sissy
Homosexual’s Film Quarterly Ausgabe sechs · Juni bis August 2010 · kostenlos
s London: Leuchtende Nächte s Italien: Bissfeste Männer s New York: Lebendige Erinnerung s Abschiedsblicke: Ein Virus kennt kein Happy End s Wilde Unschuld: Lachen und flirten mit Gunther Geltinger s Gay- und L-Filmnacht: Geburts- und Haushaltsplanung s Pornografie: Ein Video s Jugendzimmer: Bei Jonathan zu Hause s Postcard: Nachricht vom Sohn s Au revoir: Werner Schroeter
„Brokeback Tempelberg!“
JUNGLE WORLD
„Eindringlich und berührend!“ „Ein zärtlicher Tabubruch!“
NZZ
EMOTION
„Ein Werk, das auf die Macht des Kinos vertraut.“ TIP
JETZT IM KINO!
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vorspann
Sissy sechs Liebe Leserin, Lieber Leser, Vor kurzem wurde die SISSY auf Facebook als „Klugscheißer-Magazin“ bezeichnet. Noch dazu von jemandem, der vor nicht allzu langer Zeit das pointierte metrosexuelle Schreiben über Männer im Film zu etablieren suchte, sich also nicht gerade als Anti-Klugscheißer präsentiert hat. Wir finden diese Bezeichnung sehr passend. In manchen Kreisen steht man wahlweise als „smart ass“ oder „clever dick“ in durchaus hohem Ruf. Auch unsere Leser wissen das zu schätzen und äußern sich nicht selten mit ziemlich klugscheißerischen Formulierungen wie: „Vielen Dank für dieses nicht-heterosexuelle, nicht-langweilende, nicht-intellektuell-tief-fliegende Magazin!“ Puh, das kann man ja wohl auch einfacher sagen. So wie der Leser, der sich die SISSY gerne „quartalsweise in den Kasten stecken“ lassen will. Oder ein anderer, der einfach schreibt: „Sowas hat gefehlt!!“ Oder noch ein anderer, der behauptet: „Manfred Salzgeber wäre stolz auf euch!“ Nein, ernsthaft. Wenn die SISSY eins nicht vorgeben will, dann ist das die Form, in der man über Filme schwärmt. Dass das jeder anders macht und dass auch die Anlässe beim jedem anders sind, legen wir gerne offen. Und lassen dabei auch mal Texte zu, die „weitgehend humorfrei“, im „kruden Oberseminaristen-Jargon“ gehalten, „weitschweifig“ oder mit „schnarchigen Überschriften (nicht immer)“ versehen sind – immerhin, so anerkennt auch Herr E. aus M.: „Kostet ja nix!“ Und knapp gehaltene, saukomische, unintellektuelle Texte über den nicht-heterosexuellen Film gibt es Klugscheißer Wittgenstein aus dem gleichnamigen Film von Derek Jarman. ja außerdem noch. Wir bestehen auf unseren Klugscheißer-Ambitionen und möchten uns nicht für Intellektualität schämen – soweit kommt’s noch. Dank auch diesmal wieder an unsere AutorInnen und ihre höchst eigenständigen Schwärmereien.
Titel: kool film / diese seite: edition salzgeber
Wir freuen uns auf weitere Zuschriften: redaktion@sissymag.de
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mein dvd -regal
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wiel and speck
Wieland Speck, Filmemacher
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In den besten Familien von M a lt e G öbe l
„Männer al Dente“ heißt (auf deutsch) der neue Spielfilm von Ferzan Ozpetek, der am 15. Juli in den Kinos anläuft. Unser Autor fand sich beim Sichten im Feelgood-Mainstream wieder und sah lauter Italiener so, wie sie sich selbst gerne sehen.
s Stell dir vor, du wächst in Lecce auf, also in der tiefsten süditalienischen Provinz. Dein Vater hat eine Pasta-Fabrik und gehört damit zum örtlichen Geldadel. Du bist als ältester Sohn dafür vorgesehen, den Laden zu übernehmen, und dein kleiner Bruder Tommaso soll dir dabei helfen. Während du vor Ort geschuftet hast, wurde er die letzten Jahre nach Rom geschickt, um dort Betriebswirtschaft zu studieren. Gemeinsam sollt ihr nun den Betrieb übernehmen und zu neuen Nudel-Höhen führen. Und die Familientradition fortsetzen: Der Vater hat schon die Tochter eines Kollegen für dich im Auge. Das langweilige Leben in der Provinz scheint vorgezeichnet. Ach ja, und schwul bist du auch noch. Dumm, was? Und dann auch noch das: Am Abend vor der feierlichen Übergabe der Firmenleitung an euch beide kommt dein kleiner Bruder angeschlappt und schüttet dir sein Herz aus: Er hat in Rom gar nicht Wirtschaft studiert, sondern Literatur, er will gar nicht Nudelfabrikant, sondern Schriftsteller werden, und mit seinem Mitbewohner in Rom teilt er nicht nur die Wohnung, sondern auch das Bett. Auf Fabrik und Provinz hat der Kleine genauso wenig Lust wie du, er will sich morgen mit einem Knall outen und dann der ländlich-familiären Enge für immer Arrivederci sagen. 6
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Und nun? Richtig. Selbst ist der Mann. Als er am nächsten Tag schon mit dem Messer gegen sein Weinglas pocht, kommst du ihm einfach zuvor: Karten auf den Tisch, Vater schmeißt dich raus, Herzinfarkt, aber egal, Zug nach Rom nehmen und rein in die Homo-Szene am Kolosseum. Und dein Bruder, der sich die letzten Jahre in der Gay-Szene vergnügen durfte, ist jetzt gelackmeiert: Nach dem Infarkt des Seniors verbietet sich ein zweites Coming-Out. Viel Spaß in der Provinz, Kleiner! So geht Männer al Dente los. Hauptfigur bist allerdings nicht du, der ältere Bruder Antonio, sondern dein kleiner Bruder Tommaso. Du bist weg, Tommaso ist noch da, und er darf sich auf keinen Fall outen, weil sonst die gesamte Familie implodiert. Tommaso muss erst mal die Rolle spielen, die du in den letzten Jahren hattest: die des strebsamen Sohnes, des heterosexuellen Pasta-Jungunternehmers. Die heitere Tragikomödie im Kreise der typisch italienischen Familie, auf die Ozpetek spezialisiert ist, nimmt ihren Lauf. Männer al Dente entwickelt dabei keinerlei Tiefgang – ganz wie es der flapsige Titel schon erahnen lässt, der auch viel angemessener ist als der fast schon poetische Originaltitel Mine vaganti (Verstreute Minen). Denn von diesen Minen gibt es innerhalb der Pasta-Familie eine ganze Menge, auch wenn alles nach außen ganz idyllisch und intakt wirken muss. Nicht nur Tommaso und Antonio pflegen ihre kleinen Geheimnisse. Die Schwester Elena ist als Haus- und Ehefrau ihres langweiligen Mannes frustriert, die Mutter hat vor allem Angst um den Ruf der Familie und verschließt die Augen vor allen Problemen, der Vater nimmt es mit der Moral selbst nicht so genau und hat eine Geliebte, die Tante ist exzentrisch und kinderlos. Und die Nonna, also die Großmutter, hängt ihrer großen Liebe nach, nämlich dem Bruder des Mannes, den sie dann heiratete. Eine italienische Klischee-Familie mit ihren kleinen und großen Lügen. Da passen die heimlich schwulen Söhne nur allzu gut ins Bild. Ferzan Ozpetek liebt diese Klischees und treibt sie in Männer al Dente auf die Spitze. Natürlich reißt der Vater in seinem Herzanfall die Tischdecke inklusive Rotwein mit sich zu Boden (eine Szene, in der der Darsteller Ennio Fantastichini nur zu beneiden ist), natürlich trägt die Dorf-Schönheit besonders hohe Stöckelschuhe und fährt besonders schlecht Auto. Ihr Wagen ist natürlich ein roter Alfa Romeo Spider, der Inbegriff italienischer Cabrio-Sportwagenkunst. Überraschungen oder unerwartete Wendungen? Fehlanzeige. Die Lage verkompliziert sich nur etwas, als Tommaso sich doch tatsächlich so halb in die vom Vater ausgewählte Frau verliebt. Aber streng nach dem Schema F einer Upper-Class-Homo-Klamotte tauchen rechtzeitig Tommasos Homo-Freunde inklusive Lover Marco aus Rom auf. Die werden von der unwissenden Familie herzlich aufgenommen und versuchen, sich besonders heterosexuell zu geben, was natürlich total und mit vielen Slapstick-Einlagen in die Hose geht. Was Männer al Dente letztendlich zu einem sehr italienischen Film macht, sind die beiden Motive, die immer wieder auftauchen: das Essen und die Familie. Immer wieder sitzt man beisammen, alle um einen Tisch, mehrere Generationen, auch Gäste. Der Essenstisch ist der Mittelpunkt des Familienlebens, hingebungsvoll lässt Ozpetek seine Kamera immer wieder um die Tafel kreisen.
Ferzan Ozpetek, der gebürtige Türke, der erst im Alter von 19 Jahren nach Italien kam, ist mit seinen Filmen derzeit einer der erfolgreichsten Regisseure Italiens. Die würden sich allein schon durch den Cast verkaufen. Mit Riccardo Scamarcio und Alessandro Preziosi sind es zwei aktuelle Sex-Symbole des italienischen Kinos, die das schwule Brüderpaar Tommaso und Antonio spielen. Gerade Scamarcio gilt dank der Kombination aus dunklen Locken und stechend blauen Augen als TeenieSchwarm. Und Homosexualität? Nichts von Bedeutung, erklärte er hinterher, der innige Kuss mit seinem FilmPartner Marco sei kein Problem gewesen. Nur sein Vater sei wohl nicht so begeistert davon, den Sohn einen Mann küssen zu sehen, auch wenn es nur im Film ist. Mit Männer al Dente ist der Filmstoff Homosexualität mitten im italienischen Mainstream angekommen. Und mit Ozpetek ist es ein türkischer schwuler Regisseur, der es am besten schafft, die heterosexuelle italienische Gesellschaft abzubilden und dabei die besten Schauspieler des Landes einzubinden. Nichts an der Darstellung von Homosexualität ist mutig oder provokant. Tommaso und seine römischen Homo-Freunde sehen so aus, als seien sie gerade aus der Lacoste-Werbung gepurzelt: reich, jung, schön, muskulös und erfolgreich. Das Wichtigste ist weiterhin die Familie, erweitert um die schwulen Freunde. Darin liegt der Schlüssel von Ozpeteks Erfolg: Seine Darstellung von Homosexualität ist ungefährlich für die italienischen Werte von Familie, Gemeinschaft, Zusammenhalt und Freundschaft – und er zeigt die Italiener, wie sie sich selbst am liebsten sehen: schlagfertig und schlitzohrig, mit großer Wohnung und Dienstmädchen, schicken Autos und gutem Essen. Ein Detail am Rande: Der italienische Verleih des Films ist das BerlusconiUnternehmen „Medusa“. Zwischendurch gibt es auch Szenen, die in ihrer Plattheit so altmodisch wirken, dass man sich vor Fremdscham auf dem Boden kringeln möchte: „Aber wusstest du, dass Antonio so ist?“ (Vater) – „Ein Homosexueller, meinst du?“ (Tommaso ) – „Sagen wir es doch, er ist eine Schwuchtel!“ (Vater) – „…“ (Tommaso). Und später fragt die Mutter natürlich Tommasos Lover Marco, einen Arzt, ob man Homosexualität denn inzwischen nicht heilen könne. Und die Großmutter, die weise ihrem Enkel mitgibt: Fare le cose solo per gli altri non vale la pena di vivere! – „Wenn du immer nur alles so machst, wie die anderen es wollen, ist das Leben all diese Mühen nicht wert.“ Das können nicht nur homosexuelle Italiener nachvollziehen, sondern auch alle anderen, die im eigenen Interesse gern mal ein Auge zukneifen. Mit diesem Schlitzohr-Image ist auch Berlusconi ziemlich erfolgreich. Und so ist Männer al Dente ein aus verschiedenen italienischen Zutaten zusammengerührtes Upper-ClassFeelgood-Melodram, das keinem wirklich weh tut. In jeder italienischen Familie gibt es mindestens eines der von Ozpetek verwendeten Features, alle können etwas mit dem Film anfangen, keiner wird sich angegriffen fühlen. Und am Ende des Abends schlafen alle mit einem Lächeln auf den Lippen ein. s
Männer al Dente von Ferzan Ozpetek
IT 2010, 116 Minuten, DF & OmU Prokino, www.prokino.de
Im Kino
Kinostart: 15. Juli www.maenner-al-dente.de
Saturno Contro – In Ewigkeit Liebe von Ferzan Ozpetek
IT/FR/TR 2007, 110 Minuten, OmU
Auf DVD
Pro-Fun Media, www.pro-fun.de
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kino
IN HÖLLELAND von Cl a r a Br i n k
In der aktuellen öffentlichen Auseinandersetzung über Pädophilie und Kindesmissbrauch in Kirchen und Schulen kommt in diesen Tagen ein Dokumentarfilm in die Kinos, der mit leisen Mitteln aber großer Wucht davon erzählt, wie der Autor und Regisseur des Films, Michael Stock, vom Missbrauch durch seinen Vater verletzt und gezeichnet wurde.
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edition salzgeber
kino
s Postcard to Daddy ist alles andere als ein harmloser Gruß an den abwesenden Alten, es ist die Offenlegung eines bösen Familiengeheimnisses, das Michael Stocks Leben versehrt hat. Sein Film lenkt den Blick wieder auf die brutale Tatsache, dass die meisten Missbrauchstaten in Familien geschehen. In zahllosen Debatten in den Medien geht es zur Zeit um die Täter und ihre Persönlichkeitsprofile, Postcard to Daddy bleibt dagegen konsequent bei der Erfahrung des Opfers. Das Erstaunliche ist, wie er dabei die Schemata der Opferrolle hinter sich lässt. Er weidet sich nicht am Pathos einer unwiderruflichen Tragödie, er will wissen, will anerkannt und respektiert werden, fordert den Tätervater ohne Hass zu einer Geste der Genugtuung heraus. Es beginnt wie eine harmlose Spurensuche. Kamerabilder zeigen den Schwarzwald im ersten Frühlingslicht, wenn der Filmemacher zum älteren Bruder, zur Schwester und Mutter unterwegs ist. In Gesprächen tauscht er sich mit ihnen über den abwesenden Vater aus, ist sich auch der schönen Seiten der gemeinsamen Erinnerungen bewusst. Schwarzweißfotos unterstreichen diese Stimmung, indem sie Familienszenen, Kinderspiele und sportliche Unternehmungen mit dem massigen, dunkelhaarigen Mann zeigen, der ihr Vater ist. Man spürt, dass diese vier ihre Geschichte seit langem intensiv besprochen haben, der Film setzt ihre unterschiedlichen Ansichten wie ein Puzzle zusammen. Michael Stock stellt Fragen, die ohne Umschweife offensiv in das Familiengeheimnis vordringen, das unter der Oberfläche der schönen Bilder lauert. Seine engsten Vertrauten nahmen nicht wahr, dass der Vater sich an seinem jüngsten Sohn vergriff. Im Alter von acht Jahren begann er, ihn unter dem Vorwand der Sexualaufklärung zum Onanieren zu nötigen und das erschrockene Kind regelmäßig für die eigene Triebabfuhr zu benutzen. Bis er sechzehn war, wurde Michael Stock von seinem Vater missbraucht, war den sexuellen Attacken und dem darauffolgenden stumpfen Schweigen des Alten ausgeliefert. Die Mutter hielt ihren Mann für einen notorischen Seitenspringer, der jede Frau im Bekanntenkreis anbaggerte, sie hatte keine Vorstellung davon, dass sich hinter der wachsenden Unzugänglichkeit und den Schulschwierigkeiten ihres Sohns Gefühle der Scham und Schuld auftürmten. Als die Mutter einmal vorzeitig nach Hause kam, musste der Sohn, der ihr Rivale war, aus dem Elternschlafzimmer verschwinden und die halbe Nacht unter dem Ehebett zubringen. Sie können über solche Schlüsselerlebnisse sprechen und genießen ihre innige Beziehung, auch dann, wenn die Rede auf die harten Konsequenzen von Michael Stocks Missbrauchserfahrungen kommt. Der 41-jährige Filmemacher verlor sein inneres Gleichgewicht, er verweigerte den Schulabschluss und eine Ausbildung, nahm exzessiv Drogen. In Postcard to Daddy sind Ausschnitte aus seinem ersten eigenen Spielfilm Prinz in Hölleland eingeblendet, die vom Abtauchen in die Berliner Schwulenszene der Nachwendezeit erzählen. Die düstere Dreiecksgeschichte unter schwulen Punks, in der Michael Stock auch eine der Hauptrollen spielte, trug ihm 1993 viel Aufmerksamkeit ein. Prinz in Hölleland brachte einen gnadenlos desillusionierenden neuen Ton ins Queer Cinema ein, indem er den selbstzerstörerischen Furor der Szene thematisierte.
Heute, in Postcard to Daddy, reflektiert Michael Stock darüber, dass er mit sich selbst einen „Kult der sexuellen Verfügbarkeit“ getrieben habe, den er als Folge des Missbrauchs sieht. Postcard to Daddy ist einer jener Filme, die aus innerer Notwendigkeit gemacht werden mussten, auf eigene Faust, mit wenig Geld. Michael Stock ist HIV-positiv, er erlitt einige Schlaganfälle und diese Situation war der Anstoß, mit einem Dokumentarfilm Stellung zu beziehen. Als Tellerwäscher verdiente er sich eine Kamera zusammen und begann im Vertrauen auf das Handwerk, das er als Assistent von Rosa von Praunheim und später als TV-Redakteur erprobt hat. Jahrelang hatte Stock zuvor versucht, den heiklen persönlichen Stoff als Spielfilm zu realisieren, aber die Berater, Förderer und Produzenten konnten sich sein Drama nur als Narrativ nach dem Lolita-Muster vorstellen. Das genau ist Michael Stocks brisante Position zur Missbrauchsdebatte nicht. Er beharrt darauf, nicht das Opfer zum Täter zu machen, er verlangt umgekehrt von den Erwachsenen, den kindlichen Bedürfnissen nach Körpernähe entgegenzukommen – aber dabei deutlich die Grenzen zur Sexualisierung zu ziehen. In Postcard to Daddy spielt es keine Rolle, dass es äußerst schwer ist, adäquate Bildebenen für das Erzählte zu finden, die nicht von den Genre-Konventionen kontaminiert sind. Michael Stocks Film berührt, weil er bei seinen glaubwürdigen persönlichen Ausdrucksmitteln bleibt. Ein großer Teil des Films ist von der Halt gebenden Beziehung zur Mutter und den Geschwistern getragen, zum Beispiel in den Gesprächen auf einer Thailandreise, die die Mutter ihrem Sohn nach einem langen Krankenhausaufenthalt geschenkt hat. Doch dabei bleibt es nicht: Michael Stock suchte den Kontakt zum Vater, besuchte den inzwischen längst in einer neuen Familie lebenden, schwer kranken Mann, stellte die Kamera auf und forderte eine Stellungnahme, mehr noch: eine Entschuldigung ein. Der Selbstmord eines Freundes, der Ähnliches mit seinem Vater erlebt hatte und an dessen Kälte zerbrach, löste diese Initiative aus. Das Mindeste geschah, der Alte gab die Einwilligung, diese Szene der Selbstentblößung im Film zu verwenden. Was er über sich und den Missbrauch an seinem Sohn sagt, ist erschütternd. Man muss es sich im Kino ansehen. s
Postcard to Daddy von Michael Stock
DE 2010, 85 Minuten, dt. OF Edition Salzgeber, www.salzgeber.de
Im Kino
Kinostart: 27. Mai www.postcard-to-daddy.de
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ENERGIE BÜNDEL von A n dr é W en dl e r
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Alexis Dos Santos hat nach „Glue“ seinen zweiten Film gemacht und damit 2009 die Berlinale-Generation eröffnet. Seine verträumte Erzählung von feierlaunigen und erinnerungsgestörten Teenagern, deren Wege sich wie Lichtstrahlen aus unterschiedlichen Quellen kreuzen, kommt unter dem Titel „London Nights“ am 19. August in die deutschen Kinos.
s Für die Beziehungen in London Nights gilt dasselbe wie für das Verhältnis von Kino und Schreiben: Es ist schwierig, weil man nie weiß, ob man nur nebeneinander her existiert oder ob man sich wirklich in etwas trifft. Manchmal braucht es lang, bis einer Worte findet, die zu bestimmten Bildern passen. Manchmal wartet man aber auch lang auf die richtigen Bilder für Sätze, die sich festgesetzt haben. Zwei dieser Sätze, auf deren Bilder ich lange warten musste, stammen von Hollis Frampton und sie gehen so: „The filmstrip is an elegant device for modulating standardized beams of energy. The phantom work itself transpires upon the screen as its notation is expended by a mechanical virtuoso performer, the projector.“ Es könnte sein, dass diese Sätze nur gut ausgedacht sind. Das macht aber nichts, denn die meisten Filme sind auch „nur“ gut ausgedacht. Man könnte aber einmal in das Dunkel des Kinos hineinträumen, dass Frampton recht hat. Dann wären Filme nichts anderes als Lichtpartituren und Anweisungen für den Projektorvirtuosen. Der Vergleich mit dem musizierenden Virtuosen führt auf die falsche Fährte. Im Kino sind Fräcke, Taktstöcke und schwarze Fliegen, die alle gleichzeitig das Gleiche tun, nicht weiter gefragt. Im Kino lautet die Parole: „We are not the same.“ Auf der Leinwand: Jede Nacht eine andere Welt. Vor der Leinwand: Jede Nacht-Welt andere Menschen. Wiederholung findet nur statt, wo sie keiner merkt. Das Kino gleicht eher einem besetzten Haus als der Philharmonie. We are not the same. Deshalb hören wir hier Dinge, die sonst an uns vorbeirauschen. Deshalb können wir hier Fallschirmspringen, Männer und Frauen küssen, in den erstbesten Zug irgendwohin steigen, einen Fremden am Samstagvormittag auf dem Markt treffen, uns als Antilopen verkleiden oder uns einen „Black Moustache“ ankleben und mit Kopfhörern auf den Ohren „Hot Monkey, Hot Ass“ grölen. Wir können all die Dinge tun, die man sich selbst nicht ausdenken kann und schon gar nicht gut. Plötzlich merken wir, dass wir uns das auch schon immer gefragt haben: „Did I miss a chance to fall in love?“ Während ich all das in Alexis Dos Santos’ London Nights erlebe und mir vorkomme, als läge ich den ganzen Tag über in einem ungemachten Bett, merke ich, dass die schönste Chance, sich zu verlieben, gerade stattfindet. Dieser Film trägt mir, ganz im Sinne Framptons, etwas unglaublich Reales zum Lieben an: sein Licht. Die geringe Schärfentiefe, die immer nur ein Glas, ein Hemd, eine Zigarette, ein Telefon, eine Gitarre, eine Matratze, eine Polaroid-Kamera, ein Stück Haut, eine Schuluniform, niemals aber alles das, was diese Dinge umgibt, scharf zeigt, verwandelt die Welt um diese Dinge in eine Wolke aus farbigem Licht. Die London Nights haben ihre Farbsignatur: Einmal steht Vera vor einer Bar und raucht. Während sie gerade angequatscht wird, fliegt auf der Tonspur ein Flugzeug vorüber und sie blickt nach oben. Von irgendwoher fällt ein sagenhaft blaues Licht auf ihr Gesicht. Im Hintergrund hängt eine rote Lichterkette und von der anderen Seite wird sie von einem warmen Licht angestrahlt, das die zärtlichen Berührungen ihrer neuen Bekanntschaft schon vorwegnimmt. 11
kool film (2)
kino
London Nights
von Alexis Dos Santos GB 2008, 93 Minuten, OmU Kool Film, www.koolfilm.de
Im Kino Kinostart: 19. August
Glue
von Alexis Dos Santos AR 2006, 110 Minuten, OmU
Auf DVD Edition Salzgeber, www.salzgeber.de
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Als Axl das erste Mal das „Lost & Found“ betritt, wird er in ein dickes, saftig-grünes Scheinwerferlicht getaucht und bestellt an der Bar ein Getränk bei einer Frau, die von rotem Licht verschluckt wird. In dem Squat, in dem all die wunderbaren Menschen dieses Films zusammen, aufeinander, nebeneinander, miteinander, ineinander, übereinander leben, ist alles in ein sanftes hautfarbenes Licht getaucht, wie man es manchmal an einem warmen Herbstnachmittag erleben kann. Die Buchhandlung, in der Vera auf den Titel der schlechtesten Buchhändlerin der Kinogeschichte lungert, ist von einem gelblichen Grün heimgesucht, dem auch Veras Kollegin mit ihren notorisch bunten Pullovern nicht beikommen kann. Die meisten Außenaufnahmen strahlen ein so entschiedenes Sonnengold aus, dass mir sogar in diesem November-Mai warm wird. London Nights, das sind Kino-Nights, weil sie tausend Farben aus tausend Lichtquellen haben. Kein Bild, das nicht im Hintergrund unscharfe bunte Lämpchen hat, keine Einstellung, die nicht in ein anderes, farbiges Licht getaucht ist. Hollis Frampton hat in seinen Filmen ein puristischeres Verständnis vom Kinolicht gehabt, aber für mich ist es dieser Film, auf den Framptons Sätze so lang gewartet haben. Wollte man anfangen, alles Wunderbare an diesem Film zu beschreiben, es wäre kein Ende in Sicht. Deshalb vielleicht Anfang und Ende. Am Anfang geht Axl in einen Londoner Club: rotes und grüner Licht, er trägt eine rote Jacke und ein grünes Hemd. „F**k Me“, schreien Mary and the Boy. Immer wieder blitzt ein sehr gelbes Stroboskoplicht, das Momentaufnahmen Axls präsentiert: der vom Clubleben faszinierte Junge, der gleich ganz schnell eintauchen wird in ein Abenteuer, das er am nächsten Morgen vergessen haben wird. Diese Stroboskopblitze erinnern uns daran, dass Bilder im Kino überhaupt nur stroboskopisch zustande kommen. Wir können den Bildern dabei zuschauen, wie sie sich selbst machen. Am Schluss dann, wenn die unzähligen Geschichten des Filmes weder ein gutes noch ein schlechtes Ende genommen haben, sondern einfach irgendwo anders angekommen sind, schließt der Film für gute fünf Minuten die Augen. Über der schwarzen Leinwand hören wir Kimya Dawson und möchten am liebsten mit ihr singen: „I’m fine“. Ich weiß nicht, wie man sich an einen solchen Film erinnern soll, außer dass man ihn wieder und wieder sieht oder sich in Worten dazu versucht. Er selbst hat das Erinnerungsproblem schon gelöst. Licht kann aufgezeichnet werden, nur eben nicht von menschlichen Gehirnen. An Worte können wir uns erinnern und sie immer wiederholen. Bilder müssen wir aber wieder sehen. Deshalb ist Veras bewusstes Vergessen im Film auch nicht mehr und nicht weniger als das Abnehmen von Fotografien von der Wand. Mit den Bildern wandern die Erinnerungen auf den Speicher und machen Platz für neue Polaroids. Axl hingegen hat an jedem Morgen vergessen, mit wem er was in der letzten Nacht gemacht hat. Vorsichtig lüftet er die Bettdecke: Mann, Frau, eine Person, zwei? Erinnerungen im Bildformat können wandern: von einer Jackentasche in die andere oder von einem verknickten Foto an Axls Spiegel auf die ganze Breite der Leinwand oder von einem Moment größter Intimität auf das Poster eines Londoner Underground-Ladens oder vom Video eines Fallschirmsprungs ins Kino. Axl und Vera, die Lichtgestalten der London Nights, wissen von all dem so viel, wie einem im Kino nur lieb sein kann. Wahrscheinlich gibt es solche Filme erst, seitdem in den Credits „Colourists“ auftauchen, die digitale Farbwerte nach Belieben vergolden, abkühlen oder erröten lassen können und die wissen, dass man auch oder vielleicht nur mit „standardized beams of energy“ Menschen auf und vor der Leinwand glücklich machen kann. Um sich die Nächte in Londoner Clubs oder Kinos um die Ohren zu schlagen, ist Schlaflosigkeit vielleicht die größte Tugend. Das ist der geheime Orden des Lichts, in den Axl, Vera und wir eintreten, wenn London Nights beginnt. Und deshalb enden Framptons Text und dieser gleich: „Film has finally attracted its own Muse. Her name is Insomnia.“ s
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Manhattan Video Boys von ja n k ü n em u n d
bildkraft
Regisseur David Kittredge erzählt in „Pornography: Ein Thriller“ von drei Besessenen, die ihrer Suche nach der Echtheit hinter industriellen Lust-Bildern zum Opfer fallen. Der trickreich erzählte Independent-Spielfilm kommt am 8. Juli in die Kinos.
s Ein Pornostar, der sich in einem Snuff-Video wiederfindet, ist eine Urban Legend, eine moderne Sage wie das Krokodil im Abflusskanal. Mark Anton, der fiktive „Junge von Nebenan“-Star der schwulen Hardcore-Branche, erlebt in diesem Film allerdings genau das, als er sich nach Beendigung seiner Karriere auf das Angebot eines Kunden einlässt, der ihm viel Geld für eine Privataudienz anbietet. Allerdings ist er kein naives Opfer, sondern ein Getriebener, der als Fotografiestudent mit Vergangenheit im Pornogeschäft nun besessen nach „wahren Bildern“ von Orten, Gefühlen und Körpern sucht. Und damit fast folgerichtig im Folterkeller vor laufender Videokamera landet. Vierzehn Jahre später findet ein Journalist, der eine Kulturgeschichte des schwulen Pornofilms schreiben will, das Snuff-Tape – und fragt sich, ob es „echt“ ist. Er nämlich sucht nach der „echten Leidenschaft“ in Pornos, die er nur in den Videos der 1960er und 70er Jahre sieht. Und befindet sich plötzlich in Gesellschaft von maskierten Herren, die sich Filme vorführen, in denen zum Vergnügen junge Männer umgebracht werden. In einer dritten Episode stellt sich das alles wiederum als ein Traum eines aktuellen Pornostars heraus, der vom Darsteller- ins Regiefach wechseln will und plötzlich auf die „Mark Anton Story“ stößt. Sein Drehbuch darüber schreibt sich quasi von selbst und zieht ihn Tag für Tag tiefer in eine „fremde“ Geschichte hinein. Wie ein Katalog postmoderner Ängste entwickelt sich dieser merkwürdig auf sein männliches, körper- und wahrheitsbesessenes Personal beschränkte Thriller. Überall finden sich Spuren von Überwachung, von Déjà-vus, von Geschichten hinter Geschichten, laufen Recherchen nach der Wahrheit ins Leere bzw. führen zu noch größeren Rätseln, die umso mehr Angst machen. Kein Krimi ist das, in dem ein Sherlock Holmes (oder meinetwegen Donald Strachey) Licht ins Dunkel bringt, hier greift die Dunkelheit erst durch den Versuch, sie aufzuhellen, so richtig um sich. Das voyeuristische Konsumieren auf-
gezeichneter Leidenschaften wird gebrochen durch den Schock der Erkenntnis, selbst von anderen heimlich (oder gewollt?) gefilmt zu werden. Die Geschichte des Snuff-Videos mit dem verschwundenen Pornostar wird immer wieder gespiegelt durch die Geschichte eines Pornos namens Manhattan Video Boys, in dem zwei Freunde beim Sex die Kamera mitlaufen lassen, dieses Privatvideo danach aber auf rätselhafte Weise in der örtlichen Videothek auftaucht. Die Frage nach der Echtheit der Bilder wird immer wieder als verhängnisvoller Fetischismus der drei Bilderjäger entlarvt, die sich dabei selbst fremden, unsichtbaren Augen preisgeben: „Isn’t this what you wanted to see?“ Den Pornothriller über die Frage der (Nicht-)Sichtbarkeit von authentischen Gefühlen hat David Kittredge kompliziert geschrieben und mit einfachen Mitteln inszeniert. Die Geschichte nimmt immer wieder abstruse Wendungen, arbeitet mit Träumen, Ellipsen, Motivwiederholungen und bewussten Irreführungen. Dazu kommt die Low-Budget-Beschränkung auf nur wenige Figuren, Innenräume, funktionales Schauspiel und einfache Effekte, die den Film hermetisch abgedichtet erscheinen lässt und dadurch eine klaustrophobische Atmosphäre erzeugt. In diesem Spiel mit Finten, Tricks und Desorientierung bleibt die „Real World“, etwa in Form von Straßenszenen, einem gemischten (z.B. auch weiblichen oder nichtschwulen) Personal, Wetter, Atmosphäre, Sound vollkommen außen vor – alles konzentriert sich auf einen Dialog zwischen Kamera und Körper, der das Thema des Films verdoppelt. Ein böser Satz über den „Post-Coming-Out-Schwulen“ besagt, dass dieser mit seinem Körper genauso protzt wie der Neureiche mit seinem Geld. Ob hinter den Körpern dieses Gay-Cinema-Nischen-Films irgendeine Art von Geschichte, Wahrheit oder Tiefe liegt, kann man nicht ergründen. Und so geht es dem Zuschauer von Pornography: Ein Thriller genauso wie seinen Hauptfiguren und ihrer Suche nach irgendetwas, was hinter diesen Bildern liegt. s
Pornography: Ein Thriller von David Kittredge
US 2009, 114 Minuten, OmU Bildkraft, www.bildkraft.biz
Im Kino Kinostart: 8. Juli
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Die geilste Stadt der Welt von A x e l Scho ck
New York Memories
von Rosa von Praunheim DE 2010, 89 Minuten, OmU Basis-Film Verleih, www.basisfilm.de
Im Kino Kinostart: 15. Juli Die anderen New-York-Filme von Rosa von Praunheim können direkt bei ihm unter www.rosavonpraunheim.de auf DVD und z.T. auch auf VHS bestellt werden.
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s Man muss sich diesen ersten New-YorkBesuch wohl als eine Art Erweckungserlebnis vorstellen. Rosa von Praunheim, noch keine 30 Jahre alt, aber im bundesdeutschen Film underground bereits zu einigem Ruhm gekommen, reist 1971 zum ersten Mal in die USA. Ein afroamerikanischer Lehrer, mit dem er in Berlin eine kurze Affäre hatte, besorgt ihm eine private Unterkunft in der schwulen Szene mitten im Village. Praunheim fürchtet sich vor New York. Aus Angst, überfallen zu werden, musste ihm eine Freundin Geheimtaschen in die Jacke nähen, um Geld verstecken zu können. Doch statt eines kriminellen Molochs erwartete ihn ein Schwulen- und Künstlerparadies. Es war die Hochzeit des Off-Broadways, der Pop Art und Warhols Factory. New York war aber auch der Schauplatz des Stonewall Riots, von dem Praunheim bei seinem Besuch erstmals überhaupt hört. Der Westberliner Tourist erlebte die Stadt mit den großen Augen eines naiven Provinzlers: „New York war für mich die geilste Stadt der Welt. (…) Hier erschien alles größer und perverser“, notiert Praunheim rückblickend in seiner Autobiografie. „Hier hatte ich den geilsten Sex mit Bodybuildern und Andy-Warhol-Superstars“, erzählt Praunheim aus dem Off seines neuen Dokumentarfilms New York Memories. Das ungläubige, erregt-faszinierte Erstaunen des Gastes aus Deutschlands war so groß, dass dies selbst in den Aufzeichnungen 20 Jahre später noch zu spüren ist: „Ich traute meinen Augen nicht, als ich in einer New Yorker Bar einen großen starken Neger sah, der auf dem Tresen stand und seinen dicken Arm langsam in den Arsch eines nackten Gastes schob. Faustfick nannte man das. Es dauerte noch, bis sich das auch bei uns durchsetzte.“ Kaum drei Monate nach der ersten Reise kehrte Praunheim nach New York zurück. Ob in seinen Tagebüchern, den Autobiografien oder in seinen Filmen über die Stadt – immer wieder ist zu spüren, wie die New Yorker Begegnungen und Erlebnisse bei ihm zündeten. Bereits bei seinen ersten beiden New-York-Besuchen stößt Praunheim auf Stoff für Filmpro-
basis-film
Für seine Dokumentation „New York Memories“ (Kinostart am 15. Juli) ist Rosa von Praunheim nach zehn Jahren in seine zweite Wahlheimat zurückgekehrt, um alte Freunde wie auch Protagonistinnen seines Films „Überleben in New York“ wiederzutreffen. Keine andere Stadt neben Berlin hat die Arbeit des Regisseurs so intensiv geprägt wie die Metropole an der Mündung des Hudson River.
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jekte, die er in den folgenden Jahren realisieren wird. In Underground and Emigrants (1976) widmet er sich der Off-Kulturszene New Yorks, ein Jahr darauf porträtiert er das schwule Zwillings-Filmemacherpaar George und Mike Kuchar. Der voluminösen Schwulendiva Tally Brown wird er 1978 einen eigenen Dokumentarfilm widmen. Die New Yorker Stonewall-Parade, die er 1971 filmt, wird Ausgangspunkt für Armee der Liebenden, seiner Langzeitstudie über die ersten zehn Jahre des Gay Civil Rights Movement in den USA. Die Homosexuellenbewegung insbesondere in San Francisco und New York werden für Praunheim für lange Zeit zum inspirierenden Vorbild, selbst im alltäglichen Miteinander: „Ich bewunderte die praktische Intelligenz und Schnelligkeit, mit der hier beraten und beschlossen wurde“. Seine eigenen Erfahrungen aus den deutschen Schwulengruppen waren ganz andere: „Bei uns diskutierte man endlos über den Schlüsseldienst oder riss sich wegen sonst einer Kleinigkeit in Stücke.“ Um exzentrische Selbstdarsteller und starke Persönlichkeiten zu finden, die sich als Protagonisten seiner Filme eignen könnten, muss Praunheim aber schon bald nicht mehr in die USA reisen. Zu Hause in Berlin warten Menschen wie Charlotte von Mahlsdorf und Lotti Huber darauf, von ihm für die Leinwand entdeckt zu werden. Die bisweilen auch blinde Liebe zu den USA geht aber nicht verloren. Die vielfältige queere Bürgerrechtsbewegung behält für ihn eine vorbildhafte Vorreiterrolle. In Transexual Menace (1996) porträtiert er die sich politisch formierende Transgender-Organisation, mit Schweigen = Tod und Positiv (1990) den Umgang der Künstler mit Aids und den politischen Kampf der Aids-Aktivisten-Gruppe ACT UP gegen die ignorante US-Gesundheitspolitik. Das einstige Paradies zwischen Harlem und dem Village aber hat für Praunheim erst einmal an Faszination verloren. „Die Stadt gleicht heute einem Friedhof. New York ist ausgebrannt“, konstatiert er 1993 in seinen Memoiren „50 Jahre pervers“. Das New York von heute erscheint Rosa von Praunheim noch gleichermaßen lebendig und inspirierend wie vor 10 oder 30 Jahren, doch die Politik des ehemaligen Bürgermeisters Rudolph Giuliani hat die Stadt nicht nur sauberer und sicherer, sondern auch teuerer gemacht. Für nicht etablierte Künstler und den sexuellen wie kreativen Underground nicht unbedingt die besten Voraussetzungen. Was bleibt, sind die Erinnerungen an aufregendere Zeiten, beschworen in New York Memories. s 15
Tabu Kinderprostitution.
Ab 10. Juni im Kino!
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Geburtsvorbereitung auf Spanisch von H a n no St e ch e r
edition salzgeber
In „Spinnin’“ von Eusebio Pastrana geraten Thirtysomethings in Barcelona in einen Strudel aus Sehnsüchten, Traurigkeiten, Liebesanträgen und Kinderwünschen. Der Festivalhit, der im CSD-Special der Gay-Filmnacht in einigen deutschen Städten läuft, zeigt außerdem ganze 100 Küsse in 110 Minuten!
s „Is it really so hard to make a new heart?“, fragt JD Samson, Mitglied der feministischen Popband Le Tigre, in „Credit Card Babie$“, dem aktuellen Song ihrer queeren Band MEN. Darin versucht Samson dem zwiespältigen Verhältnis einer jungen Generation von Schwulen, Lesben und Transgender Ausdruck zu verleihen, für die das Kinderkriegen und Kinderhaben längst nicht mehr so abwegig erscheint wie noch für die Generation vor ihnen, die sich jedoch auch nicht in das Korsett der heterosexuellen Kleinfamilie drängen lassen wollen. Für Samson beginnen die Probleme dabei bereits mit der Frage, wo das Kind überhaupt herkommen soll, hat man sich erst mal für eines entschieden. Mit dem besten Freund/der besten Freundin in die Kiste steigen? Sich um ein Pflegekind bewerben? Künstliche Befruchtung (soweit möglich)? Schützenhilfe für derlei Fragen liefert Spinnin’, der Debütfilm des spanischen Regisseurs Eusebio Pastrana, der 2007 auf dem 16
schwullesbischen Filmfestival in Barcelona den Publikumspreis gewonnen hat und auch auf diversen anderen Festivals erfolgreich war. In Form einer recht losen Erzählstruktur mit unzähligen Nebenschauplätzen umreißt der Film die Schwierigkeiten, mit denen sich ein schwules Paar mit Kinderwunsch herum schlägt. Dabei wird gleich einen ganzen Stapel möglicher Problemstellungen durchgespielt: So zeigt sich für die beiden Protagonisten Gárate (Alejandro Tous) und Omar (Olav Férnandez) nicht nur recht früh, dass der geplante Weg eines Bündnisses mit einem befreundeten lesbischen Paar durchaus seine Tücken haben kann. Auch wird der hübsche Gárate die Zweifel an seiner Eignung als Vater nicht so recht los – seine Plan- und Ziellosigkeit steht ihm hier ebenso im Wege wie das schlechte Verhältnis zum eigenen Vater, das er als ideales Beispiel für das Scheitern von Familie begreift. Doch Pastrana belässt es natürlich nicht bei der bloßen Aufzählung und Beschreibung
von Problemen. Vielmehr geht es bei Spinnin’ darum, nachvollziehbar zu machen, wie kreativ und produktiv der einzelne Mensch werden kann, wenn er versucht, für sich eine den eigenen Wünschen und Sehnsüchten entsprechende Zukunftsperspektive zu entwickeln. Für dieses Plädoyer für individuelle Lebenslösungen hat der Regisseur die Form des mit Skurrilitäten durchsetzten und zugleich warmherzigen Feelgood-Movies im Geiste von Jean-Pierre Jeunets Amélie oder Michel Gondrys Science of Sleep gewählt. Soll heißen, dass gerade in tragischen Situationen auch gerne mal ältere Herren in Tütüs durchs Bild tanzen oder munter die Filmküsse durch das Hochhalten handgemalter Nummernschilder gezählt werden. Und natürlich fehlt auch das für diese Art von Filmen obligatorische Plädoyer für die Liebe als alles am Laufen haltende Urkraft nicht. Dabei kann Spinnin’ zwar in Sachen Originalität und Sinn fürs Detail nicht immer so ganz mit seinen großen Vorbildern mithalten. Gerade sein wunderbar leichtfüßiger Umgang mit dem Babythema ist Pastrana jedoch hoch anzurechen, macht der Film doch Mut, die vielfältigen Fallstricke, die mit der Entscheidung für ein Kind verbunden sind, auf sich zu nehmen. s Mehr zur Band MEN: www.myspace.com/men
Spinnin’
von Eusebio Pastranas ES 2007, 110 Minuten, OmU Edition Salzgeber, www.Salzgeber.de
Im Kino Gay-Filmnacht CSD-Special Termine und teilnehmende Kinos unter www.gay-filmnacht.de
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Zuhause von R i ng o Rösen e r
bildkraft
Zwei Frauen in einer prekär ausbalancierten Beziehung werden durch einen jungen Flüchtling herausgefordert, der unaufgefordert ihre lesbische, bürgerliche, Erste Welt betritt. Marco Simon Puccionis Liebes- und Gesellschaftsdrama RIPARO läuft im Sommer im Rahmen des CSD-Specials der L-Filmnacht in mehreren deutschen Städten.
s Anna ist für Mara da. Sie findet den Reisepass, wenn er verloren scheint. Sie macht das Portemonnaie ausfindig, wenn es verschwunden ist. Sie behält die Nerven, wenn Mara verzweifelt. Genau dafür braucht Anna Mara, sie ist gern für sie da – sie liebt sie. Zusammen kehren sie aus dem TunesienUrlaub zurück, als Anna erneut einen klaren Kopf behalten muss: An der Grenze entdeckt sie einen Jungen im Kofferraum ihres Autos. Ohne es Mara zu sagen, schmuggelt sie ihn mit nach Italien. Sie ist die Beschützerin. Anis ist Marokkaner, der eigentlich nur zu seinem Onkel nach Italien wollte. Doch dieser ist schon nach Deutschland verschwunden. So nimmt Anna ihn auf. Sie ist die Tochter einer recht wohlhabenden italienischen Familie, in der sie immer alles bekommen hat und nun nicht anders kann, als anderen zu helfen. Mara bekommt Angst, denn all das, was für sie Sicherheit im Leben bedeutet, ist Anna. Diese hat ihr zum ersten Mal das Gefühl von Liebe vermittelt. Sie hat
ihr Sicherheit gegeben in einer Welt, in der Mara nur zu den schlicht arbeitenden Menschen gehört und nicht die Kraft aufbringt, dem sterbenden Vater zur Seite zu stehen. Anis, der zunächst nicht realisiert, in welcher Art von Beziehung er da hineingeraten ist, verliebt sich in Mara und kämpft um sie. Ohne es zu ahnen, bringt er das Beziehungsgleichgewicht, das auf den Stärken und den Wünschen von Anna beruht, ins Wanken. Annas Schutzschirm ist für Mara längst zum Käfig geworden. Doch will sie aus dem wirklich ausbrechen? Es ist dieser fast erwachsene Junge, der in das Gefüge von Liebe, Schutz und Halt einbricht und das Zusammenleben der beiden auf die Probe stellt. Dabei legt Regisseur Marco S. Puccioni gezielt die Finger in die Wunde eines Beziehungslebens. Denn – und vielleicht gilt das gerade für gleichgeschlechtliche Partnerschaften – was macht man, wenn ein Dritter, sei es ein Kind oder ein Halberwachsener, in das gut ausbalan-
cierte Wechselspiel zweier Menschen tritt? Es ist das Vertrauen, das sich Anna und Mara gegenseitig schenken, das sich in Angst und Eifersucht aufzulösen beginnt und die Fragilität ihres Fundaments offen legt. Puccioni ist es zu verdanken, aus diesem Dreiecksverhältnis ein sensibles und äußerst differenziertes Beziehungsbild zu entwerfen. Darüber hinaus eröffnet er einen Blick auf ein Europa, das der Vision afrikanischer Einwanderer überhaupt nicht entsprechen kann. Dabei gelingt es den weiblichen Hauptdarstellerinnen Maria de Medeiros und Antonia Liskova, ihren Figuren eine Tragweite und Zärtlichkeit zu geben, die man seit geraumer Zeit in den italienischen Produktionen vermisst. Zusammen erzählen sie eine Geschichte, die da ihren Anfang nimmt, wo andere den Sinn der Liebe sehen: Riparo – Schutz. s
Riparo – Zuhause
von Marco S. Puccioni IT 2007, 100 Minuten, OmU Edition Salzgeber, www.Salzgeber.de
Im Kino L-Filmnacht CSD-Special Termine und teilnehmende Kinos unter www.l-filmnacht.de
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nachruf
WERNER SCHROETER 7. A pr i l 1945 — 1 2 . A pr i l 2010
„Als nächstes möchte ich James Baldwins ‚Giovanni’s Room‘ verfilmen, eine außergewöhnliche Liebesgeschichte und der Versuch, Sexualität in Eros umzusetzen – weniger seifig als ‚Brokeback Mountain‘.“ werner schroeter im april 2009
Foto aus: „Daniel Schmid – Le chat qui pense“ von Pascal Hofmann und Benny Jaberg, CH 2010. Text aus: James Baldwin, Giovannis Zimmer, übersetzt von Axel Kaun und Hans-Heinrich Wellmann, Rowohlt.
s Nie werde ich den Blick vergessen, mit dem er mich beim Abschied ansah. Das Morgenlicht füllte den Raum und erinnerte mich an so viele Morgen, besonders an den ersten, den ich hier erlebt hatte. Giovanni saß nackt auf dem Bettrand und hielt ein Glas Cognac in den Händen. Sein Körper war sehr weiß, das Gesicht feucht und grau. Ich stand mit meinem Koffer an der Tür, die Hand auf der Klinke, und sah ihn an. Ich hätte ihn so gern um Verzeihung gebeten. Aber das wäre ein zu großes Bekenntnis gewesen; jede Nachgiebigkeit in diesem Moment hätte mich für immer mit ihm in jenes Zimmer gesperrt. Und in einer Weise wollte ich das, genau das. Ein Zittern durchlief mich, wie der Beginn eines Erdbebens, und eine Sekunde lang hatte ich das Gefühl, in seinen Augen zu ertrinken. Sein Körper, der mir so vertraut geworden war, schimmerte in dem Licht, elektrisierte und verdichtete die Luft zwischen uns. Dann sprang etwas in meinem Gehirn auf, eine geheime Tür öffnete sich lautlos, 18
Barbara Klemm, T&C Film AG
nachruf
und ich erschrak: Unvermutet war mir der Gedanke gekommen, dass ich, indem ich vor seinem Körper floh, die Macht seines Körpers über mich bestätigte und verewigte. Wie ein Brandmal prägte sich sein Körper in meine Gedanken, meine Träume ein. Und währenddessen wandte er keinen Blick von mir. Für ihn schien mein Gesicht durchsichtiger zu sein als ein Schaufenster. Er lächelte nicht; seine Miene war weder ernst noch gekränkt, noch traurig, sie war unbewegt. Er wartete wohl darauf, dass ich den Schritt zurück täte und ihn wieder in die Arme nähme – er wartete, wie man an einem Sterbebett auf ein Wunder wartet, an dem zu zweifeln man nicht wagt und das doch nicht geschehen wird. Ich musste hier heraus, denn mein Gesicht verriet zuviel von dem Kampf, der in meinem Körper tobte. Meine Füße weigerten sich, mich noch einmal zu ihm zu tragen. Der Wind meines Lebens blies mich fort. „Au revoir, Giovanni.“ s 19
warner home video
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„Angels in America“ von Mike Nichols (2004)
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abschiedsblicke von Pau l Sch u l z
Vor 25 Jahren musste Manfred Salzgeber einen Filmverleih gründen, um den ersten amerikanischen Film über Aids in die deutschen Kinos bringen zu können: „Buddies“. Ein Vierteljahrhundert später erscheint das positive Familienepos „Was Liebe heißt“ im selben Filmverlag. HIV auf der großen und kleinen Leinwand: eine Bestandsaufnahme.
s Geneigter Leser, geneigte Leserin, es ist sehr einfach: Ohne HIV und Aids würden Sie sich gerade langweilen. Denn ohne das Virus, seine tödlichen Folgen und die künstlerischen Reaktionen queerer Filmemacher darauf, gäbe es das moderne schwullesbische Kino gar nicht. Und die SISSY somit auch nicht. Die Liste der Filmschaffenden, deren Karriere auf der Berichterstattung über oder der künstlerischen Verarbeitung von HIV und Aids fußt oder die sich intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt haben, ist lang, und so gut wie alle prominenten Namen des internationalen queeren Kinos und Fernsehens der letzten 25 Jahre sind darauf zu finden: Derek Jarman, Rosa von Praunheim, Ron Cohen und Daniel Lipman, Rob Epstein und Jeffrey Friedman, Pedro Almodóvar, Martin Sherman, Manfred Salzgeber und viele, viele andere. Das hat einen einfachen Grund. Es gab für fast fünfzehn Jahre kein wichtigeres Thema. Alle Emanzipations- und Genderdebatten, alle Gleichstellungsfragen und politischen Verhandlungen der queeren Community wurden im Zeitraffer Mittel zum Zweck: Leben retten, das der Andereren oder das eigene, Geld beschaffen, für Forschung und Betreuung, Angst abbauen, die der Anderen oder die eigene, Aufklärung betreiben, damit einen radikale Christen oder die Gauweilers dieser Welt nicht in Lager sperren, sich, bevor man starb, wütend oder ruhig, aber in jedem Falle schnell, erklären, gegenüber den Anderen und gegenüber sich selbst. Der Teufel lachte bis zur Erfindung der Kombina tionstherapien ab 1981 von jeder schwulen Wand und die akute und permanent wahrnehmbare tödliche Bedrohung durch das Virus führte zu einer nie da gewesenen Beschleunigung und Radikalisierung queerer Kunst. Die große Überraschung: Es stellte sich heraus, dass schwule Männer dann am besten über HIV und Aids erzählen konnten, wenn sie das in Form von Familiengeschichten taten. Waren die 1960er und 70er dazu gut gewesen, sich seine Wahlfamilien aufzubauen oder einen Waffenstillstand mit der Blutsverwandtschaft auszuhandeln, damit man in Frieden leben konnte, galt es jetzt,
die gewachsenen Strukturen gegen die mit den ersten Meldungen über HIV einhergehende neue Wucherung der Homophobie zu verteidigen oder bislang undenkbare Bündnisse mit der eigene Mischpoche zu schließen, auch und gerade im Film. Das illustrierten erst mal vor allem amerikanische und englische Filmemacher auf der großen und kleinen Leinwand. Buddies von 1985 und An Early Frost – Ein früher Frost aus demselben Jahr waren die ersten Filme ihrer Art und eröffneten beide Frontlinien des Schlachtfeldes über die Deutungshoheit des Themas. Beide Streifen haben sich erstaunlich gut gehalten. John Ermans An Early Frost ist ein eigentlich klassischer amerikanischer Fernsehfilm über eine fatale Krankheit, mit der sich der Sohn einer gutbürgerlichen Familie ansteckt und an der er schließlich stirbt, jubelte dem Publikum aber parallel zur „Movie of the Week“-Ästhetik ein paar unglaubliche
„Im Chaos der Bilderflut zeige ich euch das allumfassende Blau.“ blue Dinge unter: Männer lieben sich und haben Sex miteinander, Mütter lieben ihre schwulen Söhne, Väter auch, das amerikanische Gesundheitssystem ist eine Katastrophe und auch erfolgreiche Karrieren schützen nicht vor dem sozialen Abstieg, erkrankt man an der „Schwulenseuche“. An Early Frost entschied an einem Abend über die Relevanz und Mainstreamfähigkeit des Themas in den USA: Er hatte die höchsten Einschaltquoten der Sendergeschichte, wurde in allen wichtigen Medien verhandelt, bescherte Indie-Ikone Gena Rowlands als toughe Mutter einen Karrierehöhepunkt und machte Aidan Quinn in seinem erst dritten Film und einer schwulen Rolle zum Star. Etwas, das vorher niemand für möglich gehalten hätte. Die An Early Frost-Produzenten Ron Cohen und Daniel Lipman würden 15 Jahre später für eine weitere Revolution im amerikanischen Fernsehen sorgen: Queer as Folk. Die Serie erzählt unter anderem auch die längste 21
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edition salzgeber (4)
und immer noch aktuellste HIV-Geschichte: Die von Michael und Ben, einem Paar mit unterschiedlichem HI-Status, das das Publikum über vier Jahre begleiten und beobachten kann. Buddies, den Berlinale-Vizekönig Manfred Salzgeber so wichtig fand, dass er, um ihn verleihen zu können, den nach ihm benannten Filmverleih gründete, ist ganz anders als An Early Frost: ein kleiner, dreckiger, dringender Indie, der näher an seinen Figuren ist und eine völlig andere Ästhetik bedient. Aber auch dieser Film war für seine Verhältnisse überaus erfolgreich, so wie eine ganze Reihe schwuler Independent-Filme über oder von HIV-Positive(n) in den nächsten Jahren: Gregg Arakis The Living End, Bill Sherwoods Parting Glances, John Greysons Zero Patience, Norman Renés Longtime Companion. Diese Filme verhalfen dem amerikanischen unabhängigen Kino zu neuer Blüte und Relevanz und bereiteten den Boden dafür, dass Filmemacher wie Gus van Sant heute große Stars sind und heterosexuelle Schauspieler schwule Rollen spielen wollen. Denn die Filme waren interessant, innovativ gemacht, gesellschaftlich aussagekräftig, finanzielle Erfolge und wurden vielfach preisgekrönt. Der erste Film über Aids, der einen Oscar erhielt, war 1989 die Dokumentation Common Threads: Stories from the Quilt von Robert Epstein, der schon für The Times of Harvey Milk einen Academy Award bekommen hatte. In Deutschland liefen parallel die Filme der Aids-Trilogie von Rosa von Praunheim, der 1986 schon die Dokumentation Ein Virus hat keine Moral gedreht hatte. Das Virus kannte sie nicht, die europäischen Regierungen und Gesundheitssysteme schon. Verglichen mit der Welle der Vernichtung, die aufgrund der politischen Ignoranz durch die amerikanischen Großstädte schwappte, erkannte man HIV in Europa schnell als gesamtgesellschaftliches Problem. Die längst formierte Selbsthilfe schwuler Männer wurde viel schneller und breiter politisch unterstützt als in Amerika. Vielleicht dauerte es deswegen so lange, bis sich mit Cyril Collards Les nuits fauves – Wilde Nächte, ein großer europäischer Spielfilm mit dem Thema befasste. Collard starb 1994, im gleichen Jahr, in dem der schmerzhaft wütende Streifen in die Kinos kam, an den Folgen von Aids. Der Film wurde ein großer Erfolg und stachelte mehrere öffentliche Debatten über den gesellschaftlichen Umgang mit HIV und Aids an. Der erste wirkliche Hollywoodfilm über einen HIV-positiven brachte zwar Tom Hanks einen Oscar ein und war ein Kassenschlager, aber Philadelphia verstörte, ebenfalls 1994, und somit fast 10 Jahre nach An Early Frost, viele schwule Zuschauer und Kritiker wegen seiner schlecht getarnten Sexualfeindlichkeit und seiner enormen Rührseligkeit. Dabei hatte es mit And The Band Played On und Jeffrey Anfang der 1990er längst vor Stars strotzende und sehr gelungene Versuche gegeben, die Auswirkungen der Krankheit einem breiten Publikum im amerikanischen und internationalen Kino und Fernsehen näher zu bringen. Aber es dauerte weitere zehn Jahre, bis sich der amerikanische Pay-TV-Sender HBO 2004 unter der Regie von Oscar-Preisträger Mike Nichols an den vielleicht ultimativen Text zu HIV und Aids traute und mit der Verfilmung von Tony Kushners Bühnenstück Angels in America den bislang größten künstlerischen Mainstream-Erfolg zum Thema vorlegte. Auch hier wird komplexe Familiengeschichte erzählt und der Film lässt das schwule HIV-positive New York und den tief religiösen Mittelwesten der USA aufeinander prallen und im kleinsten Rahmen, aber mit riesiger Fantasie, große gesellschaftliche Fragen beantworten.
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Von oben: „Common Threads – Stories from the Quilt“ von Rob Epstein und Bill Couturier (1989), „Was Liebe heißt – Sa raison d’être“ von Renaud Bertrand, „Blue“ von Derek Jarman (1993), „Buddies“ von Arthur J. Bressan (1985).
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Auf solcher Breite und mit so viel erzählerischer Finesse hatte das europäische Kino sich bis dahin nie mit HIV und Aids beschäftigt. Filme wie Derek Jarmans Blue haben ihre Macher zwar überlebt und faszinieren in Form und persönlicher Aussage nach wie vor, sind für das Mainstreampublikum aber ungeeignet. Den ersten europäischen Film, dem es gelingt, HIV als historisches Phänomen für eben jenes Publikum aufzubereiten, gibt es erst jetzt. Er heißt Was Liebe heißt (Sa raison d’être), kommt aus Frankreich und erscheint – wie Buddies vor 25 Jahren – in der Edition Salzgeber. Die mehr als dreistündige Fernsehproduktion erzählt von der Liebe des blonden, heterosexuellen Hünen Bruno zum schwulen Bruder seiner Freundin, Nicolas: eine große, fulminante Geschichte über Wahl- und Herkunftsfamilien. Regisseur Renaud Bertrand erzählt davon, wie die beiden ein Kind großziehen, nachdem die Mutter bei einem Bombenanschlag ums Leben kommt, von Schwierigkeiten mit den Großeltern, von den Verheerungen, die HIV in der schwulen Szene Frankreichs hervorruft genauso wie von den Problemen, die heterosexuelle Umfelder mit HIV haben. Denn der Infizierte ist nicht Nicolas, sondern Bruno. Der ist während einer Operation über eine Blutkonserve mit HIV infiziert worden. Ein Thema, das in den Anfangsjahren von HIV und in Filmen wie Our Son oder The Sweet you are vom amerikanischen Fernsehen gern aus der Perspektive von Müttern mit HIV-positiven Kindern erzählt wurde. Die „unverschuldete“ Infektion wird in Was Liebe heißt zum Modus Operandi und ein bisschen zum Deus ex machina, um im Jahresrhythmus die Veränderungen und Entwicklungen der Figuren und durch sie die der französischen und europäischen Gesellschaft zu beschreiben, die durch HIV und Aids hervorgerufen werden.
Was Liebe heißt – Sa raison d’être
von Renaud Bertrand
Blue
von Derek Jarman
FR 2007, 200 Minuten, OmU
GB 1993, 74 Minuten, OmU + dt. SF
Edition Salzgeber www.salzgeber.de
Edition Salzgeber www.salzgeber.de
Ein Virus kennt keine Moral
Engel in Amerika
von Rosa von Praunheim DE 1986, 84 Minuten, dt. OF
direkt bei Rosa von Praunheim www.rosavonpraunheim.de
von Mike Nichols
US 2003, 337 Minuten, OmU + dt. SF Warner Home Video www.warnerbros.de
„Wir sind nur ein schlechter Traum, den die echte Welt hat. Und jetzt wacht die echte Welt auf.“ angels in america
Es gibt kaum ein Thema, das in dem Epos nicht verhandelt wird: Sterbehilfe, Sex unter Partnern mit unterschiedlichem Sero-Status, wie und ob HIV-Positive Kinder haben können, das Sterben einer ganzen Generation schwuler Männer, das Versagen politischer Organisationen und Strukturen im Umgang mit HIV, wie sich ein Arbeitsumfeld zu Positiven verhält oder eben nicht. Nichts davon ist belehrend, alles ist mit großer Sachkenntnis, emotionaler Tiefe und oft überraschendem Humor aufbereitet, und die Darsteller tun ihr Möglichstes, um das Innenleben ihrer Figuren nach außen zu kehren. Der Film bleibt in seiner Ästhetik bei klassischen Fernsehbildern, was ihm aber gut tut: Die Geduld, die die Macher beim Erzählen ihrer Geschichte beweisen, überträgt sich schnell auf den Zuschauer und sorgt für eine Konzentration auf die Figuren und das, was ihnen geschieht. Was Liebe heißt war lange überfällig. Schön, dass es ihn jetzt gibt. Mit der Entwicklung von Aids von der tödlichen Bedrohung einer ganzen Szene zur chronischen Krankheit, ist HIV in den Erzählungen des schwulen Kino in den letzten Jahren in den Hintergrund getreten. Positive sind ein selbstverständlicher Teil des queeren Figurenkanons geworden, siehe die auch in diesem Heft besprochenen A Perfect Son und Hollywood, je t’aime.
Longtime Companion
Zero Patience
US 1990, 95 Minuten, OmU + dt. SF
CA 1993, 97 Minuten, OmU
von Norman René
MGM Home Entertainment www.mgm.com
von John Greyson Pro-Fun Media, www.pro-fun.de
The Living End
Jeffrey – It’s Just Sex
USA 1992, 81 Minuten
US 1995, 90 Minuten, OmU + dt. SF
CMV Laservision, www.cmv-laservision.de
Kinowelt, www.kinowelt.de/dvd
von Gregg Araki
von Christopher Ashley
Weitere Filme An Early Frost
von John Erman, US-Import, Wolfe Video
Auch hier imitiert die Kunst das Leben, wie so oft im Kino.
s
Philadelphia
von Jonathan Demme, Sony Pictures Home Entertainment
Common Threads
von Rob Epstein und Bill Couturier, Edition Salzgeber (ab Oktober 2010)
Parting Glances
von Bill Sherwood, UK-Import, Second Sight Films
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Der Moment von Gu n t h e r Ge lt i nge r
Gunther Geltingers gewagtes Romandebüt „Mensch Engel“ über einen liebes gestörten jungen Mann, dessen Ich-Erleben nur durch Sprache zusammen gehalten wird, gehört zu den tollsten Not-Coming-Of-Age-Geschichten der deutschen Literatur. In seiner filmischen Momenterkundung geht es ihm um das (Weg-)Lachen eines ebenso gewagten Spielfilmmonsters: Tom Kalins „Savage Grace – Wilde Unschuld“. Im Lachen steckt nämlich das Nicht-Wissen, wusste Georges Bataille. s Das Gelächter hinter mir ertönt, als sich Barbara Baekeland, nach einem quälend leeren Dialog über die Designerknöpfe von Tonys offenem Hosenstall, den Rock hochzieht und auf den Schoß ihres Sohnes grätscht. Es flammt auf wie ein lang schon im Schutz der Dunkelheit schwelender Brandherd und züngelt fiebrig durch die Kinoreihen, während sich die Mutter auf dem reglosen Körper ihres Kindes in mechanischen Bewegungen zum Höhepunkt bringt. Von der Savage Grace, jener wilden Anmut oder gefährlichen Würde, mit der sich die schönen, schwermütigen Körper von Julianne Moore und Eddie Redmayne, auf denen die Sommersprossen und die seltsame Luzidität der Haut die filmische Blutsverwandtschaft verraten, durch die kalt fotografierten, von der Hitze der spanischen Sonne durchflirrten inzestuösen Räume unaufhaltsam aufeinander zubewegten, ist hier, auf dem schlammfarbenen Siebziger-Jahre-Sofa in der düsteren Londoner Wohnung, nichts mehr zu spüren. Anders übersetzt könnte der Titel auch die grausame Geste letzter Gnade meinen, die Barbara über ihren Sohn walten lässt, als sie den abgebrochenen Liebesakt schnell mit der Hand zu Ende bringt. Die Flammen lodern empor. In dem jämmerlichen Orgasmus kulminiert Tonys ganzes Leben, offenbart sich der Sinn seiner Geburt, mit der der Film beginnt; schon in den ersten Szenen wird der Säuglingskörper zum Austragungsort der sexuellen Machtkämpfe des schwerreichen amerikanischen Ehepaars Barbara und Brooks, die ihr Geld, ihre Leidenschaft und das Leben ihres Sohnes allein darauf verwenden, sich gegenseitig zu zerstören. You are the best, seufzt Barbara, nachdem sie sich ihr Kind wieder einverleibt hat. Der Kinosaal brennt. Ich drehe mich wütend um. Was gibt es hier zu lachen? Doch auch Barbara Baekeland lacht. Als sie den verstörten kleinen Tony zwingt, bei einem Dinner eine Stelle aus De Sades „Justine“ vorzulesen, nutzt Brooks die Gelegenheit zur öffentlichen Bloßstellung seiner Frau. Statt Rache zu üben, lässt sie sich in der Nacht darauf von ihrem Demütiger wie eine Hündin von hinten nehmen, doch im Spiegel sehen wir für einen Moment ihr stolzes, maliziöses Grinsen. Später, während Tony unter Cadaqués’ barbarisch goldener Sonne in sehnsüchtigen Briefen seinen abtrünnigen Vater anfleht, zu seiner Familie zurückzukehren, verführt Barbara, die Malerin aus Langeweile, ihren schwulen Förderer Sam, der eben noch mit Tony geschlafen hat. Denn Tonys sexuelle Identität, bisher gekrallt in die hitzig dunkle Haut seines spanischen Jugendfreunds Black Jake, scheint nur eine Loyalitätsbekundung gegenüber Barbara und ihrer anämischen Liebe zu sein, und Mütter wissen stets mehr über ihr Kind als das Kind über sich selbst: Als sich Tony zu ihr und Sam ins Bett legt, erwacht sie, sieht ihren Sohn an den gemeinsamen Liebhaber geschmiegt und bricht in schallendes Gelächter aus. Tony, dem Leibeigenen, bleibt nichts anderes übrig, als einzustimmen, und während sie lachend von beiden Seiten nach Sam greifen, tauchen ihre Hände bereits durch den Körper des Dritten hindurch und streben aufeinander zu. „Das Gelächter ist göttlicher, und es ist sogar unfassbarer als die Tränen“, schreibt Georges Bataille, der sich vielleicht auch im Dunstkreis der Baekelands bewegt haben mag, wie Marcel Duchamp, Picasso und andere künstlerische Größen dieser Zeit der Umbrüche und Ausschweifungen. Es schallt herüber aus dem Tod, dem Tabu der ins Dunkle verbannten Höllenfeuer, und es entzündet sich auf der Grenzlinie des Verbots, bei dessen Überschreitung es zum Handlanger und Henker wird. Es ist das letzte, was Tony nach dem Fick mit der Mutter noch von seinem Leben hört, als er das Halsband seines verstorbenen Hundes Giotto sucht – und damit den einzigen Schmerz, das einzig echte und eigene Gefühl seiner Kindheit. Als er es findet, steckt er sich den Daumen in den Mund. You are not a fucking baby!, ruft Barbara und sinkt bald darauf in seine Arme, ein Brotmesser im Bauch. Für einen Moment, kurz, bevor sie zu Boden stürzt, nähern sich ihre Münder wie zum Kuss. Im Kinosaal herrscht Totenstille; ich höre nur das feige Knistern einer Popcorntüte, dann das träge Rattern der Zeit überm Abspann und das Rieseln der Asche in den aufspringenden Schößen, jetzt, da ich endlich, endlich lachen will. s
Wilde Unschuld von Tom Kalin
USA/ES 2004, 94 Minuten, DF Concorde Video www.concorde-home.de
Mensch Engel
von Gunther Geltinger Roman, 272 Seiten Schöffling & Co. www.schoeffling.de
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DVD
NARBENVERGLEICH von Ja n K ü n em u n d
Cyril Legann schickt in seinem neuen Film einen selbstvergessenen Jugendlichen in den katholischen Masochismus. „Jonathan – Die Passion“ erscheint im Juni auf DVD. s Das Zimmer eines Fünfzehneinhalbjährigen (das „einhalb“ wird selbstbewusst betont). Zwischen einem überfüllten Schreibtisch aus Sperrholz und einer Art Sofa mit fleckigem Überwurf ist das Jugendbett eingezwängt. An der gelblich gestrichenen Wand hängt ein Manga-Poster mit wilden blonden Jungs in Fußballklamotten, an der Tür ein Stück Pappe, das in Form eines Trikots aus einer Marlboroschachtel ausgeschnitten ist. Auf dem Schreibtisch steht eine Wasserpfeife, im Regalfach eine Tasse mit dem großen Aufdruck „Big Boss“. In der Unordnung aus Heften, Büchern, Papiermüll, alten Kartons fällt ein stilisiertes Schwarzweißfoto einer Frau auf (wir erfahren später, dass es die verstorbene Mutter zeigt). Über dem Bett – massiv, dunkel, autoritär – hängt ein großes Kruzifix. Jonathan, fünfzehneinhalb, liegt auf seinem Bett und raucht. Das Laken unter ihm ist in kindlichem Hellblau, mit großen gelben Comic-Gesichtern darauf. Mit der gräulichen Bettdecke hat er nur seinen Schwanz bedeckt, ansonsten ist er nackt. Er schwitzt etwas, ein Sonnenstrahl fällt durch das Fenster auf seinen Arm, der die Zigarette hält. Es ist seine dritte Marlboro an diesem Nachmittag, wie man anhand der Kippen im Aschenbecher neben ihm erkennen kann. 26
Von draußen hört man Hofgeräusche, eine Sirene in der Ferne, Vogelgezwitscher. Ein selbstvergessener Moment der Langeweile. Eigentlich die onanistische Szenerie eines Jungen, der für sich selbst nackt ist und verbotene Zigaretten raucht. Doch Jonathan onaniert nicht – er verbrennt sich mit der Zigarette, absichtlich, zuerst einzelne Schamhaare, dann die nackte Haut auf seiner Brust. Die Kamera bleibt nicht beim voyeuristischen Abfilmen des selbstvergessenen Körpers – überdeutlich ist sie ihn zuvor abgefahren und auf dem großen Kruzifix über Jonathans Kopf stehen geblieben. Schon hier wird alles Erotische sublimiert. Jonathan onaniert nicht, er begeht eine religiöse Handlung. Der Vater platzt ins Zimmer und beendet das Ritual. Nur mühsam konnte Jonathan schnell noch in die Unterhose schlüpfen, etwas Rauch mit dem Schulheft Richtung Fenster wedeln und eine trotzige, aggressive Haltung einnehmen. Der Vater droht dem Sohn, der Sohn macht dem Vater Vorwürfe. So weit, so Pubertät. Die Genauigkeit in den Details jugendlicher Pubertätsräume ist schon aus den bisherigen zwei Filmen des 29-jährigen Regisseurs Cyril Legann bekannt. Im ersten Kurzfilm Contradictions (2002) ist es die rosa Hölle eines über den Fotos schöner Jungs weinenden Transvestiten, ein mit Pierre & Gilles ausstaffiertes Inventar nicht gelebten Lebens, ein Traum- und Sehnsuchtsraum, in dem Liebe, Gewalt und wilde Leidenschaft zusammenfantasiert wurde, wovon der noch viel zu junge Filmemacher wohl noch selbst nicht viel Ahnung hatte. Im ersten halblangen Spielfilm Comme un frère (Brüder, 2005) schließlich stellt ein sexuell erwachender Jugendlicher ebenfalls einiges mit seinem Zimmer an. Seiner Frustration unter den Jugendlichen eines bretannischen Kaffs entflohen, kommt er im Pariser Gästeraum des Vaters unter, räumt die Bibel und das Modellschiff beiseite, breitet seine Kosmetika, seine Stofftiere und einen Ghettoblaster aus, legt (ausgerechnet) „En Rouge et Noir“ von Jeanne Mas auf, stellt sich vor den Spiegel und zieht sich für die schwulen Clubs der Nacht um. In einem einzigartig narzisstischen Ballett, das nicht zufällig in der „Film und Psychoanalyse“-Ausstellung der Deutschen Kinemathek (2006) als Endlosschleife lief. Leganns Blick auf die Details (schwuler) jugendlicher Selbstdarstellung hat viel mit inszenatorischer Präzision, aber auch mit eroti-
DVD
von Mädchen, teilen sich den Kopfhörer ihres iPods und suchen nach gemeinsamen Grenzerfahrungen (entweder Pornokino oder Dope). Legann schickt sie in seinem Film auf einen Trip, in den Keller des Kleinganoven Antoine, der sich „Shooter“ nennt und ihnen tatsächlich Mädchen und Dope anbietet. Mit beidem können sie nicht viel anfangen und Steve geht auch schnell wieder nach Hause, zum Abendessen. Jonathan schläft auf einer Matratze ein, erwacht gefesselt und geknebelt und erlebt eine wüste Nacht mit Shooter, der auch nur ein Großmaul und also ein verletzlicher Junge ist, der seine sexuellen Wünsche sublimiert. Die beiden schlagen sich und streicheln sich, zeigen sich ihre Knarren und ihre Narben. Und Jonathan fällt nach dieser Nacht nichts anderes ein, als zum Pfarrer zu laufen und aus sich einen gemarterten Christus zu machen, der sich für die Sünden der Shooters dieser Welt ans Kreuz schlagen bzw. ins katholische Internat schicken lässt. „Unter den Priestern gibt es sehr viel Einsamkeit“, warnt der Pfarrer, doch Jonathan will nicht hören in seiner Leidens euphorie. Und als er seinen Eltern den Vorschlag macht, Priesterschüler zu werden, lächelt er zum ersten Mal. Der Film zeigt ein eigenartig verqueres Coming-Out, vom sozialen Drama direkt in den katholischen Masochismus. Nachdem man sich lange genug an diesem selbstvergessen, in Muscleshirt und roter Sporthose, mit einem goldenen Kreuz an der Halskette durch die Welt bzw. die Pariser Vororte laufenden Jugendlichen halb amüsiert und halb fasziniert festgeschaut hat, fängt man plötzlich einen Blick von Shooter auf, auf dessen nackter Brust Jonathan gerade eingeschlafen ist. Dieser ist direkt in die Kamera, über Jonathan hinweg in unsere Augen gerichtet: ein Einverständnis in dieser schwulen Pietà ist hergestellt darüber, dass der jugendliche Held gerade kein göttliches Zeichen erfährt, sondern ein ausgesprochen weltliches. Ein schöner Trick dieses durch und durch schaulustigen Films. s
Jonathan – Die Passion von Cyril Legann
FR 2008, 50 Minuten, OmU Edition Salzgeber, www.salzgeber.de
Brüder
von Cyril Legann FR 2004, 55 Minuten, OmU Edition Salzgeber, www.salzgeber.de
edition salzgeber (2)
scher Aufladung von Jugend an sich zu tun. Der perfekt zwischen Kindlichkeit und männlicher Ausstrahlung gecastete Fabien de Marchi läuft als Jonathan so naiv durch diesen Film, als wäre er sich nicht im Mindesten seiner Wirkung bewusst. Und wir können ihn ungestört betrachten wie die Dinge seiner Welt, mit denen ihn die Requisite ausgestattet hat. Doch aus der Ahnungslosigkeit seiner selbst entwickelt Legann auch sein Thema der Passionsgeschichte: wie ein Junge, der keine Idee von sich und seiner Sexualität hat, sich in einem merkwürdigen Erklärungssystem verirrt, das – alle aktuellen Alarmsignale leuchten rot auf – ausgerechnet im Schoß katholischer Jugenderziehung sein unseliges Ziel finden soll. Jonathan, der da auf seinem Bett seine Erfahrungen mit dem eigenen Körper und den Rauchverboten der Eltern macht, hat es, wie wir erzählt bekommen, nicht leicht. Sein katholisches Dauersublimieren aller negativen Erfahrungen lassen den Originaltitel des Films sogar von „Kreuzweg“ sprechen. Seine Mutter ist vor Kurzem gestorben, sein Vater wird durch ihn immer wieder quälend an sie erinnert, dessen neue Frau ist schwanger und möchte gerne – ohne Jonathan – ein neues Leben anfangen. Geld ist in dieser Familie keins da, noch nicht mal fürs Fußballtraining. Wir befinden uns in der Pariser Banlieue, in der Hochhauswohnung bricht der Putz an den Wänden auf und alle haben bestenfalls Platz, um sich auf die Nerven zu gehen. Jonathans bester Freund Steve kommt aus besserem Hause, doch da dessen Mutter sich um seinen „Umgang“ sorgt, ist Jonathan dort auch nicht willkommen. Auch zwischen Jonathan und Steve wird ordentlich sublimiert, denn Steve ist zwar ebenfalls gerne nackt allein auf seinem Zimmer, legt sogar zum Ausgehen etwas Rouge auf (wie seiner Mutter auffällt), zieht Jonathan seiner Freundin Charlotte vor, doch gesteht er weder ihm noch sich das ein. Beide reden also stattdessen
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Neu auf DVD von Pau l Sch u l z , H a n no St e ch e r , Ja n K ü n em u n d u n d Joh a n n Pet e r W e rt h
viva – eine frau räumt auf
DAS FISCHKIND
US 2008, Regie: Anna Biller, Edition Salzgeber
AR/FR 2009, Regie: Lucía Puenzo, Edition Salzgeber
Hausfrau Barbi entdeckt in den 1970ern die Freiheit eines selbstbestimmten Sexlebens und begibt sich als „Viva“ auf eine erotische Odyssee. „Trotz aller Buntheit und allem Spaß, den der Film mit sich bringt – unter den plakativ dahin gemurmelten und völlig sinnentleerten Dialogen steckt ein ernster Kern. Biller beschäftigt sich mit der Frage, was Frausein überhaupt bedeutet. Die sexuelle Emanzipation, die Barbi/Viva erfährt, ist der Weg weg von einer Sexualität, die Frauen schon im Jugendalter von einer heteronormativen Gesellschaft aufgedrängt wird, hin zu einer eigenen und selbst bestimmten Art, sich auszuleben. Dabei orientiert sich Biller an starken weiblichen Charakteren wie Mae West oder Barbara Stanwyck – Frauen, die sowohl in ihren Filmen als auch im Privatleben unabhängig waren. Doch diese Frauen sind, wie Billers Film, nicht in der Gegenwart angelegt, einer Gegenwart, die von Frauen wie Paris Hilton und Lindsey Lohan bevölkert wird. Hier setzt Billers feministische Debatte an.“ (Beatrice Behn in SISSY 4/09)
In Lucía Puenzos zweitem Film nach XXY flüchtet das rich girl Lala nach dem Mord an ihrem Vater mit dem Hausmädchen Guayi nach Paraguay. „Wie sehr Puenzo nicht aufs Idyllische, sondern seine Fragilität setzt, wird am als ‚ganz anderer‘ vorgestellten Schutzraum und Gegenort, der Heimat Guayis in Paraguay, vielleicht am deutlichsten. Was hier im titelgebenden magisch-realen Dingsymbol des ‚Fischkinds‘, des als Fischwesen geborenen/verlorenen Sohns der dreizehnjährigen Guayi, zusammenkommt, ist kein Kinderglück, sondern ein ins verzaubert Idyllische umgedeutetes Vergewaltigungs- und Verlusttrauma. Zu den Stärken des Films gehört die sehr eigene Stimmung – auch buchstäblich: Bild-Färbung – dieses anderen Orts: zwischen Trauma und Traum, Idylle und Schrecknis, Realem und Imaginiertem, Symbolismus und der Banalität, die darin besteht, dass Guayis Vater sich als abgehalfterter Fernsehstar erweist. Wohin immer die Figuren des Films vorstoßen, wohin immer sie, buchstäblich und metaphorisch, gelangen, immer erweist sich, was zunächst eindeutig scheint, als von Ambivalenzen unterschiedlicher Art durchzogen.“ (Ekkehard Knörer in SISSY 4/09)
ALLES WIRD GUT DE 1998, Regie: Angelina Maccarone, Edition Salzgeber
Lebenskünstlerin Nabou und Karrierefrau Kim haben eigentlich nichts gemeinsam, außer dass sie afro-deutsch sind. Aber natürlich sind sie am Ende ein Paar. Alles wird gut, die grandiose Komödie von Angelina Maccarone über unterschiedliche Identitäten und kollektive Vorurteile, riss 1998 sogar die Variety („sexy, touching and fast-moving!“) zu Lobeshymnen hin und ist jetzt endlich auf DVD erschienen. „Und so wird fast ‚alles gut’ in diesem frühen Maccarone-Film, der ohne selbstmordbegehende, wahnsinnig werdende, umgebrachte oder sonst wie verzweifelnde Protagonistinnen auskommt. Und ob es ein Leben vor dem Tode gibt!“ (Birgit Binder in SISSY 4/09) 28
BITCH SLAP
die sogar schon mal in den Alpen ermittelt hat („Gib mir sofort die Daten, Dieter!“), Camero hat ihr Leben weitgehend unter fremder Frauen Röcken verbracht, und nur Trixie hat ein ehrbares Handwerk gelernt: Stripperin. Während Flintenweib Camero die Rolle der Einzelgängerin in schweren Stiefeln spazieren führt („Den besten Sex meines Lebens hatte ich mit einem Schlangenmenschen – ich weiß nicht mal ihren Namen!“), haben Hel (silberne Satinbluse) und Trixie (Cocktailkleid in Goldlamé) schon Pläne für ihre gemeinsame Zukunft auf einer einsamen Insel geschmiedet. (Erst in den letzten Minuten wird der Zuschauer durch eine pfiffige Auflösung beinahe überrascht.) In Anlehnung an die Tradition des Exploitation films hantieren die Protagonistinnen mit schweren Waffen und prügeln sich kunstfertig durch die Angelegenheiten. Im Gegensatz zu den Vorbildern aus den 1970ern traut sich dieser Film weniger Sex zu und setzt mehr auf die Überzeugungskraft der handfesten Rangelei. Aber das ist vermutlich dem Zeitgeist geschuldet, der zügige Schnitte mit fliegenden Fäusten in Zeitlupe kombiniert. Dem Film vorangestellt ist übrigens ein Zitat von Joseph Conrad: „Der Glaube an einen übernatürlichen Ursprung des Bösen ist unnötig; der Mensch selbst ist zu allen Formen der Bosheit fähig.“ Das wirkt zwar wie eine Rechtfertigung, denn so richtig böse ist hier niemand, aber mit allen anderen menschlichen Abgründen kann man hundert Minuten aufregend füllen. jw
AND THEN CAME LOLA US 2009, Regie: Ellen Seidler & Megan Siler, Pro-Fun
US 2009, Regie: Rick Jacobson, Splendid Film
Sechs D-Körbchen für ein Halleluja: Drei Damen begeben sich in die Wüste, um sich einen Haufen Diamanten unter die falschen Nägel zu reißen. Man streitet sich, buddelt ergebnislos im Sand und wenn einem die Mojave zu heiß wird, kippt man sich kurzerhand ein paar Kanister Wasser über die knapp bekleideten Leiber. Bis das Dreiergespann den Eingang zur Schatzkammer aufspürt, wird die Zeit mit Zank, ein wenig Anzüglichkeit und jeder Menge Rückblenden aufgefüllt, in denen wir mit dem Weg in diese Wüste vertraut gemacht werden. Hel ist eine Agentin (Deckname: Foxy69),
Lola (Ashleigh Sumner) hat viele Stärken, sei es in ihrem Job als Photographin oder in Sachen Liebesleben – gerade erst hat sie sich eine neue Freundin, die Traumfrau Casey (Jill Bennett), geangelt. Pünktlichkeit gehört allerdings nicht unbedingt zu ihren Vorzügen und so wird es für das hübsche Mädel brenzlig, als sie plötzlich innerhalb kürzester Zeit mehrere wichtige Termine miteinander vereinbaren muss, die sowohl für ihr berufliches als auch ihr privates Leben entscheidend sind. Von nun an sieht man Lola durch die Straßen und Hinterhöfe San Franciscos, ja, rennen, und zwar um ihr Glück und aufgehalten von allerlei
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skurrilen und erotischen Begegnungen. Und je mehr man sich als Zuschauer in das Geschehen dieser energetischen Independent-Romanze ziehen lässt, desto mehr verliert auch die Frage an Bedeutung, was dieser Streifen eigentlich mit dem deutschen Original zu tun hat. Ist ja auch wirklich nicht weiter wichtig. hs
WO WAREN WIR FRAUEN, ALS DIE MÄNNER ZUM MOND FLOGEN? BE/FR/CA/CH 2001, Regie: Chris Vander Stappen, Edition Salzgeber
1969 unternimmt eine Frau ihre persönliche Mondlandung, indem sie sich ihrer chaotischen Familie gegenüber outet. „Auf den ersten Blick einfach eine hübsche, einfallsreiche Coming-OutKomödie, die Spaß macht, weit entfernt vom Slapstickklamauk. Hinter dem subtilen, unverkennbar jüdischen Humor, mit dem Milieu und Charaktere inszeniert werden, scheinen aber durchaus ernsthafte Themen durch: Realitätsverweigerung, die Unwilligkeit einander zuzuhören, die verbissene Entschlossenheit, Fassaden um jeden Preis aufrecht zu erhalten und das auch noch mit Würde zu verwechseln. Aber auch die Verlockung, es sich in einer Opferrolle bequem zu machen, die anderen die Verantwortung für das eigene Unglück zuschreibt und ein aktives Leben verhindert. Dabei verliert der Film jedoch nie seine Leichtigkeit oder das Gespür für das richtige Timing. Dass nicht nur Sascha, sondern auch ihre schrecklich nette Familie am Ende doch noch die emanzipatorische Kurve kriegt, gönnt man ihnen von ganzem Herzen, an das sie einem längst gewachsen sind.“ (Jessica Ellen in SISSY 1/10)
Indian Summer GB 1996, Regie: Nancy Meckler, Edition Salzgeber
haariges, bisschen dickliches Etwas, das gerade so gar nicht in Tonios Leben passt und genau deswegen prompt darin stecken bleibt. Wie die beiden sich ineinander verlieben, aneinander wachsen und miteinander streiten, ist immer noch ganz großes Kino, weil es so uneitel und so ehrlich und so schreiend komisch ist. Jason Flemyng und Anthony Sher liefern als Tonio und Jack eine romantische Meisterleistung ab und Bill Nighy als Tristan ist wie immer zu gut, um mit irgendjemandem verglichen zu werden. Wer Indian Summer schon kennt, wird ihn wiedersehen wollen, wer ihn noch nicht kennt, sollte das schleunigst ändern. ps
Hollywood, je t’aime US 2009, Regie: Jason Bushman, Pro-Fun
DREI JUNGS, EIN MÄDCHEN, ZWEI HOCHZEITEN FR 2004, Regie: Stéphane Clavier, Edition Salzgeber
Es soll sie ja immer noch geben, die schwulen Jungs, die sich in ihren Heterofreund verlieben und sich dann auf allerlei Beziehungswirrwarr einlassen, anstatt sich um was Besseres zu kümmern. Mit wie viel Kreativität und Gerissenheit mancher bei dem Versuch vorgeht, den besten Freund von seinem Irrweg abzubringen, demonstriert Drei Jungs, ein Mädchen, zwei Hochzeiten eindrucksvoll. In der französischen Komödie ist es der Radiomoderator Dan, der seinen Mitbewohner Laurent, einen Therapeuten, mit allen (wirklich allen!) ihm zur Verfügung stehenden Mitteln doch noch irgendwie rumkriegen will. Denn dieser ist drauf und dran, überstürzt seine neue Flamme Claire zu heiraten. Dabei führt Regisseur Stéphane Clavier augenzwinkernd vor Augen, dass man mit solchen Umpolungsambitionen bisweilen auch wo ganz anders landen kann, als man es geplant hat. hs
THE BIG GAY MUSICAL US 2009, Regie: Casper Andreas & Fred M. Caruso, CMV
Indian Summer war schon, als er 1996 unter dem Titel Alive and Kicking in den deutschen Kinos lief, ein Publikumsliebling. Und das ganz zu Recht. Der Film war einer der ersten mit einer HIVpositiven Hauptfigur, in dem erst mal sehr viel und sehr kinotauglich gelebt wird, bevor die Krankheit irgendwen dahinrafft: Tonio ist der Startänzer einer Balletttruppe und will in „Indian Summer“, ihrem neuen Stück, seinen letzten großen Auftritt haben, bevor er als sterbender Schwan seinem Ex und seinem besten Freund in den Ballerinenhimmel folgt. Alles läuft nach diesem eher melodramatischen Plan, bis Jack auftaucht: ein
streng religiösen Südstaaten-Eltern ankündigen, ihn zu besuchen und sich das Musical anzusehen. Auf beiden miteinander verwobenen Ebenen geht es also entsprechend turbulent zu, während der Film mit viel Humor so ziemlich alle Themen abhandelt, die gerade so auf der schwulen Agenda stehen. Dabei muss sich The Big Gay Musical zwar vorwerfen lassen, dass es „schwul“ in einem sehr begrenzten Horizont definiert. Als reiner Unterhaltungsfilm funktioniert der Streifen trotzdem einwandfrei. hs
Hollywood, je t’aime erzählt, wie der Pariser Jerôme aus Liebeskummer nach Hollywood flieht und dort fast Karriere macht. Der Film ist eine klassische Fish-outof-Water-Comedy: Die Gegensätze der europäischen und amerikanischen Kulturen krachen höchst unterhaltsam, aber nichtsdestoweniger sehr vernehmlich aufeinander und die sozialen Probleme der real existierenden Traumfabrik werden wunderhübsch mitgedacht. Es gibt fröhliche Nutten, herzige Transen und mit Chad Allen auch ein bekanntes Gesicht, das als HIV-positiver, freundlicher Dealer sein Pretty-Boy-Image ablegen darf. Hollywood, je t’aime könnte ein nahezu perfekter Film sein, wäre die Hauptfigur nicht mit Eric Debets besetzt. Der ist zwar, wenn man auf französische Mittvierziger mit eindrucksvollen Nasen steht, sehr ansehnlich, macht durch seine reine Erscheinung aber die ständigen „Oh, you’re so hot“- und „Because you’re pretty“-Bemerkungen oder einen ständig wiederkehrenden Vergleich mit Adrian Brody zum großen, unfreiwilligen Running-Gag des Films. Aber auch der ist, wie der Rest von Hollywood, je t’aime, wirklich komisch. ps
Laservision
ROCK HAVEN Paul and Eddie sind Hauptdarsteller des Musicals „Adam and Steve. Just the Way God Made ’em“, ein mit Muskeljungs, Glitzerkostümen und Seitenhieben auf das konservative Amerika vollgepacktes Werk, das tatsächlich „schwuler“ nicht sein könnte. Das Drehbuch des Stücks weist erstaunliche Parallelen zum Leben der beiden Männer auf: Paul wurde von seinem Freund verlassen und stürzt sich jetzt ins ungehemmte Dating-Leben. Eddie hat gerade sein Coming-Out hinter sich und bekommt es mit der Angst zu tun, als seine
US 2007, Regie: David Lewis, Edition Salzgeber
Ein 18-Jähriger aus bibelfesten Kreisen verliebt sich in den Nachbarsjungen und gerät dadurch in einen religiösen Konflikt. „All das erzählt Regisseur David Lewis ohne übertriebene Gesten oder ausufernde Dramen. Die simple und geradlinig erzählte Story wird von beeindruckenden Landschaftsaufnahmen der Küstengegend nördlich von San Francisco eingerahmt, die der Dramatik des Geschehens eine idyllische, davon unberührte Natur 29
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entgegen stellen. Der Entstehung von Rock Haven liegt der Anspruch zugrunde, zu zeigen, dass (christlicher) Glauben mit jeglicher Form von sexueller Identität vereinbar ist und eine dementsprechende ‚Selbstfindung‘ sogar die Voraussetzung für ein gutes Verhältnis zum eigenen Gott ist. So wird auch das kleine Dorf Rock Haven nicht wie in vielen Coming-OfAge- und Coming-Out-Filmen als ‚Feindesland‘, sondern als eine Art Rückzugsort, als Ort des In-sich-Gehens begriffen und inszeniert.“ (Hanno Stecher in SISSY 1/10)
The Perfect Son
schwulen Filmsommers: Ist homosexuell zu sein eine Veranlagung oder eine Entscheidung? Kann man damit aufhören, wenn man sich anstrengt? Sollte man das, wenn man als Schwuler unglücklich ist? Aber, sind Heteros überhaupt glücklicher als Schwule? Regisseur Michael Selditch hat die ruhige, dialoglastige Form der Drama-Vorlage weitestgehend beibehalten. Das ist wunderbar, denn Fixing Frank handelt davon, was Menschen denken, was sie sagen und was die beiden Dinge unterscheidet. Deswegen ist Fixing Frank ein hochinteressantes, komplexes Drama, das mit minimalen cineastischen Mitteln auskommt. ps
CA 2000, Regie: Leonard Farlinger, CMV Laservision
Theo ist gerade mit seinem vierten Entzug fertig, als sein Vater stirbt. Auf dessen Beerdigung trifft er seinen älteren Bruder Ryan wieder. Der mag gut sitzende Anzüge, seinen Beruf als Anwalt und ein gewisses Maß an Ordnung. Theo mag laute Musik, kreatives Chaos und guten Stoff. Der „perfekte Sohn“ und der Chaot. Die beiden mögen sich nicht besonders. Aber das ändert sich, als sie sich kennenlernen: Ryan ist schwul und hat Aids. Er braucht Theos Hilfe beim Leben – und beim Sterben. Der Jüngere zeigt dem Älteren, wie man es richtig krachen lässt, ohne daran kaputtzugehen, und lernt es dabei selbst wieder. Der Ältere beweist dem Jüngeren, dass Blut eben doch dicker als jede Substanz ist, mit der man es mischen kann. The Perfect Son ist ein stiller, feiner, genauer Film und das Duell zweier toller Schauspieler: Colm Feore und David Cubitt liefern als ungleiches Brüderpaar eine Meisterleistung ab, über die man noch lange, nachdem der Film zu Ende ist, nachdenkt. ps
Fixing Frank US 2002, Regie: Michael Selditch, Pro-Fun
Der Psychotherapeut Dr. Jonathan Baldwin beauftragt seinen Freund, den Reporter Frank Johnston, für ihn undercover ein Exposé über Dr. Arthur Apsey zu erstellen, der von sich behauptet, erfolgreich Schwule in Heteros umpolen zu können. Frank begibt sich in die Hände des Arztes. Aber statt ihn umgehend als Scharlatan zu entlarven, fängt Frank an, sich immer weiter von Jonathan zu entfernen. Bald streiten die beiden Doktoren erbittert um Franks Innenleben, der selbst nicht mehr weiß, wer er ist und was er eigentlich will. Fixing Frank stellt die vielleicht interessantesten Fragen des gesamten 30
WAS LIEBE HEISST – SA RAISON D’ÊTRE FR 2007, Renaud Bertrand, Edition Salzgeber
Renaud Bertrands großes, warmherziges Familienmelodram erzählt im Zeitraum von 1980 bis 2008 die Geschichte von Aids in Frankreich, von zerbrechenden Familienkonstellationen und neuen Modellen des Zusammenlebens, von gesellschaftlichen Vorurteilen und dem Kampf um Selbstbestimmung. (Siehe Seite 20)
SAGWAN PH 2009, Regie: Monti Parungao, CMV Laservision
Der 18-jährige Alfred gehört zu einer Gruppe von Jungs, die mit ihren Ruderbooten Flussfahrten für Touristen anbieten. Viel mehr als für die Naturerfahrung interessieren sich die vorwiegend männlichen Teilnehmer der Touren jedoch für die Sixpacks der „Guides“ – die meisten der Bootsfahrten enden im Gestrüpp, wo es dann gegen Bares zur Sache geht. Nur Alfred ziert sich, obwohl interessiert, diesen Schritt zu unternehmen. Dass allerdings auch er irgendwann lustvoll in einer Waldlichtung die Hosen runterlassen wird, macht Sagwan von Anfang an deutlich. Was allerdings auf den ersten Blick wie ein schwülstiger Softporno mit mäßig ausgereiftem Drehbuch daherkommt, funktioniert, so seltsam das klingen mag, auf einen zweiten Blick durchaus als differenzierte Studie über junge Sexarbeiter. Denn wie so viele Filme des zeitgenössischen schwulen Kinos aus den Philippinen wird Sagwan immer genau an jenen Stellen interessant, wo er die selbst abgesteckten Pfade verlässt. Ob er damit allerdings den reinen „Softporno-Zuschauer“ bei der Stange halten kann, ist fraglich. hs
Tagaytay – Ein philippinischer Sommer PH 2008, Regie: Adolfo Borinaga Alix jr., GMFilms
Zwei Männer, die sich lieben, treffen sich für ein Wochenende im verkauften und schon halb ausgeräumten Elternhaus des einen am malerischen Taal-See. Der eine ist aus reicher Familie, mittlerweile Arzt, verheiratet und Vater. Der andere ist ein Fremdenführer aus der Gegend, lebt offen schwul, will sich nicht festlegen. Für ihre Liebe hat keiner von beiden Platz in seinem Leben, trotzdem wissen sie, dass alles andere als ein Zusammensein falsch und unaufrichtig wäre. Die zwei Tage mit letzten Gesprächen und letztem Sex beginnen mit Nudelnkochen und der Frage, wer eher heiß sein wird: sie oder die Nudeln … (und die verkochten Nudeln mag später keiner von ihnen mehr essen). Tagaytay – Ein philippinischer Sommer reduziert seine Handlung auf einen malerischen Ort und zwei Figuren, gespielt von den philippinischen Indie-Superstars Coco Martin (bekannt aus den Filmen von Brillante Mendoza) und Paolo Rivero (Walang Kawala, Binyag), und wagt einen Spagat zwischen Arthouse-Kino und Softporno, der durch diese Konzentration ziemlich gut gelingt. Wie bei Weerasethakul kommen die Titel erst nach der Hälfte des Films und malerisch wabert der Nebel, bricht sich das Licht durch die Jalousien und geht die Sonne auf und unter in streng kadrierten Planeinstellungen. Die beiden Schauspieler bewegen sich darin mit professionellem Exhibitionismus. Homoerotische, touristische und cinephile Schaulust können durch die gleichen 60 Minuten befriedigt werden … jk
Donald Strachey: Ice Blues US 2008, Regie: Ron Oliver, Pro-Fun
Den von Chad Allen gespielten Donald Strachey bei seinem bislang vierten Fall zu begleiten, beweist: Die Filmreihe um den schwulen Privatschnüffler funktioniert hervorragend. Man freut sich sehr auf ein Wiedersehen mit den Figuren, ist gespannt auf den neuen Fall und übersieht für das vor Ironie triefende Drehbuch gern die filmischen Unzulänglichkeiten des preiswerten Fernsehformats. Ein Tatort ist nicht Chinatown, so ist das nun mal. Dafür ist Strachey auch in Ice Blues einfach out, ohne viel Aufhebens davon zu machen, und konzentriert sich auf die Aufklärung eines Verbrechens. Der Sohn einer einflussreichen Banker-Familie in Albany wird
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überfahren, kurz nachdem er einem Zentrum für gefährdete Jugendliche drei Millionen Dollar hinterlässt. Aber ist er wirklich tot? Bei dem Versuch, das herauszufinden, kommt nicht nur Strachey fast ums Leben, auch seinem Partner Tim geht es an den Kragen. Sherry Miller aus Queer as Folk hat einen fulminanten Gastauftritt als böse Stiefmutter, es gibt jede Menge hübsche Jungs in mehr oder weniger Kleidung und die Schlagzahl der Gags ist angenehm hoch. Ice Blues ist gute Unterhaltung, nicht mehr, nicht weniger. ps
gung und Gewalt kaum anschauen mag. Trotzdem hat Shank eine wilde Schönheit, Schauspieler, die in mehrerer Hinsicht an ihre Grenzen gehen, einen unbedingten Willen zur Drastik und ein selbstbewusstes Happy-End. Manchmal möchte man die Beteiligten ein wenig vor sich selbst schützen. Doch man bewundert sie auch für ihren Mut, dieser jugendlichen Fetischwelt eine ergreifende Geschichte abzuringen. jk
Wrecked US 2009, Regie: Bernard und Harry Shumanski, Pro-Fun
SHANK Man muss dünne Jungs mit dicken Problemen schon ganz schön toll finPenibel saubere Sportden, um Wrecked zu möklamotten, mangelhafte gen. Weil: Um die – und Schulbildung, protziger nur die – geht es hier. Wer Schmuck, Baseballcaps den neurotisch narzisstiund Gewaltbereitschaft: schen Teenager in sich So präsentiert sich eine mit Mitte zwanzig zu britische Jugendszene, Grabe getragen hat, wird mit dem Spielfilmdedie man als „Chavs“ bebüt der Shumanski-Brüder Harry und Bernard zeichnet und unter denen wenig anfangen können. Aber das haben ja geSimon Pearce die Geschichte seines Defühlte 90 Prozent aller Schwulen nicht, also bütspielfilms ansiedelt. Natürlich geht es da dürfte das Publikumsinteresse groß sein. Die richtig schwulenfeindlich zur Sache, obwohl beiden Filmemacher erzählen in groben Dogdie Jungs eigentlich lieber miteinander als mit ma-Bildern folgende Geschichte: Der junge, den bösen Mädchen in ihrer Gang herummazarte Ryan versucht sein Leben zu ordnen, als chen würden, wie der Film nahelegt. Doch der ebenfalls junge, aber nicht ganz so zarte wenn sie sich, statt sich mal zu umarmen, lieDaniel, sein Ex, wieder vor seiner Tür steht. ber in die Fresse schlagen, wird das ComingEigentlich ist Ryan sehr romantisch und auf Out kompliziert, ist von Selbsthass geprägt der Suche nach der großen Liebe. Er will mit und wird mindestens mit Respektverlust bedem ständig Pillen klinkenden und durch die straft. Der Regisseur, der nicht wesentlich älGegend vögelnden Daniel nichts zu tun haben. ter ist als seine Hauptdarsteller, schickt also Aber er liebt ihn. Also lässt er Daniel in seine einen Jungen aus Bristol durch die MachohölWohnung rein und damit auch wieder in sein le und lässt ihn ausgerechnet mit einem franLeben, das sich zu diesem Zeitpunkt in einen zösischen Austauschstudenten im rosa Hemd Strudel aus Sex, Drogen und Co-Abhängigkeit seine erste große Liebe erleben. Das kann verwandelt. Wrecked ist ein amerikanischer nicht gut gehen und das geht so derartig nicht Homo-Indie, der weiß, dass man deprimiegut, dass man sich die Quittung aus Erniedrianzeige_sissi_06_2010:cover_msk 13.05.10 14:18 Seite 1 GB 2008, Regie: Simon Pearce, GMFilms
rende Prämissen am besten in viel nacktes Jungs-Fleisch einrollt, um sie erfolgreich an den Mann zu bringen. Was Larry Clark gelingt, klappt auch hier: Die beiden Bübchen – und ein paar andere – sind gefühlte 50 Prozent der Filmlänge nackt und haben Sex, den amerikanische Kritiker in seiner Offenheit mit Shortbus verglichen haben und ungeheuer skandalös fanden. Das erhöht die Schauwerte beträchtlich und macht Wrecked dann doch irgendwie extrem kurzweilig. ps
DER JUNGE MIT DEN STRAHLENDEN AUGEN US 2009, Regie: Todd Verow, Pro-Fun
Auf der Beerdigung seines besten Freundes lernt der attraktive John (Tim Swain) die exzentrische Solange (Mahogany Reynolds) kennen, die seit ihren Erfolgen als DiscoDiva und B-Movie-Ikone in den Achtzigern von ihrem Kultstatus zehrt. Um sein langweiliges Bostoner Spießerleben hinter sich zu lassen, lässt sich John von Solange als Assistent engagieren und reist mit ihr nach Europa, wo sie ihr Comeback vorbereitet. Die Tour nach Paris, Madrid und Berlin eröffnet ihm dabei nicht nur Zugang zur Kulturbohème der jeweiligen Städte, sondern auch allerlei Affären mit coolen Typen. Aber dann sterben plötzlich reihenweise Menschen, und als John klar wird, dass an Solange etwas faul ist, ahnt auch der Zuschauer, dass es sich bei Todd Verows neuestem Film nicht um den sexy Subkultur-Urlaubsfilm handelt, der einem vorgeschwindelt wurde. Macht aber nichts, denn trotz der etwas albernen Wendung der Story ist Verow mal wieder ein durchaus stimmungsvolles Lo-Fi-Werk gelungen, das durch
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einen tollen Soundtrack und viele hübsche Details (wie beispielsweise der Mini-Auftritt von Cazzo-Darsteller Marcel Schlutt) durchaus zu unterhalten versteht. hs
THE LOST COAST US 2008, Regie: Gabriel Fleming, Bildkraft
Drei Freunde streifen durch eine verkorkste Halloween-Nacht in San Francisco. Am nächsten Morgen müssen sie sich eingestehen, dass sie sich verändert haben und sich die Leichtigkeit ihrer Freundschaft nicht mehr einstellen will. Regisseur Gabriel Fleming, der zuvor an Kelly Reichardts Old Joy und Wendy & Lucy mitgearbeitet hat, ist Teil einer Filmemacherszene, die sich halbironisch „mumblecore“ nennt. Ihre Geschichten sind von einer artifiziellen Beiläufigkeit, ohne großes Budget, ohne große Gesten. Aber gerade hier entwickeln sich zwischen den Figuren, die eigentlich nur mit alltäglichen Fragen beschäftigt sind, eine Spannung und Tiefe, die man in stärker dramatisierten Filmen oft vermisst. Die skurrile Halloween-Atmosphäre in The Lost Coast, die Verkleidungen, Vergnügungssucht, der verzweifelte Humor enthüllen im Verlauf der Nacht die Verletzbarkeiten und Sehnsüchte der erwachsen werdenden Freunde, die alle mehr oder weniger ineinander verliebt sind. Formal sind da viele Brüche und Gegensätze eingezogen, verschiedene Zeiten, Urwald und Stadt, präzise Dialoge und Improvisation – doch alles fügt sich zu einer schwerelosen Melancholie, in der man furchtbar gerne mitschwimmt, da der Blick auf die Menschen so liebevoll ist. Ein ganz besonderer Film und ein neuer Ton im amerikanischen Queer Cinema, der ein Lebensgefühl nach den großen Emanzipationsbewegungen poetisch auf den Punkt bringt. jk
PRIVATUNTERRICHT FR/BE 2008, Regie: Joachim Lafosse, Pro-Fun
Ein 16-jähriger, von den diversen Anforderungen des Lebens überforderter Junge wird von drei Erwachsenen in die körperliche Liebe eingeführt. „Privatunterricht mutet an wie eine moderne Version der ‚Gefährlichen Liebschaften‘, die nicht aus der Perspektive der lebenserfahrenen Intriganten, sondern aus der ihres arglosen Opfers erzählt wird. Die Kamera ist auch deshalb so zärtlich auf Jonas fixiert, weil er eigentlich das Subjekt der Geschichte ist, aber wie ein Objekt behandelt wird. ‚Auf 32
unsere Grenzen‘ lautet das Motto, das der Regisseur seinem Film vorangestellt hat. Moral ist kein Schimpfwort für ihn. Er beharrt darauf, dass Sex mehr ist als eine raffinierte Mechanik des Genusses, sondern vielmehr ein schönes Rätsel bleibt.“ (Gerhard Midding in SISSY 4/09)
SCHULJUNGS 4 US/BR/KO/NL 2004–2009, Bildkraft
Das Schöne an Kurzfilmsammlungen ist ja, dass man sich alle paar Minuten irgendwo anders befindet: gerade noch mit dem tätowierten Barkeeper im Auto durch Salt Lake City, dann in einem leeren nächtlichen Supermarkt in São Paulo, plötzlich in einem koreanischen Schulbus, mit zwei amerikanischen Kids auf dem Sofa vor der Glotze und schließlich an einem holländischen See. Dabei geht es, so will es die thematische Auswahl, immer um die gleichen Probleme: erste schwule Liebe, Aufregung, uncooles Diskoverhalten, Unsicherheiten beim Thema Safe Sex, Gemeinheiten gegenüber der besten Freundin und das Stalking hübscher Mitschüler. Ästhetisch sind die Filme weniger vergleichbar: Der holländische und der brasilianische Beitrag bringen ihr Thema souverän und arthousig auf den Punkt, der koreanische irritiert mit einer Musicaleinlage (in der die verliebten Jungs absurderweise daran erinnert werden, auf ihr Portemonnaie aufzupassen), der Trip durchs Mormonenland ist sehr hübsch anzusehen, lässt seinem schwulen Hauptdarsteller aber leider nur die Rolle des schüchternen Trottels. Interessant, dabei ziemlich überkandidelt, kommt Die jungen Wilden daher – eine wilde Thug-Fantasie über einen sex- und todessehnsüchtigen Teenager, in der ein paar dermaßen großartige Ideen drinstecken, dass man auf den ersten, bereits angekündigten Langspielfilm des Regisseurs Julien Breece gespannt sein darf. jk
Coming of Age Vol.3 US 2002–2009, CMV Laservision
Sechs gute Filme zum Preis von einem! Die dritte Kurzfilmkollektion, die unter dem Titel Coming of Age von cmv auf den Markt gebracht wird, ist die bisher beste. Vom 12-Minuten-Phantasiedrama Little Wings, an dem die Animationskünstler von Avatar mitgearbeitet haben, über die H.-P.-LovecraftVerfilmung Late Bloomer, in der eine Stunde
Sexualkundeunterricht eine Schulklasse junger Homos traumatisiert, über die ganz ohne Worte auskommende Liebesgeschichte Connected: die Auswahl ist vom Allerfeinsten. Der vielleicht beste unter den wirklich guten Filmen auf dieser DVD ist El Primo, der davon erzählt, wie zwei Latino-Jungs die amerikanische Nacht unsicher machen, und dabei die vielleicht zärtlichste verunglückte Sexszene der Filmgeschichte enthält. Was Pedro-Regisseur Nick Oceano hier in 15 Minuten macht, gelingt anderen Filmemachern ihre gesamte Karriere über nicht. Diesen Jungs sieht man gern beim Erwachsenwerden zu. ps
blood creek US 2009, Regie: Joel Schumacher, Universum
Der flamboyante Joel Schumacher ist unser Mann im BlockbusterHollywood. Und obwohl er sich in perfekter Mimikry an dessen Anforderungen anschmiegen kann, wurde ihm Ende der 1990er sein homoerotischer Batman und Robin vom MainstreamPublikum doch ordentlich verübelt. Merkwürdig eigentlich, denn er tat dort nichts anderes als in seinen Actionfilmen, Komödien und Literaturverfilmungen wie The Lost Boys, 8mm, Tigerland oder Nicht auflegen!: die männliche Anatomie abfilmen. Mit Blood Creek, einem Straight-To-DVD-Titel, fügt Schumacher seiner ohnehin bemerkenswerten Genrepalette einen originellen Horrorfilm hinzu, der darüber hinaus mit okkulten Familienritualen, Nazi-Mystik und dem Grauen ländlicher Abgeschiedenheit aufwartet. Und wieder sind es männliche Traumkörper auf Abwegen, denen die atemlose Kamera hinterher hetzt: Die paramilitärischen good guys sind ein Brüderpaar, das von Dominic Purcell (Prison Break) und Henry Cavill (The Tudors) verkörpert wird. Der grandiose Michael Fassbender gibt dazu eine verführerisch grausame Kreatur, einen ultimativen Außenseiter, der dieser normativen Männlichkeit gegenübergestellt wird. Einen Hinweis in eigener, herausgeberischer Sache müssen wir noch hinzufügen: Unser wunderbarer Kollege Rainer Winkelvoss, der für die Edition Salzgeber beinahe sämtliche Trailer schneidet, glänzt in Blood Creek als Oberhaupt der merkwürdigen Familie, die sich als Hort des Grauens herausstellt. Und er stirbt als solches einen der definitivsten Filmtode aller Zeiten! jk
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„Wir wollen ‚L Word‘ sehen!“ oder wie die Lesben den Potsdamer Platz eroberten
marcus gelhard (3)
von M a n u e l a Kay
s Eigentlich wollten wir ja nur mal ein paar lesbische Filme in einem großen Kino zeigen. Daraus wurde dann überraschenderweise die in mittlerweile neunzehn Städten erfolgreiche L-Filmnacht. Aber was bringt die eigentlich doch eher öffentlichkeitsscheue Lesbe dazu, sich in ein großes MultiplexKino außerhalb des Szenebezirks, inmitten blockbuster-hungriger Teenager und Heteropaare zu begeben? Genau das! Ein alter lesbischer Kampfspruch besagte ja mal „Wir sind überall“. Dass das lesbische Kinopublikum es so genießen würde, gern auch mal nicht nur ins SzeneProgrammkino ihres Vertrauens zu gehen, sondern ins örtliche Multiplex-Kino, das überrascht. Freitagabend, 19.30 Uhr, CinemaxX Potsdamer Platz, Berlin, L-Filmnacht: Hunderte von Lesben sammeln sich im Foyer – sehen und gesehen werden. Erhobenen Hauptes stolzieren sie, gern auch in größeren Gruppen, in Berlins größtes Kino. Amüsiert und ein bisschen stolz zugleich merken sie, dass den anderen Kinogästen – oft jugendliche Heteropärchen auf dem Weg in einen anderen Saal zur nächsten Hollywoodschnulze – sehr wohl die Häufung von Frauen und die andere Stimmung auffällt. Es macht ihnen sichtlich Spaß, hier am Potsdamer Platz den jüngst zu Deutschlands beliebtestem Kino gewählten Filmpalast zu dominieren. Bei oft ausverkauften Vorstellungen, gelingt dies den bis zu 600 lesbischen Filmfans auch mühelos. Doch sie kommen nicht nur wegen des sozialen Charakters des Events. Natürlich möchten sie auch gute lesbische Filme zu sehen bekommen. Die Filme, die wir von der L-MAG gemeinsam mit der Edition Salzgeber auswählen, müssen den Geschmack der szenigen Großstadtlesbe in Berlin genauso treffen wie den
der eher häuslichen Filmfanatikerin aus Bielefeld. Ein Unterfangen, das oft klappt, aber auch viele Kontorversen hervorruft. „Richtig lesbisch“ soll es sein. Was aber ist das eigentlich? Und mit tollen Frauen und schönen Geschichten. Nicht zu amerikanisch, nicht zu problembeladen, aber auch nicht zu oberflächlich und anspruchslos. Mit Humor und Romantik, gern mit Erotik und Sex aber auch mit Inhalt, am besten eben „so wie in ,The L Word‘“ – so wünschten es sich schon viele L-MAGLeserinnen. Nun ist es aber so, dass Filme im Look und Stil der erfolgreichen TV-Serie nicht gerade vom Himmel fallen. Und selbst dann wäre es eintönig, immer nur diese zu zeigen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich viele Zuschauerinnen die Filme in deutscher Sprache wünschen. Da wird die Luft dann schon ganz dünn. Und mit Synchronfassungen ist das ja auch so eine Sache. Vor allem bei den oftmals kleinen Produktionen, die wir für die L-Filmnacht in aller Welt auftun, finanziell gar nicht machbar. Also versuchen wir, die besten Filme mit der größten Bandbreite aus allen Teilen der Welt zu bekommen. Möglichst gute, starke und interessante lesbische Figuren sollen darin eine Hauptrolle spielen. Schon das ist nicht immer einfach. Wenn man nicht niveaulose USKomödien bis zum Abwinken spielen möchte, wird die Auswahl schließlich sehr schnell sehr überschaubar. Aber bisher haben wir es immerhin geschafft, 23 Filme aus 13 Ländern und außerdem viele abwechslungsreiche Kurzfilme zu zeigen. Filme, von denen die meisten sonst nie eine Chance gehabt hätten, auf einer großen Leinwand zu laufen und dem geneigten lesbischen Publikum ein echtes Kinogefühl zu vermitteln. Filme, die sonst nicht mal auf DVD erschienen wären. Und dabei erweist sich das L-Filmnacht-Publikum zwischen Kiel und München als ein wirklich begeisterungsfähiges, nach allen Seiten offenes Völkchen, das der L-Filmnacht nun schon seit Jahren treu ist. So ermutigt die L-Filmnacht schließlich auch die Filmemacherinnen und -macher, Filme mit lesbischem Inhalt zu produzieren. Und so wurde aus einer kleinen Idee dann doch noch ganz großes Kino. s Manuela Kay ist Chefredakteurin des Magazins L-Mag, das zusammen mit CinemaxX und der Edition Salzgeber seit 2007 die L-Filmnacht organisiert. www.l-filmnacht.de 33
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Berlin b_books Lübbenerstraße 14, 030/6117844 · Bruno’s Bülowstraße 106, 030/61500385 · Bruno’s Schönhauser Allee 131, 030/61500387 · Dussmann Friedrichstraße 90 · Galerie Janssen Pariser Straße 45, 030/8811590 · KaDeWe Tauentzienstraße 21–24 · Media Markt Alexa Grunerstraße 20 · Media Markt Neukölln Karl-Marx-Straße 66 · Negative land Dunckerstraße 9 · Prinz Eisenherz Buchladen Lietzenburger Straße 9a, 030/3139936 · Saturn alexanderplatz Alexanderplatz 7 · Saturn Europacenter Tauentzienstraße 9 · Video World Kottbusser Damm 73 · Videodrom Fürbringer Straße 17 bochum saturn Kortumstraße 72 darmstadt saturn Ludwigplatz 6 Dortmund Litfass der Buchladen Münsterstraße 107, 0231/834724 Düsseldorf Book xxx Bismarckstraße 86, 0211/356750 · Saturn Königsallee 56 · Saturn Am Wehrhahn 1 Essen Müller Limbecker Straße 59–65 Frank furt/main Oscar Wilde Buchhandlung Alte Gasse 51, 069/281260 · Saturn Zeil 121 Hamburg Buchladen Männerschwarm Lange Reihe 102, 040/436093 · Bruno’s Lange Reihe/Danziger Straße 70, 040/98238081 · Clemens Clemens-Schultz-Straße 77 · Empire Megasto re Bahrenfelder Straße 242–244 · Media Markt Paul-Nevermann-Platz 15 Köln Bruno’s Kettengasse 20, 0221/2725637 · Media Markt Hohe Straße 121 · Saturn Hansaring 97 · Saturn Hohe Straße 41–53 · Video taxi Hohenzollernring 75–77 leipzig Lehmanns Buchhandlung Grimmaische Straße 10 Mannheim Der Andere Buchladen M2 1, 0621/21755 München Bruno’s Thalkirchner Straße 4, 089/97603858 · Lillemor’s Frauenbuchladen Barerstraße 70, 089/2721205 · Max & Milian Ickstattstraße 2, 089/2603320 · Saturn Schwanthalerstraße 115 · Saturn Neuhauser Straße 39 nürnberg Müller Königstraße 26 Stuttgart Buchladen Erlkönig Nesenbachstraße 52, 0711/639139 trier media markt Ostallee 3–5 Tübingen Frauen buchladen Thalestris Bursagasse 2, 07071/26590 Wien Buchhand lung Löwenherz Berggasse 8, + 43/1/13172982 Würzburg Müller Dominikanerplatz 4
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Auch das noch …
SISSY begrüßt ihre neuen nicht-homosexuellen Nachbarn aus einem ihr völlig fremden Verlag: „Rolling Stone“, „Musikexpress“ und „Metal Hammer“. – SISSY hält im Penthouse glamourös die Stellung. 34
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