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RHEUMATOLOGIE TRIFFT ONKOLOGIE

EULAR-Leitfaden zu Diagnose und Management von irAEs unter Checkpoint-Inhibitoren publiziert

Rheumatische, immun-assoziierte unerwünschte Ereignisse (irAEs), oft muskuloskelettale Manifestationen, die als Begleiterscheinung und oft Zeichen eines guten Ansprechens bei onkologischen Patienten unter einer Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) auftreten, spielen mit deren zunehmendem Einsatz eine immer größere Rolle in der rheumatologischen Praxis. Eine aus 19 Experten bestehende EULAR Task Force um Marie Kostine, Bordeaux (Frankreich), publizierte auf Basis eines systemischen Literaturreviews und Expertenmeinungen eine Richtlinie („points to consider“) zu deren Diagnostik und Behandlung.

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Das Ergebnis der Literaturauswertung waren nach zwei Meetings und Abstimmungen 4 übergreifende Prinzipien und 10 „points to consider“. Die übergreifenden Prinzipien besagen: Rheumatische und muskuloskettale immun-assoziierte unerwünschte Ereignisse können als Manifestationen einer ICITherapie bei damit behandelten Krebspatienten auftreten. Das Management rheumatischer und muskuloskettaler irAEs sollte auf einer „shared decision“ von Patienten, Onkologen und Rheumatologen basieren. Rheumatologen sollten sich mit Onkologen in Verbindung setzen, um zur interdisziplinären Versorgung von Patienten mit muskuloskettalen Zeichen und Symptomen beizutragen. Die Rolle des Rheumatologen ist das Assistieren von Onkologen bei der Differenzialdiagnose und bei der Reduktion von rheumatischen und muskuloskettalen Symptomen auf ein akzeptables Niveau, welches die Fortfühder ICI-Therapie diskutiert werden. Beim Auftreten lebensbeDysarthrie oder Dysphonie; sowie Dyspnoe und Myokarditis)

rung einer effektiven ICI-Therapie erlaubt.

Points to consider im Überblick

Rheumatologen sollten sich des weiten Spektrums klinischer Präsentationen rheumatischer und/oder systemischer irAEs, die oft nicht die traditionellen Klassifikationskriterien erfüllen, bewusst sein. Onkologen sollten bei V. a. rheumatische, muskukann es zu einem Flare der Grunderkrankung und/oder irAEs

loskelettale oder systemische Zeichen und Symptome infolge der Immuntherapie dazu ermutigt werden, sofort einen Rheumatologen hinzuzuziehen, der dann einen erleichterten Zugang für diese Patienten gewähren sollte.

Metastasen, paraneoplastische Syndrome und rheumatische Erkrankungen ohne Bezug sollten als potenzielle Differenzialdiagnosen von irAEs erachtet werden. Das umfassende Assesssystemischer Symptome sollte eine vollständige rheumatologi

ment sollte auf den Nachweis einer Entzündung der Zielorgane fokussieren, basierend auf Anamnese, klinischen Features, Labortests, Bildgebung und/oder Biopsien.

Im Falle einer Ineffektivität symptomatischer Therapien und in Abhängigkeit von der Krankheitsschwere sollten lokale und/ oder systemische Glukokortikoide (GK) bei irAEs und systemischen Symptomen erwogen werden. Dosierungen und Admifestgelegt werden. Nach erreichter Besserung sollten systemische GK auf die zur Symptomkontrolle erforderliche, geringstmögliche Dosis reduziert werden. Bei unzureichendem Ansprechen auf eine akzeptable GK-Dosis oder bei erforderlicher Steroideinsparung sollten csDMARDs erwogen werden. Bei Patienten mit schweren bzw. systemischen irAEs oder unzureichendem Ansprechen auf csDMARDs können bDMARDs erwogen werden, bei entzündlicher Arthritis präferenziell TNFαoder IL-6-Inhibitoren.

Die Entscheidung für oder gegen das Fortsetzen der ICI-Therapie sollte basieren auf der Schwere der irAEs, dem Ausmaß der benötigten Immunsuppression, dem Tumoransprechen und dessen Dauer sowie dem künftigem onkologischen Behandlungsplan, in einer gemeinsamen Entscheidung mit dem Patienten.

Bei Myositis, die schwerwiegend sein kann, muss ein Abbruch drohlicher Manifestationen (Bulbärsymtomatik: Dysphagie, sollten Hochdosis-GK, intravenöse Immunglobuline (IVIG) und/oder ein Plasmaaustausch erwogen werden, das Stoppen der ICI-Therapie ist dann immer erforderlich.

Vorexistierende rheumatische oder systemische Erkrankungen schließen eine ICI-Therapie nicht aus. Immunsuppressiva sollten in der geringstmöglichen Dosis beibehalten werden (GK: <10 mg/Tag Prednisolon, falls möglich). Bei vielen Patienten kommen, die den Einsatz von GK und/oder DMARDs erforderlich macht.

Last but not least: Vor Beginn der ICI-Therapie gibt es keine Indikation dafür, jeden Patienten auf Autoantikörper zu testen. Im Falle unerklärlicher rheumatischer, muskuloskelettaler oder nistrationsrouten sollten gemäß klinischer Entität und Aktivität

sche Abklärung durchgeführt werden. m

JUVENILE IDIOPATHISCHE ARTHRITIS Treat-to-target-Strategie erfolgreich anwendbar

Vor Kurzem wurden auch für die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) Treat-to-target (T2T)-Empfehlungen formuliert. Dass dies so spät geschah, war primär der fehlenden Evidenz aus Studien geschuldet. Nachdem 2019 die holländische Best-for-kids-Studie die Praktikabilität und gute Behandlungsergebnisse einer T2T-Strategie mit Tight-control bei polyartikulärer JIA (pJIA) belegte, zeigte nun auch eine deutsche Studie von Ariane Klein, Sankt Augustin, und Kollegen, dass eine frühe T2T-Strategie im Vergleich zu einer Routinebehandlung bei pJIA-Patienten häufiger das Erreichen einer Remission oder minimalen Krankheitsaktivität (MDA) nach 12 Monaten ermöglicht.

In die Studie eingeschlossen wurden 63 Patienten mit früher, aktiver pJIA. Als Therapieziele festgelegt wurden eine spürbare Verbesserung im Juvenile Arthritis Disease Activity Score (JADAS) nach 3 Monaten, ein akzeptabler Erkrankungsstatus nach 6 Monaten, das Erreichen einer JADAS-MDA nach 9 Monaten und – als primärer Endpunkt – das einer JADAS-Remission nach 12 Monaten. Als Ersttherapie wurde Methotrexat (MTX) verordnet, bei Nicht-Erreichen des Therapieziels zum jeweiligen Zeitpunkt war eine Therapieanpassung inklusive Eskalation auf ein bDMARD angezeigt. Die Wahl des Biologikums war nicht vom Protokoll vorgegeben. Schließlich wurden die T2T-Patienten mit einer gematchten Kohorte von pJIA-Patienten aus dem BIKER-Register ohne T2TStrategie verglichen. Dem Studienprotokoll entsprechende Daten lagen nach 12 Monaten für 54 Patienten vor. Die jeweiligen Therapieziele erreichten nach 3, 6, 9 und 12 Monaten 73 %, 75 %, 77 % und 48 % der Teilnehmer. Im Vergleich zu den gematchten Kontrollen erreichten die pJIA-Patienten mit einer am T2TPrinzip ausgerichteten Therapie signifikant häufiger eine JADAS-Remission (48 vs. 32 %, Odds ratio, OR 1,96; p=0,033) und JADAS-MDA (76 vs. 59 %, OR 2,2; p=0,028) in Monat 12. Die Patienten der T2T-Kohorte erhielten dabei signifikant häufiger ein bDMARD (50 vs. 9 % nach 12 Monaten, OR 9,8; p<0,0001). Allerdings erreichte knapp die Hälfte der T2TPatienten die Therapieziele auch ohne ein bDMARD. Im Ergebnis zeigt sich somit ein klarer Vorteil des T2T-Konzepts in diesem pJIA-Kollektiv. m

Quelle: Ann Rheum Dis 2020; doi: 10.1136/annrheumdis-2019-216843

ADULTER MORBUS STILL Canakinumab: Ein Rückblick auf die CONSIDER-Studie

Seit einiger Zeit werden die systemische juvenile idiopathische Arthritis (sJIA) und der adulte Morbus Still (Adult-Onset Still’s Disease, AOSD) als ein Krankheitsbild mit Beginn in unterschiedlichen Lebensphasen begriffen. Ein Ausgangspunkt waren frühere Befunde zu dem Interleukin (IL)-1β-Inhibitor Canakinumab, der daraufhin von deutschen Rheumatologen um Claudia Kedor, Berlin, gezielt in der unabhängigen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten, multizentrischen Phase-II-Studie CONSIDER bei AOSD-Patienten mit aktiver Gelenkbeteiligung geprüft wurde. Jetzt wurden deren Ergebnisse in Gänze publiziert.

In die CONSIDER-Studie wurden Patienten mit AOSD und aktiver Gelenkbeteiligung (TJC und SJC je ≥4) eingeschlossen und entweder mit Canakinumab (4mg/kg, max. 300mg s.c. alle 4 Wochen) oder Placebo behandelt. Eine stabile Begleittherapie mit NSAR, Glukokortikoiden (Prednison ≤10 mg/Tag) und csDMARDs war erlaubt, zuvor gegebene bDMARDs mussten vor Studienbeginn ausgewaschen sein. Primärer Endpunkt der Studie war der Anteil von Patienten mit klinisch relevanter Reduktion der Krankheitsaktivität nach 12 Wochen (ΔDAS28-ESR >1,2). Ursprünglich sollten 68 Patienten eingeschlossen werden, aufgrund der bereits erfolgten EMA-Zulassung von Canakinumab für die AOSD wurde die Rekrutierung vorzeitig nach 36 Teilnehmern gestoppt. Initial war mit einem mittleren DAS28-ESR von 5,4 (Canakinumab) bzw. 5,3 (Placebo) eine hohe Krankheitsaktivität gegeben.

In der ITT-Analyse erreichten 12 Patienten (67 %) unter Canakinumab und 7 (41 %) unter Placebo den primären Endpunkt (p=0,18). In der Per-Protokoll-Analyse erreichten signifikant mehr Patienten unter Canakinumab ein Ansprechen gemäß ACR30 (61 vs. 20 %; p=0,033), ACR50 (50 vs. 6,7 %; p=0,009) und ACR70 (28 vs. 0 %; p=0,049).

Trotz der vorzeitigen Terminierung der Studie und dem (damit verbundenen) Verfehlen des primären Endpunkts zeigte sich somit ein gutes Ansprechen vieler Parameter der AOSD auf Canakinumab, was dessen Zulassung in dieser Indikation nachträglich stützt. m

GICHTARTHRITIS Therapiealternative bei akuten Gichtschüben geprüft

Bei akuten Gichtattacken werden gewöhnlich mit gutem Erfolg NSAR, Prednisolon oder Colchicin eingesetzt. Jedoch weisen viele Patienten eine Kontraindikation für eine oder mehrere dieser Therapien auf. Da Schübe maßgeblich von Interleukin (IL)-1β getrieben werden, sind auch IL-1-Inhibitoren wie Canakinumab effektiv, werden aber aufgrund der parenteralen Gabe und hohen Kosten nur selten bei therapierefraktären Patienten mit Gichtarthritis eingesetzt. US-amerikanische und niederländische Experten um Tim Jansen, Venlo, prüften nun in einer Studie mit Dapansutril ein neues Wirkprinzip, dass das NLRP3-Inflammasom und in der Folge die Aktivierung von IL-1β inhibiert, als mögliche Alternative.

In die open-label, Proof-of-Concept, Phase-IIa-Studie wurden zwischen Mai 2017 und Januar 2019 (von 144 gescreenten) 34 erwachsene Patienten (18-80 Jahre) mit monoartikulärer Gicht und Nachweis von Uratkristallen in einer holländischen Klinikambulanz eingeschlossen und in einem Studiendesign mit Dosisanpassung für 8 Tage mit oralem Dapansutril 100 mg/Tag (n=8), 300 mg/Tag (n=7), 1.000 mg/Tag (n=6) oder 2.000 mg/Tag (n=8) behandelt.

Ko-primäre Endpunkte waren die Veränderungen der Schmerzen im Zielgelenk (gemäß der Einschätzung der Teilnehmer) von Baseline bis Tag 3 bzw. bis Tag 7 (die Per-Protokoll-Analyse umfasste 29 Patienten, die ≥80 % der Studienmedikation erhielten und bei denen kein relevanter Verstoß gegen das Studienprotokoll vorlag).

Im Ergebnis kam es von Baseline bis Tag 3 zu einer durchschnittlichen Schmerzreduktion im Zielgelenk von 52,4 % (p=0,016) in der 100 mg/Tag-Gruppe, 68,4 % (p=0,016) in der 300 mg/TagGruppe, 55,8 % (p=0,063) in der 1.000 mg/Tag-Gruppe und 57,6 % (p=0,016) in der 2.000 mg/Tag-Gruppe. An Tag 7 belief sich die jeweilige mittlere Schmerzreduktion auf 82,1 % (p=0,031; 100 mg/ Tag), 84,2 % (p=0,016; 300 mg/Tag), 68,9 % (p=0,031; 1.000 mg/Tag) und 83,9 % (p=0,008; 2.000 mg/Tag) im Vergleich zum Ausgangswert. Bei Berücksichtigung der Dosisanpassung zeigte sich vor allem im Hinblick auf frühe Effekte eine bessere Wirkung der drei höheren Dosen. Die Schmerzlinderung an Tag 3 (56-68 %) war vergleichbar mit der in Studien mit NSAR (65 %) und Prednisolon (61 %), der Wirkeintritt war ähnlich wie bei IL-1-Inhibitoren früh messbar. Bei 73,5 % der Patienten wurden therapieassoziierte unterwünschte Ereignisse (UE), meist metabolische oder gastrointestinale Störungen, beobachtet. Zwei schwere UE wurden nicht Dapansutril zugeschrieben. Bei akzeptabler Sicherheit erwies sich der NLRP3-Inhibitor als durchaus wirksam, weitere Aussagen zum künftigen Potenzial von Dapansutril werden angesichts der geringen Gruppengrößen erst größere Studien zulassen. m

Quelle: Lancet Rheumatol 2020; 2(5): e270-e280

ACR-Leitlinie 2020 zum Therapiemanagement vorgestellt

Auch wenn für deutsche Rheumatologen die DGRh-Empfehlungen maßgeblich sind, sei an dieser Stelle doch ein kurzer Blick über den großen Teich gestattet, wo US-amerikanische Rheumatologen um Tuhina Neogi, Boston, die ACR-Leitlinie 2020 und damit die aktuellsten Empfehlungen zur Gichttherapie publiziert haben.

Insgesamt verständigte sich das Panel auf 42 Empfehlungen, darunter 16 starke. Bei allen Patienten mit ≥1 Tophus, Gicht-assoziierter radiologischer Schädigung und Gichtschüben (≥2/Jahr) soll eine harnsäuresenkende Therapie (ULT) eingeleitet werden. Im Falle einer chronischen Niereninsuffizienz (CKD >3), einem Serum-Harnsäurespiegel >9 mg/dl oder Urolithiasis kann dies auch nach dem ersten Schub erwogen werden. Präferenziell soll (aus Kosten- und Sicherheitsaspekten) Allopurinol eingesetzt werden, dies auch bei niereninsuffizienten Patienten (CKD ≥3), die Startdosis sollte niedrig angesetzt werden (≤100 mg/ Tag und geringer bei CKD, dann langsame, individuelle Titration). Alternativ wird Febuxostat (Startdosis ≤40 mg/Tag) empfohlen, als Folge der CARES-Studie soll es nicht bei kardiovaskulär vorerkrankten Patienten eingesetzt bzw. diese umgestellt werden (oder individuelle Absprache). Ziel der ULT ist im Sinne eines Treat-to-target-Ansatzes ein SerumHarnsäurewert <6 mg/dl. Sie sollte dauerhaft fortgeführt werden, bei klinischer Remission (kein Schub für ≥1 Jahr, keine Tophi) kann ein Tapering oder eine Pausierung erwogen werden. Bei Initiierung der ULT gibt es seine starke Empfehlung für eine Prophylaxe mit Colchicin, NSAR oder Prednison für 3-6 Monate.

Zum Management von Gichtschüben gibt es gleichfalls eine starke Empfehlung für Colchicin, NSAR oder Glukokortikoide (oral, i.a. oder i.m.), alternativ kann ein IL-1-Inhibitor erwogen werden. m

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