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Homosexual’s Film Quarterly Ausgabe zwei · Juni bis August 2009 · kostenlos
s Anna & Edith: Der erste deutsche Lesben-Film mit Happy End s Drifter: Überleben am Bahnhof Zoo s Zerrissene Umarmungen: What’s queer about Pedro Almodóvar? s Konservative Anarchisten: Gilbert & George sind sexy s Müßiggänger: Hans Stempel und Martin Ripkens flirten mit Fellini s Jamie Travis: Eine Lady kommt zum Tee s Keith Haring: Der Verführer s Gregor Buchkremer: Bloß kein Betroffenheitskino s Cinema Münster: Schwules Kino s Lady Queer: Zum Tod von Eve Kosofsky Sedgwick
DER NEUE FILM VON
PEDRO ALMODÓVAR
ZERRISSENE UMARMUNGEN PENÉLOPE CRUZ LLUÍS HOMAR BLANCA PORTILLO JOSÉ LUIS GÓMEZ RUBÉN OCHANDIANO TAMAR NOVAS
Kamera: RODRIGO PRIETO A.S.C.,A.M.C. Musik: ALBERTO IGLESIAS Schnitt: JOSÉ SALCEDO Produziert von: ESTHER GARCÍA Ausführender Produzent: AGUSTÍN ALMODÓVAR
Drehbuch und Regie:
PEDRO ALMODÓVAR www.zerrisseneumarmungen.de
AB 6. AUGUST IM KINO!
vorspann
Sissy zwei Unser Titelfoto zeigt Benjamin B. Smith in Jamie Travis’ Film Der traurigste Junge der Welt. Werden traurige Kinder zwangsläufig homosexuell? Sind Ihnen auch immer alle Haustiere weggelaufen? Und wie war das überhaupt beim Sportunterricht – wurden Sie in die Mannschaft gewählt? Wie man zweifelsohne erkennen kann, können Filme durchaus auch praktische psychologische Fragen stellen. Und in aller Ausführlichkeit beantworten. SISSY steigt diesmal tiefer ein in die Diskussion, was überhaupt ein nicht-heterosexueller Film ist. Eben für jene Diskussion, für die die SISSY hier ein 36-seitiges Forum schafft. Neben den schon erwähnten traurigen Kindern stellen wir deutsches Genrekino von Gregor Buchkremer und den Kampf zweier Frauen um bessere Arbeitsbedingungen in Anna & Edith vor. Desweiteren beschäftigen wir uns mit den leidenschaftlichen Heroinen des Pedro Almodóvar, dem Graffiti-Pop von Keith Haring und dem Künstler-Herren-Doppel Gilbert & George. Wir sprechen mit Sebastian Heidinger über die heutigen Kinder vom Bahnhof Zoo, die er in seinem Film Drifter getroffen hat. Hans Stempel und Martin Ripkens erzählen von ihrem schönsten Filmmoment. Wer will da noch bei seinen festen Kategorien sexueller Orientierung bleiben? Für die, die hierbei den Überblick verlieren, empfehlen wir als weiterführende Lektüre die Bücher von Eve Kosofsky Sedgwick. Die Grande Dame der Queer Theory hat diese Welt der geschlechtsspezifischen Festlegungen, Schranken und Schubladen am 12. April leider für immer verlassen. Fühlen uns mit dem Weiterdenken beauftragt und verbeugen uns tief vor ihrer Leistung – denn ohne sie wäre eine SISSY nicht denkbar. Auch wenn Sie alle Ihre Haustiere noch haben sollten, wünschen wir Ihnen viel Spaß und Inspiration beim Ausflug in die Welten des nichtheterosexuellen Films!
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Jamie Travis, Filmemacher
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Die geduld der frauen … von di a na näck e
Die erste lesbische Filmromanze Deutschlands mit Happy-End entstand 1975. Anna und Edith arbeiten bei der Versicherung und kommen sich im gemeinsamen Kampf gegen Chefs, Ehemänner und für bessere Arbeitsbedingungen näher. Im August startet „Anna & Edith“ wieder im Kino. Unsere Autorin hat recherchiert, wie es zu diesem Projekt kam und warum es am Ende doch ein Mann gemacht hat.
s „Man muss nicht betrunken sein, um mit Catherine Deneuve schlafen zu wollen – egal, welche sexuelle Orientierung man vorher hatte“, sagte Susan Sarandon gegenüber der Presse, nachdem die Dreharbeiten zu The Hunger abgeschlossen waren. Während des Drehs hatte man ihr vorgeschlagen, sich zu betrinken, um sich vor der Kamera überhaupt von einer Frau verführen lassen zu können. Das war 1983, zehn Jahre bevor die Filmkritikerin B. Ruby Rich den Begriff „New Queer Cinema“ prägte, weil man auf Filmfestivals plötzlich eine unheimliche Präsenz queerer Filme feststellen konnte, die mit einem bisher nicht da gewesenem Stolz das Spiel mit den Identitäten und den klassischen Rollenbildern zelebrierten. Doch dass homosexuelle Gesten wie eine Ladung Sprengstoff eine gesamte Filmproduktion aufs Spiel setzen konnte, war 1983 schon Geschichte. Zehn Jahre zuvor entstand der weltweit erste Lesbenfilm unter der Regie der US-Amerikanerin Barbara Hammer – heute eine der ganz großen Lesbenikonen. Im selben Jahr schreiben in der Bundesrepublik Deutschland die beiden Drehbuchautorinnen Cillie Rentmeister und Cristina Perincioli an einem vom ZDF in Auftrag gegebenen Drehbuch, dessen Verfilmung zum ersten Mal lesbische Liebe selbstbewusst und deutlich sichtbar ins deutsche Fernsehen bringen sollte. Anna und Edith ist das noch ungeborenen Kind der damaligen Redakteurin des Kleinen Fernsehspiels, Alexandra von Grote, die Perinciolis Kurzfilm Für Frauen – Kapitel 1 gesehen und sich dafür stark gemacht hatte, einen solchen Film finanziell zu unterstützen, den das ZDF 1975 auch als seinen Beitrag zum Jahr der Frau senden sollte. Diese Entscheidung der selbst lesbisch lebenden ZDF-Redakteurin ist zu diesem Zeitpunkt ein kleiner Meilenstein in der Fernsehgeschichte. Schließlich ist das Frauenbild im Film bis in die 1960er-Jahre hinein hauptsächlich durch männlich geprägte Rollenklischees bestimmt: die Frau als Femme fatale oder als Mutter. Die Frau in den Filmen dieser Zeit ist die Gefangene einer von Männern dominierten Traumfabrik und lesbische Frauen passten nicht in ihr Bild. Frauen, die Frauen lieben, gibt es im Kino entweder gar nicht oder Gesten von Zuneigung für andere Frauen werden stark chiffriert und führen zumeist ins Verder-
ben oder enden gar im Selbstmord. Der Frauenfilm in der Bundesrepublik Deutschland ist seit Mitte der 1970erJahre von Regisseurinnen wie Margarethe von Trotta, Ulrike Ottinger, Helma Sanders-Brahms, Ula Stöckl, Helke Sander, Jutta Brückner und Monika Treut geprägt. Familiäre Gewalt, Abtreibung, Krieg, Politik und Berufsleben aus spezifisch weiblicher Perspektive sind ihre zentralen Themen. Sie sind Teil der Bewegung Frauenfilm, die man aus heutiger Sicht in dieser Form als ein vor allem bundesdeutsches Phänomen betrachten kann, das auch international Spuren hinterlässt … In Deutschland hat sich im Fahrwasser der 1968er Revolte ein kulturelles Umfeld mit feministisch geprägten Filmzeitschriften und eigenen Filmfestivals etabliert. Anna und Edith hätte zu dieser Zeit als erster Film mit spezifisch lesbischen Szenen im deutschen Fernsehen ein Skandal sein können, wurde es aber nicht. Warum? Anna und Edith entsteht in einer radikalen Zeit, als die „Rote Armee Fraktion“, die „Bewegung 2. Juni“ und die „Revolutionären Zellen“ aktiv sind und die so genannte zweite Welle der Frauenbewegung gerade ihren Höhepunkt erreicht. 1973 werden die ersten Frauenzentren, aber auch die erste Lesbenbewegung gegründet. Eine ihrer ersten Aktivistinnen ist die junge, lesbisch lebende Drehbuchautorin Cristina Perincioli, die 1968 aus der Schweiz nach Berlin kommt, um an der Deutschen Film- und Fernsehakademie zu studieren. Die Studentenbewegung ist bereits seit gut einem Jahr im Gange, wer studieren will, gilt als Streikbrecher. Meterweise schleppt Perincioli das Filmmaterial heimlich aus der Schule, um ihrem Traum, Regisseurin zu werden, ein Stückchen näher zu kommen. Unterricht gibt es für die jungen Filmstudenten kaum, im Vordergrund stehen politische Debatten, die einzige Unterstützung erfährt sie durch ihren Lehrer Klaus Wildenhahn, der durch das amerikanische „Direct Cinema“ beeinflusst ist und zu den wichtigsten Dokumentarfilmern der Bundesrepublik Deutschlands zählt. Perinciolis erste Filme sind deshalb politische Dokumentarfilme, bis sie beim NDR für sich feststellt, dass das dokumentarische Material selbst am Schnitt so verändert werden kann, dass ihm jede Brisanz entzogen wird. Sie
AnnA & Edith Ein film von GErrit nEuhAus
Anna & Edith
von Gerrit Neuhaus D 1975, 70 Min, Edition Salzgeber, www.salzgeber.de
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Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen von Cristina Perincioli D 1978, 76 Minuten Sphinx Medien, www.sphinxmedien.de
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dass ausgerechnet die Initiatorin des Films plötzlich nicht mehr hinter der Macherin stand? Alexandra von Grote begründet ihre Entscheidung heute so: „Dass Frau Perincioli – entgegen der ursprünglichen Absicht, Regie bei diesem Projekt zu führen – von der Regie entbunden wurde, lag keineswegs an dem ‚für das ZDF zu radikalen Drehbuch‘ wie die beiden Drehbuchautorinnen gern behaupten. Es lag schlicht und einfach daran, dass von Frau Perincioli kein akzeptables und überzeugendes Regiekonzept vorlag. Dadurch war dem ZDF das Risiko zu groß, dass Frau Perincioli im Rahmen des Budgets und angesichts der knappen Drehzeit in der Lage sein würde, den Film der Absprache gemäß und im vorgegebenen Zeitrahmen zu drehen“. Die lesbische ZDF-Redakteurin beauftragt schließlich einen Mann, der zuvor ausschließlich Fernsehshows realisiert hatte, mit der Regiearbeit zum ersten selbstbewussten Lesbenfilm der deutschen Fernsehgeschichte. Ein Paradox. Laut Perincioli habe sich später Eckhart Stein, der 1975 die Leitung des Kleinen Fernsehspiels übernahm und für dessen Neu-Konzeption 1977 den Adolf-Grimme-Preis erhielt, bei ihr dafür entschuldigt, wie auch Alexandra von Grote, die ihr einige Jahre später anvertraut haben soll, dass sie „aus Angst so gehandelt habe“. Perincolis Co-Autorin Cillie Rentmeister verarbeitete diese Erfahrung später auf ihre Weise: Mit dem Song „Für Frau Dr. A“ , der auf der LP der ersten deutschen lesbischen Frauenrockband „Flying Lesbians“ veröffentlicht wurde.
Cillie Rentmeister, Cristina Perincioli (1988)
widmet sich deshalb dem Spielfilm, der ihrer Ansicht nach von solch einer Kraft und Überzeugung durchdrungen sein kann, dass seine Grundidee nur schwerlich der Schere zum Opfer fallen dürfte. 1971 leistet sie so die Vorarbeit zu Anna und Edith: Es entsteht ein Farbfilm, der 36-Minüter Für Frauen – Kapitel 1, die Filmmusik kommt von Ton Steine Scherben. Alexandra von Grote sieht den Film und wird zwei Jahre später die Initialzündung für Für Frauen – Kapitel 2 liefern, der später unter dem Titel Anna und Edith sich nicht mehr nur mit der Unterbezahlung und Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz auseinandersetzen, sondern auch lesbische Liebe thematisieren wird. Auf der einen Seite ist Anna und Edith ein klassischer Agit-Prop-Film jener Zeit, auf der anderen Seite ein wichtiges Zeitdokument und der erste selbstbewusste Lesbenfilm der deutschen Fernsehgeschichte, in der lesbische Liebe nicht direkt ins Verderben führt, in dem zum ersten Mal ein leidenschaftlicher Kuss zwischen zwei Frauen zu sehen war. Wenn man sich den Film heute ansieht, ahnt man nicht, welche Bedeutung er zum Zeitpunkt seiner Entstehung für vier daran beteiligte Frauen erlangte. Für die einen als Lebenselixier, für die anderen als Albtraum und Sprungbrett zugleich. Nach der Fertigstellung des Drehbuchs zu Anna und Edith sucht sich die Autorin Cristina Perincioli, die auch die Regie für den Film übernehmen soll, im Auftrag von Alexandra von Grote eine Produzentin. Ihre Wahl fällt auf Regina Ziegler, die gerade für ihren 1973 produzierten Film Ich dachte, ich wäre tot (ihr späterer Ehemann Wolf Gremm führte Regie) mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet wurde. Anna und Edith ist Regina Zieglers erste Fernsehproduktion, die sie zu diesem Zeitpunkt allerdings auch in einen Konflikt bringen wird: Sie muss im Auftrag von Alexandra von Grote Cristina Perincioli die Kündigung als Regisseurin aussprechen. Was war passiert, 8
Alexandra von Grote, Regina Ziegler und Cristina Perincoli, alle zwischen 1944 und 1946 geboren, haben die Zeit des Aufbruchs der 1960er und 1970er Jahren komplett unterschiedlich erlebt und sind sich selbst treu geblieben – jede auf ihre Weise … Alexandra von Grote wurde nach ihrer Zeit beim Kleinen Fernsehspiel Referentin für Kulturpolitik in Berlin, führte bei vier Filmen Regie, zu denen sie auch das Drehbuch verfasste, und konzentriert sich heute ausschließlich auf das Schreiben von Kriminalromanen. Regina Ziegler gilt laut American Cinema Foundation heute als die weltweit erfolgreichste Frau im Filmproduktionsgeschäft. Sie trägt das Bundesverdienstkreuz, den Verdienstorden des Landes Berlin und den Adolf-Grimme-Preis für besondere Verdienste. Die Ziegler Film GmbH & Co. KG mit Sitz in Berlin hat mittlerweile über 400 Filme für Kino und Fernsehen produziert, die nahezu alle Genres abdecken. Cristina Perincioli führte schließlich 1978 erfolgreich Regie bei ihrem ersten, ebenfalls vom ZDF finanzierten Spielfilm Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen, der weltweit ein Erfolg wurde, veröffentlichte später Bücher und produzierte Hörfunkbeiträge mit politischem Hintergrund. Sie erhielt Lehraufträge am Filminstitut in Kenya, der Hochschule der Künste wie auch der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin sowie der Filmhochschule in Babelsberg. Heute beschäftigt sie sich mit Neuen Medien, dem Herstellen von Lernsoftware und produziert Kurzfilme in Form von Videobildern. Cillie Rentmeister machte als Tastenfrau und Mitbegründerin der Frauenrockband „Flying Lesbians“ Musik, promovierte später in Kunstwissenschaften, gehörte sozusagen zu den ‚Erfinderinnen‘ der feministischen Kunst- und Kulturwissenschaft und war Mitglied der ersten Dozentinnengruppe in Berlin, die „Sommeruniversitäten für Frauen“ ins Leben riefen. Heute ist sie Professorin an der Fakultät für Sozialwesen an der Fachhochschule Erfurt und engagiert sich nach wie vor gegen häusliche Gewalt. s
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„ich bin jetzt hier, ich mag dich.“ i n t e rv i ew: t obi a s r ausch e r
Sich treiben lassen oder verloren gehen. Regisseur Sebastian Heidinger über seinen ersten Dokumentarfilm „Drifter“, der am 11. Juni im Kino startet. s Vor dreißig Jahren gab es einmal „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, als Stern-Buch und als Uli-Edel-Film. Seitdem ist dieser Ort zu einem Synonym für jugendliche Prostitution und Drogensucht geworden. Edel verfilmt zwar längst andere Aufreger (z.B. Bushido), aber das Buch gibt es immer noch im Handel. Und auch die Kinder am Bahnhof Zoo sind noch da. Der junge dffb-Absolvent Sebastian Heidinger hat in seinem Dokumentarfilm Drifter drei Jugendliche begleitet, die sich am Zoo ihre Drogen besorgen, anschaffen gehen oder in Notunterkünften unterkommen. Es geht ihm um ihren Alltag, nicht um ihre Geschichte. Um das tägliche Durchhalten, Weitermachen und ‚Driften‘, ohne familiären Halt und mit wenig öffentlicher Unterstützung. Helfen können sie sich nur selbst, bestenfalls einander. Obwohl Drifter nichts zu tun hat mit Sensationsgier, Vorurteilen und Klischees einer ‚lebensfeindlichen Wirklichkeit‘ ist das ein harter und schonungsloser Film. Auf internationalen Filmfestivals hat er für Aufsehen gesorgt. Auf der Berlinale 2008 gab es dafür den renommierten Preis „Dialogue en Perspective“. SISSY hat sich mit Sebastian Heidinger getroffen und sich mit ihm über seinen filmischen Zugang, über die moralische Haltung beim Filmemachen, über Sexarbeit und den Mythos Bahnhof Zoo unterhalten.
sissy: Zuerst einmal: Warum hast du dich entschieden, deinem Dokumentarfilm mit „Drifter“ einen englischen Titel zu geben und was genau bedeutet er? Sebastian Heidinger: Das Wort Drift oder driften gibt es auch im Deutschen und meint etwas Nicht-Verankertes, was Strömungen ausgesetzt ist. Daneben gibt es auch die Vokabel des „drifters“, die der Soziologe Richard Sennett geprägt hat. Er beschreibt Drifter als Phänomen des modernen Kapitalismus und meint eine gesteigerte Form vom mobilen und flexiblen Menschen. Für dokumentarische Arbeiten gibt es sicherlich leichtere und zugänglichere Themen für einen jungen Filmemacher als drogenabhängige Jugendliche. Wie kam dir die Idee zu „Drifter“? Am Anfang stand nicht das Projekt, einen Film über drei Drogenabhängige am Bahnhof Zoo zu machen. Ich hatte lediglich eine vage Idee von jugendlichen Obdachlosen, die unserem alltäglichen Blick nicht auffallen. Es ging mir nicht um Straßenpunks oder irgendwelche Abtrünnigen. Mich interessierte damals das Phänomen unserer Zeit, dass jemand am Rand unserer Gesellschaft sehr leicht behaupten kann, zur normalen Gesellschaft dazuzugehören. Jeder kann ein Handy haben, jeder kann Markenklamotten tragen und wirkt dabei nicht wie ein Außenseiter oder fällt auf. Ich hatte diesen Gedanken schon in einem früheren Projekt mit Jugendlichen in Lichtenberg verfolgt – Jugendliche in einer Umbruchphase, die dem
Drifter
von Sebastian Heidinger D 2007, 81 Min Edition Salzgeber, www.salzgeber.de
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System entsagen und sich Nischen suchen, die nicht von institutioneller Kontrolle besetzt sind. Wie bist du dann im zweiten Schritt vorgegangen und hast deine drei Protagonisten Aileen, Angel und Daniel gefunden? Unser erster Gedanke war, über Institutionen und Sozialarbeitervereine an die Menschen zu kommen. Das haben wir versucht und ich habe auch eine Zeit lang ehrenamtlich als Sozialarbeiter gearbeitet. Wir haben aber sehr schnell gemerkt, dass das überhaupt nicht funktioniert, weil du den Jugendlichen von den Sozialarbeitern vorgestellt wirst und sich in dieser Position automatisch ein starkes Ungleichgewicht aufbaut. Dann war uns schnell klar, dass wir selbst auf die Straße müssen, um die Kontakte herzustellen. Es war eine harte und aufreibende Zeit, an die Orte zu gehen und sie für sich einzunehmen. Natürlich haben wir uns anfangs unglaublich unwohl und wie Touristen gefühlt. Unsere Suche begann im Osten in Einkaufszentren in Hohenschönhausen, über den Alexanderplatz, zum Nollendorfplatz und der Kurfürstenstraße, bis wir dann an den Bahnhof Zoo gegangen und dort hängen geblieben sind. In unserer Vorlaufzeit sind wir dann vor Ort mit einem alten VW-Bus in die Jebensstraße gefahren, sind peuà-peu mit den Jugendlichen ins Gespräch gekommen und haben so versucht, zu einem festen Inventar der Szene zu werden. Dabei haben wir relativ früh kommuniziert, dass wir einen Film machen, aber keine Gagen zahlen können. Einerseits konnten wir das vom Budget her nicht, anderseits wollten wir, dass den Jugendlichen auch selbst etwas daran liegt, den Film zu machen und sie es nicht aus Verdienstgründen machen. Bis zum ersten Drehtag sind dann erst mal drei Monate vergangen. 80 Prozent des Tages haben wir gewartet oder haben im Bus gesessen. Ab und zu kam jemand vorbei, um Tee zu trinken, hat angefangen zu erzählen, dann wurde gefragt, ob man die Geschichte eventuell auf Tonband aufnehmen dürfe, und so hat sich langsam das Vertrauen aufgebaut. In dieser Zeit hat sich langsam der Cast herauskristallisiert. Mit Aileen fing es an, mit ihr kam Angel ins Spiel, da sie sich nicht getraut hatte, das alleine zu machen. Angel steht ja auf eine gewisse Form der Selbstdarstellung, das merkt man im Film ja auch ganz deutlich. Während der Drehphase war es dann so, dass das Casting quasi organisch gewuchert ist. In dieser Szene gibt es ja kaum echte, durch Pech und Schwefel verbundene Freundschaften, sondern eher Zweckgemeinschaften, die aber leicht wieder auseinander brechen können und innerhalb derer es eine hohe Fluktuation gibt. Auf die Tatsache, dass jeden Moment eine neue Figur herein kommen kann, mussten wir uns während des Drehs einlassen. Entweder diese Figur begleitet die Protagonisten oder über ihre Abwesenheit werden Dinge erzählt. Es musste uns immer klar sein, 10
dass jeder Tag der letzte mit unseren Protagonisten sein kann. Am nächsten Morgen konnte alles anders sein und einer der drei konnte keinen Bock mehr haben. Da gab es keine Verlässlichkeiten. Das klingt nach einer langen Recherche. Wie lange habt ihr für „Drifter“ dann insgesamt gebraucht und wie lange hat der Dreh gedauert? Als wir bereits am Zoo waren, gab es eine lange, zweimonatige Vorlaufzeit ohne jede Kameraarbeit. Das hat uns sehr organisch zum ersten Drehtag geführt um die Protagonisten langsam an die Kamera zu gewöhnen und mit ihr auch ihre Privatsphäre zu teilen. Wir haben sechs Monate vom Spätsommer 2005 bis Frühjahr 2006 gedreht und saßen dann ein Jahr lang im Schnitt. Immerhin hatten wir 70 Stunden Material. Dein Film wird vor allem über Leerstellen erzählt. Du hast die mutige Entscheidung getroffen, viele Dinge im Film auszusparen. Wir erfahren nichts über Familie, über Freundeskreise, es werden auch keine einzelnen Biographien gezeichnet. War das denn eine Entscheidung, die ihr auch erst im Schnitt getroffen habt oder stand dieses narrative Konzept schon vorher fest? Wir haben erklärende Szenen gedreht, in denen Nebenfiguren, deren Bedeutung im Endschnitt nicht ganz klar ist, ausführlich erklärt wurden. Wir haben aber während des Schnitts festgestellt, dass der stärkste Effekt dadurch erreicht wird, dass man möglichst wenig schneidet. Der beste Schnitt ist, keinen Schnitt zu machen. Dann haben wir komplett auf Interviews verzichtet, eine Entscheidung, die bis zur vorletzten Rohschnittfassung nicht feststand. Und es stimmt, dass ich keinen Film machen wollte, der sich groß für die Biographien der Protagonisten interessiert. Es interessiert mich insofern nicht, als dass ich nicht glaube, dass ich einem Mensch gerecht werden kann, indem ich mir biographische Schlüsselmomente aus seinem Leben herauspicke. Ich finde auch, dass so etwas wie ein Körper mir über die Vergangenheit und die Persönlichkeit eines Menschen teilweise mehr erzählen kann als wenn er mir davon im Interview erzählt. Ein Beispiel ist die Szene, in der Angel für Bodo, einen der Männer, Schnitzel kocht. Das ist für mich ein ganz starker biografischer Moment. Man fragt sich unmittelbar, warum dieser Typ auf Hausfrauenart plötzlich ein Schnitzel mit Mischgemüse zubereiten kann. Man bekommt durch eine Aktion ein Gefühl, was sich aber über eine Physis, eine Körperlichkeit vermittelt. Dem vertraue ich mehr, als wenn ich in psychologisierender Art und Weise versuche in einem Interview etwas aus ihm herauszubekommen. In diesem Fall wäre es zudem sehr schwierig geworden, weil sich alle unsere Protagonisten Legenden zurecht gelegt haben. Wenn Angel Geschichten erzählt, wo er herkommt und wer seine Eltern sind, und dass sie in Griechenland leben, dann ist das seine eigene Wahrheit.
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Bei einem mutigen Dokumentarfilm wie deinem ist sicherlich die Frage eine Herausforderung, welche Rolle du als Filmemacher spielst. Zum einen bist du wie alle Dokumentarfilmer der Beobachter, der seine Protagonisten als Material braucht. Zum anderen intervenierst du aber auch nicht, was in einem Film über Drogensucht und Jugend natürlich auch ethische Fragen auf kommen lässt. Es gab natürlich die Gefahr, beim Drehen in eine Sozialarbeiterrolle zu verfallen. Du bist Freund deiner Protagonisten und hast natürlich den Impuls sie zu bekehren, was du aber gar nicht leisten kannst, denn egal wie sehr du dich darauf einlässt – du bleibst Tourist. Natürlich behältst du auch später noch den Kontakt, aber diese Beziehung kann nie die Intensität erreichen, die sie während der Drehzeit hatte. Grundsätzlich war es bei der Beziehung zu den Protagonisten so, dass zu Aileen die engste und innigste Beziehung bestand. Zu Daniel bestand die kühlste Beziehung. Er war auch derjenige, der als Letzter in den Film kam. Zu Angel ist die Beziehung schließlich mit der Zeit gewachsen, wobei er natürlich auch den dicksten Panzer von allen hat und der versierteste in diesem Milieu ist. Das Grunddilemma war immer, dass man sich als Regisseur in dieser schizophrenen Situation befindet, immer auch Vertrauter, Freund und Ansprechpartner zu sein, denn das war in unserem Fall absolut nötig, um diesen Film überhaupt zu machen. Es war unser Anspruch, uns als Personen komplett da reinzugeben. Auf der anderen Seite bist du als Regisseur natürlich ganz stur auf Material und gute Szenen angewiesen. Einerseits mussten wir im Sinne des Films überall dabei sein, andererseits aber auch das Gefühl behalten, dass wir ein paar Sachen nicht zeigen wollen, um die Jugendlichen zu schützen. Und natürlich ist es auch für uns hart, eine Fixszene zu drehen. Eine Sache um die sich der Film dreht, die aber auch nie gezeigt wird, ist die Sexarbeit. Es scheint als würden alle drei anschaffen gehen, was aber immer außerhalb des Films stattfindet. Daniel nicht. Der hat zu diesem Zeitpunkt vor allem Zeitungen ausgetragen und war nicht auf dem Strich. Bei Angel ist es ganz klar, dass er Stricher ist, er war aber auch am erfahrensten. Angel hatte einen Stammfreierkreis und stand auf der Jebensstraße. Bei Aileen waren wir nie dabei, weil wir es nicht wollten. Genauso wie wir sie auch nie beim Konsumieren gefilmt haben. Das ist unserer Vertrautheit geschuldet. Es ist der schmale Grad bei dieser Form von Filmarbeit. Wir haben mit Angel und Daniel auch noch andere Konsumierszenen gedreht, fragten uns aber ständig, wie wir das überhaupt darstellen sollen. Wir haben uns immer vorgenommen, das ganz nüchtern als eine Form von Arbeitsbeschreibung wie Schnitzel kochen oder Zähne putzen zu machen. Das war aber unglaublich schwierig, weil es so stark klischeebehaftet ist. Sobald man einen Löffel im Bild hat, auf dem etwas aufgekocht wird, ist es nicht mehr neutral. Deswegen war ganz schnell klar, dass Konsumierszenen nur gehen, wenn sie in Kontexten gezeigt werden, die das Eigentliche erweitern oder brechen. Was das Darstellen der Sexarbeit angeht, ist es fast unmöglich, das dokumentarisch darzustellen, zuerst einmal, weil kein Freier seine Einverständnis gegeben hätte. Dann haben sich unsere Protagonisten gegen den Gedanken gewehrt. Andererseits bietet dir die Realität auch Möglichkeiten, die viel spannender sind als eine eins-zu-einsUmsetzung wie zum Beispiel eine Totale der Kurfürstenstraße oder die Szene, in der Aileen eine Hardcore-Broschüre für Nutten laut vorliest. Sie liest dann auch auf eine so naive Art und Weise, dass die Diskrepanz in diesem Moment sehr augenscheinlich wird. Letzlich haben wir uns für eine Platzhaltererzählung entschieden. Voyeurismus muss man zwar beim Dokumentarfilm nicht diskutieren, da jeder Dokumentarfilm ja auf seine Weise voyeuristisch ist, aber bei dem Thema gibt es den Moment, wo eine eklige Form von Voyeurismus entsteht und dem wollten wir uns entziehen. Gerade wenn man sieht, wie die Jugendlichen an dem, was sie machen, kaputt gehen, bestand für uns immer die Gefahr, in eine Art Sozialarbeiterhaltung reinzurutschen. Im Endeffekt haben sie uns aber auch benutzt, was
überhaupt nicht moralisch wertend gemeint ist. Wir bekamen etwas von ihnen und sie bekamen etwas von uns. Wie haben sie euch „benutzt“? Was genau haben sie von euch bekommen? Aufmerksamkeit zum einen, und Verständnis. Wir haben eben nicht die Haltung eines Sozialarbeiters an den Tag gelegt, nicht alles getan, damit die da ihr Leben ändern. Es geht auch darum zu vermitteln: Ich bin jetzt hier, ich mag dich, und mein Interesse hängt nicht davon ab, ob du mit den Drogen aufhörst oder nicht. Zu welchen großen Schwierigkeiten ist es denn beim Dreh gerade in dieser Szene gekommen? Es ging uns ja vor allem um die Nischen im System, die immer kleiner werden. Das wollten wir thematisch in den Film einbauen, haben aber beim Drehen festgestellt, dass es überhaupt nicht machbar ist. Erstens haben wir aufgrund des Themas überhaupt keine Drehgenehmigung bekommen, und zweitens hat man gemerkt, dass man selbst in ursprünglich als öffentlich wahrgenommenen Räumen nicht filmen darf. Das war am Zoo so, in Bussen und U-Bahnen, alles ist in privater Hand, überall gilt Hausrecht. Das führt eben wieder dazu, dass es keine Privatsphäre gibt, keine Privatheit und keinen geschützten Raum. Dann war ein Problem, dass wir keine Gagen zahlen konnten, unsere Protagonisten aber Geld verdienen mussten. Dadurch hatten sie immer nur ab und zu am Tag Zeit, wenn sie gerade Geld gemacht hatten und vor dem nächsten Schuss. Die Zyklen bestehen ja aus Geld machen, Drogen kaufen, Drogen konsumieren. Von diesen Zyklen gibt es ca. vier am Tag. Dazwischen gibt es höchstens kleine Fenster, in denen sie nicht unter Druck und vollkommen angespannt waren. Dann kommen natürlich noch die verschiedenen Aggregatszustände der Drogensucht hinzu. Ein Mensch ist ein komplett anderes Wesen, wenn er gerade Drogen braucht, bzw. wenn er gerade konsumiert hat. Das führt eben zu krassen Schwankungen im Temperament und auch im Tempo. Einmal haben wir ein Interview mit Aileen sehr ruhig angefangen. Mittendrin ist sie raus gegangen und hat sich einen Schuss gesetzt, war vollkommen ausgewechselt und wir sind gar nicht mehr hinterher gekommen. Oder wir haben vier Stunden im Bus gewartet und plötzlich kommt einer der drei Protagonisten vorbei und sagt, wo sie/er jetzt spontan hingeht. Wir sind überhaupt nicht vorbereitet gewesen, hatten keine Drehgenehmigungen und so weiter. Da mussten dann drei Leute simultan aufspringen und von null auf hundert gehen. Es war absolut schwer für uns, aber auch sehr lehrreich fürs Filmemachen. Wenn man eine Inhaltsangabe des Filmes liest, denkt man automatisch an „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und Christiane F. Der hochsymbolische Ort und die Drogenthematik wecken sofort Assoziationen. Es stellt sich da die Frage, ob es von eurer Seite eine bewusste Hinlenkung oder Ablenkung zu diesem Thema gab? Natürlich kann ich mich gegen die Verbindung zu Wir Kinder vom Bahnhof Zoo überhaupt nicht wehren. Wir haben uns den Zoo ja nicht vorrangig ausgesucht und ich erinnere mich noch, wie ich damit am Anfang sehr zu kämpfen hatte, dass es diesen Mythos gibt. Es war auch in der Arbeit mit den Protagonisten ein Problem, weil sie sich ja dieses Mythos’ auch bewusst sind, und sich anfänglich auch in diese Richtung hin inszeniert haben. Es hat viel Arbeit gekostet zu vermitteln, dass es nicht darum geht, eine 2007er-Version von Wir Kinder vom Bahnhof Zoo zu machen. Ich habe mich am Anfang dadurch sehr beschränkt gefühlt, denn man wurde ständig dem Vergleich unterzogen. Am Ende habe ich aber festgestellt, dass es ein unglaubliches Glück ist, einen mythologischen Unterbau zu haben. Es ist, als ob du eine moderne Version von Hänsel und Gretel erzählst. Diese Mythen sind ja auch immer eine Verabredung mit dem Zuschauer, die es dir erlaubt, freier und fragmentarischer zu erzählen. In unserem Fall ist es eher so, dass man den Mythos bricht und den Blick neu definieren kann. s 11
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ein kino der möglichkeiten von ch r ist oph m e y r i ng
Pedro Almodóvars neuer Film „Zerrissene Umarmungen“ startet im Kino. SISSY fragt sich: Was ist eigentlich das Queere an seinen Filmen? s Im kommenden August wird Pedro Almodóvars neueste Produktion Zerrissene Umarmungen (Los abrazos rotos), die im Wettbewerb der diesjährigen Internationalen Filmfestspiele von Cannes ihre Weltpremiere erlebte, in den deutschen Kinos anlaufen. Die Liebesgeschichte, die im Mittelpunkt dieses nunmehr schon 17. Spielfilms des spanischen Ausnahmeregisseurs und zweifachen Oscar-Preisträgers steht, ist eine zwischen Mann und Frau, genauer gesagt, zwischen einem Regisseur (Lluís Homar) und seiner Hauptdarstellerin (Penélope Cruz). Obwohl eine der Nebenfiguren dieses Films schwul ist, handelt es sich bei Zerrissene Umarmungen somit, genau genommen, wohl nicht um einen „schwulen Film“. Aber was genau ist ein „schwuler Film“? Einer, der eine sexuelle Beziehung zwischen zwei Männern thematisiert? Einer, der eine spezifische schwule Ästhetik oder Bedeutungspraxis – doch was ist darunter genau zu verstehen? – erkennen lässt? Oder genügt es schon, dass der Regisseur eines Films, woran im Falle Almodóvars kaum ein Zweifel bestehen dürfte, schwul ist, um sein künstlerisches Erzeugnis mit dem Etikett „schwules Kino“ zu behaften? Diese Fragen scheinen nicht ohne Grund sehr schwierig zu beantworten, nicht zuletzt weil sie sehr grundsätzlicher Natur sind. Aber vielleicht lässt sich im Blick auf Teile von Pedro Almodóvars bisherigem Œuvre zumindest ansatzweise ermitteln, was in seinem spezifischen Fall dasjenige ausmacht, das man mit Attributen wie „schwul“, „queer“ – oder wie auch immer – begrifflich umfassen und umarmen kann. Danach wird es unter Umständen möglich, die Frage zu beantworten, ob auch Zerrissene Umarmungen einem solchen allgemeinen künstlerischen Prinzip gehorcht oder ob dieser Film sich aus dessen Umarmung löst. Betrachtet man die bisherigen Filme der Schwulenikone Pedro Almodóvar einmal etwas eingehender, so vermag es durchaus zu überraschen, dass nur in den wenigsten – streng genommen nur in Das Gesetz der Begierde (La ley del deseo, 1987) und La mala Educación – Schlechte Erziehung (La mala educación, 2004) – dezidiert schwule Charaktere im Zentrum des Geschehens stehen. Die meisten Protagonisten sind Protagonistinnen, Frauen, die innerhalb einer vorwiegend männlich geprägten Welt mit ungewöhnlichen Situationen und Schicksalen zu kämpfen haben und die deshalb nicht selten Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs (Mujeres al borde de un ataque de nervios, 1988) darstellen. Neben diesen Frauen,
die aus ihrer traditionellen Rolle ausbrechen (müssen) und sich auf die Suche nach einem neuen Lebensentwurf machen, treten häufig auch geschlechtlich nicht eindeutig markierte Mischwesen auf: Transvestiten und Transsexuelle. Eines dieser Mischwesen ist die (oder der) Transsexuelle La Agrado (Antonia San Juan) aus Almodóvars Oscar-prämiertem Meisterwerk Alles über meine Mutter (Todo sobre mi madre, 1999). In einer Szene des Films stellt sich diese artifiziell produzierte Mann-Frau, deren Name „Liebreiz“ bedeutet, auf die Bühne eines Theaters, wo an diesem Abend eigentlich Tenessee Williams’ Endstation Sehnsucht gegeben werden sollte, und gibt Auskunft darüber, welche operative Veränderung sie wie viele Peseten gekostet hat. Ihre Performance endet mit folgenden Worten: „Was will ich eigentlich damit sagen? Es ist ziemlich teuer, authentisch zu sein, oh ja! Und in diesen Dingen sollten wir nicht knauserig sein. Wieso? Weil wir umso authentischer sind, je ähnlicher wir dem Traum werden, den wir von uns selbst haben.“ Das Natürlich-Authentische des Geschlechts wird hier nicht als vorgängige Tatsache gesetzt, sondern in grandioser Verdrehung als Effekt zahlreicher – in diesem Fall chirurgischer und nicht nur rein diskursiver – Operationen ausgestellt und somit grundsätzlich in Frage gestellt. Denn wenn das Authentische das Resultat eines Herstellungsprozesses ist, dann gibt sich auch die scheinbar natürliche, streng dichotom strukturierte Kategorie des Geschlechts prinzipiell als eine Konstruktion zu lesen. Nicht umsonst findet Agrados Ansprache auf einer Theaterbühne statt, deutet sich damit doch an, dass die Konstruktion der Geschlechter durch Akte, Gesten und Inszenierungen bewerkstelligt und aufrecht erhalten wird, die – im Anschluss an Judith Butler und die von ihr nicht unmaßgeblich beeinflusste „Queer Theory“ – als performativ bezeichnet werden können. Die Geschlechtung erscheint damit als ein Schauspiel, das auf permanenten Imitationen kulturell vorgegebener Idealbilder beruht. Spielen Imitationen und Spiegelungen auch in Almodóvars Kino eine bedeutende Rolle, so tritt dort jedoch auch immer der Mechanismus der Verschiebung hinzu, der die Imitationen erst als solche zu erkennen gibt und darüber hinaus Raum für Neubestimmungen, Neuinszenierungen und alternative Entwürfe schafft. Im Unterschied zum alternativ konzipierten und in jeglichem Sinne teuer erkauften Körper Agrados, in dem sich das Drama der Geschlechtwerdung ganz materi-
Zerrissene Umarmungen von Pedro Almodóvar ES 2009, 129 Min Tobis, www.tobis.de
Im Kino
Ab 6. August
Pedro Almodóvar – Die große Edition ES/FR 1982–2009, 14 DVDs, 1411 Min Ufa/Universum, www.universum-film.de
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ell manifestiert, kommt die befreiende Neubestimmung des Gegebenen dabei zumeist ohne das Skalpell des Chirurgen aus. So verdeutlicht der von Gael García Bernal verkörperte Revuestar Zahara in La Mala Educación – Schlechte Erziehung die performative Konstruktion des Geschlechtes im Rahmen eines ebenso wunderlichen wie wunderbaren Bühnenauftrittes allein mit den Mitteln der Travestie. Denn er/sie ist in ein – von Jean-Paul Gaultier entworfenes – atemberaubendes Abendkleid gehüllt, das einen nackten Frauenkörper imitiert: Die austauschbare Hülle bedeutet den angeblich unveränderlichen Kern, der Kern gibt sich als Hülle zu erkennen. Mit anderen Worten: Das Geschlecht stellt sich nicht als natürliche Gegebenheit, sondern als eine kulturell hervorgebrachte Einkleidung dar. Zu den die Grenzen herkömmlicher Geschlechtsidentitäten chamäleonhaft überwindenden Übergangswesen zählt ebenfalls Juez Domínguez (Miguel Bosé), der in High Heels – Die Waffen einer Frau (Tacones lejanos, 1991) nicht nur als Untersuchungsrichter und Polizeispitzel, sondern auch als Travestiestar „Femme letal“ in Erscheinung tritt und in dieser Rolle die Mutter der Protagonistin Rebeca (Victoria Abril) imitiert, welche er später schwängert und am Ende ehelichen wird. Und obwohl es darin ausschließlich um heterosexuelle Paarbeziehungen geht, veranstaltet auch Sprich mit ihr (Hable con ella, 2002) einen intensiven „Gender Trouble“, sofern klassisch männliche und weibliche Rollenattribute in Bewegung gesetzt und ständig neu verteilt werden: Während die Torera Lydia (Rosario Flores) einer ausgesprochen männlichen Profession nachgeht, umsorgt, bemuttert, schminkt und frisiert die männliche Krankenschwester Benigno (Javier Cámara) die ins Koma gefallene Balletttänzerin Alicia (Leonor Watling). Dabei wirkt Benigno nicht nur ausgesprochen schwul, sondern er setzt sein schwules Image sogar ganz bewusst dazu ein, sein heterosexuelles Begehren zu verschleiern. Im Zusammenhang mit der Gender-Thematik betreibt Alles über meine Mutter überdies eine Neubestimmung der herkömmlichen Vorstellung von „Mutterschaft“, indem er – ausgehend von einer realen, aber nunmehr zerstörten Mutter-Kind Beziehung zwischen der Krankenschwester Manuela (Cecilia Roth) und ihrem verstorbenen Sohn Estéban (Eloy Nazarin) – diesen Begriff aus seinen ursprünglichen Bezügen löst, spiegelt, verschiebt, verzerrt, vervielfältigt und mit neuer Bedeutung auflädt. Jedoch nicht um ihn zu entwerten oder ihn lächerlich zu machen, sondern vielmehr um seine positive emotionale Essenz Oben: Schlechte Erziehung – La mala educación (2004), unten: Zerrissene Umarmungen (Los abrazos rotos, 2009) freizulegen und auf zwischenmenschliche Beziehungen auszudehnen, die keine Mutter-Kind-Verhältnisse darstellen. „Mütterlich“, nämlich solidarisch, mitfühlend und selbstlos, können sich auch Menschen verhalten, die auf biologische Mutterschaft verzichten oder von ihr ausgeschlossen sind: Schwule, Lesben, Transsexuelle und kinderlose Heterosexuelle. Diese Botschaft des Films möchte man immer dann dick unterstreichen, wenn angesichts eines tragischen Kindstodes in den Medien wieder einmal der unsägliche Satz erschallt: „Wer selber Kinder hat, kann den Schmerz der Eltern nachfühlen.“ Als ob die anderen das nicht könnten. Almodóvars filmisches Werk, das seit dem vergangenen Jahr auch hierzulande in Form einer sehr ansprechend ausgestatteten DVD-Kollektion zugänglich ist, wimmelt von offenen Zitaten und mehr oder weniger kryptischen Anspielungen sowohl intra- (Bezüge zu anderen Filmen) als auch intermedialer (Bezüge zu anderen Medien) Natur: Das trashige Frühwerk Labyrinth der Leidenschaften (Laberinto de pasiones, 1982) rekrutiert sein fast unüberschaubares Personal offensichtlich direkt aus der Regenbogenpresse; Womit habe ich das verdient? (¿Qué he hecho yo para merecer esto!!, 1984) stibitzt die Idee, dass eine Hausfrau (Carmen Maura) ihren Ehemann mit einer Hammelkeule erschlägt und diese anschließend von der Polizei verspeisen lässt, aus einer Episode der TV-Serie Alfred Hitchcock Presents; 14
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in Das Gesetz der Begierde trifft man den schwulen Regisseur Pablo Quintero (Eusebio Poncela) und dessen transsexuelle Schwester Tina (Carmen Maura) in der Szenerie eines nächtlichen Cafés an, die deutlich von Edward Hoppers Gemälde „Nighthawks“ inspiriert ist; in Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs beobachtet Pepa (Carmen Maura) die beleuchteten Fenster eines Mietshauses und nimmt dabei exakt das Gleiche wahr wie James Stewart in Hitchcocks Das Fenster zum Hof (Rear Window, 1954); Fessle mich! (¡Átame!, 1990) zitiert das billige spanische Horrorkino der 1960er und 1970er Jahre; in High Heels – Die Waffen einer Frau, der sich auch auf Ingmar Bergmanns Herbstsonate (Höstsonaten, 1978) beruft, erklingt Musik aus Stephen Frears Gefährliche Liebschaften (Dangerous Liaisons, 1988); La mala Educación – Schlechte Erziehung, dessen Vorspannmusik die berühmten Geigenstakkatos aus Hitchcocks Psycho (1960) variiert, kann seine Erziehung durch das Genre des „Film noir“ nicht verleugnen; und mit Volver (Volver, 2006) kehren auch die Heroinen des italienischen Neo-Realismus sowie Hitchcocks Psycho und Marnie (1964) auf die Leinwand zurück. Etc. Etc. Almodóvar selbst will die zahllosen Medienzitate und -anspielungen in seinen Filmen aber nicht als ehrerbietige, musealisierende Hommagen oder eitle Präsentationen kultureller Bildung verstanden wissen, sondern als aktive Collageelemente: „Der beste Weg, so meine ich, die Gefühle eines Filmcharakters zu vermitteln, ist, sie durch einen anderen Film vermitteln zu lassen, durch Bilder und Worte, die man schon kennt.“ Die ausgiebigen Medienbezüge, die etwa in Sprich mit ihr ein vielstimmiges intermediales Gespräch zwischen den Kunstformen (Stumm-) Film, Literatur, Malerei, Bildhauerei, Ballett und Stierkampf in Gang setzen, und die Tatsache, dass es sich bei vielen von Almodóvars Filmfiguren um Regisseure, Bühnenstars oder Literaten handelt, scheinen aber noch mehr zu bedeuten. Sie weisen nämlich auf eine undurchdringliche Vermischung von Kunst und Leben, Realität und Fiktion hin. Und zwar in dem Sinne, dass sich – wie die scheinbar natürliche und unveränderliche Realität des Geschlechts im Besonderen – auch die angeblich so wirkliche Wirklichkeit im Allgemeinen durch die permanente Imitation kultureller Entwürfe, also fiktiver Vorlagen konstituiert. Hat man dies begriffen, wird es möglich, die gesellschaftlichen Fremdentwürfe umzuschreiben, sie in einen eigenen zu verwandeln und wie Agrado den Traum zu leben, den man von sich selbst hat. Almodóvars Umgang mit seinen filmischen und sonstigen Vorbildern kennzeichnet sich demzufolge stets durch aneignende Imitation und produktive Verschiebung. So wird Joseph L. Mankiewicz’ Kinoklassiker Alles über Eva in Alles über meine Mutter zwar in vielen Einzelheiten offensichtlich imitiert, dabei aber zugleich entscheidend modifiziert. Denn Manuela (Cecilia Roth), die in einigen Filmszenen augenscheinlich in die Rolle Eve Harrintons (Anne Baxter) schlüpft, stellt charakterlich das genaue Gegenteil dieser glatten, kalten und berechnenden Erpresserin dar. Und auch die Theater-Diva Huma Rojo (Marisa Paredes) unterscheidet sich im Verlauf der Handlung immer stärker vom zickig-selbstbezogenen Broadway-Star Margo Channing, den Davis in Mankiewicz’ Film so eindrucksvoll verkörpert. Das Verhältnis von Realität und Fiktion thematisiert das Melodram Mein blühendes Geheimnis (La flor de mi secreto, 1995) auf besonders eindringliche Weise. Denn die Schriftstellerin Leo Macías (Marisa Paredes) verhält sich genauso wie die Heldin eines jener kitschigen Liebesromane, die sie unter dem Pseudonym Amanda Gris am laufenden Band produziert, und führt auch ansonsten eine geradezu buchstäbliche Schrift-Existenz. Eine Tatsache, die Almodóvar an vielen Stellen des Films raffiniert ins Bild setzt: Kurz bevor Leo morgens erwacht, blättert der Wind durch die Seiten eines auf dem Nachttisch abgelegten Buches. Wenn sie ihren Ehemann anruft, verschmilzt die Tastatur ihres Telefons mit ihrer im Hintergrund sichtbaren Schreibmaschine, so dass es scheint, als ob sie ihn in diesem Moment erst schreibend erfinden würde. Und als ihre Ehe endgültig 15
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Von oben: „Volver“ (2006), „Schlechte Erziehung – La mala educatión“ (2004), „Alles über meine Mutter“ („Todo sobre mi madre“, 1999), Pedro Almodóvar bei den Dreharbeiten zu „Zerrissene Umarmungen“ 16
entzwei ist, wankt sie orientierungslos durch einen aus den Flugblättern eines Demonstrationszuges gebildeten papierenen Schneesturm: Ihr süßlicher Lebensentwurf ist zerrissen. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch kehrt Leo in ihr Heimatdorf zur Mutter zurück. Eine Rückkehr zu ihren natürlichen Wurzeln? Wird sie von nun an ein „authentisches“, von jeder Fiktionalität gereinigtes Leben führen? Nein, denn an dieser Stelle füllt Almodóvar die Leinwand ganz mit einem wunderbaren Bild aus: Eine textile Struktur, eine Textur, eigentlich die Spitzenklöpplerei der sich dabei Geschichten erzählenden Nachbarinnen, doch im übertragenen Sinne Text. Leo schreibt an einem neuen Lebensentwurf, und sie wird fortan andere, bessere Bücher schreiben. Ihre bisherige Arbeit übernimmt ein kleiner, etwas dicklicher heterosexueller Mann, Ángel (Juan Echanove), der schon immer Kitschromanautorin werden wollte und auch gerne Leos Liebhaber wäre. Doch am Ende des Films macht, wie Christoph Haas in seinem lesenswerten Buch „Almodóvar. Kino der Leidenschaften“ treffend feststellt, ein „Hinweis auf George Cukors letzten Film Die wilden Reichen (Rich and Famous, 1981) klar: Er ist fortan Leos ‚beste Freundin.‘“ Wenngleich die Filme Almodóvars nur selten explizit schwule Liebesbeziehungen thematisieren, so dürfen sie doch insofern das Prädikat „schwul“ für sich beanspruchen, als sie – ganz im Sinne der „Queer Theory“ – eine spielerische Zersetzung und Reformulierung traditioneller Geschlechter- und Lebensentwürfe betreiben. Dass dieses – oberflächlich besehen zuweilen recht unschwule – „Kino der Möglichkeiten“ vor allem auch ein schwules Publikum anspricht, verwundert wenig, da dieses permanent zur Suche nach Alternativen zu den gesellschaftlich immer noch vorherrschenden heterosexuellen Mustern gezwungen ist. Ein Zwang, der andererseits aber auch eine Chance und eine Freiheit bedeuten kann. Zerrissene Umarmungen bleibt den Prinzipien von Almodóvars „Kino der Möglichkeiten“ treu, ja lässt sie vielleicht noch deutlicher, raffinierter und eleganter zum Zuge kommen. Im strahlenden Zentrum des Films steht Almodóvars neue Muse und Leading Lady Penélope Cruz, die Lena verkörpert, eine Schauspielerin, die auch in ihrem Privatleben mehrere unterschiedliche Rollen – aufopferungsvolle Tochter, verschlagene Femme fatale und hingebungsvolle Geliebte – zu spielen hat und dabei in die unterschiedlichsten und aufregendsten Kostümierungen schlüpft. Lena ist die Hauptdarstellerin in Mateo Blancos (Lluis Homar) neuester Komödie „Frauen und Koffer“, die origineller Weise stark an Almodóvars Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs erinnert. Doch der Dreh entwickelt sich zu einem wahren Horrortrip. Denn Regisseur und Darstellerin verlieben sich sofort unsterblich ineinander, werden jedoch pausenlos von Lenas älterem und extrem eifersüchtiger Lebensgefährten Ernesto Martell (José Luis Gómez) observiert. Der mächtige Finanztycoon und Produzent des Films hat nämlich seinen verkappt schwulen Sohn (Rubén Ochandiano), der ebenfalls ein Auge auf Mateo geworfen hat, mit einer Making-Of-Dokumentation der Dreharbeiten beauftragt – in Wahrheit ein Überwachungsvideo. Zu allem Überfluss blickt auch noch Mateos Produktionsleiterin Judit (Blanca Portillo) mit Argwohn auf die neue Verbindung ihres Ex-Geliebten. Unweigerlich läuft die explosive emotionale Gemengelage auf eine schreckliche künstlerische und menschliche Katastrophe hinaus, die Tod und Verderben mit sich bringt und deren Sprengkraft selbst 14 Jahre später noch ihre Wirkung zeigt. Zerrissene Umarmungen ist nämlich auf mehreren Zeitebenen angesiedelt und knüpft mit seiner kunstvoll verschlungenen Erzählstruktur an die formale Virtuosität von La mala Educación – Schlechte Erziehung an. Abgesehen davon treibt dieser Film das hintergründige Vexierspiel mit Realität und Fiktion auf die Spitze, zitiert ebenso dreist wie lustvoll bekannte Highlights aus der Kinogeschichte sowie aus Almodóvars eigenem Werk und wimmelt dementsprechend von Spiegelungen, Verzerrungen und Verdopplungen. Das muss man gesehen haben. s
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radiant baby von ja n k ü n em u n d
MFA
Am 23. Juli kommt der Dokumentarfilm „Keith Haring“ von Christina Clausen ins Kino. Er feiert das kurze und wilde Leben eines Künstlers, der den Pop geliebt hat und von diesem zurückgeliebt wurde.
s Keith Haring (1958–1990) war ein großer Verunreiniger von Kategorien. Seine Kunst machte die Vorstellungen von High Art auf der einen und Street Culture auf der anderen Seite gleichermaßen fraglich. Aber das war nur einer der vielen Verwirrungen, die Haring mit seiner Pop-Ikonen-Produktion stiftete. Der Zusammenhang zwischen Kunst und Kommerz beispielsweise wurde auf der Ladentheke seiner verschiedenen Pop Shops und in Deals mit Absolut Vodka und Swatch verhandelt. Der demokratische Slogan „Kunst für Jeden“ stammte von einem bestens in den internationalen Kunstmarkt integrierten Kreativen, um den sich der Museumszirkus zwischen documenta und Whitney Biennial rissen. Die Verankerung Harings in der schwulen Subkultur New Yorks der 1980er Jahre stand einer massenhaften Verbreitung, ja geradezu Ikonisierung seiner Werkmotive auf Postern, T-Shirts, Stoffbeuteln keinesfalls im Weg. Keith Haring hat Warhol und Disney
auf eine Stufe gestellt, hat die Kunstwelt mit Graffiti, Hip Hop und Skateboarding bekannt gemacht und die lebensfrohesten, buntesten Bilder über den Tod gemalt. Er hat Populärkultur aufgegriffen und sie selbst wieder mit neuen Motiven versorgt, fast so, als sei er nur das Medium der durch ihn hindurch laufenden Bilder, die Menschen tagtäglich als Zeichen der Lust, Erregung, Angst und Schönheit produzieren. Doch auch dieses Medium hat eine Biografie. Ein Jahr vor seinem Tod bat Keith Haring den bekannten Kulturjournalisten und Biografen John Gruen darum, sie aufzuschreiben („Keith Haring: Die autorisierte Biographie“). In langen Interviews wurde der bis dahin 30-jährige Lebenslauf rekonstruiert, die Tonbänder davon existieren noch. Haring erzählt von seiner Kindheit in Pennsylvania, seinen Anfängen als Werbegrafik-Student, seiner autodidaktischen Weiterbildung. Dann, 1978: New York. Der Kunst-Underground, New Wave und die schwule Subkultur. Performances im öffentlichen Raum, Zusammenarbeit mit anderen Künstlern. Der Erfolg. Die HIVDiagnose kam 1988. Zwei Jahre später wird er daran sterben. Die dänische, in Italien lebende Dokumentarfilmerin Christina Clausen hat diese Tonbänder in ihrem Portrait über Keith Haring verwendet. Über dem aufbereiteten Material aus den Archiven und Museen liegt die Stimme des Künstlers. Aber Clausen hat noch weitere O-Töne im Gepäck, eine Phalanx aus Wegbegleitern und Freunden, die Harings Werk aus ihrer Perspektive verfolgt haben oder sogar Teil davon geworden sind, wie Grace Jones, die sich für ein Musikvideo von Haring hat anmalen lassen. Auch Andy Warhol taucht auf, Madonna, Bill T. Jones, Fab 5 Freddy, David LaChapelle, Kenny Scharf, Junior Vasquez, Yoko Ono – ein Chor von Menschen, ohne die das New York der 1980er heute kein Begriff mehr wäre. Nicht weniger als The Universe of Keith Haring (so der Originaltitel des Dokumentarfilms) soll mit diesem Film abgebildet und gefeiert werden. Ein komplexes Gebilde aus Trends, Stilen, prominenten und ganz normalen Menschen, aus Straße und White Cube, aus Krankheit und Lebensfreude, aus Naivität und Kalkül. Die Kunst der Verführung war Keith Harings großes Spiel. Die meisten sind ihm erlegen. s
Keith Haring
von Christina Clausen FR/IT 2008, 90 Min, dt. Voiceover MFA, www.mfa-film.de
Im Kino
Ab 23. Juli
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ein roher kerl mit hang zur poesie von A n dr é W en dl e r
edition salzgeber
Am 4. Juni startet Jan Krügers neuer Spielfilm „Rückenwind“ in den deutschen Kinos. Unser Autor meint: „Wenn man diese Bilder sieht, muss es einem gut gehen.“
s Es war wohl eine der schönsten, wenn nicht die schönste Einstellung der diesjährigen Berlinale. Totale. Die Kamera steht in der Mitte einer gelblichen Betonpiste die am unteren Bildrand breiter ist als das Bild. Rechts und links gibt es nichts als Bäume. Sehr weit hinten sieht es so aus, als ob dort Wasser wäre, vielleicht ein Fluss oder ein See. Langsam sehen wir zwei Jungs auf Fahrrädern aus der Tiefe des Bildes auf uns zukommen. Es stellt sich heraus, dass das Wasser tatsächlich Luftspiegelungen im Sommer sind. Dazu hören wir Klaviermusik, die bald von zwei Sängern ergänzt wird: im Abspann werden wir erfahren, dass es Händel gewesen ist. Die Einstellung ist sehr lang und ich wünsche mir, dass sie niemals aufhört. Die Kamera kommt in Bewegung und begleitet die beiden Jungs, die hier ein Rennen mit ihren Rädern veranstalten. Am Ende liegen beide auf dem Rücken und atmen schwer. Plansequenz nennt man so etwas. Wenn ich noch einmal darüber nachdenke, wurde darin wahrscheinlich doch irgendwann geschnit18
ten, aber die Musik klebt das ganze auf wunderbare Art und Weise zusammen. Im Kopf ist der Film anders als auf der Leinwand. Überhaupt passt der Begriff „Plansequenz“ so gar nicht zu diesem Film. Denn obwohl hier vieles geplant beginnt, mit sehr genauen Aufstellungen und Arrangements, endet es dann irgendwo, im Ungefähren oder Möglichen. Einmal stehen Johann und Robin sich gegenüber und schauen sich in die Augen, nur um sich daraufhin voneinander wegzubewegen und ein seltsames Fangen und Verstecken im nächtlichen Wald zu spielen, das in einer unheimlich intensiven erotischen Begegnung endet. Ein anderes Mal stehen sie Rücken an Rücken auf einem Feld, schauen voneinander weg, bis einer der beiden sich umdreht und seinen Kopf an den Hals des anderen legt. Anziehung und Abstoßung, Kontakt und Ferne, Weglaufen und Einfangen sind die beiden Kräfte, die hier immer, in praktisch jeder Einstellung präsent sind. Es gibt keine Nähe ohne Alleinsein, kein Blick in seine Augen ohne dort in einen tiefen Abgrund zu sehen.
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Rückenwind
von Jan Krüger D 2009, 75 Min Edition Salzgeber www.salzgeber.de
Im Kino
Ab 4. Juni
Und auch der Film ist so ein auseinanderreißendes Zusammensein. Die aufwendige und feingliedrig durchgearbeitete Tonspur erzählt eine ganz eigene Geschichte von Brandenburg und dem, was auf einem Bauernhof geschieht, auf dem die Jungs später landen. Es überlagern sich Natur- und Menschengeräusche mit Musik und diese wiederum mit anderen Musikstücken. Oft weiß man nicht mehr, wo man eigentlich hinhören soll. Das ergänzt sich mit dem Bild nicht zu einem schönen runden Ganzen, sondern kommentiert es, stellt es in Frage oder ruft nach Bildern, die man nie zu sehen bekommt. In dem Haus, in dem die Jungs zusammen in einem Bett übernachten, hört man einmal Stöhnen und man weiß nicht, wer hier gerade mit wem etwas macht. Möglichkeiten gibt es genug. Der Film projiziert diese Möglichkeiten immer wieder in die Köpfe der Menschen im Kinosaal und ist deswegen immer viel mehr als nur ein Film. Man kann sich hier nicht einfach zurücklehnen und die auf der Leinwand mal machen lassen, sondern man ist dabei: weil man die körperliche Spannung, die kaum angedeuteten oder handfesten Berührungen förmlich selbst spürt, weil man nicht so richtig weiß, was die beiden Jungs voneinander und von anderen eigentlich wollen. Rückenwind appelliert an unsere eigenen Bilderwünsche: wir wissen wie ein schwuler Kuss aussehen muss, jeder hat seine eigenen Vorstellungen von schwuler Liebe. Und die werden hier gründlich, lustvoll, empfindsam und überraschend durchkreuzt, so dass man als Zuschauer letztlich auf die selbe Reise geschickt wird wie Robin und Johann. Der Film ist ein roher Kerl mit Hang zur Poesie. Wie Nathan von Witzlow, der in der Gegend im 18. Jahrhundert immer wieder ausgeweidete Schwäne auf ihren eigenen Federn drapierte. Wie schön, wie unverständlich, wie derb ist das. An Rückenwind ist auch nicht alles zu verstehen. Wenn man aber die Anstrengung aufbringt, ihm die Bürde der Eindeutigkeit abzunehmen, dann findet man hier einmal einen Film, der schwules Kino ist, wie wir es uns wünschen. Und zwar, weil er in aller erster Linie Kino ist und nur in zweiter Linie schwul und sich damit so wohltuend von den furchterregenden Erzählungen schwuler Liebe abhebt, die Beziehungen zwischen Männern immer nur im Kontext von Coming Out und HIV situieren. Es gibt mehr zwischen Männern, Jungs, Kerlen – und Jan Krüger und dem Team des Films ist die Suche danach mehr als geglückt. Vor allem, weil sie keine Ergebnisse liefert, die man in die Tasche stecken kann wie Sahnebonbons, sondern weil der Film das Versprechen auf eine wunderbare Süße ist, die man nur ab und an, in einigen Bildern und Tönen, in wenigen Augenblicken im Leben spüren kann, weil sie sich nicht festhalten lässt. Auch davon berichtet der Film in seinem Ende und empfiehlt das Kino, dieses Kino als wirksames Mittel zur Bekämpfung des Unglücks: wenn man diese Bilder sieht, muss es einem gut gehen und das beste daran ist: man kann sie immer wieder sehen. s 19
Die L-Filmnacht und die Gay-Filmnacht im CinemaxX wünschen Euch einen schönen Sommer. Im September geht es weiter, wir freuen uns auf Euch! www.l-filmnacht.de www.gay-filmnacht.de Wir bedanken uns bei unseren Partnern:
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Tate London
„Life“, aus „Death Hope Life Fear“, 1984
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Konservative Anarchisten von M a rt i n Büs se r
Gilbert und George finden sich nicht gay, sondern „sexy“. Ende Juli startet Julian Coles Langzeitportrait über das skurrilste Herrenpaar der Kunstwelt im Kino. s Als Paar sind sie zur Ikone geworden, so sehr miteinander verbunden, dass man sie einzeln womöglich gar nicht auf der Straße erkennen würde. Der etwas kleinere Gilbert Prousch, geboren in den Dolomiten, der sich bis heute seinen Akzent bewahrt hat, und George Passmore, der intellektuelle Sprecher und leidenschaftliche Sammler homoerotischer Literatur aus dem viktorianischen Zeitalter, sind neben Pierre & Gilles das bekannteste männliche Paar der Kunstgeschichte. Man kennt sie nur adrett gekleidet, in Maßanzügen, etwas steif in ihren Bewegungen, ein britischer Anachronismus, so bieder und distinguiert, dass alleine schon ihr Auftreten für Irritation sorgt. Die äußerlich zur Schau gestellte Korrektheit, die weniger an zwei Dandys als an Versicherungsvertreter erinnert, wirkt wie ein Fall von schwuler Überaffirmation, also größtmöglicher Anpassung an gesellschaftliche Etiketten – doch genau das ist sie nicht. Niemand fällt im modernen Straßenbild Englands so sehr auf wie dieses seltsam antiquierte Paar, das sich schon von weitem als „queer“ im Sinne von schräg zu erkennen gibt. „Wir sind anders“, markiert das strenge Auftreten, das zugleich im radikalen Kontrast zu dem Umfeld steht, in dem Gilbert und George seit mehr als dreißig Jahren arbeiten und dem sie ihre Motive für großformatige Fotoarbeiten entnehmen. Britische Jugendliche aus der Arbeiterklasse, Skinheads ebenso wie Migranten, Obdachlose und Graffitis mit „four letter words“ wie „shit“ und „fuck“ bilden das Ausgangsmaterial ihrer frühen Arbeiten, die in einem Milieu entstanden sind, das so gar nicht zu dem korrekten Auftreten der beiden Herren passen mag. Im Rahmen der Serie „Dirty Words Pictures“, einer Montage aus Selbstbildnissen, Hinterhof-Ansichten und Graffitis, tauchte 1977 erstmals das Wort „queer“ in einer ihrer Arbeiten auf. „Wir wollten uns dieses Schimpfwort aneignen“, erklärt George im Film, „und es positiv für uns umdeuten.“ Filmemacher Julian Cole, der das Paar für seine Langfilm-Doku With Gilbert And George 18 Jahre begleitet hat, arbeitete 1986 für Gilbert und George als Model. „Ich stand für sie vor der Kamera“, lautet die simple Motivation für seinen Film, „nun wollte ich wissen, wie es ist, wenn sie für mich vor der Kamera stehen.“ Entstanden ist eine faszinierende Annäherung an zwei Außenseiter, die sich während ihrer Studienzeit entschieden haben, gemeinsam als lebende Skulpturen aufzutreten und die inzwischen zu den größten Exportschlagern des britischen Kunstmarkts zählen.
Gleichzeitig gelingt es Julian Cole, den queeren Charakter ihrer Kunst herauszuarbeiten, ohne dass das Leben der beiden Künstler als schwules Paar näher thematisiert wird. Das ist jedoch keine falsche Scheu, vielmehr setzen alle am Film Beteiligten diese Lebensform als Selbstverständlichkeit voraus. Das Wort „gay“, erklärt George im Film, habe er nie gemocht. Er bevorzuge das Wort „sexy“ als neutrale, von Geschlechtszuweisung unabhängige Zustandsbeschreibung. „Niemand sagt ‚I feel heterosexy tonight‘“, scherzt George, gerade deshalb sei der Begriff „sexy“ so gut, um eine universelle Lust zu bezeichnen. „Erst kämpften die Heterosexuellen um sexuelle Befreiung, dann kämpften die Homosexuellen, doch die nächste Schlacht wird für alle sein“, erklärt George an einer anderen Stelle im Film. Aufgrund solcher Äußerungen verwundert es nicht, dass Gilbert und George schon früh den Begriff „queer“ in ihre Arbeit eingeführt haben, um darauf hinzuweisen, dass ihre Kunst darauf abzielt, sämtliche geschlechtliche Zuweisungen zu überwinden. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, dass ihr scheinbar normatives Auftreten nicht der Festigung, sondern der Infragestellung von Normen gilt. Nichts anderes hatten zum Beispiel frühe Performances wie „Gordon’s Makes Us Drunk“ von 1971 im Sinn: Gilbert und George filmen sich dabei, wie sie sich hemmungslos mit Gin abfüllen, immer besoffener werden und dennoch versuchen, die Fassade der korrekten Englishmen zu bewahren. Das geht natürlich schief und sorgt für jede Menge Komik. Gleichzeitig haftet diesen Bildern aber auch etwas Tragisches an. Mit ihrem zwanghaften Versuch, keinerlei Enthemmung zuzulassen und krampfhaft ‚sauber‘ zu wirken, zeigen Gilbert und George, wie sehr sich gesellschaftliche Normen bis in unser tiefstes Inneres eingefressen und alle Menschen zu „living sculptures“ gemacht haben, zu fremdbestimmten, sozial geformten Apparaten. Es ist nur schade, dass Julian Cole die Originalaufnahmen solcher Performances nur für wenige Sekunden in seinen Film einstreut, so dass deren ganze Zerrissenheit zwischen Witz und Melancholie gar nicht ersichtlich wird. Der tragische Kern im Werk von Gilbert und George, der tiefe Ausdruck von Entfremdung und der Wunsch, diese zu überwinden, ist typisch für die radikale Seite der künstlerischen Avantgarde, in deren Tradition das Paar steht. Seit Marcel Duchamps „Readymades“, vom Künstler unverändert zu Kunstwerken erklärten und ins Museum
With Gilbert & George von Julian Cole
GB 2007, 104 Min Edition Salzgeber, www.salzgeber.de
Im Kino
Ab 30. Juli
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national galleries of scotland (u), edition salzgeber (o)
gestellten Alltagsgegenständen, arbeitet die Avantgarde ebenso verzweifelt wie unerbittlich daran, die Trennung zwischen Kunst und Leben zu überwinden, das klassische Kunstwerk abzuschaffen und letztlich das eigene Leben zum Kunstwerk zu deklarieren. John Cage, der jeden Ton zur Musik erklärte und die Unbestimmtheit des Happenings einer klar umrissenen Werkstruktur vorzog, steht ebenso in dieser Tradition wie Andy Warhol, der sich und seine „Factory“Gemeinschaft zum 24-Stunden-Kunstwerk erhoben hatte. Gilbert und George unterscheiden sich von ihren großen Vorgängern lediglich darin, dass ihr 24-Stunden-Kunstwerk nur in der Konstellation als Zweierpaar funktioniert. Einzeln sind die Beiden nicht zu haben. „Ein Großteil der Menschheit ist in Zweiergruppen aufgeteilt“, erklärt George, „so gesehen ist es völlig normal, dass wir zu zweit auftreten.“ Und noch etwas ist ihm wichtig, wie er im Film erklärt: Beide treten gleichberechtigt auf. Das unterscheidet Gilbert und George von der
patriarchalisch organisierten Gesellschaft, in der Frauen oft nur als Statussymbol und Anhängsel der Männer wahrgenommen werden. Die Avantgarde-Geschichte, in die sich Gilbert und George eingereiht haben, ist eine queere Geschichte. Andy Warhol war für seine sexuelle Unbestimmtheit bekannt, John Cage lebte mit dem Choreographen Merce Cunningham in einer nicht zuletzt auch künstlerisch symbiotischen Beziehung, und selbst von Marcel Duchamp gibt es ein Selbstbildnis als Frau, „Rose Selavy“, ein Pseudonym, das Duchamp in den 1920er-Jahren selbst für einige Jahre benutzte, um sexuelle Festschreibungen in Frage zu stellen. Warum jener Avantgarde-Zweig, der an einer Überwindung von Kunst und Lebensalltag interessiert war, so viele queere Aspekte aufweist, liegt eigentlich auf der Hand: In der queeren Theorie gelten sexuelle Identität und Geschlecht als etwas Gemachtes, ein soziales Konstrukt und ein performativer Akt, der eingelernt werden muss. Gerade der Performance-Kunst war stets daran gelegen, solche sozialen Zwänge aufzudecken und zu überwinden. Darum handelt auch die Kunst von Gilbert und George stets von beiden: Die Künstler spiegeln soziale Zwänge, haben sich bereits in ihrer legendär gewordenen „Singing Sculpture“ von 1968 wie eine Mischung aus Roboter und Marionetten inszeniert, um gleichzeitig spielerisch an deren Demaskierung zu arbeiten. Der einzige Nachteil an Julian Coles filmischem Portrait besteht darin, dass er solche historischen Zusammenhänge ausblendet und ganz seinen beiden Objekten der Begierde verhaftet bleibt. Gilbert und George wirken dadurch ein wenig wie Inseln im Kunstbetrieb, losgelöst von jeglichem historischen und ästhetischen Kontext, singulär und damit auch ein wenig verklärt. Die Stärke des Films besteht allerdings darin, dass er die Solidarität des Künstlerpaares gegenüber allen Minoritäten herausarbeitet, die in der Rezeption oft übersehen worden ist. Seit ihren Anfangstagen als Künstlerpaar arbeiten Gilbert und George bevorzugt in den ärmeren Gegenden im Osten von London, wo auch das Portrait „Paki“ (1986) entstand, das Foto eines jugendlichen Einwanderers. Linke Kritiker haben darauf hingewiesen, dass „Paki“ ein diskriminierendes Schimpfwort ist, doch George weist solche Kritik im Film zurück und wundert sich, dass niemandem aufgefallen ist, wie sexy der Junge dargestellt worden sei. So fotografiert niemand einen Menschen, den er zu diskriminieren beabsichtigt. Das Schmähwort „Paki“ wird von Gilbert und George vielmehr als rassistische Zuschreibung von Außen benutzt und in Kontrast zu dem sympathischen Portrait des Jungen gestellt. Dieser taucht noch einmal auf einem anderen Bild auf, dem Foto „Patriots“ von 1980, wo sechs als Patrioten gekennzeichnete Jugendliche zu sehen sind, darunter auch zwei Skinheads. Indem Gilbert und George auch den jugendlichen Migranten unter die Patrioten eingemeinden, machen sie sich über jegliche Form von Rassismus lustig. Ihre eigene Vorstellung von Patriotismus ist eher dessen Gegenteil, nämlich die einer universellen Weltgemeinschaft, die keine Einteilung in Grenzen mehr kennt. Julian Cole nähert sich dem Künstlerpaar im konventionellen biographischen Doku-Stil, beginnend bei deren Geburt bis hin zur spektakulären, von Gilbert und George selbst organisierten Ausstellung in China. Der Film wagt zwar keine formalen Experimente, doch seine stringente Form trägt sehr viel zum Verständnis der beiden „lebendigen Skulpturen“ bei und entspricht vielleicht auch deren Selbstverständnis, das Gilbert am Ende des Filmes zusammenfasst: „Wir sind konservative Anarchisten.“ Was das bedeutet, kann man erahnen, wenn man sieht, wie die beiden das Publikum in ihrer typisch steifen Art durch die Ausstellung „Naked Shit Pictures“ (1994) führen. Zu sehen sind Nacktaufnahmen von Gilbert und George, garniert mit kunstvoll ornamentalen Abbildungen ihrer eigenen Scheiße, die sie über Jahre für diesen Bildzyklus fotografiert haben. s
Oben: In China. Unten: „In the piss“, 1997 22
film-flirt
Der Moment von h a ns st em pe l u n d m a rt i n r i pk ens
kinowelt
Hans Stempel und Martin Ripkens sind ein Paar, seit sie sich 1957 in Düsseldorf kennen gelernt haben. Gemeinsam arbeiteten sie als freie Filmjournalisten, schrieben Kinder- und Jugendbücher, drehten für TV („Wie geht ein Mann“) und Kino („Eine Liebe wie andere auch“). Zu ihren Veröffentlichungen gehören „Ach Kerl ich krieg dich nicht aus meinem Kopf“, „Hyperion am Bahnhof Zoo“, „Hotel-Geschichten“ sowie die Autobiografie „Das Glück ist kein Haustier“. 2008 erhielten die beiden den Special Teddy Award auf den Berliner Filmfestspielen für ihr Lebenswerk.
s Einfaches Hinschauen genügt nicht, oft macht erst ein kritischer Blick, vielleicht geschärft durch eigene, eigenwillige Erfahrungen, offenbar, dass scheinbare Nebenfiguren in einem Film oder einem Bild eine zentrale Rolle spielen. So ist in Dürers Gemälde von der Geburt Christi, dem berühmten Paumgartner Altar (Alte Pinakothek, München), erst nach genauem Hinsehen ein Freundespaar zu entdecken, das weit mehr Interesse für einander als für die Geburt Christi zeigt. Wenn auch dieses Paar wie ein dezenter Gastauftritt in einem Film im Hintergrund erscheint, so wurde es doch von Dürer genau ins Zentrum des Flügelaltars platziert und nicht etwa Christi Geburt. Mit entsprechendem Blick lässt sich auch in Fellinis Film I Vitelloni eine schwule Komponente entdecken, die alles andere als unwesentlich ist. Zu einer Gruppe geschwätziger Frauenhelden, die einen kleinen Badeort dominieren, zählt auch Moraldo, ein zurückhaltender junger Mann, der zunächst fast farblos erscheint. Unbeachtet streunt er nachts durch die toten Straßen der Kleinstadt und erlaubt sich nur auf einem Maskenball, wo er als Matrose auftritt, eine ungewöhnliche Geste: Er greift einem der Tänzer ins Gesicht und äußert sich begeistert über die schöne Nase. Aber schon der sehnsüchtige Blick, mit dem dieser Moraldo dem Zug nachschaut, in dem seine Schwester Sandra, geschwängert von Fausto, dem großmäuligsten der Vitelloni, auf Hochzeitreise geht, verrät, wie sehr Moraldo von einer anderen, offeneren Welt träumt. Nicht
zufällig führen ihn seine nächtlichen Wege immer wieder zum Bahnhof, Wege, auf denen er den noch jungenhaften Guido trifft, der zu seiner Frühschicht am Bahnhof eilt. Und sicher ist es kein Zufall, dass Moraldos Augen leuchten, wenn er Guido sieht. Im vordergründigen Getue der übrigen Vitelloni, sie alle leben noch bei Mama und verabscheuen Arbeit, gehen solche Einstellungen fast unter. Und erst am Ende des Films, wenn Fellini sichtbar gemacht hat, wie wenig seine Müßiggänger (so der deutsche Titel des Films) fähig oder willens sind, ihr Leben zu ändern, erzählt er in einer letzten langen Sequenz, wie Moraldo sich aus der vermieften Kleinstadt stiehlt, um mit dem Zug das Weite zu suchen. Nur von Guido bemerkt, der ihn verwundert fragt, ob er denn wirklich glaube, dass es woanders besser sei, sagt Moraldo: „Vielleicht nicht besser, aber anders!“ Weitmehr in den Blicken, die sie tauschen als in den Worten, die sie sagen, wird deutlich, was Moraldo für Guido empfindet. So richten sich denn Moraldos letzte Blicke, Close-ups, die mit Totalen des trostlosen Bahnhofs wechseln, auf Guido. Und nach Abfahrt des Zuges sieht man Guido unsicher auf einem Gleis balancierend, in seiner rechten Hand eine Bahnwärterlampe. Wie sehr Fellini diese letzte Sequenz als gewichtige Antithese zum Kleinbürgerelend versteht, lässt er mit simplen, doch eindrucksvollen Zwischenschnitten erkennen, die uns die Vitelloni schlafend in ihren Betten zeigen. – Nie wieder hat Fellini diese Nähe zum Neorealismus erreicht wie mit dieser Arbeit, die 1953 entstand. s
Liebe Vielleicht Angstvoll wird er wach, es ist drei Uhr nachmittags. In welcher Ecke Münchens der Junge aus der Bahn wohl wohnen mag? Er geht noch einmal unter die Dusche, betrachtet sich nachdenklich im Spiegel und überlegt, was er mit dem Rest des Tages machen soll. Der neue Roman des Autorenpaares Hans Stempel und Martin Ripkens webt um die Geschäfte und Cafés des Münchner Gärtnerplatzviertels ein Geflecht aus Stimmungen, Gelegenheiten, Blickfängen und Sommerhitze. Dreimal müssen der junge Boris und der doppelt so alte Robert sich zufällig treffen, bis sie es wagen, an Liebe zu denken. So leicht, wie die Menschen in diesem Roman durch die Stadt treiben, ist das auch geschrieben, vom notwendig dramatischen Ende einmal abgesehen. Eine klare, präzise Sprache erfasst die Momente, in denen alles möglich erscheint, und die dennoch so leicht zu verpassen sind. „Liebe Vielleicht“ ist ein Szene-Roman aus München und man fühlt sich beim Lesen, als säße man selbst dort, am Gärtnerplatz: Menschen wie Boris oder Robert flanierten an einem vorbei und man bräuchte ihnen nur eine gemeinsame Geschichte zu geben.
I Vitelloni
Liebe vielleicht
IT/FR 1953, 103 Min
Querverlag, www.querverlag.de
von Federico Fellini Arthaus, www.kinowelt.de/dvd
von Hans Stempel und Martin Ripkens
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gregor löcher
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„ein film muss dicht sein.“ von h a n no st e ch e r
Der junge deutsche Regisseur Gregor Buchkremer macht queeres Genrekino. SISSY sprach mit ihm über seine Filme „Kaltmiete“ und „Speed Dating“.
Kaltmiete | Speed Dating
von Gregor Buchkremer D 2007, 76 Min Edition Salzgeber, www.salzgeber.de
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s Der 29-jährige Gregor Buchkremer ist Absolvent der Kölner Hochschule für Medienkunst. Obwohl er in seiner Arbeit auf klassische Erzähltechniken sowie auf handwerkliche Präzision setzt und sich immer wieder neu an herkömmlichen Genregrenzen abarbeitet, zeichnen sich seine Filme durch einen ganz eigenen Duktus aus. Sie hadern stets mit den Konventionen des Kinos und hebeln diese bisweilen auch ganz aus. Zu Buchkremers wichtigsten Stilmitteln gehören dabei insbesondere sein für das deutsche Kino überraschend trockener und treffsicherer schwarzer Humor, sowie eine Schwäche für Elemente der Überzeichnung und Verfremdung, die immer wieder Assoziationen an alte Grusel- oder Trashklassiker hervorrufen. Wichtigstes Beispiel dieses Zusammenspiels aus Humor und Horror ist der Film Kaltmiete. Der 45-Minüter erzählt die Geschichte einer Studenten-WG, deren vier Bewohner sich einen zermürbenden Kleinkrieg liefern: Einer von ihnen bleibt für den Zuschauer bis zum Schluss ein Phantom – er hat sich seit Tagen in seinem Zimmer verschanzt, was eine eigenartige zwischenmenschliche Dynamik unter seinen Zimmernachbarn in Gang ruft. Nach und nach offenbart sich wie in einem Kammerspiel das komplizierte Beziehungsgeflecht innerhalb der WG. Es dauert nicht lange, bis die Nerven blank liegen und die
Geschichte in gleich mehreren persönlichen Tragödien endet. Auch in Speed Dating lauert das Grauen direkt unter der Oberfläche. Das Prinzip des Films ist schnell erzählt: Wer keinen Partner hat, stirbt. Die Suche nach Liebe wird für die Protagonisten des Films, egal ob homo oder hetero, zum Überlebenskampf. Der Kurzfilm kann so als Satire auf eine Gesellschaft verstanden werden, in der die monogame Zweierbeziehung nach wie vor idealisiert wird, während der große Teil der Individuen um sich selbst kreist und damit letztlich unfähig ist, eine Beziehung nach den selbst gestellten Vorgaben zu leben. Gemeinsam ist Buchkremers Debütfilmen, dass sie fast schon auffällig stark mit den Erwartungshaltungen und Sehgewohnheiten des Zuschauers spielen und diese notorisch unterlaufen. Und tatsächlich gehört die Möglichkeit, den Zuschauer zu führen und immer wieder auf eine falsche Fährte zu locken, für Gregor Buchkremer zu den reizvollsten Instrumenten des Mediums Film, wie er im Interview erzählt. Ebenso wie die filmische Reflektion des eigenen Umfeldes, die er mit viel Liebe zum Detail und zu seinen Figuren betreibt. Während der Vorbereitung zu seinem ersten Langfilm hat sich der Regisseur für SISSY Zeit genommen und ein paar Fragen beantwortet.
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sissy: Deine Filme spielen – ähnlich wie Seifenopern – fast alle in einem bestimmten sozialen Milieu. Es sind junge Menschen zwischen 20 und 30 und die meisten von ihnen scheinen Studenten oder Leute aus der Kreativwirtschaft zu sein. Was reizt Dich daran, deine Geschichten gerade in diesem Gesellschaftsbereich anzusiedeln? Gregor Buchkremer: Ich sehe mich auch selbst in so einem Milieu – meine Freunde und Bekannten sind alle dort zu finden. Mir liegt es nicht unbedingt, Geschichten zu schreiben, die zu weit von mir selbst entfernt sind, ich sehe mich lieber in meinem Umfeld um und beschäftige mich mit dem, was dort passiert. Das finde ich einfach spannender und ich fühle mich da sicherer. Ich kenne viele Leute im Filmbereich, die bewusst irgendwelche Themen bearbeiten, die weit weg von ihrem eigenen Leben sind, die sie vielleicht nur aus Zeitungsartikeln kennen. Ich glaube die Gefahr ist dann groß, dass man etwas falsch macht. Geht es bei diesem „vor der eigenen Tür kehren“ auch um den Gedanken, genauer hinschauen zu können? Mir kommt es manchmal so vor, als wolltest Du mit Deinen Filmen auch kleine Milieustudien liefern. Auf jeden Fall. Ich habe das Gefühl, dass ich mit meinen Drehbüchern und Filmen nicht nur dem Zuschauer, sondern auch mir selbst bestimmte Zusammenhänge erklären will. Ich versuche das, was mich beschäftigt, in eine Form zu packen, eine Ordnung herzustellen oder ein Muster zu entwickeln und dadurch einen neuen Blick darauf zu werfen. Und manchmal finde ich auf diesem Weg tatsächlich etwas ganz Neues über mich oder meine Umwelt heraus. Gleichzeitig wird von ‚anspruchsvollen‘ Filmen ja immer auch verlangt, dass sie über den Tellerrand blicken können, dass sie sich z.B. mit gesellschaftlichen Problemen oder mit den speziellen Problemen von sozialen Minderheiten auseinandersetzen. Ich will kein Betroffenheitskino machen für Leute, die ins Kino gehen und sich einen dramatischen Film über Drogen, Migration oder Vergewaltigung ansehen und dann denken, sie seien durch den Kinobesuch bessere Menschen geworden. Das liegt mir nicht. Es gibt da sicherlich viele tolle Filme in diesem Bereich, aber es gibt auch viele Filmemacher, die da auf Nummer sicher gehen und auf Teufel komm raus einen ‚Problemfilm‘ machen wollen. Natürlich will aber auch jeder, der Filme macht oder Drehbücher schreibt, der Welt seinen Blickwinkel aufdrängen. Trotzdem ist es mein Hauptanliegen, mit meinen Filmen zu unterhalten, Momente zu schaffen, wo ich als Regisseur dann einfach will, das der Zuschauer genau an dieser bestimmten Stelle lacht oder erschrickt. Das Timing ist mir da total wichtig. Ich denke, dass der Zuschauer viel mehr mitnimmt, wenn er sich unterhalten fühlt und sich nicht die ganze Zeit den Kopf zerbrechen muss. Mehr auf jeden Fall, als wenn er die ganze Zeit den erhobenen Zeigefinger auf der Leinwand sieht. War es für Dich als jemand, der an einer Medienkunsthochschule studiert hat, schwierig, sich mit diesem Anspruch durchzusetzen? Da hat man sich ja sicherlich etwas anderes unter Kunst vorgestellt als das, was Du in Deinen Filmen machst. Es war in beide Richtungen schwierig. Ich war ja in der Fächergruppe Medienkunst, wo es überhaupt nicht üblich ist, narrative Filme zu machen. Und auch meine Prüfer, u.a. Marcel Odenbach und Mattthias Müller, waren ja größtenteils Medienkünstler. Da war es dann schon so, dass ich das Narrative verteidigen musste. Auf der anderen Seite stachen die Filme auch im Fachbereich Film und Fernsehen heraus, weil es sich bei Speed Dating ja um eine Komödie bzw. um eine Satire und bei Kaltmiete um einen Thriller handelt. Alle anderen hatten Dramen, kurze Dramen, während ich Genrefilme gemacht habe. Das war da total exotisch, da war ich wirklich der Einzige. Ich hatte oft das Gefühl, dass ich mich auf beiden Seiten rechtfertigen muss, obwohl ich meine Filme persönlich nicht so außergewöhnlich finde, im Kino und Fernsehen laufen doch auch fast ausschließlich Genrefilme. Wobei Du ähnlich wie Alfred Hitchcock, der, wie ich weiß, zu Deinen Vorbildern gehört, ja auch bewusst mit Genres spielst. Neben den unter-
haltsamen Momenten gibt es auch noch viele andere Ebenen, die man vielleicht auf den ersten Blick nicht unbedingt bemerkt. Das stimmt schon. Da geht es aber auch wieder um einen bestimmten Anspruch, den ich an Unterhaltung habe. Wenn Hitchcock beispielsweise aus Psycho ein klassisches Drama über einen Mann mit einer gespaltenen Persönlichkeit gemacht hätte, das dieses Thema völlig ausreizt, wäre der Film sicher weniger hängen geblieben und wohl auch nicht so gut geworden. Er wirkt ja dadurch, dass die Schizophrenie eben zum großen Twist der Geschichte gehört. Trotzdem ist sie Teil des Films. Ich mag einfach die Technik auch, wie Film über Schnitt funktioniert, über Sound, über eingelöste oder nicht eingelöste Erwartungshaltungen der Zuschauer. So funktioniert Film für mich, das ist das schöne daran, dass man die Zuschauer dirigieren kann. Deine Filme sind auch sehr dicht. Es gibt wenige Flächen. Ist Dir das wichtig? Meiner Meinung nach muss ein Film total dicht sein und ein gewisses Tempo haben. Manchmal ist es ganz gut, wenn es Momente gibt, wo man etwas ruhen lässt und vielleicht nur ein einzelnes Bild zeigt. Aber das muss schon wirklich total durchkomponiert sein, man darf ja auch nicht vergessen, dass Film unheimlich teuer ist. Ich würde in einem Drehbuch nie auch nur einen Satz ausgesprochen haben wollen, den ich eigentlich überflüssig finde. Ich sehe meine Filme als Chance, ein kleines eineinhalbstündiges Universum zu eröffnen und würde die Protagonisten daher nie Füllwörter sagen lassen, nur weil man das im normalen Leben so macht. Ich achte darauf, dass auch in dieser kleinen Geste irgend etwas steckt, was wichtig ist, damit man nicht aussteigt beim Zusehen. Es gibt ja viele Filme, die in sich total unlogisch sind, wenn man länger darüber nachdenkt. Die haben dann aber oft so ein tolles Tempo, dass man gar keine Zeit hat darüber nachzudenken, was da gerade alles schief läuft, das ist dann gar nicht so wichtig. Das ist ja dann eigentlich eine sehr klassische Perspektive auf Film. Für Dich steht die Illusion im Vordergrund. Das ist ja auch der Grund, warum ich Lynch so gerne mag, weil ich denke, dass er die Leinwand eben für sich so richtig nutzt. Er nutzt sie um Dinge zu behaupten, egal ob das nun ‚realistisch‘ ist oder nicht. Ich mag das lieber als das bloße Abbilden, da liegen meine Stärken, denke ich. Das Thema Homosexualität spielt zwar immer eine Rolle in Deinen Filmen, ist aber immer verwoben in einen größeren Zusammenhang. Hast Du Dir schon einmal überlegt, einen schwulen Film zu machen, bei dem schwule Beziehungen im Vordergrund stehen? Das würde ich gerne. Ich glaube nur, dass ich das aus taktischen Gründen nicht als Debütfilm machen könnte. Ich habe ja gerade erst mein neues Drehbuch fertiggestellt. Das wird dann vielleicht mein zweiter oder dritter Film. Ich würde gerne eine schwule Komödie machen, darüber denke ich oft nach. Ein Film, in dem wirklich alles durch und durch schwul ist, der aber eben kein ‚Szenefilm‘ oder Coming Out-Film werden soll, mit rosa Filmplakat und nackten Oberkörpern von geilen Typen. Es soll kein Problemfilm werden, einfach eine ganz gewöhnliche Komödie. Warum ist es denn Deiner Meinung nach so schwierig, solch einen Film als Projekt durchzusetzen? Die ganzen Redakteure und Produzenten, die ganzen Hände, durch die so ein Buch geht, die sind genauso schwul wie der Rest von Deutschland, eben nur zu einem kleinen Prozentsatz. Die werden dann immer diesen Stempel ‚schwul‘ draufsetzen und dann auch immer nach den ‚Problemen‘ suchen oder das Drehbuch in diese Richtung ändern wollen. Das wird sich auch leider nicht einfach so ändern. s
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„mein therapeut ist anderer meinung.“ i n t e rv i ew: pau l sch u l z
Jamie Travis gilt mit 29 als der vielleicht talentierteste Filmemacher Kanadas und ist einer der meist ausgezeichneten Regisseure seines Landes. Dabei besteht sein gesamtes Œuvre aus fünf ziemlich schwulen Kurzfilmen, die jetzt auf einer DVD erschienen sind. Ein Gespräch über Hitchcock, Waschzwang und Sex unter Teenagern.
sissy: Ich habe gerade alle Filme gesehen, die du in den letzten sechs Jahren gemacht hast. Und zwar in weniger als zwei Stunden. Ist es nicht frustrierend, dass ich das schaffen kann? Jamie Travis: Überhaupt nicht. Es sind ja gute Filme, auch wenn sie kurz sind. Und sie passen auch stilistisch sehr gut zusammen. Hattest du denn Spaß beim Kucken? Ja. Aber ich würde gern wissen, wie autobiografisch die Filme sind. Das ist mir beim Machen selbst nicht bewusst gewesen, aber retrospektiv betrachtet sind alle meine Filme ziemlich autobiografisch. Jetzt mache ich mir Sorgen um dich. Das ist nett, aber unnötig. Wirklich? Alle deine Filme handeln von sehr unglücklichen Kindern oder psychisch gestörten Erwachsenen, oder beidem. Das ist wahr. Warst du ein glückliches Kind? Ich würde sagen ja. Mein Therapeut ist allerdings anderer Meinung. Könntest du das ausführen? Ich war ein Kind mit riesiger Vorstellungskraft, sehr theatralisch. Und damit auch relativ selbstzufrieden, weil ich in meiner Phantasie ja immer sein oder werden konnte was ich wollte. Ich habe als Knirps stundenlang am offenen Kamin gesessen und Tee getrunken. Das war nie langweilig, weil ich gespielt habe, dass ich eine echte Lady bin, die Tee trinkt. Der große weibliche Filmstar in mir konnte sich allerdings auch ab und zu melodramatisch die Treppe herunter werfen, was ich dann auch getan habe. Mochten dich deine Eltern? (lacht) Ja, sehr. Hattest du viele Freunde? Nicht wirklich, das war auch nicht notwendig. Als Teenager war ich nie jemand, der viel getrunken oder Drogen genommen hat. Im Gegenteil, ich war ein echter Streber und man traf mich Samstag Abend eher in der Bibliothek als in irgendwelchen Clubs. 26
Du hast die 90er also eigentlich komplett verpasst. Ich sehe das nicht so. Es war enorm wichtig für mich, sehr gute Noten zu bekommen. Eine 2+ war schon ein echtes Problem. Warum? Die Schule war meine Arbeit. Ich wollte Dingen auf den Grund gehen und sie so gut wie irgend möglich machen. Wo ist da die Grenze zur Obsession, perfekt sein zu wollen, in dem Wissen, nicht perfekt sein zu können? Natürlich ist genau das mein Problem. Aber ich arbeite daran, nicht mehr ein solcher Kontroll-Freak zu sein. Das ist schade. Denn letzten Endes leben doch deine Filme stilistisch wie inhaltlich genau davon, dass deine Figuren und du alles perfekt machen wollt. Ja. Aber das ist weder für meine Figuren noch für mich besonders schön, menschlich gesehen. Entschädigt der Erfolg nicht ein bisschen? Du hattest mit unter 30 deine erste Retrospektive im London Museum of Modern Art und giltst als einer der besten Filmemacher Kanadas. Jetzt stell dir mal vor, ich würde mir die ganze Mühe machen, jede Vorhangfalte in meinen Filmen kontrollieren, mir stundenlang den Kopf über Kleinigkeiten zermartern und hätte damit keinen Erfolg. Das wäre doch furchtbar! Ja. Du musst am Set ein echter Alptraum sein. Nein, bin ich nicht. Wenn ich drehe ist ja alles durchgeplant. Da fühle ich mich sicher. Du fungierst bei vielen deiner Filme gleichzeitig als Drehbuchautor, Produzent, Set-Designer und Regisseur. Um das Endergebnis möglichst genau unter Kontrolle zu haben, richtig? Ja, natürlich. Aber ich bemühe mich, mich selbst dabei genauso ironisch zu betrachten wie meine Figuren. Denn letzten Endes sind alle meine Filme ja auch Komödien. Schräge Komödien, aber Komödien. Wenn ich wie bei Patterns (Muster) einen Film mache, der auch davon
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Michael Kurliak als Chester in „Warum die Anderson-Kinder nicht zum Essen kamen“
handelt, wie jemand sich zwanghaft die Hände wäscht, dann mache ich mich dabei ja auch über mich selbst lustig. Ich bin also durchaus in der Lage, Distanz zu meinen eigenen Topoi aufzubauen. Wie sollte ich sie sonst auch künstlerisch verarbeiten. Dein Stil wird oft mit dem von Hitchcock und Kubrick verglichen. Deren Filme sind auch Widerspiegelungen ihrer psychischen Zustände. Ja, und sie sind beide sehr statische Filmemacher, die große Freude daran haben, ein Bild mit Bedeutungen aufzuladen und ihm mehr als eine Ebene zu geben. Das verstehe ich gut. Ich habe vor ein paar Wochen zum ersten Mal Marnie gesehen und konnte mich dabei nur sehr eingeschränkt auf die Handlung konzentrieren, weil ich so fasziniert davon war, wie Hitchcock in diesem Film mit Bildsprache umgeht. Sein Stil wird oft als kalt angesehen, weil die Bilder so durchkomponiert und kontrolliert sind. Aber das macht vieles in seinen Filmen erst möglich. Wie bei dir. Nur das deine Filme zwar unfassbar durchkomponiert, aber auch quietschbunt sind. Wie wichtig ist Farbe für dich? Sehr wichtig. Wie überhaupt das ganze Production Design unglaublich wichtig für mich ist. Es fällt mir sehr schwer, das aus der Hand zu geben. Aber bei meinem neuen Film, den ich gerade vorbereite, tue ich es. Die Lösung: Wenn es dir wichtig ist, dass die Vorhänge in einer Szene auf eine ganz bestimmte Art und Weise hängen, such dir jemanden, der sie genau so hängt. Auch Hitchcock, Kubrick oder Fassbinder haben immer wieder mit den selben Leuten gearbeitet. Wenn man etwas nicht selbst machen kann, muss man sich nur Leute suchen, die es genauso tun, wie man es selbst machen würde. Leute mit der gleichen Macke. Ja, sehr richtig. (lacht) Wie schwul sind deine Filme und Figuren? So schwul wie ich. Was die Bilder und Sets angeht also sehr. Ich weiß nicht, ob sich 100%ig heterosexuelle Männer diese Mühe überhaupt machen würden. Bei den Figuren kann ich dir das nicht klar beant-
worten. Das The saddest boy in the world bei schwulen Männern so gut an kommt, hat mich überrascht, aber auch hier werden mir viele Bezüge erst retrospektiv klar. Wahrscheinlich ist das ein schwules Kind, auch wenn es zu jung ist, um seine Entfremdung zu den anderen Kindern darauf zurückzuführen. Warst du so? Ja. Ich hatte seit ich 14 war Sex mit meinem besten Freund, aber wenn du mich an einen Lügendetektor angeschlossen hättest, hätte ich bis zu meinem Coming Out glaubhaft versichern können, heterosexuell zu sein. Mein Sex mit ihm hatte einfach nichts mit dem zu tun, was ich als „schwul“ kannte. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das zusammen gebracht habe. Ist es das, wobei dir deine Filme helfen? Wahrscheinlich. Ich benutze meine Filme selbst hauptsächlich dazu: wenn ich sie ansehe, verstehe ich besser, was in mir vorgeht. Und vielen im Publikum geht das wohl auch so. s
Der traurigste Junge der Welt Kurzfilme von Jamie Travis CA 2003–2006, 70 Min Edition Salzgeber, www.salzgeber.de
Wir bedanken uns bei unseren Partnern:
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frisch ausgepack t
Neu auf DVD von ja n k ü n em u n d
Good Boys IL 2005, Regie: Yair Hochner, Gmfilms
Dieser kompromisslose Spielfilm über zwei Stricher in Tel Aviv war die erste Regiearbeit von Yair Hochner, der ursprünglich nur das Drehbuch schreiben wollte. In 16 Tagen gedreht, ohne Geld und Unterstützung durch das israelische Filmsystem, auf der Grundlage freiwilliger Mitarbeit von Freunden, eroberte dieser Film die schwullesbischen Festivals und brachte es hierzulande sogar zu einem kleinen Kinostart. Hochners raue Tel Aviver Nachtstudie macht das, was man mit einer geringen Ausstattung machen kann: er bleibt dicht an der vorgefundenen Realität. Er begleitet die beiden Jungs durch 1 ½ Tage, in skurrilen und gefährlichen Situationen ihrer Arbeit und lässt dabei immer wieder Öffnungen zu einem ‚besseren Leben‘ aufscheinen: dass die Jungs Halt in ihrer Szene, dass zwei Stricher vielleicht miteinander die Liebe finden. Doch Good Boys ist realistisch genug, um keine einfache Abfahrt zu nehmen. Sein eigentliches Thema findet der Film im Aufspüren einer Würde, die oft genug ohne Selbstbestimmung hergestellt wird. Nicht nur darin gelingt die Verbeugung vor Godards Vivre sa vie, den Hochner für den besten Film hält, der jemals über die Prostitution gemacht wurde.
Antartica IL 2008, Regie: Yair Hochner, Pro-Fun Media
Zeitgleich zu seinem Debüt Good Boys ist jetzt auch Yair Hochners zweiter Film in Deutschland auf DVD erschienen. Der israelische Regisseur ist mittlerweile ein angesehener Filmkritiker und hat 2006 das TLVFest (Tel Aviv Int. LGBT Film Festival) mitgegründet, dessen künstlerischer Leiter er ist. Anders als sein radikales Debüt versteht sich Antartica als leichter urbaner Flirt-Reigen einiger attraktiver 20- und 30somethings in der hippen Homoszene Tel Avivs, die sich nicht mit den 28
düsteren Seiten der Stadt auseinander setzen müssen. Doch liegen auch hier die Dramen und Untiefen der Figuren nicht allzu tief unter der Oberfläche – denn so verstrickt und verknotet sich die Szene hier auch darstellt, gerät der oder die Einzelne doch immer in die Gefahr, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Im Erzählgeflecht des Films weiß man bis zum Ende nicht, wer denn nun zu wem finden wird – und ob jemand gar auf der Strecke bleibt. Und es gelingt Hochner dabei, die schönen Singles hinreichend komplex zu zeichnen, so dass zum genussvollen Anschauen auch das Mitfühlen hinzukommt.
otto; or, up with dead people D/CA 2008, Regie: Bruce LaBruce, Gmfilms
„Otto; Or, Up With Dead People ist ein schwuler Zombiefilm. Keine reine Parodie, sondern auch die vielleicht logischste Fortführung des Genres seit langer Zeit. Die Geschichte um Otto, einen jungen Zombie, der sich in einem unwirklich inszenierten Berlin auf die Suche nach seiner Todesursache begibt und dabei fast von der kulturellen Interpretationsmaschine geschluckt wird, ist ein wahres Heldenepos. Das Publikum dringt in Welten vor, die ganz vertraut aber doch unwirklich erscheinen, und kann nie sicher sein, ob es den Film falsch versteht oder ob man Otto… überhaupt richtig verstehen kann. Und ob es nicht vielleicht einzig und allein um das shock-value der Bilder geht, wenn LaBruce seinen essgestört dürren, aber ätherisch schönen Hauptdarsteller an scheinbar echten Hasenleichen herumnagen lässt oder Untote sich in erst durch Verwesung entstandene Körperöffnungen hinein begatten. So sieht heldenhafte Konsequenz aus: für Durchschnittsaugen eben immer auch ein bisschen nach Lizzie Borderline.“ (Paul Schulz in der SISSY 01/09)
der traurigste junge der welt. kurzfilme von jamie travis CA 2003–06, Regie: Jamie Travis, Edition Salzgeber
Das (wir hoffen: vorläufige) Gesamtwerk des jungen kanadischen Filmemachers Jamie Travis ist ein Katalog aus hysterischen Innen-
einrichtungen, traurigen Kindern und allen Arten von Mustern (von Tapeten und von filmischen Erzählweisen). In Anlehnung an die Bezeichnung für Filmemacher wie Wes Anderson, Alexander Payne oder Todd Solondz darf man Jamie Travis den ersten der „Canadian Eccentrics“ nennen. Mehr dazu auf Seite 26.
coming of age, vol. 1 USA/GB/FR 1994–2004, Regie: Raoul O’Connell, W.I.Z., Armand Lameloise, CMV Laservision
„Coming of Age“ ist der unscharfe Begriff für einen Zwischenzustand. Der aber schon impliziert, dass am Ende der vollwertige Erwachsene steht, der über sich Klarheit gewonnen hat und diese nach außen auch vermitteln kann. Jede Lesbe und jeder Schwule wird zwangsläufig das Coming Out damit verbinden und für diesen gedanklichen Kurzschluss ist der Klassiker A Friend of Dorothy von 1994 ein schönes und sehr charmantes Beispiel. Hier fängt ein junger Mann, seinen Eltern entronnen, an zu leben. Zwar mit der Hilfe von Barbara Streisand, aber das ist spätestens dann nicht mehr so wichtig, als er einen hübschen JudyGarland-Fan trifft. Wie man aber für einen erotischen Schwebezustand Bilder findet, zeigt die Kurzfilmentdeckung Baby des Music-Clip (u.a. für Oasis und Massive Attack)-Regisseurs W.I.Z. Der schickt seine Figur „Little Joe“ mit den grünen Augen von Ben Whishaw durch eine Welt aus erotischen Impulsen, aus Schwänzen und Stöckelschuhen, Schwimmbädern und Zeitschriftenauslagen. Hier ist nichts festgelegt und nichts funktional, hier reift niemand und gibt niemand Bekenntnisse ab. Es sind ‚einfach‘ nur 12 Minuten Erregung eines 15-Jährigen.
junge helden USA/CA/F/DK 2002–2008., Edition Salzgeber
Ein Sechsjähriger, ordentlich frisiert und im feinen Anzug, tritt vor der versammelten Familie an ein Mikrophon und verkündet: „I am a homosexual!“ Der stürmische Beifall, den er damit erntet, spottet jeglicher Erfahrung und
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machte aus Celebration einen Kurzfilmklassiker. Was Jungs wagen, wenn sie die ersten Schritte zur Veröffentlichung ihres AndersSeins machen, erzählen die anderen Filme dieser Kompilation in vielen Varianten. Schön sind vor allem die Filme, die dicht an einer jugendlichen Wahrnehmung bleiben – Lloyd Neck zum Beispiel, der über die Frage der sexuellen Orientierung hinaus von Freundschaft und familiären Allianzen erzählt, ohne dass ein Aspekt dabei die Oberhand gewinnt; oder Candy Boy von Pascal-Alex Vincent, der souverän die Möglichkeiten der Animation einsetzt, um das zu erzählen, was über eine realistische Wahrnehmung hinausgeht.
gay fun shorts D/USA/CA/F/FI/IS/UK/AUS 2003–08, Edition Salzgeber
werden Kurzfilme gemacht). Die Beiträge sind grundverschieden in Stil, Ton und filmischem Zugang. Glioblastom erzählt frei heraus seine absurde Familiengeschichte mit skurrilem Humor und Mut zum Nonsense. 510 Meter über dem Meer dagegen trifft genau und konzentriert die Stimmung einer Nacht des Wartens, zwischen Schlafen und Wachen, Müdigkeit und Sehnsucht – ein Film, der selbst irgendwann zu schweben beginnt. Originell auch Antje & Wir, in dem lauter gutaussehende junge Menschen von ihrer erotischen Erfahrung mit ein und derselben Frau erzählen, die aber im Film selbst gar nicht auftaucht. Der Film, den man hier nicht sieht, geht in leuchtenden Farben im eigenen Kopf los.
die christliche Jordanierin palestinensischer Herkunft Tala auf die muslimische Inderin Leyla trifft. Das lesbische Coming Out ist in beiden Fällen kompliziert, von einer gemeinsamen Beziehung ganz zu schweigen. Sarif vertraut in diesem Gewirr an kulturellen und emotionalen Voraussetzungen auf ein kluges Drehbuch, das all diese Fäden und Kontexte miteinander zu verknüpfen weiß und profitiert reichlich von der Schönheit ihrer beiden Hauptdarstellerinnen Lisa Rey und Sheetal Sheth, die sich einen Spaß daraus machen, ihre Rollen aus Die verborgene Welt im neuen Film zu tauschen. Visuell deutet hier nichts auf ein kleines Budget hin – auch die Songauswahl geht in die Vollen, Katy Perry’s „I kissed a girl“ inklusive.
die verborgene welt
mit geschlossenen augen – TRAGE LIEFDE
ZA/UK 2007, Regie: Shamim Sarif, Pro-Fun Media
Dass Schwule über sich selbst lachen können, ist bekannt. Man hat Übung im Einfühlen in die ‚andere‘ Perspektive und lernt fast zwangsläufig, sich selbst zu beobachten. Ein Versuch über schwulen Humor in 11 Filmen ist allerdings gewagt, reicht doch da die Spannbreite von Ralf König bis Noel Coward. Also reicht auch hier das Spektrum von Filmen mit witziger Pointe (Love Bite, 41 Sekunden), Filmen mit witziger Ausgangssituation (Gay Zombie), über Tragikkomisches (Wrestling, Der Steingarten), Hysterisches (Die Bedröhnten und die Getönten, Meins!), bis zu äußerst Kompliziertem (Ein Harter Schlag, 2 Minuten nach Mitternacht) – und dann gibt es noch zwei wirkliche Perlen, die so gar keine Erwartungen bedienen: Tango Finlandia lässt zwei Bilderbuch-Männer beim Tanzen schwach werden, Karaoke Show dagegen ist ein mehrfach-mutiger Selbstversuch: nackt sein und Moonwalk tanzen, so dass es gut aussieht. Das klappt niemals im Leben, aber im Film gibt’s Special Effects. Von einer Kurzfilmsammlung zum Thema „Männer, die tanzen“ könnte man sich ziemlich viel erwarten.
Die Autorin und Filmemacherin Shamim Sarif bereichert das Queer Cinema gerade durch multimediale und multikulturelle lesbische Geschichten. Die Tochter südasiatischer Eltern, in Südafrika aufgewachsen, heute in London lebend, ist dazu übergegangen, ihre eigenen preisgekrönten Romane zu verfilmen. Die verborgene Welt ist ihr Debüt und macht es sich nicht leicht: Es erzählt in einem entfernten historischen Setting (Südafrika in den 1950ern, zu Beginn der ApartheidPolitik) ein sehr spezifisches Kulturthema (die Situation von Indern in einem in Schwarz und Weiß getrennten Land). Darin allerdings entwickelt sich die universelle Liebesgeschichte zweier sehr unterschiedlicher Frauen als zarte Romanze kleiner, versteckter Gesten, gegen die die Umwelt in Gestalt von prügelnden Ehemännern, sadistischen Polizisten und böswilliger Nachbarinnen hartes Geschütz auffährt. „I wish I’d knew how it feels to be free“ singt Nina Simone gleich zu Beginn. Diese Blues-Variation von Grüne Tomaten nimmt sich dennoch das Recht zum Happy-End heraus.
freundinnen
i can’t think straight
D/CH 2007–2008, Edition Salzgeber
UK 2007, Regie: Shamim Sarif, Pro-Fun Media
Eine Kurzfilmsammlung zum Thema lesbische Liebe aus rein deutschsprachigen Arbeiten, verschafft einen guten Überblick über den Stand des geografisch nahen Filmhochschul- Out puts (denn vor allem dort
NL 2007, Regie: Boudewijn Koole, Edition Salzgeber
Auch ihren neuen Film I can’t think straight drehte Shamim Sarif nach ihrem eigenen Roman. Diesmal spielt die Liebesgeschichte zweier Frauen allerdings in einer urbanen Gegenwart, im multikulturellen London, wo
Ein junger Mann findet seinen schwulen Vater, der gar nichts von ihm weiß, und geht eine riskante Beziehung zu ihm ein. Ein mutiges und radikales Drama, von mehreren schmerzvollen Versionen von Gershwin’s „Summertime“ unterlegt. „Boudewijn Koole erzählt seine Geschichte eher bruchstückhaft und deutet vieles nur an. So bleibt Raum für die Fantasie des Zuschauers, der andererseits womöglich auf falsche Fährten gelockt und dazu gebracht wird, Verbindungen herzustellen, die es gar nicht gibt, und sich Falsches zusammenzureimen.“ (Jan Gympel in der SISSY 1/09)
autopsy F 2007, Regie: Jérôme Anger, Edition Salzgeber
Ein harter Cop, der in seinem Revier klar kommt, vielleicht etwas jähzornig, aber so kennt man das aus Krimis. Eine Familie steht im Hintergrund, eine Frau und ein pubertierender Sohn – doch der Vater ist ein einsamer Wolf, der die Dinge auf eigene Faust regelt. Wie einsam er ist, merkt er, als sein Männlichkeitskonzept ins Wanken gerät – er muss einen Serienkiller stellen, der es auf alte Schwule abgesehen hat, und er verliebt sich aus heiterem Himmel in einen Mann, der kaum weniger ‚männlich’ ist als er selbst. Stéphane Freiss spielt das großartig: einen Mann, der die Konfrontation sucht und deshalb auch nicht lange fackelt, wenn es darum geht, sein bisheriges Leben aufzugeben. 29
frisch ausgepack t
Jérôme Angers Versuch, Coming Out-Drama und Polizeithriller zu verbinden, ist originell und fesselnd erzählt.
schige Happy-End ist kein Drehbuch-Trick – es wundert sich über Probleme, die eigentlich gar keine waren.
Hochzeit in üppigster Pracht und ironiefreiem Pathos sein. Und das schöne Titelbild zur Homo-Ehe wird auch noch gefunden.
shelter
phoenix
out at the wedding
USA 2007, Regie: Jonah Markowitz, Pro-Fun Media
USA 2006, Regie: Michael D. Akers, CMV Laservision
USA 2007, Regie: Lee Friedlander, Pro-Fun Media
Der junge Zach hat wenig Gelegenheiten, ein ‚Teenager‘ zu sein – er muss seine Familie unterstützen und sich um seinen kleinen Neffen kümmern. Schwierige Voraussetzungen für ein Coming Out. „Wie sich schließlich alles für alle Beteiligten trefflich fügt, mag man als große Gunst des Schicksals betrachten – oder auch als unbedingten Willen des Drehbuchautors Jonah Markowitz zu einem umfassenden Happy End. Doch darüber sieht man gern hinweg, nicht nur wegen der – zumal in den von Kulturkämpfen geschüttelten USA – ausgesprochen politischen Botschaft, der zufolge Familie und ein ideales Umfeld für Kinder nicht unbedingt aus Mama und Papa zu bestehen brauchen. Auch erzählt Markowitz in seinem Spielfilmregieerstling seine Geschichte von einem Coming Out, generellem Selbstfinden und Erwachsenwerden, Aufopferung und Verantwortung einfühlsam und mit einer schönen Balance aus Zurückhaltung und Direktheit.“ (Jan Gympel in der SISSY 1/09)
Es wird viel geweint in diesem Film. Über Beziehungen, die einfach nicht funktionieren. Über falsch investierte Gefühle. Über Verletzungen, die riskiert und erlitten werden. Zwei Männer stellen fest, dass sie Partner und Geliebter des selben Mannes gewesen sind. Sie können ihn nicht zur Rechenschaft ziehen, da er sich aus dem Staub gemacht hat, also haben sie nur einander. Mit dem Mut der Verzweiflung werden Schlussstriche gezogen und Neuanfänge gewagt, bis sie begreifen, dass sie erst mal verarbeiten müssen, was ihnen passiert ist. Michael Akers hat wieder einen Low-Budget-Spielfilm gedreht, der mit großer Ernsthaftigkeit das Gefühlsleben seiner beziehungssehnsüchtigen Protagonisten erkundet, zwischen jugendlicher Naivität und reifem Zynismus. Dafür kann man sich schon mal 86 Minuten Zeit nehmen.
Chaos and the City – in dieser ScrewballComedy um Geschlechterverwirrung und variable sexuelle Orientierungen ist nichts, wie es auf den ‚normalen’ Blick scheint. „Die zwangsläufig folgenden Verwicklungen stellen alle vor große Herausforderungen, und ausgerechnet während ihres ersten ‚Ausflugs‘ als Lesbe läuft Lexie ihrem zukünftigen Schwiegervater in die Arme. Katastrophe! Da hilft nur eins: das Spiel mit noch größerem Einsatz weiterspielen… Geistreich, selbstironisch, turbulent, scharf beobachtend und herrlich schräg spielt Out at the Wedding mit Klischees und entlarvt genau diese äußerst charmant. Bevor der Film auf sein fulminantes Ende und einen großartigen Showdown zusteuert, müssen noch einige Klippen umschifft und harte Schläge eingesteckt werden, bis am Ende alle etwas Elementares dazu gelernt haben und jede das bekommt, was sie immer schon wollte, auch wenn das nicht vorhersehbar war.“ (Sharon Adler in SISSY 1/09)
gegen die schwerkraft (Defying Gravity) USA 1997, Regie: John Keitel, Edition Salzgeber
Solange ‚sexuelle Orientierungen’ ein Thema sind, wird es Coming Out-Filme geben. Auch Gegen die Schwerkraft gehört dazu – die sexuelle Identitätsfindung eines jungen Mannes ist sein zentrales Thema. Trotzdem ist dieser kleine Film eine Entdeckung. Berührend ist die Ernsthaftigkeit, mit der Keitel in der sonnigen südkalifornischen College-Welt aus lärmenden Buddies und kichernden Mädchen das Drama ausmacht, den naiven, bei allen beliebten Sonnyboy, der glaubt, diese Rolle ewig weiterspielen zu können, so lange er seine Gefühle nur heimlich auslebt. Den Ehrlichkeit einfordernden Freund kann er so lange ignorieren, bis dieser Opfer eines Unfalls wird und dadurch als Sparringspartner für die Selbstfindung ausfällt. Erst auf sich allein gestellt, gelingt sie schließlich und der Freund wird aus dem Koma wachgeküsst. Dieses wunderschön kit30
kiss the bride USA 2007, Regie: C. Jay Cox, Pro-Fun Media
Hochzeit als Thema und Variation. Schon an der schwulen wird kein gutes Haar gelassen, gelingt es Lifestyle-Magazin-Redakteur Matt doch kaum, Models für einen Titel über die Homo-Ehe zu finden. Die heterosexuelle Ehe allerdings, noch dazu die seines besten Freundes, in den er immer noch verliebt ist, ist für ihn eine persönliche Katastrophe. Und ihre Verhinderung seine Mission. Zurück in der Provinz, die vielen abschreckenden Beispiele dauerbetrunkener Hetero-Ehepaare vor Augen, kommt er erneut seinem Traummann nahe, doch eine ‚Bekehrung‘ sieht anders aus. Klarheit schafft die Ehefrau in spe, die die beiden Männer noch mal aufeinander loslässt, um potentielle Lebenslügen zu verhindern. So scharf die Dialoge auch sind, so böse der Blick auf die Heuchelei der rechtschaffenen Landeier, so ironisch das Gerede von den „guten und den schlechten Zeiten“: am Ende machen alle auf unkonventionelle Art ihren Frieden mit der gesellschaftlichen Institution und der Höhepunkt dieses Films darf doch wieder eine
poster boy USA 2004, Regie: Zak Tucker, Pro-Fun Media
Eigentlich sollte dieser Film zur US-Präsidentschaftswahl 2004 erscheinen und damit zur Wahlhilfe für den demokratischen Kandidaten John Kerry werden. Doch die Produktion bekam kalte Füße, die Regisseure wechselten, der A-Cast wurde durch unbekannte Schauspieler ersetzt und der Film kam fern jeglicher Wahlkämpfe 2006 in die US-Kinos. Was nichts aussagt darüber, wie interessant dieser Low-Budget-Independent-Film ist. Die einfache Geschichte (es stellt sich heraus, dass der Sohn eines republikanischen Senators schwul ist und daher kaum noch zur Unterstützung des homophoben Wahlkampfs seines Vaters taugt) füllt Regisseur Zak Tucker durch viele interessante Nebenschauplätze und einen bösen Humor auf, so dass daraus am Ende das Drama eines permanent manipulierten Menschen wird, der keine Chance hat, ein eigenes Leben zu leben. Das Drehbuch riskiert viel
frisch ausgepack t
| E I S E N H E R Z | Lietzenburger Straße 9a, 10789 Berlin, Telefon: 030 - 313 99 36, e-mail: prinz-eisenherz@t-online.de
| M A N N E R S C H W A R M | Lange Reihe 102, 20099 Hamburg, dabei, ohne sein Potential dabei zu verschenken und die Kameraarbeit ist alles andere als TV-Standard. Ein fiebrig nervöser Trip durch die Untiefen politischen Handels, das nicht davor zurückschreckt, in die Sexualität von Menschen einzugreifen.
Telefon: 040 - 43 60 93, e-mail: laden@maennerschwarm.de,
| E R L K O E N I G | Nesenbachstraße 52, 70178 Stuttgart, Telefon: 0711 - 63 91 39, e-mail: info@buchladen-erlkoenig.de
| M A X & M I L I A N | Ick statt straße 2, 80469 München, Telefon: 089 - 260 33 20, e-mail: maxundmilian@t-online.de
KATMIETE | SPEED DATING. D 2007, Regie: Gregor Buchkremer, Edition Salzgeber
Deutsche Filmemacher versuchen es ja immer wieder mit den klassischen Genres: Thriller, Science-Fiction, Horror. Wenn man die ersten Filme des noch jungen Gregor Buchkremer gesehen hat, hat man Grund zur Hoffnung, dass es auch mal jemand kann. Mehr über Buchkremers queeren Zugang zu klassischen Erzählformen auf Seite 24.
de Meine Filme fin ter n u t e n r e t n I m i ich
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boystown (Chuecatown) ES 2007, Regie: Juan Flahn, Pro-Fun Media
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ck grafik design – © fotolia.com
Schwule Gentrifizierung. Madrids ehemaliger Rotlichtbezirk Chueca, von den Schwulen und Lesben mit viel Liebe und Kreativität wieder lebenswert gemacht, soll saniert und in ein bürgerliches Wohngebiet umgebaut werden – in ein schwullesbisches, versteht sich. Was da allerdings noch stört, sind die alten Bewohner, demographisch korrekt: die Omas, die einfach nicht weichen wollen. In Juan Flahns drastischer Komödie werden sie deshalb von einem skrupellosen (heterosexuellen) Immobilienhai ermordet – soweit die hübsche Spielfilmidee. Doch wie man es von vielen spanischen Komödien kennt, läuft’s im Drehbuch nicht ganz so geschmiert. Hysterisches Geplapper, skurrile Nebenfiguren, absurde Konflikte, überraschende Filmfiguren-Tode, dramatisches Minenspiel stürzen so geballt auf den Zuschauer ein, dass er vorsichtshalber zwei Bier trinken sollte, um der Handlung durch Reduktion von Komplexität folgen zu können. Als witzige Hauptfiguren fungiert ein nicht allzu helles Bärenpaar, das ganz sicher nicht zur angestrebten Zielgruppe des Immobilienmaklers zählt. Ihrer hundsgemeinen (Schwieger-) Mutter wünscht man allerdings bald das für sie bestimmte Gentrifizierungs-Schicksal.
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walang kawala – ohne ausweg PH 2008, Regie: Joel Lamangan, CMV Laservision
Die Philippinen haben eine lange Filmtradition. Seit der Einführung der digitalen Videoproduktion hat sich die Filmszene dort bis zur Unübersichtlichkeit ausdifferenziert. Walang Kawala ist ein neues Beispiel für eine Reihe von queeren Filmen in Tagalog, von denen The Blossoming of Maximo Oliveiros (2005) und Der Masseur – Masahista (2005) die bekanntesten sein dürften. Oft wird eine ähnliche Geschichte erzählt – junge Männer müssen aus unterschiedlichen Gründen ihr Heimatdorf verlassen und stranden in Manila, wo sie oft genug keine andere Möglichkeit haben als ihren Körper zu Geld zu machen. Auch Walang Kawala erzählt so eine Geschichte, erweitert ihre Themen aber auch. Ausgangspunkt hier ist eine schwule Lovestory auf dem Land, die angesichts der traditionellen Sozialkontrolle ihr vorhersehbares Ende findet. Im ‚Manila-Teil‘ geht es nicht nur um Prostitution, Gay Bars und Macho Dancing, sondern auch um Menschenhandel. Daraus entsteht ein grandioses Drama großer Gesten, in dem das Schicksal den beiden Liebenden Joaquin und Waldo keine Chance lässt. Eine radikale Verbindung von antiker Tragödie und Telenovela, durch die immer die genau erfasste soziale Realität durchscheint.
solos SG 2007, Regie: Kan Lume, Loo Zihan, Gmfilms
In ihren Texten zum Film sprechen die beiden jungen Regisseure Kan Lume und Loo Zihan von einer Lehrer-Schüler-Beziehung, von Sehnsüchten und Träumen der Figuren, von Problemen… Zu sehen ist das alles nicht in ihrem Film Solos. Man sieht drei Menschen (Boy, Man und Mother), die nicht miteinander sprechen, weswegen es auch im Film keinen Dialog gibt. Und in einem anderen, puristischerem Verständnis von Sehen sieht man viel mehr in diesem Film. Eine Beziehung, einen älteren und einen jüngeren Mann. Sie schlafen miteinander, sie fahren Auto, sie packen einen Koffer. Wie sie diese Dinge tun, von einer unbewegten Kamera in Schwarzweiß aufgezeichnet, erzählt mehr als das, was sie tun. Von einer Beziehung, die am Ende ist, von kleinen Gemeinheiten und kleinen Liebesbeweisen, von Angst und Einsamkeit. Immer wieder, 32
überfallartig, werden farbige Sequenzen hineingeschnitten, Bilderexzesse, kleine Explosionen, die die Wucht der Gefühle andeuten, die in den kleinen Alltagsgesten verborgen sind. Das ist ein freies, rein visuelles Kino, das sich nicht den restriktiven Strukturen des Produktionslandes anbiedert, sondern ein künstlerisches Signal setzt, das weiter geht als jegliches abgesichertes Reden darüber (wie das von Ian McKellen im Bonusmaterial). Solos läuft natürlich nicht in den Kinos in Singapur. (Auch nicht in den deutschen.) Aber er erweitert die Möglichkeiten des Films.
Impressum Herausgeber Björn Koll Verlag Salzgeber & Co. Medien GmbH Mehringdamm 33 · 10961 Berlin Telefon 030 / 285 290 90 Telefax 030 / 285 290 99 Redaktion
Jan Künemund, presse@salzgeber.de
THE FRUIT MACHINE – Rendezvous mit einem Killer
Art Director
Johann Peter Werth, werth@salzgeber.de
UK 1988, Regie: Philip Saville, Pro-Fun Media
Autoren
Lektorat Anzeigen
Martin Büsser, Stefan Jung, Jan Künemund, Christoph Meyring, Diana Näcke, Tobias Rauscher, Martin Ripkens, Ringo Rösener, Paul Schulz, Hanno Stecher, Hans Stempel, Jamie Travis, André Wendler Rut Ferner Jan Nurja, nurja@salzgeber.de
Druck
Westermann, Braunschweig
Was für eine Wiederentdeckung! Diesen Film Ende der 1980er zu sehen, war ein herzergreifendes Vergnügen. Ihn heute zu sehen, ist ein Erinnern und Vermissen. Ein Vermissen von Filmen dieser Art, in denen der Härte und Traurigkeit der Realität eine ganz naive Flucht in die Phantasie und die selbst erschaffenen Welten entgegengesetzt wurde. Zwei Teenager hauen aus ihren homophoben Familien und Heimen ab, aber sie haben dabei Marilyn im Ohr: „Runnin’ wild!“. Obwohl sie so unterschiedlich sind, der eine völlig aufgehend in seinem WONDERLAND (so eine Neonschrift am Anfang) der Realitätsflucht und der andere ein Straßenkind, der das Leben und seine Grausamkeiten kennt und sich darin eingerichtet hat, spielen sie hier doch eine der schönsten Fast-Liebesgeschichten der schwulen Filmgeschichte. Gejagt von einem Killer, beschützt von einem ‚Delfin-Mann‘, eingebettet in eine Synthieoper von Hans Zimmer und angefeuert von Robbie Coltrane in Frauenkleidern, treiben die beiden durch ein kaltes England und opfern sich schließlich für einander und für die Phantasie eines besseren Lebens auf. Der Film des Schauspielers und Regisseurs Philip Saville ist pures Kino: im Zeigen und anschließenden Verzaubern der Realität und im unbedingten Bekenntnis zur Kraft der Poesie. Wenn am Ende ein Delfin befreit wird, mag man das kitschig finden. Doch dass sich damit der Wonderland-Junge aus der realen Welt und damit von seinem street-weisen Freund verabschiedet, trifft den mit-träumenden Kinozuschauer hart, auch 2009 noch.
Digitale oder analoge Vervielfältigung, Speicherung, Weiterverarbeitung oder Nutzung sowohl der Texte als auch der Bilder bedürfen einer schriftlichen Genehmigung des Herausgebers. Verteilung deutschlandweit in den schwul-lesbischen Buchläden, in den CinemaxX-Kinos in Augsburg, Berlin, Bielefeld, Bremen, Dresden, Essen, Freiburg, Hamburg-Wandsbek, Hannover, Kiel, Magdeburg, München, Offenbach, Oldenburg, Regensburg, Stuttgart, Wuppertal, Würzburg und weiteren ausgewählten Orten. Haftung Für die gelisteten Termine und Preise können wir keine Garantie geben. Alle Angaben entsprechen dem Stand des Drucklegungstages. Bildnachweise Die Bildrechte liegen bei den jeweiligen Anbietern. Rechte
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rubrik
„Wir sind keine Cineasten.“ von St e fa n J u ng
privat (3)
Mit Pasolini und Salzgeber gegen den Mainstream: Vor 20 Jahren entdeckten die Münsteraner Kinomacher Thomas Behm und Jens Schneiderheinze ihre Liebe zum Film.
Thomas Behm, Monika Treut und Jens Schneiderheinze
s Im April 1989 starteten Thomas Behm und Jens Schneiderheinze ihre erste schwule Filmreihe in Münster. Für den Drogisten aus Bremen und den Spiel- und Theaterpädagogen aus Mülheim an der Ruhr, zu diesem Zeitpunkt bereits seit fünf Jahren ein Paar, markierte dies den Einstieg ins Kinogeschäft. Heute sind die beiden 46-Jährigen Geschäftsführer des Programmkinos Cinema in der Westfalenmetropole, das für seine Programme immer wieder ausgezeichnet wird und nach wie vor viel Wert auf queeres Filmgut legt. Die erste schwule Filmreihe von Behm und Schneiderheinze präsentierte in einem friedensbewegten Weiterbildungsinstitut 16-Millimeter-Filme wie Ein Mann namens Herbstblume und Wie man sein Leben lebt. 1990 konnten die beiden Kinofans ins soziokulturelle Zentrum Cuba umziehen, wo sie mit einer professionellen 35-MillimeterAnlage und vier Tagen Betrieb pro Woche zum ernst zu nehmenden Off-Kino avancierten. Das Spektrum erweiterten sie rasch um lesbische Filme und andere, die in Münster kein Forum fanden. Ein Highlight der Cuba-Epoche war die Reihe „20 Jahre Schwulenbewegung im Film“ (1993). In dieser Phase entstand die Freundschaft mit Manfred Salzgeber, dessen Credo „Mit Kino kann man die Welt verändern“ die beiden Kinomacher stark beeindruckte und in schwierigen Zeiten zum Weitermachen motivierte. „Bis heute hängt ein Salzgeber-Foto im Cinema-Büro“, berichtet Behm. 1997 erreichte die Professionalisierung der beiden Münsteraner mit der Übernahme des Programmkinos Cinema seinen Höhepunkt. Als Geschäftsführer der Cinema Filmtheater GmbH eigneten sich die Kino-Quereinsteiger gewohnt engagiert alle dafür nötigen Kenntnisse an. 1998 bauten Behm und Schneiderheinze das Kinofoyer um und schufen mit dem „Café Garbo“ einen gastronomischen Treffpunkt für Kinofans, Nachbarschaft, Gay- und Alternativszene. Und 2005, kurz nach einer Beinahe-Insolvenz, renovierten sie die drei Kinosäle (158, 58 und 52 Plätze) und verhalfen
ihnen so zu mehr Besuchern. Die finanziell oft schwierige Lage des Kinos entschärfen die Betreiber durch die Einnahmen des Cafés. Ähnliches leisten auch das originelle Zwei-Säulen-Modell – neben der GmbH existiert der Verein „Die Linse“ (ursprünglich „Rosa Linse“), der städtische Zuschüsse und Mitgliedsbeiträge einfährt – sowie die Prämien, mit denen Land, Bund und Europa das ambitionierte Programm der Münsteraner jährlich honorieren. Neben dem aktuellen Repertoire bietet das Cinema stets umfangreiche Reihen und Werkschauen, die zum Teil in Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen entstehen. Die Palette reicht vom Dokumentarfilm- und ZiviFilmFest über Filmreihen wie „StummFilm in der Stadt“ und „Psycho – Film und Analyse“ bis hin zu Werkschauen über Pedro Almodóvar und Gus Van Sant. Fester Bestandteil des Cinema-Spielplans sind seit jeher die Queerfilme. Aktuelle Streifen wie Brokeback Mountain, Mein Freund aus Faro und Ghosted laufen soweit möglich im regulären Programm. Das Filmfestival Queerstreifen, das jährlich über vier Tage hinweg im Herbst stattfindet, dieses Jahr bereits zum elften Mal, präsentiert schwule, lesbische und Transgender-Produktionen aus aller Welt erstmals in Münster. Ebenfalls zur festen Institution avanciert ist der Queer Monday mit aktuellen schwullesbischen Filmen. In 20 Jahren Kinoarbeit haben sich für Behm und Schneiderheinze viele Rahmenbedingungen verändert, ihr Selbstverständnis aber nicht. Pasolinis Idee von „Kino als Widerstandsarbeit gegen die Mainstreamisierung des Geschmacks“ halten sie für unverändert aktuell. Die beiden Kinomacher definieren ihre Arbeit durchaus auch ästhetisch, vor allem aber politisch-emanzipatorisch: „Wir sind keine Cineasten. Mit unseren Filmen wollen wir vielmehr Identifikationsmodelle anbieten, die in den regulären Filmtheatern nicht vorkommen“, formuliert Schneiderheinze. s 33
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Zum Tod von Eve Kosofsky Sedgwick (1950–2009), der Pionierin der Queer Theory.
David Shankbone
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Aschaffenburg Casino filmtheater Ohmbachsgasse 1, 06021/4510772 Augsburg CinemaxX Willy-Brandt-Platz 2, 0821/3258080 Berlin arsenal Potsdamer Straße 2, 030/26955100 · Kino International Karl-Marx-Allee 33, 030/24756011 · Xenon Kino Kolonnenstraße 5–6, 030/78001530 · Cinemaxx Potsdamer Platz Potsdamer Straße 5, 030/25922111 Bielefeld CinemaxX Ostwestfalenplatz 1, 0521/5833583 bochum Endstation Kino im Bhf. Langendreer Wallbaumweg 108, 0234/6871620 Bremen Kino 46 Waller Heerstraße 46, 0421/3876731 · CinemaxX Breitenweg 27, 0421/3010101 Dresden Kid – Kino im Dach Schandauer Straße 64, 0351/3107373 · CinemaxX Hüblerstraße 8, 0351/3156868 Essen CinemaxX Berliner Platz 4–5, 0201/8203040 Esslingen Kommunales Kino Maille 4–9, 0711/31059510 Frankfurt/Main Mal Seh’n Adlerflychtstraße 6, 069/5970845 · Orfeos Erben Hamburger Allee 45, 069/70769100 Freiburg Kommunales Kino Urachstraße 40, 0761/709033 · CinemaxX Bertholdstraße 50, 0761/20281410 Göttingen Kino Lumière Geismar Landstraße 19, 0551/484523 Hamburg Metropolis Kino Steindamm 52–54, 040/342353 · CinemaxX wandsbek Quarree 8-10, 040/68860778 Hannover Apollo Studio Limmerstraße 50, 0511/452438 · cinemaxx Nikolaistraße 8, 0511/9110319 · kino im künstlerhaus Sophienstraße 2, 0511/16845522 karlsruhe Kinemathek Karlsruhe Kino im PrinzMax-Palais Karlstraße 10, 0721/25041 Kiel Die Pumpe – Kommunales Kino Haßstraße 22, 0431/2007650 · CinemaxX Kaistraße 54–56, 0431/6618010 Köln filmpalette Lübecker Straße 15, 0221/122112 · Kölner Filmhaus Maybachstraße 111, 0221/2227100 Konstanz Zebra Kino Joseph-Belli-Weg 5, 07531/60162 Leipzig Passage Kino Hainstraße 19 a, 0341/2173865 magdeburg Cinemaxx Kantstraße 6, 0391/5990077 Mannheim Cinema Quadrat Collinistraße 5, 0621/1223454 Marburg Cineplex Biegenstraße 1a, 06421/17300 München Neues Arena Filmtheater Hans-SachsStraße 7, 089/2603265 · City Kino Sonnenstraße 12, 089/591983 · CinemaxX Isartorplatz 8, 089/21211411 Münster Cinema Filmtheater Warendorfer Straße 45–47, 0251/30300 Nürnberg Kommkino Königstraße 93, 0911/2448889 Offenbach CinemaxX Berliner Straße 210, 069/80907210 Oldenburg Cine K Bahnhofstraße 11, 0441/2489646 · CinemaxX Stau 79–85, 0441/21 77103 Potsdam Thalia Arthouse Rudolf-Breitscheid-Straße 50, 0331/7437020 Regensburg Wintergarten Andreasstraße 28, 0941/2980963 · CinemaxX Friedenstraße 25, 0941/7802121 Saarbrücken kino achteinhalb Nauwieser Straße 19, 0681/3908880 · Kino im Filmhaus Mainzer Straße 8, 0681/372570 Schweinfurt KuK – Kino und Kneipe Ignaz-SchönStraße 32, 09721/82358 Stuttgart Cinemaxx an der Liederhalle Robert-Bosch-Platz 1, 0711/22007978 Trier Broadway Filmtheater Paulinstraße 18, 0651/96657200 Weiterstadt Kommunales Kino Carl-Ulrich-Straße 9–11 / Bürgerzentrum, 06150/12185 Wuppertal CinemaxX Bundesallee 250, 0202/4930 1181 Würzburg CinemaxX Veitshöchheimer Straße 5a, 0931/3040140
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s Natürlich ist Homosexualität keine Tatsache, die primär auf eine sexuelle Orientierung hinweist. Homosexualität rekurriert auf ein Geständnis, das wir zumeist alle abgelegt haben und es blumig als Coming Out bezeichnen. Unsere Sexualität ist somit, mehr als die der anderen, an ein Wissen gebunden, das sich zum Ziel gesetzt hat, alles über das Liebesleben zu erfahren und es zu bestimmen. Denn „The special centrality of homophobic oppression […], has resulted from its inextricability from the question of knowledge and the processes of knowing in modern Western culture at large.“ Die Literaturwissenschaftlerin Eve Kosofsky Sedgwick ist in ihren Büchern diesem Thema nachgegangen. Sie klagt darin den offensichtlichen Schleier an, den eine bürgerliche Moral über die gleichgeschlechtliche Anziehung fallen ließ und so erst „Homosexualität“ zu einem existentiellen Dilemma konstituierte – ein Versteckspiel begann. Am 12. April dieses Jahres verstarb Eve Kosofsky Sedgwick. Damit verschwindet eine der Gründerinnen der Queer-Theorie und Kämpferinnen für ein selbst bestimmtes Sexualleben ohne Geständniszwang. Uns obliegt es nun, ihre Theorie fortzuführen und sie nicht auf literarische Texte zu beschränken. Wir werden lernen müssen, Filme ebenso zu betrachten. Denn was wir sehen, ist nicht unschuldig. Die Filmhistorie weist genügend Beispiele auf, in denen das Wissen von der Anderen Liebe als Ausgeschlossenes, Albernes oder zu Versteckendes für die Behauptung eines heterosexuellen Ideals eine wesentliche Rolle spielt. Der Dokumentarfilm The Celluloid Closet setzt hier an: Ein Hollywood ohne Homosexualität hat es nie gegeben. Und es wird gezeigt, wie perfide die Traumfabrik sich selbst zensierte und betrog. Film und Theorie arbeiten die Strategien des Versteckens heraus, das die schamlose Entblößung geradezu provoziert. Kosofsky Sedgwick lebte ein Leben ohne Versteckspiele. Sie war immer eine Freundin der Homosexuellen und schien sich in ihrer Gegenwart mindestens genauso wohl gefühlt zu haben wie in der ihres Mannes. Daran sollten wir uns erinnern und uns die Mühe machen, der Konstruktion von Geheimnissen mit Offenheit zu begegnen. s
Filmpatenschaft
A Florida Enchantment USA 1914 regie und produktion Sidney Drew für Vitagraph Company of America mit Ethel Lloyd, Charles Kent, Grace Stevens, Ada Gifford, Lillian Burns, Frank O'Neil, Allan Campbell und Cortland Van Deusen
In diesem ersten lesbisch-schwulen Film der Filmgeschichte überhaupt findet eine junge Frau exotische Geschlechtsumwandlungs-Pillen und eine ganze Stadt in Florida steht Kopf, nachdem sich diverse Frauen in Männer und Männer in Frauen verwandelt haben. Unsere 1988 erworbene 16mm-Kopie ist mittlerweile nicht mehr spielbar und A Florida Enchantment soll neu abgetastet, restauriert und mit deutschen Zwischentiteln versehen werden. Außerdem soll eine Klavierbegleitung eingespielt und der Film für eine digitale Kinoauswertung bearbeitet und auf DVD veröffentlich werden. Die Kosten dafür übersteigen die planbaren Einnahmen. Wenn Sie Interesse daran haben, dass dieser wichtige Meilenstein unserer Filmgeschichte wieder verfügbar ist und Sie sich zum Beispiel eine Patenschaft für A Florida Enchantment vorstellen können, dann setzen Sie sich bitte mit mir in Verbindung.
Björn Koll Salzgeber & Co. Medien GmbH Mehringdamm 33 10961 Berlin koll@salzgeber.de Telefon 030 / 285 290 90
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After stonewAll i‘m no Angel in hAssliebe lolA ich küsse nicht the dAme ednA treAtment Von john ScaglIoTTI
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Von andré TéchIné
Fotos: studio canal+; Paramount Pictures
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TIMM ist der erste TV-Sender für schwule Männer. TIMM ist digital über Kabel, Satellit und Internet frei empfangbar. Weitere Informationen zum Empfang und zum Programm auf:
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