Special Aussenhandel / Handelszeitung 29. März 2018

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«Amerika steht zum offenen Handel» AmCham-Chef Martin Naville über den verstärkten Protektionismus in den USA. Seite 31

Special

Aussenhandel Wer gewinnt den Export Award? Drei Firmen sind für den Preis nominiert. Die Auszeichnung erfolgt am diesjährigen Aussenwirtschaftsforum. SEITE 32

Schweiz braucht offenen Handel Wie die hiesigen Firmen trotz vermehrtem Protektionismus auf den Weltmärkten bestehen. SEITE 33

Versteckte Hindernisse Immer mehr Länder führen nichttarifäre Handelsschranken ein. Wie Schweizer KMU damit umgehen können. SEITE 34

Jeder Markteintritt ist anspruchsvoll Welche Erfahrungen die Firmenchefs von Leister, Coresystems und Kuhn Rikon im Exportgeschäft gemacht haben. SEITE 35

Sechs Berater von Switzerland Global Enterprise (S-GE) in Zürich: (oben von links nach rechts) Annina Bosshard (North America), Ruedi Büchi (Middle East), Fabio Speciale (South America); (unten von links nach rechts) Daniel Bont (China/Hongkong/Taiwan), Nadja Kolb (Germany/UK + Ireland), Beat Kuster (Southern Europe + Benelux).

Das Gute liegt recht nahe

Terrainerweiterung Wen es ins Ausland treibt, ob für die Produktion oder den Absatz, steht oft vor der Frage, welche Länder sich für Schweizer Exporteure am besten eignen. Darauf gibt es klare Antworten. ROBERTO STEFANO UND ECKHARD BASCHEK

Angesichts des beschränkten Absatzmarktes im Inland zielen viele KMU früher oder später ins Ausland. Allerdings ist schon so mancher Export-Traum an den harten ­Realitäten im Zielland geplatzt, egal, ob es um Produk­tions- oder um Absatzmärkte ging. Gravierende Rechtsunsicherheiten und unterschätzte Mentalitätsunterschiede sind dabei die grössten Stolpersteine. Am Ende fehlt auch oft die von vornherein zu definierende Exit-Strategie: Wie komme ich aus der Sache glimpflich wieder heraus? Gehört es zur Allgemeinbildung, zu wissen, dass geistige Ideen aus Joint

Ventures in Indien nach dem Exit grundsätzlich in indischen Besitz über­gehen? Und wer will schon gegen chinesische Vertragsbrecher in China vor heimischen Gerichten klagen, angesichts der geringen Erfolgsaussichten? Die klare Antwort auf die Frage nach den besten Exportländern für hungrige Schweizer Exportwillige lautet: das benachbarte Ausland. Statt gleich nach Thailand, Brasilien oder Russland zu exportieren, macht es Sinn, sich zunächst auf die im wörtlichen Sinne naheliegenden Exportländer zu konzentrieren. Auch Frankreich, Italien und Deutschland sind riesige Märkte, die viel zu bieten haben. Sie alle haben aber gegenüber den exotischen

­ estinationen einen grossen Vorteil: Ihre D Mentalitäten, Rechtssysteme und Infrastrukturen ähneln denjenigen der Schweiz, was die Vorhaben entscheidend einfacher macht. Zudem sind die Transportwege, -zeiten und -kosten deutlich kleiner – ein nicht zu unterschätzender Faktor. Und wer sich schon einmal in Paris oder Hamburg mit Managern unterhalten hat, kann immer wieder feststellen, dass es auch hier Fettnäpfchen gibt, wenn auch deutlich kleinere. Man wird zwar nicht gleich als unhöflich betrachtet, wenn man die Visitenkarte nicht zweihändig entgegennimmt oder der gegenübersitzenden Dame in die Augen schaut, aber sprach­ liche Eigenheiten und unterschiedliche

Nuancen in der Direktheit in den A­ussagen sind nicht zu unterschätzende Faktoren beim Aufgleisen erfolgreicher grenzüberschreitender Geschäfte. Wichtig ist es auch, sich rechtzeitig H ­ ilfe zu holen. Das muss nicht teuer sein. Switzerland Global Enterprise veranstaltet laufend Informationsanlässe in der Schweiz, bei denen man sich im persönlichen Gespräch mit den Experten – auch mit den Hub-Leitern – austauschen kann. Nicht zuletzt die Schweizerische Exportrisikoversicherung kann wertvolle Hilfe leisten. Und viele Swiss Business Hubs sind in den Schweizer Botschaften untergebracht – das stellt ein ebenso nicht zu unterschätzendes Networking Tool dar.

Der Brexit betrifft auch Schweizer Unternehmen. Doch noch sind viele Firmen hierzulande darauf nicht vorbereitet. SEITE 35

VERANTWORTLICH FÜR DIESEN SPECIAL: ROBERTO STEFANO

FOTO-PORTFOLIO Immer mehr beeinträchtigen protektionistische Tendenzen den internationalen Handel. Sechs Berater von Switzerland Global Enterprise (S-GE) erklären, wie sich diese und die gleichzeitige Globalisierung in ihren Märkten auswirkt. Fotos: Jannis Chavakis

ZVG

FOTOS: ZVG

Weichen stellen für den Brexit

Impressum Der Special «Aussenhandel» ist eine ­redaktionelle E­ igenbeilage der «Handelszeitung» und Bestandteil der aktuellen Ausgabe. Herausgeber: Redaktion und Verlag, «Handelszeitung», Ringier Axel Springer Schweiz, 8021 Zürich.


«Dank Switzerland Global Enterprise haben wir auf unserer gemeinsamen Unternehmerreise den idealen Vertriebspartner gefunden und können nun in Südkorea durchstarten.» GOETZ WINTER CEO

LOUIS WIDMER SA Wie können wir Sie beim Export unterstützen? s-ge.com

AUSSENWIRTSCHAFTSFORUM 26.04.2018 s-ge.com/awf


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Annina Bosshard: Nordamerika Wie profitieren Ihre Märkte von der Globalisierung und wie wirkt sich der Protektionismus auf diese aus?

Die USA und Kanada sind unsere wichtigsten Handelspartner auf dem amerikanischen Kontinent. In den USA stehen die Zeichen für Schweizer Firmen so gut wie schon lange nicht mehr, die Steuerreform verspricht einen ­Anstieg der Investitionen. Auch Schweizer Exporte nach Kanada sind kontinuierlich gestiegen – unsere Produkte und Dienstleistungen sind in diesem stabilen und eng mit den USA vernetzten Markt gefragt, wobei das Freihandelsabkommen gute Rahmenbedingungen schafft. Wir beobachten, inwiefern sich die Handelsschutzmassnahmen in den USA auf Schweizer Exporte auswirken.

Ruedi Büchi: Middle East Wie profitieren Ihre Märkte von der Globalisierung und wie wirkt sich der Protektionismus auf diese aus?

Die Golfstaaten präsentieren sich als offene Märkte und die Länder sind in verschiedenen Sektoren wie Nahrungsmittel, Maschinen, Präzisions­ instrumente und Medizintechnik stark von Importen abhängig. Schweizer Produkte und Dienstleistungen geniessen aufgrund ihrer Qualität in den Golfstaaten einen sehr guten Ruf und die Unternehmen profitieren gleichzeitig von einem Freihandelsabkommen. S-GE verfügt mit dem Swiss Business Hub und externen Partnern über ein erfahrenes Netzwerk, um für Schweizer Unternehmen qualifizierte, motivierte und global denkende Geschäftspartner zu finden.

«Man sollte die Lage nicht dramatisieren»

Martin Naville Der Chef der Handelskammer Schweiz–Amerika (AmCham) über einen drohenden Handelskrieg, die Rolle von Europa und der Schweiz – und die Bedeutung von Anwälten in den USA. INTERVIEW: ROBERTO STEFANO

China hat auf die erhöhten US-Stahl- und -Aluminium-Zölle reagiert und seinerseits Strafzölle gegen Boeing, Apple oder Intel angedroht. Was halten Sie davon? Martin Naville: Die Reaktion der Chinesen ist wie erwartet ausgefallen. Sie können die Zollerhöhung nicht einfach so auf sich sitzen lassen. Bis zum 1. Mai dürften nun intensive Verhandlungen folgen. Dazu ge­ hört, dass die Drohkulisse eines Handels­ krieges aufgebaut wird. Bis kurz vor Ende der Unterredungen wird man wohl keine klare Tendenz erkennen können. Dann sollte man die Drohkulisse also nicht allzu ernst nehmen? Umgangston und Art, wie über gewisse Dinge verhandelt wird, haben sich unter Präsident Trump massiv verändert. Den­ noch sollte man die Lage nicht drama­ tisieren. Die meisten Amerikaner wollen einen Wirtschaftskrieg vermeiden. Den­ noch besteht ein Risiko, dass die Aus­ einandersetzung zu keinem guten Ende kommt. Wenn Trump davon spricht, dass Amerika im internationalen Handel über den Tisch gezogen wird, so betreibt er mit seinen Aussagen auch Wahlkampf. Rich­ tig ist aber auch, dass es keinen inhären­ ten Grund gibt, weshalb die Europäer ihre Importe mit Einfuhrzöllen von 4,2 Pro­ zent belegen und die Amerikaner im ­Gegenzug nur mit 3,2 Prozent. Beim Im­ port von Autos gilt in den USA ein Zoll von 2 Prozent, in Europa von 10 Prozent und in China sogar von 25 Prozent! Klar ist aber: Solche Zollmassnahmen wurden in der Geschichte schon oft versucht, waren aber kaum je erfolgreich. Wie erklären Sie sich diesen Unterschied? Amerika steht grundsätzlich für einen of­ fenen Handel ein. Dies zeigt sich auch an den Zöllen: Diese sind in 90 Prozent der Fälle tiefer als beispielsweise in Europa. Angesichts der apokalyptischen Töne von Präsident Trump geht dies aber beinahe unter. Im Vergleich zu China kann man

aber durchaus von ungleich langen Spies­ sen sprechen. Inwiefern? Der chinesische Markt wird abgeschottet. Dies entspricht nicht den Vorgaben der Welthandelsorganisation WTO und zeigt auch, dass Letztere ziemlich zahnlos ist. Heute wird das Vorgehen von China all­ gemein nicht mehr akzeptiert. Beispiels­ weise verlangt das Land für einen Markt­ eintritt die Offenlegung von Patenten oder schliesst Firmen wie Amazon oder Face­ book gänzlich aus. Auch sind chinesische Unternehmen weltweit auf Einkaufstour, während ausländischen Firmen kein Ge­ genrecht in China gewährt wird. Für ein Entwicklungsland sind solche Methoden nachvollziehbar. Doch China ist heute eine Handelsmacht. Gegen eine Anpassung der Verhältnisse hat wohl niemand etwas ein­ zuwenden – auch Europa nicht.

Der Amerika-Kenner Name: Martin Naville Funktion: CEO, Swiss-American Chamber of Commerce Alter: 59 Wohnort: Küsnacht Familie: verheiratet, zwei Kinder Ausbildung: Master of Law, Universität Zürich Swiss-American Chamber of Commerce Die Non-Profit-Organisation unterstützt Schweizer Firmen in den USA und US-Firmen in der Schweiz beim Ausbau ihrer Geschäfte.

Welche Rolle spielt Europa in dieser ­Auseinandersetzung? Die Einführung von Zöllen auf Stahl und Aluminium durch die USA hat Europa ver­ urteilt. Gleichzeitig steht in Europa auch China unter Beobachtung: Der Kauf von Kuka in Deutschland hat beispielsweise dazu geführt, dass Firmenverkäufe ins Reich der Mitte heute genau überprüft werden. Die ungleichen Spiesse hat in der Vergangenheit auch die Solarbranche zu spüren bekommen. Dank den staatlichen Subventionen konnten die Chinesen ihre Produkte zu Dumping-Preisen auf den Markt werfen, wodurch viele westliche Anbieter in den Ruin getrieben wurden. Generell ist die chinesische Expansion im Westen nicht mehr so gerne gesehen. Eu­ ropa hat als zweitwichtigste Wirtschafts­ macht den Nachteil, dass Entscheide ­einen komplizierten Prozess durchlaufen müssen. Für Europa ist es viel schwieriger, sich gegen China zu widersetzen. Welche Auswirkungen erwarten Sie für die Schweiz? Die Schweiz ist ein Exportland und somit von multilateralen Abkommen abhängig. Entsprechend schwierig ist es für das ­kleine Land, sich in einem solchen Wirt­ schaftsstreit Gehör zu verschaffen. Es kann schnell zu einem Opfer werden. Die Schweiz hat keinen Platz am Verhand­ lungstisch und ist abhängig davon, was die anderen erreichen. Bisher ist die Schweiz von den Stahl- und Aluminium-Zöllen auch nicht ausgenommen, was für Fir­ men, die nach Amerika exportieren, zum Problem werden kann. Dies zeigt, dass die Position der Schweiz durchaus heikel ist. Was läuft diesbezüglich auf politischer Ebene? Es hat bereits Kontakte gegeben zwischen Bundesrat Schneider-Ammann und dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthi­ zer. Nun muss die Schweiz ein entspre­ chendes Dossier zusammenstellen. Als sechstgrösster Investor in den USA stehen die Chancen gut, dass eine Ausnahme­

regelung erzielt werden kann. Doch dazu muss das Dossier zuerst auf den Tisch kommen. Es wäre für Schweizer Expor­ teure ungünstig, wenn die EU eine Ausnah­ meregelung erhält und die Schweiz nicht. Nicht erst seit Anfang März hat der Protektionismus weltweit zugenommen. Hat das Konzept des freien Handels ausgedient? Es zeichnet sich eine leichte Gegenbewe­ gung ab. Allerdings wurde in den vergan­ genen Monaten – ohne die USA – das Transpazifische Abkommen mit elf wich­ tigen Partnern unterzeichnet, ein Frei­

«Die Schweiz hat keinen Platz am Verhandlungstisch und ist abhängig von dem, was die anderen erreichen.» handelsabkommen zwischen der EU und Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay) steht kurz vor Abschluss und die USA und Grossbritannien verhan­ deln über ein Freihandelsabkommen. Das sind starke Signale in Richtung freien Han­ dels. Man darf sich nicht zu sehr von den Äusserungen von Präsident Trump leiten lassen. Es gibt sehr viele Anzeichen, dass der Freihandel nach wie vor anerkannt ist. Schliesslich wurde dadurch sowohl in den Entwicklungsländern wie auch den Indus­ triestaaten viel Wohlstand geschaffen. Inwieweit bremst der Protektionismus die Globalisierung? Ich sehe keine massive Gegenbewegung. Selbst das Buy-America-Programm ist kein Sonderfall: Die Einkäufe eines Staates unterliegen häufig dem Protektionismus – direkt oder versteckt. Das gilt auch für die Schweiz. Ganz allgemein, wie soll man mit dem Protektionismus umgehen? Wichtig ist, dass man die Fakten kennt und diese nüchtern analysiert. Was die Ankün­ digungen in Amerika betrifft, so sollte man

sich nicht von Tweets leiten lassen. Ent­ scheidend ist, welche Waren man expor­ tieren will und welche man vor Ort produ­ zieren kann. Die Firmen müssen agil sein. In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich der Welthandel schnell entwickelt. Inwieweit haben sich die Rahmen­ bedingungen für die Firmen in den USA zuletzt verschlechtert? Amerika ist ein klarer Rechtsstaat mit Rechtssicherheit und keiner Willkür. Man kann gegen den Staat klagen und auch ge­ winnen. Man muss aber auch wissen, dass das Rechtssystem relativ kompliziert ist und der Markt schwieriger zu bearbeiten ist als in der Schweiz. Es hilft bestimmt, wenn man einen Anwalt zu Verhand­ lungen beizieht. Wie würden Sie die Beziehung zwischen Amerika und der Schweiz charakterisieren? Das Verhältnis ist brillant, aber wir sind auf der US-Agenda nicht sehr prominent. Die Exporte in die USA haben sich in den ver­ gangenen zehn Jahren fast verdoppelt, wie auch die gegenseitigen Direktinvestitio­ nen. Die hohe Wertschätzung erkennt man auch, wenn man sieht, wie oft sich unsere Bundesräte bereits mit dem US-Präsiden­ ten und seinen Kabinettsmitgliedern direkt austauschen konnten. Von der wirtschaft­ lichen Bedeutung her ist die Schweiz aller­ dings vergleichbar mit dem Bundesstaat New Jersey. Was empfehlen Sie Schweizer Firmen, die in die USA exportieren wollen? Diesen attraktiven Markt sollte man un­ bedingt bearbeiten! Dabei sollte man die Augen offen halten und wenn immer mög­ lich einen Anwalt für Verhandlungen bei­ ziehen. Zudem sollte man mit Spezialisten vor Ort sein. Ist der US-Markt für eine Firma wichtig, dann empfehle ich, dass der Chef einmal pro Monat für eine Woche selber vor Ort ist, um die wichtigsten Tendenzen im Land zu spüren. Denn der US-Markt ist wie die Champions League: Man kann dort nur mit der ersten Mannschaft bestehen.


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Fabio Speciale: Südamerika

Nadja Kolb: Deutschland, Vereinigtes Königreich und Irland

Wie profitieren Ihre Märkte von der Globalisierung und wie wirkt sich der Protektionismus auf diese aus?

In Lateinamerika ist Brasilien der wichtigste Han­ delspartner für die Schweiz. Derzeit spielen dort al­ lerdings besondere Steuern und Einfuhrbestimmungen eine wichtige Rolle. Für gewisse Produkte wie etwa für Gebrauchtwagen gelten Importverbote. Andere Produkte, beispielsweise elektrische Geräte, sind zertifizierungs­ pflichtig, wobei die Produkteprüfungen grundsätzlich in Brasilien erfolgen müssen. Medizintechnische Produkte müssen die teilweise strengen Kriterien von der Zu­ lassungsbehörde Anvisa erfüllen. Um die Export­ hürden nach Brasilien und Lateinamerika zu mindern, verhandelt die Schweiz über ein Abkommen mit Mercosur (Argenti­ nien, Brasilien, Paraguay, Uruguay).

Wie profitieren Ihre Märkte von der Globalisierung und wie wirkt sich der Protektionismus auf diese aus?

Deutschland hat sich als sehr offener Markt erwie­ sen und ist für Schweizer KMU der wichtigste Han­ delspartner überhaupt. Dabei profitieren beide Seiten von den bilateralen Abkommen, wodurch zahlreiche Hürden abgebaut wurden. So werden beispielsweise zahlreiche Standards in Deutschland und der Schweiz gegenseitig anerkannt. Momentan zeigt sich die Situa­ tion im Vereinigten Königreich noch unverändert, der Austritt aus der Europäischen Union hat noch keine Konsequenzen für das Export­ geschäft der Schweizer KMU. Wie sich der Brexit auswirkt, muss weiter beobachtet werden.

Rennen um Export-Preis eröffnet Export Award 2018 Laufschuh, Beatmungsgeräte für Frühchen oder Industrielack – drei spannende Firmen sind für den diesjährigen Preis nominiert.

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KLAUS RIMNOV

eit 2007 wird anlässlich des jähr­ lichen Aussenwirtschaftsforums (siehe Box) ein Unternehmen mit dem Export Award ausge­ zeichnet. Der Preis geht an Fir­ men aus der Schweiz und Liechtenstein, die besonders erfolgreich im Ausland Fuss gefasst haben und dort Geschäfte betrei­ ben. Die Kandidaten und Gewinner der vergangenen Jahre zeigen exemplarisch, wie erfolgreich sich Schweizer KMU gegen zahlreiche Widerstände auf dem inter­ nationalen Parkett durch Innovations­ kraft, Agilität und Cleverness behaupten. Ausschlaggebend für die Selektion durch eine unabhängige Jury aus Wirt­ schaft, Wissenschaft und Medien sind eine überzeugende Exportstrategie, ein

gut nachvollziehbares Exportkonzept und eine erfolgreiche Umsetzung der Export­ tätigkeit. Beurteilt wird, wie ein Exporteur sich in seinem Marktsegment oder Teil­ markt im internationalen Umfeld posi­ tioniert hat. Für den Export Award 2018 sind folgende Firmen nominiert:

Hightech für Frühchen Wenn die Spezialisten von Acutronic Medical Systems an neuen technischen Finessen tüfteln, dann haben sie eine ganz besondere Kundschaft vor Augen: Früh­ geborene, die auf künstliche Beatmung angewiesen sind. Die Firma entwickelt ­sowohl einfache, nichtinvasive Beatmungs­ geräte wie auch hoch komplexe Hochfre­ quenzgeräte. Die Apparate sorgen dafür, dass die Frühchen ohne bleibendes Handi­ cap überleben. Dank der Spezialisierung auf diese ­Nische behauptet sich das zu 99 Prozent exportorientierte Schweizer KMU erfolg­ reich im internationalen Wettbewerb – auch gegenüber multinationalen Konzer­ nen. 2017 hat Acutronic Medical Systems mit 30 Mitarbeitenden einen Umsatz von 22 Millionen Franken erzielt. Hinter die­

sem Erfolg steht die Tatsache, dass Fir­ meninhaber Roland Hotz während 300 Tagen im Jahr unterwegs war, sein in 30 Berufsjahren aufgebautes Netzwerk ge­ pflegt, Kongresse und Messen besucht und neue Kontakte aufgebaut hat.

Damit nichts anbrennt Die Industrielack AG – kurz Ilag – aus Wangen SZ hat sich in 60 Jahren zu einem erfolgreichen Anbieter von Industrie­ lacken entwickelt, deren Produkte haupt­ sächlich für die Beschichtung von Koch­ geschirr und Backformen verwendet wer­ den. Veredelt werden die auf dem Welt­ markt eingekauften Rohprodukte an zwei Produktionsstandorten; im Mutterhaus in Wangen und – seit europäische Kochge­ schirrhersteller ihre Produktion nach Chi­ na ausgelagert haben – auch in Schanghai. In den wichtigen Ländern – wo gepflegte Küche einen hohen Stellenwert hat und Kaufkraft vorhanden ist – sind Verkaufs­ agenten und Distributoren unterwegs, während der US-Markt vom eigenen Ver­ kaufsbüro in Chicago aus bearbeitet wird. Weltweit werden über 80 Millionen Teile mit Ilag-Produkten beschichtet. 55 Pro­

zent des Umsatzes – 2017 betrug dieser 34 Millionen Franken – generiert Ilag in Europa und hauptsächlich mit Konsu­ mentenprodukten. Nun macht man sich auf, neue Märkte zu erschliessen.

für On. Grosse personelle und finanzielle Ressourcen fliessen in den Ausbau der be­ stehenden sowie in die Expansion in neue Märkte.

Im Laufschritt nach oben Hart abstossen, weich aufsetzen, das ultimative Laufgefühl geniessen: Dazu braucht es den richtigen Schuh – zum Bei­ spiel ein Modell der Marke On. On gibt es erst seit 2010. Inzwischen tragen rund dreieinhalb Millionen Läuferinnen und Läufer das Schweizer Premium-Produkt mit dem patentierten Dämpfungssystem. In Europa, in Nord- und Südamerika, in Asien und Australien. Fokussiert plante On den Eintritt in die unterschiedlichen Märkte. Während man in den USA – dem für On zurzeit grössten Markt – sowie in Deutschland oder Japan eigene Niederlassungen eröffnete und in Brasilien und China weitere plant, setzt man in Zentral- und Südamerika, in Asien oder Osteuropa eher auf Distributoren und Partnerschaften oder beschränkt sich auf den Online-Handel. Weltweit arbeiten rund 200 Mitarbeitende aus 35 Nationen

AUSSENWIRTSCHAFTSFORUM Event Das diesjährige Jahrestreffen der Exportwirtschaft findet am 26. April 2018 in der Messe Zürich unter dem Motto «International wachsen zwischen Globalisierung und Protektionismus» statt. Renommierte Referenten gehen der Frage nach, in welchen Ländern Wachstumschancen für das Exportgeschäft entstehen, welche Rolle die Schweizer Freihandelsabkommen dabei spielen – und wie man erfolgreich mit neuen Handelshürden umgehen kann. ­Neben Workshops und Vorträgen steht auch die Verleihung des Export Awards auf dem Programm. Der Event lädt zum Austausch mit über 600 Vertretern aus Wirtschaft, ­Verbänden, Politik und Behörden.

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Protektionismus Die Schweiz braucht offene Märkte

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ie kleine Schweiz muss weltweit so frei wie möglich wirtschaften können, um ihren Wohlstand zu halten. Dafür braucht sie offene Märkte. In den letzten Jahren lässt sich global ein Trend zu mehr Protektionismus beobachten – ein Gegentrend zur Globalisierung. Verständlich eigentlich, da die Globalisierungsgewinne nicht immer gerecht verteilt wurden. Der Global Trade Alert von Simon Evenett, Ökonom der Universität St. Gallen, zeigt, dass seit 2009 weltweit über 750 protektionistische Massnahmen pro Jahr eingeführt wurden. Die Akzeptanz des freien Handels in Schwellenund Industrieländern sinkt. Der Ausstieg der USA aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP, der Brexit oder die verstärkten Anstrengungen von Schwellenländern, die heimische Industrie zu schützen, sind nur einige Beispiele dafür. Auf der anderen Seite schreitet die Globalisierung der Wirtschaft weiter voran, angetrieben durch neue Techno­ logien, die digitale Transformation der Wirtschaft und die aufstrebenden Schwellenländer. Das bietet grosses Poten­ zial für Schweizer Exporteure. Gleichzeitig wird es für sie immer komplexer, mit den Handelsbarrieren in Zielmärkten umzugehen. Wie können KMU diese Herausforderung angehen?

4. Professionelle Unterstützung suchen

Daniel Küng CEO Switzerland Global Enterprise (S-GE)

«In den letzten Jahren lässt sich global ein Trend zu mehr Protektionismus beobachten – ein Gegentrend zur Globalisierung.»

1. Freihandelsabkommen nutzen Die Schweiz verfolgt eine aktive Freihandelspolitik. KMU erhalten mit Freihandelsabkommen (FHA) Zugang zu ­grösseren Absatzmärkten und mehr Rechtssicherheit. Die Schweiz hat deshalb ihr Netz an FHA in den letzten 25 Jahren stark ausgebaut. Zur Efta-Konvention und zum FHA mit der EU kommen 28 weitere mit insgesamt 38 Partner­ ländern hinzu. Bald könnte das FHA mit Indonesien unterschriftsreif sein – ein Zukunftsmarkt mit einer Bevölkerung von über 260 Millionen Einwohnern, einer wachsenden Mittelschicht und einer grossen Nachfrage im Konsum- und Investitionsgüterbereich. Mit Kanada und Mexiko sind Aufwertungen der Abkommen geplant und Efta und Mercosur haben offizielle Verhandlungen aufgenommen. Das FHA mit China, das seit Mitte 2014 in Kraft ist, wird in beiden Richtungen von Exporteuren und Importeuren intensiv genutzt und die bilateralen Handelsströme haben sich überdurchschnittlich entwickelt. Schweizer KMU können durch FHA ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Marktteilnehmern aus Ländern ohne FHA steigern – so auch die Technologiegruppe Leister. Das Unternehmen profitiert von Zoll­ reduktionen und mehr Transparenz bei Regulierungen und nutzt FHA wo immer möglich.

Die Erfahrung zeigt, dass Alleingänge das Risiko eines Exportprojekts deutlich erhöhen. Schweizer Exporteuren ist deshalb geraten, die Unterstützung durch einen professionellen externen Partner wie S-GE in Anspruch zu nehmen. S-GE unterstützt KMU bei der Prüfung der Exportstrategie, Geschäftspartnersuche, Anwendung von Exportvorschriften und bietet Informationen zur Anwendung von Freihandelsabkommen.

5. Geschäftsmodell überdenken Durch die neuen Technologien und rapide gesellschaftliche Veränderungen müssen international aktive Unternehmen zudem immer stärker ihr gesamtes Geschäftsmodell überdenken, wenn sie in einen neuen Markt einsteigen. Nicht zuletzt verlangen die Schwellenländer häufig eine ­besonders intensive Betreuung und viel Kapazität, eine ­Herausforderung, die für KMU nicht immer leicht zu meistern ist. Es lohnt sich deshalb, das Geschäftsmodell je nach Markt anzupassen. Mit einer durchdachten Strategie, dem Wissen, wie man Freihandelsabkommen am besten nutzt, und der richtigen Unterstützung sind KMU auch in Zeiten von zunehmenden protektionistischen Massnahmen bestens gewappnet, ihre Topqualitätsprodukte weltweit zu exportieren.

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2. Mit Handelsschranken umgehen Nichttarifäre Handelsschranken – also nicht klassische Zölle – wie handelsbeschränkende Massnahmen, interne Massnahmen oder technische Anforderungen machen Schweizer Exporteuren zu schaffen. Zu den handelsbeschränkenden Massnahmen zählen Import- oder Exportverbote für bestimmte Waren sowie Kontingente, aber auch aufwendige Zollverfahren, unverhältnismässig hohe Verwaltungsgebühren oder komplizierte Formvorschriften für Warenbegleitpapiere. Damit versuchen Staaten, die aus­ ländische Konkurrenz vom heimischen Markt fernzu­halten. Interne Massnahmen fallen oft erst nach der Grenze an. Beispiele dafür sind Mindestquoten beim Anteil inländischer Arbeitnehmer, Vorgaben zu Joint Ventures mit inländischen Unternehmen oder Verpflichtungen zum Technologietransfer. Die Schweizerische Exportrisikoversicherung Serv beobachtet, dass ein immer grösserer Anteil der Wertschöpfung bei grossen Infrastrukturprojekten lokal erbracht werden muss. Immer mehr Staaten versuchen, auslän­ dischen Firmen den Marktzutritt mit «versteckten» Handelsschranken zu erschweren – mit vielen Vorschriften und Normen bezüglich der technischen Anforderungen – wie Herstellung, Verpackung, Etikettierung, Transportbedingungen, Sicherheit, Gesundheit oder Umweltverträglichkeit. Kuhn Rikon etwa, deren Kochgeschirr mit Lebensmitteln in Kontakt kommt, muss hohe Auflagen erfüllen. Die lokalen Vorschriften lassen sich nicht immer durch Konsumentenschutz rechtfertigen. Nichttarifäre Handelshemmnisse sind so zahlreich wie vielfältig – aber es gibt immer Wege und Instrumente, wie man mit ihnen umgehen kann.

3. Markteintritt seriös vorbereiten Um auf allfällige Handelsschranken im Zielmarkt vor­ bereitet zu sein, sollten sich KMU frühzeitig mit ihrem Zielmarkt auseinandersetzen. Dabei helfen Zielgruppen-, Kunden-, Branchen- und Konkurrenzanalysen. Und eine Priorisierung der Zielmärkte ist auf jeden Fall ratsam. Aber auch Produktanalyse, Store Checks – ein Überblick darüber, wie ein Produkt in einer Verkaufsstelle gezeigt wird – oder Kundenfeedbacks helfen bei der professionellen Vorbereitung. Denn nur wer die Rahmenbedingungen gründlich abklärt, erlebt beim Markteintritt keine bösen Überraschungen. Diese Erfahrungen hat auch PB Swiss Tools gesammelt. Das Unternehmen klärt unter anderem Absatzvolumen, Wachstumsproblematik oder Zollkonditionen genau ab, bevor es einen neuen Markt in Angriff nimmt. PB Swiss Tools exportiert heute mehr als zwei Drittel seiner Werkzeuge in über achtzig Länder weltweit.

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Daniel Bont: China, Hongkong, Taiwan Wie profitieren Ihre Märkte von der Globalisierung und wie wirkt sich der Protektionismus auf diese aus?

Beat Kuster: Südeuropa und Benelux

China hat sich mit dem Freihandelsabkommen, das seit 2014 in Kraft ist, gegenüber der Schweiz geöffnet. Das Abkommen bringt vor allem für die Chemie- und Pharmaindustrie Vorteile, aber auch andere Sektoren wie die Präzisionsinstrumente und die Uhren profitieren beim Export davon. Die Schweizer Produkte werden damit in China konkurrenzfähiger, in einem Land, in dem selbst der Nischenmarkt riesig ist. Trotz dieser Öffnung hat die chinesische Regierung aber auf der anderen Seite den Plan «China 2025» ­angekündigt, bei welchem vor allem die einheimische Industrie wachsen und begünstigt werden soll.

Wie profitieren Ihre Märkte von der Globalisierung und wie wirkt sich der Protektionismus auf diese aus?

Die südeuropäischen Länder Italien, Frankreich, Spanien und Portugal sind Mitglieder der Europäischen Union, weshalb die Schweiz durch das Abkommen mit der EU von guten Exportbedingungen profitiert. Die Länder können jedoch die allgemeinen Be­ dingungen auf ihre länderspezifischen Gegebenheiten ­anpassen. Das kann dazu führen, dass je nach Land strengere Zulassungs- oder Registrierungsverfahren bestehen können, etwa für die Medizintechnikoder Lebensmittelbranche. Grundsätzlich profitieren Schweizer KMU in diesen Ländern aber von einer offenen und liberalen Wirtschaftssituation.

Versteckte Begünstigung Hindernisse Während viele Länder ihre Zölle abgebaut haben, gibt es nun mehr ­nichttarifäre Handelsschranken. Was dies für KMU bedeutet.

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FLAVIO REINARZ

xportierende Schweizer KMU befinden sich derzeit in einer komplizierten Lage: Grundsätzlich bieten ihnen die Weltwirtschaft und die Globalisierung so viele Wachstumschancen wie noch nie. Gleichzeitig wird der internationale Freihandel zurzeit weltweit infrage gestellt. Die Folge: In vielen Märkten entstehen neue Handelsschranken. Gemeint sind damit allerdings weniger die klassischen Zölle: Mit der Etablierung der Welthandelsorganisation WTO und deren Vorläufer Gatt wurden die Zölle über die letzten Jahrzehnte in den meisten Ländern deutlich abgebaut und liegen heute auf einem tiefen Niveau. Ein Beispiel: Gemäss Daten der Weltbank lag der Durchschnitt der angewandten Zollsätze für Industriegüter in der Europäischen Union im Jahr 2012 bei lediglich rund 1,8 Prozent, in den USA bei rund 2,9 Prozent (Daten bis 2012 vorhanden).

«Dass KMU alleine aufgrund der in e­inem Markt geltenden Zollsätze von ­einem Markteintritt absehen, hören wir tatsächlich sehr selten», sagt Alberto Silini, Leiter Beratung bei Switzerland Global Enterprise (S-GE). Den weltweiten Trend zu mehr Handelsschranken stellt aber auch er fest: «Wir beobachten seit einigen Jahren, dass Schweizer Exporteure vermehrt mit sogenannten nichttarifären Handelsschranken zu kämpfen haben.»

gebühren oder komplizierten Formvorschriften für Warenbegleitpapiere wird versucht, die ausländische Konkurrenz vom heimischen Markt fernzuhalten.

Technische Anforderungen Statt mit «offensichtlichen» Grenz­ massnahmen versuchen Staaten auch, mit Massnahmen, die erst «hinter der Grenze» anfallen, einen Protektionseffekt für die heimische Wirtschaft zu erzielen. Das Prinzip besteht auch hier darin, auslän­dischen Kategorien nichttarifärer Schranken Firmen Hürden in den Weg zu l­egen, etwa Nichttarifäre Handelsschranken – ver- über gesetzliche Mindest­ quoten beim einfacht gesagt sind das alle Massnahmen, ­Anteil inländischer Arbeitnehmer, die ein mit denen Staaten den Handel oder spezi- Unternehmen beschäftigen muss (bis zu fisch die Einfuhr beschränken wollen, bei 100 Prozent), den Zwang, mit inländischen denen es sich nicht um klasBetrieben ein Joint Venture sische Zölle handelt. Grob einzugehen, Verpflichtungen KMU sollten kann man drei Kategorien zu Technologie- und Knowinternationale von nichttarifären Handelshow-Transfer oder eingeschranken unterscheiden, schränkte Anerkennungen Märkte auf ­einem Instrument, auf das der beruflichen Qualifika­ keinen Fall Staaten zur Beschränkung tionen ausländischer Arbeitscheuen. des Handels und zum Schutz nehmer. Schliesslich ver­ der einheimischen Produsuchen auch immer mehr zenten vor Importkonkurrenz oft zurück- Staaten, ausländischen Unternehmen den greifen: Zu den einschneidendsten han- Marktzutritt mit «versteckten» Handelsdelsbeschränkenden Grenzmassnahmen schranken zu erschweren – und zwar mit gehören Import- und Exportverbote für zahlreichen Vorschriften und Normen bestimmte Waren sowie Kontingente. ­bezüglich der technischen Anforderungen Auch mit aufwendigen Zollverfahren, an eine Ware, sei dies in Bezug auf Aspekte ­unverhältnismässig hohen Verwaltungs- wie Herstellung, Verpackung, Etikettie-

rung, Transportbedingungen, Sicherheit, Gesundheit oder Umweltverträglichkeit. Viele Staaten machen dabei ein legitimes staatliches Regelungsinteresse geltend wie zum Beispiel die Gewährleistung der im e­ igenen Land geltenden Umweltoder ­ Sicherheitsstandards. Dank dem bilate­ralen Abkommen über den Abbau ­tech­nischer Handelshemmnisse sind die ­technischen Anforderungen an Industrie­ produkte in der Schweiz und der EU weit­ gehend gleichwertig.

Nicht abschrecken lassen Es zeigt sich: Nichttarifäre Handelsschranken sind so zahlreich wie vielfältig und kommen in nahezu allen Ländern vor – auch in der Schweiz. Wie sollten Schweizer Exporteure mit ihnen umgehen? «KMU sollten auf keinen Fall vor den internationalen Märkten zurückschrecken», fordert Alberto Silini. «Nichttarifäre Handelsschranken haben die Komplexität des internationalen Geschäfts zwar erhöht, doch es gibt auch Wege und Instrumente, wie man sie überwinden oder zumindest umgehen kann.» Für Schweizer Exporteure hat Alberto Silini in diesem Zusammenhang drei Ratschläge: 1. Markteintritt seriös vorbereiten: Um auf allfällige Handelsschranken im Zielmarkt

vorbereitet zu sein, sollten sich KMU frühzeitig mit ihrem Zielmarkt auseinandersetzen und eine Marktanalyse erstellen lassen. Nur wer die Rahmenbedingungen gründlich abklärt, erlebt beim Markteintritt keine bösen Überraschungen. 2. Freihandelsabkommen nutzen: Neben dem Efta-Übereinkommen und dem Freihandelsabkommen mit der EU verfügt die Schweiz über ein Netz von 28 Freihandelsabkommen mit 38 Partnern ausserhalb der EU – und es werden laufend neue Abkommen ausgehandelt. Gerade die Freihandelsabkommen der neueren Art verfolgen das Ziel, neben den Zöllen auch nicht­ tarifäre Handelsschranken abzubauen. 3. Professionelle Unterstützung suchen: Die Erfahrung zeigt, dass Alleingänge das Risiko eines Exportprojekts deutlich erhöhen. Schweizer Exporteuren ist deshalb geraten, die Unterstützung durch einen professionellen externen Partner wie S-GE in Anspruch zu nehmen. S-GE unterstützt KMU mit kompetenter Exportberatung, Informationen über Handelsschranken und Freihandelsabkommen, massgeschneiderten Marktstudien und globalem Netzwerk. Flavio Reinarz für Switzerland Global Enterprise, Zürich.

Protektionismus bedroht wirtschaftliche Ordnung

Risiko Handelsbarrieren sind eine Gefahr für Weltwirtschaft und Kapitalmärkte. Eine besonnene Reaktion aller Beteiligten ist derzeit besonders wichtig. MARTIN LÜCK

Der Blackrock Global Risk Indicator, mit dem wir die Gefahren der Geopolitik für die Finanzmärkte einschätzen, notiert so hoch wie zuletzt vor etwa drei Jahren. Protektionistische Tendenzen sind eines der Kernrisiken 2018 – sowohl für die Weltwirtschaft als auch für die Kapitalmärkte. Eine der grössten Gefahren geht in diesem Zusammenhang von den USA aus. Alle Welt, so US-Präsident Donald Trump schon Mitte der 1980er Jahre, würde den USA auf der Nase herumtanzen, es sei nunmehr Zeit, sich zu wehren. Man darf sich also nicht wundern, wenn er nun das liefert, was er seit langer Zeit angekündigt hat. Mit Vernunft lässt sich vieles, was der US-Präsident initiiert, ohnehin nicht erklären – so auch seine Auffassung vom angeblich unfairen Welthandel, die er als Begründung für die geplanten Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium anführt. Auch andere Argumente für diese Zölle erscheinen gewagt: So gefährden die Importe von Stahl und Aluminium laut dem US-Handelsministerium die nationale Sicherheit in den Vereinigten Staaten. Diese Begründung erlaubt den USA eine Erhebung von Zöllen an den Regeln der Welthandels­ organisation WTO vorbei, ohne dass ein detaillierter Nachweis nötig ist.

Wie gross ist die Gefahr eines Handelskrieges vor diesem Hintergrund tatsächlich? Eben weil die Denkwelt des US-Präsidenten diesbezüglich bemerkenswert schlicht ist, herrscht wenig Transparenz. Vieles hängt also von der Besonnenheit aller sonstigen Beteiligten ab – dies beginnt im Umfeld des Präsidenten selbst. Anfang März trat, offenbar in stillem Protest gegen die Zollpläne Trumps, sein wichtigster Wirtschaftsberater Gary Cohn zurück, was die ökonomische Kompetenz des Weissen Hauses weiter erodiert hat. Gleichzeitig wurde bekannt, dass sich die republika­ nischen Mehrheitsführer in Senat und Repräsentantenhaus, Mitch McConnell und Paul Ryan, sehr kritisch zur Einführung von Strafzöllen geäussert hatten. Es dürfte also keineswegs als ausgemacht gelten, dass Trump allein den US-Aussenhandel in Richtung Protektionismus drehen kann.

Verlangsamter Welthandel als Risiko Umso wichtiger ist eine besonnene ­Reaktion der wichtigsten Handelspartner, allen voran der Europäischen Union und Chinas. Dass Europa neben vielen anderen Regionen der Welt nun verschont werden soll, verdeutlicht einmal mehr, dass die Zölle auf Aluminium und Stahl wohl vor allem Wahlkampfgetöse für die Kongressnachwahl im 18. Bezirk von Pennsylvania

waren und dass es Trump gar nicht um faireren Handel mit den nun ausgenommenen Ländern geht. Die Verschonung Europas von Strafzöllen heisst keineswegs, dass das Risiko gebannt ist. Europa wird immer auch – und vermutlich sogar besonders – betroffen sein, wenn der Protektionismus im Welthandel zunimmt. Deshalb sollte es uns Europäer nicht kaltlassen, wenn Trump jetzt seinen eigentlichen Gegner ins Visier nimmt: ­ China. Das Risiko der ganzen Zollepisode liegt unseres Erachtens in der Tat in einem Handelskrieg der beiden weltgrössten Volkswirtschaften. Sollten die beiden versuchen, sich durch Handelshemmnisse gegenseitig zu schaden, wäre eine Verlangsamung des Welthandels eine fast ­sichere Folge davon – mit Konsequenzen für Wachstum und Unternehmensge­ winne auch in Europa. Schliesslich ist eine immer tiefere wirtschaftliche und finan­ zielle Integration Kernbestandteil der langfristigen globalen Wachstums-Story. Zunehmender Protektionismus setzt diese Entwicklung aufs Spiel. Ein US-Handelskrieg mit China oder ein eigenmächtiger Rückzieher der USA aus dem Nord­ atlantischen Handelsabkommen könnte das Fundament unserer wirtschaftlichen Nachkriegsordnung erschüttern und die globale Integration umkehren.

Zuletzt sind auch die Aktienanleger a­ ngesichts der protektionistischen Bedrohung spürbar in Deckung gegangen. Die relative Ruhe an den Aktienmärkten, die wir angesichts der bisher geschaffenen Tatsachen noch für rational halten, könnte angesichts dessen in Richtung «risk-off» kippen. Das gilt umso mehr, als dass Ereignisse, die in der alten Risikowelt – also jener vor dem plötzlichen und sprunghaften Anstieg der Volatilität am 5. Februar – von Marktteilnehmern vermutlich als NonEvent durchgewinkt worden wären, nun das Zeug zu Störenfrieden haben. Die Strafzölle, die Donald Trump auf Importe in die USA plant, gehören dazu. Denn sie könnten wie beschrieben Gegenmassnahmen hervorrufen, die wie eine Spirale immer weiter in Richtung tiefgreifender globaler Handelszerwürfnisse führen. Dass es an den Märkten bislang dennoch relativ ruhig zugeht, liegt mass­ geblich an den Notenbanken. So liess die Europäische Zentralbank auf ihrer Konferenz am 8. März erneut keinen Zweifel daran, dass sie die Inflation weiterhin für viel zu niedrig hält und derzeit keinen Gedanken an eine Zinsanhebung verschwendet. Und bezüglich der US-Notenbank Fed sorgt die Kombination starker Job-Daten, die auf eine robust laufende Volkswirtschaft hindeuten, und einer schwächeren

Lohndynamik, die eine gemächliche ­Normalisierung der Zentralbankzinsen ermöglicht, am Aktienmarkt für Erleichterung. Auf die moderate Zinserhöhung am 21. März reagierten die Märkte besonnen. Damit sind Anzeichen der Rezeptur für ein «Goldlöckchen»-Szenario – gewissermas­ sen der Idealzustand für die Kapitalmärkte – aus Anlegersicht zurück. Eben dieses Umfeld hatte die Aktienmärkte 2017 und bis Anfang Februar 2018 beflügelt.

Anleger gehen in Deckung Anleger, die dem Frieden nicht ganz trauen und die sich für einen aufziehenden Handelskrieg wappnen wollen, dürften auf die klassischen sicheren Häfen schauen, also Gold und Yen-Anlagen. Hierauf deutet eine Blackrock-Untersuchung der Drei­ tages-Performance verschiedener Anlageklassen rings um das Bekanntwerden ­handelsbezogener Risikoereignisse in der Vergangenheit hin. Kurzfristig kann es sich für Anleger lohnen, bei Veröffent­lichung schlechter Nachrichten in Richtung Handelskrieg temporär in Deckung zu gehen – auch wenn das längerfristig positive Bild für die Kapitalmärkte intakt bleibt. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie für Deutschland, Schweiz, Österreich, Osteuropa, Blackrock, Frankfurt am Main.


Aussenhandel | 35

HANDELSZEITUNG | Nr. 13 | 29. März 2018

Anspruchsvoller Markteintritt Erfahrungen Wie die Firmen Leister, Coresystems und Kuhn Rikon den zunehmenden Protektionismus erleben.

3 Firmen, 4 Fragen

1.

püren Sie heute einen S Trend zu mehr Protektio­ nismus – konkret in Ihrem Geschäft – über die poli­ tische Debatte hinaus?

2.

aben Sie sich schon ein­ H mal dagegen entschieden, einen neuen Markt anzu­ gehen, weil Ihnen die ­Handelshürden zu hoch ­erschienen?

3.

o in der Welt ist ein W Markteintritt besonders schwierig?

4.

Was sind Ihre wichtigsten Tipps für KMU, wenn es darum geht, international zu wachsen?

UMFRAGE: S-GE

Christiane Leister Inhaberin und VR-Präsidentin Leister

Manuel Grenacher Gründer und CEO Coresystems

Tobias Gerfin CEO Kuhn Rikon

1.

Die Leister-Gruppe bewegt sich weltweit mit ihren Produkten in Marktnischen und ist kaum zunehmendem Protektionismus ausgesetzt. Generell treffen uns politisch begründete Handelsembargos, welche die Nach­ frage im jeweiligen Land beeinflussen oder den grenzüberschreitenden Zahlungs-verkehr erschweren. Weiterhin ­sehen wir in China mit den Massnahmen zur Cyber-Souveränität Aktivitäten zum Schutz der chinesischen Industrie.

2.

Wir haben seit unserer Gründung 1949 über hundert Länder mit Tochtergesellschaften und Distributoren als Absatzmärkte erschlossen. Sobald ein Land, in dem wir noch nicht vertreten sind, Marktpotenzial, die erforderliche Kaufkraft und politische Stabilität aufweist, beginnen wir mit der Marktbearbeitung. Von Handelshürden haben wir uns nicht an unserer Strategie hindern lassen; ausgenommen in Argentinien, wo wir wegen neuer Importbeschränkungen unsere Exporte sistiert haben.

3.

Ein Markteintritt ist in allen Ländern anspruchsvoll. Internationale Key Accounts bearbeiten wir von der Schweiz aus und bauen lokale Distributoren auf. So haben wir vor Ort ausgebildete Fachkräfte für Verkauf und Service und er­ halten Kenntnis über die lokalen Gegebenheiten. Die interkulturellen Kompetenzen unserer Mitarbeitenden in der Schweiz, die mehr als zehn Sprachen sprechen, werden von unseren Kunden auf der ganzen Welt geschätzt.

4.

1.

In der IT- und Softwarebranche ­spüren wir definitiv einen Trend zu mehr Protektionismus. Das Thema ­Datenschutz verbreitet seit dem Inkraft­ treten der EU-Datenschutz-Grundverordnung bei vielen Panik. Vor allem kleine Firmen und Startups stehen unter enormem Druck, denn sie müssen dieselben Auflagen erfüllen wie Konzerne. Die Ausgaben für die benötigte Technik und die Schulungskosten für die Mitarbeiter sind ausserdem extrem hoch und stellen eine zusätzliche Belastung dar.

2.

Bisher haben wir uns noch nie ­dagegen entschieden, einen neuen Markt zu betreten. Auch in schwierigen Märkten wie China oder Brasilien sind wir gemeinsam mit unseren Kunden ­gewachsen.

3.

Aus Erfahrung wissen wir, dass der Markteintritt in Brasilien oder China sehr anspruchsvoll ist. Deshalb vertrauen wir bei Coresystems unseren lokalen Kontakten, die den jeweiligen Markt kennen und die Fähigkeit sowie das Know-how besitzen, mit den ört­ lichen Behörden zusammenzuarbeiten. Zudem arbeiten wir mit Organisationen wie Switzerland Global Enterprise zusammen, die uns dabei unterstützen, auf internationalen Märkten Fuss zu ­assen.

4.

1.

2.

3.

4.

Protektionismus gibt es in vielen Marktregionen. Beispiele sind Sonderzölle in der EU auf Produkte aus China. Bei dieser Art Handelshemmnis hat sich die Situation zuletzt kaum verändert. Anders sieht die Sache im Bereich der Normen aus: Unsere Produkte sind in Kontakt mit Lebensmitteln und müssen deshalb hohe Auflagen erfüllen. Leider entstehen in einzelnen Ländern und Regionen immer mehr lokale Vorschriften, die nicht immer mit dem Schutz des Konsumenten erklärt werden können.

Kuhn Rikon hat sich immer wieder bewusst gegen den Markteintritt in einzelne Länder entschieden – aufgrund verschiedener Faktoren und nicht al­ leine wegen Handelshürden. Im Rahmen unseres Strategieprozesses im Jahr 2014 wurden etwa die Märkte Brasilien und Russland intern intensiv diskutiert. Letztlich bewerteten wir die Risiken in diesen Ländern deutlich höher als die Chancen eines Markteintritts. Darum haben wir in den letzten Jahren auf Ak­ tivitäten in diesen Ländern verzichtet.

Jedes Land ist anspruchsvoll. Überall auf der Welt gilt es für uns, die jeweiligen lokalen Vorschriften einzuhalten, damit wir unsere Produkte verkaufen dürfen. Entscheidend ist, wie man sich auf den Markteintritt vorbe­ reitet. So arbeiten wir in vielen Ländern mit lokalen Distributoren zusammen, die sich mit lokalen Besonderheiten des Marktes sowie Kultur und Sprache auskennen. Für ein KMU wie Kuhn Rikon wäre die Bearbeitung von fast fünfzig Märkten anders gar nicht möglich.

Märkte nacheinander und nicht gleichzeitig bearbeiten. Jedes Land erfordert Kenntnisse und Aufwand betreffend Sprache, Gesetzgebung, Produktspezifikationen, Anwendungen, Vertriebskanäle usw. Deshalb ist Fokussieren auf die grössten und am einfachsten zu erschliessenden Marktpotenziale wichtig. Zusammenarbeit mit Grosskunden und der Aufbau von Distributoren, die mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut sind, sollten die ersten Schritte bei einer Marktbearbeitung sein. Ich empfehle Mitarbeiter einzu­ stellen, die einen internationalen Hintergrund besitzen – sei es aufgrund ihrer Herkunft oder durch frühere Beschäf­tigungen. Der neue Arbeitgeber kann dann von den geschäftlichen Beziehungen in den einzelnen Ländern profitieren und gemeinsam mit den dortigen Experten das Geschäft aus­ ­ bauen. In manchen Fällen wie beispielsweise in den USA ist es jedoch ratsam, dass der Geschäftsführer persönlich vor Ort ist und das Geschäft selbst aufbaut. Wichtig ist, sich im Vorfeld des Markteintritts die strategische Frage zu stellen, welches die kurzfristigen und langfristigen Ziele im neuen Markt sind – gerade weil der Aufbau eines ­neuen Marktes in den ersten Jahren oft unprofitabel und riskant ist. Auch sollte externe Hilfe bei der Marktbeurteilung gesucht werden. Es gibt in der Schweiz sehr gute Partner für solche Studien, sei es S-GE oder die lokalen Handelskammern. Dasselbe gilt auch für den effek­ tiven Markteintritt.

Gute Vorbereitung ist gefragt Brexit Dessen Wirkung ist noch ungewiss. Doch bis zum EUAustritt bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Firmen sollen sie nutzen, um sich zu rüsten.

D JORIS D’INCÀ

amit Unternehmen mögliche Szenarien in ihre strategische Planung aufnehmen können, müssen sie zunächst die direkten Kosten des Brexit verstehen, die auf sie zukommen werden – also Zölle und regulato­ rische Kosten. Berechnungen von Oliver Wyman und Clifford Chance zufolge werden sich diese direkten Kosten für Unternehmen in der EU 27 und im Vereinigten Königreich (UK) auf insgesamt 75 Milliarden Franken pro Jahr belaufen – auch nachdem erste Schritte zur Kosten­senkung unternommen worden sind. Für die Analyse wurden die Auswir­ kungen von Zöllen und regulatorischen Hürden berechnet, falls die EU 27 und UK

zu einer Handelsbeziehung nach den Regeln der Welthandelsorganisation ­ (WTO) zurückkehren. Von den 75 Milliarden Franken entfallen 40 Milliarden auf Firmen in der EU 27 und 35 Milliarden auf Unternehmen in UK. Der grösste Kostenanteil entsteht durch regulatorische Hürden – dazu zählen etwa Kosten für Zu­ lassungen, erhöhten Zeitaufwand an der Grenze oder Probleme mit Just-in-TimeProduktion aufgrund von Verzögerungen.

Unsichere Zeiten für Schweizer Firmen In der EU 27 wird die Automobil­ branche mit zusätzlichen Kosten durch Handelsbarrieren in der Höhe von 2 Prozent der Bruttowertschöpfung am stärksten betroffen sein. Auf Länderebene wird es grosse Unterschiede geben. So ist die irische Landwirtschaft in hohem Ausmass von UK-Konsumenten abhängig. In UK wird allein die Finanzdienstleistungs­ branche ein Drittel der direkten Kosten tragen müssen. Doch auch andere Branchen mit starker Integration in euro­ päische Supply Chains werden den Brexit zu spüren bekommen – vor allem in den

Bereichen Automobil, Luft- und RaumDemnach müssen sich besonders fahrt, Chemie sowie Metall und Bergbau. ­Unternehmen in der Pharma- sowie der Als wichtige Handelspartner für Unter- Uhren- und Bijouteriebranche auf den nehmen in UK müssen sich auch Schwei- Brexit vorbereiten. In der Pharmabranche zer Unternehmen auf unsichere Zeiten beruht das jetzige Schweiz/EU-Modell auf ­einstellen. Heute basieren die Handelsbe- der gegenseitigen Anerkennung von Stanziehungen zwischen den beiden Ländern dards. Daher müssen Pharmaunter­ weitestgehend auf bilateralen nehmen Medikamente nur EU-Abkommen. Diese sind in der EU oder in der Schweiz Die Brexitnach dem Brexit hinfällig und registrieren, nicht in beiden Kosten dürften Märkten. Fällt ein solches es ist noch unklar, wie mög­ liche zukünftige Abkommen Abkommen weg, müssen sobei insgesamt gestaltet werden. wohl in der Schweiz als auch 75 Milliarden Ein Blick auf die Schweiin UK ansässige Pharma­ Franken liegen. unternehmen viele zusätz­ zer Aussenhandelsstatistik zeigt: Warenexporte aus der liche regulatorische Hürden Schweiz nach UK beliefen sich 2017 auf nehmen – von klinischen Studien über 11,3 Milliarden Franken, die Importe aus Chargenprüfungen bis hin zu Patenten. UK auf 6,1 Milliarden Franken. Damit ist Unternehmen in der Uhren- und BijouteUK der sechstwichtigste Absatzmarkt und riebranche wird es leichter fallen, die Ausder achtgrösste Herkunftsmarkt für die wirkungen des Brexit zu managen, denn Schweiz. Mit einem Exportvolumen von ihre Produkte sind weder besonders zeit4,6 Milliarden Franken gehören Pharma- kritisch noch preissensitiv. Daher werden produkte zu den meistexportierten Waren sie in der Lage sein, einen Grossteil der nach UK, gefolgt von Schmuck (1,4 Mil­ ­zusätzlichen Kosten auf den Konsumenliarden Franken) und Uhren (1,3 Milliar- ten umzulegen, ohne grössere Umsatz­ den Franken). einbussen hinnehmen zu müssen.

Unabhängig von der Unternehmensgrösse und der Branche gilt: Um in un­ sicheren Zeiten zu navigieren, müssen sich Unternehmen auf unterschiedliche Szenarien einstellen – sowohl strategisch als auch operativ. Gut vorbereitete Unternehmen sichern sich schon jetzt ab und berücksichtigen die Auswirkungen des Brexit auf ihre Supply Chains und Kunden.

Massnahmen bereits definieren Das verbleibende Jahr wird schnell ­vergehen – auch wenn eine Übergangsphase nun wahrscheinlich scheint und Unternehmen etwas mehr Zeit verschafft. Angesichts der Unvorhersehbarkeit der anstehenden Turbulenzen setzen sich viele Unternehmen nicht ausreichend mit dem Thema Brexit auseinander. Gut vorbereitete Unternehmen haben aber bereits Massnahmen und Implementierungszeitpläne definiert sowie angefangen, No-Regret-Massnahmen umzusetzen. Sie werden dadurch in der Lage sein, die negativen Auswirkungen zu minimieren. Joris D’Incà, Schweiz-Chef, Oliver Wyman, Zürich.


JETZT ANMELDEN: S-GE.COM/ AWF-2018

SIE WOLLEN INTERNATIONAL WACHSEN? International wachsen zwischen Globalisierung und Protektionismus – Strategien und Tipps für exportierende KMU Aussenwirtschaftsforum, 26. April 2018, Messe Zürich, s-ge.com/awf-2018

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