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FRÜHE RHEUMATOIDE ARTHRITIS

Evidenz für raschen Therapiebeginn innerhalb von sechs Wochen

Gleich die erste Empfehlung der EULAR-Leitlinie zum Management der frühen Arthritis besagt, dass Patienten innerhalb von sechs Wochen nach Auftreten der ersten Symptome einem Rheumatologen zugewiesen und von diesem untersucht werden sollten. Die Umsetzung dieser Empfehlung in der Praxis ist nicht einfach, auch wenn mit der Einrichtung von Früharthritis-Sprechstunden große Fortschritte erzielt wurden. Trotz theoretischer Erwägungen zum „window of opportunity“ fehlte es bislang auch an Evidenz für die Vorteile eines 6-Wochen-Zeitfensters gegenüber einem Zeitrahmen von bis zu 12 Wochen. Niederländische Rheumatologen um Ellis Niemantsverdriet, Leiden, schlossen jetzt diese Lücke mit einem Vergleich des Langzeit-Outcomes von Patienten, die binnen 6 oder 7-12 Wochen vom Rheumatologen gesehen wurden.

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In die retrospektive Beobachtungsstudie wurden konsekutive Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) aus sowohl der Leiden Early Arthritis Clinic (EAC)- und French Etude et Suivi des Polyarthrites Indifferenciées Recentes (ESPOIR)-Kohorte eingeschlossen. Analysiert wurden mit RA diagnostizierte Teilnehmer, die die ACR-Klassifikationskriterien aus 1987 erfüllten und für die Daten zu Symptombeginn und Remission verfügbar waren. Diese wurden gruppiert auf Basis der Zeit zwischen Symptombeginn und erstem Termin beim Rheumatologen: ≤6 Wochen, 7-12 Wochen und ≥12 Wochen. Wichtigste Endpunkte waren eine anhaltende DMARD-freie Remission und die radiologische Progression.

Langfristig häufiger anhaltende Remission erreichbar

In die Analyse flossen 1.025 RA-Patienten ein, die von 1996 bis 2017 in die EAC-, und 514, die von 2002 bis 2005 in die ESPOIR-Kohorte eingeschlossen wurden. Das mediane Followup betrug 7,1 Jahre in der EAC- und 10,0 in der ESPOIR-Kohorte. Nach 7 Jahren erreichten in der EAC 24 % der 127 Patienten, die binnen ≤6 Wochen von Rheumatologen gesehen wurden, eine anhaltende DMARD-freie Remission gegenüber 20 % jener 223 Patienten, die nach 7-12 Wochen einen Termin erhalten hatten, und 15 % der 675 Patienten, die erst nach >12 Wochen zum Rheumatologen kamen. In der multivariaten Analyse berechnete sich für die binnen 6 Wochen gesehenen Patienten ein signifikanter Vorteil in puncto Remission im Vergleich zur Gruppe mit 7-12-Wochen-Zeitfenster (Hazard ratio, HR 1,59, 95% KI 1,02-2,49; p=0,042) und jener mit mehr als 12 Wochen Wartezeit (HR 1,54; 95% KI 1,04-2,29; p=0,032). In der ESPOIRKohorte erreichten nach 10 Jahren Follow-up 27 % der 11 Patienten im 6-Wochen-Zeitfenster, 11 % der 100 Patienten im 7-12-Wochen-Zeifenster und 10 % der 403 Patienten mit mehr als 12-wöchigem Zeitfenster eine anhaltende DMARD-freie Remission. Hier ergab die multivariate Analyse ein ähnliches Bild, jedoch waren die Vorteile nicht-signifikant (HR 2,81, 95% KI 0,75-10,53; p=0,12 für 6 vs. 7-12 Wochen und HR 3,05, 95% KI 0,89-10,49; p=0,077 für 6 vs. >12 Wochen). Eine Metaanalyse über beide Kohorten zeigte, dass eine Visite beim Rheumato

logen binnen ≤6 Wochen signifikant die Wahrscheinlichkeit für eine DMARD-freie Remission erhöhte (HR 1,69; p=0,016 vs. 7-12 Wochen; HR 1,67; p=0,020 vs. >12 Wochen).

Im Hinblick auf die radiologische Progression waren dagegen zumeist keine Unterschiede zugunsten des 6-Wochen-Zeitfensters erkennbar (β=1,00; p=0,96 in der EAC- bzw. β=0,93; p=0,30 in der ESPOIR-Kohorte vs. 7-12 Wochen sowie β=0,96; p=0,064 in der EAC- bzw. β=0,89; p=0,10 in der ESPOIR-Kohorte). In der entsprechenden Metaanalyse war eine Visite innerhalb von 6 vs. 7-12 Wochen nicht-signifikant mit einer geringeren radiologischen Progression assoziiert (β=0,99; p=0,75), gegenüber der >12-Wochen-Gruppe war hingegen der Vorteil statistisch signifikant (β=0,95; p=0,028).

Ein Termin beim Rheumatologen binnen sechs Wochen nach Symptombeginn, wie von der EULAR gefordert und immer häufiger durch Früharthritis-Sprechstunden auch realisierbar, lohnt sich insbesondere in Bezug auf das langfristige Erreichen einer Remission, weniger in Bezug auf die (so früh meist noch geringe) radiologische Progression. m

RHEUMATOIDE ARTHRITIS Unklare Zukunft für oralen BTK-Inhibitor Fenebrutinib

Bislang sind die JAK-Inhibitoren die einzigen oral einzunehmenden, zielgerichteten (ts)DMARDs bei rheumatoider Arthritis (RA). Eine Hoffnung, dieses Feld zu erweitern, ruht auf der an B-Zellen und myeloiden Zellen ansetzenden Inhibition der Bruton’s Tyrosin-Kinase (BTK) mit Fenebrutinib. Der hochselektive, nicht-kovalente BTK-Inhibitor wurde von einer primär US-amerikanischen Gruppe um Stanley Cohen, Dallas, in der randomisierten, doppelblinden, placebo- und aktivkontrollierten Phase-II-Studie ANDES gegen Placebo und Adalimumab geprüft worden. Ganz überzeugen können die Daten nicht.

In einem Teil der ANDES-Studie zu Fenebrutinib (Kohorte 1) waren 480 Patienten mit aktiver RA und inadäquatem Ansprechen auf Methotrexat (MTX) auf drei Fenebrutinib-Dosierungen (1x 50, 1x 150 oder 2x 200 mg/Tag), s.c. 40 mg Adalimumab alle 2 Wochen oder Placebo randomisiert worden. In einem weiteren Studienteil (Kohorte 2) wurden 98 Patienten mit aktiver RA und zusätzlich unzureichendem Ansprechen auf TNFαInhibitoren auf Fenebrutinib 2x 200 mg/ Tag oder Placebo randomisiert. In beiden Kohorten wurde MTX als stabile Hintergrundtherapie weitergeführt. Primärer Endpunkt war jeweils das ACR50-Ansprechen in Woche 12. In Kohorte 1 zeigte sich kein Unterschied im ACR50 nach 12 Wochen zwischen Fenebrutinib 1x 50 mg/Tag und Placebo (15 %), etwas besser schnitt die 1x tägliche 150 mg-Dosis (28 %) ab, vor allem aber 2x 200 mg Fenebrutinib (35 %) (p=0,017; p=0,0003). Im Vergleich erwies sich die höchste Fenebrutinib-Dosis damit auf Augenhöhe mit Adalimumab (36 %; p=0,81), war aber eben auch nicht – wie erhofft – besser. In Kohorte 2 erreichten nach 12 Wochen mehr Patienten (ohne statistische Signifikanz) ein ACR50-Ansprechen unter Fenebrutinib 2x 200 mg/Tag versus Placebo (25 vs. 12 %; p=0,072). Häufigste Nebenwirkungen des BTKInhibitors waren Übelkeit, Kopfschmerzen, Anämie und Infektionen der oberen Atemwege. Es zeigten sich unter Fenebrutinib signifikante Effekte auf Myeloid- und B-Zell-Biomarker (CCL4, RF), die sich von jenen unter Adalimumab teils unterschieden, teils überlappten. Ob der BTK-Inhibitor trotz guter Wirksamkeit der 2x 200 mg-Dosierung (nach MTX-Versagen auf dem Niveau von Adalimumab) bei RA weiterentwickelt wird, bleibt abzuwarten. m

Quelle: Arthritis Rheumatol 2020; doi: 10.1002/art.41275

Deeskalation von Biologika meist gut durchführbar

Bisherige Studien zur Therapiedeeskalation bei RA-Patienten, die längere Zeit in Remission waren oder eine niedrige Krankheitsaktivität hatten, zeigten, dass vielfach eine Dosisreduktion mittels Verlängerung des Therapieintervalls von bDMARDs möglich, ein gänzlicher Abbau aber oft mit Flares verbunden ist. Dass eine solche Strategie in der täglichen klinischen Praxis tragfähig ist, bestätigt nun auch eine retrospektive Studie belgischer Rheumatologen um Patrick Durez, Brüssel.

Ausgewertet wurden in der monozentrischen Studie die Daten von 332 RA-Patienten der Brüsseler UCLouvain-Kohorte von 2000 bis 2018, von denen bei 140 (42,1 %) ein Tapering des bDMARDs vorgenommen wurde, während 192 (57,9 %) auf einer stabilen bDMARD-Dosis verblieben (die bDMARD-Therapie musste zuvor über mindestens 1 Jahr erfolgt sein). Das durchschnittliche Follow-up erstreckte sich über 14,6 Jahre, 68 % der Patienten waren auf einem TNFαInhibitor, 15 % auf Tocilizumab, 10 % auf Rituximab und 7 % auf Abatacept. Das Alter generell und jenes bei Diagnosestellung (60,7 vs. 55,7; p=0,02 bzw. 43,1 vs. 38,7 Jahre; p=0,04), der HAQ-Score (1,3 vs. 1,5, p=0,048) sowie der PtGA-Score (60,1 vs. 67,1, p=0,024), die Rate RF-positiver Patienten (83,3 vs. 72,9 %, p=0,04) und die Krankheitsdauer zum Zeitpunkt der ersten bDMARD-Therapie (9,7 vs. 12,1 Jahre; p=0,034) waren signifikant unterschiedlich zwischen dem Arm mit reduzierter und stabiler bDMARD-Dosis. In der Dosisreduktions-Gruppe waren die RA-Patienten zudem signifikant häufiger mit einem bDMARD in Kombination mit Methotrexat (MTX) behandelt worden (86,7 vs. 73,8 %; p=0,005) und hatten seltener ein zweites bDMARD benötigt (26,6 vs. 32 %).

Im Ergebnis kam es im Verlauf des Follow-up nur bei 15 Patienten zu einem Flare, der im Mittel nach 1,9 Jahren auftrat. Unter den 140 Patienten mit bDMARDDeeskalation gelang bei 11, 39 und 75 eine Dosisreduktion um >50 %, 50 % und <50 %. Am häufigsten glückte eine Dosisreduktion unter Adalimumab (67 %), Etanercept, Rituximab und Abatacept (je ca. 50 %), wobei aber die geringe Größe dieser Subgruppen zu berücksichtigen ist. Als Fazit kann somit gezogen werden, dass im Praxisalltag eine schrittweise bDMARD-Dosisreduktion um ca. 50 % in vielen Fällen ohne gravierendes Flare-Risiko möglich ist. Die Fortführung von MTX als Begleittherapie erhöhte die Erfolgswahrscheinlichkeit. m

RHEUMATOIDE ARTHRITIS Bariatrische Chirurgie: Positive Effekte auf Krankheitsaktivität

Adipositas gilt nicht nur als Risikofaktor für eine rheumatoide Arthritis (RA), sondern ist auch mit einer höheren Krankheitsaktivität und einem schlechteren Ansprechen assoziiert. Anders als für die Gewichtsabnahme per se, gut belegt bei RA, Psoriasis und Psoriasis-Arthritis, ist die bislang vorliegende Evidenz für die bariatrische Chirurgie bei adipösen RA-Patienten eher ungenügend. Eine chinesische Studie von Zhen Zhang, Heifei, und Kollegen, die eine Kontrollgruppe hatte, belegt nun bei einer bariatrischen Chirurgie unterzogenen fettleibigen RA-Patienten mit Gewichtsverlust eine nach 12 Monaten signifikant niedrigere Krankheitsaktivität.

In der 12-monatigen prospektiven Studie wurden 65 adipöse RA-Patienten (mittlerer BMI ca. 38) erfasst, von denen 32 die Kriterien für eine bariatrische Chirurgie plus Pharmakotherapie erfüllten, während die anderen 33 Patienten alleinig medikamentös behandelt wurden. Die beiden Gruppen waren in Bezug auf Demografie und klinischem Status gut vergleichbar. Im Chirurgie-Arm wurde zu 41 % eine laparoskopische SleeveGastrektomie durchgeführt, bei den übrigen 59 % ein Roux-en-Y-Magenbypass. Nach 12 Monaten zeigten sich durchweg signifikante Vorteile nach der bariatrischen Chirugie im ACR20- (75,0 vs. 51,5 %), ACR50- (53,1 vs. 39,4 %) und ACR70-Ansprechen (31,3 vs. 21,2 %) (je p<0,05). Ebenso signifikant fielen die Unterschiede zugunsten der Operation im mittleren DAS28-ESR (1,5 vs. 2,4), DAS28-CRP (1,2 vs. 2,2) und CDAI (9,5 vs. 15,8) nach 12 Monaten aus (je p<0,05). Im Vergleich zum Studienbeginn konnte die medikamentöse Therapie nach 12 Monaten reduziert werden, signifikant war dies für Leflunomid, bDMARDs, Kombinationen und NSAR (p<0,05 oder p<0,01) – dies jedoch in beiden Studienarmen und auch ohne signifikantem Unterschied in der Medikation zwischen den beiden Gruppen zu Baseline oder in Monat 12. Zu postoperativen Komplikationen kam es bis Monat 1 bei 16 % und danach bei 9 % der Teilnehmer. Im Vergleich zu den nur medikamentös behandelten adipösen RAPatienten war die bariatrische Chirurgie somit nach einem Jahr mit einer geringeren Krankheitsaktivität verbunden, auch wenn sich keine Vorteile im Hinblick auf eine Therapiedeeskalation zeigten. Bei geeigneten Patienten sollte diese nichtpharmakologische Maßnahme durchaus unter Abwägung von Nutzen und Risiko erwogen werden. m

Quelle: Sci Rep 2020; 10: 3167

Kardiovaskuläre Risikoreduktion durch TNF-Inhibitoren

Hinweise dafür, dass Biologika das bei RA-Patienten per se durch die systemische Entzündung erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse zu reduzieren vermögen, hatten zahlreiche Registerdaten insbesondere in Bezug auf TNFα-Inhibitoren geliefert. US-amerikanische Experten um George A. Karpouzas, Torrance (USA), fanden nun in einer aktuellen Studie Anhaltspunkte, dass bDMARDs – hier TNFα-Inhibitoren – jenseits der allgemeinen Entzündungshemmung auch direkt durch eine reduzierte Plaquebildung und Stabilisierung von Hochrisiko-Läsionen das kardiovaskuläre (CV) Risiko senken könnten.

In der monozentrischen Beobachtungsstudie wurden 150 mit DMARDs behandelte RA-Patienten (80 % erhielten zu Baseline Methotrexat, 60 % einen TNFα-Inhibitor) einer CT-Angiografie (CTA) zur Bestimmung einer koronaren Atherosklerose mit Erfassung sowohl der Gesamtlast als auch spezifisch nicht-kalzifizierten, gemischten/kalzifizierten und Low-attenuation Plaques unterzogen. Bei 101 Teilnehmern wurde über im Mittel 6,9 Jahre wiederholt eine CTA durchgeführt und prospektiv alle CV-Ereignisse (kardialer Tod, Myokardinfarkt, instabile Angina, Revaskularisation, Schlaganfall, Hospitalisierung aufgrund Herzinsuffizienz) dokumentiert. Die Resultate wurden adjustiert auf den DAS28-CRP-Wert, den Framingham-D'Agostino-Score und den Segment Stenosis-Score.

Im Ergebnis war eine Anti-TNF-Therapie mit einem geringeren langfristigen kardiovaskulären Risiko assoziiert (Odds ratio, OR 0,15; 95% KI 0,04‐0,60), und zwar bei Patienten mit nicht-kalzifizierten als auch Low‐attenuation Plaques zu Baseline (OR 0,21; 95% KI 0,04‐0,99 bzw. OR 0,08; 95% KI 0,01‐0,70), nicht aber bei solchen ohne. Eine Anti-TNF-Exposition war mit einer Transition von nicht-kalzifizierten zu gemischten/kalzifizierten Plaques verknüpft (OR 4,00; 95% KI 1,05‐15,32) und prädizierte eine geringere Wahrscheinlichkeit für neue Plaques (in Segmenten ohne Plaque) bei Patienten ohne gemischte/kalzifizierte Plaques in anderen Koronarsegmenten (OR 0,40; 95% KI 0,17‐0,93), nicht aber bei jenen mit Kalzifizierung. Die Anti-TNF-Therapie war auch prädiktiv für die Stabilisierung von Low-attenuation Plaques (p=0,042). Bei RA-Patienten waren TNF-Hemmer somit mit einem reduzierten CV-Risiko, einer protektiven Kalzifizierung nichtkalzifizierter Läsionen und geringeren Risiko für de-novo Plaques bei früher Atherosklerose verbunden. m

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