Handelszeitung 07.02.2019 - Special Aussenhandel

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| 7. Februar 2019

Special

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«Wir fassen Zukäufe ins Auge» Wie Zehnder-Chef Matthias Huenerwadel im Lüftungsmarkt wachsen will. Seite 35

Aussenhandel Keine Angst vor reifen Märkten Das gilt es zu beachten: Sechs Tipps, wie der Einstieg und die Expansion in gefestigten Regionen gelingen. SEITE 36

EU-Pakt mit Japan belastet Schweizer Weshalb das neue Freihandelsabkommen EU–Japan den Schweizer Exporteuren in die Quere kommt. SEITE 37

Auf der Suche nach Synergien Weshalb Pack-EasyChefin Marion Klein in den Märkten China, Iran und Korea Potenzial für Wachstum sieht. SEITE 38

Sichere Zahlungen ins Ausland Wie alternative Absicherungsmethoden bei hiesigen Exporteuren zu mehr Spielraum in Verhandlungen führen. SEITE 38

Sechs Beraterinnen und Berater von Switzerland Global Enterprise (S-GE) in Zürich: (oben von links nach rechts) Annina Bosshard (USA + Kanada), Beat Ineichen (Australien + Neuseeland), Jacqueline Tschumi (Japan); (unten von links nach rechts) Beat Kuster (Südeuropa), Nadja Kolb (Deutschland), Katalin Dreher-Hajnal (Österreich).

Erfolgreich ins Ausland

Expansion Ob reifer Markt oder wachsendes Schwellenland, es gibt keinen einfachen Absatzmarkt. Für den Erfolg sind das Geschäftsmodell und die Qualität der Angebote entscheidend – und ein fokussiertes Vorgehen. ROBERTO STEFANO

Angesichts des begrenzten Heimmarkts hierzulande stellt sich bei vielen Schwei­ zer KMU früher oder später die Frage nach einer Expansion ins Ausland. Doch wohin soll die Reise gehen? Grosse Chancen scheinen Schwellenländer zu bieten – dank hohen Wachstumsraten und der ste­ tig zunehmenden Kaufkraft in der breiten Bevölkerung. Naheliegender, im wörtlichen Sinne, ist die Expansion in ein umgrenzendes Nach­ barland wie Deutschland, Frankreich oder Italien. Die Länder sind räumlich und ­kulturell verwandt, man kennt die Bege­ benheiten vor Ort und auch die Reise­

distanz ist überschaubar. Auf der anderen Seite zählen diese zu den reifen Märkten, der Wettbewerb ist intensiv und das Ange­ bot bereits sehr gross. Wie auch immer der Entscheid ausfällt, für Neulinge im internationalen Geschäft lohnt es sich laut Internationalisierungs­ experten, eine Wahl zu treffen und sich nicht gleich auf unzählige Märkte zu stür­ zen. Denn einfach wird der Schritt weder in der einen noch in der anderen Region. «Es ist erfolgversprechender, in einem oder zwei Märkten mit Engagement, Fo­ kus und Beharrlichkeit die Marktposition nachhaltig aufzubauen, als in zu vielen Märkten gleichzeitig zu versuchen, die Bälle zu jonglieren», schreibt etwa Alberto

Silini, Leiter Beratung bei Switzerland Global Enterprise. Eine Ausnahme zu ­dieser Regel gelte im E-Commerce, wobei auch hier die lokalen Regulatorien und steuerlichen Vorgaben beachtet werden müssten. Die Schweizer Firmen bevorzugen die Expansion ins angrenzende Ausland. Deutschland ist hier die klare Nummer eins. Dass es sich dabei um einen reifen Markt handelt, nehmen sie in Kauf, die Vorteile der geografischen, sprachlichen und kulturellen Nähe überwiegen. Und auch das Wachstum ist in diesen Absatz­ gebieten durchaus möglich. Vorausge­ setzt, das Geschäftsmodell und die Quali­ tät der angebotenen Produkte und Dienst­

leistungen stimmen. Tipps für einen er­ folgreichen Eintritt und eine gelungene Expansion gibt Silini auf Seite 36. Wertvolle Inputs zum Thema ver­ spricht das Aussenwirtschaftsforum von Switzerland Global Enterprise, welches am 26. März 2019 unter dem Motto «Euro­ pa, USA und Co.: In reifen Märkten wach­ sen» in der Messe Zürich stattfindet. Re­ nommierte Referenten sowie rund 600 Vertreter aus Wirtschaft, Verbänden, Poli­ tik und Behörden tauschen sich in Work­ shops und Vorträgen aus. Erneut auf dem Programm steht auch die Verleihung des Export Award an ein Unternehmen, das besonders erfolgreich im Ausland Fuss ­gefasst hat und dort Geschäfte betreibt.

Switzerland-GlobalEnterprise-Chef Daniel Küng über W ­ achstumsmöglichkeiten in reifen Märkten. SEITE 39

VERANTWORTLICH FÜR DIESEN SPECIAL: ROBERTO STEFANO

FOTO-PORTFOLIO Wie gelingt der Markteintritt und wie können sich Schweizer KMU in reifen Märkten weiterentwickeln? Sechs Berater von Switzerland Global Enterprise (S-GE) beantworten die Frage für ihre jeweiligen Regionen. Fotos: ZVG

ZVG

FOTOS: ZVG

Schweizer Qualität fürs Wachstum

Impressum Der Special «Aussenhandel» ist eine ­redaktionelle E­ igenbeilage der «Handelszeitung» und Bestandteil der aktuellen Ausgabe. Herausgeber: Redaktion und Verlag, «Handelszeitung», Ringier Axel Springer Schweiz, 8021 Zürich.


«Dank Switzerland Global Enterprise haben wir als ehemaliges Start-up den idealen Markteintritt in Deutschland gefunden, ohne eine Niederlassung gründen zu müssen.» MICHAEL FRÜH CEO

F&P ROBOTICS AG Wie können wir Sie beim Export unterstützen? s-ge.com

JETZT TICKET SICHERN: Aussenwirtschaftsforum 2019, 26. März 2019, www.s-ge.com/awf19


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HANDELSZEITUNG | Nr. 6 | 7. Februar 2019

Annina Bosshard: USA + Kanada Wie gelingt der Markteintritt in Ihren Markt und wie können sich Schweizer KMU in diesem wettbewerbsstarken Umfeld langfristig behaupten?

Die USA und Kanada sind hochentwickelte Märkte, die sich durch einen enormen Wettbewerbsdruck und anspruchsvolle Kunden charakterisieren. So gross und wichtig die beiden Märkte sind, so gross ist auch das Potenzial für Schweizer Unternehmen. Es zahlt sich aus, sich zu Beginn auf ausgewählte Kundenregionen zu ­fokussieren und von dort aus zu expandieren. Vorschriften und rechtliche Rahmenbedingungen sind im Vergleich mit Europa oft anders und in fast allen Fällen unterscheiden sie sich in den USA von Kanada – es lohnt sich, sich mit einer vertieften Markt- und Kunden­ analyse einen Überblick zu verschaffen. Schweizer Firmen ­sollten in alle Richtungen digital denken und ihre Geschäftsmodelle den Bedürfnissen der Kundschaft in Nordame­ rika anpassen. E-Commerce zum Beispiel hat sich zu einem wichtigen Vertriebskanal entwickelt, im Business-to-Consumer und Businessto-Business gleichermassen.

Beat Ineichen: Australien + Neuseeland Wie gelingt der Markteintritt in Ihren Markt und wie können sich Schweizer KMU in diesem wettbewerbsstarken Umfeld langfristig behaupten?

Australien und Neuseeland: Zwei Märkte auf der «anderen Seite der Welt», die Schweizer Unternehmen vor allem aufgrund der Distanz und Zeitverschiebung vor Herausforderungen stellen. Der lange Transportweg und die Haltbarkeit der Ware können einen Zusatzaufwand bedeuten. Dieser Faktor soll Schweizer Firmen aber nicht vom Export dorthin abhalten, im Gegenteil. Australien und Neuseeland sind vielversprechende Märkte, beide setzen auf Qualität und produzieren nicht sämtliche Güter selbst. Sie sind somit auf Importe angewiesen und Swissness geniesst einen sehr guten Ruf. Aufgrund der starken Konkurrenz aus Asien brauchen Schweizer Exporteure aber eine klare Fokussierung, Wert- und Leistungsversprechen (USP). Denn auch wenn Australien und Neuseeland als Hochkostenländer gelten, werden die Preise hinterfragt. Um in diesen Märkten Fuss zu fassen, lohnt sich für Schweizer Unternehmen vor allem in der Anfangsphase die Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner.

«Wir bauen die Lager in England auf»

Matthias Huenerwadel Der neue Chef des Heizungs- und Lüftungsspezialisten Zehnder über seinen ersten Monat im Amt, Wachstumschancen in gesättigten Märkten und Branchen sowie die Gefahren des Brexit. INTERVIEW: ROBERTO STEFANO

Sie sind seit Anfang 2019 offiziell CEO der Heizungs- und Lüftungsspezialistin Zehnder Group. Wie haben Sie sich eingelebt? Matthias Huenerwadel: Ich bin gut gestartet. In den ersten Wochen habe ich mir die Zeit genommen, um alle Standorte in Europa zu besuchen und die Märkte und Leute vor Ort kennenzulernen. Da ich bereits seit November 2018 inoffiziell im Amt bin, bin ich zuvor schon nach China und in die USA gereist, um mir auch dort ein Bild vor Ort zu machen. Meine Eindrücke sind positiv, ich kann auf ein bestandenes Team zählen. Die ersten Wochen im Unternehmen habe ich zudem dazu genutzt, um die einzelnen Produkte noch besser kennenzulernen. Anfang Jahr hat Zehnder bereits die ersten Zahlen für das Geschäftsjahr 2018 publiziert und ein Umsatzwachstum von 3 Prozent auf 602,3 Millionen Euro bekannt ­gegeben. Wie zufrieden sind Sie damit? Positiv ist sicherlich die Tatsache, dass wir ein Wachstum ausweisen konnten, obwohl das Heizkörpergeschäft leicht rückläufig ist. Das bedeutet, dass wir im Bereich der Lüftungen zweistellig zulegen konnten. Insgesamt wurden die Rahmenbedingungen im zweiten Halbjahr 2018 anspruchsvoller, die Wachstumsraten haben sich abgeschwächt. Das macht Ihren Einstieg nicht einfacher ... Naja, die Gesamtmarktlage ist nicht so schlecht. Es handelt sich um eine Abschwächung, nicht um eine Krise. Wo werden Sie ansetzen, um Zehnder ­zukünftig weiter voranzubringen? Wir werden unsere eingeschlagene Strategie weiterverfolgen und die Kontinuität wahren. Das heisst, wir wollen bei den Lüftungen das Wachstum weiterführen und noch forcieren, indem wir neue Produkte auf den Markt bringen, den Vertrieb ausbauen und auch Akquisitionen ins Auge fassen. Im Heizungsbereich setzen

wir auf eine Harvesting-Strategie. Hier geht es darum, unsere Effizienz zu steigern und die Kosten zu senken, um einen positiven Cashflow zu erreichen. Die wichtigsten Märkte von Zehnder in Europa sind Deutschland, Frankreich und Grossbritannien. Wie beurteilen Sie diese? Die Märkte sind sehr unterschiedlich. In Frankreich ist der Anteil des Lüftungs­ geschäftes noch relativ klein, während Radiatoren stark verbreitet sind. In diesem Bereich geht der Trend in Richtung preisgünstigere Modelle. Deutschland auf der anderen Seite ist der grösste Lüftungsmarkt. Hier besteht noch Potenzial. Ein Engpass zeichnet sich dort vor allem aufgrund der fehlenden Fachkräfte, sprich Planer und Installateure, ab. Wir arbeiten diesbezüglich mit Partnerfirmen zusammen und bilden laufend Fachkräfte weiter. Insgesamt sind wir aber von der Entwick-

Raumklimaexperte Name: Matthias Huenerwadel Funktion: CEO Zehnder Group Alter: 50 Wohnort: Bözberg AG Familie: verheiratet, zwei Kinder Ausbildung: Dipl. Ing. ETH Das Unternehmen Die auf Heizungen und Lüftungen spezialisierte Zehnder Group mit Sitz in Gränichen AG beschäftigt weltweit 3500 Mitarbeitende. Die Firma erwirtschaftete 2018 einen Umsatz von 602 Millionen Euro.

lung im Gesamtmarkt abhängig. Die Situation in England ist angesichts der BrexitProblematik ohnehin sehr vertrackt. Wie reagieren Sie? Wir beobachten die Entwicklung sehr genau. Gleichzeitig bauen wir die Lager von Standardprodukten vor Ort auf und sorgen dafür, dass die lokale Produktion über genügend Komponenten verfügt. Schwieriger ist es bei den Massanfertigungen. Hier sind wir darauf angewiesen, dass der Handel bei einem allfälligen Brexit schnell wieder reibungslos funktioniert. Wie gelingt Ihnen das Wachstum in den gesättigten Märkten Deutschland und Frankreich? Bei den Lüftungen besteht noch viel Potenzial. Allerdings sind hier auch andere Konkurrenten mit neuen Produkten aktiv. Daher sind Innovationen unerlässlich. Zudem investieren wir in den Vertrieb und das Personal. Wir profitieren davon, dass wir über einen ausgezeichneten Namen verfügen, in Deutschland mit der Marke Zehnder, in Frankreich im Heizungsgeschäft mit der Marke Acova. Sie hat einen ausgezeichneten Ruf und ist zum Beispiel fast ein Synonym für Handtuchwärmer. Welche Bedeutung hat Swissness und mit ihr die Swiss Quality in Ihrem Geschäft? Ausgezeichnete Qualität ist natürlich eine Grundvoraussetzung. Swissness dagegen ist für uns weniger entscheidend. In Frankreich werden wir gar als französisches Unternehmen wahrgenommen. Und auch in Deutschland werden viele unserer Produkte in unserem Werk vor Ort hergestellt. Swissness ist sicherlich kein Nachteil, wichtiger ist aber der Ruf, den man sich in den lokalen Märkten geschaffen hat. Wie unterscheiden sich diese Länder in der Marktbearbeitung? Sie ist auf das jeweilige Land und seine Historie abgestimmt. So gibt es in der Schweiz beispielsweise ein zweistufiges

Vertriebsmodell: Der Absatz erfolgt über die Installateure. In Deutschland ist das Modell sogar dreistufig. Dort ist der Grosshandel von Bedeutung. Und in Frankreich werden beide Varianten gelebt. Wie kommt Zehnder ausserhalb Europas voran? Die Entwicklung ist unterschiedlich. In China war das Bild über die vergangenen Jahre hinweg sehr positiv. Wir konnten deutlich zulegen. Inzwischen zeichnet

«Swissness ist sicherlich kein Nachteil, wichtiger ist aber der Ruf in den lokalen Märkten.» sich eine leichte Abschwächung ab. In Nordamerika ist der Markt anspruchsvoller. Dort sind die Umsatzentwicklung und auch die Profitabilität noch ungenügend. Wie reagieren Sie auf die Entwicklung in den USA? In den USA sind wir noch ein Nischen­ anbieter zum Beispiel als Marktführer bei klassischen Warmwasser-Heizkörpern. Gleichzeitig gewinnt das Thema Raum­ klima an Bedeutung. Diesen Trend können wir mit unseren Lüftungssystemen abdecken. In den USA sehen wir daher noch viel Potenzial. Man muss allerdings bedenken, dass sich die lokalen Gesetz­ gebungen regional stark unterscheiden, ähnlich wie in Europa. Insbesondere der Markt der Radiatoren ist schon lange gesättigt. Wie kann man sich darin dennoch hervortun? Der Heizungsmarkt ist nach wie vor beträchtlich und für uns von grosser Bedeutung. Zudem gibt es auch bei Radiatoren Teilsegmente, die sich unterschiedlich entwickeln. Die Nachfrage nach Handtuchwärmern ist beispielsweise weiter steigend. Und hier ist Zehnder besonders aktiv. Ansonsten müssen wir auf die Ent-

wicklung am Gesamtmarkt reagieren und Marktanteile gewinnen. Ein wichtiges Element dabei sind Zusatzdienstleistungen: Diese betreffen den Lieferservice sowie die Beratung und Betreuung über die gesamte Laufzeit. Welche Bedeutung haben diesbezüglich die Digitalisierung oder Industrie 4.0? Wir arbeiten an der Digitalisierung der Produktion, der Produkte und ihrer Konnektivität sowie im E-Commerce. In allen Bereichen setzen wir Projekte um, die uns weiterbringen werden. Wir bieten, beispielsweise in Frankreich, elektronische Steuerungen über Apps an, insbesondere für elektrische Radiatoren. Man muss allerdings bedenken, dass der Produktlebenszyklus bei Heizkörpern sehr lange ist. Zur Jahrtausendwende ist Zehnder ins Lüftungsgeschäft eingestiegen. Wie bedeutsam war dieser Schritt im Nachhinein für die Gruppe? Wie sich gezeigt hat, war der Schritt enorm wichtig. Inzwischen machen die Lüftungen fast die Hälfte unseres Umsatzes aus. Wir sind in 18 Jahren von null auf 280 Millionen Euro gekommen. Es hat sich relativ früh abgezeichnet, dass das Heizkörpergeschäft tendenziell schwieriger werden dürfte, angesichts des Trends zu Bodenheizungen und der verbesserten Insola­ tion der Häuser. Ein zweites Standbein wurde daher unerlässlich. Könnten Sie sich vorstellen, noch ein ­weiteres Standbein aufzubauen? Wir sind im Bereich Innenraumklima gut aufgestellt. Hier wäre beispielsweise das Thema Luftreinigung oder Luftbehandlung interessant. Da sehen wir verschiedene Chancen. Welche Ziele streben Sie mit Zehnder ­mittelfristig an? Das Ziel ist eine Ebit-Marge von 8 Prozent sowie ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 5 Prozent. An erster Stelle steht aber die Profitabilität.


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Nadja Kolb: Deutschland Wie gelingt der Markteintritt in Ihren Markt und wie können sich Schweizer KMU in diesem wettbewerbsstarken Umfeld langfristig behaupten?

So klappen Eintritt und Expansion

Deutschland ist nach wie vor der wichtigste Exportmarkt der Schweiz. Die kulturelle und geografische Nähe sowie die wirtschaftlichen Beziehungen schaffen optimale Bedingungen dafür. Dementsprechend stark ist auch der Wettbewerb. Nischen sind im deutschen Markt oft schon besetzt, hinzu kommen preissensible Kunden. Für Schweizer Exporteure lohnt es sich daher, sich gegenüber der Konkurrenz klar zu positionieren, das Preismodell zu überdenken und neue Formen zu überprüfen. Gleichzeitig sind innovative Produkte gefragt, die den Megatrends der Digitalisierung oder Nachhaltigkeit gerecht werden. Wer diese Anforderungen erfüllt, hat gute Absatz­ chancen in Deutschland – einem Markt, der bei ­vielen Schweizer Exporteuren das Rückgrat des Erfolgs bildet und langfristig ­gewinnbringend sein kann.

Reife Märkte Die starke Kaufkraft und die partielle kulturelle Nähe machen die Länder zu guten Adressen für Schweizer KMU, sowohl für Einsteiger als auch für erfahrene Exporteure. Dies gilt es zu beachten.

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SILVANA GIGER

ie gelingt der Eintritt in reife Märkte und wie können KMU das Wachstum in diesen Ländern vorantreiben? Alberto Silini, Leiter Beratung bei Switzerland Global Enterprise (S-GE), weiss: Entscheidend sind «die richtige Strategie, das bestmögliche Wissen über das Zielland und vor allem Kenntnisse über das Kundenbedürfnis». Was simpel klingt, kann in der Umsetzung eine echte Herausforderung sein. «Denn in reifen Märkten herrscht ein grosser Wettbewerbsdruck, Nischen sind oft besetzt und die Konsumenten anspruchsvoll. Die wachsende Globalisierung sowie die Digitalisierung verschärfen diese Situation, da sie neue Konkurrenten auf den Plan rufen. Das hat zur Folge, dass diese Märkte grundsätzlich gesättigt sind und sich möglicherweise schon Platzhirsche etabliert haben.»

Zeit- und kostenintensiver Markteintritt Der Eintritt sowie das Wachstum in reifen Märkten sind für Schweizer Exporteure entsprechend zeit- und kostenintensiv. Die Geschäftsmodelle müssen noch überzeugender sein, noch mehr den Erwartungen der Kunden entsprechen und immer wieder angepasst werden können. Die Digitalisierung verlangt zudem eine ständige Weiterentwicklung – und das im Eiltempo. Dennoch sind die entwickelten und gesät-

tigten Märkte aufgrund der starken Kaufkraft für viele Schweizer KMU unverzichtbar und tragen oft einen wesentlichen Teil zum Erfolg des Unternehmens bei. Silvana Giger, Kommunikation, Switzerland Global Enterprise, Zürich.

EINTRITT IN REIFE MÄRKTE

Drei Tipps, um erfolgreich Fuss zu fassen Wie gelingt Schweizer Exporteuren der Schritt in diese gesättigten Märkte? ­Alberto Silini, Leiter Beratung bei ­Switzerland Global Enterprise (S-GE), gibt folgenden drei Ratschläge: 1. Das richtige Geschäftsmodell Wer in einem reifen Markt Fuss fassen möchte, muss das Geschäftsmodell konsequent auf den Nutzen für den Kunden ausrichten. Der Fokus soll voll und ganz auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sein. Müssen dafür etwa Lieferfristen, Serviceleistungen, das Marketing oder das Preismodell ­länderspezifisch angepasst werden? 2. Schweizer Qualität Swissmade ist im Ausland nach wie vor ein Verkaufsargument, denn es steht für Qualität. Unternehmen müssen deshalb vom Lieferanten bis zum After-Sales-­

Service konsequent auf Schweizer Höchststandards setzen. 3. Digital denken Welche digitalen ­Kanäle gibt es im Zielmarkt und was kann man darüber wissen? Dies ist ein wichtiger Punkt, denn eine genaue Auseinandersetzung mit den digitalen Trends ist im Export inzwischen unabdingbar. Die Digitalisierung spielt insbesondere in reifen Märkten eine entscheidende Rolle, etwa beim Verkauf von Produkten und Dienstleistungen. Allerdings unterscheiden sich beispielsweise die Einkaufsgewohnheiten in Südkorea deutlich von Ländern wie den USA, Kanada oder Grossbritan­ nien. Nicht zu vernachlässigen sind auch die sozialen Medien. Diese haben in der Vermarktung der Produkte und Dienstleistungen oftmals einen weitaus höheren Stellenwert als in der Schweiz.

EXPANSION IN REIFEN MÄRKTEN

Drei Tipps, die Wachstum bringen Die vielfach langfristige wirtschaftliche Stabilität ist ein wichtiges Argument für Schweizer Exporteure, einen Markt nicht nur kurzfristig zu erschliessen, sondern ihn auch für die Zukunft zu rüsten und ihn ausbauen zu können. Auch wenn die Konkurrenz gross ist, blieben gesättigte Märkte gewinnbringend, sagt S-GE-Berater Alberto Silini. Seine Tipps: 1. Beziehung zum Geschäftspartner ausbauen Die Beziehung zum geeigneten Geschäftspartner ist für den ­Erfolg im Zielland entscheidend. Vor allem aufgrund von kulturellen Unterschieden können Missverständnisse entstehen, die sich in den Verkaufs­ zahlen negativ widerspiegeln. Gute Geschäftsbeziehungen sind deshalb das Fundament jedes Erfolgs und ein regelmässiger Austausch, sowohl be-

ruflich wie auch privat, sorgt für eine gute Zusammenarbeit. 2. Eigene Standorte vor Ort prüfen Je mehr Kunden in einem Zielmarkt gewonnen werden können, desto mehr Arbeit kann auf die KMU zukommen. Es lohnt sich deshalb zu überprüfen, ob diese von der Schweiz aus für die Kunden zufriedenstellend bewältigt werden kann oder ob es eine eigene Niederlassung vor Ort braucht. Die ­Zufriedenheit der Kunden, gekoppelt mit zuverlässiger Schweizer Präzision und Qualität, bleibt weiterhin Erfolgsfaktor in reifen Märkten. 3. Geschäftsmodell weiterentwickeln Sobald Kunden gewonnen werden konnten, müssen sie langfristig gebunden werden. Dazu eignen sich neuar­ tige Preismodelle oder -strategien.

«Innovationen sind in reifen Märkten entscheidend» Wie würden Sie an der Konjunktur­ forschungsstelle KOF der ETH Zürich reife Märkte charakterisieren? Heiner Mikosch: Der Begriff «reifer Markt» wird mit unterschiedlichen, aber oft verwandten Bedeutungen und in verschiedenen Zusammenhängen verwendet. ­Einige Autoren bezeichnen einen reifen Markt als einen mit wenig Innovation. Ein Markt mit wenig Innovation muss nicht zwangsläufig langsam wachsen und einer mit langsamem Wachstum muss nicht unbedingt wenig Innovatives hervor­ bringen. Die beiden Definitionen sind also nicht unbedingt deckungsgleich. Wie sieht also die Definition der KOF aus? In der Volkswirtschaftslehre und an der KOF ist die Bezeichnung «reifer Markt» eigentlich nicht üblich. Stattdessen ­klassifizieren wir Volkswirtschaften oder Länder entsprechend der Höhe ihres Bruttoinlandprodukts (BIP) pro Kopf entweder als Industrienationen, Schwellenmärkte oder Entwicklungsländer. Es ist wichtig zu beachten, dass Industrienationen nicht unbedingt langsamer als Schwellenmärkte oder Entwicklungs­ länder wachsen. Welche wirtschaftliche Entwicklung ­erwartet die KOF in Industrienationen wie den USA, Japan und in Europa?

Das potenzielle Wachstum liegt bei ­geschätzten 2 Prozent in den Vereinigten Staaten, rund 1,8 Prozent in Europa und rund 0,7 Prozent in Japan. Mittel- bis langfristig wird das potenzielle Wachstum in der EU und in Japan voraussichtlich sinken. Diese Entwicklung lässt sich jedoch in erster Linie auf einen Rückgang der Erwerbsbevölkerung, insbesondere auf die alternde Bevölkerung zurück­ führen und nicht auf eine zukünftig geringere Faktorproduktivität in diesen Ländern. Makroökonomen betrachten Innovationen, welche technologische Prozesse und damit das Wirtschaftswachstum fördern, als zufällige und unvorhersehbare Ereignisse, als sogenannte Technologie-Schocks. Entsprechend scheint es schwierig, hier Prognosen zu erstellen. Wie wahrscheinlich ist in Industrie­ nationen einerseits ein wirtschaftlicher Zusammenbruch, anderseits der ­wirtschaftliche Erfolg? Langsam wachsende Industrienationen sind oft stabiler als wachstumsstarke Schwellenländer. Im Wesentlichen ist die Volatilität des Wachstums in Industrie­ nationen geringer als in Schwellenländern. Das bedeutet, dass ein wirtschaft­ licher Zusammenbruch, aber auch aus­ sergewöhnliches Wachstum in langsam

Heiner Mikosch Konjunkturforschungsstelle KOF, ETH Zürich

«Ein Markt mit wenig Innovation muss nicht zwangsläufig langsam wachsen.»

wachsenden Industrienationen weniger wahrscheinlich ist als in wachstums­ starken Schwellenländern. Ist es eher wahrscheinlich, dass Märkte, die sich in der Phase eines reifen Marktes befinden, in einen Abschwung eintreten als jene in der Phase eines Wachstumsmarktes? Tatsächlich stellt sich hier eine weitere Frage: Ist die vereinfachte Darstellung des Phasenzyklus von Märkten (von Wachstum über Reife bis hin zum Abschwung) realitätsgetreu oder können Märkte von einer Wachstumsphase direkt in einen Abschwung wechseln und können sie von der Reifephase wieder zurück in die Wachstumsphase gelangen? Meiner ­Ansicht nach entspricht diese vereinfachte Darstellung der Phasen eines Marktes häufig nicht den schubweisen und spezifischen Entwicklungen einzelner Märkte in der Realität. Wie würden Sie die Entwicklung eines Marktes beschreiben? Ein Wechsel eines Marktes von einer ­Phase in eine andere kann von verschiedenen Auslösern ausgehen, darunter die Umsetzung von Innovationen, regulato­ rische Veränderungen oder Änderungen des Verbraucherverhaltens. Aus einer langfristigen Perspektive sind Innovatio-

nen und regulatorische Veränderungen aus meiner Sicht oft am besten als eigenwillig und weitgehend unvorhersehbar einzustufen. Sehen Sie Potenzial für Schweizer ­Unternehmen in reifen Märkten? Auf jeden Fall. Allein die Tatsache, dass ein Markt reif ist, also dass er in Bezug auf den Umfang der Wertschöpfung nur langsam wächst, bedeutet nicht zwangsläufig, dass das Potenzial für hohe Gewinne – und dies ist das Ziel der meisten Unternehmen – in diesem Markt gering ist. Aus meiner Sicht spielen Innovationen auch in reifen Märkten eine entschei­ dende Rolle. Weshalb? Ein einfaches Beispiel, um diese These zu stützen: Ein Unternehmen, das seine Produktivität relativ zur Produktivität seiner Mitbewerber beispielsweise durch Innovation erhöht, kann seine Produkte zu niedrigeren Preisen anbieten oder qualitativ hochwertigere Ausführungen seiner Produkte herstellen. Daher wird das ­Unternehmen wahrscheinlich seinen Marktanteil erhöhen und damit seine Profite, obwohl der Markt insgesamt nicht wächst. INTERVIEW: SILVANA GIGER, S-GE


HANDELSZEITUNG | Nr. 6 | 7. Februar 2019

Schweiz verliert Vorteile

Japan Die drittgrösste Wirtschaftskraft der Welt ist aus der Stagnation erwacht. Auch für die Schweiz ist das Land ein bedeutender Partner. Umso wichtiger ist das bilaterale Freihandelsabkommen mit Japan.

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kürzlich auch nach Davos. Am traditionel­ len Japanabend am WEF im Central Sport­ nde Dezember 2018 rappor­ hotel nahmen nicht nur Topvertreter der tierte die Schweizer Botschaft zwanzig grössten japanischen Konzerne in Tokio in ihrem «Economy teil, sondern auch Premierminister Shinzo Report», dass Japans Wirt­ Abe. schaft 2017 mit 1,7 Prozent Zwar ergaben sich keine Verhand­ solide gewachsen sei. Und erinnerte lungsmomente, aber man konnte in kur­ gleichzeitig daran, dass das Land der auf­ zen Gesprächen doch auf die Schweiz hin­ gehenden Sonne mit seinem BIP von 4872 weisen und auf die Bedürfnisse der Milliarden Dollar weiterhin die drittgröss­ Schweizer Unternehmen. Denn das FHAEU beinhaltet doch mehrere Elemente, te Wirtschaftskraft der Welt ist. Die Entwicklung im Jahre 2018 war die den Schweizer Exportfirmen in die dann aber weniger gut – es wird ein Quere kommen. So konnte die EU bei­ Wachstum von circa 1,0 Prozent erwartet. spielsweise auch im Bereich der Landwirt­ Und für das laufende Jahr soll es gar eine schaftsgüter relevante Vorteile aushan­ weitere leichte Abschwächung geben. deln. Nicht alle Elemente des EU-JapanTrotzdem, die Wachstumsstrategie der Agreements sind schlecht für die Schweiz; Regierung von Premierminister Shinzo im Textilbereich gibt es jetzt konsolidierte Abe habe, so die Schweizer Botschaft, die Vorgaben, die sich auch für Schweizer Fir­ japanische Wirtschaft aus einer langjähri­ men positiv auswirken können. Martin Herb hält dennoch fest: «Wir gen Stagnation geführt. werden in Japan zwar sehr geschätzt und Arbeitsmarkt unter Druck können auf eine langjährige freundschaft­ Die Alterung der japanischen Gesell­ liche Beziehung zählen. Das heisst aller­ schaft und der damit verbundene fort­ dings nicht, dass wir uns nicht für unsere schreitende Bevölkerungsrückgang stellt Interessen einsetzen sollen. Gegenüber das Land seit längerem vor enorme He­ den Wirtschaftsgiganten China, USA und rausforderungen. Als Reaktion darauf be­ EU sind wir ein kleiner Player, was uns schloss das japanische Parla­ deshalb auch zwingt, uns ment vor wenigen Wochen Das Abkommen proaktiv zu wehren. Wir unter anderem, dass man in brauchen ein überarbeitetes Japan–EU Zukunft vermehrt ausländi­ Freihandelsabkommen mit sche Arbeitskräfte ins Land kommt hiesigen Japan, um mindestens auf bringen will, was aber gesell­ Exporteuren in gleicher Stufe wie die EU schaftlich durchaus umstrit­ arbeiten zu können.» Doch die Quere. es gibt auch weitere Optio­ ten ist. Zudem dürfte es den nen. Nationalrätin Schnei­ unzähligen Kleinbetrieben nicht viel nützen, denn sie leiden unter der-Schneiter schlug vor, dass der Bundes­ Nachwuchssorgen und können diese rat neu auch einen Beitritt zum von Japan nicht einfach mit ausländischen Hilfskräf­ angeführten multilateralen Freihandels­ abkommen CPTPP prüft. Das Comprehen­ ten beseitigen. Die Schweiz beobachtet die Entwick­ sive and Progressive Agreement for Translung in Japan gespannt, denn der Markt ist Pacific Partnership ist erst seit Ende 2018 für unser Land nicht unerheblich. 2017 in Kraft und umfasst neben Japan weitere machte Japan mit 7,47 Milliarden Franken Staaten, darunter Australien, Kanada, Sin­ rund 2,5 Prozent der Schweizer Waren­ gapur und Vietnam. Derzeit wird auch ein exporte aus. Die zwei wichtigsten Indus­ Beitritt Grossbritanniens geprüft. trieen waren dabei die Pharmabranche mit 41 Prozent und die Uhrenindustrie mit Nicht im Schatten Chinas Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas 16,5 Prozent. Der Markt ist also wichtig ge­ nug, dass sich beispielsweise die Swiss–Ja­ wird in Tokio von vielen Leuten auch als panese Chamber of Commerce dafür ein­ Chance gesehen. China ist seit 2007 der setzt, für ihre 300 Mitglieder ein bestmög­ wichtigste Handelspartner für Japan und der Tourismusboom in Japan ist zum liches Klima zu schaffen. grössten Teil auf die kaufkräftigen Chine­ Momentum für die EU sen zurückzuführen. Das politische Ver­ Zumal die Schweizer Exporteure in Ja­ hältnis zu China und zu anderen Nach­ pan mit dem Inkrafttreten des Freihandels­ barländern ist gerade unter der älteren Be­ abkommens zwischen der EU und Japan völkerung nach wie vor angespannt. Aber vor wenigen Tagen mit Diskriminierungen für Geschäftsleute und die jungen Gene­ rechnen könnten. Dies sieht mindestens rationen X und Y hat die «asiatische Glo­ Martin Herb, Präsident der Handelskam­ balisierung» Vorrang. Viele Einwohner wollen in Japan auf­ mer Schweiz–Japan, so: «Leider haben wir es verpasst, das bilaterale Freihandelsab­ brechen, sich international engagieren kommen von 2009 zu aktualisieren, und so und weltweit Partnerschaften eingehen. dürften Schweizer Unternehmen in Japan Oftmals fehlt in Japan allerdings eine offe­ nach diesem EU-Abkommen Wettbe­ ne und direkte Kommunikation, um dies­ werbsvorteile verlieren.» Herb gibt ein Bei­ bezüglich erfolgreich zu sein. An dieser spiel: «Mit dem neuen Abkommen FHA- Herausforderung arbeiteten entsprechend EU erlangen EU-Unternehmen das Recht, die jungen Generationen. Zwei Veranstal­ sich in rund fünfzig sogenannten Kernstäd­ tungen, die in diesem Zusammenhang ten Japans bei Aufträgen zu bewerben. Sie durchaus als internationale Plattformen dürfen so bei öffentlichen Ausschreibun­ dienen können, stehen bald an. Im Som­ gen von Spitälern oder akademischen Ein­ mer 2020 finden die Olympischen Som­ richtungen mitbieten.» merspiele in Tokio statt und 2025 die Welt­ Nationalrätin Elisabeth Schneider- ausstellung in Osaka. Die Schweiz wird Schneiter, Präsidentin der parlamentari­ sich bei diesen Events sicher erneut in bes­ schen Gruppe Schweiz–Japan, trug das tem Licht präsentieren – auch aus rein gleiche Anliegen nach Bundesbern und wirtschaftlichen Interessen. DANIEL TSCHUDY

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Katalin Dreher-Hajnal: Österreich Wie gelingt der Markteintritt in Ihren Markt und wie können sich Schweizer KMU in diesem wettbewerbsstarken Umfeld langfristig behaupten?

In unserem östlichen Nachbarland geniessen Schweizer Produkte einen guten Ruf und sind sehr geschätzt. Allerdings reicht dies nicht aus, um im österreichischen Markt erfolgreich zu sein. Dafür ist der Markt zu gesättigt und es sind zu viele Alternativen vorhanden. Um sich in Österreich behaupten zu können, brauchen Schweizer KMU einerseits ein klares Alleinstellungsmerkmal des Produktes oder der Dienstleistung. Anderseits ist die Marktbearbeitung vor allem zu Beginn aufwendig, da sich Exporteure Zeit nehmen müssen, um in gute Kontakte zu investieren und die Kunden kennenzulernen. Ein Aufwand, der sich lohnt. Immerhin gehört Österreich zu den wichtigsten Exportmärkten für Schweizer Unternehmen innerhalb Europas und zeichnet sich durch ein stabiles Wirtschaftsumfeld aus.

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HANDELSZEITUNG | Nr. 6 | 7. Februar 2019

Beat Kuster: Südeuropa Wie gelingt der Markteintritt in Ihren Markt und wie können sich Schweizer KMU in diesem wettbewerbsstarken Umfeld langfristig behaupten?

«Wir wollen positiv überraschen»

Auch wenn den Schweizern südeuropäische Länder wie Italien, Spanien oder auch Frankreich sehr ähnlich scheinen, haben sie ihre Eigenheiten, die für den Erfolg in diesen Ländern oft entscheidend sein können. Um kulturelle Fehltritte zu vermeiden und die Märkte (kosten)effizient zu erschliessen, kann sich oftmals eine Zusammenarbeit mit einem Geschäftspartner vor Ort ausbezahlen – beispielsweise kann man lokale Verkaufspersonen für den Marktaufbau direkt in der Schweizer Firma anstellen. Dabei legen die Südeuropäer grossen Wert auf persönliche Beziehungen und persönliche Treffen mit Kunden und Lieferanten werden erwartet. Schweizer Exporteure, die sich in Südeuropa durchsetzen wollen, brauchen zudem eine gute Preisstrategie. Auch wenn Swissmade und Qualitätsprodukte sehr geschätzt werden, ist der Preis oft ein wichtiges Kriterium für den langfristigen Erfolg.

Marion Klein Die Chefin des Zentralschweizer Reisegepäck-Spezialisten erklärt, wie sie ihre Firma erfolgreich in Europa etablieren konnte. INTERVIEW: MELANIE KIPFER, S-GE

Sie haben das Familienunternehmen Pack Easy 2009 übernommen. Ihr Unternehmen hat sich in den letzten fünfzig ­Jahren ausserhalb der Schweiz, vor allem in Europa einen Namen gemacht. Wie hat die Internationalisierungsgeschichte im luzernerischen Emmen angefangen? Marion Klein: Die Kernkompetenzen des Unternehmens entwickelten sich in zwei durch Tradition gespeisten Feldern: Die Vergangenheit als Produktionsbetrieb von Gepäck und Taschen mit 150 Mitarbeitern, das eigentliche Schweizer Handwerk, das mit der Patentierung des AluRahmen begonnen hatte. Sowie die Weiterentwicklung der Swiss Travel Solutions, die mit dem Generationenwechsel 2009 ihren Lauf nahm. Das Unternehmen selbst setzt gegenwärtig den Treiber Digitali­ sierung radikal um. Wir gehen proaktiv auf die Stakeholder zu. Sie setzen mit dem Firmensitz in Emmen und dem Swiss Service Center stark auf den Standort Schweiz. Ist dies das Erfolgsgeheimnis Ihrer Exportstrategie? Eher das Ergebnis unserer Internationalisierungsstrategie. Zum einen ist die internationale Zusammensetzung der Mitarbeitenden wie auch vieler Lieferanten und Geschäftspartner Teil unserer Vernetzung. Zum anderen ist da die Internationalisierung der Zusammenarbeit von Design/

Entwicklung und Produktion. Wir kooperieren weltweit, bauen unsere sprach­ lichen und interkulturellen Kompetenzen kontinuierlich aus. Menschen aus anderen Ländern sollen sich in unserer Firma als Kunden, Partner und Mitarbeiter willkommen fühlen. Wir festigen und erweitern vor allem unsere auf Internationalität ausgerichtete Servicekultur. Dieser Wertansatz verbessert die Ausgangslage der ­internationalen Positionierung von Pack Easy kontinuierlich.

Die Technologien ermöglichen uns Agilität als neue Art des strategischen und operativen Denkens am Markt (Sowohl im B2B- als auch im B2C-Breich). Die sechs Dimensionen Markt, Kunden, Organisa­ tion, Arbeitsformen, Strategie und Transformation müssen immer wieder flexibel priorisiert und verknüpft werden. Dafür braucht es ganzheitliche, fachliche und zwischenmenschliche Kompetenz in der Organisations- und Führungskultur sowie das Datenwelt-Know-how.

Das Wachstumspotenzial, nach dem wir Ausschau halten, liegt primär in Synergieund nicht nur in Mengeneffekten. Die ­Digitalisierung ermöglicht es mit ihren vernetzten Apps, unterschiedliche Werte

Seit vier Jahren werden die Pack-Easy-­ Produkte auch über den eigenen OnlineShop verkauft. Welche Vorteile bringt ­dieser digitale Vertriebskanal?

Was meinen Sie damit? Es ist doch so, Abläufe werden nicht nur schneller, sondern die Veränderungen auch kurzfristiger und radikaler. Durch die Vernetzung der Abläufe in und zwischen Unternehmen kann man diese Verän­ derungen immer weniger vorhersagen. Die Vernetzung mit unseren Kunden über den Online-Shop und die Social-MediaKanäle hält uns jedoch agil und flexibel. So kann Pack Easy auch kurzfristig und feinfühlig Änderungen am Markt aufnehmen. Übrigens sind wir bereits 1997 mit unserer eigenen Website in die digitale Welt gestartet – ein früher und vorausschauender Zeitpunkt, um das Unternehmen, Produkte und Services den Kunden und Partnern zugänglich zu machen.

und Verhaltensweisen so miteinander arbeiten zu lassen, dass nicht die Differenzen, sondern die dadurch erweiterten Ressourcen zum Tragen kommen.

Die Gepäckexpertin Name: Marion Klein Funktion: Inhaberin und CEO Pack Easy

Seit 2017 wollen Sie Märkte ausserhalb von Europa erschliessen. Ist das Wachstumspotenzial in Europa ausgeschöpft?

«Gewinnen wird, wer die Balance hinbekommt zwischen Tradition und Innovation.»

Welche Märkte haben Sie besonders im Visier? China, Iran und Korea sind Länder, in ­denen wir erstens bereits sehr gute und bewährte Geschäftsbeziehungen und Partner haben, und zweitens sind dies Länder, in denen dank der Erleichterung des Marktzugangs aufgrund von technischen Fortschritten sowie der Liberalisierung des Welthandels, im Speziellen mit den schweizerischen Freihandelsabkommen, eben nicht nur Internationalisierung, sondern eine weltweite Vernetzung im Sinne der Globalisierung möglich ist. Vor allem Letzteres ermöglicht das Wachstumspotenzial, nach dem wir suchen: transkulturelle Synergien!

Unter anderem bieten Sie Ihren Kunden die Möglichkeit, die Produkte zu perso­ nalisieren. Ist das notwendig, um sich im umkämpften Reisegepäckmarkt von der Masse abzuheben? Positiv überraschen ist unsere Art, dem Kunden etwas Unerwartetes mitzugeben. Etwas, was von einem Gepäckhersteller eben nicht erwartet wird, aber das Reisen für den Einzelnen übersichtlicher und spezieller machen kann – eine Wertschätzung an den Reisenden. Unerwartet ein­ facher eben. Easy. Welche Empfehlungen und Ratschläge können Sie anderen Schweizer KMU ­geben, die in europäischen Märkten ­wachsen möchten? Die Führung von Unternehmen, Abläufen und Projekten kann sich kein Schubladendenken erlauben. Stattdessen müssen wir auf allen Ebenen immer daran denken, wie sich die diversen Erfahrungswelten so nutzen lassen, dass Synergien entstehen, die von anderen Unternehmen nicht leicht kopiert werden können. Die auf Sicherheit ausgelegten Strukturen und ­ Prozesse verlangen Agilität, sodass sie ­beides sein können – traditionell und innovativ. Gewinnen wird, wer die Balance hinbekommt zwischen Tradition und ­Innovation. Melanie Kipfer, Kommunikation, Switzerland Global Enterprise, Zürich.

Mehr Spielraum für Verhandlungen Zahlungsmodalitäten Weshalb alternative Instrumente zur Absicherung Schweizer Exporteuren mehr Spielraum in Vertragsverhandlungen bieten. CLAUDE LAUPER

Viele Schweizer Exporteure sind in einer komfortablen Situation: Sie haben qualitativ hochwertige Produkte zu bieten. Die oftmals günstigeren Preise im Ausland gehen selten mit einer besseren Qualität einher. Ein Vorteil für die heimischen Firmen: Wer die Qualitätsführerschaft innehat, sitzt bei Vertragsverhandlungen am längeren Hebel. Deshalb können es sich manche Exportunternehmen gar leisten, auf einer vollen Vorauszahlung zu bestehen. Alternativen zur Vorauszahlung werden nur selten geprüft, obwohl eine breite Palette an Absicherungsinstrumenten zur Auswahl steht. Je nach Risikoappetit und Risikofähigkeit der Verhandlungsparteien bietet sich eine von sieben Lösungen an. Der Aussenhandel ist mit vielschichtigen Risiken verbunden. Aus Sicht des Verkäufers hat das Delkredererisiko oberste

Priorität. Dieses setzt sich aus der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Käufers zusammen. Je schwächer das Vertrauensverhältnis zum Käufer, umso umfassender sollte sich der Verkäufer absichern. Eine Vorauszahlung von 100 Prozent ist in jedem Fall die sicherste Variante. Am anderen Pol der Skala steht die offene Rechnung, bei der das Delkredererisiko besonders gross ist. Dazwischen gibt es eine Reihe von Mittelwegen, die im Folgenden aufgezeigt werden.

Die einfachste Lösung: Export-Inkasso Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit lässt sich am einfachsten durch ein Export-Inkasso einschränken. Dieses Instrument ist mit einem Einkauf in einem Laden vergleichbar, bei dem die Ware nur gegen Zahlung ausgehändigt wird. Die Bank des Käufers fungiert dabei als «Ladenbesitzer»: Sobald sie das Geld vom Käufer erhalten hat, händigt sie ihm die Handelsdokumente für den Empfang der Ware aus und überweist den Betrag an die Bank des Verkäufers. Das Export-Inkasso ist ein günstiges Instrument, setzt aber auch ein gewisses Vertrauensverhältnis voraus. Die Zahlungswilligkeit ist damit nämlich nicht ge-

sichert. Der Verkäufer muss sich sicher sein, dass der Käufer die Ware auch wirklich übernehmen möchte. Zudem muss er Vertrauen in das Inkasso der Bank des Käufers mitbringen.

die Ziehung der Garantie aufgrund eines akuten Devisenmangels gefährdet wird. Zudem ist der Verkäufer auch dem Risiko ausgesetzt, dass die ausländische Bank in finanzielle Schwierigkeiten gerät und die Garantie deshalb nicht ausbezahlen kann. Die Bank als Bürge: Zahlungsgarantie Mit einer indirekten Zahlungsgarantie Mit einer Zahlungsgarantie lässt sich lassen sich sowohl das Länderrisiko als das Delkredererisiko umfassender absi- auch das Delkredererisiko der ausländichern, da eine Bank für die Zahlung bürgt. schen Bank eliminieren, indem die HausDabei muss der Verkäufer entscheiden, ob bank des Verkäufers die Garantie ausstellt er die Garantie direkt von der Bank des und für die Forderung haftet. Das InstruKäufers erhalten möchte (diment ist etwas teurer als das rekte Zahlungsgarantie) oder Das Akkreditiv Inkasso, aber auch sicherer. Das Akkreditiv ist das von seiner eigenen Bank, die bietet die sicherste, wenn auch teuerssich wiederum durch eine Garantie der Bank des Käusicherste, aber te Absicherungsinstrument. Damit kann der Verkäufer fers absichern lässt (indirekauch teuerste das Delkredererisiko auf ein te Zahlungsgarantie). Absicherung. Minimum einschränken, Mit einer direkten Zahdenn es eliminiert neben lungsgarantie setzt sich der Verkäufer nicht dem Delkredererisiko des dem Risiko der Zahlungsfähigkeit auch jeKäufers, sondern demjenigen der Bank nes der Zahlungswilligkeit. Diese Lösung des Käufers aus. Hinzu kommt das Län- bietet sich an, wenn der Verkäufer nicht derrisiko: Nehmen wir an, ein Schweizer riskieren möchte, dass der Käufer die KMU exportiert Waren in ein politisch in- Ware nicht übernimmt. Gleichzeitig stabiles Land und erhält von einer ortsan- schützt das Akkreditiv den Käufer vor dem sässigen Bank eine Garantie. Bricht nun sogenannten Leistungsrisiko: Er ist nur die Wirtschaft des Landes zusammen, dann zur Zahlung verpflichtet, wenn die muss der Verkäufer damit rechnen, dass Ware vertragskonform geliefert wird.

Delkredere- und Länderrisiko variieren bei dieser Lösung, je nachdem ob es sich um ein bestätigtes oder ein unbestätigtes Akkreditiv handelt. Beim unbestätigten Akkreditiv bleibt der Verkäufer von der Bonität der Bank des Käufers abhängig und ist zudem immer noch dem Länderrisiko ausgesetzt. Beim bestätigten Akkreditiv hingegen übernimmt die Hausbank des Verkäufers diese Risiken, wobei sie sich wiederum von der Bank des Käufers absichern lässt.

Mehr Flexibilität, grössere Chancen Einem Unternehmen stehen bei den Zahlungsmodalitäten also viele Wege offen, wobei die einzelnen Absicherungsinstrumente auch kombiniert werden können. So lässt sich zum Beispiel eine Vorauszahlung von 40 Prozent mit einer Zahlungsgarantie verbinden, welche die restlichen 60 Prozent abdeckt. Wer sich bei der Wahl der Zahlungssicherungsinstrumente flexibel zeigt, hat mehr Spielraum in Verhandlungen – und dadurch auch grössere Chancen auf den Vertragsabschluss. Claude Lauper, Leiter Trade und Export Finance, Zürcher Kantonalbank, Zürich.


Aussenhandel | 39

HANDELSZEITUNG | Nr. 6 | 7. Februar 2019

Jacqueline Tschumi: Japan Wie gelingt der Markteintritt in Ihren Markt und wie können sich Schweizer KMU in diesem wettbewerbsstarken Umfeld langfristig behaupten?

Japan ist ein moderner Markt, in welchem eine grosse Nachfrage nach technischen Anwendungen vorhanden ist. Aufgrund der Expertise sind Schweizer Lösungen unter ­anderem in den Bereichen IT, Life Sciences oder Medizintechnik gefragt. Im Letzteren öffnen sich vor allem auch aufgrund der ­alternden Gesellschaft Türen für Schweizer Exporteure. Wer in ­diesem anspruchsvollen Markt erfolgreich sein möchte, muss sich allerdings gegen die lokale Konkurrenz durchsetzen können, sich mit einem starken Produkt positionieren und Dienstleistungen wie beispielsweise After-Sales-Service anbieten – das ist das A und O in Japan und der Service muss rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Ebenso wichtig für den Erfolg im japanischen Markt ist das Kennen der ­Kultur sowie die Beziehungspflege zu den Geschäftspartnern und Kunden vor Ort.

Geschäftsentwicklung Ist Wachstum in reifen Märkten noch möglich?

E

uropa, Nordamerika, Japan und andere reife Märkte der Welt bilden das Rückgrat des inter­ nationalen Geschäfts praktisch aller Schweizer Firmen. Die starke Kaufkraft und die oftmalige kulturelle Nähe dieser Märkte machen sie zur ersten Adresse für Exporteinsteiger sowie für erfahrene Ex­ porteure. Doch in reifen Märkten herrscht ein grosser Wett­ bewerbsdruck, Nischen sind oft besetzt und die Konsumen­ ten anspruchsvoll. Die wachsende Globalisierung sowie die Digitalisierung verschärfen diese Situation, da sie neue Wettbewerber auf den Plan rufen. Das hat auf den ersten Blick zur Folge, dass in reifen Märkten selbst Nischen heut­ zutage schwierig zu finden sind.

Auf den zweiten Blick sieht es anders aus. Obschon die Sättigung in den reifen Märkten laufend zunimmt, bieten sie noch immer interessante Nischen für Schweizer Expor­ teure. Denn die zunehmende Komplexität in praktisch allen Bereichen schafft neue Nischen. Wie sonst ist es zu erklären, dass zum Beispiel die Schweizer Exporte in die USA trotz Sättigungstendenzen in den letzten zwanzig Jahren durch­ schnittlich um über 6 Prozent pro Jahr wachsen konnten? Dieses Phänomen gilt generell, auch für andere reife Märk­ te. Und so bleiben diese auch in Zeiten reduzierten Wirt­ schaftswachstums für Schweizer Firmen wichtige und inte­ ressante Exportdestinationen. Ausserdem sind Länder wie Deutschland oder die USA Referenzmärkte, wo die Ansprü­ che an Qualität und Innovation hoch sind und sich das ­Label Swissmade etabliert hat. Es sind Länder, in denen Schweizer Firmen trotz enormer Konkurrenz wachsen, sich behaupten und Gewinne steigern können. Trotz tieferen Wachstumsraten als in den Wachstums­ märkten ist die Gesamtnachfrage in vielen etablierten Märkten nach wie vor deutlich höher als anderswo. Dazu kommt das ausgeprägte Qualitätsbewusstsein, das sich in einem Markt erst in einem späteren Wachstumszyklus ver­ ankert und Schweizer Exporteuren in die Karten spielt. Mit dem Reifegrad verändert sich auch die Gesellschaftsstruk­ tur. Eine alternde Gesellschaft zeigt eine grössere Nachfrage nach qualitativ hochstehenden und nachhaltigen Produk­ ten und Dienstleistungen als eine junge. Beispiele dafür sind die medizinische Versorgung und die integrativen ­Betreuungsformen. Innovationen werden zunehmend von Faktoren wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung bestimmt. Gerade die Nachhaltigkeit nimmt in Wirtschaftsprozessen eine immer wichtigere Rolle ein, während die Industrie 4.0 Abläufe auf den Kopf stellt und nach neuen Geschäfts­ modellen verlangt. Durch diese zum Teil sehr schnellen Veränderungen entstehen in den verschiedensten Bran­ chen die oben erwähnten neuen Nischen, die von kompe­ tenten und agilen Firmen besetzt werden können. So erge­ ben sich laufend neue Exportmöglichkeiten, vor allem für Schweizer Exportunternehmen, für die Qualität und Nach­ haltigkeit schon lange zur Grundausstattung gehören. Jetzt muss noch die Agilität, die Kundenzentriertheit und die ­Fähigkeit, kreativ neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, perfektioniert werden. In puncto Kompetenzen, Ausbildung und Infrastruktur sind die Schweizer Exportunternehmen gut gerüstet, um diese Herausforderungen zu meistern. Doch wie gelingt nun der Eintritt in reife Märkte und wie können KMU das Wachstum dort vorantreiben?

1. Auf Schweizer Qualität setzten Für Schweizer Exporteure lohnt es sich nach wie vor, auf die Karte Swissness zu setzen. Das ist ein Versprechen und im Ausland weiterhin ein Premium-Verkaufsargument. Es steht für Qualität, Präzision und Zuverlässigkeit. Wer in ­reifen Märkten wachsen will, setzt deshalb von der Techno­ logie über die Lieferanten bis hin zum After-Sales-Service

Daniel Küng CEO Switzerland Global Enterprise (S-GE)

«Trotz tieferen Wachstumsraten als in Wachstumsmärkten ist die gesamthafte Nachfrage in vielen etablierten Märkten nach wie vor deutlich höher als anderswo.»

auf Schweizer Höchststandards. So wie beispielsweise die Schweizer Robotik-Firma F&P Robotics aus Glattbrugg. Das Unternehmen entwickelt Roboter, die das Personal in Altenund Pflegeheimen unterstützen, bei Körpertherapien oder im Industriebereich eingesetzt werden – das sind hoch sen­ sible Bereiche, welche Präzision, Zuverlässigkeit und Quali­ tät verlangen. Swissness verschafft F&P Robotics auf der ­internationalen Bühne einen klaren Wettbewerbsvorteil.

2. Digital denken Das internationale Geschäft hat sich in den letzten Jahren auf die digitale Schiene verlagert. Vor allem in reifen Märkten spielt die Digitalisierung eine zentrale Rolle und eine ver­ tiefte Auseinandersetzung mit den digitalen Trends ist für Exporteure unabdingbar. So ist etwa in Südkorea das TVHome-Shopping ein wichtiger Verkaufskanal und in ande­ ren Märkten wie den USA, Kanada oder Grossbritannien ge­ hört das Online-Shopping inzwischen zum Standard. Bereits 10 Prozent aller Retailverkäufe erfolgen in den USA online und Lieferzeiten von nur wenigen Stunden sind zum Stan­ dard geworden. Gleichzeitig nehmen die sozialen Medien im internationalen Geschäft eine immer wichtigere Position ein und haben vor allem in der Vermarktung von Produkten einen weitaus höheren Stellenwert als bei uns in Europa. Di­ gitale Kanäle und Transformationen bringen neue Möglich­ keiten mit sich, das weiss auch das Zentralschweizer Unter­ nehmen Pack Easy. Dank den neuen Technologien bleibt das Unternehmen flexibel und kann auf Veränderungen am Markt kurzfristig und feinfühlig reagieren. Der Hersteller von Reisegepäck ist zudem über den Online-Shop und die ­Social-Media-Kanäle mit den Kunden bestens vernetzt.

3. Beziehung zu Geschäftspartner pflegen Die Beziehung zum geeigneten Geschäftspartner ist für den Erfolg im Zielland entscheidend. Um die Kunden punktgenau bedienen zu können, müssen wir sie kennen. Das erfordert Daten, an die ein Unternehmen allein oftmals nicht herankommt. Durch die Vernetzung mit Geschäfts­ partnern aller Stufen, also zum Beispiel auch mit Zulie­ ferern und Wettbewerbern, können relevante Datensätze verfügbar gemacht werden. So werden vertiefte Geschäfts­ beziehungen zum Fundament jedes Erfolgs und ein regel­ mässiger Austausch, sowohl beruflich wie auch privat, pflegt diese symbiotische Zusammenarbeit. Dies kann vor allem für ferne Märkte – wie etwa Japan – zeitintensiv sein. Aber gerade Japan zeigt, wie wichtig ein guter Draht zum Geschäftspartner sein kann.

4. Geschäftsmodell anpassen Wer in einem reifen Markt Fuss fassen möchte, muss das Geschäftsmodell konsequent nicht nur auf den Kundennut­ zen, sondern auch auf die ihm zugrunde liegenden Kunden­ bedürfnisse ausrichten. Kundenkenntnis war früher, heute ist Kundenzentriertheit angesagt. Gut möglich, dass dafür Lieferfristen, Serviceleistungen, Marketingmassnahmen oder Preismodelle länderspezifisch angepasst werden müs­ sen. Deshalb ist Agilität zum Erfolgsfaktor geworden und muss in vielen Unternehmen noch tiefer verankert werden. Wachstum in reifen Märkten ist kein Sonntagsspazier­ gang, sondern verbunden mit Mühen und Kosten. Die Digi­ talisierung verlangt zudem eine ständige Anpassung und Weiterentwicklung von Unternehmenskultur, Kompeten­ zen und Prozessen – und das im Eiltempo. Dennoch sind reife Märkte aufgrund der starken Kaufkraft für viele Schwei­ zer KMU unverzichtbar und tragen zu einem wesentlichen Teil zum Erfolg der Schweizer Exportindustrie bei – heute und auch in Zukunft.


AUSSENWIRTSCHAFTSFORUM 26.03.2019 s-ge.com/awf19

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