Rheuma MANAGEMENT | Mai/Juni 2020
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FRÜHE RHEUMATOIDE ARTHRITIS
Evidenz für raschen Therapiebeginn innerhalb von sechs Wochen Gleich die erste Empfehlung der EULAR-Leitlinie zum Management der frühen Arthritis besagt, dass Patienten innerhalb von sechs Wochen nach Auftreten der ersten Symptome einem Rheumatologen zugewiesen und von diesem untersucht werden sollten. Die Umsetzung dieser Empfehlung in der Praxis ist nicht einfach, auch wenn mit der Einrichtung von Früharthritis-Sprechstunden große Fortschritte erzielt wurden. Trotz theoretischer Erwägungen zum „window of opportunity“ fehlte es bislang auch an Evidenz für die Vorteile eines 6-Wochen-Zeitfensters gegenüber einem Zeitrahmen von bis zu 12 Wochen. Niederländische Rheumatologen um Ellis Niemantsverdriet, Leiden, schlossen jetzt diese Lücke mit einem Vergleich des Langzeit-Outcomes von Patienten, die binnen 6 oder 7-12 Wochen vom Rheumatologen gesehen wurden.
In die retrospektive Beobachtungsstudie wurden konsekutive Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) aus sowohl der Leiden Early Arthritis Clinic (EAC)- und French Etude et Suivi des Polyarthrites Indifferenciées Recentes (ESPOIR)-Kohorte eingeschlossen. Analysiert wurden mit RA diagnostizierte Teilnehmer, die die ACR-Klassifikationskriterien aus 1987 erfüllten und für die Daten zu Symptombeginn und Remission verfügbar waren. Diese wurden gruppiert auf Basis der Zeit zwischen Symptombeginn und erstem Termin beim Rheumatologen: ≤6 Wochen, 7-12 Wochen und ≥12 Wochen. Wichtigste Endpunkte waren eine anhaltende DMARD-freie Remission und die radiologische Progression.
Langfristig häufiger anhaltende Remission erreichbar In die Analyse flossen 1.025 RA-Patienten ein, die von 1996 bis 2017 in die EAC-, und 514, die von 2002 bis 2005 in die ESPOIR-Kohorte eingeschlossen wurden. Das mediane Followup betrug 7,1 Jahre in der EAC- und 10,0 in der ESPOIR-Kohorte. Nach 7 Jahren erreichten in der EAC 24 % der 127 Patienten, die binnen ≤6 Wochen von Rheumatologen gesehen wurden, eine anhaltende DMARD-freie Remission gegenüber 20 % jener 223 Patienten, die nach 7-12 Wochen einen Termin erhalten hatten, und 15 % der 675 Patienten, die erst nach >12 Wochen zum Rheumatologen kamen. In der multivariaten Analyse berechnete sich für die binnen 6 Wochen gesehenen Patienten ein signifikanter Vorteil in puncto Remission im Vergleich zur Gruppe mit 7-12-Wochen-Zeitfenster (Hazard ratio, HR 1,59, 95% KI 1,02-2,49; p=0,042) und jener mit mehr als 12 Wochen Wartezeit (HR 1,54; 95% KI 1,04-2,29; p=0,032). In der ESPOIRKohorte erreichten nach 10 Jahren Follow-up 27 % der 11 Patienten im 6-Wochen-Zeitfenster, 11 % der 100 Patienten im 7-12-Wochen-Zeifenster und 10 % der 403 Patienten mit mehr als 12-wöchigem Zeitfenster eine anhaltende DMARD-freie Remission. Hier ergab die multivariate Analyse ein ähnliches Bild, jedoch waren die Vorteile nicht-signifikant (HR 2,81, 95% KI 0,75-10,53; p=0,12 für 6 vs. 7-12 Wochen und HR 3,05, 95% KI 0,89-10,49; p=0,077 für 6 vs. >12 Wochen). Eine Metaanalyse über beide Kohorten zeigte, dass eine Visite beim Rheumato-
logen binnen ≤6 Wochen signifikant die Wahrscheinlichkeit für eine DMARD-freie Remission erhöhte (HR 1,69; p=0,016 vs. 7-12 Wochen; HR 1,67; p=0,020 vs. >12 Wochen). Im Hinblick auf die radiologische Progression waren dagegen zumeist keine Unterschiede zugunsten des 6-Wochen-Zeitfensters erkennbar (β=1,00; p=0,96 in der EAC- bzw. β=0,93; p=0,30 in der ESPOIR-Kohorte vs. 7-12 Wochen sowie β=0,96; p=0,064 in der EAC- bzw. β=0,89; p=0,10 in der ESPOIR-Kohorte). In der entsprechenden Metaanalyse war eine Visite innerhalb von 6 vs. 7-12 Wochen nicht-signifikant mit einer geringeren radiologischen Progression assoziiert (β=0,99; p=0,75), gegenüber der >12-Wochen-Gruppe war hingegen der Vorteil statistisch signifikant (β=0,95; p=0,028). Ein Termin beim Rheumatologen binnen sechs Wochen nach Symptombeginn, wie von der EULAR gefordert und immer häufiger durch Früharthritis-Sprechstunden auch realisierbar, lohnt sich insbesondere in Bezug auf das langfristige Erreichen einer Remission, weniger in Bezug auf die (so früh meist noch geringe) radiologische Progression. m
Quelle: Lancet Rheumatol 2020; 2(6): e332-e338