erfolgt eine deutlich höhere Zahl an Vorstellungen neuer Patienten, aber es bedarf weiterer Schritte, um gerade die Frühformen der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu sehen. Weitere Verbesserungen auf der Hausarztebene und das Kommunizieren von Zuweisekriterien sind notwendig. Es bestehen aber auch limitierende Faktoren. So wird es immer schwieriger Patienten, die eine Langzeitbetreuung ihrer immunmodulierenden Systemtherapie benötigen, parallel mit den zunehmenden Neuvorstellungen zu vereinbaren. Je nach Praxisstruktur und Praxisalter zeigen sich hier Limitationen. Letztlich ist dies nur zu gewährleisten, wenn auch strukturelle Veränderungen in der Sprechstunde stattfinden. Bei dieser Maßnahme kann gezeigt werden, dass bei Veränderung der Strukturen sowie besserer Honorie-
rung sehr wohl auch inhaltliche Veränderungen stattfinden, die das Ziel einer verbesserten Frühdiagnostik in eine greifbarere Richtung bringen. Insgesamt wurden in der Frühdiagnostik und in der EDokumentation 1,2 Mio. Euro zusätzlich ausgeschüttet. Durch die genannten Strukturverträge kann nicht nur eine Verbesserung der Neuvorstellungsquote und Steigerung der Frühvorstellungen erfolgen, zusätzliche Anreize durch fixierte Vergütungen lassen eine nachhaltige Verbesserung der Attraktivität der internistischen Rheumatologie erhoffen. Auch Investitionen, wie z. B. die hochfrequente Ultraschalldiagnostik inklusive Doppler in der Arthrosonografie sind darstellbar. Eine Analyse der Daten und das Benchmarking zwischen einzelnen Ärzten ist nunmehr möglich. Weitere wissenschaftliche Auswertungen, z. B. die Korrelation zu medikamentösen Therapien, sind auf den Weg gebracht. Mit der Umsetzung verbesserter Versorgungsstrukturen sind auch die Kostenträger bereit zusätzliche Honorierungen aufzubringen. Insbesondere in einem Fach wie der internistischen Rheumatologie, die durch moderne Therapien in den letzten Jahren deutlich die Zahl der Krankenhauseinweisungen und von Gelenkersatzoperationen sowie auch die kardiovaskuläre Mortalität reduzieren konnte profitiert am Ende der Patient, möglicherweise aber auch der Kostenträger. Insofern sind diese Modelle geeignet langfristig die rheumatologische Versorgung zu verbessern und zu erhalten. Wichtig ist, dass diese Projekte konsequent weiter gestaltet werden und wissenschaftlich evaluiert werden. ❍ Dr. med. Florian Schuch Praxisgemeinschaft Rheumatologie Nephrologie Möhrendorfer Str.1C, 91056 Erlangen
Individuelle Ergebnisse der KVB-Qualitätsmaßnahme 2010 B-SNR LANR Name
Gesamtteilnehmer: 47
Ihre Ergebnisse Werteanzahl DAS 1.120 Median DAS 3,15 Mittelwert DAS 3,38 1,20 Standardabweichung DAS Mittelwert DAS, 1. Quartal 3,36 Mittelwert DAS, 2. Quartal 3,44 Mittelwert DAS, 3. Quartal 3,43 Mittelwert DAS, 4. Quartal 3,34
Alle Teilnehmer 867 im Mittel 40.739 insgesamt 2,83 3,20 1,27 3,12 3,01 3,60 2,56
Werteanzahl FFbH 1.056
800 im Mittel 40.406 insgesamt
Abb. 2: Anonymisierter Datenabgleich am Beispiel des DAS28
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
14 BDRh-Kongress 2011 in Leipzig
Gesundheitspolitik: Nach der Reform ist vor der Reform… Die Gesundheitspolitik in Deutschland und die von ihr initiierten Reformgesetze lassen sich alle auf die sich ständig öffnende Einnahmen-Ausgabenschere in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zurückführen. Seit mehr als 30 Jahren lässt sich beobachten, dass die Ausgaben in der GKV etwa doppelt so schnell wachsen wie die Einnahmen.
Reflexartig reagieren die jeweiligen Gesundheitsminister auf diese Schere so, dass sie die Ausgaben durch Kostendämpfungsmaßnahmen abbremsen und die Einnahmen durch Beitragssatzsteigerungen anheben. So stieg der Beitragssatz in der GKV von etwa 8 % 1970 auf heute 15,5 %, was eigentlich unter Einbeziehung der Steuermittel und Zusatzbeiträge mehr als 17 % sind.
Prof. Dr. Günter Neubauer Auch das GKV-Finanzierungsgesetz von 2010/11 folgt dieser Logik. Zum einen wurde der Beitragssatz von 14,9 auf 15,5 % angehoben, sowie zusätzliche Steuermittel bereitgestellt, und zum anderen wurde eine Ausgabendämpfung beschlossen, die den Ausgabenzuwachs für 2011 um rund 3,5 Mrd. Euro reduzieren soll. Im nachfolgenden Schaubild werden die Reformbemühungen der Bundesregierung für die Jahre 2010/11 skizziert (s. Abb. 1).
Abb. 1: Die Einnahmen-Ausgaben-Schere als Ausgangspunkt der Gesundheitspolitik
Abb. 2: Nachhaltiger Lösungsansatz: Erhöhung der Lebensarbeitszeit (Quelle: IfG München)
Neben dem GKV-Finanzierungsgesetz wurden mit dem Arzneimittelmarktreformgesetz (AMNOG) auch die Innovationen im Arzneimittelbereich einer strengeren Prüfung unterzogen. Die Erstattung von neu zugelassenen Arzneimitteln durch die GKV erfolgt nicht mehr quasi automatisch, sondern wird einer eigenen Überprüfung durch die GKV unterzogen. Im Mittelpunkt steht der zusätzliche Patientennutzen eines Medikaments; er soll im Wesentlichen die Erstattungshöhe bestimmen. Damit dürfte im Prinzip die fortschrittliche Therapie, z. B. für Rheuma-Patienten, nicht beeinträchtigt werden. Als dritte Maßnahme will die Bundesregierung durch ein Versorgungsgesetz die vorhandenen Versorgungskapazitäten, insbesondere die Vertragsärzte, gleichmäßiger nach festgestelltem Bedarf verteilen. Hier werden Planungsinstrumente (wieder-)belebt, die in den letzten 30 Jahren keine bzw. wenig Wirkung zeigten. Ob mit einer Verfeinerung der bislang unwirksamen Instrumente einer Bedarfsplanung besseBild: © Rheumatologische Fortbildungsakademie GmbH
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
15 re Resultate zu erwarten sind, ist fraglich. Aber auch die vorgesehene mobile Patientenversorgung der Art, dass Ärzte unterversorgte, dünn besiedelte Gebiete aufsuchen, um dort Patienten zu versorgen, muss zumindest aus gesundheitsökonomischer Sicht in Frage gestellt werden. Schließlich ist es unwirtschaftlich, wenn ein Arzt seine knappe Zeit mit Fahrten zu Patienten weiter verkürzt. Zielführender ist es, wenn Patienten sich zum Arzt begeben. Patientenbesuche, die nur der Kontrolle des Gesundheitszustandes dienen, sollten an Heil-/Hilfsberufe delegiert werden. Generell zweifeln wir an, dass eine „Arzt auf das Land“-Verschickaktion den Arztberuf für junge Menschen attraktiver machen wird. Neben dem Rückfall in den alten Planungsirrglauben gibt es im Versorgungsgesetz auch einige positive Aspekte. Hierzu gehört die Beseitigung der Regelleistungsvolumina für Ärzte in unterversorgten Gebieten und die Unterstützung zukunftsweisender Technologien der Telemedizin. Insgesamt wird auch diese Reform nur eine begrenzte Wirkungsdauer haben. Noch immer haben die Regierungen keine nachhaltige Antwort auf die demographische Umstrukturierung Deutschlands gefunden. Aus unserer Sicht könnte nur durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit eine nachhaltige Wirkung erzielt werden (s. Abb. 2).
Bilder: © Rheumatologische Fortbildungsakademie GmbH
Abb. 3: Nach der Reform 2010/11 ist vor der Reform 2014/15 Solange dieser Schritt nicht mutig umgesetzt wird, werden sich die Gesundheitsreformen im Rhythmus der Wahlen wiederholen. Von daher kann auch die nächste Gesundheitsreform schon heute vorhergesagt werden, wie wir dies in Abb. 3 vorgenommen haben. ❍ Univ.-Prof. Dr. Günter Neubauer Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomik (IfG) Nixenweg 2b, 81739 München Tel: 089/605198, Fax: 089/606 11 87 E-Mail: guenter.neubauer@ifg-muenchen.com www.ifg-muenchen.com
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
16 Deutsche Rheuma-Liga
Weiterentwicklung der Patientenversorgung Aus Sicht der Deutschen Rheuma-Liga birgt die derzeitige Diskussion um ein Versorgungsgesetz sowohl Chancen als auch Risiken für die Versorgung rheumakranker Menschen.
Die ärztliche Versorgung ist derzeit nicht nur in ländlichen Gebieten nicht ausreichend gesichert, das gilt besonders für die Rheumatologie. Die auf der Grundlage der sogenannten Bedarfsplanung erhobenen Arztzahlen spiegeln die Realität nur bedingt wider, da bei dieser Statistik weder der tatsächliche Umfang der Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten noch die konkreten Inhalte der angebotenen Versorgung dargestellt werden. In der Realität steigen Wartezeiten auf Termine an und im ländlichen Raum müssen weite Fahrwege in Kauf genommen werden. Um eine rheumatologische Versorgung von guter Qualität flächendeckend zu sichern, müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die fachärztliche Versorgung muss für Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wohnortnah durch Fachärzte für Innere Medizin und Rheumatologie sichergestellt werden. Ob diese Fachärzte als niedergelassene Ärzte praktizieren oder in Klinikambulanzen, ist für die Rheuma-Liga nicht wesentlich. Bei der Planung und Gestaltung von medizinischer Versorgung sollten beide Bereiche einbezogen werden, allerdings muss auch in Klinikambulanzen sichergestellt werden, dass die Versorgung tatsächlich durch den Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie geleistet wird. Gerade bei chronischen Erkrankungen muss auch in den Ambulanzen eine tragfähige ArztPatienten-Beziehung ermöglicht werden. Die Einbeziehung von Ärzten, die in Rehabilitationseinrichtungen tätig sind, ist nur dann sinnvoll, wenn diese über die fachärztliche Weiterbildung für Innere Medizin und Rheumatologie verfügen. Für Betroffene von Arthrosen muss die fachärztliche Versorgung durch konservativ ausgebildete Orthopäden ermöglicht werden. Hier muss sichergestellt werden, dass trotz der Veränderungen der Weiterbildungsordnung die konservative Orthopädie in der ärztlichen Versorgung weiterhin angeboten wird. Auch die Weiterbildungsordnung muss sich an den Versorgungsanforderungen ausrichten. Da viele Arthrose-Patienten immer noch nicht leitliniengerecht behandelt werden, müssen hier Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Weiter- und Fortbildung der konservativ tätigen Ärzte getroffen werden.
Prof. Dr. med. Erika Gromnica-Ihle Die bisherige Bedarfsplanung muss so gestaltet werden, dass auf Bundesebene der tatsächliche Versorgungsbedarf unter Einbeziehung von Vertretern der Patienten und der wissenschaftlichen Fachgesellschaften beschrieben wird. Um die Bedarfsdeckung zu realisieren, muss die tatsächliche Versorgung der vorhandenen Arztpraxen und Einrichtungen berücksichtigt und fehlende Versorgungsbereiche müssen hierauf aufbauend ausgeschrieben werden. Die Versorgung muss vom Patienten her geplant und gestaltet werden. Wesentliche Elemente sollten dabei sein: 1) eine flexiblere Definition der Planungsbezirke hinsichtlich der unterschiedlichen Anforderungen an die Wohnortnähe für unterschiedliche Arztgruppen, 2) eine Definition der Verhältniszahlen aufgrund medizinischer Anforderungen, 3) die Festlegung von Verhältniszahlen für sachgerechte Arztgruppen, die gleiche Versorgungsaufträge erfüllen und 4) die Berücksichtigung der Morbidität und der demographischen Entwicklung der Bevölkerung. Die Deutsche Rheuma-Liga sieht bei den geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung besonders auf dem Lande deutlich ansteigende Kosten, die bei der bisher dargestellten Vorgehensweise zu Lasten der Versicherten gehen werden. Die derzeitigen Überlegungen zu einer Aufspaltung von fachärztlicher und spezialisierter fachärztlicher Versorgung würden sowohl positive als auch negative Konsequenzen nach sich ziehen. So könnte einerseits die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen und
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
17 Professionen in einem Team bei der Behandlung der komplexen entzündlichen-rheumatischen Erkrankungen eine wesentliche Verbesserung der Versorgung ermöglichen. Andererseits besteht die Gefahr, dass die Qualität der Versorgung außerhalb des Bereichs der spezialisierten Versorgung abnimmt und langfristig kaum Ärzte für diese Aufgabe gewonnen werden können. Es besteht auch die Gefahr, dass das Prinzip der Wohnortnähe für die spezialisierte fachärztliche Versorgung aufgegeben wird und die Betroffenen noch weitere Wege in Kauf nehmen müssen. Wohnortnähe kann in ländlichen Regionen auch durch mobile Arztsprechstunden sichergestellt werden. Auch die Entlastung von Ärzten durch speziell ausgebildetes, nichtärztliches Personal wird durch die Deutsche Rheuma-Liga befürwortet. Bei diesen Maßnahmen muss jedoch die Qualität der Versorgung gesichert sein. Die fachärztliche Kompetenz muss für neu von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen Betroffene nach Überweisung vom Hausarzt innerhalb von zwei Wochen zur Erstvorstellung erreichbar sein. Hierzu müssen die internistischen Rheumatologen ihre Praxisorganisation entsprechend gestalten. Die Honorargestaltung der Ärzte sollte keine Anreize setzen, die dieser frühen Behandlung entgegenwirken.
Bei der Diskussion um die Veränderung der Versorgungsstrukturen müssen auch mögliche finanzielle Auswirkungen berücksichtigt werden. Aus Sicht der Deutschen Rheuma-Liga müssen die vorhandenen Ressourcen zielgerichteter eingesetzt werden. Es darf nicht zu einer Erhöhung der Zusatzbeiträge kommen. In Zusammenhang mit dem Versorgungsgesetz wird auch die Ausweitung der wettbewerblichen Handlungsmöglichkeiten der Krankenkassen diskutiert. Die Deutsche Rheuma-Liga warnt davor, im Bereich der Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen, der häuslichen Krankenpflege sowie der Heil- und Hilfsmittel erweiterte Satzungsleistungen der Krankenkassen zu ermöglichen. Dies würde absehbar zu einer weiteren Verschlechterung der Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenversicherungen in diesen Bereichen führen. ❍
Prof. Dr. med. Erika Gromnica-Ihle Internistin/Rheumatologin/Hämostaseologin Majakowskiring 11 13156 Berlin Präsidentin Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V. Maximilianstraße 14 53111 Bonn
Hier steht eine Anzeige.
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
18 Versorgungssituation in der Rheumatologie
Bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung Zu möglichen Kooperationsmöglichkeiten zwischen Kliniken und Rheumatologen im niedergelassenen Bereich, befragten wir im Rahmen der BDRh-Jahrestagung in Leipzig, Herrn Dr. Christoph Straub, Vorstandsmitglied der Rhön-Klinikum AG.
Herr Dr. Straub, in Anbetracht der Versorgungslücke in der Rheumatologie wäre eine Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken wünschenswert. Welche nicht einseitigen Zusammenschlüsse halten Sie für sinnvoll? Angesichts der unbefriedigenden Versorgungssituation in der Rheumatologie ist es sicher notwendig, zu einer verstärkten Kooperation zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten zu kommen. Dies betrifft die Zusammenarbeit zwischen den im Klinikbereich tätigen Fachärzten für Rheumatologie und den Kollegen im niedergelassen Bereich. Dr. Christoph Straub Die Rheumatologie ist ein Fachgebiet, in dem die Versorgung ganz überwiegend ambulant geleistet werden kann und wird. Jedoch besteht auch in der Fläche ein Bedarf an Versorgungsnotwendigkeiten, weshalb eine bessere Verzahnung der stationären und ambulanten Versorgung anzustreben ist, wobei ich in diesem Zusammenhang die Verbindung von Kliniken und MVZ-Strukturen auch für sehr sinnvoll erachte. Die Verzahnung ist allein schon aufgrund der bislang noch unzureichenden Weiterbildungsmöglichkeiten – ein sehr relevanter Engpassfaktor in der Rheumatologie – erforderlich und überaus sinnvoll. Eine der Möglichkeiten für Kooperationen ergibt sich aus § 116b. Könnten Sie sich jedoch auch vorstellen, dass ein niedergelassener Rheumatologe in einer zu gründenden Gesellschaftsform als MVZ gleichberechtigt zu der Klinik steht? Diese Option bestand auch in der Vergangenheit. Jedoch hatten aufgrund der Befürchtung eventueller wirtschaftlicher Risiken die niedergelassenen Rheumatologen überwiegend kein Interesse an der Beteiligung an einem MVZ und favorisierten eher die Abgabe von Praxissitzen. Von unserer Seite als Rhön-Klinikum AG waren alle anderen Kooperationsmöglichkeiten immer gegeben. Was den § 116b anbetrifft, kann ich Ihnen folgendes berichten: Wir hatten z. B. an einer Klinik den Fall, dass ein niedergelassener Rheumatologe mit dem Vorschlag an uns herantrat, sich vertraglich zu binden, um als Niedergelassener im Rahmen von § 116b mit der Plattform Klinik tätig zu werden. Aus Sicht des niedergelassenen Kollegen hätte dies den
Vorteil, vom personellen und apparativen Hintergrund der Klinik zu profitieren und auf Basis von § 116b als eigentlich niedergelassener Rheumatologe Möglichkeiten zu nutzen, die so in seiner Praxis nicht zu realisieren wären. Dies ist sicher kein typisches Beispiel, aber jede Form der Kooperation und Zusammenarbeit ist im Prinzip möglich. Unter § 116b besteht bei intelligenter Ausgestaltung auch kein Risiko für Niedergelassene, sondern wir brauchen gerade in der Rheumatologie jede Form der Zusammenarbeit kompetenter Rheumatologen, um den Versorgungsbedarf abzudecken. Sehen Sie eine reelle Möglichkeit, wenn ein MVZ z. B. die GmbH als Gesellschaftsform gewählt hat, den niedergelassenen Rheumatologen als gleichberechtigten Gesellschafter mit hineinzunehmen, womit er natürlich das gleiche Risiko trägt? Ja, das ist eine der Möglichkeiten. Wir sind diesen Weg bereits mit einer anderen Facharztgruppe beschritten und sind weiterhin zu Kooperationen bereit. Welche anderen Möglichkeiten für eine Kooperation sehen Sie noch? Die von mir angedeutete Kooperation zeigt, dass mit einer wirklich reizvollen Idee ein niedergelassener Arzt selbst die Ausgestaltung von § 116b mit einem Klinikpartner gestalten kann. Weitere Möglichkeiten: Einerseits das MVZ und dann besteht nach wie vor die Mög-
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
19 lichkeit der Tätigkeit im Anstellungsverhältnis, auch mit Beteiligungsmöglichkeiten. Die freie Kooperation mit unterschiedlichen Vertragsformen ist möglich. Das Problem in der Rheumatologie liegt bekanntermaßen darin, dass Hausärzte in geeigneter Form an diese rheumatologische Versorgung, egal ob nun stationär oder niedergelassen, intelligent angedockt werden müssen, um die Zeiträume bis zur definitiven ersten Diagnose zu verkürzen. Das Angebot der Rhön-Klinikum AG hierbei ist, zu einer elektronischen Patientenakte zu kommen, also letztendlich über dieses Vehikel einen strafferen Verbund zu schaffen, um Patienten, die es notwendig haben, an eine rheumatologisch fachärztliche Versorgung heranzuführen. Aus Sicht eines Krankenhausträgers stellen sich Vertragszulassungen als attraktives Kaufobjekt zum Eintritt in den ambulanten Bereich dar. Steht dies aus Ihrer Sicht mit dem Versorgungsgesetz im Einklang? Nach dem derzeitigen Stand des Entwurfes für ein Versorgungsgesetz gibt es dafür keine Barrieren. Das heißt, wir gehen davon aus, dass die Anzahl und Verbreitung dieser sinnvollen und bei niedergelassenen Ärzten zunehmend auf Akzeptanz stoßenden Struktur des medizinischen Versorgungszentrums – und zwar auch in Verbindung mit einer Klinik – weiter zunehmen wird.
Bilder: © Rheumatologische Fortbildungsakademie GmbH
Die Abgabe eines Vertragsarztsitzes und die weitere Tätigkeit in der Anstellung wird mit Sicherheit in Zukunft bei den nachrückenden Ärztegenerationen eine häufige Präferenz sein. Viele scheuen die Investitionen und das wirtschaftliche Risiko einer Praxisgründung, insbesondere einer Einzelgründung, aber auch Investitionen in Gruppenpraxen. Was wir jedoch wollen und vorantreiben, ist das Konzept einer Beteiligung und Integration eines Facharztsitzes, der aber weiterhin selbstständig betrieben wird, und dies über einen Gesellschafterstatus in einer GmbH-Konstruktion. Das wollen wir in Zukunft weiter fördern. Welche Strategie empfehlen Sie Rheumatologen in Bezug auf die Einordnung in fachärztliche oder spezialärztliche Ausrichtung gemäß dem geplanten Versorgungsgesetz? In Anbetracht des Status des Gesetzentwurfs und der dort festgeschriebenen, formulierten Ausgestaltung der Konditionen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) kann man aufgrund der derzeit noch unklaren weiteren Entwicklung keinen fundierten Rat geben. Rein fachlich betrachtet gehört die rheumatologische Versorgung aus meiner Sicht mit in den Kreis der spezialärztlichen Tätigkeiten. Unter welchen Bedingungen man in diesem Bereich tätig sein kann, ist noch nicht abzusehen. ❍
Herr Dr. Straub, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
20 Neue KBV-Applikation
Kleinräumige Versorgungsanalyse (KVA) soll Bedarfsplanung erleichtern Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung wird insbesondere in ländlich strukturschwachen Gebieten zunehmend schwieriger. Die Bedarfsplanungsabteilungen in den Kassenärztlichen Vereinigungen stehen daher vor einer neuen Herausforderung.
Um die im Zuge der Trendwende von Über- in Richtung Unterversorgung bedingte Verknappung der Zugangsmöglichkeiten der Patienten zu ärztlichen Versorgungseinrichtungen adäquat bewerten zu können, gewinnen kleinräumige Versorgungskonzepte stark an Bedeutung. Dies insbesondere deshalb, da die derzeit für die operative Bedarfsplanung zugrunde liegenden Regelungen für derartige Szenarien nicht ausgerichtet sind. Mit der zum Einsatz kommenden Messziffernmethode werden überregionale Versorgungsbeziehungen ausgeklammert, Aussagen auf tiefer regionaler Ebene sind durch den Zuschnitt der Planungseinheiten mehr oder weniger nicht möglich, prospektive Aspekte, z. B. die Arztzahlentwicklung, finden mit der isolierten Betrachtung von Versorgungsgraden keine Berücksichtigung. Folglich müssen nicht nur die in der Bedarfsplanungs-Richtlinie festgelegten Unterversorgungsgrenzen als Interventionspunkte infrage gestellt werden, sondern die Methoden der Bedarfsplanung als solche. Um eine an der Versorgung orientierte Bedarfsplanung zu organisieren, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die „Kleinräumige Versorgungsanalyse“ (KVA) entwickelt. Der Zugewinn an Information zur Erfassung der Versorgungswirklichkeit durch die kartographische Darstellung der Versorgungskonstellationen liegt auf der Hand. Die Applikation leistet jedoch weitaus mehr. Durch Integration eines regionalwissenschaftlichen Interaktionsmodells, auf dessen Grundlage die Kontaktwahrscheinlichkeiten zwischen Nachfragern (Patienten) und Anbietern (niedergelassene Ärzte) aufgrund der Attraktivität und Lagegunst der Anbieterstandorte berechnet werden können, ist es mit der Software möglich, die Versorgungslage anhand der Ergebnisse aus zwölf eigens für diesen Zweck entwickelten Indikatoren objektiv zu analysieren. Und dies, wenn gewünscht, hochauflösend auf Ebene von bundesweit 70.000 im System enthaltenen Siedlungsflächen. Die Indikatoren der KVA erleichtern die Analyse der Versorgungssituation in den Bedarfsplanungsabteilungen deutlich, sowohl aus Patienten-, Ärzte- oder Gesamtperspektive. Durch Integration einer Kür-
zesten-Wege-Matrix, die mit 2,5 Mrd. Daten alle in Deutschland zwischen den Siedlungsflächen möglichen Entfernungen umfasst, können sowohl die Erreichbarkeit der Praxen als auch das vorhandene Einwohner- und Ärztepotenzial in einer Region untersucht und bewertet werden. Die Einbindung dieser Gesamtmatrix bietet den Vorteil, dass „undurchlässige“ Regionsgrenzen bei den Berechnungen der funktionalräumlichen Beziehungen in Gänze ausgeklammert werden. Im Gegensatz zur Bedarfsplanung, die sowohl mit Ärzten als auch Einwohnern in absoluter Anzahl rechnet, können optional im Bereich der Ärzte der tatsächliche Versorgungsbeitrag und im Bereich der Patienten die lokale Morbidität als Ausgangsgröße für Analysen zugrunde gelegt werden. Für prospektive Analysen können Prognosedaten, für spezielle Fragestellungen außerhalb der Bedarfsplanungsarztgruppen (z. B. spezielle Angebote an Präventionsleistungen) entsprechende Zielgruppen (Geschlecht, Alter) selektiert werden. Neben einer Status-quo-Analyse kann durch die Veränderung von Anzahl und Standorten der Ärzte (Variantenanalyse) zudem simuliert werden, wie sich der eintretende Verlagerungseffekt auf die Patientenströme einer Region auswirken wird. Bei der Suche nach den optimalen Standorten für neue Niederlassungen müssen sowohl Aspekte der regionalen Versorgungsgerechtigkeit aus Sicht der Patienten als auch Aspekte der Wirtschaftlichkeit aus dem Blickwinkel der Ärzte berücksichtigt werden. Die KVA-Software ist in der Lage, beide Perspektiven simultan in eine Analyse einzubeziehen. Mithilfe eines Standortoptimierungs-Tools können simultan bis zu zehn Standorte hinsichtlich Lagegunst bzw. Standortqualität getestet werden. ❍
Dr. Thomas Kopetsch Diplom-Volkswirt Leiter des Referats Bedarfsplanung, Bundesarztregister und Datenaustausch der KBV Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin Tel: 030/4005-0, Fax: 030/4005-1490
BDRH-Kongress 2011 – Leipzig
21 Rheumatoide Arthritis
TNF-Blocker im gesundheitspolitischen Spannungsfeld Generell dürfte die Verordnung von Biologika für Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) in den nächsten Jahren nicht leichter werden, so die Befürchtung von Prof. Dr. Klaus Krüger, München, in Anbetracht des aktuellen IQWiG-Vorberichts zum Nutzen von TNF-Blockern und anderen Biologika.
Problematisch ist insbesondere die starke Fixierung auf eine DAS28-Remission, die auch mit hocheffektiven TNF-Blockern wie z. B. Infliximab (Remicade®) oder Golimumab (Simponi®) vor allem bei langer Krankheitsdauer nicht für jeden Patienten ein realistisches Ziel ist. Unzureichend würdigt das IQWiG hochrelevante, vor allem mit TNF-Blockern zu erreichende Therapieziele, wie die in Patientenregistern gezeigte Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse und die in zahlreichen randomisierten kontrollierten Studien belegte, fast vollständige Hemmung der radiologischen Progression, oder der auch unter gesundheitsökonomischen Aspekten so wichtige Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Nach Krüger bleibt zu hoffen, dass in dem für 2012 zu erwartenden Abschlussbericht tatsächlich „patientenrelevante“ Maßstäbe doch noch eine Rolle spielen und die medi-
kamentöse RA-Therapie nicht unnötig erschwert wird. Wie sehr TNF-Blocker und andere Biologika die Versorgungssituation für RA-Patienten verbessert haben, verdeutlichte Dr. Kirsten Karberg, Berlin. Die Daten der Kerndokumentation und des RABBIT-Registers zeigen einen Trend zu einer intensiveren, rascheren Therapie mit früherem Einsatz von Biologika. So war in RABBIT bei TNF-Blocker-Patienten in den letzten Jahren ein Anstieg der Remissionszahlen von 19 auf 26 % zu verzeichnen. Dies geht einher mit einer Entwicklung zu einer niedrigeren Krankheitsaktivität und einer stärkeren Teilhabe am Erwerbsleben, fasste Karberg zusammen. ❍ Quelle: Satellitensymposium der MSD Sharp & Dohme GmbH, BDRh-Kongress, Leipzig, 14. Mai 2011
Durch Biologika Wandel der Therapieziele Durch die mit konsequenter DMARD-Therapie und dem früheren Einsatz von Biologika bei RA erreichbaren Behandlungserfolge sind die Ansprüche gestiegen – dies verdeutlichen auch die aktuell vorgeschlagenen ACR/EULAR-Remissionskriterien. Neben dem Erreichen von Remission oder zumindest niedriger Krankheitsaktivität gilt es, den Erhalt der vollen Lebensqualität und der Arbeitsfähigkeit anzustreben.
Dass die Zahl der Patienten mit DAS28-Remission und erhaltener Arbeitsfähigkeit und somit insgesamt die Krankheitslast durch moderne Kombinationstherapien gesenkt werden konnten, zeigen verschiedene Patientenregister. Prof. Dr. Klaus Krüger, München, verwies auf die z. B. mit dem TNF-Blocker Certolizumab Pegol (Cimzia®) in der RAPID 1-Studie erzielte frühe Besserung des DAS28 und beinahe vollständige Hemmung der radiologischen Progression nach 52 Wochen. Ein schnelles Ansprechen unter Certolizumab Pegol kann die Lebensqualität von RA-Patienten spürbar erhöhen, wie sich bei der Befragung über den SF-36 in RAPID 1 gezeigt hat: Bereits nach 12 Wochen hatten alle untersuchten Parameter der gesundheitsbezogenen Lebensqualität fast das Maximum der Verbesserung erreicht. Besonders wichtig ist natürlich auch der
Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Mit Certolizumab Pegol plus Methotrexat (MTX) kam es in den Studien RAPID 1 und 2 zu einer signifikanten Abnahme der Fehlzeiten am Arbeitsplatz gegenüber einer MTX-Monotherapie. Überdies belegen die 2-Jahres-Ergebnisse der FAST4Ward-Studie positive Effekte des TNF-Blockers auf Aktivitäten im Haushalt und Sozialleben. Krüger hofft, dass sich trotz potentieller neuer Verordnungshürden durch das IQWiG doch noch die Vernunft durchsetzt und die durch TNF-Blocker vor allem durch den Erhalt der Produktivität zu erreichenden Einsparungen indirekter Krankheitskosten angemessen berücksichtigt werden. ❍ Quelle: Satellitensymposium und Pressegespräch der UCB Pharma GmbH, BDRh-Kongress, Leipzig, 13. Mai 2011
22 Aktuelle Rechtsprechung
Der nicht beachtete Zufallsbefund Zwar ist dies kein Fall aus der Rheumatologie, aber dennoch relevant auch für dieses Fachgebiet: In einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21. Dezember 2010 (Aktenzeichen: IV ZR 284/09) beschäftigte sich der BGH mit der Frage, ob ein Arzt auch die Ergebnisse solcher Untersuchungen auswerten muss, die medizinisch nicht geboten waren, aber trotzdem – beispielsweise aus besonderer Vorsicht – veranlasst wurden. Wie der folgende Fall weiter zeigt, führt eine Verletzung dieser Verpflichtung nicht zwingend zu einem Schadensersatzanspruch des Patienten.
Sachverhalt Eine Patientin wurde im Jahr 2003 im Krankenhaus zur Durchführung einer Meniskusoperation aufgenommen. Im Rahmen der Vorbereitung der Operation veranlasste der Anästhesist die Anfertigung einer Röntgenaufnahme der Lunge und wertete diese Aufnahme aus. Dabei stellte er keine der Anästhesie entgegenstehenden Umstände fest. Eine ca. 2 Bildzentimeter durchmessende Verdichtungszone rechts supradiaphragmal (Rundherd) bemerkte er nicht. Einen Tag später wurde die Patientin erfolgreich und ohne Komplikationen am Meniskus operiert. Ein Jahre später wurde bei ihr ein Adenokarzinom im Bereich des rechten Lungenflügels festgestellt, infolgedessen sie 2 Jahre später verstarb. Die Angehörigen der Patientin verklagten daraufhin das Krankenhaus mit der Begründung, der Anästhesist habe im Jahr 2003 den auf der Röntgenaufnahme ersichtlichen Rundherd, der eindeutig auf ein tumoröses Geschehen hinweise, grob fehlerhaft nicht erkannt und nicht weiter abgeklärt. Wäre das Karzinom bereits 2003 erkannt worden, so hätte es noch vor der Metastasierung entfernt werden können.
BGH: kein haftungsbegründender Behandlungsfehler Der BGH sah jedoch in dem Verhalten des Anästhesisten keinen Behandlungsfehler, der zu einem Schadensersatzanspruch führt. Zwar betonte der BGH zunächst, dass der Anästhesist die Röntgenaufnahme nicht nur auf anästhesierelevante Besonderheiten hätte auswerten müssen. Der BGH so wörtlich: „Aufgrund der ihm gegenüber dem Patienten obliegenden Fürsorgepflicht hat der für die Auswertung eines Befundes im konkreten Fall medizinisch verantwortliche Arzt all die Auffälligkeiten zur Kenntnis und zum Anlass für die gebotenen Maßnahmen zu nehmen, die er aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs unter Berücksichtigung der in seinem Fachbereich vorausgesetzten Kenntnisse und Fähigkeiten sowie der Behandlungssituation feststellen
RA Christian Koller muss. Vor in diesem Sinne für ihn erkennbaren „Zufallsbefunden“ darf er nicht die Augen verschließen.“ Jedoch stellt dieser Fehler des Anästhesisten keinen sog. Befunderhebungsfehler, sondern lediglich einen Diagnoseirrtum dar.
Unterschied zwischen Diagnoseirrtum und Befunderhebungsfehler Diese Unterscheidung ist aus folgendem Grund relevant: Grundsätzlich muss der Patient die Voraussetzungen eines Behandlungsfehlers und dessen Ursächlichkeit für den geltend gemachten Gesundheitsschaden darlegen und beweisen. Im vorliegenden Prozess konnte der Sachverständige jedoch nicht feststellen, dass der Tod der Patientin bei zutreffender Interpretation der Röntgenaufnahme im Jahr 2003 hätte vermieden worden können. Es sei durchaus wahrscheinlich, dass bereits in dem frühen Stadium im Jahre 2003 eine Metastasierung des Tumors eingetreten gewesen sei. Damit stellte sich im Prozess die Frage, wer die Beweislast für die Kausalität tragen musste. Ein Befunderhebungsfehler ist gegeben, wenn die Erhebung medizinisch gebotener Befunde unterlassen wird. Ist dabei die unterlassene Erhebung nur ein einfacher Fehler, hätte aber ein reaktionspflichtiges Er-
23
Im Unterschied dazu liegt ein Diagnoseirrtum vor, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs gebotenen – therapeutischen oder diagnostischen – Maßnahmen ergreift. Dabei kommt eine Beweislastumkehr zuungunsten des Arztes nur dann in Betracht, wenn es sich bei dem Diagnosefehler um einen fundamentalen Irrtum handelt. Wegen der bei Stellung einer Diagnose nicht seltenen Unsicherheiten muss die Schwelle, von der ab ein Diagnoseirrtum als schwerer Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst zu beurteilen ist, hoch angesetzt werden.
In diesem Fall: Nur einfacher Diagnosefehler Vorliegend ist dem Anästhesisten vorzuwerfen, er habe die auf dem Röntgenbild auch für ein ungeübtes Auge ohne Weiteres erkennbare, abklärungsbedürftige Verdichtung im Bereich des rechten Lungenflügels nicht erkannt. Damit wird ihm in erster Linie eine Fehl-
interpretation des erhobenen Befundes, d. h. einen Diagnosefehler vorgeworfen. Ein Diagnosefehler wird aber nicht dadurch zu einem Befunderhebungsfehler, dass bei objektiv zutreffender Diagnosestellung noch weitere Befunde zu erheben gewesen wären. Somit traf die Angehörigen der Patientin die Beweislast für die Kausalität. Der Prozess gegen den Anästhesisten ging deshalb verloren. ❍
Der BGH betonte einmal mehr, dass die Diagnosestellung zu den schwierigsten Behandlungsabschnitten gehört. So muss der Arzt auftretende Zufallsbefunde berücksichtigen, auch wenn sie mit dem eigentlichen Eingriff nichts zu tun haben oder gar nicht in sein Fachbereich fallen. Aufgrund dieser Schwierigkeit ist jedoch die Schwelle zu einem schadensersatzauslösenden Verhalten sehr hoch anzusetzen.
Kompakt
gebnis gebracht, dessen Nichtbehandlung wiederum als grober Behandlungsfehler zu bewerten ist, so trägt der Arzt die Beweislast.
Rechtsanwalt Christian Koller Kanzlei Tacke Krafft, Am Rindermarkt 3 und 4, 80331 München
Kassenärztliche Vereinigung Bayern
Richtgrößenprüfung und Durchschnittsprüfung rechtswidrig vermischt? Die Verfahren bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Verordnungsweise werden vom Gesetzgeber immer wieder modifiziert. Zumeist sollen Möglichkeiten eröffnet werden, um trotz bestehender Schwierigkeiten in einzelnen Verfahrenspunkten, die Durchführbarkeit der Prüfverfahren insgesamt zu erhalten.
Dies zeigt sich aktuell z. B. in der KV Bayern. Weder für das Kalenderjahr 2009 noch für 2010 wurden in Bayern Richtgrößenvereinbarungen getroffen. Folglich existieren keine wirksam vereinbarten Richtgrößen, so dass die Durchführung einer Richtgrößenprüfung im Grunde nicht durchführbar wäre. Dennoch versenden die Prüfungsstellen derzeit die ersten Prüfbescheide zu Richtgrößen- und Heilmittelregresse für das Quartal I/09. In den Prüfbescheiden wird ausgeführt, dass aufgrund einer fehlenden Richtgrößenvereinbarung für das Kalenderjahr 2009 eine Prüfung wegen Überschreitung
RA Rainer Kuhlen
→
24 der Richtgrößenvolumina nicht möglich ist. Stattdessen wurde eine sogenannte „Ersatzrichtgrößenprüfung“ auf der Grundlage des Prüfgruppendurchschnitts nach „ansonsten den gleichen gesetzlichen Vorgaben durchgeführt.“
sachgerecht, dass anstelle eines Wegfalles der Prüfmöglichkeit die Richtgrößenprüfungen anhand von Durchschnittswerten mit den ansonsten unverändert geltenden Vorgaben für die Richtgrößenprüfungen durchgeführt werden können.“
Dies bedeutet konkret, dass zunächst die durchschnittlichen Kosten für Arzneimittel bzw. Heilmittel mit den durchschnittlichen Kosten der Vergleichsgruppe verglichen werden. Statt jedoch das sogenannte „offensichtliche Missverhältnis“ bei 40-50 % anzusetzen, wonach grundsätzlich ein Regress erst oberhalb dieser Überschreitung ausgesprochen werden kann, werden in Bayern die „Kürzungsregelungen“ der Richtgrößenprüfung angewendet. Danach setzt die Prüfungsstelle einen Regress fest, sofern die Überschreitung nach Abzug der Praxisbesonderheiten mehr als 25 % beträgt.
Vorliegend ist eine Richtgrößenvereinbarung für Arzneimittel und Hilfsmittel im Bereich der KV Bayern für das Jahr 2009 weder nicht fristgemäß zustande gekommen noch leidet diese an sonstigen Mängeln. Dies, da eine Richtgrößenvereinbarung für das Jahr 2009 im Bereich der KV Bayerns überhaupt nicht geschlossen wurde.
Die KV Bayern beruft sich hierbei auf § 106 Abs.2 Nr. 2 a.E. SGB V. Dort wird ausgeführt: „Kann eine Richtgrößenprüfung nicht durchgeführt werden, erfolgt die Richtgrößenprüfung auf Grundlage des Fachgruppendurchschnitts mit ansonsten gleichen gesetzlichen Vorgaben.“ Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht durch den Gesetzgeber gedeckt. In der Gesetzesbegründung zum GKV-WSG führt dieser hierzu Folgendes aus: „Richtgrößenprüfungen können nicht durchgeführt werden, wenn die Richtgrößenvereinbarung nicht fristgemäß zustande kommt oder wenn diese wegen sonstiger Mängel unwirksam ist. Für diese Fälle ist es
Folglich haben im Bereich der KV Bayern die Prüfgremien vorliegend eine rechtswidrige Prüfmethode gewählt, da sie die Grundzüge der klassischen Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten und der klassischen Richtgrößenprüfung in rechtswidriger Weise miteinander vermengt haben. Da weder Richtgrößen vereinbart noch eine Richtgrößenvereinbarung geschlossen wurde, hätte die KV Bayern eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten durchführen müssen. Diese Prüfmethode sieht § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V nach wie vor ausdrücklich vor. Zudem ist eine Richtgrößenprüfung grundsätzlich als eine Jahresprüfung angelegt. Zwar wurde durch das GKV-WSG die Möglichkeit eingeräumt, einzelne Quartale einer Richtgrößenprüfung zu unterziehen, soweit dies die Wirksamkeit der Prüfung zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit erhöht und das Prüfverfahren hierdurch vereinfacht wird (§ 106 Abs. 2 Satz 5, 1. und 2. Halbsatz). Doch auch diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Eine solche Vorgehensweise wäre nur zulässig, wenn eine Situation vorliegen würde, in der die Durchführung einer Richtgrößenprüfung über nur ein Quartal gegenüber einer Jahresprüfung zur Verbesserung der Überprüfbarkeit der Wirtschaftlichkeit notwendig gewesen wäre. Anhaltspunkte hierfür werden von den Prüfgremien nicht behauptet und sind auch im Übrigen nicht erkennbar. Betroffene Ärzte sollten in jedem Fall Widerspruch gegen entsprechende Prüfbescheide erheben und auf die rechtswidrige Prüfmethode hinweisen. ❍
3
Rechtsanwalt Rainer Kuhlen Fachanwalt für Medizinrecht Kanzlei Kuhlen GbR Rathausplatz 5 34246 Vellmar Tel.: 0561/ 3 17 15 17 Fax: 0561/ 3 17 15 18 rainer.kuhlen@kanzlei-kuhlen.de 3 – Pitopia
25
17.-18. Juni 2011, Wiesbaden Carol Nachman Symposium 2011 Rheuma und Haut
18. Juni - 9. Oktober 2011, Dortmund Rheumatologische Fachassistenz – Grundkurs Fachliche Leitung: Prof. Dr. Erika Gromnica-Ihle
22. Juni 2011, Halle (Saale) Arbeitskreis Rheumatologie Fachliche Leitung: Prof. Dr. Gernot Keyßer
24.- 25. Juni 2011, München DAEM Spezialseminar Ernährungstherapie rheumatischer Erkrankungen Fachliche Leitung: Prof. Dr. Olaf Adam, Dr. Thomas Karger
25. -26. Juni 2011, Essen Rheumatologische Fachassistenz Refresh-und Updatekurs Fachliche Leitung: Dr. Florian Schuch
29. Juni 2011, Düsseldorf Rheumadialog Fachliche Leitung: Prof. Dr. med. Matthias Schneider
2. Juli 2011, Herne 11. Symposium Rheumatologie im Ruhrgebiet Fachliche Leitung: Prof. Dr. Jürgen Braun, PD Dr. Martin Rudwaleit, Prof. Dr. Christof Specker
13.-16. Juli 2011, Potsdam 8. Rheumatologische Sommerakademie Fachliche Leitung: Prof. Dr. Ina Kötter, Dr. Johannes Mattar, Dr. Constanze Richter
19. -20. August 2011, Bad Bramstedt 8. Sommerakademie „Immunvaskulitis 2011: Rheuma trifft Hirn und Nerv" Fachliche Leitung: Prof. Dr. Wolfgang L. Gross, PD Dr. Frank Moosig
27. August 2011, Berlin Rheumatologie für Primärärzte Fachliche Leitung: Prof. Dr. Ekkehard Genth
27. August - 20. November 2011, Berlin Rheumatologische Fachassistenz – Grundkurs Fachliche Leitung: Prof. Dr. Erika Gromnica-Ihle
31. August – 3. September 2011, München 39. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie gemeinsam mit der 25. Jahrestagung der Assoziation für Orthopädische Rheumatologie (ARO) und der 21. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinderund Jugendrheumatologie (GKJR) Fachliche Leitung: Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops
Genauere Informationen zu den Terminen erhalten Sie bei der Rheumatologischen Fortbildungsakademie GmbH, Tel: 030/2404840, E-Mail: info@rhak.de, www.rheumaakademie.de
Termine
4. Juni 2011, München Treffpunkt Rheumatologie Fachliche Leitung: Prof. Dr. Erika Gromnica-Ihle
26 Unternehmen Arztpraxis – ein Blick über den Tellerrand
Erfolg mit Marktstrategischem Denken Mal ganz abgesehen davon, dass gerade viele Ärzte im Rahmen ihres vielfach stressbeladenen Arbeitstages oft und gerne auf die eine oder andere Tasse Kaffee zurückgreifen, können durchaus auch – auf den ersten Blick überraschend – andere Parallelen zwischen Kaffee und Medizin gezogen werden. Dies betrifft insbesondere das marktstrategische Denken und Agieren, dass wir am Beispiel der Kaffeerösterei Dinzler in Form eines Interviews mit dem Inhaber, Herrn Franz Richter, aufzeigen wollen.
1950 war guter Kaffee Mangelware. Otto Dinzler führte einen kleinen Lebensmittelladen und entschloss sich, in seinem Heimatort Bischofswiesen zusätzlich frischen Kaffee mit einem kleinen Handröster zu rösten. Es sollte eine zukunftsträchtige Geschäftsidee sein. Der Betrieb wuchs nicht nur, weil Kaffee zum Volksgetränk avancierte, sondern auch weil Otto Dinzler auf Qualität setzte. 1966 übernahm sein Sohn Klaus Dinzler das Geschäft. Er löste den Lebensmittelladen auf und konzentrierte sich fortan aufs Kaffeerösten für die Gastronomie. Wie sein Vater kaufte er nur beste Qualitäten ein und konnte so die Rösterei im Berchtesgadener Land bekannt machen. Wegen fehlender Nachfolge übernahm die Familie Richter 1998 das Unternehmen. Neben ihrer langjährigen Erfahrung im Kaffeegeschäft setzten sie umgehend auf Innovation. Der neue Standort in einem alten Steinmetzbetrieb mitten im bayrischen Rosenheim wurde mit der Zeit zu einem kleinen, aber feinen Café und Publikumsrenner. Geröstet wurde im Lokal, die Gastronomie entwickelte sich immer stärker. Die Expansion ging weiter, 2004 eröffnete die Familie Richter einen weiteren Standort mit Kaffeerösterei, Café und Restaurant in einem stilvollen, vollständig restaurierten Industriegebäude – der Kunstmühle Rosenheim. Mittlerweile trinkt man Kaffee von Dinzler in vielen deutschen Städten und im Dezember 2010 eröffnete die Rösterei Dinzler am Irschenberg, dem Ort an der bekannten Verbindung zwischen Salzburg, München und Innsbruck, ihren neuen Hauptsitz, in dem Kaffee-
rösterei, die sehenswerte Kaffeewelt, Restaurant, Bar und Kinderkrippe unter einem Dach vereint sind. Die Wahl Irschenberg hat deshalb etwas Delikates, weil direkt in der Nachbarschaft „McDonald‘s“ mit einem bislang gut besuchten Café viele Durchreisende anzieht. Service aus einer Hand – von der grünen Bohne bis in die Tasse. Der jetzige Röstereiinhaber, Franz Richter, setzt marktstrategisch mit viel Mut auf Innovation, wobei viele sich fragen mögen, was es denn für welche im Kaffeegeschäft gibt. In den Jahren bis Ende 1990 verursachte mehr oder minder die Nachfrage nach Kaffee ein sich positiv entwickelndes Geschäft. In den Folgejahren waren neue Ideen gefragt, um der Verdrängung durch Großröstereien und Konzerne zu entgehen. Ziel wurde mehr und mehr die Kundenzuwendung und -orientierung mit individuellen Produkten. Den Bogen zum Unternehmen Arztpraxis zu spannen, mag auf den ersten Blick an den Haaren herbeigeholt zu sein. Dennoch, wer kann bestehen im Wettbewerb, in sich kompliziert entwickelnden administrativen Strukturen? Lassen wir Herrn Richter zu Wort kommen. Herr Richter, Kaffee ist etwas allgemein Gebräuchliches. Was treibt Sie, daraus etwas Besonderes zu machen? Kaffee hat etwas. Menschen benutzen Kaffee nicht als Durstlöscher, sondern zum Genießen, Anregen und Entspannen. Der Spaß im Umgang mit Menschen, das Nahebringen wirklich fairen Handels und großer Röstkunst, das persönliche Betreuen und Verwöhnen unserer Gäste ist etwas Wunderbares. Auch Kaffee hat eine „Seele“, die es optimal zu entwickeln gilt. Was bedeutet dies unternehmerisch? Auch Wettbewerb hat etwas Spannendes, entweder stecke ich den Kopf in den Sand, warte und sage „Schau‘n wir mal“, oder ich bewege das, was in meinen Möglichkeiten steht, schaffe etwas Neues und gestalte. Ich nehme aktiv am Wettbewerb teil. Aufsichtsbehörden, EU, Regierungspräsidenten und andere Behörden beschneiden Ihre Mög-
27 lichkeiten, regulieren und entwickeln Formulare. Sind Sie trotz dieser Einschränkungen noch bewegungsfähig? Ich stelle mich diesen ganzen Vorschriften und frage, was könnten meine Kunden wollen. Natürlich ärgern mich diese Restriktionen und gelegentlich kommt es einem so vor, als wären Unternehmertum, freies Denken und Wirtschaftlichkeit nicht erwünscht. Dann wieder freut es mich, jeden Tag neu selbst entscheiden und Neues schaffen zu dürfen, das viele glücklich macht. Diese Bestätigung durch unsere Kunden und Gäste bestärkt mich darin, meine ganze Kraft in dieses Unternehmen zu stecken.
Für alle Patienten wünsche ich motivierte Ärzte, die jeden Tag aufs Neue ihr Bestes geben wollen und nicht resigniert die Leute durchschleusen. Das wäre sonst vergleichbar mit schlechtem Kaffee in einem emotionslos und unpersönlich geführten Coffee-Shop. Die Patienten werden zufrieden sein und ihrem Arzt das auch sagen, wenn sie spüren, dass sie ernst genommen werden und langfristig gut behandelt werden. Auch unsere Kunden kommen nur wieder, wenn das Personal freundlich, das Haus sauber und die Speisen und Getränke erlesen sind. Individuelle Zuwendung und kreative Gestaltung der vorgegebenen Bedingungen können Erfolg bringen.
Wenn Sie mit einem Arzt zusammensäßen, Sie und er als Unternehmer, was würden Sie ihm aus Ihrer Erfahrung mitgeben? Natürlich fällt der Vergleich schwer, denn der Arzt hat möglichweise mehr Wettbewerb und administrative Hemmnisse als ich – aber die Frage ist zu beantworten: Will und kann ich für mich in meinem Bereich entscheiden und wirken, tausche ich mich mit Kollegen aus und kann ich meine Angestellten motivieren, habe ich Freude an dem was ich tue?
Was sind die wichtigen Eigenschaften eines Unternehmers? Nicht unbedingt Geld, aber Geduld und Disziplin, das Wissen und Feingefühl, was Kunden/Patienten wollen, Zeit für eine gestalterische Konzeption und Mut, Mut und nochmals Mut! ❍
Herr Richter, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Serie
Sie fragen – Experten antworten
Thema: Abschreibung – Praxiswert Frage: Ich möchte eine Praxis komplett kaufen. Der Hauptanteil des Kaufpreises betrifft den „Good will“. Kann ich diesen Kaufpreisanteil von der Steuer absetzen? Antwort: Der Bundesfinanzhof (BHF) hat in einem noch nicht rechtskräftigen Beschluss (Aktenzeichen VIII R 13/08) festgestellt, dass Praxisnachfolger Aufwendungen für den immateriellen Praxiswert vollständig steuerlich abschreiben können. Voraussetzung ist, dass die gesamte Praxis, also nicht nur die Vertragsarztzulassung, verkauft wird.
Der Beschluss wurde zwar von der Finanzverwaltung nicht akzeptiert, so dass er noch nicht rechtskräftig ist. Der BFH muss diese Frage nun endgültig in einem Urteil entscheiden. Solange eine endgültige Urteilsverkündung nicht vorliegt, sollten Sie RA Christian Koller unter Berufung auf das beim BFH anhängige Verfahren unter Angabe des Aktenzeichens Einspruch einlegen, wenn das Finanzamt die Vollabschreibung verweigert, und Ruhen des Verfahrens beantragen. ❍ Kontaktadresse Rechtsanwalt Christian Koller Kanzlei Tacke Krafft, Am Rindermarkt 3 und 4, 80331 München
Sie möchten rechtliche Fragen beantwortet haben z. B. zu Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Arzthaftung oder Kündigungen, Mietproblemen, Kooperationen. Mailen Sie uns, wir leiten die Fragen weiter: info@wortreich-gik.de. Nicht alle Fragen/Antworten können publiziert werden. Die Expertenantworten ersetzen keine möglicherweise notwendige Rechtsberatung.
Sie fragen – Experten antworten
Ein Service von WORTREICH für die Leser der „Rheuma Management“
28 Probleme in der Arztpraxis
Segen und Fluch der Praxis-Telefonie Fast 150 Jahre Telefonie und immer noch nervt der Umgang damit. Wir können doch nun wirklich telefonieren, wieso haben andere immer noch ein Problem damit oder machen etwa wir was falsch? So oder ähnlich drehen sich die Gespräche über das Telefonieren zwischen Patienten und Facharztpraxis. Hauptsache aber, wir arbeiten daran und lassen uns gelegentlich dabei helfen.
Rücken- und Gelenkschmerzen, alle 2-3 Jahre besonders ausgeprägt. Mein Hausarzt empfiehlt, einen Rheumatologen meiner Wahl aufzusuchen, um endlich Abhilfe zu schaffen. „Soll ich Ihnen einen Termin machen lassen?“ – „Nein, danke, ich kann mich selbst drum kümmern.“ Erster Versuch in einer rheumatologischen Praxis, in der ich schon einmal war: „Wir sind voll bis oben hin, vor Januar ist da nichts zu machen!“ – „Dann versuch ich es woanders.“ Zweiter Versuch in einer anderen rheumatologischen Praxis, die mir ein Arbeitskollege empfohlen hat: Anrufbeantworter Dienstag, 15:15 Uhr: „Sie rufen außerhalb unserer Sprechzeiten an, die sind wie folgt: Montag, Dienstag und Donnerstag von 08:30 bis 11:30 und von 15:00 bis 18:00 Uhr ...“, zwei weitere Versuche unter dieser Nummer um 15:20 und 15:25 Uhr mit demselben Ergebnis. Dritter Versuch in einer rheumatologischen Praxis, in der ich noch nie war: „Rheumatologische Gemeinschaftspraxis Dr. Rudolf, Privatdozent Dr. Nürnberger, Dr. Wegener, Handschuh Guten Tag!“ – „Guten Tag Frau Wegener ...“ – „Mein Name ist Handschuh, aber das macht nichts, das bringen viele Patienten durcheinander.“ – „Ich hätte gerne einen Term...“ – „Waren Sie schon einmal bei uns, Herr - wie war noch mal Ihr Name?“ – „Mein Name ist Maurer, ich war noch nicht bei...“ – „Bei welcher Krankenkasse sind Sie denn versichert, Herr Lauerer?“ - „Mein Name ist Maurer, ich glaub, ich überleg mir das noch mal...“ – „Das hätten Sie sich auch überlegen können, bevor Sie bei uns anrufen!“ Ich rufe meinen Hausarzt an, bitte ihn, mir einen Rheumatologen zu empfehlen und mir dort einen Termin machen zu lassen. Ich nehme den Termin wahr, erscheine pünktlich, eine Patientin vor mir an der Anmeldung, eine Helferin tippt mit Kopfhörer, eine weitere telefoniert: „ ...ich kann versuchen, Sie dazwischenzuschieben, aber ... haben Sie denn starke Schmerzen, Frau Helmbrecht? ... versprechen kann ich Ihnen gar nichts, da müssen Sie sich halt schon Zeit mitbringen ... OK, bis gleich.“ – Patientin vor mir:“ Geht’s der Frau Helmbrecht wieder schlechter,
„Lächeln ist hörbar …
… alles andere auch!“
ich hab’ sie gestern noch...“ – „Dazu darf ich Ihnen keine Auskunft geben, hatten Sie einen Termin?“ ... Bevor ich drankomme, nimmt die Helferin wieder das Telefon ab: „Rheumatologische Gemeinschaftspraxis Dr. Heiler, Dr. Richter, was kann ich für Sie tun? ... (zwei weitere Leitungen blinken und tuten, ein Arzt unterhält sich mit einem Patienten neben der Helferin am Empfang) ... wie bitte, ich konnte Sie nicht verstehen, hier geht’s so zu ... mit a-i oder e-i ... waren Sie schon einmal bei uns ...“ Sie trägt einen Termin ein, die beiden anderen Leitungen haben sich wieder beruhigt, eine neue Leitung blinkt wieder auf, zu mir: „Hatten Sie einen Termin?“ Das ist kein Drehbuch für eine Vorabend-Soap, es sind ausschließlich wörtlich wiedergegebene Erfahrungen mit dem Telefon und rheumatologischen Praxen. Patienten verlieren ihre adhärenzträchtige Einstellung zu Praxis und Arzt oder wechseln die Praxis noch vor der Erstkonsultation. Grund: der Umgang mit dem Telefon. Was macht dieses Kommunikationsmittel so schädlich? Die unzureichende Technik, der unprofessionelle Umgang damit, unsere Erwartungen an es? Wie fast immer und wie im richtigen Leben: von allem etwas! Wir sind der Frage nachgegangen: „Wie können wir verhindern, dass sich das Telefonieren in einer Facharztpraxis schädlich auf Adhärenz, Praxisablauf und Praxiserfolg auswirkt, oder können wir dieses Medium gar nutzen, um Adhärenzverhalten, Praxisablauf und Praxiserfolg zu verbessern?“ Um die Antwort vorwegzunehmen: beides ist machbar! Wir müssen nur das Medium Telefon verstehen, seine Grenzen und Möglichkeiten er-
29 kennen und uns bewusst werden, wie wir und unsere Kommunikation am anderen Ende der Telefonleitung/ des Funkstrahls ankommen und empfunden werden. „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat" waren die ersten Worte, die je durch ein Telefonat übermittelt wurden, nämlich gesprochen vom deutschen Physiker Johann Philipp Reis, der damit vor 150 Jahren seine frischgebackene Erfindung testete. Dem Empfänger dieser folgenschweren Botschaft kam es dabei lediglich darauf an, dass er sie einigermaßen gut verstehen konnte, Tonfall und psychoemotionale Ableitungen waren ihm ausgesprochen wurscht. Der Empfänger hatte verstanden, aber damit waren die Skeptiker gegenüber diesem Teufelszeug noch lange nicht mundtot gemacht. So schrieb noch 15 Jahre nach diesem Pilotversuch der US-amerikanische Finanzdienstleister Western Union, Financial Services in einem Memo für seine Anleger: „Dieses Telefon hat so viele Mängel, dass es nicht ernsthaft als Kommunikationsmittel taugt. Das Ding hat für uns an sich keinen Wert." Offensichtlich wirkt dieses Memo bei einigen von uns immer noch nach, und tatsächlich scheint „das Ding“ für viele erst einen Wert zu erlangen, wenn es drahtlos ist, uns mit der stereophonen Nationalhymne und einer 32-bit-schwarz-rot-goldenen, flatternden Flagge wecken kann, Daten übermittelt und abendfüllende Cinemascope-Filme mit unseren Kindern als Hauptdarsteller dreht. Dabei ist es doch ein so hilfreiches, professionell nutzbares Kommunikationsmittel, ohne das eine funktionierende Arztpraxis heute gar nicht mehr denkbar ist. Wie verwandele ich es von einem Störfaktor in ein Instrument, das in meiner Hand (von mir aus auch per „Headset“) zum festen Erfolgskriterium für unsere Praxis wird. Hierzu gibt es externe Hilfestellung, die auf eine Verbesserung der Telefonkommunikation in und aus der Arztpraxis zielt. Das Telefontraining der Business School in München „FIT FOR FON“ behandelt z. B. die Schwerpunkte • Grundlagen der Kommunikation Definition, Kommunikationstechniken, die Axiome von Watzlawick, etc. • Das technische Medium Telefon Haben wir uns für die richtige „Hardware“ entschieden? Eine Anlage mit fünf offenen Amtsleitungen für zwei MFAs mit Telefondienst bereitet Patienten und Helferinnen gleichermaßen Frust. Lieber mal das Besetztzeichen für den Patienten als endlose Freizeichen oder suboptimale Aufsprechtexte. Der Praxisinhaber hat selten die geeignete Stimme und Sprechweise dafür.
• Besonderheiten des fernmündlichen Dialogs Zum professionellen Telefonieren mit Patienten benötige ich eine Mindest-Ruhezone um mich herum. Auch fernmündlich spüre ich, ob mein Gesprächspartner gerade für mich da ist, oder ob ich so „am Rande mitlaufe“. • Die (Klang-)Farbe der Sprache Ich muss mich auf meinen Gesprächspartner konzentrieren und ihm vermitteln, dass er gerade mit der besten rheumatologischen Praxis der Welt telefoniert, die schon lange und nur auf ihn gewartet hat. • Lächeln ist hörbar - oder - das Ohr sieht alles! So unglaublich es klingen mag: Mimik und Körpersprache werden von unseren Patienten-Ohren gesehen. Bei einem einfachen Selbstversuch können wir das testen: zweimal unseren üblichen Meldetext auf Diktiergerät oder MP3-Handy sprechen. Erst ohne auf Mimik und Körpersprache zu achten, danach gerade sitzen (Schultern nach hinten und ein Lächeln auf unser Gesicht zaubern). Nach Abhören der Aufnahmen brauchen wir zu diesem Thema kein Training mehr! • Zeitfallen beim Telefonieren Vor dem Verstricken in Folge drei der Lebensgeschichte unserer Patientin bei der erstbesten Atempause für die umfassende Information bedanken, „… das war sehr wichtig für die Vorbereitung Ihres Besuchs bei uns, alles Weitere besprechen wir dann in Ruhe am Freitag …“ • Ziele setzen und erreichen am Telefon Das für unsere Praxis wesentliche klar priorisieren und abarbeiten. Dabei nicht wie ein Automat die üblichen Fragen stellen, sondern individuell formulieren, wie wenn wir zum ersten Mal in unserem Leben nach der Krankenkasse fragten. Das Training selbst bindet die Teilnehmer/innen stark in den Ablauf mit ein, in Form von Gruppenarbeiten, Rollenspielen und Video- und/oder Audiotraining. Acht intensive und überwiegend interaktive Trainingsstunden machen das Praxisteam absolut „FIT FOR FON“. Die Business School vereinbart jederzeit geschlossene Trainings für 1-3 Praxisteams. Ausführliche Informationen können angefordert werden bei der Business School für Management und Vertrieb, Neumarkter Str. 21, 81673 München, Dieter Baitinger (Bereichsleiter Praxismanagement), Telefon (08857) 899341, Mobil (0170) 1693911, dieter.baitinger@bs-muc.de, www.bs-muc.de. ❍
DGIM-Kongress 2011 – Wiesbaden
30 DGIM-Kongress 2011 in Wiesbaden
Update zu Immuntherapien in der Rheumatologie Biologika haben die Therapie und Prognose entzündlich-rheumatischer Erkrankungen seit mehr als einem Jahrzehnt grundlegend verändert. Ihre Entwicklung basiert auf der Entdeckung pathophysiologisch bedeutsamer Zielmoleküle bzw. Rezeptoren der immunologisch-rheumatischen Entzündung, erläuterte Prof. Dr. Elisabeth Märker-Hermann, Wiesbaden, auf einer Pressekonferenz anlässlich des DGIM-Kongresses 2011 in Wiesbaden.
Zur Immuntherapie der rheumatoiden Arthritis (RA) stehen mit Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab und Infliximab inzwischen fünf TNFαInhibitoren zur Verfügung. Weitere Zielmoleküle der Entzündung bei RA sind der lösliche IL-6-Rezeptor mit der Substanz Tocilizumab und – inzwischen bei der Indikation RA nur noch selten eingesetzt – der IL1-Rezeptorantagonist Anakinra. Andere zielgerichtete Therapien mit monoklonalen Antikörpern bei der RA wurden gegen B-Lymphozyten (der anti-CD20-Antikörper Rituximab) und akzessorische T-Zell-Moleküle (anti-CTLA4 Ig Abatacept) entwickelt. „Neu“ sind aber nicht nur moderne Biologika, sondern vor allem der sinnvolle und individualisierte Einsatz der verschiedenen Substanzen beim einzelnen Patienten nach Prognoseeinschätzung bezüglich eines aggressiven Krankheitsverlaufs, nach Komorbiditäten und unter Berücksichtigung sozioökonomischer Faktoren. Nach wissenschaftlicher Evidenz und den praktischen Empfehlungen der European League Against Rheumatism (EULAR) aus 2010 sollte durchaus bei Patienten mit ungünstiger Prognose (hochpositive Rheumafaktoren/ACPA, hochaktive Erkrankung, frühe Gelenkschäden) schon nach dem Versagen des ersten DMARD mit einer Biologikatherapie begonnen werden, was dann auch kosteneffektiv ist.
Zur Biologikatherapie der ankylosierenden Spondylitis und der Psoriasis-Arthritis stehen derzeit nur die TNFα-Inhibitoren (mit Ausnahme von Certolizumab) zur Verfügung, weitere Biologika werden aber auch hier in Studien getestet (z. B. anti-IL-12/-IL-23-Antikörper oder Abatacept). Auf großes Interesse sind in der Rheumatologie und klinischen Immunologie große Phase III-Studien für Biologika bei Kollagenosen und Vaskulitiden gestoßen. In der Indikation Systemischer Lupus erythematodes (SLE) wurde mit Belimumab kürzlich in den USA das erste neue Medikament seit über 50 Jahren für den SLE zugelassen. Für den Kliniker ist der genaue Stellenwert des Einsatzes von Belimumab allerdings derzeit noch nicht klar definiert. Bei Patienten mit schwerer systemischer Wegener´scher Granulomatose wurden zwei Studien in 2010 (RAVE und RITUXVAS) publiziert, in denen Rituximab der Standardtherapie mit Cyclophosphamid zur Remissionsinduktion nicht unterlegen war. Es wird eine Zulassung von Rituximab für diese Indikation erwartet, so abschließend MärkerHermann. ❍ Quelle: Vorab-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM), Wiesbaden, 28. April 2011
DGIM-Kongress 2011 – Wiesbaden
31 Antikörper gegen citrullinierte Peptide/Proteine
Hochspezifische und -sensitive Seromarker der RA Genetische Marker spielen in der Routinediagnostik der rheumatoiden Arthritis (RA) noch keine Rolle. Der serologische Nachweis spezifischer Antikörper gegen citrullinierte Peptide/Proteine (ACPA; derzeit anti-CCP und anti-MCV) jedoch hat im Rahmen der gemeinsamen ACR-/EULAR-Klassifikationskriterien bereits zu einem enormen Fortschritt in der RA-Früherkennung geführt.
Die Citrullinierung von Peptiden/Proteinen durch die enzymatische Umwandlung von Arginin in die atypische Aminosäure Citrullin ist ein physiologischer, u. a. bei der Zelldifferenzierung und der Apoptose zu findender Vorgang. Dieser ruft, so Prof. Dr. Gerd-Rüdiger Burmester, Berlin, bei einem Großteil der RA-Patienten im Gegensatz zu Gesunden eine pathologische Immunantwort – die Bildung von ACPA – hervor. Bei ACPAnegativen RA-Patienten (30 % Anteil; in der Regel mit gutartigem Krankheitsbild) besteht keine sichere HLA-Assoziation. Bei ACPA-positiven RA-Patienten (70 % Anteil; mit progressiverem Verlauf, stärkerer Gelenkdestruktion, häufigeren und schwereren extraartikulären Manifestationen) zeigt sich dagegen eine ausgeprägte Assoziation u. a. mit dem HLA-DR4-Allel. Dieses weist in einem definierten Abschnitt bestimmte Aminosäurensequenzen („shared epitope“) auf, die auch der Antigen-Bindungstelle entsprechen. Mit dem Anti-CCP-Test, der aus synthetischen Peptiden mit zwei Epitopen besteht, können Antikörper gegen cyclische citrullinierte Peptide (CCP) im Blut von
RA-Patienten nachgewiesen werden. Der Anti-MCVTest dagegen basiert auf der Bestimmung von Autoantikörpern gegen mutiertes citrulliniertes Vimentin (MCV). Hier reagiert ein in vivo vorkommendes (modifiziertes rekombinantes) humanes Protein mit 45 und damit erheblich mehr Epitopen, so dass dieser Test im Vergleich zum Anti-CCP-Test besser mit der RAKrankheitsaktivität, dem Verlauf und der Schwere der Gelenkdestruktion korreliert. Beide Untersuchungen, die sich durch eine sehr hohe RA-Sensitivität und -Spezifität auszeichnen, sind auch als gleichzeitig die Rheumafaktoren erfassende Schnelltests erhältlich. Die Bestimmung von Rheumafaktoren, so Burmester, ist nicht obsolet; sie ist wichtig bei der Differentialdiagnose und definiert eine kleine Gruppe von ACPA-negativen/RF-positiven Patienten. Von diagnostischem Interesse könnten zukünftig auch die bei etwa 30 % der RA-Patienten nachweisbaren RA33-Antikörper sein, da deren gleichzeitiges Vorhandensein mit Rheumafaktoren als hochspezifisch für eine RA gilt. ❍
Destruierende rheumatoide Arthritis
Atlantodentale Distanz regelmäßig kontrollieren Die Anwendung der neuen gemeinsam entwickelten ACR/EULAR-Klassifikationskriterien für die RA setzt voraus, dass zumindest ein Gelenk mit definierter klinischer Synovitis vorliegt.
Vorfüßen auf Erosionen ist bei RA-Patienten im Abstand von ein bis zwei Jahren Standard, auch um zu prüfen, ob möglicherweise Basistherapeutika abgesetzt werden können.
Bei nicht eindeutigem klinischen Befund – wie dies bei größeren Gelenken der Fall sein kann –, ist nach Prof. Dr. Wolfgang Schmidt, Berlin, zur sicheren Diagnosestellung die Bildgebung (Sonographie, MRT) gefordert, die die Differenzierung nach Entzündung, Erguss und Gichttophi erlaubt.
Bei schwerem destruierenden RA-Verlauf sollte alle drei Jahre die Halswirbelsäule (seitlich und von vorne) geröntgt und der Atlas-Dens-Abstand (≤3 mm) gemessen werden. Vergrößert sich dieser, ist wegen der drohenden schweren Komplikationen ein MRT durchzuführen. ❍
Früherosionen sind, was in der Praxis selten geschieht, am besten mit der CT, aber auch mit der Sonographie (am MCP-II-, MCP-V-Gelenk) und etwas sensitiver mit der MRT zu erkennen. Das Röntgen von Händen und
Quelle: 117. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V., Symposium – Clinical „Rheumatoide Arthritis“, Wiesbaden, 1. Mai 2011
DGIM-Kongress 2011 – Wiesbaden
32 Rheumatoide Arthritis
Neue Klassifikationskriterien und Therapieempfehlungen Jede Verzögerung der Therapie hat bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) eine nicht mehr aufzuhaltende langfristige progrediente Knochenzerstörung zur Folge. Mit einer frühzeitigen Therapie ist es möglich, alle Organkomplikationen einschließlich der kleinsten Erosionen an den Gelenken zu verhindern und nach einer gewissen Zeit auch Behandlungs-, Beschwerde- und Progressionsfreiheit zu erreichen.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen, so Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops, München, wurden 2010 sowohl von der ACR als auch der EULAR gemeinsam neue RA-Klassifikationskriterien veröffentlicht, die es erlauben, Patienten mit frühesten RA-Formen zu erkennen. Im Gegensatz zu den Klassifikationskriterien von 1987 sind deshalb in den neuen Kriterien Rheumaknoten und der radiographische Nachweis von Erosionen in Finger- und Handgelenken – die es ja zu verhindern gilt – nicht mehr aufgelistet.
alle Testergebnisse verfügbar sind –, liegt eine „definitive RA“ vor. Voraussetzung für die Anwendung der neuen Kriterien ist zum einen, dass mindestens ein Gelenk mit definierter klinischer Synovitis vorliegt, für die es keine andere Erklärung denn eine RA als Ursache gibt, zum anderen, dass sich im Röntgenbild noch keine RA-typischen Gelenkzerstörungen finden. Im Vergleich der Kriterien von 1987 und 2010 zeichnete sich die neue Klassifikation durch eine gute Sensitivität bei allerdings nur begrenzter Spezifität aus.
Frühe und schnelle Identifizierung
Therapieziel ist die klinische Remission
Die neuen Klassifikationskriterien (Abb. 1), die eine frühe und schnelle Identifizierung von RA-Patienten erlauben, umfassen die vier Kategorien Gelenkbefall, Serologie, Dauer der Synovitis und Akute-Phase-Proteine, in denen insgesamt zehn Punktwerte zu vergeben sind. Addieren sich die Punktwerte zu mindestens sechs – die auch erreicht werden können ohne dass
Ein weiterer wichtiger Schritt im Jahr 2010 waren die auf dem RA-Therapiealgorithmus von 2009 aufbauenden EULAR-Empfehlungen zur Therapie der RA mit synthetischen und biologischen DMARD. Vorausgegangen war erstmals die Veröffentlichung von Treat-to-Target-Empfehlungen für die RA wie sie aus anderen Fachdisziplinen wie z. B. der Diabetologie und Kardiologie bekannt sind, wo die klare Definition von Therapiezielen das Risiko von Organzerstörungen verringerte. Danach ist das primäre Behandlungsziel bei RA-Patienten die klinische Remission, definiert als das Fehlen von Zeichen einer signifikanten entzündlichen Erkrankungsaktivität. Möglichst niedrige Erkrankungsaktivität ist vor allem bei langem Erkrankungsverlauf ein alternatives Therapieziel.
ACR und EULAR RA-Klassifikationskriterien 2010
Die Klassifikation einer gesicherten RA beruht auf: • Synovitis in mindestens einem großem Gelenk • Fehlen einer alternativen Diagnose, die die Synovitis erklären könnte • Mindestens 6 (von möglichen 10) der individuellen Scores in den folgenden vier Gebieten:
- Gelenkbeteiligung: Anzahl und Lokalisation (0-5)
- Serologie: Rheumafaktor, ACPA (0-3)
- Akute Phase Proteine: CRP, BSG (0-1)
- Symptomdauer: <6 Wochen, ≥6 Wochen (0-1)
Abb. 1: Die neuen gemeinsamen ACR/EULAR-Klassifikationskriterien für die RA.
Bis zum Erreichen des Behandlungsziels sollte die Therapie mindestens alle drei Monate angepasst werden. Die Erkrankungsaktivität muss regelmäßig überwacht und dokumentiert werden (jeden Monat bis alle sechs Monate). Als Grundlage der Therapieentscheidungen dienen validierte zusammengesetzte Scores der Erkrankungsaktivität, zusätzlich sollten strukturelle Veränderungen und das Ausmaß der Funktionseinschränkung berücksichtigt werden. Das angestrebte Therapieziel sollte beibehalten werden. Komorbiditäten, andere Patientenfaktoren und Risiken der individuellen Medikamente können die Parameter zur Messung der Krankheitsaktivität und das gewählte
DGIM-Kongress 2011 – Wiesbaden
33 Therapieziel beeinflussen. Der Patient muss sowohl über das Therapieziel als auch über die Strategie ausreichend informiert werden.
Neue EULAR-Empfehlungen im Überblick Die neuen EULAR-Empfehlungen zur Behandlung von nach den neuen ACR/EULAR-Klassifikationskriterien diagnostizierten RA-Patienten mit synthetischen und biologischen DMARD (Abb. 2) sind in drei Phasen unterteilt. Therapieziel ist gemäß den Treat-to-TargetEmpfehlungen die klinische Remission bzw. – wenn diese nicht zu erreichen ist – die geringstmögliche Krankheitsaktivität. Männliches Geschlecht, Nichtrauchen, höheres Alter, eine begleitende Kortikoidtherapie, längere Krankheitsdauer und ein niedriger Ausgangs-HAQ begünstigen das Ansprechen auf Methotrexat (MTX). Gold wurde in die Phase I aus historischen Gründen aufgenommen und sollte, so
Phase I
Keine Kontraindikation für Methotrexat
Beginn mit Methotrexat
Versagen Phase I: Beginn Phase II
±
Prognostisch ungünstige Faktoren vorhanden
Phase II
(z. B. RF/ACPA, v. a. in hoher Konzentration; hohe Krankheitsaktivität; frühe Gelenkschäden)
Nein
(zumeist ein TNF-Inhibitor)
Versagen Phase II: Beginn Phase III
Quelle: 117. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM), Year in Review, Vortrag „Rheumatologie“, Wiesbaden, 1. Mai 2011
Kontraindikation für Methotrexat
Klinische Diagnose einer Rheumatoiden Arthritis Kombiniert mit kurzzeitiger niedriger oder hoher Dosis von Glukokortikoiden
Beginn mit Leflunomid, intramuskulär Gold oder Sulfasalazin
±
Ja
Behandlung fortsetzen
Versagen oder Ineffizienz und/oder Toxizität in Phase I
Prognostisch ungünstige Faktoren nicht vorhanden
Erreichen des Ziels innerhalb von 3-6 Monaten*
Beginn mit einem zweiten synthetischen DMARD: Leflunomid, Sulfasalazin, MTX oder intramuskulär Gold als Monotherapie oder evtl. als Kombinationstherapie (mit oder ohne Hinzufügen von Glukokortikoid s. o.)
Nein
Biologikum ± synthetisches DMARD
Phase III
Nach TNF-Blocker-Versagen wird eine Therapieoptimierung mit einem weiteren TNF-Blocker empfohlen oder die Umstellung auf Biologika mit anderen Wirkmechanismen. In der deutschen MabThera-Kohortenstudie war der Behandlungserfolg mit Rituximab (RTX) bei RA-Patienten, die unzureichend auf TNF-Blocker angesprochen hatten, dem mit einem zweiten TNFBlocker mindestens ebenbürtig und bei Seropositivität sogar überlegen. Es wurde kein Sicherheitsrisiko für die RTX-Therapie nach Versagen des ersten TNF-Inhibitors festgestellt. ❍
Erreichen des Ziels innerhalb von 3-6 Monaten*
Nein
Hinzufügen eines Biologikums
Schulze-Koops, nicht mehr verordnet werden. Die Wahrscheinlichkeit eine Remission zu erreichen ist unter der Kombination TNF-Blocker plus MTX größer als unter MTX allein.
Änderung der biologischen Behandlung: Wechsel zu zweitem TNF-Blocker (+DMARD) oder Ersetzen des TNF-Blockers durch Abatacept (+DMARD) oder Rituximab (+DMARD) oder Tocilizumab (±DMARD)
Erreichen des Ziels innerhalb von 3-6 Monaten*
Ja
Behandlung fortsetzen
Versagen oder Ineffizienz und/oder Toxizität in Phase II
Erreichen des Ziels innerhalb von 3-6 Monaten*
Nein
Ja
Behandlung fortsetzen
*Das Behandlungsziel ist die klinische Remission, oder, wenn diese nicht zu erreichen ist, zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität.
Abb. 2: Die neuen EULAR-Empfehlungen zur Therapie der RA mit synthetischen und biologischen DMARDs.
DGIM-Kongress 2011 – Wiesbaden
34 Systemischer Lupus erythematodes
Aktuelle Daten vom DGIM 2011 Eine ganze Reihe von auf dem Wiesbadener Internisten-Kongress präsentierten Abstracts befasste sich – in Anbetracht der in Bälde anstehenden Zulassung von Belimumab nicht überraschend – mit dem Systemischen Lupus erythematodes (SLE). In einer der vorgestellten Arbeiten befassten sich Prof. Dr. Matthias Schneider, Düsseldorf, und Kollegen, mit der Objektivierung der Krankheitslast des SLE für die Patienten (PS 361).
Zur Identifizierung relevanter, im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 publizierter Studien wurde eine umfangreiche Medline-Recherche durchgeführt. Eingeschlossen wurden prospektive Studien mit über 100 erwachsenen SLE-Patienten, nicht berücksichtigt wurden Studien zu juvenilen Patienten, ökonomische Analysen oder Arbeiten zur Entwicklung von Instrumenten zur Messung der Lebensqualität. Ebenfalls ausgeschlossen wurden Studien, die sich mit nichtpharmakologischen Interventionen beschäftigten.
Stark beeinträchtigte Lebensqualität wird unterschätzt Die Suche ergab 4.244 Artikel, von denen 62 die Einschlusskriterien erfüllten. Im Durchschnitt umfassten die Studien 460 SLE-Patienten. Das Ergebnis aller Studien war, dass SLE die verschiedensten Lebensbereiche beeinflusst und somit Auswirkungen auf die Lebensqualität und die Produktivität der Patienten hat. Häufigste Symptome sind demnach Fatigue (50-92 %), Schmerz (71-89 %), Schlafstörungen (56-88 %) und neuropsychiatrische Symptome (28-80 %). Der Verlust an Produktivität ist ein weit verbreitetes Phänomen beim SLE (26-54 %), welches zu weiteren Einschränkungen der Lebensqualität führt. Zwischen Patienten und Ärzten zeigte sich den Autoren zufolge eine auffällige Diskrepanz in den wahrgenommenen Bedürfnissen. Während die meisten Patienten (94-100 %) Einschränkungen besonders in physischen und psychischen Bereichen sowie im Alltag beschäftigen, liegt der Fokus der Ärzte vermehrt auf klinischen Parametern und Laborwerten. Krankheitsaktivität und Organschädigung scheinen jedoch nur ein schlechter Indikator für Lebensqualität zu sein. Die Auswirkungen von medikamentösen Therapien auf die Lebensqualität bei SLE wurden nur von sehr wenigen Studien erfasst. Der SLE hat somit einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensqualität und das alltägliche Leben von Patienten. Um die Krankheitslast noch besser zu verstehen und die Wahrnehmung der Erkrankung zu erhöhen, sind weitere Forschungsarbeiten notwendig.
Wirksamkeit von Belimumab in den Studien BLISS-52 und -76 Dass der auch in Europa kurz vor der Zulassung stehende BLyS-spezifische Inhibitor Belimumab bei Patienten mit aktivem Antikörper-positivem SLE über 52 Wochen hinweg die Krankheitsaktivität und Schubrate reduziert, sowie eine Verringerung der PrednisolonDosis ermöglicht, haben die von Prof. Dr. Falk Hiepe, Berlin, und Kollegen präsentierten gepoolten Daten der beiden großen Phase III-Studien BLISS-52 und -76 gezeigt (PS 358). Insgesamt 1.684 SLE-Patienten (ANA ≥1:80 und/oder anti-dsDNA ≥30 IU/ml) mit einem SELENA-SLEDAI (SS) ≥6 unter seit mindestens 30 Tagen stabiler StandardTherapie waren in die beiden doppelblinden Phase IIIStudien mit Belimumab 1 oder 10 mg/kg oder Placebo zusätzlich zu einer Standardtherapie eingeschlossen worden. Die Behandlung erfolgte an Tag 0, 14, 28, dann alle 28 Tage für 48 oder 72 Wochen. Die Beurteilung der Wirksamkeit erfolgte anhand des SS-, BILAG- und SS-Flare-Index (SFI). Primärer Endpunkt beider Studien war der SLE-Responder-Index (SRI) in Woche 52 im Vergleich zu Studienbeginn, gefordert war eine Verbesserung im SS (Abnahme um ≥4 Punkte), kein neuer BILAG-A- und nicht mehr als ein BILAG-B-Schub sowie keine Verschlechterung (Zunahme <0,3 Punkte) in der Beurteilung des Arztes (PGA/Physician’s Global Assessment). Die zwischen den Therapiegruppen gut vergleichbaren Patienten, darunter 94,1 % Frauen, waren im Mittel 37,8 Jahre alt und hatten eine durchschnittliche SLEKrankheitsdauer von 6,4 Jahren. Weitere Charakteristika zu Studienbeginn waren ein SS 9,7, BILAG 1A/2B 61 %, anti-dsDNA 69,4 %, niedriges C4 56,1 %; Proteinurie (>0,5 g/24 h) 20,1 %, Antimalaria-Mittel erhielten 65,3 %, Prednisolon ≥7,5 mg/Tag 58,0 % und Immunsuppressiva 48,7 %. Die Ansprechraten im SRI betrugen 46,2 % (p=0,006) mit Belimumab 1 mg/kg und 50,6 % (p<0,0001) mit 10 mg/kg vs. 38,8 % unter Placebo. Unter Belimumab 10 mg/kg wurden jeweils signifikante Verbesserun-
DGIM-Kongress 2011 – Wiesbaden
35 gen verzeichnet für den SRI in Woche 52, die Reduktion des SS um ≥4 Punkte, die mittlere prozentuale Reduktion des PGA in Woche 24, die Reduktion des Prednisolon-Bedarfs sowie neue BILAG 1A/2B-Schübe. Gegenüber Placebo wurden in mindestens einer Belimumab-behandelten Gruppe signifikante Verbesserungen gesehen für die Zeit bis zum Ansprechen, die mittlere Dauer des Ansprechens, die Zeitdauer bis zum ersten Schub im SFI und einem neuen BILAGSchub (1 A oder 2B).
Reduzierte Krankheitsaktivität über multiple Organsysteme Die Wirksamkeit von Belimumab hinsichtlich der Verhinderung des Fortschreitens von Manifestationen der einzelnen Organsysteme bei den wiederum gepoolten 1.684 SLE-Patienten aus BLISS-52 und -76 belegten Prof. Dr. Andreas Schwarting, Mainz, und Kollegen (PS 359). Im Verlauf der 52-wöchigen Studien waren alle vier Wochen SS und BILAG erfasst worden. Die Zunahme eines Punktwertes im SS bedeutete eine Verschlechterung, die Abnahme beschrieb eine Verbesserung. Eine Verbesserung in einem BILAG-Organsystem war definiert als die Veränderung eines BILAG-A-oder BScores zu einem B-, C-, D- oder E-Wert, umgekehrt bestand eine Verschlechterung. Bei Abbruch eines Patienten oder Einnahme nicht erlaubter Begleitmedikation wurde der Patient als „Non-Responder“ gewertet. Bei Studienbeginn waren die Organbeteiligungen in den Belimumab-Gruppen und im Placeboarm in und zwischen den beiden Studien vergleichbar. Die am häufigsten beteiligten Organdomänen waren im SELENA-SLEDAI kutan (82 %), muskuloskelettal (65 %), renal (16 %), immunologisch (80 %), im BILAG muskuloskelettal (60 %), mukokutan (59 %), hämatologisch (16 %), renal (11 %) und allgemein symptomatisch (11 %). Im SS bestand für Belimumab (≥1 Gabe) versus Placebo von Baseline zu Woche 52 eine signifikante Verbesserung in den Kategorien ZNS, vaskulär, muskuloskelettal, immunologisch und Haut. Bei Patienten ohne spezifische Organbeteiligung zu Studienbeginn zeigte sich in Woche 52 eine signifikant geringere Verschlechterung in den Kategorien immunologische Veränderungen, Niere und hämatologische Störungen in der Belimumab-Gruppe. Im BILAG fand sich für Belimumab (≥1 Gabe) vs. Placebo eine signifikante Verbesserung von Baseline zu Woche 52 bei muskuloskelettaler und mukokutaner Beteiligung, ein positiver Trend ergab sich bei Vaskulitis (p<0,07). Dagegen
kam es unter Belimumab signifikant seltener zu einer Verschlechterung von hämatologischen Störungen, während für Vaskulitis und Nierenbeteiligung noch ein positiver Trend beobachtet wurde.
Gutes Sicherheitsprofil von BLYS-spezifischem Inhibitor Die gepoolten Sicherheitsdaten von 2.133 mit Belimumab in einer Phase II und den beiden Phase IIIStudien behandelten SLE-Patienten stellten schließlich Dr. Rebecca Fischer-Betz, Düsseldorf, und Kollegen dar (PS 362). Den Patienten war zusätzlich zu einer SLE-Standardtherapie Belimumab (1 und 10 mg/kg in allen Studien, plus 4 mg/kg nur in Phase II) oder Placebo an Tag 0, 14, 28, dann alle 28 Tage für 48 oder 72 Wochen über 1-2 Stunden infundiert worden. Klinische und Laborbefunde wurden bei jedem planmäßigen Studienbesuch monitoriert und aufgetretene unerwünschte Ereignisse (AEs) wurde erfasst. Alle drei Studien hatten eine 52-wöchige placebokontrollierte Phase, nur BLISS-76 eine kontrollierte Phase bis Woche 76. Die gepoolten Daten von 1 und 10 mg/ kg Belimumab wurden mit Placebo verglichen. Im Ergebnis bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen mit Belimumab 1 und 10 mg/kg und Placebo bei Einteilung der AEs nach Schweregrad, Ernsthaftigkeit oder danach, ob sie zum Therapieabbruch führten. Infektionen waren in den Belimumab-Gruppen etwas häufiger, während schwere Infektionen über alle Gruppen vergleichbar waren. Auch die Raten kritischer Infektionen wie Sepsis, Zellulitis, Herpes, Pilz- oder Atemwegsinfekte waren in den Behandlungsgruppen vergleichbar. Die für Belimumab über 100 Patientenjahre berechnete Malignom-Rate ausschließlich Nicht-Melanom-Hautkrebs war vergleichbar mit SLE-Daten aus der Literatur. Insgesamt war Belimumab somit gut verträglich mit einem Sicherheitsprofil vergleichbar mit dem von Placebo plus SLE-Standardtherapie. ❍
DGIM-Kongress 2011 – Wiesbaden
36 Update zu Vaskulitiden
Wegenersche Granulamatose und Churg-Strauss-Syndrom im Fokus Auf dem DGIM-Kongress wurden einige interessante Abstract zu Vaskulitiden vorgestellt. Eine Arbeit von PD Dr. Eva Reinhold-Keller und Kollegen aus Bad Bramstedt und Hamburg befasste sich mit der Effektivität von Rituximab (RTX) bei der refraktären Wegenerschen Granulomatose (WG) und zeigte ein besseres Ansprechen von Vaskulitis im Vergleich zu granulomatösen Manifestationen.
Bei primärem Therapieversagen von Cyclophosphamid (CYC) bei refraktärer WG besteht nach unkontrollierten Studien bzw. Fallserien ein gutes Ansprechen von Vaskulitismanifestationen der WG auf RTX. In der aktuellen Studie wurde erstmals der Therapieeffekt von RTX nicht nur auf Vaskulitis- sondern auch auf granulomatöse Manifestationen anhand eines großen, monozentrischen Kollektivs mit refraktärer WG untersucht (PS 348). Insgesamt 59 die ACR-Kriterien erfüllenden Patienten mit refraktärer WG und RTX-Therapie wurden retrospektiv hinsichtlich Organmanifestationen, Krankheitsaktivität, Begleittherapie, Nebenwirkungen sowie Remissionsdauer charakterisiert. Die Krankheitsaktivität wurde gemäß der EULAR-Definition und BVAS bestimmt.
Aktuelle Daten zu Rituximab bei refraktärer Wegenerscher Granulamatose
allen Patienten sind GK-Dosen erforderlich, die für die Langzeittherapie ungeeignet sind. Dass mit dem IL-5 Antikörper Mepolizumab, der sich beim Hypereosinophilen Syndrom als effektiv und sicher erwies, jetzt eine mögliche neue Option zur Behandlung des refraktären bzw. rezidivierenden CSS zur Verfügung steht, konnten Prof. Dr. Bernhard Hellmich und Kollegen aus Plochingen sowie Lübeck zeigen (YIA 8). In der nichtkontrollierten, monozentrischen 32-wöchigen Phase II-Studie an 10 Patienten mit refraktärem (n=3) oder rezidivierendem (n=7) CSS wurde zunächst für vier Wochen die Standardimmunsuppression konstant beibehalten, ebenso die GK-Dosis. In der aktiven Studienphase wurden dann Immunsuppressiva abgesetzt, die GK-Dosis reduziert und Mepolizumab 750 mg i.v. in vierwöchentlichen Abständen insgesamt neunmal appliziert. Anschließend erfolgte die Umstellung auf MTX 0,3 mg/kg KG pro Woche. Primärer Endpunkt der Studie war die Remission in Woche 32. Diese war nach EULAR definiert als ein Aktivitätsscore (BVAS) von 0 und ein GK-Bedarf von ≤7,5 mg/Tag.
Die Patienten (59 % männlich, 97% ANCA-positiv, medianes Alter 55 Jahre) erhielten 75 Zyklen RTX (4x 375 mg/m2 im wöchentlichen Abstand) wegen Refraktärität, davon 66 % aufgrund von granulomatösen und 39 % aufgrund von Vaskulitismanifestationen. Nach einem Follow-up von mindestens vier Monaten zeigten 9,3 % eine Vollremission, 52 % ein Ansprechen, 9,3 % eine unveränderte Aktivität und 26,7 % einen Progress. Der Anteil an Voll- oder Teilremission war bei Patienten mit Vaskulitismanifestationen signifikant höher als bei Patienten mit granulomatösen Manifestationen (p<0,05). Infekte traten bei 21 % auf, ein Patient verstarb an einer PneumocystisPneumonie. Die Rezidivrate nach initialem Therapieerfolg war mit 40 % hoch, wiederholte RTX-Therapien waren jedoch effektiv.
Den primären Endpunkt erreichten 80 % der Patienten. Bei den sekundäre Endpunkte konnten eine signifikante Reduktion der benötigten GK-Dosis (18 vs. 4 mg/Tag, p=0,0057) und der Eosinophilenzahl (p=0,0078) gezeigt werden. Es wurden keine schwerwiegenden, unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit der Studienmedikation registriert. Unter der MTX-Erhaltungstherapie entwickelten nach einem medianen Follow-up von zehn Monaten zwei Patienten lebens- bzw. organbedrohliche und fünf leichtere Rezidive.
Beim Churg-Strauss-Syndroms (CSS) kommt der Hypereosinophilie eine zentrale Bedeutung zu. Unter der Standardtherapie mit Glukokortikoiden (GK) und konventionellen Immunsuppressiva zeigen 10 bis 20 % der Fälle einen refraktären Verlauf. Bei fast
Die IL-5-Neutralisation mit Mepolizumab, so die Schlussfolgerung der Autoren, ist somit zur Induktion von Remissionen bei refraktärem bzw. rezidivierendem CSS geeignet, hat Glukokortikoid-sparende Effekte und weist ein gutes Sicherheitsprofil auf. ❍
Neuer Antikörper vielversprechend bei Churg-Strauss-Syndrom
DGIM-Kongress 2011 – Wiesbaden
37 Year in review – Rheumatologie 2010
Nach Jahrzehnten wieder eine neue SLE-Therapieoption Erstmals seit mehr als 50 Jahren ist mit dem B-Zell-angreifenden monoklonalen Antikörper Belimumab wieder ein neues Medikament zur Behandlung von Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) zugelassen worden. Die Zulassung dieser zudem ersten spezifisch für diese Erkrankung entwickelten Substanz erfolgte kürzlich in den USA und besteht für SLE-Patienten, bei denen die bisherige Medikation nicht ausreichend wirksam war.
Laut der gepoolten Analyse der Phase II- und PhaseIII-Studien mit seropositiven SLE-Patienten reduzierte zusätzlich zur Standardbehandlung gegebenes Belimumab bei guter Verträglichkeit und einem mit Placebo vergleichbaren Sicherheitsprofil signifikant die Krankheitsaktivität, die Schubrate und den Steroidverbrauch. Außerdem, so erläuterte Prof. Dr. Gabriela Riemekasten, Berlin, bewirkte Belimumab den Rückgang von Autoantikörpern und den Anstieg von Complementfaktoren. Welcher klinische Stellenwert diesem als moderat wirksam einzuschätzenden neuen Antikörper in der klinischen Praxis tatsächlich zukommt, bleibt abzuwarten. Das am besten untersuchte Immunsuppressivum zur Behandlung von SLE-Patienten ist Mycophenolat-Mofetil (MMF), das mindestens vergleichbar gut, eventuell sogar besser wirksam ist als das toxischere Cyclophospamid. MMF gilt in vielen Ländern als SLE-StandardTherapeutikum, ist in Deutschland aber „off-label“ und kann – nach Riemekasten ein Dilemma – nur unter größten Schwierigkeiten verordnet werden.
Neues zu Systemischer Sklerose und Polymyalgia rheumatica
rapie-dauer heraus, entsprechend sollte mit niedrigeren Dosierungen begonnen werden. Die Erkrankung ist vor allem im ersten Jahr mit dem Auftreten von Malignomen (solide Malignome, aber auch Lymphome und Leukämien) assoziiert, so dass diese Patienten entsprechend zu überwachen sind. Das Alter der Patienten mit Wegener-Granulomatose zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Die Sterblichkeit insgesamt ist zurückgegangen, liegt aber immer noch mit etwa 50 % sehr hoch, auch die deutliche Übersterblichkeit bei jungen Männern vor allem aufgrund der Nierenbeteiligung mit Dialysepflichtigkeit hat sich nicht verändert. Da Methotrexat, Azathioprin und Leflunomid insgesamt häufiger eingesetzt werden, haben sich mit der niedrigeren kumulativen Cyclophosphamid-(CYC-)Dosis auch dessen Nebenwirkungen deutlich verringert. In den USA ist Rituximab, das in zwei Studien hinsichtlich Wirksamkeit, Tumorinzidenz und Nebenwirkungen oralem CYC vergleichbar war, zur Remissionsinduktion bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden zugelassen.
Update zu Gicht
Todesursache bei Patienten mit systemischer Sklerose (SSc) war in 35 % der Fälle eine Lungenfibrose, zu 26 % Lungenhochdruck, zu 26 % eine kardiale Beteiligung und zu 5 % eine renale Manifestation. Lungenhochdruck, Schwere der Lungenfibrose und Proteinurie stellten sich als prädiktive Faktoren heraus. Zur Erhebung des Ernährungsstatus als Marker der Erkrankungsschwere von SSc-Patienten und als Entscheidungshilfe zum Einleiten einer Ernährungstherapie ist der mittels bioelektrischen Impedanzanalyse (BIA) bestimmte Phasenwinkel der am besten validierte Parameter.
Da sich Podagra seltener ausbilden, ist die tophöse Gicht bei Frauen im Vergleich zu Männern wesentlich schwerer zu diagnostizieren. Durch eine einfache Ultaschalluntersuchung kann die auf eine Chondrokalzinose oder Gicht hinweisende Doppelkontur im Gelenk erkannt werden, auch mit der Dual Energy-CT lassen sich Gichttophi hervorragend nachweisen. Exzessiv hohe Colchicingaben beim Gichtanfall sind nicht erforderlich, niedrigere Dosierungen sind vergleichbar effektiv bei geringerer Toxizität. Bei Allopurinol- und Urikosurika-Intoleranz sowie bei Nichterreichen des Therapieziels mit maximal möglicher Allopurinoldosis ist Febuxostat angezeigt. ❍
Bei Patienten mit Polymyalgia rheumatica stellte sich eine initiale Prednisolon-Dosis von >15 mg/Tag als wesentlicher prädiktiver Faktor für eine längere The-
Quelle: 117. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V (DGIM)., Year in Review, Vortrag „Rheumatologie“, Wiesbaden, 1. Mai 2011
38 Rheumatoide Arthritis
Gleich hohes Infarktrisiko wie für Typ-2-Diabetiker Dass bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA), aber auch anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ein exzessiv gesteigertes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse besteht, ist seit geraumer Zeit bekannt. Neue Daten lieferten jetzt dänische Kardiologen und Rheumatologen um Jesper Lindhardsen, Kopenhagen. Spannend daran ist die enorme Größe der untersuchten Kohorte, die die gesamte dänische Bevölkerung vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2006 umfasste.
Bei Stratifizierung nach Alter und Geschlecht nahm das Risiko in beiden Gruppen signifikant zu, wobei jüngere Patienten ein höheres Risiko aufwiesen. Besonders ausgeprägt war die Risikoerhöhung für Myo-
kardinfarkt mit einer Steigerung um das 6-Fache bei unter 50-jährigen Frauen mit RA oder Typ-2-Diabetes. Das RA-bezogene MI-Risiko war weitgehend unbeeinflusst von pharmakologischen Therapiestrategien und entsprach dem Risiko einer Bevölkerungsgruppe ohne RA, die im Durchschnitt 10 Jahre älter waren. ❍
In der großen dänischen Langzeit-Kohortenstudie das Risiko für einen Myokardinfarkt bei RA vergleichbar groß wie für an einem Typ-2-Diabetes erkrankten Patienten, was die Einstufung der RA als gravierender kardialer Risikofaktor weiter unterstreicht. Insgesamt entsprach das Infarktrisiko der RA-Patienten jenem von Menschen ohne RA, die zehn Jahre älter waren.
Quelle: Ann Rheum Dis 2011; 70: 929-934
Anti-TNF-Therapie reduziert kardiovaskuläres Risiko US-amerikanische Rheumatologen um Jeffrey D. Greenberg, New York, untersuchten bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) die Rate kardiovaskulärer Ereignisse unter TNF-Inhibitoren im Vergleich zu einer DMARD-Therapie.
Die Studienpopulation umfasste 10.156 in das CORRONA-Register eingeschlossene Patienten. Entsprechend der gewählten Behandlungsstrategie wurden drei Kohorten gebildet: Therapie mit TNF-Inhibitoren, MTX und andere DMARDs. Nach einer Adjustierung auf Alter, Geschlecht, kardiovaskuläre Risikofaktoren, individuelle RA-Krankheitscharakteristika und eine begleitende Glukokortikoidgabe wurden die jeweiligen Hazard ratios (HR) berechnet, wobei als primärer Studienendpunkt eine Kombination aus nicht-tödlichem Myokardinfarkt (MI), transienten ischämischen Attacken (TIA) oder Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod gewählt wurde. Insgesamt wurden 88 kardiovaskuläre Ereignisse dokumentiert, darunter 26 MI, 45 TIA/Schlaganfälle und 17 kardiovaskuläre Todesfälle.
Adjustiert hatten die Patienten unter einer Anti-TNFTherapie ein erheblich reduziertes Risiko für den primären kombinierten kardiovaskulären Endpunkt (HR 0,39) im Vergleich zur Therapie mit anderen DMARDs. Methotrexat war nicht mit einem reduzierten Risiko assoziiert (HR 0,94), Prednison führte dosisabhängig zu einer Risikoerhöhung (p=0,04). Die für die TNFHemmer gezeigte Risikoreduktion erstreckte sich ebenso auf nicht-tödliche kardiovaskuläre Ereignisse (HR 0,35). Damit belegen die US-amerikanischen CORRONA-Daten erneut und sehr deutlich die Assoziation zwischen Anti-TNF-Therapie und reduziertem kardiovaskulären Risiko bei RA-Patienten. ❍ Quelle: Ann Rheum Dis 2011; 70: 576-582
Kompakt
Durch die Verknüpfung nationaler Registerdaten wurden Patienten mit der Diagnose RA oder Typ-2-Diabetes erfasst und in einer sich anschließenden Analyse vergleichend das jeweilige Risiko für einen Myokardinfarkt (MI) bestimmt. Mit berücksichtigt wurden eine begleitende medikamentöse Infarktprophylaxe, vorliegende Komorbiditäten und der sozioökonomische Status. Von den insgesamt im 10-Jahres-Zeitraum erfassten 4.311.022 Personen entwickelten 10.477 eine RA und 130.215 einen Typ-2-Diabetes. Der als Incidence Rate Ratio (IRR) ausgedrückte Häufigkeitsqotient für einen ersten MI betrug für die RA-Patienten 1,7 und für die Patienten mit Typ-2-Diabetes 1,7 (p=0,64 für Differenz), was das absolut vergleichbare Risikopotential beider Grunderkrankungen bestätigt.
39 Rheumatoide Arthritis und Schwangerschaft
Aktuelle Erkenntnisse zu Therapierisiken Aktuelle Daten zu möglichen Risiken einer Anti-TNF-Therapie ermittelten britische Rheumatologen um Kimme L. Hyrich, Manchester, anhand des British Society for Rheumatology Biologics Registers (BSRBR), in dem Daten zu unerwünschten Ereignissen wie auch zu Schwangerschaften bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), die mit TNF-Inhibitoren wurden, dokumentiert werden. In der Untersuchung erfolgte ein Update der BSRBR-Daten zu insgesamt 130 Schwangerschaften und den resultierenden Geburten bei Frauen unter TNF-Blockern.
Gemäß des Behandlungszeitraums wurden die RAPatientinnen in vier Gruppen eingeteilt, die entweder eine Therapie mit TNF-Inhibitoren und Methotrexat (MTX) und/oder Leflunomid (LEF) während des Zeitraums der Konzeption (n=21), eine Behandlung mit TNF-Inhibitoren während des Zeitraums der Konzeption (n=50), eine Therapie mit TNF-Inhibitoren vor der Konzeption (n=59) oder keine Behandlung mit TNFBlockern (Kontrollgruppe, n=10) erhalten hatten. Von den 130 dokumentierten Schwangerschaften während oder vor einer Behandlung mit TNF-Inhibitoren kamen 88 Kinder lebend zur Welt. Am höchsten war die Zahl der Spontanaborte bei jenen Patientinnen, die zur Zeit der Konzeption mit TNF-Inhibitoren behandelt worden waren, vor allem in Kombination mit MTX/LEF 33 %, ohne diese DMARD-Kombination waren es 24 %. Die Spontanabortrate betrug bei den
Frauen mit einer Anti-TNF-Therapie vor der Schwangerschaft 17 % und in der Kontrollgruppe 10 %. Alles in allem wurden zehn Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Trotz dieser eher positiv zu bewertenden Ergebnisse aus diesem Patientenregister kann aus Sicht der Autoren aus diesen Daten keine verbindliche Schlussfolgerung über die Sicherheit von TNF-Blockern während der Schwangerschaft gezogen werden. Ohne weitere, aus Studien zu ziehenden evidenzbasierte Ergebnisse können die bisherigen Leitlinienempfehlungen, TNF-Inhibitoren während der Schwangerschaft nicht einzusetzen, noch nicht geändert werden. ❍ Quelle: Ann Rheum Dis 2011; 70: 823-826
Kaum Risiko bei MTX-Therapie des Vaters Basierend auf eigenen Daten des Centre de Référence sur les Agents Tératogènes (CRAT) und Fallberichten aus der Literatur beleuchteten französische Wissenschaftlerinnen um Delphine Beghin, Paris, in einer aktuellen Arbeit das Risiko für angeborene Fehlbildungen, wenn der Vater zur Zeit der Konzeption mit Methotrexat (MTX) behandelt wurde.
Zu diesem Zweck wurden die prospektiven Daten des hauseigenen Informationsdienstes des CRAT zur Teratogenität von Medikamenten herangezogen. Hierbei wurde eine Analyse jener Schwangerschaftsverläufe vorgenommen, bei denen der Vater zur Zeit der Konzeption oder bis drei Monate vorher mit MTX behandelt worden war. Dabei wurden 42 Schwangerschaften identifiziert, bei denen 40 Männern zum Zeitpunkt der Konzeption einer MTX-Therapie unterzogen worden waren. Die wöchentlichen MTX-Dosierungen variierten zwischen 7,5 und 30 mg. Insgesamt 54,8 % der Männer hatten aufgrund entzündlichrheumatischer Erkrankungen eine immunsuppressive Therapie mit MTX erhalten, 21,4 % aufgrund einer
Psoriasis und 19,0 % zur Behandlung einer malignen Erkrankung. Aus den 42 Schwangerschaften gingen 36 Lebendgeburten hervor. Im Ergebnis kam es zu drei Fehlgeburten, während drei Schwangerschaftsabbrüche freiwillig vorgenommenen wurden. Erfreulicherweise wies keines der Kinder bei der Geburt angeborene Fehlbildungen auf. Basierend auf ihren Ergebnissen und Fallberichten aus der Literatur scheint den Autorinnen kein Anlass für große Sorgen um den Nachwuchs vorzuliegen, wenn der Vater zum Zeitpunkt der Konzeption mit Methotrexat behandelt wurde. ❍ Quelle: J Rheumatol 2011; 38: 628-632
40 Entzündlich-rheumatische Krankheiten
Neue Erkenntnisse zu H1N1-Impfungen Dass für die Schweinegrippe-Impfung bei rheumatologischen Patienten unter einer Basistherapie mit DMARDs zwei Dosen des adjuvantierten Spaltimpfstoffes für eine tatsächlich ausreichende Vakzinierung von Vorteil gewesen wäre, konnten Schweizer Experten um Dr. Cem Gabay, Genf, in einer prospektiven Studie nachweisen.
Ziel der monozentrischen Studie war es, Einflussfaktoren der Antikörperantwort auf die Influenza A/09/ H1N1-Vakzine bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu evaluieren. Hierfür hatten 173 Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, 82 davon mit Rheumatoider Arthritis (RA), 45 mit Spondylarthritiden und 46 mit anderen Krankheitsformen, zwei Dosen des adjuvantierten Spaltimpfstoffs gegen das H1N1-Virus erhalten und 138 Kontrollen nur eine Dosis der Pandemrix-Vakzine. Die Antikörperantwort wurden über die Hämagglutination-Inhibition (HAI) vor und drei bis vier Wochen nach jeder Impfdosis gemessen. Zudem wurden die geometrischen mittleren Titer (GMT) und Seroprotektionsraten (GMT≥ 1:40) errechnet. Die Erfassung der Faktoren für die Impfantwort und mögliche Nebenwirkungen erfolgte über einen umfangreichen Patientenfragebogen. Die Basisantikörpertiter für die Influenza A/09/H1N1Vakzine waren in der Patienten- und Kontrollgruppe mit Seroprotektionsraten von 14,2 und 14,8 % vergleichbar niedrig. Zwar wurde nach der ersten Impf-
dosis in beiden Gruppen ein signifikantes Ansprechen dokumentiert, jedoch bleiben bei den rheumatischen Patienten im Vergleich zu den Kontrollpersonen sowohl die GMT (146 vs. 340, p<0,001) als auch die Seroprotektionsraten (74,6 vs. 87,0 %, p<0,001) signifikant niedriger. Erst nach der zweiten Impfdosis wurden in der Patientengruppe gleich hohe Titer und Seroprotektionsraten wie bei den Kontrollen nach nur einer Impfung erreicht. In einer multivariaten Regressionsanalyse wurden als wesentliche Faktoren für einen schlechteren Impferfolg ein höheres Alter, eine Therapie mit bestimmten DMARDs und eine kurz zurückliegende B-Zell-Depletion (<3 Monate) ausgemacht. Keine negativen Effekte wurden für die beiden DMARDs Hydroxychloroquin und Sulfasalazin sowie eine Anti-TNF-Therapie ermittelt. Die Impfungen führten zu keinen unerwünschten Wirkungen und wurden gut vertragen. Überdies wurde kein Einfluss der Vakzinierung auf die Krankheitsaktivität bei den Patienten verzeichnet. ❍ Quelle: Arthritis Rheum 2011; 63: 1486-1496
Risiko für Hepatosplenale T-Zell-Lymphome? Dass die Behandlung mit Immunsuppressiva nach der Pubertät und bei jungen Erwachsenen bei einer Reihe von Autoimmunerkrankungen in sehr seltenen Fällen ein hepatosplenales T-Zell-Lymphom (HSTCL), eine aggressive und prognostisch sehr ungünstige Variante des Non-Hodgkin-Lymphoms auslösen kann, teilte kürzlich die US-amerikanische FDA mit.
Nachdem das das HSTCL bislang nur bei Patienten mit Colitis ulcerosa bzw. Morbus Crohn unter einer Therapie mit TNF-Blockern beobachtet wurde, kommen jetzt offenbar noch andere Indikationen hinzu. Laut FDA wurde das HSTCL auch bei einem Patienten mit Psoriasis und zwei Patienten mit RA beobachtet. Die Komplikation scheint nicht für TNF-Blocker spezifisch zu sein, da sie z. B. auch unter einer Monotherapie mit Azathioprin oder Mercaptopurin auftrat. Das größte Risiko besteht unter einer Kombinationstherapie mit mehreren Immunsuppressiva. Dennoch ist zu beachten, dass Patienten mit RA, Morbus Crohn, Spondylitis
ankylosans oder Psoriasis bereits durch ihre Grunderkrankung ein höheres Risiko für die Entwicklung eines Lymphoms aufweisen. Auch ist diese Nebenwirkung extrem selten. So waren laut FDA für den Zeitraum seit Einführung der TNF-Blocker bis Ende 2010 nur 43 Patienten von einem HSTCL betroffen. Dennoch werden die Ärzte gebeten, die Möglichkeit in ihre NutzenRisiko-Überlegung einzubeziehen und die Patienten zu informieren. ❍
Quelle: Pressemitteilung der FDA, 14. April 2011
41 Schmerztherapie bei rheumatischen Erkrankungen
Neue Empfehlungen zum Einsatz von NSAR und COX-2-Inhibitoren Vor dem Hintergrund der Sicherheitsaspekte der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) in Bezug sowohl auf gastrointestinale als auch kardiovaskuläre Ereignisse und der Konsistenz von Leitlinien wird die Therapieentscheidung in der täglichen Praxis zunehmend schwieriger. In dieser Studie wurden daher systematisch die Stellungnahme eines multidisziplinären europäischen Expertengremiums um Prof. Dr. Gerd-Rüdiger Burmester, Berlin, zur Anwendung verschiedener traditioneller NSAR und spezifischer COX-2-Hemmer alleine oder in Kombination mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) bei individuellen Patienten mit chronischen rheumatischen Erkrankungen analysiert.
Zu diesen Patientenprofilen gehörten spezifische Kombinationen von kardiovaskulären (10-Jahres-Risiko gemäß des Heart Score der ESC) und gastrointestinalen Risikofaktoren. Bei letzteren erfolgte eine Einteilung in umkomplizierte und komplizierte vorherige Ereignisse, wobei allerdings nur das Risiko für den oberen Gastrointestinaltrakt berücksichtigt wurde. Weitere Parameter umfassten das Alter der Patienten (< oder >65 Jahre), sonstige kardiovaskuläre Therapien (niedrig-dosiertes ASS, Clopidogrel, Antikoagulation), die Gabe von Glukokortikoiden und die Dauer bzw. Kontinuität der medikamentösen Behandlung. Im Ergebnis wurden bei Patienten ohne gastrointestinale bzw. kardiovaskuläre Risikofaktoren alle Therapieoptionen auch ohne eine Begleittherapie mit PPI als geeignet erachtet. Für Patienten mit erhöhtem gastrointestinalen Risiko und niedrigem kardiovaskulären Risiko wird bevorzugt die alleinige Gabe selektiver COX-2-Inhibitoren, vorzugsweise Celexoxib, oder traditioneller NSAR in Kombination mit PPI empfohlen. Nach den in dieser Studie noch nicht berücksichtigten neueren Daten der CONDOR-Studie, die sämtliche gastrointestinale Ereignisse dokumentierte, scheint der COX-2-Hemmer Celecoxib Vorteile zumindest gegenüber der Kombination aus Diclofenac plus PPI aufzuweisen.
CV-Risiko GI-Risiko Niedrig
Niedrig
• Nicht-selektive NSAR
• COX-2-Inhibitoren • Nicht-selektive NSAR + PPI
Hoch
• Ibuprofen/Diclofenac + PPI • Celecoxib + PPI
Hoch
• Naproxen + PPI
• Naproxen + PPI
• NSAR nach Möglichkeit ver meiden, wenn erforderlich: - Diclofenac/Naproxen + PPI - COX-2-Inhibitoren + PPI
Bei Patienten mit ausgeprägtem kardiovaskulärem Risiko besteht den Autoren zufolge die beste Evidenz für Naproxen plus PPI. Die gesamte Problematik einer Schmerztherapie bei diesen gegebenen Risikokonstellationen wird dadurch unterstrichen, dass bei Patienten mit hohem gastrointestinalen und kardiovaskulären Risiko zu einer Vermeidung aller bewerteten NSAR aufgerufen wird. In jenen Fällen, bei denen ein Einsatz von NSAR unvermeidlich ist, wird dazu geraten die Kombination von Diclofenac oder Naproxen plus PPI oder eines selektiven COX-2-Inhibitors plus PPI in Erwägung ziehen. ❍
Obgleich vermutlich auch durch die aktuellen Ergebnisse dieser europäischen Expertengruppe noch nicht das letzte Wort zum adäquaten Einsatz von NSAR geschrieben ist, bieten die Empfehlungen doch eine wertvolle Hilfestellung für die Therapieentscheidung in der ärztlichen Praxis, welches NSAR beim individuellen Patienten entsprechend dessen gastrointestinalen bzw. kardiovaskulären Risikoprofils zum Einsatz kommen sollte.
Quelle: Ann Rheum Dis 2011; 70: 818-822
Kompakt
Insgesamt setzte sich das Gremium aus 18 Experten aus 10 Ländern zusammen, die alle relevanten Disziplinen abdeckten. Die Selektion der Experten beruhte auf deren spezifischer Expertise auf dem Gebiet der NSAR. Für den Zeitraum der von 1998 bis 2008 vorliegenden entsprechenden Publikationen wurde die Eignung von drei traditionellen NSAR (Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen) sowie zwei spezifischen COX-2-Inhibitoren (Celecoxib und Etoricoxib) als Monotherapie oder in Kombination mit PPI für den Einsatz bei 144 hypothetischen Patientenprofilen anhand der „Research and Development/University of California at Los Angeles (RAND/UCLA) Appropriateness Method“ überprüft.
42 Ankylosierende Spondylitis
Aktuelle Ergebnisse der SPINE-Studie Die Effektivität von TNF-Inhibitoren bei AS-Patienten im Frühstadium mit entzündlichen Veränderungen der Wirbelsäulengelenke ist unumstritten. Noch nicht geklärt war, ob eine Anti-TNF-Therapie auch bei Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung wirkt. Dabei richtet sich der Fokus insbesondere darauf, ob die Hauptsymptome der AS wie Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit dann noch über inflammatorische Prozesse vermittelt werden, die einer TNF-Hemmung zugänglich sind, oder ob diese mehr auf strukturellen Verknöcherungsprozessen basieren, die hierauf nicht ansprechen.
Insgesamt 82 Patienten mit zu Studienbeginn aktiver und schwerer AS (im Mittel BASDAI 61,0, CRP 20,7 mg/l, BASMI 5,7, mSASSS 36,5, forcierte Lungenvitalkapazität, FVC 3,3) waren auf Etanercept 50 mg/Woche (n=39) oder Placebo (n=43) randomisiert worden. Ausgehend vom Wert zu Studienbeginn zeigte sich nach 12 Wochen unter Etanercept eine im Vergleich zu Placebo signifikante bessere Entwicklung des BASDAI als primärer Endpunkt (-19,8 vs. -11,0, p=0,019). Signifikante Vorteile des TNF-Rezeptors versus Placebo wurden zu Woche 12 sowohl hinsichtlich des
BASDAI (−26,4 vs. −14,4, p=0,008), Rückenschmerzen (-29,2 vs. -14,9, p=0,010), BASFI (-21,7 vs. -10,1, p=0,004), BASMI (-0,6 vs. -0,2, p=0,011), CRP (-15,7 vs. -1,3, p<0,001) als auch für die FVC (-160 vs. -20 ml, p=0,006) verzeichnet. ❍
Im Ergebnis war Etanercept bei Patienten mit fortgeschrittener AS über das 12-wöchige Follow-up hinweg ebenso wirksam, wie bei AS-Patienten mit weniger fortgeschrittenen Krankheitsstadien. Die Wirksamkeit des TNF-Rezeptors konnte sowohl hinsichtlich der Reduktion von Schmerzen, des Entzündungsmarkers CRP sowie auch der Krankheitsaktivität als Ausdruck der Wirbelsäulenbeweglichkeit und Lungenfunktion nachgewiesen werden.
Quelle: Ann Rheum Dis 2011; 70: 799-804
Prognostische Marker für die Therapie Eine internationale Studiengruppe um Nathan Vastesaeger, Antwerpen (Belgien), kreierte ein Modell zur Selektion von für eine Anti-TNF-Therapie geeigneten AS-Patienten. Auf Basis des individuellen Krankheitsprofils werden damit Aussagen zum Outcome des jeweiligen Patienten ermöglicht.
Anhand der Daten von 635 AS-Patienten der Studien ASSERT und GO-RAISE wurden Basisprädiktoren für verschiedene Krankheitsstadien und Instrumente zur Analyse des Krankheitsverlauf ermittelt und das daraus entwickelte Vorhersagemodell zusätzlich mit „real world“-Patienten aus Registern abgeglichen und evaluiert. Als wichtige Prädiktoren für den Krankheitsverlauf der AS in den untersuchten Patientenpopulationen wurden das Alter, der BASFI-Score, eine Enthesitis, die Therapie, CRP und der HLA-B27 identifiziert. Während die Assoziation der einzelnen Faktoren mit den Instrumenten variierte, erlaubte die Kombination dieser Fak-
toren eine adäquate Vorhersage jedes untersuchten Ergebnisparameters. Das Matrixmodell sagte Ergebnisse ebenso gut voraus wie ein Algorithmus-basiertes Modell und ermöglichte den direkten Vergleich der Effektstärke der Therapieergebnisse mit TNF-Inhibitoren im Vergleich zu einer konventionellen Therapie in verschiedenen AS-Subpopulationen. Dieses Vorhersagemodell könnte für den Rheumatologen in Zukunft eine wichtige Hilfe für die Therapieentscheidung in der täglichen Praxis darstellen. ❍ Quelle: Ann Rheum Dis 2011; 70: 973-981
Ausblick
Neue Erkenntnisse hierzu erbrachte die multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte SPINE-Studie, in der über 12 Wochen hinweg die Wirksamkeit von Etanercept bei zuvor TNF-naiven Patienten mit fortgeschrittener AS untersucht wurde. Zu den Einschlusskriterien gehörten eine mittels den modifizierten New York-Kriterien gesicherte aktive AS (BASDAI ≥40) mit schwerer degenerativer Verlaufsform im Sinne radiologisch nachweisbarer knöcherner Umbauten sowie ein Nicht-Ansprechen auf NSAR.
43 Gicht
Update zum Therapiemanagement Mit der Diagnostik und vor allem dem Therapiemanagement der Gicht befasste sich ein aktuelles Review des US-amerikanischen Experten Prof. Dr. Tuhina Neogi, Boston. Die wichtigsten Behandlungsziele bei akuter Gicht sind die Linderung der durch die massive Entzündung verursachten Schmerzen und der Bewegungseinschränkung.
First-Line-Therapeutika sind bei akuter Gicht NSAR und Colchicin. Bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion, Blutungsstörungen, chronischer Herzinsuffizienz oder Allergien, sollten die das Risiko für thrombotische und gastrointestinale (GI)-Ereignisse erhöhenden NSAR vermieden werden. Empfohlen wird Naproxen oral in Dosen von 2 x 375-500 mg/Tag für drei Tage, dann für 4-7 Tage oder bis zum gewünschten Therapieerfolg eine reduzierte Dosis von 2 x 250-375 mg/Tag. Eine Alternative ist Indomethacin oral 3 x 50 mg/Tag für drei Tage, anschließend 3 x 25 mg/Tag für 4-7 Tage oder bis zum Abklingen des Anfalls.
Medikamentöse Therapieoptionen zur Behandlung der Hyperurikämie Zur Prävention akuter Attacken und Bildung von Tophi sollte eine Urat-senkende Therapie erwogen werden, insbesondere bei Patienten mit Hyperurikämie, die zwei oder mehr oder besonders schwere Attacken pro Jahr haben oder radiologisch bzw. klinisch nachweisbare Tophi. Der hierfür am häufigsten verordnete Xanthinoxidase-Inhibitor Allopurinol zeichnet sich durch ein akzeptables Nebenwirkungsprofil aus, schwere Hypersensitivitäten sind aber äußerst selten. Zumeist wird Allopurinol in einer Dosis von 300 mg/ Tag verordnet, wird damit der Uratspiegel nicht hinreichend gesenkt, kann bei normaler Nierenfunktion auf bis zu 800 mg/Tag eskaliert werden. Mit Febuxostat steht ein weiterer Xanthinoxidase-Inhibitor zur Behandlung der Hyperurikämie als Second-
line-Therapie zur Verfügung. Die Startdosis beträgt oral 40 mg/Tag, diese kann bei Bedarf nach 2-4 Wochen auf täglich 80 mg gesteigert werden. Beim Einsatz von Theophyllin besteht eine Kontraindikation für Febuxostat. Zumindest bei Patienten mit leichter oder moderater Einschränkung der Leber- und Nierenfunktion sind keine Dosisanpassungen erforderlich. Probenecid, Sulfinpyrazone, Benzbromaron und andere potentiell einsetzbare Urikosurika sind bei Patienten mit Nephrolithiasis in der Vorgeschichte kontraindiziert. ❍
Da das rasche und effektive Absenken des Uratspiegels mit einem initial höheren Risiko für einen akuten Schub assoziiert ist, ist zu Beginn einer Urat-senkenden Therapie eine begleitende Prophylaxe vor akuten Gichtattacken sinnvoll. Empfohlen wird hierzu Colchicin in einer Dosis von 0,6 mg ein- oder zweimal täglich mit Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion, potentiellen Interaktionen oder schlechter Verträglichkeit. In der Praxis kommen auch NSAR zur Schubprophylaxe zum Einsatz, jedoch liegen hierzu nur begrenzt Daten vor.
Quelle: N Engl J Med 2011; 364: 443-452
Ausblick
Die Gabe von p.o. Colchicin 1,2 mg wird sofort nach Beginn der Attacke empfohlen, gefolgt von einer Dosis von 0,6 mg eine Stunde später. Nach Möglichkeit sollte Colchicin nicht bei älteren Patienten, solchen mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion oder bekannten GI-Komplikationen nicht eingesetzt werden, zudem sind zahlreiche Interaktionen zu beachten. Bei schlechter Verträglichkeit oder Kontraindikationen gegen NSAR bzw. Colchicin können trotz eher limitierter Evidenz Glukokortikoide wie Prednisolon oder Prednison zum Einsatz kommen.
44 ANCA-assoziierte Vaskulitiden
Neue Therapieoption auf dem Weg Kürzlich hat die US-amerikanische Arzneibehörde FDA den monoklonalen CD20-Antikörper Rituximab zur Behandlung der Wegener’schen Granulomatose und der mikroskopischen Polyangiitis zugelassen. Für die beiden seltenen Erkrankungen aus der Gruppe der Vaskulitiden handelt es sich damit zugleich um die erste zugelassene medikamentöse Therapie.
Sowohl die Wegener’sche Granulamatose (WG) als auch die mikroskopische Polyangiitis (MPA) gehören zu den ANCA-assoziierten Vaskulitiden, bei denen sich im Blut Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper (ANCA) nachweisen lassen. Die beiden mit einer Prävalenz von ca. drei Fällen pro 100.000 Personen seltenen Autoimmunerkrankungen unterscheiden sich hinsichtlich des Organbefalls: Während bei der WG vor allem die Atemwege mit Nebenhöhlen, Nase, Trachea und Lungen sowie die Nieren betroffen sind, werden bei der MPA neben Nieren und Lungen auch Nerven, Haut und Gelenke attackiert. Da das schon seit einigen Jahren für die Rheumatoide Arthrtis (RA) zugelassene und in dieser Indikation etablierte Rituximab gezielt die aktivierten B-Lymphozyten ausschaltet und damit die Bildung von Autoimmunantikörpern unterbindet, handelt es sich auch um einen viel versprechenden Therapieansatz auch bei einer Reihe anderer Autoimmunerkrankungen wie den ANCA-assoziierten Vaskulitiden. Im vergangenen Jahr hatte die US-amerikanische RAVE-Studie zur Remissionsinduktion gezeigt, dass Rituximab auch bei WG und MPA wirksam ist (N Engl J Med 2010; 363: 221-232). Nach sechs Monaten war es jweils in Kombination mit einer Steroidgabe bei 64 % der Patienten unter Rituximab zu einer kom-
pletten Remission gekommen im Vergleich zu 53 % unter der Behandlung mit dem gegenwärtigen Therapiestandard Cyclophosphamid (CYC). Ähnliche Ergebnisse hatte auch die europäische RITUXVAS-Studie geliefert (N Engl J Med 2010; 363: 211-220). Die Ergebnisse aus RAVE führten in den USA zur Zulassung als „Orphan drug“, auch wenn wichtige Daten zur langfristigen Wirksamkeit und Verträglichkeit noch nicht vorliegen, die jetzt in einer Post-Marketing-Studie ermittelt werden sollen. Bedenken bestehen insbesondere noch hinsichtlich des bekannten Infektionsrisikos unter Rituximab, das aber auch unter anderen immunsuppressiven Therapien zu berücksichtigen ist. In der RAVE-Studie war die die Infektionsrate in beiden Therapiearmen vergleichbar hoch. Auch die Gesamtrate der Nebenwirkungen war mit 62 gegenüber 47 % nur leicht erhöht. Beim Vergleich der nebenwirkungen ist zudem zu bedenken, dass sich viele CYC-assoziierte Nebenwirkungen erst im Langzeitverlauf bemerkbar machen. Dennoch könnte auch unter Rituximab langfristig das Risiko lebensbedrohlicher Infektionen steigen, vor allem jenes für die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML). Weitere Daten zur langfristigen Sicherheit der Therapie mit Rituximab in dieser Indikation sollen noch in diesem Jahr vorgestellt werden. ❍ Quelle: Pressemitteilung der FDA, 19. April 2011
Systemische Sklerose
Unabhängiger Risikofaktor für Arteriosklerose Dass die durch sklerosierende Hautveränderungen, das Raynaud-Phänomen und organische Fibrosen charakterisierte systemische Sklerose (SSc) oder auch Sklerodermie als ein unabhängiger und zusätzlicher Risikofaktor für Arteriosklerose zu betrachten ist, berichten chinesische Wissenschaftler um Mo Yin Mok, Hongkong.
Bereits für eine ganze Reihe entzündlich-rheumatischer Erkrankungen ist ein erheblich erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse beschrieben worden. Eine endotheliale Dysfunktion und inflammatorische Prozesse spielen pathophysiologisch sowohl für Ar-
teriosklerose als auch Sklerodermie eine gewichtige Rolle. In der aktuellen Studie wurden nun 53 Personen mit Sklerodermie (darunter 50 Frauen) und 106 auf Al-
45
Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko nachgewiesen Im Vergleich zu den Kontrollen wiesen die SSc-Patienten signifikant niedrigere LDL-Cholesterin-Spiegel (p=0,001), HDL-Cholesterin-Spiegel (p=0,01), diastolische Blutdruckwerte, Bauchumfang und BMI sowie eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Verordnung von Vasodilatatoren auf (alle p<0,001). Vor allem zeigte sich aber, dass mit 56,5 vs. 29,4 % signifikant mehr SSc-Patienten als Teilnehmer der Kon-
trollgruppe eine mittlere bis schwere Koronarverkalkung (CACS ≥101) hatten (p=0,01). In einer multiplen logistischen Regressionsanalyse erwies sich die Sklerodermie zusammen mit anderen Faktoren wie dem Alter und dem LDL-Cholesterin nach Adjustierung auf andere kardiovaskuläre Risikofaktoren als ein unabhängiger Risikofaktor für die Arteriosklerose (Odds ratio, OR 10,9, p=0,003). Unter den krankheitsspezifischen Faktoren war lediglich die Krankheitsdauer unabhängig mit dem Schweregrad der Arteriosklerose assoziiert (OR 1,14, p=0,02). ❍
Die systemische Sklerose ist der aktuellen Studie zufolge mit einem drastisch erhöhten Risiko für eine schwere Arteriosklerose und damit insgesamt – wie auch bei anderen entzündlich-rheumatischen Krankheiten – gesteigertem kardiovaskulären Risikoprofil für diese Patientengruppe verknüpft.
Quelle: Arthritis Rheum 2011; 63: 1387-1395
Systemischer Lupus erythematodes
Mit adulten Stammzellen Nephritis aufhalten Dass sich mit aus dem Blut der Nabelschnurvene gewonnenen mesenchymalen Stammzellen zumindest in einem Mausmodell für Systemischen Lupus erythematodes (SLE) positive Therapieresultate erzielen lassen, konnten kürzlich taiwanesische Wissenschaftler um Oscar K. Lee in einer experimentellen Studie nachweisen.
Beim Lupus erythematodes handelt es sich um eine systemische Autoimmunerkrankung, die häufig mit unspezifischen Symptomen wie Fieber oder Abgeschlagenheit beginnt, mit der Zeit jedoch in einer Nephritis mündet und zu einer allmählichen Zerstörung der renalen Mikrostruktur führt. Da mesenchymale Stammzellen immunmodulatorische Effekte ausüben können, untersuchte die Arbeitsgruppe in einer aktuellen Studie, ob und inwieweit eine Applikation dieser Zellen die fortschreitende Nephritis bei an Lupus erkrankten Mäusen aufhalten kann. Hierzu wurden den Mäusen mit Lupus nephritis unter Anwendung eines allogenen und eines autologen Spender-Modells mesenchymale Stammzellen aus Maus-Nabelschnurblut injiziert. Im Ergebnis führte die Stammzellen-Injektion zu einer signifikanten Verzögerung der Entwicklung einer Proteinurie, einer verringerten Konzentration von anti-dsDNA-Antikörpern und einem Aufhalten der Zer-
störung der Nierenzellen. Überdies war auch die mittlere Überlebenszeit der mit Stammzellen therapierten Mäuse länger als ohne die Behandlung. Weiterhin zeigte sich infolge der Stammzelltherapie auch ein Trend für eine Abnahme von Th1-Zytokinen (IFN-γ, IL2) und proinflammatorischen Zytokinen (TNF-α, IL-6, IL-12) sowie einem Anstieg von Th2-Zytokinen (IL-4, IL-10). Insgesamt erwies sich die autologe Transplantation als der erfolgreichere Ansatz. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Transplantation mesenchymaler Stammzellen in Zukunft durchaus von therapeutische Relevanz sein könnte. In dieser präklinischen Studie wurde zumindest die Möglichkeit aufgezeigt, mittels einfach zu gewinnenden Stammzellen eine komplexe Erkrankung aufhalten zu können. Bis zu einer Anwendung beim Menschen dürften jedoch noch viele Hindernisse zu überwinden sein. ❍ Quelle: Cell Transplant 2011; 20: 245-257
Kompakt
ter, Geschlecht und glykämischem Status gematchte gesunde Kontrollpersonen untersucht, um die Assoziation der mittels koronarem Calcium-Score (CACS) bestimmten Arteriosklerose und kardiovaskuläre sowie Sklerodermie-spezifischen Risikofaktoren zu bewerten. Bei den durchschnittlich 53 Jahre alten und median seit neun Jahren erkrankten SSc-Patienten wurden zudem die Krankheitsaktivität, Antiphospholipid-Antikörper-Spiegel, die CRP-Konzentration sowie die BSG bestimmt.
46 Therapie der Osteoporose
Kardiale Risiken von Calciumsupplementen? Unverändert hält die Diskussion darüber an, ob die bei älteren Menschen oft zur Osteoporoseprophylaxe verordnete Calciumsupplementation das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse in die Höhe treibt. Eine erneute Analyse der Women's Health Initiative (WHI)-Studie scheint diesen Verdacht zu nähren.
Zunächst schienen die Ergebnisse der Women’s Health Initiative Calcium/Vitamin D (WHI-CaD) gegen ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko zu sprechen. In dieser Studie hatten 36.282 postmenopausale Frauen sieben Jahre lang eine Kombination von Calcium (1 g/Tag) plus Vitamin D (400 IU/Tag) oder Placebo erhalten, ohne dass es in einem der kardiovaskulären Endpunkte zu einem Anstieg unter der Supplementierung kam. Jedoch hatten 54 % der Frauen vor Beginn der Studie bereits Calcium und/oder Vitamin D eingenommen, was laut den neuseeländischen Experten um Mark Bolland, Auckland, negative Effekte auf das kardiovaskuläre Risiko verschleiert haben könnte. Eine erneute Analyse der 16.718 Teilnehmerinnen (46 %) ohne frühere Calciumeinnahme ergab jetzt, dass die Einnahme von Calcium und Vitamin D die einzelnen kardiovaskulären Ereignisse um 13 bis 22 % erhöhte, was zumindest für die Endpunkte Myokardinfarkt oder Schlaganfall (p=0,05) und Myokardinfarkt oder Revaskularisation (p=0,04) knapp signifi-
kant war. Nicht erhöht war die Gesamtmortalität. Bei den Frauen, die bereits vor Studienbeginn Calcium eingenommen hatten, wurde dagegen kein erhöhtes Risiko gefunden. In einer Meta-Analyse, in die neben der Subgruppe der WHI-CaD-Studie noch die Daten aus acht weiteren Studien einflossen, war das Myokardinfarktrisiko signifikant erhöht (relatives Risiko, RR 1,24, p=0,004) und auch der kombinierte Endpunkt aus Myokardinfarkt oder Schlaganfall trat unter Calcium plus Vitamin D häufiger auf (RR 1,15, p=0,009). Dennoch führt die Supplementation schlimmstenfalls nur zu einem moderaten und numerisch minimalen Anstieg des Herzinfarktrisikos. Nicht betroffen ist zudem der heute bevorzugte Einsatz von Calcium plus Vitamin D als Begleittherapie zu Bisphosphonaten. In Studien war es zu dort zu einer Reduktion der Gesamtsterblichkeit gekommen, ohne dass ein Anstieg der kardiovaskulären Endpunkte beobachtet wurde. ❍ Quelle: Brit Med J 2011; 342: d2040
Nur geringes Risiko für atypische Femurfrakturen unter Bisphosphonaten Nach der US-amerikanischen FDA betrachtet auch die European Medicines Agency (EMA) atypische Frakturen als mögliche Komplikation einer langfristigen Therapie mit Bisphosphonaten. Nichtsdestotrotz wird die Nutzen-Risiko-Bilanz dieser Substanzgruppe weiterhin positiv eingeschätzt.
Nachdem zunächst Fallberichte auf das Risiko atypischer Frakturen unter einer Langzeittherapie mit Bisphosphonaten hingewiesen, hatten, wurde dies durch die Analyse früherer randomisisierter Studien, in denen bereits ein entsprechender Trend beobachtet wurde, und zuletzt auch in einer bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studie bestätigt. Gedeutet werden die am Femurschaft auftretenden Frakturen seitens des Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) als Stressfrakturen, womöglich infolge einer durch die Bisphosphonate behinderten natürlichen Knochenheilung. Ein mögliches aber nicht immer vorhandenes Frühwarnzeichen
sind Schmerzen, Schwäche oder andere Beschwerden im Oberschenkel, Hüfte oder Leiste. Anders als bei typischen osteoporotischen Brüchen geht den atypischen Frakturen kein Trauma voraus mit gleicher Gefährdung beider Oberschenkel. Da das Risiko mit der Behandlungsdauer ansteigt, rät die EMA die Notwendigkeit einer Bisphosphonat-Therapie nach fünf Jahren zu überprüfen. Bei weiter bestehender Indikation dürfen die Patienten jedoch zeitlich unbegrenzt mit Bisphosphonaten behandelt werden, sollten aber über das mögliche Risiko aufgeklärt werden. ❍
Quelle: Pressemitteilung der EMA, 15. April 2011
Hier steht eine Anzeige.
48 Psoriasis-Arthritis
Wege zum dauerhaften Therapieerfolg Eine enge Zusammenarbeit zwischen Dermatologen und Rheumatologen ist von großer Bedeutung, um die Psoriasis-Arthritis (PsA) frühzeitig zu diagnostizieren und dadurch ein optimales Behandlungsergebnis zu erzielen – so das Fazit des internationalen interdisziplinären Kongresses „Progress and Promise 2011“, der Ende März in Istanbul stattfand.
Wie PsA-Patienten in der Therapie mit dem TNF-αRezeptor Etanercept von der gemeinsamen Expertise der beiden Fachrichtungen profitieren können, dokumentieren die von Dr. Diamant Thaçi und Dr. Frank Behrens aus Frankfurt/M., vorgestellten Ergebnisse der PRESTA-Studie. In der multizentrischen randomisierten, doppelblinden Studie waren dermatologische sowie rheumatologische Zentren eingebunden. Die 752 Patienten hatten eine aktive PsA mit signifikanter Beteiligung der Haut und Gelenkemit deutlicher Beeinträchtigung der gesundheitsbezogene Lebensqualität. Für 12 Wochen erhielten die Patienten randomisiert entweder ein- oder zweimal wöchentlich eine s.c.-Injektion mit 50 mg Etanercept (Enbrel®). Daran angeschlossen war eine 12-wöchige, offene Phase, in der alle Teilnehmer einmal wöchentlich 50 mg Etanercept erhielten. Nach 12 Wochen beurteilten die Dermatologen die Haut bei 46 % der Patienten unter der zweimal wöchentlichen und bei 32 % unter der einmal wöchentlichen Therapie als erscheinungsfrei oder nahezu erscheinungsfrei. In Bezug auf die Behandlung rheumatischer Symptome an Gelenken und Sehnen reichte eine einmal wöchentliche Gabe aus, um eine ähnlich effektive Verbesserung wie mit der zweimal wöchentlichen Gabe zu erzielen:
Die PsA-Response-Kriterien (PsARC) für das Ansprechen der Arthritis-Symptome erfüllten nach zwölf Wochen mit 77 vs. 76 % fast gleich viele Patienten unter beiden Therapiestrategien. Nach 24 Wochen wurden Werte von 82 bzw. 80 % erreicht. Am Studienende zeigten die Patienten vergleichbare Ansprechraten sowohl für die Erscheinungen an der Haut als auch an den Gelenken und das unabhängig von der ursprünglichen Dosierung. Sowohl die chronische Daktylitis als auch die Enthesitis besserten sich signifikant. Auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten nahm deutlich zu. Schon in der dritten Woche kam es zu einer Verbesserung in beiden EtanerceptBehandlungsarmen. Nach 24 Wochen hatte sich vor allem die hautspezifische Lebensqualität anhaltend bei knapp 80 % der Patienten verbessert. Die Ergebnisse zeigen, dass verschiedene Therapiestrategien zur Gabe von Etanercept bei Patienten mit aktiver Psoriasis und Psoriasis-Arthritis erfolgreich sind und behandelnde Ärzte die Frequenz der Injektionen entsprechend den individuellen klinischen Gegebenheiten auswählen können. ❍ Quelle: Pressemitteilung der Pfizer Pharma GmbH, 10. Mai 2011
Postmenopausale Osteoporose
Neue Daten aus der FREEDOM-Studie Kürzlich auf dem ECCEO11-IOF-Kongress in Valencia, Spanien, vorgestellte Daten belegen, dass die Behandlung mit dem RANKL-Inhibitor Denosumab bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose nach fünf Jahren kontinuierlicher Therapie zu einem deutlichen Anstieg der Knochenmineraldichte (BMD) an der Lendenwirbelsäule um 13,7 und an der Hüfte um 7 % führte.
In der zulassungsrelevanten FREEDOM-Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit von Denosumab (Prolia®), basierend auf Daten von rund 7.800 postmenopausalen Frauen aus drei Jahren analysiert. Die Open-Label-Erweiterung der FREEDOM-Studie untersucht die langfristige Wirksamkeit (bis zu 10 Jahre) und Sicherheit von Denosumab bei 4.550 Frauen in der Postme-
nopause: 70 % der Teilnehmerinnen von FREEDOM wurden in die Erweiterungsstudie aufgenommen. 2.343 Frauen erhielten weiterhin Denosumab und 2.207 wurden von Placebo darauf umgestellt. Aktuell wurden jetzt die 5-Jahres-Daten präsentiert (Osteoporosis Int 2011; Suppl 1: OC25). Die kontinuierliche Behandlung mit Denosumab führte gegenüber den
49 Vorjahren zu einem anhaltenden Anstieg der BMD von Lendenwirbelsäule und Hüfte.
der Lendenwirbelsäule 7,9 % und an der Hüfte 4,1 % (p<0,0001 gegenüber Ausgangswert).
Bei den Frauen unter dieser Therapie war im vierten bzw. fünften Behandlungsjahr eine weitere Zunahme der BMD der Lendenwirbelsäule um 1,9 % bzw. 1,7 % und der Hüfte um 0,7 % bzw. 0,6 % (p<0,0001 gegenüber dem Ausgangswert) zu verzeichnen. Zudem erwies sich die Inzidenz neuer Osteoporose-bedingter Frakturen bei Frauen, die Denosumab über einen Zeitraum von fünf Jahren erhielten, als weiterhin niedrig.
Die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse betrug bei Frauen, die weiter Denosumab erhielten, 83,4 % und bei Frauen, die von Placebo darauf umgestellt wurden, 82,8 %. Die Häufigkeit schwerer unerwünschter Ereignisse lag jeweils bei 18,9 % bzw. 19,4 %.
Bei den Patientinnen, die in der Erweiterungsstudie von Placebo auf die Halbjahresspritze umgestellt wurden, war in den ersten beiden Jahren ein signifikanter Anstieg der BMD zu verzeichnen: Dieser betrug an
Bei zwei Patienten in der Gruppe, die von Placebo auf Denosumab umgestellt wurden, trat eine Kieferosteonekrose auf. In beiden Fällen ist diese ohne Komplikationen ausgeheilt. In beiden Gruppen zeigten sich keine atypischen Oberschenkelfrakturen. ❍ Quelle: Pressemitteilung der Amgen GmbH und GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, 11. März 2011
Schmerztherapie bei rheumatischen Erkrankungen
Celecoxib mit gutem Sicherheitsprofil Bei der Behandlung von mit Osteoarthrose oder Rheumatoider Arthritis assoziierten Schmerzen ist die Effektivität sowohl nicht-selektiver NSAR als auch selektiver COX-2-Inhibitoren unbestritten. Wichtige Unterscheide bestehen jedoch im jeweiligen kardiovaskulären und gastrointestinalen Sicherheitsprofil der Substanzen.
Nach Prof. Dr. Rainer Wigand, Frankfurt/M., bestehen hinsichtlich der kardiovaskulären Risiken nach gepoolten Analysen gewisse Vorteile für das traditionelle NSAR (tNSAR) Naproxen und – auch im Vergleich zu anderen COX-2-Hemmern – das spezifisch wirksame Celecoxib (Celebrex®). Letzte Gewissheit würden jedoch nur direkte Vergleichsstudien liefern, bis dahin sollte insbesondere auch das gastrointestinale Risiko für den Therapieentscheid herangezogen werden.
der CONDOR-Studie. Hierin erhielten 4.484 Patienten eine Schmerztherapie mit Diclofenac plus Omeprazol oder Celecoxib, wobei der gewählte neu definierte primäre Endpunkt CSULGIEs umfassend klinisch relevante Ereignisse im oberen und unteren GI-Trakt wie Blutungen im Dünndarm oder Dickdarm, sowie klinisch signifikante Anämien (Hb-Abfall ≥2 g/dl und/ oder Hämatokrit-Abfall ≥10 %) beinhaltete, führte Gaubitz weiter aus.
Das gastrointestinale Risiko ist insbesondere bei älteren, komorbiden Risikopatienten für tNSAR auch in Kombination mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) recht hoch, zudem wird vielfach vernachlässigt, dass PPI unterhalb des Treitz‘schen Bandes unwirksam sind und daher nicht vor Blutungen im unteren Gastrointestinal (GI)-Trakt schützen. Generell warnte Wigand vor einer einseitigen Sicht nur auf Komplikationen des oberen GI, jene im unteren GI seien mindestens ebenso relevant und werden durch die Kombination aus tNSAR und PPI nicht reduziert. Besonders zu beachten sind nach Wigand hierbei therapiebedingte Anämien aufgrund vermehrter okkulter Blutungen.
Nach sechs Monaten wurden unter Celecoxib 20, unter Diclofenac plus Omeprazol jedoch 81 klinisch relevante gastrointestinale Ereignisse verzeichnet. Über den gesamten Magen-Darm-Trakt hatten sich somit unter Celecoxib signifikant viermal weniger Blutungen als unter dem tNSAR plus PPI ereignet, betonte Gaubitz. Damit grenzt sich Celexoxib auch von Etoricoxib ab, das zwar wie Celecoxib im Vergleich zu Diclofenac und PPCI ein ähnliches Risiko für Ereignisse im oberen GI aufweist, für das aber anders als für Celexoxib, keine Vorteile gegenüber der Zweierkombination hinsichtlich der Ereignisrate im unteren GI gezeigt wurde. ❍
Dass diese ein relevantes Problem darstellen, zeigen nach Prof. Dr. Markus Gaubitz, Münster, die Daten
Quelle: Satellitensymposium der Pfizer Deutschland GmbH, DGIM-Kongress, Wiesbaden, 3. Mai 2011
50 Rheumatoide Arthritis
Mit Rituximab wird personalisierte Medizin zur Realität Kürzlich feierte Rituximab seinen fünften Geburtstag in der Behandlung der Rheumatoiden Arthritis (RA) und ist die bisher erste und einzige biomarkerbasierte Therapie, die bei dieser Erkrankung Einsatz findet. Zahlreiche klinische Studien haben die Wirksamkeit und Sicherheit von Rituximab erwiesen und 2011 zu einem Update des internationalen Consensus Statements geführt.
Das aktuelle Update des Consensus Statements legt auf Basis der in den letzten fünf Jahren gesammelten Informationen den großen Nutzen von Rituximab (MabThera®) dar.1 „Mit der Feststellung eines deutlich besseren Ansprechens bei seropositiven Patienten festigt das Statement darüber hinaus auch den Ansatz einer personalisierten Medizin mit Rituximab“, schlussfolgerte Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Bad Nauheim.
Personalisierte Medizin als Schlüssel zur RA-Therapie Ein seropositiver Status (RF- und/oder anti-CCP-positiv) dient als Marker für ein signifikant besseres Ansprechen auf eine RTX-Therapie im Vergleich zu seronegativen Patienten. In Subanalysen mehrerer Studien konnte diese Erkenntnis eindeutig nachgewiesen werden.2-6 Sie hat sowohl für die frühe RA, als auch für eine bereits länger bestehende Erkrankung Bestand. Demnach führt die Kombination Rituximab + Methotrexat (MTX) bei seropositiven Patienten zu einem verbessertem EULAR- und ACR-Ansprechen und zu einer effektiveren Hemmung der radiologischen Progression. Dieser Effekt konnte über alle Patientengruppen hinweg beobachtet werden und gilt für MTX-naive, DMARD-IR- und TNF-IR-Patienten. Rituximab ist bislang für ein Segment zugelassen, in dem das Patientenkollektiv meist enorm vorbehandelt
ΔDAS zu Monat 6
Deutsche MabThera-Kohortenstudie
0
alle Patienten RF-pos. Patienten anti-CCP-pos. Patienten p=0,0133 p=0,0176 p=0,0016
-0,5 -1
-1,19 -1,64
-1,17 -1,66
-1,06 -1,75
-1,5 -2 Rituximab n=90/67/68
Abb. 1: Veränderung der Krankheitsaktivität (DAS28)
TNF-Blocker n=106/89/64
ist. Nur etwa 40 % der Patienten erreichen trotz TNFα-Hemmern ein ACR70-Ansprechen, viele sprechen überhaupt nicht an oder weisen eine Intoleranz für die TNF-Hemmung auf. Die Gabe eines zweiten oder dritten TNF-α-Hemmers bei TNF-IR-Patienten führt zu einer abnehmenden Response.7 Durch den Wechsel auf den alternativen Wirkansatz mit Rituximab kann das Ansprechen im Vergleich zu einem Switch auf einen weiteren TNF-α-Hemmer erneut gesteigert und die fortschreitende Gelenkdestruktion aufgehalten werden.
Überlegene Wirksamkeit bei seropositiven Patienten Das bessere Ansprechen seropositiver Patienten konnte auch in der täglichen Routine bestätigt werden: Die Deutsche MabThera Kohortenstudie (DMK) zeigt in der Auswertung nach 6,6 Monaten, dass die Krankheitsaktivität durch eine Rituximab-Gabe deutlich stärker reduziert werden kann, als durch einen zweiten TNF-α-Hemmer.8 Dieser Unterschied war in der Subgruppe der anti-CCP-positiven Patienten im beobachteten Zeitraum besonders deutlich und statistisch signifikant (p=0,0016). Wie Prof. Dr. Andrea Rubbert-Roth, Köln, erklärte, zeigten diese Ergebnisse, basierend auf Kohortenstudien, dass die Behandlung mit Rituximab derjenigen mit TNF-α-Blockern bei RA-Patienten, die unzureichend auf TNF-α-Blocker angesprochen haben, überlegen war. Dies mache sich vor allem in einer klinisch signifikanten Verbesserung des DAS28 bemerkbar und gelte insbesondere für anti-CCP-positive Patienten. Mit Zulassung von Rituximab im Jahr 2006 startete in Deutschland eine multizentrische, prospektive, nichtinterventionelle Studie (NIS), die die Wirksamkeit und Sicherheit von Rituximab im klinischen Alltag über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren untersuchte.9 Fünf Interimsanalysen mit insgesamt 2.400 Patienten zeigten, so Dr. Jörg Wendler, Erlangen, auch hier ein besseres Ansprechen bei RF-positiven Patienten gegenüber den RF-negativen Patienten.10 Erfreulich war bei jeder Zwischenanalyse das hohe Maß an The-
51 rapiezufriedenheit bei Patienten und Ärzten bezüglich Wirkung und Verträglichkeit bei diesen Patienten mit schwerer, langjährig bestehender RA und intensiven Vortherapien. Damit hat sich Rituximab als effektives Therapieprinzip bei RA in den fünf Jahren seines Einsatzes auch unter praktischen Alltagsbedingungen etabliert und einen hohen Stellenwert erlangt, fasste Wendler zusammen.
Sicherheit auch unter Langzeittherapie gewährleistet Die vorliegenden Daten zur Langzeitsicherheit von Rituximab überblicken aktuell mehr als fünf Jahre Therapie und bis zu 15 Kurse. Das konsistent gute Langzeit-Sicherheitsprofil wurde in einer Analyse gepoolter Sicherheitsdaten von 3.189 Patienten mit 9.342 Patientenjahren, die mit Rituximab + MTX behandelt wurden, erneut bestätigt.11 Die Inzidenz von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen und schweren Infektionen war gleichbleibend niedrig unter multiplen Rituximab-Kursen, und die Rate schwerer Infektionen unter Rituximab war vergleichbar mit denjenigen
unter Placebo. Das Sicherheitsprofil für RA-Patienten unter Rituximab-Therapie zeigt sich damit auch unter Langzeitanwendung als unverändert günstig und ist vergleichbar mit dem anderer Biologika. ❍ Quelle: Pressekonferenz der Roche Pharma AG, Frankfurt/M., 3. Mai 2011 Literatur: 1 Buch M et al., Ann Rheum Dis 2011; doi:10.1136/ ard.2010.144998 2 Cohen S et al., Arth Rheum 2006; 54: 2793-2806 3 Keystone E et al., Ann Rheum Dis 2009; 68: 216-221 4 Isaacs JD et al., EULAR 2009; Poster FRI0256 5 Tak PP et al., Ann Rheum Dis 2011; 70: 39-46 6 Sellam J et al., Arthritis Rheum 2011; 63: 933-938 7 Navarro-Sarabia F et al., BMC Musculoskelet Disord. 2009; 10: 91 8 Kekow J et al., ACR 2010; Abstract 406 9 Wendler J et al., DGRh 2008, Poster RA 3.04 10 Wendler J et al., EULAR 2010, Poster SAT 0177 11 van Vollenhoven R et al., J Rheumatol 2010; 37: 558 567
Arthritis urica
Dauerhafte Harnsäuresenkung mit Febuxostat Der nicht-purinbasierte Xanthinoxidase-Inhibitor Febuxostat führt im Vergleich zu Allopurinol zu einer effektiveren Senkung der Serumharnsäure, ohne dabei die kardiovaskuläre Ereignisrate zu erhöhen.
Die für Gicht charakteristischen Ablagerungen von Harnsäurekristallen können Destruktionen an Knochen, Knorpel und Gelenken auslösen, die zu Funktionseinschränkungen führen. Zudem kann es auch zu einer chronischen Schädigung der Niere und zu Niereninsuffizienz kommen. Um die Folgen der Hyperurikämie zu vermeiden, empfiehlt die EULAR, die Serumharnsäure dauerhaft auf Werte <6 mg/dl (<360 µmol/l) einzustellen (Ann Rheum Dis 2006; 65: 13011311). Während der ersten sechs Monate der harnsäuresenkenden Therapie sollte eine Anfallsprophylaxe mit Colchicin oder NSAR durchgeführt werden. Therapie der Wahl ist Allopurinol. Bei niereninsuffizienten Patienten ist eine Dosisreduktion erforderlich. Das könne dazu führen, dass keine optimale Harnsäurereduktion erreicht werde, so Prof. Dr. Bernhard Manger, Erlangen. Hingegen könne das nicht-Purinanalogon Febuxostat (Adenuric®) bei leichter und mäßiger Niereninsuffizienz ohne Dosisanpassung verabreicht werden.
In klinischen Studien hat Febuxostat eine gegenüber Allopurinol überlegene harnsäuresenkende Wirksamkeit gezeigt. So erreichten in der APEX-Studie unter Febuxostat signifikant (p≤0,05) mehr Patienten die Zielharnsäurewerte von <6,0 mg/dl (80 mg: 48 %; 120 mg: 65 %) im Vergleich zur Allopurinol-Gruppe (22 %) (Arthritis Rheum 2008; 59: 1540-1548). Die Ergebnisse der CONFIRMS-Studie bestätigen die überlegene Wirksamkeit im Vergleich zu Allopurinol. An der Studie nahmen 2.269 Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren teil, von denen 48 % zusätzlich eine milde und 18 % eine mäßige Niereninsuffizienz hatten. Sowohl bei nierengesunden als auch bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion war Febuxostat effektiver als Allopurinol. Die Inzidenz schwerer kardiovaskulärer Ereignisse war in der 80 mg Dosierung ebenso hoch wie in der Allopurinol-Gruppe (Arthritis Res Ther 2010; 12: R63). ❍ Quelle: Satellitensymposium der Berlin-Chemie AG, DGIM-Kongress, Wiesbaden, 30. April 2011
52 Systemische juvenile idiopathische Arthritis
Positives CHMP-Votum für Tocilizumab Das Comittee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde EMA hat am 20. Mai die erweiterte Zulassung von Tocilizumab bei systemischer juveniler idiopathischer Arthritis (sJIA) empfohlen. Basis für das positive Votum sind die Ergebnisse der TENDER-Studie, in der die Wirksamkeit des IL-6-Rezeptorblockers auf die Gelenkentzündung und systemische Manifestationen belegt wurde (Ann Rheum Dis 2010; 69 (Suppl3): 146).
Mit dem positiven Votum für den humanisierten Antikörper Tocilizumab (RoActemra®) kann jetzt auch bei der systemischen JIA ein weiterer therapeutischer Fortschritt erzielt werden. Bei Zulassung ist Tocilizumab das bislang einzige Biologikum für diese schwere Form des Gelenkrheumas bei Kindern. Relevant für das positive Votum waren die Ergebnisse der TENDER-Studie mit 112 Patienten im Alter von zwei bis 17 Jahren nach zwölfwöchiger Behandlung mit Tocilizumab versus Placebo: Mit 85 % erreichten nach drei Monaten signifikant mehr Patienten unter Tocilizumab den primären Endpunkt eines PedACR30-Ansprechens sowie Fieberfreiheit gegenüber 24 % unter Placebo (p<0,0001). Knapp 71 % der Patienten konnten darüber hinaus unter Tocilizumab ein PedACR70Ansprechen und 37 % sogar ein PedACR90- Ansprechen erreichen. Damit übereinstimmend verringerte sich auch die Anzahl der aktiven Gelenke in der Tocilizumab-Gruppe um mehr als 70 % verglichen mit 37 % in der Placebo-Gruppe.
auch der systemischen Manifestationen und der Laborparameter. In der Gruppe mit dem IL-6-Rezeptorblocker war der prozentuale Anteil der Patienten, die in Woche 12 noch unter Fieber, Hautauschlag und Anämie litten, signifikant niedriger als unter Placebo. Dies galt auch für die Thrombozytose, ein erhöhtes Ferritin und Serumamyloid A (p je <0,0001 vs. Placebo).
Unter Tocilizumab zeigte sich in der TENDER-Studie nicht nur eine Verbesserung der artikulären, sondern
Quelle: Pressemitteilung der Chugai Pharma Marketing Ltd., Roche Pharma AG, 20. Mai 2011
Besonders wichtig bei Kindern ist die Frage nach der Sicherheit. Eine Auswertung zu Woche 12 ergab keine neuen unerwarteten Sicherheitssignale unter Tocilizumab. Die Infusionen wurde von den Kindern gut vertragen. Bei 4 % der Patienten traten schwere unerwünschte Ereignisse in Form von Angioödemen und Urtikaria, Varizellen und bakterieller Arthritis auf, die jedoch alle ohne Folgeerscheinungen abklangen. Auf Grundlage dieser positiven Daten wird die Zulassung von Tocilizumab bei systemischer JIA Ende Juni 2011 erwartet. ❍
Rheumatoide Arthritis
Aktuelle Langzeitdaten zu Etanercept Kürzlich wurde die bislang längste prospektive Studie zur Therapie mit einem TNF-Inhibitor veröffentlicht. Die Ergebnisse bestätigen, dass eine kontinuierliche Langzeittherapie mit Etanercept ein gutes Sicherheitsprofil sowie einen hohen therapeutischen Nutzen in der Behandlung von Patienten mit früher sowie RA hat (Arthritis Care Res 2011; 63: 373-382).
In die klinischen 2-Jahres-Studien wurden Patienten mit früher (ERA) oder fortgeschrittener RA (LRA) mit einer Krankheitsdauer ≥3 Jahre eingeschlossen. Diese Patienten konnten im Anschluss an den offenen Verlängerungsstudien teilnehmen und erhielten dann s.c. zweimal wöchentlich Etanercept (Enbrel®) 25 mg. Für die ERA-Patienten liegen Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit aus 12 Jahren vor und für die LRA-Patienten Daten zur Sicherheit aus 15 Jahren und zur
Wirksamkeit aus 11 Jahren. Im gesamten Studienzeitraum erhielten 558 ERA- und 714 LRA-Patienten Etanercept. Die durchschnittliche Anwendungsdauer von Etanercept lag bei 7,2 Jahren für die ERA-Patienten und bei 6,3 Jahren für die LRA-Patienten. Am Studienende hatten 35 % der ERA- und 30 % der LRA-Patienten für mindestens 10 Jahre zweimal wöchentlich Etanercept 25 mg erhalten. Insgesamt blieb das günstige Sicherheitsprofil bei den ERA- und LRA-Patienten
53 über den Behandlungszeitraum kontinuierlich erhalten. Gründe für einen Studienabbruch waren Nebenwirkungen (21 bzw. 22 %), eigener Wunsch (16 bzw. 15 %) oder ungenügende Wirksamkeit (13 bzw. 21 %). Die Raten für Infektionserkrankungen blieben in beiden Patientengruppen während der gesamten Dauer der Etanercept-Anwendung relativ konstant und waren nicht höher wie unter einer herkömmlichen DMARD-Therapie. In den Wirksamkeitsanalysen wurden für mehr als 10 Jahre in beiden Patientengruppen Verbesserungen im ACR20/50/70 beobachtet, wobei die ACR50/70-Responder in der LRA-Gruppe erwartungsgemäß nicht ganz so stark ausgeprägt waren wie in der ERA-Gruppe. Ebenso hielten die Verbesserungen im SJC an. Von den ERA-Patienten erreichten im zehnten Jahr 42 %
und von den LRA-Patienten 29 % eine DAS28-Remission. Die ERA-Patienten erzielten bei den HAQ-Werten wie erwartet eine größere mediane Reduktion als die LRA-Patienten. In beiden Gruppen war die HAQ-Reduktion klinisch signifikant und langfristig anhaltend. Der mediane HAQ-Wert lag während der gesamten Beobachtungszeit bei den LRA-Patienten <1 und bei den ERA-Patienten um 0,5. Die Daten aus den Langzeitbeobachtungen belegen, dass die gute Wirksamkeit und Sicherheit des TNF-Rezeptors Etanercept auch während einer langfristigen Anwendung von über zehn Jahren bei Patienten mit früher oder fortgeschrittener RA erhalten bleibt. ❍ Quelle: Pressemitteilung der Pfizer Pharma GmbH, 21. April 2011
International Immunology Summit
Frühe Therapie der RA im Fokus Auf dem Ende Februar in Berlin abgehaltenen „International Immunology Summit“ lag der Fokus auf der häufigsten entzündlichen Gelenkerkrankung: der Rheumatoiden Arthritis (RA). Als roter Faden zog sich die Bedeutung einer frühen Therapie und eines schnellen Ansprechens bei RA für ein langfristig verbessertes Outcome durch die Veranstaltung. So zeigten Studien zu dem pegylierten anti-TNF Certolizumab Pegol, dass Patienten mit frühem Ansprechen auch langfristig profitierten.
Laut Prof. Dr. Ronald van Vollenhoven, Stockholm (Schweden), betonen die aktuellen EULAR- Empfehlungen die Bedeutung der frühzeitigen therapeutischen Intervention binnen 4-12 Wochen mit darauf folgender engmaschiger Kontrolle der Krankheitsaktivität. Auf die hohe Bedeutung der ersten zwölf Wochen für die langfristige Prognose wies auch Prof. Dr. Désirée van der Heijde, Leiden (Niederlande), hin. So sei die Zeit bis zur DAS-Response und deren Level bis Woche 12 ein geeigneter Maßstab zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit für das Erreichen einer DAS28Remission oder niedrigen Krankheitsaktivität (LDAS). In einer post-hoc-Analyse der Phase- III-Studie RAPID wiesen jene Patienten mit aktiver RA unter Certolizumab Pegol (Cimzia®) mit einer DAS28-Verbesserung zu Woche 12 um ≥1,2 nach 52 Wochen im Vergleich zu den Non-Respondern bessere klinische und radiologische Ergebnisse auf. Weiterhin wurde unterschieden zwischen „Woche-6-Respondern“ und denen mit einer Verbesserung des DAS28 ≥1,2 nach 12 Wochen. Im Vergleich zu den „Woche-12-Respondern“ erreichten die „Woche-6-Responder“ nach 52 Wochen häufiger eine Remission und profitierten durch signifikant höhere ACR20/50/70-Ansprechraten. Auch
wiesen Patienten mit einem frühen Ansprechen nach sechs Wochen bedeutsame, anhaltende Verbesserungen der Parameter Fatigue, Schmerz und körperliche Beweglichkeit auf. Nach Prof. Dr. Edward Keystone, Toronto (Kanada), sind die ACR20/50/70-Ergebnisse in den vorliegenden Biologika-Studien ähnlich, deutliche Unterschiede zeigen sich aber im Wirkeintritt. Laut Keystone sei die maximale ACR50/70-Response für TNF-Inhibitoren typischerweise zu Woche 20 bis 24 zu sehen. Daten zu Certolizumab Pegol belegten, dass mit diesem anti-TNF bereits bis Woche 14 das Maximum des ACR50/70-Ansprechens erfolgte. Hinsichtlich der Monotherapie-Daten zeigte sich, dass unter Certolizumab Pegol das Plateau des ACR50-Ansprechens bereits zu Woche 8 erreicht wurde, während sich das ACR50-Plateau für TNF-Inhibitoren als Monotherapie im Allgemeinen zu Woche 12 zeige. Schnelligkeit, so Keystone, sei für Arzt und Patient das zentrale Kriterium, und zwar bezogen auf das Erreichen der maximalen Wirksamkeit sowie in Bezug auf eine Besserung der Symptomatik. ❍ Quelle: Pressemitteilung der UCB GmbH, 10. Mai 2011
54
Juvenile idiopathische Arthritis: Zulassungserweiterung für Adalimumab Das Unternehmen Abbott teilte mit, dass der TNF-Inhibitor Adalimumab (Humira®) am 18. März 2011 die Zulassungserweiterung für die polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis (pJlA) bei Kindern im Alter von 4 bis 12 Jahren von der Europäischen Kommission erhalten hat. Vorausgegangen war ein positives Votum des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) vom 17. Februar 2011. Bereits im Jahr 2008 war Adalimumab für Kinder und Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren zugelassen worden. Die Indikationserweiterung basiert auf Daten aus der Studie DE038, in der die hohe Wirksamkeit und Sicherheit von Adalimumab auch in diesem jüngeren Patientenkollektiv belegt wird. Um eine exakte Dosierung gewährleisten zu können, wird Adalimumab bei Kindern mit pJlA im Alter von 4 bis 12 Jahren abhängig von der Körperoberfläche dosiert. Die empfohlene Dosierung lautet: 24 mg/m² Körperoberfläche bis zu einer maximalen Einzeldosis von 40 mg Adalimumab s.c. alle zwei Wochen. Hierfür wird nach Angaben des Herstellers ab Juli 2011 eine Durchstechflasche mit 40 mg Adalimumab in 0,8 ml sowie entsprechendes Applikationszubehör zur Verfügung stehen. Teilvolumina können somit patientenspezifisch entnommen werden. Die aktualisierte Fach- und Gebrauchsinformation wird mit Markteinführung der Durchstechflasche zur Verfügung stehen. ❍ Quelle: Mitteilung von Abbott Immunology, 11. April 2011
Pharmanews
Forschungsförderung Rheumatologie: Auszeichnung für nnovative Arbeiten zur TNF-Hemmung Seit nunmehr fünf Jahren fördert Pfizer innovative Forschungsprojekte rund um das Thema TNF-Blockade bei rheumatologischen Erkrankungen. Bis zum 1. Juli 2011 konnten sich Forschergruppen für einen der bis zu vier Pfizer Specialty Care Forschungspreise Rheumatologie bewerben. Die Preise sind mit jeweils 60.000 Euro dotiert und werden für Projekte zweckgebunden an wissenschaftliche Einrichtungen in Deutschland vergeben, die theoretisch oder praktisch die TNF-α-Hemmung untersuchen und im Interesse der Patientenversorgung einen re-
levanten Beitrag zum besseren Verständnis von Wirksamkeit und Sicherheit von Biologics leisten können. Die Auswahl der Projekte erfolgt durch eine unabhängige und hochkarätig besetzte internationale Jury: Prof. Dr. Maxime Dougados, Paris (Frankreich), Prof. Dr. Lars Klareskog, Stockholm (Schweden), Prof. Dr. Paul Emery, Leeds (Großbritannien) und Dr. Nicola Ruperto, Genua (Italien) werden in einem unabhängigen Auswahlverfahren die diesjährigen Preisträger ermitteln. ❍ Quelle: Pressemitteilung der Pfizer Pharma GmbH, 14. April 2011
Rheumatoide Arthritis: Vertrieb von Prednison MR jetzt bei Mundipharma Das Unternehmen Mundipharma übernimmt die Vertriebs- und Marketingrechte an Prednison MR (Lodotra®) in Deutschland. Mit dem Wechsel sind Mundipharma und dessen assoziierten Unternehmen in fast ganz Europa verantwortlich für die Vermarktung des Low-Dose-Kortikoids. Prednison MR (modified release) ist zugelassen zur Behandlung der mäßigen bis schweren, aktiven rheumatoiden Arthritis bei Erwachsenen, insbesondere, wenn diese von morgendlicher Gelenksteifigkeit begleitet ist. Das innovative, in den Wirkstärken 1 mg, 2 mg und 5 mg zu jeweils 30 und 100 Tabletten erhältliche Präparat wirkt sich aufgrund seiner zirkadian optimierten Galenik positiv auf die gesamte Krankheitsaktivität aus. Es wird gegen 22 Uhr eingenommen, vier Stunden später wird die gesamte Prednisondosis freigesetzt, genau dann, wenn gegen 2 Uhr nachts die Entzündung maximal aktiviert wird. Seit dem 1. Mai steht eine kostenlose Mundipharma-Infoline für Fragen rund um diese Therapie zur Verfügung (Tel.: 0800/8551111). ❍ Quelle: Pressemitteilung der Mundipharma GmbH, 20. April 2011
Ausblick
o
Annual European Congress of Rheumatology (EULAR) 2011 Lesen Sie in der nächsten Ausgabe alles Wissenswerte vom Kongress in London
Chefredaktion: Dr. Michael Lohmann, lohmann@wortreich-gik.de Redaktion: Dr. Ine Schmale, schmale@wortreich-gik.de, Dr. Klaus-Georg Maiwald, info@wortreich-gik.de Herausgeber: Dr. Edmund Edelmann, Prof. Dr. Jörn Kekow, Sigurd Rudeloff
Wissenschaftlicher Beirat: PD Dr. Marina Backhaus, Berlin · Prof. Dr. Jürgen Braun, Herne · Wilfried Bridts, München · Prof. Dr. Dieter Felsenberg, Berlin · Prof. Dr. Peter Herzer, München · Dr. Ulrich von Hinüber, Hildesheim · Prof. Dr. Herbert Kellner, München · Prof. Dr. Klaus Krüger, München · PD Dr. Benedikt Ostendorf, Düsseldorf · Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops, München · Prof. Dr. Joachim Sieper, Berlin · Prof. Dr. Christof Specker, Essen · Dr. Ralph Steinbrück, München Grafik: Inken Pöhlmann, www.ip-design.net Druck: RT-Druckwerkstätten, Mainz
Jahrgang 3 · 3-2011 · ISSN 1868-6044 · Jahresabonnementpreis: € 69,00 inkl. MwSt. und Versand Die als Report gekennzeichneten Beiträge stellen nicht die Meinung der Redaktion, sondern der betreffenden Auftraggeber dar, die für den Inhalt verantwortlich zeichnen. Die Zeitschrift und alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos. Weder Herausgeber noch Verlag haften für Inhalte, Informationen sowie die Richtigkeit der Aktenzeichen, die verlagsseitig mit aller Sorgfalt wiedergegeben wurden.
Impressum
Verlag: WORTREICH Gesellschaft für Individuelle Kommunikation mbH, Barfüßerstr. 12, 65549 Limburg, Tel. 06431/59096-0, Fax 06431/ 59096-11, info@wortreich-gik.de, www.wortreich-gik.de
Hier steht eine Anzeige.