Kinderkram 236

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Erziehung

Mehr Raum für Langeweile

Foto: Anatoliy Karlyuk

„Mir ist soooooooo langweilig!“ Wenn Kinder so stöhnen, sind viele Eltern sofort mit Spielvorschlägen zur Stelle. Dabei sollte Langeweile nicht immer sofort bekämpft werden. Sie fördert nämlich die Kreativität und ist ein gutes Gegengewicht zum Alltagsstress.

So wie bei Mia sieht der Alltag vieler Kinder aus: Wenn Mia aus der Schule kommt, muss sie sich beeilen. Nach einem schnellen Mittagessen geht es an die Hausaufgaben. Steht eine Arbeit an, heißt es noch lernen. Danach fährt sie mit dem Fahrrad zum Sportverein und hetzt dann gleich wieder nach Hause. Denn am späten Nachmittag hat sie noch Klavierstunde. Mias Terminkalender kann durchaus mit dem von Berufstätigen mithalten – dabei ist sie erst 9 Jahre alt. Häufig sind die Tage von Kindern so durchgetaktet, dass ihnen für das freie Spiel kaum noch Zeit bleibt. Langeweile ist für 6- bis 14-Jährige darum fast ein Fremdwort. Zu den schulischen Verpflichtungen kommen Judokurs und Malwerkstatt, Fußballverein und Hockeyturniere. Daneben Schul-AGs und wichtige Termine, etwa beim Kieferorthopäden. Das kann sich schnell zu einer 40+-Stunden-Woche summieren. Ist da überhaupt noch Platz für Langeweile?

Langeweile – was ist das eigentlich? „Ein unangenehm, lästig empfundenes Gefühl des Nicht-ausgefüllt-Seins, der Eintönigkeit, der Ödheit, das aus Mangel an Abwechslung, Anregung, Unterhaltung, an interessanter, reizvoller Beschäftigung entsteht.“ So lautet die Definition aus dem Duden. Man kann entsetzliche Langeweile empfinden, aus Langeweile einschlafen und vor Langeweile sogar sterben. Und man vertreibt Langeweile, wenn sie einen zu sehr plagt. Kein Wunder, dass sie ein so schlechtes Image hat.

Dabei ist sie eine Empfindung, die ganz unserer eigenen Interpretation unterliegt. Ob wir uns unwohl fühlen, wenn wir frei von Verpflichtungen sind, mal keine Pläne haben und nicht von außen berieselt werden, hängt allein von uns ab. Schließlich ist Langeweile eng verwandt mit der Muße, die im Kern bezeichnet, wozu „lange Weile“ führen kann: zu freier Zeit und damit innerer Ruhe, um etwas zu tun, was den eigenen Interessen entspricht.

Einfach mal nichts vorhaben Kinder können sehr gut mehr Langeweile gebrauchen, darüber sind sich Pädagog*innen und Hirnforscher*innen einig. Die britische Entwicklungspsychologin Teresa Belton beispielsweise hat den Zusammenhang von Langeweile und Vorstellungskraft bei Kindern erforscht. Sie kam dabei zum Ergebnis, dass Langeweile für die Entwicklung des kindlichen Gehirns enorm wichtig ist. Ihr zufolge können nur dann „interne Stimuli“ entstehen und wahrgenommen werden, wenn mal Ruhe herrscht und keine Ablenkung da ist. Dann erst wird auch Kreativität möglich. Auch Langeweile will gelernt sein – wer immer in Aktion ist, nie Leerzeiten aufkommen lässt und sich immer von außen anregen lässt, der erfährt nicht, was es heißt, freie Zeit für sich allein zu haben. Klagen Kinder über Langeweile, empfinden Eltern das oft als Vorwurf und als Forderung: Sag mir, was ich tun kann! Wer dann Medienzeit an der Spielekonsole verordnet, sich selbst ins Kinderzimmer setzt, um Ritterburg zu spielen oder

Kinderkram Nr. 236 · Februar 2022


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