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SYSTEMISCHER LUPUS ERYTHEMATODES UND ANDERE KOLLAGENOSEN ACR Convergence 2022: Neues aus Philadelphia
Der letzte ACR-Kongress fand erstmals seit der Pandemie als Präsenzveranstaltung in Philadelphia statt und gleichzeitig mit einem breiten Online-Angebot im Internet. Die technische Umsetzung der virtuellen Kongressteilnahme hat sich inzwischen deutlich verbessert und vor Ort wurde die persönliche Präsentation der Poster vermisst, sodass man abwarten muss, wie sich zukünftig die unterschiedlichen Formen einer Teilnahme an solchen Kongressen verteilen. Das wissenschaftliche Angebot zum systemischen Lupus erythematodes (SLE) und anderen Kollagenosen (CTD) war insgesamt aber wieder auf dem bekannten Niveau früherer ACR-Meetings.
Höheres SLE-Risiko bei Erstgeborenen?
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Die Inzidenz von Autoimmunerkrankungen scheint unter anderem mit der Zahl der Geschwister (invers) assoziiert zu sein.
(1) Die Oklahoma Medical Research Foundation, eine unabhängige, gemeinnützige biomedizinische Forschungseinrichtung, untersuchte das SLE-Risiko in Abhängigkeit von der Geburtsreihenfolge anhand von Familien mit einem (simplex) oder mehreren (multiplex) SLE-Individuen. (2) Es wurden 247 Geschwister aus 164 Familien ausgewertet, die ≥1 an SLE erkranktes Familienmitglied hatten. Multiplex-Familien wiesen ≥2 Mitglieder mit SLE auf. Sowohl in Multiplex- als auch in Simplex-Familien war ein höheres relatives Risiko für die Entwicklung eines SLE mit einer niedrigen Geburtsreihenfolge assoziiert. Erstgeborene wiesen ein relatives Risiko (RR) von 1,5 in Multiplex- und 1,4 in Simplex-Familien auf. Umgekehrt gab es einen Trend zu einem geringeren relativen Risiko bei den Geschwistern mit höherer Geburtsreihenfolge.
Das Risiko, an SLE zu erkranken, nimmt also kontinuierlich mit der Geburtsreihenfolge ab. Ein Erklärungsmodell hierfür wäre z. B., dass es umso häufiger und eher in der kindlichen Entwicklung zu Infektionen kommt, je mehr Geschwister vorhanden sind, und ein Immunsystem, welches früh durch solche Infektionen „trainiert“ wird, seltener zur Ausbildung von Autoimmunität neigt. Das würde auch die Zunahme von laborserologischen Autoimunphänomenen in den letzten Dekaden erklären. (3)
Gute Daten zum Einsatz von Hydroxychloroquin bei SLE
Die große Evidenz für vielfältige günstige Auswirkungen einer „Basistherapie“ mit Hydroxychloroquin (HCQ) bei SLE bedarf eigentlich keiner weiteren Betonung. Selbst die immer noch anzutreffende Sorge vor retinalen Schäden durch HCQ muss man stark relativieren. (4) Auf dem letzten ACR-Meeting wurde die Untersuchung einer großen, multizentrischen, prospektiven Inzeptionskohorte (SLICC) von 660 SLE-Patienten vorgestellt, bei der eine deutlich gestörte HCQ-Adhärenz ein unabhängiger Risikofaktor für Schübe, die frühe Entwicklung von Krankheitsschäden und für die 5-Jahres-Mortalität war. (5) Eine weitere prospektive SLE-Kohorte wies bei 286 Patienten mit einer Beobachtungsdauer von ≥10 Jahren ebenfalls eine inver- se Korrelation zwischen der HCQ-Jahresdosis und dem Krankheitsschaden und insbesondere hinsichtlich kardiovaskulärer Komplikationen (MACE) nach. (6) Dass auch die Sorge vor kardialen Schäden bzw. Kardiomyopathien unter HCQ in der bei SLE gängigen Dosierung (≤5 mg/kg) unbegründet ist, konnte eine Untersuchung von 1.930 SLE- und RA-Patienten belegen, von denen 1.087 HCQ über ≥5 Jahre eingenommen hatten: Es fand sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Einnahme von HCQ und einer Herzinsuffizienz, sondern vielmehr ein Trend für einen protektiven Effekt von HCQ. (7) In einem japanischen SLE-Register wiesen 925 Patienten im Verlauf von 1-5 Jahren signifikant weniger schwere Infektionen unter HCQ auf als Patienten ohne HCQ-Therapie. (8)
Voclosporin als neue Therapie bei Lupusnephritis
Der neue Calcineurin-Inhibitor Voclosporin (VCS) wurde inzwischen auch von der EMA bei Lupusnephritis (LN) zugelassen, ist aber in Deutschland noch nicht verfügbar. Gespannt darf man hinsichtlich der Therapiekosten sein, die in den USA, wo das Medikament seit Januar 2021 zugelassen ist, recht hoch angesetzt sind. Auf dem ACR wurden die 3-Jahresdaten der offenen Verlängerung der ursprünglichen Zulassungsstudie (12 Monate in AURORA-1 und 24 Monate in AURORA-2) vorgestellt. (9) VCS wurde auch über 3 Jahre gut vertragen, es zeigten sich keine neuen Sicherheitssignale, die eGFR blieb stabil und die in AURORA 1 (doppelblinde RCT) erzielte Verringerung der Proteinurie blieb erhalten (Abb. 1)
Neue SLE-Therapie: Anifrolumab
Der Interferon (IFN)-α-Rezeptor-Antikörper Anifrolumab (ANIFR) ist in Europa zugelassen (und auch verfügbar). Erste Erfahrungen im klinischen Alltag konnten schon gesammelt werden, und der oft zu hörende Eindruck einer recht schnellen Wirkung auf Hautveränderungen des Lupus konnte in einer kleinen britischen Studie von 7 Patientinnen mit kutanem LE (DLE, n=5, Chilblain-LE und SCLE) bestätigt werden. (10) Durchschnittlich waren zuvor 6 (!) Standardtherapien erfolglos geblieben (darunter Rituximab [RTX, n=6], Belimumab [BEL, n=2] und Thalidomid [n=4]). Es zeigte sich eine klinische Besserung der Hautveränderungen bereits einen Monat nach der ersten Infusion, bei SCLE und DLE schneller als bei ChilblainLäsionen (was nicht verwunderlich ist). Alle Patientinnen erreichten bis zum 3. Monat eine Verringerung des CLASI-Aktivitätsscores um ≥50 %.
In der weiter verblindeten, placebokontrollierten Long-TermExtension der beiden TULIP-Studien, die mit 547 von ursprünglich 662 Patienten startete und von denen 341 (62 %) die 3-jährige Nachbehandlung abgeschlossen haben, kam neben dem für ANIFR bekannten Risiko von Herpes Zoster-Infektionen (8,9 %; 3,4/100 Patientenjahre, PJ) auch eine erhöhte Inzidenz von Influenza (5,8 %; 2,2/100 PJ) zum Vorschein, was zu erwarten war. Auffällig waren vermehrte Fälle einer latenten Tuberkulose (6,2 %; 2,3/100 PJ), ohne dass eine aktive Tuberkulose registriert wurde. (11)
LN: Intensiviertes Therapieprotokoll mit Rituximab und Cyclophosphamid
Eine italienische Gruppe stellte eine prospektive Untersuchung von SLE-Patienten mit LN vor, bei der 30 Patienten eine intensivierte Therapie mit drei Methylprednisolon (MP) i.v.-Pulsen gefolgt von oralem Prednison, vier wöchentlichen RTX-Gaben (375 mg/m²) und danach zwei RTX-Gaben nach einem und zwei Monaten sowie zwei Cyclophosphamid (CYC)Infusionen (10 mg/kg) erhielten. Das Prednison sollte bis zum dritten Monat auf 5 mg/Tag reduziert sein. Danach erfolgte keine immunsuppressive Erhaltungstherapie mehr. Verglichen wurden diese 30 Patienten mit 30 hinsichtlich der LN-Klasse und Alter gematchten Kontrollen, wovon 20 drei MP i.v.-Pulse, gefolgt von oralem Prednison und MMF in einer Dosis von 2-3 g/Tag erhielten und 10 das Euro-Lupus-CYC-Protokoll (6x 500 mg im Abstand von 14 Tagen) und dann MMF (1-2 g/Tag) oder Azathioprin (AZA, 1-2 mg/kg/Tag) über 3 Jahre als Erhaltungstherapie. Eine renale Vollremission erreichten nach 12 Monaten 93 % der Patienten mit intensivierter RTX/CYC-Therapie (p=0,03), 63 % unter der Standardtherapie mit MMF und 75 % unter dem Euro-Lupus-Schema mit i.v. CYC. Die mittlere Prednison-Dosis betrug 2,9 mg/Tag unter RTX und CYC, 10,5 mg/ Tag unter MMF (p<0,01) und 7,5 mg/Tag unter CYC nach dem Euro-Lupus-Schema (p<0,01). (12)
Die Studie spricht für eine noch bessere Wirksamkeit des intensivierten Protokolls von RTX und CYC gegenüber den Standardtherapien mit MMF oder CYC nach dem Euro-LupusSchema. Es könnte sein, dass der verzögerte Wirkeintritt der Anti-B-Zelltherapie durch die zusätzlichen i.v. CYC-Gaben nach einem und zwei Monaten besser überbrückt wird als mit der alleinigen RTX-Therapie, welche sich in der LUNAR-Studie gegenüber einer Therapie mit MMF als nicht besser erwiesen hatte. (13)
Anti-APRIL-Therapie mit Telitacicept
TACI (Transmembran-Aktivator und CAML-Interaktor) ist ein Transmembranprotein der TNF-Rezeptor-Superfamilie, das primär auf der Oberfläche von B-Zellen exprimiert wird und drei Liganden, APRIL (Another-Proliferation-Inducing-Ligand), BLyS (B-Lymphozyten-Stimulator) und CAML (Calcium-Modulator-Ligand) erkennt, wobei TACI für die Differenzierung von Plasmablasten bzw. das Überleben langlebiger Plasmazellen eine besondere Rolle zu spielen scheint. (14) Zu Atacicept (ATC), einem Fusionsprotein aus IgG und dem TACI-Rezeptor, welches somit die Wirkung von BLyS und APRIL antagonisiert, wurden schon vor Jahren Studien vorgestellt, die aber wegen infektiologischer Komplikationen abgebrochen wurden, wobei die Auswertung im Nachhinein ein Erreichen des primären Endpunktes zeigte. (15)
Abb. 1: Eiweißausscheidung (UPCR) über 36 Monate in den AURORA-1 und -2 Studien zum Einsatz von Voclosporin (plus Mycophenolat Mofetil, MMF) bei Lupusnephritis (9)
Das Prinzip einer Anti-APRIL-Therapie wurde dann von einer chinesischen Pharmafirma übernommen, die mit Telitacicept ein ganz ähnliches Fusionsprotein hergestellt hat. In einer Phase-IIb Studie mit 249 SLE-Patienten, welche randomisiert 1x wöchentlich s.c. 80, 160, 240 mg Telitacicept (T-TACI) oder Placebo in Kombination mit einer Standardtherapie (SOC) erhielten (16), wurde der primäre Endpunkt eines SLE Responder Index (SRI)-4-Ansprechens unter Placebo in 34 % der Fälle und mit den drei T-TACI-Dosierungen in 71 % (80 mg), 68 % (160 mg) und 76 % (240 mg) erreicht, was für alle Dosierungen signifikant war (p<0,0001). Es führte, wie in den Studien zu Atacicept, zu einem Rückgang der B-Zellen, einem relativ prompten und deutlichen Effekt auf die Immunglobulinspiegel, die ab der 4.Woche um 30 bis 40 % abfielen und zu einer Besserung der Complementfaktoren und dsDNA-Antikörper. Es bestätigt sich also die hohe Wirksamkeit der Anti-APRIL-Therapie bei SLE. Obwohl die chinesische Studie noch nicht als Full-Paper veröffentlicht war, hatte die FDA Telitacicept im April 2020 eine sog. Fast-Track-Designation zuerkannt und im März 2021 wurde Telitacicept von der chinesischen Gesundheitsbehörde zur Behandlung des SLE zugelassen.
Auf dem ACR-Meeting wurde nun als Late-Breaking-Abstract eine prospektive, doppelblinde, randomisierte Phase-III-Studie aus China zu Wirksamkeit und Sicherheit von Telitacicept in der Dosierung von 160 mg/Woche s.c. (oder Placebo) in Kombination mit einer SOC bei SLE vorgestellt. (17) Einschlusskriterien waren ein Alter von 18-65 Jahren und SELENA-SLEDAI-Score
≥8. Der primäre Endpunkt war wieder das SRI-4-Ansprechen in Woche 52. Es wurden 335 Patienten randomisiert, 167 erhielten Telitacicept und 168 Placebo, 70,4 % schlossen die 52-wöchige Behandlung ab. Der primäre Endpunkt einer SRI4-Response in Woche 52 wurde mit 82,6 % signifikant häufiger unter Telitacicept erreicht als unter Placebo (+SOC) mit 38,1 % (p<0,001). Wenn man sämtliche fehlende Daten als NonResponse wertete, war der Unterschied mit 67,1 vs. 32,7 % mit p<0,005 immer noch signifikant (Abb. 2). Die Safety-Daten zeigen einerseits wieder den Effekt der Anti-APRIL-Therapie auf die Immunglobuline (je ca. 16 % mit verminderten IgG- bzw. IgM-Spiegeln) und andererseits wie viel besser die Ergebnisse sind, wenn man weiß, womit man an „Nebenwirkungen“ zu rechnen hat. Mitte 2022 ist nun auch in den USA eine PhaseIII-Studie angelaufen und man kann die Prognose wagen, dass diese zu einer Zulassung von Telitacicept für die Therapie des SLE führen dürfte.
CAR-T-Zelltherapie bei refraktärem SLE
Wie schon auf dem EULAR 2022 in Kopenhagen fand ein Vortrag von Georg Schett zum Einsatz von Chimären Antigenrezeptor-T (CAR-T)-Zellen beim hochaktiven SLE große Beachtung. Inzwischen sind 7 Patienten in Erlangen so behandelt worden, 5 mit SLE und je einer mit einer systemischen Sklerose (SSc) und einer immunvermittelten inflammatorischen Myositis. (18) An Vortherapien hatten die 5 SLE-Patienten (4 weiblich, Alter 20-24 Jahre, alle mit aktiver LN) HCQ, MP i.v.-Pulse, MMF, CYC, Immunglobuline, RTX und BEL erhalten. Nach Konditionierung mit Fludarabin/CYC und Leukapherese erfolgte die Re-Infusion der modifizierten CAR-T-Zellen. Aufgrund der dabei gegenüber einer Stammzelltherapie (SCT) nicht mehr notwendigen myeloablativen Gabe von Alkylantien dürfte diese Therapie mit einer geringeren therapieassoziierten Belastung der Patienten einhergehen. Dennoch entwickelten alle Patienten das auch für eine CAR-T-Zelltherapie typische Fieber, ohne dass eine Infektion vorlag. Eine Patientin erhielt wegen eines Zytokin-Release-Syndroms einmalig Tocilizumab (welches für diese Indikation zugelassen ist).
Es kam bei allen Patienten zu einer vollständigen und anhaltenden Depletion zirkulierender B-Zellen unter weiterer Expansion der CAR-T-Zellen auf max. 28-59 % aller zirkulierenden T-Zellen am Tag 9 mit dann langsamem Rückgang der über Monate noch nachweisbaren CAR-T-Zellen. Die hohe klinische Aktivität vor der Therapie ging nach der CAR-T-Zelltherapie bei allen Patienten drastisch zurück (Abb. 3). Es kam bei allen 5 Patienten innerhalb von 3 Monaten zu einer Besserung von C3, dsDNAAntikörpern, Proteinurie und auch der Fatigue. Impfantikörper wurden durch diese Therapie deutlich weniger unterdrückt als die krankheitsassoziierten Autoantikörper. Alle Patienten konnten die SLE-spezifischen Medikamente und Glukokortikoide (GK) absetzen und bislang ist es zu keinen Schüben oder Rezidiven gekommen. Die rekonstituierten B-Zellen waren zum größten Teil naive B-Zellen (CD21+/CD27-).
Abb. 2: Wirksamkeit (SRI-4-Ansprechen) einer Anti-APRIL-Therapie in einer Phase-III-Studie zu Telitacicept bei Patienten mit aktivem SLE (17)
Abb. 3: Krankheitsaktivität (SLEDAI) vor und nach CAR-T-Zelltherapie bei den ersten 5 in Erlangen behandelten SLE-Patienten (18)
Tyrosinkinase-Inhibition bei SLE?
Nachdem weder die Januskinase (JAK)- noch Bruton-Tyrosinkinase (BTK)-Inhibition einen Erfolg in SLE-Studien zeigen konnte, wurde jetzt mit Deucravacitinib, welches übrigens in den USA schon zur Behandlung der Psoriasis und PsoriasisArthritis zugelassen ist, ein Tyrosinkinase (TYK)-2-Inhibitor in einer recht großen (n=363) Phase-II-Studie beim SLE untersucht. (19) Ohne ernsthafte Sicherheitssignale wurde eine SRI-4-Response unter unterschiedlichen Dosierungen des TYK-2-Inhibitors mit 45-58 % erreicht gegenüber 34,4 % unter Placebo (+SOC). Dieser Unterschied war signifikant, aber auch nicht wirklich eindrucksvoll. Allerdings zeigte sich in dieser Studie im Gegensatz zu den SLE-Studien mit Baricitinib und den geprüften BTK-Inhibitoren eine relativ deutliche Besserung der immunserologischen Aktivitätsparameter (dsDNA-Antikörper, Complementspiegel).
Rituximab bei Kollagenosen-assoziierter ILD
Eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD), welche nach einer entzündlichen, „alveolitischen“ Phase meist langsam progredient in eine Fibrosierung übergeht, ist bei der diffus-kutanen Form der SSc, einem Teil der autoimmunen, inflammatorischen Myositiden (AIM) bzw. auch der Mischkollagenose (MCTD) der Hauptrisikofaktor für eine gesteigerte Mortalität bei diesen Krankheitsbildern. Aufgrund der fließenden Übergänge von entzündlichen zu irreversiblen Lungenveränderungen ist hierbei die Aktivität und die Prognose sowie das Ansprechen auf eine antiinflammatorische Therapie schlecht abzuschätzen. Eine erste prospektive Studie konnte die Wirkung von oralem CYC bei der SSc-ILD belegen (20), wobei dieser Effekt nach ca. 2 Jahren ohne Therapie meist wieder verloren ging. Von demselben Konsortium, der „Scleroderma Lung Study Research Group“, wurde dann eine zweite prospektive, verblindet-randomisierte Studie, die Scleroderma Lung Study II durchgeführt, die für MMF gegenüber CYC eine gleich gute Wirkung auf die
ILD bei besserer Verträglichkeit und geringerer Toxizität zeigen konnte. (21) Seitdem gilt MMF bei ILD im Rahmen einer SSc aber auch von anderen Kollagenosen (insbesondere den Myositiden) als Standardtherapie, wenngleich nach wie vor hierfür nicht zugelassen. Für die Therapie einer ILD im Rahmen der AIM gibt es nur retrospektive Untersuchungen an kleineren Kohorten. Auch hier ergaben sich für MMF gewisse Hinweise auf eine Wirkung bei der ILD. (22)
Die retrospektive Analyse von 50 Patienten mit schwerer, progressiver ILD unterschiedlicher Ätiologie (außer idiopathische Lungenfibrose) zeigte unter RTX eine leichte Verbesserung (FVC) oder Stabilisierung (DLCO) der ILD (23), sodass auch diese Therapie bei der ILD im Rahmen von Kollagenosen häufig, aber auch hier ohne Zulassung, eingesetzt wird. Aufgrund einer kleinen prospektiven Studie zum Einsatz von RTX bei SSc aus Japan (24), welche eine Verbesserung der Hautsklerose (primärer Endpunkt) und Stabilisierung oder tendenzielle Verbesserung einer ILD (sekundärer Endpunkt) zeigen konnte, wurde RTX in Japan zur Therapie der SSc zugelassen.
Auf dem ACR 2022 wurde nun eine randomisiert-kontrollierte Studie (RECITAL) vorgestellt, welche erstmals RTX mit CYC bei ILD im Rahmen von Kollagenosen verglich. (25) Das FullPaper wurde parallel online veröffentlicht. (26) Es wurden innerhalb von gut 5 Jahren in Großbritannien 145 Patienten gescreent, von denen 101 randomisiert und 97 behandelt wurden (SSc n=37, AIM n=44, MCTD n=16). 48 Patienten erhielten 6x 600 mg CYC pro m² im Abstand von 4 Wochen i.v. und 49 2x 1 g RTX im Abstand von 14 Tagen. 43 Patienten (86 %) in der CYC-Gruppe und 42 (82 %) in der RTX-Gruppe beendeten die 24-wöchige Behandlungsphase. In Woche 24 betrug die nicht adjustierte mittlere Veränderung der FVC gegenüber dem Ausgangswert +99 ml (relative Veränderung 4,35 %) unter CYC und 97 ml (4,31 %) unter RTX. In einem auf Alter, Geschlecht, Ausgangs-FVC und Diagnose adjustierten Modell zeigte sich ein nicht signifikanter Unterschied zu Ungunsten von RTX von 40 ml. Unter RTX wurden jedoch weniger unerwünschte Ereignisse und eine geringere GK-Dosis verzeichnet. Der primäre Endpunkt einer Überlegenheit von RTX gegenüber CYC (der bei der kurzen Beobachtungsdauer sehr optimistisch war) wurde somit nicht erreicht. Es zeigte sich aber für beide Substanzen eine vergleichbare, leichte Verbesserung der FVC in 24 Wochen, was angesichts des Spontanverlaufes einer CTD-ILD einen Effekt nahelegt. Dieser war bei den AIM und der MCTD deutlicher als bei der SSc. Bei der SSc zeigte sich aber ein signifikanter Rückgang der Hautsklerose (modifizierter Rodnan Skin Score, mRSS) unter RTX. Dieses, im Full-Paper noch nicht aufgeführte Ergebnis wurde bei der oralen Präsentation auf dem ACR vorgestellt (Abb. 4)
Zeit (Wochen)
Abb. 4: Veränderung des mRSS ab Baseline unter Rituximab und Cyclophopsphamid bei SSc-Patienten der RECITAL-Studie
(24 Wochen Therapie, Follow-up bis Woche 48) (25)
Auch wenn keine Überlegenheit von RTX gegenüber CYC gezeigt werden konnte, spricht diese prospektive, doppelblinde, randomisierte Studie für eine Wirkung beider Substanzen auf die CTD-ILD und von Rituximab auf die Haut bei SSc. Ob dies schon für eine Zulassung von RTX ausreicht, bleibt abzuwar- ten. Der hohe medical need und die Neigung der FDA, auch hinsichtlich der primären Endpunkte gescheiterte Studien für Zulassungen zu berücksichtigen, wenn die Ergebnisse sekundärer Endpunkte hierfür Anlass geben (siehe die Zulassung von Tocilizumab für SSc-ILD nach der focuSSced-Studie), lässt dies zumindest möglich erscheinen.
Neue ACR/EULAR Klassifikationskriterien für das Antiphospholipidsyndrom
In einer Hauptsession wurden die neuen ACR/EULAR-Klassifikationskriterien für das Antiphospholipidsyndrom (APS) vorgestellt. (27) Bislang galten die Sidney-Kriterien von 2006. (28) Serologisch wurden hier mit 40 U/ml schon deutlich höhere Titer von IgG- oder IgM-Phospholipidantikörpern (aPL) gefordert, als es den von den Test-Herstellern angegebenen Normbereichen entspricht, die auf der Verteilung der aPL in unselektionierten Spenderkollektiven fußen. Dies erhöht die Spezifität der Klassifikationskriterien deutlich und charakterisiert so Personen, welche auch ein entsprechendes Risiko für Thrombembolien und Schwangerschaftskomplikationen aufweisen.
Die neuen, noch als Entwurf vorgeschlagenen Kriterien sehen als Eingangsbedingungen das Vorliegen mindestens eines klinischen Kriteriums (Domänen 1-6) und eines positiven aPLLabortests vor (Lupusantikoagulans oder moderat bis deutlich erhöhte IgG- oder IgM-Titer für aCL oder aß2GPI) vor sowie einen maximalen Abstand von 3 Jahren zwischen klinischem und serologischem Kriterium. Wichtig ist, dass ein Kriterium nur dann zu werten ist, wenn es keine gleich gute oder bessere Erklärung hierfür gibt als ein APS (z. B. bei Aborten durch fetale Missbildungen). Innerhalb der klinischen und der serologischen Domänen wird jeweils nur der höchste Wert für den Gesamtscore herangezogen. Eine Klassifikation als APS kann erfolgen, wenn mindestens jeweils 3 Punkte in den klinischen und den serologischen Domänen erreicht werden (Tab.)
Die neuen Klassifikationskriterien sind sicher komplizierter als die alten, dürften aber – bei korrekter Anwendung – deutlich besser geeignet sein, APS-Patienten zu charakterisieren. Erfreulich ist, dass die Labordomänen nicht durch Einbeziehung zusätzlicher Seroparameter, wie IgA-aPL, Antikörper gegen andere Phospholipide oder Prothrombin/PhosphatidylserinAntikörper, „aufgeweicht“ wurden. Diese Antikörper konnten zwar in einigen Untersuchungen Assoziationen zum APS oder zu Thrombembolien zeigen, aber keinen diagnostischen Zugewinn gegenüber den besser bekannten und untersuchten aPL
Tab.: Klinische und serologische Domänen der vorgeschlagenen neuen ACR/EULAR- Klassifikationskriterien für das APS mit ihrer Wichtung (Punkte) belegen. Im Gegenteil hätte deren Hinzunahme dazu geführt, dass durch mehr unspezifisch positive Laborergebnisse die Diagnose eines APS deutlich häufiger von Nicht-Spezialisten gestellt worden wäre. Dem wird bei den neuen Kriterien auch durch die nochmalige Anhebung der Grenzwerte für die positive Wertung der Labortests begegnet und die deutlich geringere Wichtung der weniger spezifischen IgM-aPL (1 Punkt) gegenüber den IgG-aPL (je nach Höhe 4-7 Punkte). Unverändert kann man sich in der täglichen Praxis auf die Triple-Positivität, das gleichzeitige Vorliegen eines Lupusantikoagulans und von eindeutig erhöhten Antikörpern gegen Cardiolipin und ß2-Glykoprotein I verlassen. m
Dr. med. Christof Specker
Klinik für Rheumatologie & Klinische Immunologie der Kliniken Essen-Mitte, Pattbergstraße 1-3, 45239 Essen
Literatur: 1 Ellis JA et al., Rheumatology 2010; 49(3): 411-425 | 2 Shammas N et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 0340 | 3 Dinse GE et al., Arthritis Rheumatol 2020; 72(6): 1026-1035 | 4 Singh DK et al., Rheumatol Adv Pract 2019; 3(1): rkz009 | 5 Nguyen Y et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 0343 | 6 Jacquez J et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 0982 | 7 Altier J et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 0983 | 8 Hidekawa C et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 2059 | 9 Arriens C et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 1653 | 10 Carter L et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 0974 | 11 Kalunian K et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 1652 | 12 Roccatello D et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 2082 | 13 Rovin BH et al., Arthritis Rheum 2012; 64(4):1215-1226 | 14 Tsuji S et al., Blood 2011; 118(22): 5832-5839 | 15 Isenberg D et al., Ann Rheum Dis 2015; 74(11): 2006-2015 | 16 Wu D et al., Arthritis Rheumatol 2019; 71 (Suppl 10): Abstr. L18 | 17 Wu D et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. L07 | 18 Schett G et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 1651 | 19 Pike M et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 1117 | 20 Tashkin DP et al., N Engl J Med 2006; 354(25): 2655-2666 | 21 Tashkin DP et al., Lancet Respir Med 2016; 4(9): 708-719 | 22 Hallowell RW, Paik JJ. Clin Exp Rheumatol 2022; 40(2): 373-383 | 23 Keir GJ et al., Respirology 2014;19(3): 353-359 | 24 Ebata S et al., Lancet Rheumatol 2022; 3(7): e489-e497 | 25 Maher T et al., Arthritis Rheumatol 2022; 74 (Suppl 9): Abstr. 0003 | 26 Maher T et
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