Magazin für den nicht-heterosexuellen Film Ausgabe einundzwanzig · März bis Mai 2014 · kostenlos
Fernsehgeschichte: „Ich habe meinen Eisprung!“ s Hochzeitsgesellschaft: Behutsames Drehen s Party mit Hut: Ein Blick hin, ein Blick her … Zielloses Driften: „Shit! I like you!“ s Wasserkraft: Der Jüngling ertrank so tief s Stille Post: Verheddert in fremden Blicken s Kirchliche Leere: „Dann war die Sache schnell im Kasten!“ s Selbstdisziplin: Kniekurze Röcke s Getrocknete Maiglöckchen: „Tilda rupft einen Fasan“ s Spieltrieb: Bräute braten in der Sonne s Streifschlägli: Selten ohne Rotwein s Wie Spielen mit Klötzchen: Verschrobene Forbewegungsmittel s Mögliche Wege: Das Rot ihrer Tasche s Wolkenkratzerlichter: „Macht’s gut, Arschlöcher!“ s s
»Nur eines muss man über LIBERACE sagen: Unbedingt ansehen!« OSCAR® PREISTRÄGER
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ZU VIEL DES GUTEN IST WUNDERVOLL
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/liberace.derfilm
vorspann
sissy einundzwanzig Als der US-amerikanische Bezahlsender HBO letztes Jahr eine neue Serie über drei schwule Männer in San Francisco ankündigte, war klar: Das wird nicht einfach. Nicht unbedingt, weil man damit rechnen durfte, dass die heterosexuellen Abonnenten des Senders sonntags abends abschalten würden, wenn Looking läuft – die Kritik kam sofort und lautstark vor allem aus der queeren Szene. Nach Veröffentlichung des Trailers wurde (fälschlicherweise) gemutmaßt, hier ginge es nur um weiße Mittelschicht-Jungs; nach Ausstrahlung der ersten Episoden wurde bemängelt, dass kaum Frauen vorkämen – andere sahen in der Abwesenheit erigierter Schwänze ein Paradebeispiel für die Unsichtbarmachung schwuler Sexualität in der pseudo-liberalen Öffentlichkeit. Die Autoren fanden sich in einer „Minority Trap“ wieder: Eine Serie, die aus der Welt einer Minderheit erzählt, muss sich mehr als andere daran messen, ob sich jedes einzelne Mitglied dieser Minderheit repräsentiert fühlt.
TITELBILD: EDITION SALZGEBER / ANDRZEJ WENCEL
Viel interessanter ist allerdings der ästhetische Zugang zum nicht-straighten Stoff, den Looking wagt: mit Andrew Haigh (Regisseur von Weekend) und Michael Lannan (Mitarbeiter von Travis Matthews bei I Want Your Love und Interior. Leather Bar.) sind zwei Zentralfiguren des „New Wave Queer Cinema“ am Werk, und es ist sehr interessant zu beobachten, wie sich ihr loser, improvisatorischer, postemanzipatorischer Indie-Vibe in das starre Konzept von acht halbstündigen TV-Episoden überträgt. Prompter Vorwurf: langweilig, unemotioKaum Frauen: „Looking“ nal. Dabei gelingen in Looking immer wieder Momente von unforcierter Schönheit, die man aus TV-Arbeiten bisher kaum kennt. Die Quittung: schlappe 500.000 Zuschauer pro Episode. Dass dieses Experiment einer Allianz von Mainstream und genauem und nicht bedeutungsschwangerem Blick auf queere Normalität wider Erwarten doch in einer zweiten Staffel fortgeführt wird, hatte man nicht zu hoffen gewagt.
HBO
Auch in der Analyse von Serien mit lesbischen Figuren und Konstellationen in diesem Heft heißt das vergleichbare Fazit: Wollen wir wirklich frei aus unserer Welt erzählen, müssen wir den Vertriebsweg unserer Erzählung miterfinden – weswegen die interessantesten Lesbenserien momentan im Netz stattfinden. Im TV-Mainstream, der nicht-heterosexuelle Themen und Figuren bestenfalls miterzählt, darf man weiterhin auf selbstverständliche queere Entwürfe warten.
Titelbild: „Floating Skyscrapers" von Tomasz Wasilewski (Seite 16)
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mein dvd -regal
Monika Treut, Filmemacherin 4 SISSY 21
MONIK A TREUT
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kino
DAS KORSETT BLEIBT AN VON EN R ICO I PP OL IT O
Am Anfang steht Mama, am Ende der treue Freund als Nachlassverwalter. Der erste von zwei Spielfilmen über den Modeschöpfer Yves Saint Laurent (Bertrand Bonellos „Saint Laurent“ wird im nächsten Wettbewerb von Cannes erwartet) setzt den Fokus auf die lebenslange Beziehung des schüchternen Genies zum aufopferungsvollen Partner Pierre Bergé. Die revolutionäre Blickpolitik der Saint-Laurent-Kleider greift „Yves Saint Laurent“ nicht auf – er möchte lieber den großen Bilderbogen einer schwulen Bohème-Liebe im 20. Jahrhundert auf den Laufsteg schicken.
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UNIVERSUM FILM / TIBO & ANOUCHKA
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s Als Yves Saint Laurent starb, am 11. Juni 2008, kamen sie alle. Claudia Schiffer. Catherine Deneuve. Carla Bruni. Valentino. Vivienne Westwood. John Galliano. Sonia Rykiel. Die Liste könnte endlos weitergeführt werden. Was all diese Namen zeigen, ist, welchen Einfluss Yves Saint Laurent, der Rebell, das Genie, auf die Modewelt hatte. Geboren wurde Yves Henri Donat Mathieu Saint Laurent 1936 in der französischen Kolonie in Algerien in der Stadt Oran. Beeinflusst wurde er früh von der Modeleidenschaft seiner Mutter LucienneAndrée Wilbaux. Die Mutter, natürlich die Mutter. Und genau hier beginnt auch die Geschichte von Jalil Lesperts Film Yves Saint Laurent. Dabei interessiert sich der Regisseur allerdings weniger für den Modedesigner Yves Saint Laurent, sondern für die Friktionen in der Figur Laurent. Er lehnt dabei seinen Film an die Biographie von Laurence Benaim an – lässt allerdings viele Sprünge zu. Zu viele. Laurents Geschichte ohne die der Mode zu erzählen, ist eine fragwürdige Entscheidung. Fast schon skandalös. Laurent zieht mit 19 Jahren nach Paris, um als Assistent von Christian Dior zu arbeiten. Nach dem Tod Diors übernahm er 1957 mit 21 Jahren das Modehaus. Ein Jahr später erfand er die Trapezlinie, die er bei seiner ersten Modeschau als Chef von „Christian Dior“ vorstellte. Laurent zeigte Kleider und Mäntel, die gerade von den schmalen Schultern bis zum weiten Saum hin geschnitten sind, bei denen der Oberkörper und die Taille eben unbetont beleibt – dazu lässt Laurent seine Mannequins auffällige Hüte tragen. Die Länge der Röcke: kniekurz. Er unterwarf sich nicht dem damaligen Kodex des Peticoats-Chic und des figurbetonten Looks. Ein Welterfolg für den jungen Couturier. Eine Innovation zu der damaligen Zeit, eine Abwandlung des Minikleids, die er später mit seiner an Mondrian angelehnten Kollektion noch perfektioniert. Als die anderen Modehäuser die Idee des kurzen Rockes übernahmen, zeigte Laurent eine Saison später im Herbst wieder lange Röcke und Säume, die weiter unten enden. Das alles wird so beiläufig im Film erzählt. Lespert interessiert sich eben nicht für die Geschichte der Mode. Er fokussiert sich lieber ganz auf Yves Saint Laurents Treffen mit Pierre Bergé. Die beiden sahen sich 1958 dank der Modejournalistin Marie-Louise Bousquet zum ersten Mal, wurden danach recht schnell ein Paar und bauten das Imperium Yves Saint Laurent mehr oder weniger gemeinsam auf. Es beginnt ein Spiel der Dichotomien: Laurent, das im wahrsten Sinne wahnsinnige Genie; Bergé, der solide Geschäftsmann. Laurent, der schüchterne Junge, der nicht zu seiner Homosexualität stehen kann; Bergé, der smarte Unternehmer, der vorher mit dem Künstler Bernard Buffet liiert war. In diesem Einerseits-Andererseits erzählt Lespert seine Geschichte, allerdings strikt aus der Perspektive von Bergé, um dessen Einwilligung der Regisseur gebeten hatte. Eigentlich könnte Yves Saint Laurent also auch „Die Bergé-Story“ heißen. Lespert scheut keine Klischees, sie machen ihm keine Angst. So wird aus dem schüchternen Laurent eben ein manisch-depressives Genie mit Drogen-, Sex- und Alkoholexzessen. Und aus Pierre Bergé der edle Retter. Beide leben das Leben der Pariser Bohème, oder zumindest eben das stereotypische Bild davon – Sex mit anderen, Partys mit Drogen und so weiter. Das volle Programm. Bergé hat sich dabei allerdings immer selbst im Griff. Zwar schläft er auch mit anderen Männern, verliert dabei aber eben nicht das Wesentliche aus den Augen: Er muss das Modehaus Yves Saint Laurent retten. Und viel wichtiger: Bergé hat selbstverständlich nie gekokst. Dass seine Selbstdisziplin auch zu fragwürdigen Handlungen geführt hat, müssen die Rezipient_innen ihm verzeihen und schon verstehen – schließlich war ein höheres Gut im Spiel. Und genau an diesem Punkt wäre eigentlich auch schon der Film auserzählt. Denn Yves Saint Laurents Errungenschaften in der Mode laufen so nebenbei mit, als ob sie nicht Bestandteil seiner Person wären. Die Präsentation von „Le Smoking“ im Jahre 1966, den ersten Smokings für die Frau, wird kurz erwähnt. Dass aber dieser Smoking einen
riesigen Skandal auslöste und das gängige Geschlechterverständnis komplett in Frage stellte, deutet Lespert nur leicht an. Dabei hatte gerade „Le Smoking“ eine unglaubliche Wucht mit sich gebracht: Der Smoking war bei Laurent nämlich nicht streng männlich konnotiert, sondern androgyn. Ein radikales Konzept. Zur gleichen Zeit führte Laurent auch noch den Transparent-Look ein. Durchsichtige Blusen, die die Blicke ostentativ auf nackte Haut richten. Laurent war nicht nur einer der Ersten, der die Frauen fast buchstäblich aus ihrem Korsett befreite. Er nahm, gerade mit den Kollektionen aus den späten Sechziger und Siebziger Jahren, an einer Revolution teil, als seine Kleidung für Aufbruchstimmung und gesellschaftliche Bewegung in Frankreich stand, für sexuelle Befreiung und die Emanzipationsbewegung der Frauen. Laurent hatte das sogar in sein Marketing übertragen, wie zum Beispiel das mittlerweile ikonografische Anzeigenmotiv für seinen Herrenduft beweist. Auf diesem posierte Monsieur Laurent nackt – nur mit seinem Markenzeichen, der Hornbrille. Den damit verbundenen, auch persönlichen Aufbruch scheint Laurent vor allem einer Person zu verdanken – Loulou de la Falaise. Sie lernte Laurent mit 19 Jahren in einer Disco in New York kennen. Der Couturier soll sie danach gebeten haben, mit ihm nach Paris zu kommen. Sie fährt mit, wird seine rechte Hand, entwirft Schmuck und Accessoires für sein Label. De la Falaise war eine Art Muse für Saint Laurent. Sie war exzentrisch, freizügig und mondän. Alles Eigenschaften, die Laurent in seiner Mode umsetzte. Sie brachte aber Laurent auch das wilde Leben bei. Die Exzesse. Die Discotheken. Den Spaß. Und noch eine Revolution vollbrachte Yves Saint Laurent. Er brachte schwarze Models auf dem Laufsteg. Im Film wird dies zwar kurz gezeigt, jedoch nicht explizit thematisiert. Was schon mehr als ein Fauxpas ist. Schließlich hatte Laurent die Barrieren in der Modewelt für schwarze Models gesprengt, wie z.B. 1988 für Naomi Campbell: „Mein erstes Vogue-Cover hatte ich wegen dieses Mannes, weil ich ihm sagte: ‚Yves, sie geben mir kein Cover in der französischen Vogue, sie wollen kein schwarzes Mädchen auf dem Cover‘, und er sagte: ‚Ich kümmere mich darum‘.“ Aber Lespert will Drama und eben nicht Mode. Daher interessiert ihn auch die Figur Karl Lagerfelds für seinen Film. Yves Saint Laurent und der deutsche Modemacher waren Freunde – und wurden dann zu Rivalen. Beide sind aus dem Ausland nach Paris gekommen. Beide in der gleichen Branche tätig. Beide voller Ideen. Angeblich, so sagt es die Legende und so suggeriert es auch der Film, endete deren Freundschaft wegen Jacques de Bascher. Ein exaltierter und exzentrischer junger Mann, mit einer Liebe für Themenparties. Der Bonvivant war zuerst Lagerfelds Freund und wurde ihm angeblich von Yves Saint Laurent ausgespannt. Die Beziehung zwischen Laurent und de Bascher beschreibt Lespert als klassische Amour fou. Beide Hals über Kopf ineinander unglaublich verliebt. Beide gewillt, für immer in ihrem Kokswahn zusammen zu sein. Laurent soll angeblich schon so weit gewesen sein, für seine neue Liebe seinen Lebens- und Businesspartner Pierre Bergé zu verlassen. Und schon wieder muss der steife Unternehmer einschreiten und seine Beziehung und das Modeimperium retten. Es geht schließlich um viel. Und genau hier, an der Stelle, an der sich Bergé und Saint Laurent doch kurz trennen, endet der Film. s
Yves Saint Laurent von Jalil Lespert FR 2013, 104 Minuten, deutsche SF und französische OmU Universum/Square One, 3 www.universumfilm.de Im Kino ab 17. April 2014 3 www.ysl-film.de
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MENSCHENHASS AUF BEWÄHRUNG VON N I KOL AUS PE R N E CZ K Y
Drei Frauen mit Leichen im Keller treffen in der frankokanadischen Provinz, am Rande der bürgerlichen Welt, ziemlich heftig aufeinander. Vic und Flo sind ein Paar, aber was Marina in ihrem Garten zu schaffen hat, erfährt man erst am Ende dieses unglaublichen Films. „Vic + Flo haben einen Bären gesehen“, ein verschlungenes, tiefschwarzhumoriges, hundsgemeines Märchen, ist sicherlich einer der außergewöhnlichsten Filme seit langem, die um eine lesbische Beziehung herum gestrickt sind – und nichts für schwache Nerven …
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EDITION SALZGEBER / YANNICK GRANDMONT
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s Denis Côtés Vic + Flo haben einen Bären gesehen, 2013 Preisträger des Silbernen Bären, ereignet sich, wie so vieles Festivalkino der letzten Jahre, inmitten von Bäumen. Der Wald ist das angestammte Terrain nicht nur von Vic + Flo, in ihm und durch ihn bewegt sich die Kamera wie ein eingeborenes Auge. Wenn nur ein Bild für das Ganze dieses Festivaltrends einstehen sollte, dann wäre das: ein vor Blättern wimmelndes, rauschendes Urwaldtableau. Neben der mythologischen Funktion dient das Dickicht im zeitgenössischen Weltkino auch einer medienspezifischen: An die KontingenzMytheme der analogen Filmtheorie ebenso anschlussfähig wie an das zur zweiten Natur gewordene Pixelgewusel des Digitalen, fungiert es als Prüfstein filmischer Aufnahmeverfahren in Zeiten des technologischen Umbruchs. Côté hat diesen seinen vorletzten Film materialbewusst auf 35mm gedreht (auch wenn die Kinoauswertung dann vorwiegend via DCP erfolgte), weshalb der Kader selbst – wie der Wald, den er einrahmt – mikroskopisch vibriert. Obwohl Vic + Flo noch andere Orte aufsuchen wird (eine triste Bar, ein Suburb, eine Go-KartBahn), gehört der Film recht eigentlich dem Wald: Von ihm empfängt er seine gedämpfte, dunkel strahlende Schönheit, aus der fern ein Glücksversprechen leuchtet – auch wenn es zur Verwirklichung dieses Glücks am Ende nicht annähernd reichen wird. Dennoch scheut Coté den Anschein des Organischen und Gewachsenen. Seine Erzählelemente führt er einzeln ein und setzt sie dann in Bewegung, dem Spielen mit Klötzchen ähnlicher als subtiler Erzählkunst. Freilich erzählt Vic + Flo eine 10 SISSY 21
Geschichte, aber sie entwickelt sich weder aus der Psychologie ihrer Figuren, noch aus den Realien ihrer Welt, sondern in der Setzung und ruckartigen Versetzung einiger weniger Grundbausteine. Das können Figuren sein, aber auch wiederkehrende Orte, Situationen, sogar Einstellungstypen. Immer wieder zum Beispiel scheint der Film durchzuatmen und neu anzusetzen mit freigestellten Gesichtern in Großaufnahme, die Rätsel aufgeben anstatt Affekte zu mobilisieren. Zwar werden diese zunächst kontextbefreiten Gesichter noch jedes Mal szenisch „aufgelöst“. Ihr Rätsel aber bleibt bestehen, so wie überhaupt alles, was in Vic + Flo einmal passiert, den Augenblick seiner Aktualisierung zu überdauern scheint. Darum büßen die vielen Wendungen von Vic + Flo auch bei wiederholter Sichtung nichts von ihrer irritierenden Kraft ein: weil sich die Irritation weniger in der zeitlichen Abfolge als in der räumlichen Kopräsenz herstellt. Von dieser maßgeblichen Eigenschaft des Films wird in der folgenden Inhaltsangabe nichts übrig bleiben: Die einundsechzigjährige Victoria, eben auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen, zieht bei ihrem gelähmten Onkel ein, der in einer eingestellten Zuckerhütte irgendwo in den Wäldern von Quebec haust. Vic erwartet Flo, ihre jüngere, widerspenstige Geliebte, mit der sie am liebsten den Rest ihres geborgten Lebens verbringen würde, in dieser Zuckerhütte fernab der Restmenschheit. „Je hais le monde“, sagt Vic an einer Stelle: Ich hasse alle, ich hasse die Welt. Zu den beiden Frauen stößt Vics schwuler Bewährungshelfer Guillaume, zuerst als Agent einer aufdringlichen Kontrollmacht, dann aber immer mehr Anteil
nehmend am gemeinsamen Leben, bis zu dem Punkt, an dem sich neben Vic und Flos volatiler Liebschaft noch andere Bindungsarten abzuzeichnen beginnen. Vic + Flo ist eine Beziehungsstudie, die nach den beweglichen Konturen ihres Gegenstands tastet, ohne ihn je ganz festzulegen: Wie man mit eina nder leben soll, ist in keinem Moment eine ausgemachte Sache. Als weiterer Spielstein tritt später eine Fremde hinzu, die erst ein bisschen mit Vic flirtet und ihr Tipps für den Gemüsegarten mitgibt, sich dann – Achtung Spoiler! – aber als ausgesprochenes Ungeheuer entpuppen wird. „Ja, ich weiß“, wird das Ungeheuer nach getaner Arbeit sagen, erstaunt von der eigenen Grausamkeit, „man sollte nicht glauben, dass es so grundböse Menschen wie mich tatsächlich gibt.“ Diese Fremde, ein böser Geist aus Flos Vergangenheit, ist einerseits eine generische Figur, vertraut aus unzähligen Gangsterfilmen. Zugleich aber trägt sie subkulturelle und persönliche Insignien, die eigentümlicher kaum sein könnten und so über ihre narrative Funktion hinausweisen. Auch den anderen Filmfiguren eignen solche kleinen Besonderheiten, welche die Korsage lockern und sich bisweilen geradezu ablösen vom Erzählzusammenhang – etwa in der völlig unverankerten Szene, worin ein Handlanger der Fremden, von dem ansonsten nichts als stumpfe Bedrohung ausgeht, ein paar Akkorde auf seiner Gitarre greift. Côté gebraucht Genre-Tropen als Gerüst oder als Leiter, die man, einmal oben angekommen, auch wieder entsorgen kann. Am Ende wird alles Generische im Idiosynkratischen aufgelöst – oder schlicht ins Offene des Waldes entlassen.
EDITION SALZGEBER / YANNICK GRANDMONT (3)
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Noch dort, wo den Figuren Gewalt und krasse Unfreiheit widerfahren, sucht Vic + Flo nach Freiheitsgraden im Ästhetischen. Eine Einstellung, welche die beiden in einem Moment fauler Existenz beim Rauchen vor der Hütte zeigt, weicht einem unbekannten Frauengesicht in Großaufnahme, das nichts Bestimmtem zugewandt scheint. Es folgen weitere Gesichter, dann weitet sich der Bildrahmen: zwei Frauen beim Workout, von einer Aufseherin in Uniform beobachtet, daneben kleine Gruppen von Frauen in Anstaltskleidung, Gespräche unter vier Augen, umgeben von Stacheldraht. So einfach, vermittelt allein durch einen unauffälligen Schnitt, kann die Erzählwirklichkeit von einem vorüberziehenden Bilderzug ergriffen und für kurze Zeit ausgehebelt werden – ohne dass man diese unvermittelte Heimsuchung einwandfrei zuordnen könnte: War das eine Rückblende an den Ort, wo Vic und Flo sich einst kennengelernt haben? Oder ein dokumentarisches Einsprengsel? Ein Einbruch des Realen in die Fantasiewelt des Waldes? Oder geht es Côté zuletzt um irgendeinen metaphorischen Gehalt, um Analogie- bzw. Kontrastbildungen? Charakteristischerweise ruft Vic + Flo alle diese Modi zugleich auf, ohne einen davon zu privilegieren. Flo jedenfalls empfindet das Leben in der Hütte zunehmend als einengend. Auf der Suche nach Abwechslung – lies: nach Männern – streift sie durchs Umland. Wiederum interessiert Côté das Eigentümliche im Gewöhnlichen. Anstelle von handelsüblichen Kraftfahrzeugen fährt man durch seine frankokanadische Provinz in GoKarts, Golf-Buggys und ähnlich verschro-
benen Fortbewegungsmitteln. Wo immer Côtés Exzentrik die kritische Masse erreichet, nach der sie offenkundig strebt, schlägt Vic + Flo um in eine genuin außerirdische Gestimmtheit. Die besten Szenen des Films sind jene, in denen er an dieses Ideal heranreicht. Wo ihm das nicht gelingt, wird es rasch anstrengend. Mitunter neigt Vic + Flo – besonders augenfällig in der stets gemessenen Bildkomposition und dem eingeschränkten, sterbend-blauen Farbspektrum – zur kompetenten, aber allzu ausgeklügelten „Mediengestaltung“ (wie ein Freund es anlässlich eines anderen Côté-Films einmal formulierte). Aber so wohltemperiert und -dosiert die Bestandteile des Films im Einzelnen anmuten mögen, enträt die übergreifende Konstellation, in die Côté sie einsetzt, doch allem Maßhalten. Allein der Gärtnerei gewinnt Vic + Flo so viele unterschiedliche – und eigentlich unvereinbare – Valeurs ab, dass man eher von motivischer Überdeterminierung sprechen müsste als von Verdichtung. Sogar die Gewalt, der Côté uns am Ende schutzlos ausliefert, ist mehrere Dinge zugleich: Trauma, Katharsis, surprise ending; radikale Unterbrechung des Beziehungsgeflechts, von dem der Film handelt, aber unter einem anderen Aspekt auch dessen Fortsetzung mit anderen Mitteln. Das Ende von Vic + Flo ist eine Zumutung, aber es beansprucht nicht, das letzte Wort zu haben. Wie alle Wendungen des Films so wird auch sein Finale von dem Bewusstsein einer Kontinuität begleitet, die zwischen den Extremen – von Utopie und Gewalt, Freiheit und Gefangenschaft, Leben und Tod – vermittelt. s
Vic + Flo haben einen Bären gesehen von Denis Côté CA 2013, 95 Minuten, französische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, 3 www.salzgeber.de Im Kino in der L-Filmnacht im März, 3 www.L-Filmnacht.de
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EIN TRAUM AUF FUSSBALL SCHUHEN VON M A LT E G ÖBE L
s Reinier ist gut am Ball, er hat Talent. Falls mal Talentscouts am Bolzplatz in den Slums von Havanna vorbeikommen sollten, würde er bestimmt entdeckt werden. Raunt das ganze Freizeitkickerteam. Und es wäre Reiniers großer Traum, ein bisschen vom Ruhm seiner Barca-Vorbilder zu haben: Piqué, Iniesta, Messi. Nur: Ob jemals Scouts vorbeischauen werden, ist unklar. Bis dahin ist Reinier bitterarm, wie (vermutlich) die meisten seiner Mitkicker. Er hat keinen Job und geht abends anschaffen, um Geld für sein Baby, seine Freundin und deren Mutter aufzutreiben, bei denen er wohnt. Und er gönnt sich mal ein Designer-Shirt, das er beim Schwiegervater seines Teamkollegen Yosvani kauft. Yosvani ist einer von den Freizeitfußballern, aber einer, dem es gut geht: Zwar wohnt auch er bei der Familie seiner Braut, aber die schenkt ihm bunte Hipster-Fußballschuhe. Sie hat Geld: Ihr Vater macht Geschäfte auf dem Schwarzmarkt. Yosvani hat also Braut, Job und Zukunft. Reinier hat manchmal nicht einmal Essen im Haus. Als eines Abends Straßenräuber Yosvani seine bunten FußballTöppen abnehmen, eilt ihm Reinier zu Hilfe, und die beiden freunden sich an. Sie treffen sich mit ihren Freundinnen in der Disco. Sie hängen nach dem Training herum, Yosvani kauft Reinier etwas zu essen und bekommt mit, dass dieser sein Geld damit verdient, mit spanischen Touristen ins Bett zu gehen. So startet La Partida – Das Letzte Spiel des spanischen Regisseurs Antonio Hens als klassische Boy-meets-Boy-Geschichte im homophoben Umfeld: In Kuba ist Homosexualität zwar nicht mehr explizit strafbar, 2010 übernahm Fidel Castro die Verantwortung für vorhergehende Homo-Diskriminierung und erkannte diese damit an. Es gibt seit ein paar Jahren eine Diskussion um die staatliche Anerkennung homosexueller Partnerschaften. Dennoch ist Homosexualität gesellschaftlich weiterhin verpönt, wird sogar noch wie Trunk- und Drogensucht als „antisoziales Verhalten“ von der Polizei registriert. Auch Yosvani und Reinier haben ihre Vorurteile, Reinier lässt sich von seinen Freiern nicht ficken („Ich bin doch keine Schwuchtel!“). Und beide wissen ganz genau, dass es für ihr Umfeld ein Problem wäre, wenn es mitbekommen würde, wie nahe sich die beiden gekommen sind. Natürlich starten sie trotzdem eine Liebesstory, zunächst enthemmt durch Ecstasy-Konsum in der Disco. Später turteln sie über den Dächern von Havanna und schieben sogar eine flotte Nummer auf der Strandtoilette, während ihre Bräute draußen in der Sonne braten. 12 SISSY 21
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In Antonio Hens’ kraftvollem Spielfilm „Das letzte Spiel – La Partida“ wird die Liebe zweier kubanischer Jungs schlicht und einfach dadurch erdrückt, dass sie kaum was zu essen haben, die Bedürfnisse ihrer Familien, ihrer Frauen und ihrer Freier befriedigen müssen und gar keine Möglichkeiten haben, ihren eigenen nachzugehen. Das ist auf Soap-Niveau erzählt, erreicht aber zwischendurch eine ungeheure Komplexität, wenn Hens diese beiden zerbrechlichen Jungs handlungsunfähig macht, ohne ihnen seine Liebe zu entziehen.
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Wobei es in Reiniers Heim kein Geheimnis ist, wie er sein Geld verdient. Im Gegenteil: „Lass den Spanier nicht entwischen! Gib’s ihm da rein, wo er es haben will, du weißt schon“, rät ihm seine Schwiegermutter beim Abendessen, und Reinier bringt besagten Spanier Juan sogar einmal mit nach Hause, sehr zum Ärger von Yosvani. (Als Rache foult er Reinier beim nächsten Match brutal.) Und irgendwie ist da auch mehr zwischen Reinier und seinem spanischen Touristen. Reinier macht Passfotos, schenkt eines davon Yosvani, eine romantische Geste, doch Yosvani wird gleich misstrauisch. „Wozu brauchst Du Passfotos? Wozu brauchst Du einen Reisepass?“ Reiniers Schwiegermutter hingegen ist begeistert: „Du musst dich mit Juan zusammentun! Geh mit ihm und heirate ihn!“, sagt sie, und auf Reiniers entgeisterten Blick: „Sieh mich nicht so an, in Spanien geht das! Und dann holst du uns und deinen Sohn hier raus!“ Homosexualität ist da ein Vehikel des Kapitalismus, ein unschöner, aber gangbarer Weg aus der Armut, möglicherweise die einzige Chance, dem tristen Leben in der Bruchbude von Havanna zu entkommen – und zwar für die ganze Familie. Eine reale Chance im Gegensatz zum Fußball-Traum. Das sieht auch Reinier so und verstärkt seine Bemühungen um Juan – doch der reist natürlich irgendwann ab, allein. So ist La Partida nicht nur Boy-meetsBoy-Romanze, sondern auch Sozialdrama. Regisseur Antonio Hens geht dabei etwas subtiler vor als bei seinem ersten Film Clandestinos von 2007. Damals vermengte er eine schwule Liebesgeschichte mit Thriller-Stoff: Da flüchtet der junge Xabi aus dem Gefängnis, um seinem Mentor von der baskischen Terrororganisation ETA wieder nahe zu sein. Um Geld zu verdienen, prostituiert er sich und bringt einen Fahnder auf die Terrorspur – und verliebt sich auch noch in diesen. 14 SISSY 21
La Partida ist da wesentlich subtiler, auch für Antonio Hens: „Es geht mir vor allem um Teenager, um den kritischen Moment im Leben, kurz bevor wir erwachsen werden“, erklärte der Regisseur vergangenen Dezember im Interview mit havanatimes.org. „Ich interessiere mich für die Widersprüche dieses Moments, seine Illusionen und die Stärke der ersten Liebe, die immer die intensivste, leidenschaftlichste und so auch authentischste ist. Später, als Erwachsene, schaffen wir uns einen Schutzschild gegen so starke Gefühle.“ Für Hens ist La Partida auch kein geniun kubanischer Film, kein Porträt des Havanna der Gegenwart. „Es ist eher ein Porträt der unterprivilegierten Leute, die es natürlich in der kubanischen Gesellschaft gibt, aber auch in anderen. Sie suchen nach ihrer persönlichen Freiheit, und das ist eine universale Angelegenheit.“ So ganz recht hat er aber nicht, denn natürlich ist La Partida auch ein Kommentar zu den Lebensverhältnissen in Kuba, zur Bedeutung, die Geld in der vermeintlich sozialistischen Gesellschaft dort hat. Für den Film muss man sagen: Glücklicherweise ist die Liebesgeschichte von Reinier und Yosvani nicht der einzige Spin, es geht auch um Träume, vor allem um die Verheißung Fußball. Aber das harte Geld wird zum Problem: Reinier gibt mehr aus als er hat, für fesche T-Shirts, Hütchenspiel und Discobesuche. Er steht bei Yosvanis Schwiegervater immer tiefer in der Kreide, versetzt sogar Radio und Fernseher seiner Schwiegermutter, verliert die Pesos dann gleich wieder beim Glücksspiel. Yosvani soll das Geld, das Reinier seinem Schwiegervater schuldet, eintreiben – und versagt. „Schlag zu!“, ruft der Schwiegervater, als er mit Yosvani und einem Schergen Reinier auflauert. „Schlag zu!“ Und als Yosvani es nicht tut: „Glaubst Du, ich habe nicht gemerkt, dass er in Wahrheit deine Freundin
ist? Dich will ich nicht mehr sehen!“ – Er hat gewittert, dass Yosvani gegenüber der Hochzeit mit seiner Tochter nur wenig enthusiastisch ist, hat ihn zudem bei einer intimen Berührung mit Reinier beobachtet. Außerdem schmeißt Reiniers Schwiegermutter ihn raus, weil er es nicht geschafft hat, Juan das Geld aus der Tasche zu ziehen und sogar ihren Fernseher versetzt hat. Alles im Eimer, alles gut? Yosvani und Reinier zusammen gegen den Rest der Welt? Man wünscht es den beiden Jungs, die auch ein ziemlich niedliches Pärchen abgeben. Auch Yosvani will das: abhauen, ganz woanders hin, dort neu anfangen zu zweit. Doch Reinier will nicht mehr, oder kann nicht, denn unverhofft hat sich ein anderer Traum von ihm erfüllt: Beim Kiezbolzen waren Scouts da und haben ihn zur Jugendnationalmannschaft geladen. Seine große Chance! So dreht sich das Kräfteverhältnis vom Anfang des Films: Damals hatte Yosvani eine Existenz, eine anstehende Hochzeit, Job und Perspektive, Reinier hatte nur Hoffnung. Nun hat Reinier ein Ziel vor Augen, eine Chance, ein Ziel, eine Existenz. Und Yosvani lebt von der Hand in den Mund. Ihm geblieben ist nichts als seine Hingezogenheit zu Reinier, und er nimmt auch nichts anderes mehr wahr. Yosvani kehrt zurück zu seinem Schwiegervater, um von ihm Geld zu verlangen. Dabei belauscht er einen Streit zwischen Vater und Tochter, sie ist wütend, weil er Yosvani vergrault hat. „Er ist eine Schwuchtel!“, verteidigt sich der Vater, als wäre alles damit gesagt. Aber sie: „Na und? Das ist mir egal! Ich hab nicht versucht, ihn zu ändern. Und ich sag dir eins: Bring ihn mir zurück!“ So scheint es fast, als wäre der Schwiegervater der einzige, der etwas gegen Homosexualität hat. Aber das stimmt natürlich nicht. Die ganze Dramatik von La Partida speist sich aus der allgegenwärtigen Verachtung für schwule Liebe. Eine Boy-meetsBoy-Geschichte, die durch gesellschaftliche Umstände keine unbeschwerte Love-Story sein darf. s
Das letze Spiel – La Partida von Antonio Hens ES/CU 2012, 94 Minuten, spanische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, 3 www.salzgeber.de Im Kino in der Gay-Filmnacht im März, 3 www.Gay-Filmnacht.de
Clandestinos von Antonio Hens ES 2007, 80 Minuten, spanische OF mit deutschen UT Auf DVD bei Pro-Fun Media, 3 www.pro-fun.de
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Liebesbriefe eines Unbekannten von Yariv Mozer IL 2013, 82 Minuten, hebräische OF mit deutschen UT Pro-Fun Media, 3 www.pro-fun.de Im Kino ab 13. März 2013
PRO-FUN MEDIA
BLICKDICHT VON PAU L SCH U L Z
Yariv Mozer hat Jossi Avnis Roman „Im Garten der toten Bäume“ verfilmt. Das Ergebnis heißt „Liebesbriefe eines Unbekannten“ und liegt ganz in den Händen seines wunderschönen Hauptdarstellers.
s Israel ist ein widersprüchliches Land. Knapp so groß wie Hessen und teilweise streng religiös geprägt, aber cineastisch groß und weltoffen. Die queere Filmnation Israel kann etwas, das Deutschland in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen ist: drei bis vier Kinofilme produzieren, die international breit wahrgenommen und diskutiert werden. Und zwar jedes Jahr, seit ungefähr 15 Jahren. Dabei ist man über Coming-Out-Dramen oder Coming-of-Age-Geschichten lange hinaus, beschäftigt sich vielmehr in so unterschiedlichen Werken wie Haim Tabakmans Du sollst nicht lieben über das emotionale Popcornkino von Eyton Fox bis zur großartigen Doku The Invisible Men von Yariv Mozer aus dem letzten Jahr mit Religion, Alter und dem Schicksal von palästinensischen Flüchtlingen. Mozer hat jetzt seinen ersten Spielfilm gedreht, Liebesbriefe eines Unbekannten, nach dem Roman „Im Garten der toten Bäume“ von Jossi Avni. Die Story: Boaz (Yoav Eruveni) ist ein wunderschöner Linguistikstudent, der mit seiner Freundin Noa (Moran Rosenblatt) in einer heruntergekommenen Neubauwohnung in Tel Aviv lebt. Einmal am Tag geht er zur Post und schaut sehnsüchtig in sein Postfach, denn er wartet auf die Bestätigung seines Doktoranden-Stipendiums an einer Jerusalemer Universität. Die kommt erstmal nicht, stattdessen erreichen ihn Briefe eines Unbekannten, der ihm seine Liebe gesteht, erklärt, er würde Boaz von Ferne beobachten, sich nach ihm verzehren und hoffen, seine Zuneigung würde irgendwann erwidert. Statt die Polizei einzuschalten, begibt sich das verunsicherte Objekt der Begierde in seinem Umfeld auf die Suche nach dem Autor der Briefe, zunächst ohne Erfolg. Dabei findet Boaz jedoch heraus, dass viele Männer derjenige sein könnten, der ihn im Stillen begehrt:
der Kommilitone, der ihm beim Schwimmen eine Zigarette anbietet, sein Lieblingsprofessor, ein Jogger, der ihn anrempelt und dabei einen Erinnerungsbrocken löst, an eine Nacht aus Boaz’ Militärdienst, in der er mit einem anderen Mann mehr getan hat, als ihn nur anzusehen. Diese Erinnerung zertrümmert Boaz’ lose zusammen gehaltenes Selbstbild und lässt ihn an seiner Beziehung zu Noa zweifeln. Denn die Frage lautet: Ist er der, den der Briefeschreiber sieht, oder der, der er zu sein glaubt? Yariv Mozer inszeniert diese Identitätssuche als Spiel der Blicke. Boaz betrachtet die, von denen er betrachtet zu werden glaubt, und man weiß nie genau, wer der Jäger und wer der Gejagte ist, wer sieht und wer nur gesehen wird. Daraus entsteht eine sich auch auf den Zuschauer übertragende Verunsicherung, denn auch er wird in dem voyeuristische Kaleidoskop gefangen, ist aber der einzige, dem beide Blickrichtungen gestattet sind: die auf Boaz und die von Boaz auf die anderen. „Im Garten der toten Bäume“ war Anfang des Jahrtausends auch deswegen ein so hochgelobtes Buch, weil es aus fünfzehn losen Versatzstücken besteht, sprachlich unglaublich dicht, mit linguistischen Gedankenspielchen gefüllt, ein modischer Roman, „Hallucinating Foucault“ für Homos. Keine ideale Grundlage für einen Film. Mozer instrumentalisiert diesen Nachteil für sich, arbeitet mit Voiceover und Rückblenden, und lässt seinen Protagonisten Träume haben, von denen man als Zuschauer nie genau weiß, ob sie Erinnerungen oder bloße Phantasien sind. Der Film legt sein Schicksal aber gezwungenermaßen in die Hände seines Hauptdarstellers Yoav Eruveni. Der macht in seinem Filmdebüt alles richtig und lässt seine Schönheit nicht von seinem Körper spielen, sondern von denen, die ihn betrachten. Das gelingt ihm auch deswegen, weil Mozer ihm mit Rosenblatt eine Partnerin zur Seite stellt, die selbst so schön ist, dass man sofort glaubt, dass Boaz die Entscheidung über seine Orientierung schwer fällt. Noa ist nie das Opfer der Selbstentdeckung ihres in Wahrheit vielleicht schwulen Mannes, sondern versucht, ihre Partnerschaft zu retten, weil sie begreift, dass ihr Freund zu verwirrt ist, um mit ihr zu reden, sich aber noch nicht für oder gegen sie entschieden hat, weil er sich in den eigenen und fremden Blicken längst verheddert hat. Nur sie ist in der Lage, die Situation von außen zu betrachten und zu verändern. Der Schluss ist ein letzter Blick auf das Ergebnis all der Bemühungen um Boaz, und eine Lektion darin, dass eine einzige Umarmung mehr Kraft hat als tausend schöne Worte. s SISSY 21 15
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TIEFE WASSER VON GU N T H E R GE LT I NGE R
In Tomasz Wasilewskis visuell meisterhaftem Drama „Floating Skyscrapers“ ist der Held, der sich unter dem Druck seiner Umwelt einen Lebens- und Liebesspielraum zu erobern versucht, ein Leistungsschwimmer. Das Wasser ist sein Element, er taucht unter, schwimmt sich frei, lässt sich treiben. Aber wie in den alten Liedern ist auch in diesem Film das Wasser nicht der Ort, an dem zwei Liebende zusammen sein können. Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb, sie konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief.
EDITION SALZGEBER / ANDRZEJ WENCEL
Das Wasser und die Liebe sind zwei unverträgliche Elemente, und ein Vulkan, der seinen Glutstrom ins Meer ergießt, erstarrt zu Stein. Trostlos und horizontverstellend ragen in Tomasz Wasilewskis Film Warschaus Hochhäuser. Autobahntrassen, Parkhausdecks und die Verteilergänge der Wohnanlagen verengen mit ihrer rechtwinkeligen Geometrie die starr kadrierten Bilder ins Innere, der Blick in die Weite prallt ab an gestaffelten Schichten aus Beton. Im Plattenbau scheint nicht nur das Wohnen, sondern auch das Leben der Bewohner, ihre Gefühle und Sehnsüchte, einer zweckmäßigen Architektur untergeordnet, die kaum Freiräume zulässt. Nur die Kinder schaffen es vielleicht noch, in den funktionalisierten sozialen Wüsten ihre Phantasie-Spielplätze zu finden. Bevor am Ende des Films Michal, eines der beiden Warschauer Königskinder, auf dem schmutzigen Boden einer Parkgarage liegen wird, an einer nackten Betonwand, vor der sich sein Blut ausbreitet wie die bittere Hoffnung auf ein wenig Farbe, erzählt Michals Vater in einer letzten Begegnung dem Sohn von dem Kind, das Michal einmal war: ein kleiner Junge, der auf das Fensterbrett kletterte und mit aufgerissenen Augen so lange die Hochhäuser betrachtete, bis die Augen sich mit Tränen füllten, die Lichter verwässerten und die Wolkenkratzer darauf zu schwimmen begannen. Ich werde mich nie ändern, sagt Michal, es klingt wie eine Drohung. Der Vater, Familienoberhaupt in einer bürgerlichen Normwohnung mit Flachbildfernseher, hat erst kürzlich Michals Coming-Out kommentarlos zur Kenntnis genommen. Draußen rauschen die Autobahnen der auf Effizienz getrimmten Moderne in einem Land, das, unterm erdrückenden Schatten eines vielleicht längst toten Gottes, den Anschluss an die Welt nicht verpassen will. Ach Liebster, könntest du schwimmen, so schwimm doch herüber zu mir! Drei Kerzen will ich anzünden, und die sollen leuchten dir.
Kuba, der Leistungsschwimmer mit dem athletischen Kreuz und der badekappentauglichen Kurzhaarfrisur, schafft es trotz hartem Training nicht auf die andere Seite des tiefen Wassers, obwohl er am Ende doch noch die drei verbindenden Zauberworte spricht: ich liebe dich, während er Michal in hitziger Umarmung an die Wand des Treppenaufgangs presst. Durch die Haustür tritt ein Typ mit Baseballkappe SISSY 21 17
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und Kapuzenpulli, den Kuba in einem Ausbruch angestauter Verzweiflung einige Wochen zuvor zusammengeschlagen hat, weil der junge Mann und sein Kumpel ihn als Schwuchtel bezeichnet hatten. Wenn am Ende die Jugendgang aus dem Wohnblock zur Rache im Parkhaus aufmarschiert, hat Wasilewskis Sozialdrama um ein verhindertes Coming-Out längst die Dimension der griechischen Tragödie erreicht, wo es aus der von den übermächtigen Göttern festgelegten Conditio humana kein Entrinnen gibt. Der Tod ist der Preis für den Bruch mit den herrschenden Gesetzen und für den Aufbegehrenden vielleicht die einzige Form der Freiheit. Die weltweit verbreitete Volksballade der Königskinder, die über das tiefe Wasser nicht zueinander finden, hat ihre Wurzel in der von Ovid überlieferten Schwimmersage, in der Leander über den Hellespont schwimmen will, um die Priesterin Hero aufzusuchen, die er liebt. Doch das Unterfangen steht von Anfang an unter dem Zeichen der zürnenden Götter. Die Lampe, die Leander zur Überquerung der Meerenge angezündet hat, erlischt in der Sturmnacht, der Schwimmer ertrinkt, Hero stürzt sich in Trauer vom Turm. Gerichtet sind die mythischen Klageverse an die Götter, die die Liebenden nicht behindern sollen. In der volkstümlichen Umdichtung aber wird – wie in allen Märchen – das große Schicksal enggeführt und familiarisiert. Der Dialog zwischen einer verständnislosen Mutter und der verliebten Tochter fordert in der Ballade ideologisch gedeutet angepasste Passivität und ruft zum Leiden und Erdulden auf. Hier wird mit der pädagogischen Geste des Märchens milieukonforme Sozialisation betrieben: Das hört eine falsche Nonne, die tat, als wenn sie schlief; sie tät die Kerzlein auslöschen, der Jüngling ertrank so tief.
Die Figur der bösen Nonne, die den Liebesplan vereitelt, verteilt Wasilewski auf mehrere Rollen. Zunächst ist da die Urgewalt, das Wasser selbst. Eingepfercht in das gekachelte Becken, das von Kuba für den bevorstehenden Wettbewerb in Bestzeit durchkrault werden soll, lauert es chlorig und frei von jeglicher (Natur-) Romantik auf den Körper 18 SISSY 21
des Leistungssportlers, den es in seinem fehlgegangenen Begehren brechen und zurück auf die streng abgezirkelte Schwimmbahn lenken soll. Selbst der See, an dem Kuba, Michal und Kubas eifersüchtig-trotzige Freundin Sylwia gedrückter Stimmung ein verregnetes Sommerwochenende verbringen, ist von einer Betonmole eingefasst, von der Kuba sich abstößt in eine Freiheit, die in Wasilewskis Drehbuch immer hinter dem nächsten Dialog zu liegen scheint: Schon zieht Michal sich aus, um zu dem Geliebten ins Wasser zu springen, da macht Sylwia Kuba auf einen Knutschfleck an Michals Hals aufmerksam. Kaugummikauend genießt die Konkurrentin am steinernen Kai ihren kleinen Triumph. Der Schwimmtrainer impft Kuba mit den Regeln des Erfolgs („Keine Ablenkungen! Du gewinnst mit dem Kopf, nicht mit den Muskeln!“), und bevor Kuba beim Wettkampf vom Startblock köpft, bekreuzigt er sich. Doch da ist kein Erlöser mehr, der zur Bestzeit helfen will. Und erst recht nicht zur schwulen Liebe. Denn nicht nur Sylwia zieht Kuba zurück in die heterosexuelle Konvention. Da ist auch die Mutter, die Kubas Körper, die Glut des Begehrens in seinen Adern, unter Verschluss hält. In der engen Wohnung, wo die Mutter die Freundin des geliebten Sohnes mehr duldet als willkommen heißt, kann Kuba ihren übergriffigen Berührungen kaum entgehen. Sie kommandiert ihn vom Sex mit Sylwia weg an die Badewanne, er soll ihr den Rücken massieren. Im Flur mit der Schmetterlingstapete (selbst die Metapher auf die misslungene Metamorphose Kubas ist hier Wohnraum und Architektur) presst sie ihm den viel zu langen Kuss auf den Mund, kann ihre Hände kaum von der schweißglänzenden Schwimmerbrust lösen. Später, wenn Kubas Liebe zu Michal beide Frauen zu seinen Gegnern gemacht hat, wird sie sich mit der ehemaligen Konkurrentin Sylwia verbünden, letztes Mittel, den Sohn im Machtbereich des weiblichen Körpers zu halten. Für das Baby, das Sylwia von Kuba erwartet, entwirft die Mutter auf dem geblümten Sofa den Plan, der Kuba zurück in seine Pflichten holen soll. Und auch Sylwia hat ihre Liebe zu Kuba längst verraten. Das Kind in ihrem Bauch ist die letzte Waffe gegen den abtrünnigen Geliebten. Dabei war die Utopie der (sexuellen) Freiheit so nah, fast schon Wirklichkeit: Scheiße, du bist schön, sagt sie
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zu Michal bei einem Besäufnis unter freiem Himmel, wo die Jugend mit ihren Exzessen der Trostlosigkeit nackter Betonflächen trotzt. Engumschlungen tanzen Kuba und Michal, mit einem fremden Mädchen zwischen ihnen, das Sylwia sein könnte, das zu sein Sylwia sich vielleicht im tiefsten Innern wünscht. Doch sie kann nicht anders, als die Mutter in die homoerotische Affäre ihres Geliebten einzuweihen. Die straft Kuba mit der klassischen Ohrfeige, einer Machtdemonstration der Autorität von Schuld und Scham: „Das kannst du mir nicht antun.“ Ach Mutter, herzliebste Mutter, der Kopf tut mir so weh; ich möcht so gern spazieren wohl an die grüne See.
Für eine kurze Zeit war Kuba tatsächlich ausgebrochen: Beim entscheidenden Wettkampf ergibt er sich nach ein paar Runden, die er anführt, dem Sog des Wassers. Er taucht ab, lässt sich treiben. Als er an die Oberfläche zurückkehrt, ist zwar der Wettkampf verloren, die Leichtigkeit des Lebens aber zurückgewonnen. Eine Gruppe Synchronschwimmerinnen tanzt schwerelos durch das so belastete und bedrückende Element, während der Trainer Kuba zusammenpfeift: „Du könntest Champion sein. Hast du keine Eier?“ Doch Kubas Manneskraft soll Michal gehören – schon seit ihrem ersten Treffen auf einer Vernissage, zu der Kuba Sylwia begleitet hat. Mehr als eine halbe Filmlänge schwebt – oder droht – der erste Kuss über dem Königskinderpaar, eine süße und gefährliche Verlockung, der sich auch der Regisseur in ausgiebigen Sequenzen hingibt. Er bewegt die Körper seiner schönen männlichen Schauspieler wie zwei starke Magneten aufeinander zu, um sie im letzten Moment doch wieder auseinanderzureißen. Als Kuba und Michal auf einen Güterzug aufspringen und sich in ein Land der Hoffnung fahren lassen, das jenseits des Warschauer Betongürtels sogar ein bisschen grün ist, bietet sich ratternde Wildwest-Romantik für das erste Mal. Stattdessen masturbiert Kuba mit verkniffenem Gesicht im Schwimmbadklo, und beim heimlichen Blow-Job in der Kabine ist sein Gesichtsausdruck eher leidend als lustvoll. Als der Sportkollege, der ihm geil aus der Dusche gefolgt ist, Kuba küssen will, schlägt der ihn weg. Der andere soll unten bleiben, beim Schwanz jenseits des Bildrands, am Boden, im Dreck. Lange ist die Schwimmbadkabine der einzige Ort, wo Kuba seinem Verlangen nach Männern nachgibt – hinter einer geschlossenen Front aus Türen, schier undurchdringbar wie die Mauern der Hochhäuser. Nur ein paar schmatzende Laute sind zu hören, erstickt und kläglich, als stiegen sie herauf aus tiefem Wasser. Ach Fischer, liebster Fischer, willst du verdienen groß Lohn, so wirf dein Netz ins Wasser und f isch mir den Königssohn. Er warf das Netz ins Wasser, es ging bis auf den Grund; der erste Fisch, den er f ischte, das war des Königs Sohn.
Nur scheinbar fügt sich Wasilewskis Drehbuch in das Erzählmuster des konventionellen Coming-Out-Films, dessen dramatischer Bogen über der Frage gespannt wird, wann der Andersartige, der anders leben will und muss, endlich das Tabu bricht. Auch die betrogene Frau in ihrer passiven Opferrolle (wir haben sie jüngst mit heimlicher Genugtuung im deutschen Polizisten-Brokeback-Mountain Freier Fall bedauert) ist in Floating Skyscrapers mehr Archetyp als individueller Charakter. In der klassischen Tragödie hat der Mensch in seinem gottgegebenen Umfeld zwar großen Sehnsuchts-, aber wenig Handlungsspielraum. Die Geschichte kann das psychologische Potential der Figuren nur zur Selbsterfüllung ihrer erzählerischen Zielsetzung nutzen – in der Tragödie ist es meist die Auflösung der bestehenden Bindungen durch Verrat, Verstoß, Inzest oder Mord. Die Sprengkraft
des individuellen Begehrens verpufft in einem zwar nicht menschenleeren, aber doch seltsam seelenlosen Raum, der von der unfassbaren Größe des Schicksals, nicht vom Streben des Menschen selbst nach Glück bestimmt wird. Dementsprechend wird das langersehnte erste Mal unterm distanzierten Blick der Kamera an einem quietschenden (oder jammernden) Eisengitter mehr vollzogen als genossen – ohne Kondom, denn das schwule Selbstbewusstsein reicht gerade mal für den körperlichen Akt an sich aus, nicht für einen verantwortungsbewussten und reflektierten Umgang damit. Die Königskinder dürfen ihr Liebesreich zwar aus der Ferne betrachten, aber nicht errichten. Nur so kann ein Volksmärchen in seiner Moral für eine gesamte Menschheit gültig bleiben und im Erzählen eine Sehnsucht sublimieren, die im „wirklichen“ Leben in den seltensten Fällen zu einem Happy End führt. Sie fasst ihn in ihre Arme und küsst seinen toten Mund: Ach Mündlein, könntest du sprechen, so wär mein jung Herze gesund.
Immer wieder werden die Augen der so unglücklich in ihren Beziehungsstrukturen festzementierten Menschen nun feucht, doch der Wunsch, die Hochhäuser mögen beginnen zu fließen, bleibt eine kindliche Utopie, ein Traumbild auf dem Tränen-Film. Auch die bildnerische Freizügigkeit vor allem der heterosexuellen Liebesszenen durchbricht in Wasilewskis Film nicht die herrschende Moral, letztendlich untermauert sie sogar die Prüderie einer Gesellschaft, in der die Lust nur in abgeschlossenen, heimlich erschaffenen Biotopen blühen darf. Die Umkehrung der Perspektive in eine eigene (schwule) Sicht auf die Lebenswelt, aus einer Klokabine heraus, wo zwei Männer nach dem Sperma des anderen lechzen, muss erzählerische Leerstelle bleiben. Die Körperflüssigkeiten, die sichtbar für alle in der Tragödie fließen dürfen, sind das Blut und die Tränen aus den brechenden Augen. Heil und Glück des Individuums sind wenn überhaupt nur in der Hoffnung auf ein besseres Leben möglich, in der anderen Welt, auf die jeder Mythos verweist. In diesem Umkehrschluss stellt Wasilewsiks Film seinen eigenen, von der christlich-katholischen Tradition gefärbten Blick auf seine Figuren zur Diskussion. Sie schwang sich um ihren Mantel und sprang wohl in die See: Gut Nacht, mein Vater und Mutter, ihr seht mich nimmermehr. Da hört man Glöcklein läuten, da hört man Jammer und Not; hier liegen zwei Königskinder, die sind alle beide tot.
Bleibt zwischen hier und dort das Wasser. Es ist das einzige, das Kuba im Leben beherrscht. Traut plätschert es in der Wanne, in der die schwangere Sylwia sitzt, während Kuba ihr – wie zuvor der Mutter – den Rücken massiert. Aus einem Schwamm drückt er ihr das Elixier auf die Schultern. Denn Kuba weiß um dessen Kraft. s
Floating Skyscrapers von Tomasz Wasilewski PL 2013, 93 Minuten, polnische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, 3 www.salzgeber.de Im Kino in der Gay-Filmnacht im Mai, 3 www.Gay-Filmnacht.de Kinostart: Sommer 2014
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MUTTER BLAMAGE VON A L E X A N DR A SE ITZ
Seit „Fögi ist ein Sauhund“ (1998) haben wir auf einen neuen Film von Marcel Gisler gewartet. Jetzt ist er da. "Rosie" ist ein Mamaporträt mit Witz und Wärme und feiert eine Heldin, die ihr Leben lang eher Probleme eingekocht hat als Marmelade.
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s Rosie ist eine unwürdige Greisin. Naja, Greisin nicht ganz, schließlich ist sie noch keine Achtzig, unwürdig aber auf jeden Fall. Selten ist Rosie ohne ein Glas Rotwein zu sehen, auch dem Schnaps spricht sie gerne und häufig zu, rauchen tut sie wie ein Schlot und auf den Mund ist sie gleichfalls nicht gefallen. Rosie ist keine Bilderbuchoma und sehr wahrscheinlich war sie auch keine vorbildliche Gattin, Hausfrau und Mutter. Lang schon ist sie verwitwet, lang schon sind die Kinder aus dem Haus im kleinen Schweizer Dorf, in dem Rosie nunmehr alleine lebt. Tochter Sophie hat im nahegelegenen St. Gallen mit, so Rosie, „einem Langweiler“ ihre eigene Familie gegründet; Sohn Lorenz erfreut sich im fernen Berlin eines gewissen notorischen Rufs als, so die Presse, „homosexueller Schriftsteller“, der in seinen Texten das Explizite nicht scheut. Ausgerechnet als im Fernsehen über den eben erschienenen, neuesten Roman ihres Sohnes berichtet wird, erleidet Rosie ein – schweizerdeutsch ausgedrückt – „Streifschlägli“, einen leichten Schlaganfall also, und landet im Spital. Herbei eilen die Kinder, nehmen auf der Krankenbettkante Platz, machen besorgte Mienen und fragen sich, wie es weitergehen soll. Kann Rosie in Zukunft noch alleine leben? Und wie lange wird das so gut gehen? Fragen, die jeder kennt, der betagte Eltern hat. Fragen, die einem gleich zu Beginn von Marcel Gislers Familiendrama Rosie die Möglichkeit zur unmittelbaren Anknüpfung bieten. Zumal auch die eigenwillige, dickköpfige, auf ihre Selbständigkeit und ihre Ungestörtheit
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BESTE SCHAUSPIELERIN SIBYLLE BRUNNER
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bedachte alte Frau so manchem nur allzu vertraut erscheinen mag. Sein Film sei eine Hommage an seine eigene Mutter, sagt Gisler. Das wird einer der Gründe dafür sein, dass die Geschichte, die Rosie erzählt, so gut wie keine falschen Töne hat. Dass sie sich wahrhaftig und aufrichtig anfühlt, obwohl sie freilich narrativen wie dramaturgischen Konventionen unterworfen, also konstruiert ist. Ein weiterer Grund ist Sibylle Brunner in der Titelrolle, die für ihre Leistung den diesjährigen Schweizer Filmpreis als Beste Darstellerin erhalten hat. Brunner nutzt die spezifische physische Präsenz der Theaterschauspielerin, die sie ist, und stellt ihre Figur als Körper in den Raum vor der Kamera. Ohne Outrieren, ohne Rampensau-Allüren und ohne für die Galerie zu spielen, kommandiert sie die Blicke der ZuschauerInnen zuvörderst mit ihrer Lebendigkeit. Dann legt sie nach mit ihrer Sprechweise und einer gewissen ruppigen Frechheit, die von Energie und Lust, aber auch von Leid, Trauer, Versagen und tief vergrabener Verzweiflung erzählt. Rosies „Streifschlägli“ setzt eine Reihe von Ereignissen in Gang, an deren Ende die Aufdeckung eines wohlgehüteten Familiengeheimnisses sowie, damit einhergehend, allerlei Versöhnungen, Befriedungen und Neuanfänge stehen. Das Drama der Familie Meran – Rosies Alkoholismus, Lorenz’ Bindungsangst, Sophies Eheunglück, der Schatten der väterlichen Lebenslüge – entfaltet sich dabei ganz unauffällig und allmählich. Der Ton der Erzählung bleibt leicht und humorvoll, wird nie leichtfertig oder gar albern, wagt manchmal das Pathos und entdeckt darin dann die Herzenswärme. Zäsuren im zeitlichen Verlauf der Geschichte setzen Autofahrten, die Lorenz unternimmt, um bei der Mutter nach dem Rechten zu sehen. Besuche, im Zuge derer Puzzleteil um Puzzleteil gefunden und aneinandergefügt wird. Gisler, der an der Berliner dffb unter anderem als Dozent für Schauspielführung tätig ist, holt aus der Interaktion der Charaktere einen stetig zunehmenden Reichtum an emotionalen Nuancen hervor. Und eh man sich’s versieht, sieht man nicht mehr nur die Beschädigungen einer einzelnen Familie und die Versuche ihrer Mitglieder, mit diesen doch noch Wege des Umgangs zu finden. Rosie erweist sich zudem als Studie der mannigfaltigen Möglichkeiten, die Liebe zu verbocken. Sei’s aus Egoismus, sei’s aus Feigheit. In der Enttäuschung endet die Selbst-Täuschung in jedem Fall. Darüber, dass das so ist, macht sich hier am Ende niemand mehr Illusionen. Und dankenswerterweise werden sie auch uns erspart. s
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Martin Provosts Biopic über Violette Leduc, die sich Mitte des vorigen Jahrhunderts aus einfachsten Verhältnissen in die nicht-heterosexuelle, feministische Avantgarde hinein schrieb, macht als Film und am Beispiel seiner Hauptfigur deutlich, dass das Finden einer eigenen, künstlerischen Form eine politische und oft lebensnotwendige Strategie ist.
s „Ma mère ne m’a jamais donnée la main.“ Es ist der erste Satz des ersten Buchs von Violette Leduc. Wie so vieles, was sie geschrieben hat, wurde dieser berühmte Satz nicht ins Deutsche übersetzt. In Martin Provosts Film sitzt die Schauspielerin Emmanuelle Devos als Leduc in einem grauen, herbstlichen Garten unter einem kahlen Baum. Ein fahles sonnenloses Licht beleuchtet ihr ausdruckslos dahinstarrendes Gesicht, ihr auffällig blau kariertes Kleid mit den leuchtend roten Knöpfen, die Decke, die sie sich über die Schultern geworfen hat, ihre blonden lockigen Haare. In einer Großaufnahme steht ein gläsernes Tintenfass mit herrlich leuchtenden Spuren blauer Tinte auf grünem Moos. Eine Feder wird hinein getaucht. Wir schauen ihr über die Schulter, während sie diesen Satz in einer sehr schönen Handschrift in ein einfaches Schreibheft notiert. Die Untertitel des Films schaffen, was der deutsche Buchmarkt in 68 Jahren nicht zustande brachte. „Meine Mutter …“, heißt es erst, und dann nach einigen kratzenden Bewegungen der Feder auf dem Papier: „hielt nie meine Hand.“ Nachdem Violette diesen Satz geschrieben hat, sieht sie sich um, als erwartete sie, dass sich nun in der Welt etwas Großes ereignen müsste. Sie schaut dann nach oben und die Kamera folgt ihr mit einem vertikalen Schwenk in einen hellgrauen Himmel, vor dem das Fehlen von Blättern an den knochigen schwarzen Ästen eines Baumes schmerzhaft bewusst wird. In der nächsten Einstellung folgt die Kamera ihrem Blick, der sich wieder auf das Papier auf ihrem Schoß senkt. Sie schreibt weiter und wiederholt den Satz, auf französisch aus dem Off noch einmal, während wir ihn nun vollständig in den Untertiteln mitlesen können. „Meine Mutter hielt nie meine Hand.“ Diese Szene, nur wenige Minuten nach Beginn des Films, zeigt die literarische Erweckung Leducs. Von nun an schreibt sie. An die Seite ihrer fast kindlichen, blinden Liebe, ihrer Minderwertigkeitskomplexe und ihrer verzweifelten Sucht nach Anerkennung tritt mit dem Schreiben ein Prinzip,
das Form generiert. Der Satz ist so einfach wie bewegend, in ihm gibt sie das preis, was für sie den Abgrund ihres Lebens markiert, lang bevor sie ihre Mutter tatsächlich damit konfrontiert. Immer wieder wird der Film aus Leducs Werken zitieren, indem er sie die Sätze präzise, fast distanziert aus dem Off sprechen lässt. So prominent wie dieser erste Satz wird aber keiner mehr im Film auftauchen. Diese Szene zeigt die ganze Schwierigkeit des Films und seine überaus gelungene Lösung. Dass Violette Leduc irgendwann diesen Satz einmal in ein Heft geschrieben hat, steht fest, denn so wurde er 1946 gedruckt. Ob sie ihn aber als ersten des Manuskriptes schrieb, ob sie dabei wirklich ein blau-braun kariertes Kleid trug, auf einer trostlosen Herbstwiese saß und den Blick auf abgestorbenen Bäumen weilen ließ, wissen wir selbstverständlich nicht. Leducs Literatur ist der oft verzweifelte Versuch, einem umherirrenden und schmerzhaften Leben eine Form zu geben. Alle ihre Bücher sind stark autobiografisch. Sie berichten in einer einfachen und strengen Sprache von Dingen, die vor ihr nur selten, wenn überhaupt jemals, zu Papier gebracht wurden. Der Film konzentriert sich nicht auf die Vergangenheit, die Leduc in Literatur übersetzt, sondern er interessiert sich für ihren Schreibprozess, ihre Tätigkeit als Autorin, ihr Leben in Paris und in der Provence, vom zweiten Weltkrieg bis zu ihrem Tod 1972. Er tut das mit einer Strenge und Genauigkeit, die man ohne Mühe als filmisches Pendant zu Leducs literarischer Arbeit lesen kann. Während Leducs Blick nach innen gerichtet ist und versucht, die Verletzungen der Vergangenheit aus ihr heraus zu holen, konzentriert sich der Film ganz auf Oberflächen. Wir können in Filmen nicht sehen oder hören, was Menschen fühlen und denken. Wir können nur sehen, wie sie sich bewegen, hören, was sie sagen, teilen, was sie möglicherweise gesehen haben. Während der Gegenstand von Literatur sprachliche Konstrukte, Beschreibungen, Metaphern, Motive sind, handhaben Filme Bilder, Farben, Mon-
tagerhythmen, Musik, Geräusche, Stimmen. Wenn wir heute eine Neuausgabe eines der Bücher Leducs aufschlagen, finden wir darin ihre Worte. Die Bilder von ihr und ihrer Zeit, ihren berühmten Freunden und den Orten, an denen sie sich aufgehalten haben mag, lassen sich nicht so leicht in zeitgenössische Kinobilder übertragen. Es gibt zahlreiche gefilmte Interviews mit Simone de Beauvoir oder Jean Genet. Diese Bilder aus den 50eroder 60er-Jahren haben aber mit den Bildern des Films wenig zu tun. Während wir in den rauschenden und schlecht aufgelösten schwarz-weiß Aufnahmen die Akkuratesse der beauvoirschen Frisuren nur erahnen können, lassen sich in Violette ihre Haarsträhnen fast zählen. Die klaren, leuchtend farbigen, kontrastreichen und hochauflösenden Bilder des Films erinnern kein bisschen an das Bildmaterial, das uns aus den 40er- bis 60erJahren überliefert ist. Der Film weiß das sehr genau und geht offensiv damit um. Fast alle Einstellungen sind sehr sorgfältig komponiert. Die Bilder sind sehr oft symmetrisch angeordnet mit Violette in der Mitte oder sie auf einem Sessel links, de Beauvoir auf einem Sofa rechts, genau mittig das Fenster zur Straße. Die Ausstattung zelebriert jedes noch so kleine Detail: die Materialien der Kleider, die Rauheit des Papiers, das Holz der Schreibtische, verdorrte oder leuchtend frische Blumen überall, das verwelkende Braungelb herbstlicher Blätter und das von der Sonne erschöpfte Hellgrün südfranzösischer Sommerhitze. Die Beleuchtung bemüht sich um jeden Farbtupfer: de Beauvoirs tiefblaues Kleid in einem ihrer ersten Auftritte und der kontrastierende schmale rote Gürtel, die Tapete in Violettes Appartement, die kalkig zerknitterte Haut ihrer Mutter. Es gibt Stellen in dem Film, an denen dieser unbedingte Wille zum durchkomponierten und schönen Bild fast zur Manie wird. Er lässt mich aber niemals kalt, weil er sich nicht in der Aneinanderreihung hübscher Oberflächen genügt, sondern diese so in ein dynamisches Verhältnis bringt, dass sie selbst, ohne Worte, etwas SISSY 21 23
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erzählen. Immer wieder gibt es Einstellungen, in denen Violette an Flüssen steht. Dann sehen wir am unteren Bildrand einen Streifen aus dahinjagendem grünen oder braunen Wasser und oben Landschaft oder ein Stück von Paris. Unbewegt steht Leduc vor diesem zerrissenen Bild: Es trägt sie fort und setzt sie fest zugleich. Ungefähr in der Mitte des Filmes lässt sie sich von Genet und einem weiteren Freund dazu überreden, in einem selbstgedrehten Film dessen Mutter zu spielen. Schwarzweiß, stumm und in einem quadratischen Seitenverhältnis sehen wir eine regelrechte Stummfilmgroteske mit überzogenen Gesten, einer repetitiven Handlung, bei der ein Kinderwagen eine Treppe hinabrauscht. Violette wehrt sich, nun wieder in Farbe, mit Ton und in voller Kaderfüllung dagegen. In einem roten Mantel steht sie auf einer grünen Wiese und brüllt die Männer an, dass sie keine Mutter spielen will, dass das alles grotesk sei und sie sich missbraucht fühle. Sie wirft den Mantel ins Gras und rennt nun in einem rotbraunen Kleid mit großen weißen Blumen in den Wald. Diese Bilder funktionieren über ihre Farbkontraste und sprechenden Muster, ihre Komposition und ihren Rhythmus. All das könnte leicht in den oft verachteten Abgrund des Ausstattungsfilms führen: Wer nichts zu erzählen hat, stopft seine Bilder mit hübschen Sachen und schönen Farben voll und hofft, dass die Zuschauer_innen davon so sehr abgelenkt werden, dass sie die Substanzlosigkeit der Bilder nicht bemerken. Das Gegenteil ist in Violette der Fall. Es geht hier nicht darum, die Mitte des französischen zwanzigsten Jahrhunderts wieder auferstehen zu lassen. Sondern es geht um eine bestimmte Gruppe nicht (nur) heterosexueller Frauen und Männer, Bastardinnen und Angehöriger der anderen Geschlechter, die ihren Teil einfordern und sich Gehör ver24 SISSY 21
schaffen wollen. Es sind Menschen, die ihre Geschichte nicht als Familiensaga erzählen können und deren erste und letzte Lieben keine romantischen Märchen sind, sondern Berichte von Angst, Gewalt, Hass und Ausgrenzung. Violette wird am Anfang von Hunden durch den nächtlichen Wald gehetzt, sie sitzt am Ende allein mit Stift und Papier auf einer Wiese und schreibt. Der Film handelt von Menschen, die sich nicht in der Gesellschaft wohlmeinender Durchschnittsbürger wiedergefunden haben und die deshalb nicht in deren vorgefertigte Formen schlüpfen können. Mutter, Ehefrau, liebender Gatte, Tochter und Kollegin, das sind keine Kategorien, in denen sie sich wiedererkennen. Sie entscheiden sich deshalb, ihre eigenen Formen zu schaffen. Formen schaffen, das ist in Europa seit vielen Jahrhunderten das originäre Geschäft der Kunst gewesen. Zunächst oft in repräsentativer Absicht für Herrscher und Könige, wird im neunzehnten Jahrhundert ein Nebenweg frei, der schließlich zum Hauptarm wird. Künstler sind nun diejenigen, die nicht der Durchschnitt, nicht leicht zu verstehen und nicht mehrheitstauglich sind. An den Skandalen und Aufregungen, die sie produzieren, schärfen die Gesellschaften ihre Normalitäten. Das macht die Künstler_ innen des Films nicht zu geradlinigen Figuren. Man kann leicht am Elitismus einer de Beauvoir Anstoß nehmen, Tochter aus gutem Hause, deren Kämpfe aus einer bürgerlichererbten Kriegskasse bezahlt wurden, die durch Preisgewinne und Bestsellereinkünfte stets gefüllt war. Es lässt sich auch das aus der Zeit Gefallene an diesen Künstlerfiguren nicht übersehen, sowie der Widerspruch, der zwischen den Massenemanzipationsbewegungen des zwanzigsten Jahrhunderts und diesen singulären Künstlerpersönlichkeiten steht. Es ist aber ebenso überflüssig, den historischen Figuren daraus einen Vorwurf
zu machen wie den Film dazu zu verurteilen, dass er ihn nicht auflösen kann. Und das kann er nicht: Er zelebriert das Singuläre der Künstlerexistenzen im Guten wie im Schlechten, gewinnt darin aber vielleicht eine entscheidende Einsicht. Der Film koppelt das (halbwegs) gelingende Leben an die gelingende Form. Leducs Leben entgleitet nur deshalb nicht in das psychotische Halbdunkel geschlossener Anstalten, weil sie eine Form findet, von sich, ihren Geliebten, ihrer Angst und ihren Freuden zu schreiben. Der zur Kunst gewordene Individualismus erscheint als einziger Ausweg in einer Gesellschaft, die sich nur durch Normbegriffe und deren Sanktionierung verwaltet. Michel Foucault hat ein ganz ähnliches Argument in den 1970er-Jahren gegen dann schon wieder normierte Vorstellungen vom abweichenden Leben formuliert. Der Film lotet diese Pole vielleicht am eindrucksvollsten in seiner Musik aus. Das ewig repetitive Wabern von Arvo Pärts „Fratres“ erinnert daran, wie schwer es ist, aus dem Vorhandenen etwas Neues hervorzutreiben. Der Film nutzt diese Musik aber nicht als ewig stimmungsbildenden Hintergrund, sondern als Kontrast. Auf der anderen Seite stehen lange Passagen ganz ohne Musik, nur mit wenigen Umgebungsgeräuschen, die sich durchaus nicht vorhersagen lassen. Und so endet er dann auch: Violette Leduc hat sich ins Vaucluse zurückgezogen. Sie geht, in einem blauen Kleid, mit einem Sonnenhut und einer roten Tasche an einem mit steinernen Terrassen abgesetzten Berghang entlang. Über ihr der blau-weiße Himmel, unter ihr das verdorrte Gelb Südfrankreichs. Die Kamera fährt parallel zu ihrem Gang. Wir hören nichts außer ihren Schritten, dem Zirpen der Grillen, einigen Vogelrufen und dem Wind. Das Rot ihrer Tasche, das Blau des Kleides und das Gelb der Sonne machen dieses Bild unvergesslich. Sie setzt sich hin, zündet eine Zigarette an, schlägt ihr Heft auf, beginnt zu schreiben und der Film endet. Einfach so. Ohne Tamtam. So, wie Leduc offenbar eine Form erfindet, die sie leben lässt, lebt der Film von der Erfindung einer eigenständigen audiovisuellen Erzählform. Er zeigt uns darin weniger, wie genau ein anderes Leben aussehen soll, als vielmehr mögliche Wege, auf denen es zu suchen wäre. s Violette von Martin Provost FR/BE 2013, 139 Minuten, deutsche SF und französische OmU Kool Film, 3 www.koolfilm.de Im Kino in der L-Filmnacht im Mai, 3 www.L-Filmnacht.de Kinostart: 5. Juni 2014
„EIN MUTIGER FILM MIT HUMANISTISCHER BOTSCHAFT.“ SPIELFILMPREIS INTERNATIONALEN FRAUENFILMFESTIVALS
„BEEINDRUCKEND STARKE BILDER UND EINE ZUTIEFST BEWEGENDE, PERSÖNLICHE GESCHICHTE.“ TEDDY AWARD
„EINE EXZELLENTE KAMERA UND HERAUSRAGENDE SCHAUSPIELERISCHE DARSTELLUNGEN.“ HAUPTPREISE NEISSE FILMFESTIVAL
„INNOVATIV UND MUTIG!“ JURYPREIS LESBISCH SCHWULE FILMTAGE HAMBURG
ANDRZEJ CHYRA MATEUSZ KOŚCIUKIEWICZ MAJA OSTASZEWSKA ŁUKASZ SIMLAT TOMASZ SCHUCHARDT MARIA MAJ OLGIERD ŁUKASZEWICZ IN EINEM FILM VON
MAŁGORZATA SZUMOWSKA
AB 15. MAI IM KINO
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PRIESTER MIT GELÜSTEN I N T E RV I EW: PAT R ICK H E I DM A N N
Da sich der Kinostart von „Im Namen des …“ nach Abschluss der letzten SISSY noch einmal verschoben hat und der Film nun größer startet als zunächst geplant, wollen wir noch mal auf den letztjährigen Teddy-Gewinner aufmerksam machen, der im April in den Gay-Filmnächten präsentiert und anschließend in die Kinos kommen wird. Unser SISSY-Autor hat sich mit der wunderbaren Regisseurin Małgorzata Szumowska unterhalten, die für ihr schwules Priesterdrama die wichtigsten Männer ihres Lebens eingespannt hat.
Im Namen des … von Małgorzata Szumowska PL 2012, 96 Minuten, polnische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, 3 www.salzgeber.de Im Kino in der Gay-Filmnacht im April, 3 www.Gay-Filmnacht.de Kinostart: 15. Mai 2014
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sissy: Frau Szumowska, sind Sie eigentlich katholisch? Małgorzata Szumowska: Ich war es, als ich jünger war. Aus eigener Entscheidung und mindestens zehn Jahre lang. Ich habe viele Bücher über Religion gelesen, ging regelmäßig in die Kirche und war ziemlich inspiriert. Ich habe mich von Priestern geistig beraten lassen. Aber dann bin ich der Sache irgendwann entwachsen. Weil … Weil mir die Leere der Kirche als Institution bewusst wurde. Aber das dauerte eine Weile. Auch jetzt noch, bei den Dreharbeiten über einen katholischen Priester, hatte ich das Gefühl, diesem Thema sehr nah und persönlich verbunden zu sein. Zum einen kannte ich einfach viele Geistliche. Zum anderen vor allem, weil ich selbst weiß, was einem der Glaube bedeuten kann. Denn das war mir in dieser Geschichte besonders wichtig: Mein Priester sollte schwul, aber auch ein echter Gläubiger sein, nicht bloß ein Heuchler. Mir ging es darum, ihn als guten Menschen zu zeigen, der sich in einer Kirche verloren hat, die als Institution so nicht mehr funktioniert. Haben Sie auch schwule Priester kennen gelernt? Bestimmt waren einige von ihnen homosexuell. Aber ich habe nicht gezielt mit Pries-
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tern darüber gesprochen, auch nicht zur Vorbereitung auf den Film. Es ist in Polen nicht so, dass die Geistlichen Schlange stehen, um sich zu outen. In den Medien geht die Berichterstattung über Homosexualität im Priesteramt nicht selten einher mit dem Thema Pädophilie. Auch in „Im Namen des …“ steht der Verdacht natürlich schnell im Raum … Sicher, man kann es schließlich nicht ausblenden, dass solche Anschuldigungen sofort die Runde machen. Gleichzeitig war es mir aber wichtig zu zeigen, dass da in diesem Fall eben nichts dran ist. Lukasz, mit dem Priester Adam schließlich ein Verhältnis beginnt, ist eindeutig über zwanzig, das ist eine Liebe unter Männern. Anfangs hatte ich die Rolle als 17-Jährigen angelegt, doch das erschien mir letztlich zu heikel. Ich wollte dem Thema Pädophilie in der Kirche nicht prinzipiell aus dem Weg gehen und finde durchaus, dass mein Film diesbezüglich für Diskussionen offen ist. Aber ich wollte meinen Protagonisten nicht moralisch verurteilen müssen. Und vor allem vermeiden, dass das Thema die komplette Geschichte dominiert. Ist es nicht eigentlich unglaublich amüsant, mit dem eigenen Ehemann [Mateusz Kosciukiewicz, der Darsteller des Lukasz, —Red.] und dem besten Freund [Andrzej Chyra, Dar-
steller des Adam] eine schwule Sexszene zu inszenieren? Die beiden fanden das zumindest ausgesprochen witzig. Sie haben sich anfangs so ausgeschüttet vor Lachen, dass ich kaum mit ihnen arbeiten konnte. Aber als sie sich irgendwann beruhigt hatten, war die Sache schnell im Kasten. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig überrascht war, wie gehemmt die beiden zu sein schienen. Allerdings passte das ganz gut zu besagter Szene, schließlich spielen sie nicht zwei selbstbewusste schwule Männer, sondern sollten auch im Film unerfahren und ein wenig verunsichert wirken. Das Setting in der polnischen Provinz ist interessant. Warum nicht eine Großstadt wie Warschau? Dort wäre die Situation eines schwulen Priesters doch sicherlich kaum eine andere, oder? Mir war die Natur wichtig. Die Wiesen, die Wälder, das Wasser – all das hat natürlich einen starken Bezug zu Sinnlichkeit und Sexualität. Visuell lässt sich damit vieles auch ohne Worte ausdrücken, was ich in einem Stadt-Setting so nicht hätte tun können. Abgesehen davon faszinierte mich diese spannende Mischung aus Schönheit und Brutalität auf dem Land. Was nicht nur mit der Natur zu tun hat, sondern auch mit der Armut und den Lebensumständen der
Bevölkerung. Diese Ursprünglichkeit dort kann man, gerade wenn man von außen kommt, als durchaus bedrohlich empfinden. Dort als Schwuchtel verunglimpft zu werden, kommt nicht nur häufiger vor, sondern ist auch gleich noch ein wenig furchteinflößender. Haben Sie sich viele Gedanken darüber gemacht, wie die katholische Kirche, zumal in Polen, auf den Film reagieren wird? Natürlich habe ich darüber nachgedacht. Aber mich auch nicht wirklich davon beeinflussen lassen. Mein Wunsch war es immer, mit dieser Geschichte Diskussionen auszulösen. Mehr allerdings auch nicht. Ich wollte kein politisches Statement abgeben. Es wäre nicht in meinem Sinne, wenn der Film bloß dazu dient, für die eine oder andere Seite als Spielball missbraucht zu werden. Deswegen habe ich auch immer versucht, mich aus politischen Debatten herauszuhalten, in denen es nicht konkret um einen Film, sondern um das Verhältnis von Kirche und Sex allgemein geht. Vor allem in Polen, wo die mit einer fürchterlichen Aggressivität geführt werden. Mir ging es schlicht darum zu zeigen, dass Priester auch nur Menschen sind, mit körperlichen wie seelischen Bedürfnissen und Gelüsten. Nicht mehr und nicht weniger. s SISSY 21 27
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WIR FERNSEHEN UNS SELBST
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Karin Schupp über die Zukunft der Lesbenserie, Starpower im Monatsabo, Lesbian-Inclusive-Formate und vieles, was angeblich auserzählt ist.
s „Bette, komm her! Ich habe meinen Eisprung!“ – „Lass uns ein Baby machen!“ Mit diesem denkwürdigen Dialog zwischen Tina (Laurel Holloman) und Bette (Jennifer Beals) begann vor zehn Jahren eine Serie, die Geschichte schrieb: The L Word. Die erste Lesben serie der Welt, produziert vom US-Bezahlsender Showtime, lief in 45 Ländern auf allen Kontinenten, setzte Trends – Shanes Haarschnitt, Bettes Anzüge, ja, vielleicht sogar das Thema Kinderwunsch – und machte die Schauspielerinnen zu weltweit umschwärmten Lesben ikonen. Natürlich gab’s auch Kritik an der lesbischen Serienschöpferin Ilene Chaiken, die mit ihrer L.A.-Lipsticklesben-Welt, in der alle schlank und feminin sind und selbst die Frisörin Shane Designerklamotten trägt, eine glamouröse TV-Fantasie schuf. Aber ein Anfang war gemacht, und die Zuversicht, dass es bald weitere Lesbenserien geben würde, war groß. „Es muss einfach weitergehen, oder? Es gibt so viele Geschichten und so viele Möglichkeiten, sie zu erzählen“, sagte die lesbische Alice-Darstellerin Leisha Hailey damals euphorisch im „L-Mag“-Interview. Als The L Word im März 2009 nach sechs Staffeln und 70 Folgen endete, standen die neuen Formate jedoch mitnichten in den Startlöchern. Showtime und Chaiken hängten noch die Trash-Doku Soap The Real L Word hintendran, deren Protagonistinnen genretypisch stark polarisierten und eher Hass- denn Schmachtpotenzial hatten, und wendeten sich danach wieder heterosexuellen Projekten zu. Erst 2010 trat der britische Sender BBC Three mit Lip Service den Beweis an, dass eine weitere Lesbenserie ebenso wenig eine simple The-L-Word–Kopie sein muss wie jede Krankenhausserie nur eine Neuauflage von Emergency Room ist. Zwar bot auch Lip Service – jedes Genre hat nun mal seine Grundanforderungen! – schöne, interessante Frauen, viel Sex und mit Frankie (Ruta Gedmintas) eine würdige schottische Antwort auf die L-Word-Womanizerin Shane (Kate Moennig), wirkte aber allein durch die Ansiedlung im regnerisch-tristen Glasgow, vor allem aber durch die recht alltagsnahen Plots bodenständiger und authentischer als die US-Schwester: Die elternlose Frankie ist ihrer Familiengeschichte auf der Spur und kämpft um ihre große Liebe Cat (Lauren Fraser), die es zunächst lieber mit der soliden Polizistin Sam (Heather Peace) versucht. Und für die Schmunzler zwischendurch sorgt Cats liebenswert-verpeilte Mitbewohnerin Tess mit ihrem Liebes- und Job-Chaos. „Ich liebe The L Word, aber es wird höchste Zeit, dass wir moderne britische Lesben zeigen mit all dem schlechten Wetter, Kneipenbesuchen und SISSY 21 29
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unterdrückten Gefühlen, die damit zusammenhängen“, sagte die lesbische Autorin und Produzentin Harriet Braun in einem BBC-Interview und beschrieb ihre Serie als „ebenso lustig wie dramatisch, weil meiner Erfahrung nach das Leben eben so ist.“ Mit dem kleinen Cast und dem Verzicht auf „große“ Themen wie Coming-Out, Karriere, Kinderwunsch und Krankheiten war die Bandbreite von Lip Service naturgemäß begrenzt. Dass die Serie nach zwei Staffeln wegen gesunkener Einschaltquoten beendet wurde, lag aber wohl eher daran, dass zwei Hauptdarstellerinnen ausstiegen und die Handlung eine unerwartet dunkle Entwicklung nahm. Schade: Bei einem größeren Erfolg wären TV-Macher in aller Welt sicherlich hellhörig geworden. Denn was Fernsehsender davon abhält, Lesbenserien zu drehen, hat wenig mit Ignoranz oder Homophobie zu tun: Die würden sie gegebenenfalls schnell überwinden, wenn ihnen ein Quotenhit winken würde. Die beiden Serien – auch The L Word, das nie mehr als eine Million Zuschauer hatte, was fürs Pay-TV gut ist, fürs Free-TV aber (auch in Deutschland) auf Dauer zu wenig wäre – bestätigten hingegen 30 SISSY 21
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die verbreitete Annahme, dass das L-Thema entweder „auserzählt“ ist oder grundsätzlich nur ein kleines Publikum anspricht und deshalb, im Falle der Privatsender, nicht die gewünschten Werbeeinnahmen einspielen würde. Stattdessen passierte – zumindest in den USA – etwas anderes: In immer mehr Serien tauchen Lesben auf. Spielten sie bisher, von seltenen Ausnahmen abgesehen, nur Gastoder kleine Nebenrollen, die für eine Pointe oder einen Aufreger gut waren, wurden sie nun zum festen Bestandteil vieler Ensembles. „Ich habe das Gefühl, dass homosexuelle Charaktere normaler werden“, beobachtete auch die lesbische Drehbuchautorin und Regisseurin Angela Robinson (The L Word, D.E.B.S.) 2013 in der Huffington Post. „Sie haben sich vom Hetero mit ‚der einen HomoErfahrung‘ zu Charakteren entwickelt, die genau wie alle anderen Figuren behandelt werden.“ Und tatsächlich: Callie und Arizona erleben in Grey’s Anatomy (ProSieben) dieselben Höhen und Tiefen ihrer Ehe und Elternschaft wie alle anderen, Teenie-Lesbe Emily war in Pretty Little Liars (Super RTL) schon ebenso häufig verliebt wie ihre Hetero-Freundin-
nen, die bisexuelle Detektivin Kalinda aus The Good Wife (Sixx) ist eine der ungewöhnlichsten (und sexuell aktivsten) Frauenrollen im Fernsehen, und die Brachial-Sitcom Two and a Half Men (ProSieben) etablierte die neue Hauptfigur Jenny als lesbischen Casanova, ohne sie zur Zielscheibe homophober Zoten zu machen. Rund dreißig TV-Serien mit lesbischen oder bisexuellen Frauen im Haupt- oder festen Nebencast gab’s im letzten Jahr in den USA, und mindestens fünf „lesbianinclusive“ Neustarts sind aktuell in Planung, darunter auch eine Sitcom von Ellen DeGeneres über eine Lesbe, die mit ihrem besten Hetero-Freund ein Kind bekommt. In Deutschland hingegen muss man mit dem Zählen gar nicht erst beginnen: Im Gegensatz zu den USA, wo auch die kleinen Sender (und mittlerweile auch die Video-onDemand-Anbieter) Serien produzieren und damit gezielt spitze Zielgruppen anvisieren, leisten sich bei uns, wenn überhaupt, nur die großen Fünf – ARD, ZDF, RTL, SAT.1 und ProSieben – fiktionale Eigenproduktionen. Sie gehen dabei aus Sorge um ihre Marktanteile lieber auf Nummer sicher und verlassen den engen Rahmen der heterose-
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xuellen Welt nur äußerst selten. Einzig die Vorabend-Soaps, allen voran Verbotene Liebe und Lindenstraße (beide ARD), setzen gerne auf Lesbenplots. Aus gutem Grund: Sie wissen, dass ihren Frauenpaaren eine große und loyale Fangemeinde gewiss ist, die ihre Begeisterung auf Fan-Sites, in Foren und liebevoll geschnittenen Fan-Videos ausdrückt und damit auch die Soap im Gespräch hält. Der Aufklärungseffekt ist unbestritten: Die Existenz von Lesben wird selbstverständlicher und ihre Vielfalt offensichtlicher (auch wenn ein Überhang an Femmes und Müttern festzustellen ist und die Darstellerinnen privat meist hetero sind). Einen ungetrübt lesbischen TV-Abend bieten uns diese Serien meist dennoch nicht. Denn in der Regel ist die Lesbe bzw. das Frauenpaar allein unter Heteros (merke: TV-Lesben haben keinen lesbischen Freundinnenkreis!), deren Dramen folglich den viel größeren Raum einnehmen, während wir uns mit den lesbischen Brotkrumen begnügen müssen, die uns hingeworfen werden und, da die Autoren in erster Linie für ein Hetero-Publikum schreiben, wenig Rücksicht auf unsere Befindlichkeiten nehmen: Sex mit einem Mann zu planen, um sich den Kinderwunsch
(auch das kein originelles Thema mehr!) zu erfüllen, wie es die Serie Chicago Fire (bald bei RTL Nitro) erzählte, stünde sicherlich nicht weit oben auf unserer Wunschliste. Nur zwei Mainstream-Formaten gelingt es, Hetero-, Homo- und Bisexualität völlig gleich zu behandeln: Die kanadische Fantasy-Serie Lost Girl (Super RTL), deren bisexuelle Heldin in einer pansexuellen Welt lebt und zwei große Lieben hat: eine lesbische Ärztin und einen, nun ja, Wolfsmann. Und die von der Online-Videothek Netflix produzierte Frauenknastserie Orange is the New Black (noch nicht im deutschen Fernsehen), die ebenfalls die Kinsey-Skala rauf und runter bespielt und dabei erfreulich viele Frauen zeigt, die nicht dem TV-Stereotyp – jung, schön, weiß, dünn, Mittelschicht – entsprechen. Wem jedoch eine oder zwei lesbische Figuren nicht genügen, wer eine von und für Lesben gemachte Serie sehen will, in der nichts erklärt werden muss und keine Kompromisse für Heteros gemacht werden, sollte sich im Internet umsehen: Rund hundert lesbische Webserien stehen – meist kostenlos – im Netz, überwiegend aus den USA und anderen englischsprachigen Ländern, aber
We Have To Stop Now (S1) von Ann Noble, Robyn Dettman US 2009, 1 Staffel, englische OF mit deutschen UT Auf DVD bei der Edition Salzgeber, 3 www.salzgeber.de
Lip Service (S1–S2) von John McKay, Harry Bradbeer, Julian Holmes GB 2009–11, 2 Staffeln, englische OF mit deutschen UT Auf DVD bei Pro-Fun Media, 3 www.pro-fun.de
The L Word (S1–6} von Ilene Chaiken US 2004–09, 6 Staffeln, deutsche SF und englische OmU Auf DVD bei Twentieth Century Fox, 3 www.fox.de
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von Queen Latifah auf, Rachael Hip-Flores und Nicole Pacent spielten nach der TeenieWebserie Anyone But Me eine Reihe weiterer Hauptrollen, und Jill Bennett wurde durch ihre Rollen in 3Way, We Have To Stop Now und, aktuell, Second Shot zum vielleicht größten Star des Genres, mit dem geworben wird wie im Kino mit Angelina Jolie.
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»Ihr müsst anfangen, Eure verdammten eigenen Geschichten zu schreiben!«
„The L Word“ (oben), „We Have To Stop Now“
auch aus Italien, Spanien, Argentinien und sogar Russland. Beliebt sind vor allem The-L-Word-Variationen (das schwarze/ asiatische/australische The L Word …), Beziehungskomödien und Girl-seeks-Girls-Stories, aber auch viele andere Genres wie Mystery, Horror, Krimi, Comedy, Soap oder Science Fiction werden bedient. Die Fantasie der Macherinnen kennt keine Grenzen, und die Vorteile liegen auf der Hand: Webserien sind relativ günstig und schnell zu produzieren, die Zuschauerinnen direkt und unkompliziert zu erreichen. Dabei sind es nicht nur ambitionierte Amateurinnen, die ihre Freundinnen im eigenen Wohnzimmer vor die wackelige Videokamera stellen. Längst haben auch professionelle Film- und TV-Schaffende dieses 32 SISSY 21
Medium entdeckt, das ihnen die Freiheit gibt, ihre Ideen umzusetzen, ohne sich von Geldgebern oder Redakteuren reinreden zu lassen. So drehte Angela Robinson mit Girltrash! (2007) eine der ersten lesbischen Webserien, die erfolgreiche TV-Produzentin Nancy lee Myatt kreierte die Comedys 3Way und Cowgirl Up, und Crystal Chappell und Jessica Leccia, die als Daily-Soap-Paar bekannt wurden, inszenierten sich auch in ihrer WebSoap Venice als Lesben. Prominente „TV-Lesben“ sorgen auch in anderen professionellen Produktionen für einen ordentlichen Werbeeffekt, aber das Genre hat mittlerweile auch seine eigenen Stars hervorgebracht: Comedian Bridget McManus drehte nach 3Way und Cowgirl Up die Fake-Doku McManusland und tritt heute regelmäßig in der TV-Show
We Have To Stop Now, eine Komödie über zwei Paartherapeutinnen, deren eigene Ehe kriselt, zeigt, wie eine lesbische Webserie geht: beliebte Darstellerinnen – neben Bennett auch ihre damalige Lebensgefährtin Cathy DeBuono (beide kennt man auch aus dem Lesbenfilm And Then Came Lola) und Comedian Suzanne Westenhoefer –, ein Drehbuch, das sich nicht zu viel vornimmt, und ein gelungener Mix aus Comedy, Drama und einem Schuss Erotik. Staffel 1 gibt’s inzwischen auf DVD und feierte auf etlichen LGBT-Filmfestivals Erfolge, die zweite Staffel steht kostenpflichtig online. Mit Star-Power und einer guten Idee kann eine Webserie nämlich durchaus vom Spaßprojekt zum Geschäftsmodell werden. So baute sich Chappell mit ihren BezahlWeb-Soaps Venice und Beacon Hill eine zweite Karriere auf, bei Tellofilms kann man sich mehrere lesbische Webserien im Monatsabo anschauen, und auch die Zweitverwertung auf Filmfestivals und per DVDVerkauf ist längst üblich. Mit millionenfacher Klick-Rate und hohen Verkaufszahlen im Rücken kann man dann nicht nur eine weitere Staffel angehen, sondern auch eine Spielfilmversion realisieren, wie es Robinson mit Girltrash! tat und die spanischen Macherinnen von Chica Busca Chica derzeit planen – oder, wie aktuell das Team der erfolgreichen Webserie Easy Abby (p Seite 33), darauf hofft, über diesen Umweg doch noch zur Fernsehserie zu werden. Und Deutschland? Hinkt auch hier hinterher. Wenn man von Marbecca, einem PRGeschenk der ARD-Soap Verbotene Liebe an ihre Fans, und einem lesbischen Nebenplot in der neuen (englischsprachigen) Webserie The Centre absieht, Fehlanzeige – und das können wir nicht auf die zaghaften TVSender und geizigen Produzenten schieben! Wie sagte The-L-Word-Star Jennifer Beals so schön: „Ihr müsst anfangen, eure verdammten eigenen Geschichten zu schreiben, anfangen, darüber zu sprechen, wer ihr seid, was für euch wichtig ist. Nur so verändert man etwas!“ Wieso macht ihr also nicht einfach euer eigenes Fernsehen? s
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MIST! ICH MAG DICH! VON K A R I N SCH U PP
Aus der ziemlich frech und frei produzierten Web-Serie „Easy Abby“ hat Wendy Jo Carlton nun einen gleichnamigen Spielfilm montiert, der die „Liebesgeschichte von Abby mit Abby“ auch auf Festivals und ins Kino bringt. Der episodische HöhepunktReigen ist jedenfalls wie geschaffen für die L-Filmnacht.
s Was ist peinlicher, als auf der Straße eine Ex-Loverin zu treffen und sich nicht mehr an sie zu erinnern? Dieser Frau noch am selben Abend bei Freunden wieder zu begegnen, um dort mit ihr verkuppelt zu werden! Zum Glück erledigt sich die peinliche Situation für Abby (Lisa Cordileone) ohne großes Zutun, denn wenn sie an zwei Dingen nicht interessiert ist, dann sind das Liebe und Komplikationen. Tatsächlich rühmt sich Abby geradezu, noch nie verliebt gewesen zu sein und nur mit Frauen zu schlafen, die sie nicht mag – und sie scheint viele Frauen nicht zu mögen: keine kann ihr widerstehen, One-NightStands pflastern ihren Weg, und wenn eine sauer auf sie ist, weil sie nie zurückgerufen hat, wird sie kurzerhand auf dem Kneipenklo verführt – und danach aufs Neue vergessen. Recht ziellos driftet Abby durch ihren Alltag in Chicago, der aus Affären, Gelegenheitsjobs, Treffen mit ihren Freundinnen und dem vagen Traum, einmal in Costa Rica zu leben, besteht und sie nie wirklich zur Ruhe kommen lässt. Aus ihrem üblichen Rhythmus kommt sie erst, als sie Danielle (Mouzam Makkar) kennen lernt, die auf so altmodischen Dingen wie Essen gehen und Reden besteht, bevor sie mit ihr ins Bett geht.
„Shit! I like you!“, stellt Abby bald zu ihrer eigenen Überraschung (und wenig charmant) fest, und dass Danielle bald für ein paar Monate nach Italien zieht, ist plötzlich nicht mehr das bequeme Exit-Szenario, das es sonst für sie gewesen wäre. Das klingt nach einer klassischen Romantic Comedy, in der die Heldin im letzten Moment geläutert um ihre wahre Liebe kämpft – doch auf dieses formelhafte Happy End steuert Easy Abby nicht zu. „Eigentlich ist es eine Lovestory zwischen Abby und Abby”, sagt die Regisseurin und Drehbuchautorin Wendy Jo Carlton, die das Konzept zusammen mit ihrer Hauptdarstellerin entwickelte, in einem Online-Interview. Ihr geht’s nicht vorrangig ums Pärchenglück, sondern um Abbys Suche nach ihrem Platz im Leben. Und wenn man am Ende des Films das Gefühl hat, sie nur auf der ersten Etappe ihres Wegs begleitet zu haben, liegt man nicht falsch: Easy Abby ist eigentlich eine Webserie, deren Fortsetzung bereits in Planung ist. Carlton, die mit Hannah Free (2009) und Jamie und Jessie sind nicht zusammen (2011) bereits zwei beliebte Spielfilme über lesbische Konstellationen drehte, entschied sich bewusst für dieses Genre: „Ich wollte sehen, wie die Episodenform für mich als
Erzählerin sein würde und wie viel mehr Leute wir so mit unserer Arbeit erreichen können“, sagte sie vor einem Jahr der Lesbenzeitschrift „Weird“. Das weiß sie längst: Easy Abby wurde zu einer der erfolgreichsten lesbischen Webserien weltweit, die 14 Folgen wurden über zwölf Millionen mal angeklickt, und die Spielfilmversion lief bei zahlreichen LGBT-Filmfestivals, darunter auch bei den Lesbisch-Schwulen Filmtagen in Hamburg im letzten Herbst. Dass Easy Abby nicht als Spielfilm geboren wurde, merkt man schon. Der fehlende Spannungsbogen und einige verschenkte Chancen im Drehbuch fallen so am Stück gesehen stärker auf: der viel versprechende Plot um Abbys Nachbarin, die etwas feindselige lesbische Polizistin Lydia (Haviland Stillwell), nimmt nie wirklich Fahrt auf, und Abbys bester Freundin Sara (Emily Shain) hätte man komödiantischeres Material gewünscht als nur ihre ewige Beziehungskrise. Die charmanten Schauspielerinnen und sexy Szenen, der professionelle Look und ein gelungener Soundtrack sorgen dennoch für einen unterhaltsamen Kino-Abend – und wer danach noch nicht genug hat, kann sich schon auf die zweite Staffel freuen: Die soll spätestens im Sommer 2014 Premiere haben und, wenn es nach Carlton und Cordileone geht, auch bald den Sprung ins Fernsehen schaffen. s Easy Abby von Wendy Jo Carlton US 2012, 84 Minuten, englische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, 3 www.salzgeber.de Im Kino in der L-Filmnacht im April, 3 www.L-Filmnacht.de
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UNDEFINIERTE BEZIEHUNGEN VON E K K E H A R D K NÖR E R
„Nichts ist schwieriger, als werdende Wesen zu beobachten“, seufzt Erzähler Edouard in André Gides Roman „Die Falschmünzer“ (1925). Der beobachtende Blick des Erwachsenen fällt dabei auf einen Jungen – sein Streben nach dem „reinen Roman“ hat wenig mit den reinen Sitten seiner Zeit zu tun. Friedrich Sieburg erklärte das in seiner Rezension von 1927 so: „Edouard hat schöne Jünglinge um sich, die sich mit einem Ernst und einer Reinheit ohnegleichen aufs Leben stürzen wie auf einen Feind.“ Wie schön, dass ausgerechnet Benoît Jacquot („Leb wohl, meine Königin“), ausgewiesener Fachmann für zwischenmenschliche Beziehungsfeinheiten, die allererste Verfilmung dieses Klassikers vorgenommen hat. Sieburgs Resümee zum Buch darf also auch für den Film angenommen werden: „Eine reiche Welt, reich an Gestalten, reicher noch an Ideen.“
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s Ein erwachsener Mann beobachtet einen Jungen, der bei einem Bouquinisten ein Buch stiehlt. Es fällt ein Blick hin, ein Blick her, so knüpft sich etwas an. Die Blickwechsel gehen in Wortwechsel über, die die Verhältnisse nicht vollständig klären. Der strafende Blick des Mannes ist auch ein begehrender Blick. Der erwischte Junge legt das Buch zurück, bleibt dabei trotzig und erkennt sofort das verbotene Begehren des Mannes. Der Junge entzieht sich, stößt den Mann zurück. Bald darauf begegnen sie einander erneut, am anderen Ort und erfahren: Der eine, Edouard (Melvil Poupaud), ist der Onkel des andern. Der Onkel ist amüsiert, der Neffe, Georges, zieht sich in sein Zimmer zurück. Von ihrer Begegnung schweigen sie beide. Im Wahren des Geheimnisses knüpft sich ein weiterer Bund. So beginnt der Film. Auf Aushandlungen dieser Art legt Benoît Jacquot sein Augenmerk, umso exemplarischer, als Georges im weiteren keine große Rolle mehr spielt. Jacquot hat André Gides „Falschmünzer“, einen der großen Klassiker der Literatur des 20. Jahrhunderts, fürs französische Fernsehen verfilmt. Es ist wohl die erste Verfilmung, die es überhaupt gibt. Das ist kein Wunder. Die Schwierigkeiten haben mit Form und Inhalt des Buches zu tun. Der Roman ist ein figurenreiches Sozialpanorama, das im Pariser Literatenmilieu spielt. Die Handlung ist nicht verlässlich datierbar, Gide gibt widersprüchliche Signale – einmal tritt der 1907 verstorbene Alfred Jarry auf (auch im Film: spektakulär), ein andermal wird ein erst 1920 entstandenes Werk von Marcel Duchamp erwähnt. Das ist nur das oberflächlichste Signal eines Modernismus, der die Lektüre – und erst recht die Verfilmung – zur Herausforderung macht. Es gibt Perspektivwechsel, unterschiedlichste Textformen, eingestreute Aphorismen und Zitate, sogar ein Kapitel, in dem der „Autor“ seine Figuren einer kritischen Analyse unterzieht. Jacquots Film ist in der Form deutlich klassischer als der Roman. Erstaunlich ist aber, wie viele Handlungsmomente er
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Ein schwules Leben in Israel
in seine zwei Stunden Erzählzeit übernimmt, und wie viele Subtilitäten ihm dabei zu wahren gelingt. Die Protagonisten sind frühreife Gymnasiasten, die sich in undefinierte Beziehungen mit erwachsenen Männern verstricken – Schriftstellern wie Edouard und dem intriganten Robert de Passavant (Patrick Mille). Aus deren ephebophilen Neigungen macht das Buch so wenig wie Jacquots Film ein Geheimnis; diese Neigungen sind vielmehr etwas wie das Medium, in dem die Intrigen zwischen den Figuren Form und Ausdruck finden. Hauptfigur neben Edouard, der an einem Werk mit dem Titel „Die Falschmünzer“ schreibt, ist Bernard Profitendieu (Jules-Angelo Bigarnet), der seine Eltern verlässt, als er erfährt, dass sein ungeliebter Vater nicht sein biologischer Vater ist. Er dient sich Edouard offensiv als neuer Sekretär an. Bernard ist befreundet mit Olivier (Maxime Berger), den mit Edouard eine unausgesprochene Liebesbeziehung verbindet. Über zärtliche Blicke und zärtliche Gesten und Edouards sorgendes Retten und Betten des Jungen nach Oliviers Selbstmordversuch geht diese Liebe jedoch nicht hinaus. Oliver ist der größere Bruder von Georges, des Buchdiebs vom Anfang. Beide haben einen älteren Bruder, Vincent (Vladimir Consigny – der Sohn von Anne Consigny und Benoît Jacquot), der Laura, die Frau eines andern, verführt, schwängert, im Stich lässt. Edouard nimmt sich Lauras an. Diese und weitere Figuren fügt Jacquot in ein komplexes Gewebe, das weniger eines der Handlung als der Gefühls transpositionen, der Blicke, des An- und Abschwellens von Neigungen, Euphorien, Glücksmomenten und Unglücken ist. Inszeniert ist das als hoch elegantes Kammerspiel, das Jacquot in vielen verschiedenen Kammern und Räumen und Zimmern (und in einem Nebenstrang in den Alpen) verortet. Die Szenen sind meist kurz, die Einstellungen souverän, aber unaufdringlich aufgelöst, so rücken die Schauspieler ins Zentrum: Es ist schön, mit welcher Liebe Jacquot, den man vor allem als Frauen-Regisseur kennt, seine großartigen jungen Darsteller ins Bild setzt. Melvil Poupaud als schwer lesbarer, empfindsamer Dichter, der auch auf Partys den Hut nicht vom Kopf nimmt, ist ohnehin toll. Die Falschmünzer ist ein Film, der sich als Film zurücknimmt – wobei diese Zurücknahme auf zwei Ebenen sehr ausdrücklich wird. Als Szenenübergänge und -trenner fungieren sanfte Ab- und Aufblenden ins Schwarze, Blenden, die auch Schrifttafeln sind: In weißer Schrift gibt Jacquot zu lesen, was in der folgenden Szene passiert. Fürs Verständnis nötig ist das sicher nicht. Vielmehr lädt der Film so auf DVD & Blu-ray Schrift und Buch, das andere Medium, freundlich ins eigene Medium ein. Diese steten Wechsel von Bild zu Schriftbild und von Schriftbild (ab 11.04. ) zu Bild rhythmisieren den Film wunderbar. Zweite Geste ausdrücklicher Zurückhaltung: Die wie immer in seiner Zusammenarbeit mit Jacquot fabelhafte Musik von Bruno Coulais. Sie besteht aus nichts als täuschend simplen Klaviermotiven, die nicht illustrieren, sondern in ihren Modulationen zwischen tonalen und atonalen Momenten das Geschehen wenn auch keineswegs eindeutig kommentieren und so die grandiose Zurückhaltung Jacquots fast ein wenig ironisch umspielen. s
als Buch (wieder lieferbar)
im Kino (ab 13.03.) auf DVD (ab 25.04.)
www.gay-and-lesbianbooks.de Der Webshop von Eisenherz und Männerschwarm
Coming-out im Pelz?
Die Falschmünzer von Benoît Jacquot FR 2010, 120 Minuten, französische OF mit deutschen UT Auf DVD bei der Edition Salzgeber 3 www.salzgeber.de
The Furry Gay & Lesbian Bookshop
SISSY 21 35
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HUNGRIG IM PARADIES VON A I L E EN PI N K E RT
Zu schwul für die christlich geprägte Kleinstadtidylle, zu arm für die LGBT-Community. Die finnische Filmemacherin Susanna Helke begleitet in ihrem Dokumentarfilm „American Vagabond“ den Lebensabschnitt eines jungen charismatischen Ausreißers. Wie er sind bis zu vierzig Prozent der obdachlosen Jugendlichen im Szene-Paradies San Francisco nicht heterosexuell. Eindringliche Augenblicke im On und Off des Filmbildes, vor allem über das Mittel des Voice-Overs; Erinnerungen, Wünsche und Gegenwart, die miteinander verschwimmen und sich gegenseitig einholen wie das vorüberziehende Lichtermeer des nächtlichen San Francisco.
American Vagabond von Susanna Helke DK/FI/US 2013, 90 Minuten, englische OF mit deutschen UT Auf DVD bei der Edition Salzgeber 3 www.salzgeber.de
s In der Komödie Der Vagabund spielt Charlie Chaplin einen Straßenmusikanten, dem allerlei Ungemach widerfährt. Erst wird die musikalische Konkurrenz auf der Straße übermächtig, dann muss er aus seiner Stadt fliehen, um schließlich auch noch das Mädchen zu verlieren, das er zuvor mühsam aus den Händen einer gewalttätigen Bande befreit hatte. Am Ende wird natürlich alles gut und das Mädchen entscheidet sich aus seiner Liebe zum Vagabunden gegen ein Leben in Saus und Braus. Chaplins Film kam im Jahr 1916 ins Kino. Knapp 100 Jahre später präsentiert uns Susanna Helke in ihrem Dokumentarfilm American Vagabond einen anderen ohne Obdach umherziehenden Menschen. Ähnlich wie Chaplin ist James dabei nicht allein unterwegs. Ohne Planwagen, dafür aber bepackt mit Rucksack, Tennisschlägern und einem schwarzen Rollkoffer, der in der ihm behutsam nachfolgenden, oft nach unten gerichteten Handkamera dominant ins Bild gesetzt scheint, und seinem Freund Tyler im Schlepptau, bricht James auf in eine neue Stadt, in ein neues verheißungsvolles Leben. „Macht’s gut, Arschlöcher!“, verkündet uns die jugendliche, leicht lispelnde Off-Stimme von James, der sich zu Beginn des Films verabschiedet von der Kleinstadt, in der er aufgewachsen ist. Unscharf im Autofenster vorbei fahren Häuser, Bäume, Highschool und der Park, in dem James mit seinem ersten Freund rumgemacht hat. Im christlich und patriarchalisch geprägten Mittelschichtselternhaus wegen seiner Homosexualität fehl am Platz, sieht der junge Mann mit den leicht abstehenden Spock-Ohren einen Ausweg nur in der Flucht. Die Suiziddrohung seines Sohnes hat der Vater mit den Worten „Beweis es mir“ kommentiert und hielt ihm sein geladenes Jagdgewehr vor. Zurückhaltende Klaviermusik und das Motorengeräusch des Autos begleiten die letzten Worte, die James an seine Heimatstadt Chico richtet. Der Blick aus der Windschutzscheibe auf einen neblig grau verhangenen Himmel wird überstrahlt vom grünen Exit-Schild des Highways. Alle Wehmut, Angst und Ungewissheit scheinen ver36 SISSY 21
drängt. San Francisco, die schwulste Stadt der Welt und nur drei Autostunden von Chico entfernt, ist das auserkorene und verheißungsvolle Ziel von James und Tyler. Eine große Stadt sollte es sein. Einen Job finden, eine große Wohnung, ein Haus am Strand, einen riesigen Flachbildfernseher kaufen. Ein Leben im Luxus führen und so reich sein, um sich eine Maschine zum Arschabwischen zu kaufen oder zumindest jemanden bezahlen, der das für einen erledigt. Nachts auf dem Highway. Ein in Dunkelheit gehüllter Weg, der ins Mekka der queeren Community führen soll? Nachts im goldenen Schimmer der Wolkenkratzerlichter, die so hell glänzen, dass keine Sterne zu sehen sind. „Tyler, sieh nur, wie wunderschön!“ Nachts mit einer Taschenlampe in der Hand auf der Hut vor Bullen und der Suche nach einem Schlafplatz im Golden-Gate-Park. Heruntergefallenes Laub, eine weggeworfene Zeitung, Hundescheiße. „Pass auf, wo du hintrittst.“ Schnell erfährt man, dass nichts geworden ist aus den Träumen des American Vagabond. Dennoch sieht James glücklich aus, als er im Freien unter den Schreien der Krähen zwischen Laub und von Sträuchern verdeckt im Schlafsack neben Tyler aufwacht. Zärtlich streichelt er seinem Freund über die kurzen blonden Haare, wischt sanft den Dreck auf seinem Hoodie beiseite. Das bisschen Geld, das sie dabei hatten, haben sie in einem schicken Hotel verprasst. Vielleicht ahnten sie, was auf sie zukommen würde. Dort schlugen sie sich, einer Henkersmahlzeit gleich, ein letztes Mal die Mägen voll mit den leckersten Gerichten. Natürlich war es schön für die Liebenden, Hand in Hand und mit einem Regenbogenarmband versehen durch San Francisco zu laufen, ohne als Schwuchteln beschimpft zu werden. Aber das war’s auch schon, was die schwulste Stadt der Welt ihnen zu bieten hatte. Tylers Jobsuche verläuft erfolglos. Für einen Verkäufer eines Modegeschäfts ist er nicht extravagant genug.
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EDITION SALZGEBER
Wir sehen, wie die beiden sich arrangieren, wie sie sich mit anderen queeren Obdachlosen eines Ausreißerheims der Larkin Street austauschen, wie sie herumalbern und sich über ihre kurz geschnittenen Haare nach einem kostenlosen Friseurtermin freuen. Einige Minuten später sehen wir aber auch, dass Hunger, Kälte und Müdigkeit zu ständigen Begleitern geworden sind. Lange hält das Lächeln auf Tylers Lippen nicht mehr an, wenn James hinter ihm steht, ihn warmrubbelt und spaßend ankündigt: „Ich schüttle dich, um mich aufzuwärmen.“ Es schmerzt, mitanzusehen, wie die Obdachlosigkeit die beiden immer mehr vereinnahmt, um sie irgendwann vielleicht endgültig auszukotzen. Es schmerzt, mitanzusehen, wie sich ihre Vorhaben ins Gegenteil verkehren, wenn Tyler mit einem Einkaufswagen umherzieht, wenn sie nicht glauben können, mit welch verstörten Existenzen sie zusammen eine Mahlzeit bei einer Tafel zu sich nehmen, und wenn sie beide vor einem Schild mit der Aufschrift „Homeless and hungry. Please anything helps“ sitzen. Zu Beginn hörten wir James aus dem Off sagen, dass sie all dies nicht wollten, weil das „echte Obdachlose“ machen. James redet davon, dass sie sich gemeinsam prostituiert haben. Nahaufnahme. Ihre Hände fest ineinander gedrückt. James ist da angekommen, wo er nie hinwollte – ein Zustand, den er anfangs als „zu krass“ definierte. Und dann geht, bedingt auch durch die elliptische Dramaturgie, alles sehr schnell. Gerade noch der Besuch einer Gay Pride. Es sind langsam vergehende Minuten, in denen Tyler hinter dem größeren James herläuft, seine Hand festgekrallt an der Rucksackschlaufe seines Freundes. Dann Trauer über den Verlust einer Hündin, die für James war wie sein Kind, die Trennung von Tyler, die Rückkehr in seine Heimatstadt. Hinter sich lässt er eine graue Stadt, graue Tauben, graue Straßen, graue Häuser und graue Männer in grauen Anzügen. Schlimmer kann es nicht kommen. James irrte sich. Schlimmer kann es immer kommen. Einmal unaufmerksam und er findet sich in
U-Haft wieder, weil er mit einem Sechszehnjährigen Sex hatte. Eine Herausforderung nicht nur für James, sondern auch für Helke, die nach der ersten Hälfte ihres Films ohne Protagonisten dasteht. Ein Glücksfall – wiederum für beide Seiten – dass sich seine Mutter öffnet und zum Umdenken bereit scheint. Sie hatte ihm damals noch angedroht, ihr Sorgerecht an James‘ ersten Freund abzutreten. Sandy ist es jetzt, deren Stimme wir hören, deren Gesicht wir sehen, wenn sie mit dem inhaftierten, suizidgefährdeten James telefoniert. Sie scheint, vielleicht auch durch die Anwesenheit der Kamera, unbeteiligt oder unsicher. Sie lässt sich von ihrem Hund die Hand abschlecken und muss nachfragen, als ihr Sohn gesteht, dass er am Ende ist, dass er Tyler wiedersehen und nach Hause möchte. Es ist ein großer Schritt für Sandy. Zusammen mit Tyler besucht sie ihren Sohn im Gefängnis, in der Tasche ein Sudokuheft und als Gesprächsthemen die vielen Knöpfe und Kabel des BluRay-Players. Ein absenter Anwalt, drei Jahre Bewährung, eine Schlägerei und wieder Knast, ein verurteilter Sexualstraftäter. Viele Autofahrten, zahlreiche Blicke auf vorbeischwimmende Landschaften. Auch wenn James durch seine nachträglich hinzugefügte Off-Stimme und in jüngerer Ausgabe alter Privataufnahmen immer wieder auftaucht: Ein Perspektivwechsel hat stattgefunden. Die Eltern stehen im Fokus und verarbeiten, so scheint es, ihre familiäre Vergangenheit. Dass am Ende die Versöhnung beider Seiten etwas dick aufgetragen scheint, stört vielleicht genauso wenig wie das erwartbare Happy End bei Chaplin. Es ist die Stärke dieses auf dem DOK Leipzig gezeigten Dokumentarfilms, dass er distanziert, zugleich aber nicht zu weit entfernt das Leben seiner Protagonisten beobachtet, sich auf das einlässt, was geschieht. Helke verzichtet auf konventionelle Talking Heads, stellt die Gemachtheit des Films mithilfe von Jump Cuts aus und wechselt permanent die Ebenen On und Off, ohne die innere Kohärenz aufzugeben. Aufgegeben stattdessen scheint die Illusion des American Dream und der Glaube an den Zusammenhalt einer Minderheit. s SISSY 21 37
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OSTERGLOCKE AUF ZEITREISE VON JA N K Ü N EM U N D
Seit zwanzig Jahren ist Derek Jarman tot. Seine Filme gibt es, seine Tagebücher, sogar ein Buch über seinen Garten in Dungeness. Nun ist ein Buch über Jarmans Skizzenbücher erschienen, das vielleicht am schönsten zeigt, wie sich Spiel, Idee, Handwerk, Bild, Schrift, Diskurs, Wut und Gelächter in einer Karriere zusammengefügt haben.
s Vielleicht könnte man die FilmemacherInnen des New Queer Cinema grob nach ihrer Ausbildung einteilen: in die (wenigen) tatsächlichen Absolventen eines Filmstudiums (Haynes, Araki, LaBruce) und die (vielen) Quereinsteiger, die nicht selten als bildende Künstler zum Film kamen: Gus van Sant, Lizzie Borden, Todd Verow, Isaac Julien, Jennie Livingston, G.B. Jones und Derek Jarman (Slade School of Art, 1963–67). Vielleicht könnte man unter diesem Gesichtspunkt sogar unterscheiden, wie die einen ihre Formsprache über filmhistorische Referenzen, sozusagen innerbetrieblich, weiterentwickelten, während die anderen sich mit der Kamera von der institutionellen Kunstproduktion lösten, auf die Straße gingen, andere Medien miteinbezogen – oder eben tatsächlich ihre Bildideen in Bewegung versetzten. 38 SISSY 21
Dass Letzteres vor allem auf Derek Jarman zutraf, wird niemand bestreiten wollen, der auch nur einen flüchtigen Blick in seine Werkstatt werfen konnte. „Jede Sequenz baute er auf, als arrangierte er ein Gemälde“, behauptet James Mackay, einer der wichtigsten Mitarbeiter Jarmans, im vorliegenden Band. Schon in den frühen Skizzenbüchern sind Figuren und Gegenstände wie in einem Standbild im Raum verteilt – und sogar der Lichteinfall eingezeichnet, nicht selten unter Berücksichtung der Tageslichtbewegungen. Dass so etwas irgendwann zu einem Film über Caravaggio führt, versteht sich von selbst. Storyboard, Drehbuch, Skizzenheft. Jede Dramaturgin an jedem zweitklassigen Theater führt ein Buch, das auf der einen Seite den zu realisierenden Text, auf der anderen Seite Anmerkungen, Zeichnungen, Fotos vom Szenenaufbau gegenüberstellt. Natürlich gibt es so was auch für die Filme von Derek Jarman. Polaroids von den Sets, Bilderlisten nach Rohschnittsichtungen (mit Kommentaren: „Tilda rupft einen Fasan – sehr gut!“), Telefonnummern von Schauspielern (hier natürlich digital retuschiert), verschiedene Textfassungen, in unterschiedlichen Farben übereinander geschrieben. Aber die Freunde und Mitarbeiter nennen diese Skizzenbücher anders – von „Zauberbüchern“ ist die Rede, von „Traumtagebüchern“, von „Kollektaneen“ gar, den Gelehrtenbüchern der Renaissance. Das hat nicht nur mit dem zu tun, womit sie gefüllt sind. 30,5 µ 30,5 cm. Gekauft in Florenz, hergestellt in Venedig, das Design seit den 1920ern unverändert, Handarbeit. Zweimal war Jarman dort und hat soviel mitgenommen, wie er konnte. Die Umschläge der Alben malt er vor Verwendung schwarz, mit einem goldenen Rechteck, auf dem der Titel des Projekts festgehalten wird. Ein einziges ist noch übrig, „liegt unberührt in Prospect Cottage und wartet noch immer darauf, dass Derek seine Seiten füllt“ (Dereks Partner Keith Collins). Das Füllen der Seiten ist untrennbar mit der Produktion der Filme selbst verbunden. Nicht nur mit Skizzen, die auf Realisierung warten,
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mit Text, der verfilmt werden will. Es werden die Reste der Dreharbeiten eingeklebt, eine Feder aus einem Kostüm, eine Rose, die Tilda Swinton in Caravaggio ins Bild hält. Songtexte, auf Gebrauchsanweisungen festgehalten. Agenturfotos von Schauspielern. OutRageSticker: „It’s cool to be QUEER!” Aktbilder aus „Physique Pictorial“. Aber auch: Zeitungsausschnitte mit wüsten Beschimpfungen seiner Filme, die die Diskurse, in denen die Filme wahrgenommen werden, in die Produktionsvorbereitungen einarbeiten. Zensurberichte. Dazu: Schwärzungen eigener Texte, Ausdruck einer graphischen Lust, wie auch die kalligraphischen Niederschriften. Typisch Jarman ist das Nebeneinander von Altmodischem und technischen Innovationen: in seinen Filmen (Super8, Video), in seinen Skizzenheften (Videostills auf Fotopapier, Matrixausdrucke von einem der frühesten Laptops überhaupt). Dazwischen Treibgüter der Liebe und Freundschaft: Maiglöckchen, die Keith Collins dem kranken Jarman ans Bett gebracht hat, getrocknet zwischen den Seiten. Eine Visitenkarte des türkischen Schauspielers Tuncel Kurtiz. Schließlich werden die Skizzenbücher zur Verlängerung der Filmproduktion selbst, auch ihrer ökonomischen Bedingungen: Eine Zehnpfund-Note klebt im Buch zu War Requiem – das, was an Regiehonorar für Jarman dabei heraussprang. Das Buch zu einer missglückten Operninszenierung wird dem Produzenten geschenkt, um die Erinnerung daran zu löschen. Das Buch zu Blue wird Daniel Miller von Mute Records verkauft, der mit dem Geld den Film finanziert (und gleichzeitig wird eine identische Kopie hergestellt, weil diese Erinnerung nicht gelöscht werden soll). Im Nachdenken, im Herstellen, im Erinnern die gleiche Arbeitsweise: „Eine Collage aus Menschen, Farben und Ereignissen“ (Andrew Logan). Und am Ende: der Garten. Seinerseits ein Stück Leben im Angesicht des Todes, zusammengesetzt aus Treibgut, bepflanzt nach Skizzen, wieder fotografiert, verfilmt, eingeklebt („Die gepresste Osterglocke auf Zeitreise“). Darüber gibt es bereits eigene Bücher. Ein
Haus mit schwarzen Wänden und goldenen Fenstern darin, wie die frühen GBH-Gemälde, wie die schwarzgoldenen Skizzenbüchereinbände. Am Ende verwendet Jarman Goldstift, weil er alles, was kein Licht mehr reflektiert, in zunehmender Blindheit nicht mehr lesen kann. Seine kalligraphische Schreiblusthandschrift wird Gekritzel. Der Garten „ein letztes Aufblühen“ (Collins). Unter dem Drehbuchende von Edward II. – „Lightburn destroys Edward with the red hot poker“, – steht, rot, handschriftlich: „Laughter“. Diese Bücher nun fotografiert, umrahmt von Erinnerungen der Freunde Jarmans, kommentiert vom Liebhaber. Manches ist unlesbar, ein reines Dokument des Materialwusts. Manches überscharf und brav eingebunden. Diese Ausgabe wagt einen Mittelweg zwischen Dokumentieren und Zelebrieren. Man könnte etwas daraus, damit machen: eine Ritterspornblüte dazwischen trocknen, einen Facebook-Thread mit einer Queer-Cinema-Diskussion kopieren und einkleben, Tildas neue Telefonnummer eintragen. Ihm wie bei Jarman eine Existenz zwischen Buchregal und Schreibtisch geben. Punksängerin Toya Willcox, Darstellerin in Jarmans Jubilee, sagt dazu das Schönste: „Ich bin sehr dankbar für diese Bücher und ihre Veröffentlichung, denn sie machen deutlich, dass kein Gedanke, den man über sich selbst anstellt, verschwendet ist.“ s
Derek Darman – Die Skizzenbücher von Stephen Farthing (Hg.) 256 Seiten, gebunden Deutscher Kunstverlag 3 www.deutscherkunstverlag.de
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W W W.VIERMINUTEN.DE
film-flirt
Der Moment SCHRIFTSTELLER SEHEN FILME: TINA STROHEKER
Die 1948 in Ulm geborene, seit 1983 als freie Schriftstellerin arbeitende Tina Stroheker hat im letzten Jahr, nach diversen, vielfach preisgekrönten Gedicht- und Kurzprosabänden, ihr erstes Buch über die lesbische Liebe veröffentlicht: „Luftpost für eine Stelzengängerin“ ist im Verlag Klöpfer&Meyer erschienen. Ihr Moment aus der queeren Filmgeschichte dauert „Vier Minuten“.
s Und dann tanzen sie. Die junge Frau im Sommerkleid, die ‚aufgefordert‘ hat, legt, so gut und zart es einer möglich ist, die Handschellen trägt, ihre Arme um die alte Frau in der Strickjacke, die hölzern und vorsichtig bleibt, die Überraschung aber zu genießen scheint. In einem Gartenlokal drehen sie sich behutsam zur Musik einer Hochzeitsgesellschaft. Die für mich innigste Szene des Filmes Vier Minuten erinnert an ein Gemälde. Hinter den Protagonistinnen liegt ein mühsamer Weg, bis es zu dieser stillen, endlich einmal undramatischen Situation, Ruhepause in einer heftigen Story, hat kommen können. Jetzt darf sich unter freiem Himmel eine fast wider Willen gewachsene Respektierung, nein: Zuneigung, nein: ‚Liebe‘ zwischen zwei Frauen zeigen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Dass bereits die Nachnamen ihrer beiden Darstellerinnen eine Eigendynamik entwickeln, ist natürlich Zufall, aber ein schöner: Hannah Herzsprung spielt Jenny, eine junge Strafgefangene, Monica Bleibtreu (20 Jahre älter gemacht) spielt Traude, ihre Klavierlehrerin. Traude arbeitet seit Jahrzehnten in der Haftanstalt, Eingliederungsmaßnahmen, sie hat die Begabung der jungen Frau erkannt, die wegen Mordes verurteilt ist. Und sie will diese Jenny unterrichten, nicht aus Edelmut, sondern weil solch Talent geformt werden muss: „Für mich zählt nur die Musik.“ Auch Jenny, früher ein ‚Wunderkind‘, möchte wieder spielen. Doch sie ist durch Jahre voll Lieblosigkeit und Missbrauch traumatisiert. Es beginnt ein Ringen auf Augenhöhe. Was innerhalb der ihrerseits traumatisierenden Haftanstalt aus Jenny immer wieder an borderlinemäßigen, amoklaufartigen Wutausbrüchen herausbricht, prallt bei Traude zunächst auf eine Mauer, die sie lebenslang um sich errichtet hat: Disziplin, Strenge, Arbeit, Verbergung des eigenen Ichs. Für beide gilt der Satz: „Nicht anfassen!“ 40 SISSY 21
Und dann, wenige sommerliche Minuten, tanzen sie in diesem Biergarten. Gibt es denn einen Anlass dafür? Es gibt einen: Jenny ist in der Vorrunde weitergekommen, die Endausscheidung bei „Jugend musiziert“ wartet auf sie. Jenny und Traude tanzen, drehen sich, einander zugewandt, im „Labyrinth der Brust“ (Goethe) mag verhaltene Freude leuchten. Gibt es dafür einen tieferen Grund? Es gibt einen: Jenny hat einem anderen Menschen sagen können: „Ich mag Sie“, und sogar hinzugefügt: „Und Sie? Mögen Sie mich?“ Und Traude? Antworten tut sie nicht, aber sie lässt sich zum Tanzen bewegen. Ist sie zu höflich abzulehnen oder doch froh über den doppelten Erfolg? Die Zuschauer*innen dürfen noch weiter fantasieren (sahen sie doch in Rückblenden Teile von Traudes Geschichte), nämlich, dass in deren Beziehung zu Jenny weitere Gefühle mitschwingen könnten: Traude ist eine Lesbe. Die Wand aus Schmerz, Bitterkeit und Schuldgefühl, hinter der sie sich verschanzt hat, ist auch das massivste closet, das man sich denken kann. Die junge Traude musste in Nazi-Deutschland erwachsen werden. Zu diesem Trauma kommt eines hinzu: Sie hat bei einer Vernehmung ihre große Liebe verleugnet, eine Kommunistin, die zuletzt umgebracht worden ist: Wie soll eine mit solchem Gepäck (sich) frei fühlen können? Und Jenny kann das auch nicht. So werden beide, nachdem die gesegneten Minuten des Tanzens vorbei sind, noch schwere Kämpfe bestehen müssen, mit sich, miteinander und gegen die Brutalität des Gefängnisses. O.k., es gibt eine Lesbe in diesem Film. Aber, mag jemand einwenden, geht es denn nicht vor allem um Musik und die Auseinandersetzung zwischen zwei Menschen zweier Generationen? Auf die Frage nach der Bedeutung der Homosexualität im Film hat Drehbuchautor und Regisseur Chris Kraus geantwortet: „Es geht um Liebe.“ Also ist nicht minderheitliches Lieben das Thema und somit Vier Minuten eigentlich kein queerer Film, oder? Aber wozu jetzt Schublädchen? Da begegnen sich zwei Traumatisierte, zwei Außenseiterinnen, jede in einem zweifachen Gefängnis (ein verschlossenes Gebäude und eine Lebens- und Liebessehnsucht unter Selbstverschluss). Zwei ‚eigene‘, ganz besondere, zwei queere Frauen. Die sich niemals so nennen würden! (Wieso denn auch?) Was Verbundenheit erlaubt, ist die Liebe zur Musik. Sie bewährt sich beiden als Schlüssel für die einzige Tür out, „ins Offene“ (Hölderlin). Doch der Weg dorthin braucht den Einsatz menschlicher Leidenschaft. So geht es am Ende gar nicht nur um Musik, „und das ist auch gut so“. Chris Kraus hat betont, er mache Filme über „Menschen, die zu sich finden müssen“. Über Coming-Outs also. Dass Jenny im SchlussWettbewerb mit ihrer eigenen Musik aufsehenerregend überzeugt, ist nur folgerichtig. Und dass sie, die nach der Vorentscheidung auf der Rückfahrt zum Gefängnis im Biergarten ihre Lehrerin zu einem Tänzchen verführt hat, sich nun, bevor sie erneut in den Knast muss, mit einem tiefen, ehrerbietenden Knicks, gewürzt durch ein liebevolles, fein-ironisches Lächeln von ihr verabschiedet, ebenso. Und deren Lächeln zurück! s
Vier Minuten von Chris Kraus DE 2006, 111 Minuten, deutsche OF
Luftpost für eine Stelzen gängerin. Notate vom Lieben von Tina Stroheker 2013, 108 Seiten
Was vor Augen liegt. Gedichte von Tina Stroheker 2008, 208 Seiten
Auf DVD bei Arthaus, 3 www.arthaus.de
Beide bei Klöpfer & Meyer, 3 www.kloepfer-meyer.de
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Neu auf DVD VON PAUL SCHULZ (PS)
LAURENCE ANYWAYS CA 2012, Regie: Xavier Dolan, EuroVideo
Xavier Dolans exaltiertes Drama erzählt, wie ein Mann zur Frau wird und seine Frau ihn dabei zumindest zeitweise unterstützt. „Gut zehn Jahre umspannt Laurence Anyways. Von 1989 bis 1999 spannt Xavier Dolan einen Bogen und führt dabei Laurence und Fred immer wieder zusammen, um sie dann gleich wieder auseinanderdriften zu lassen. Es ist das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, an dessen Ende sich dann alle Hoffnungen auf das neue Millennium richten. Am Ende des Interviews, das die verwandelte – wenn auch nicht umoperierte – Laurence einer Journalistin in einem distinguierten, an einem See gelegenen Café gibt, wirft sie einen vielsagenden Blick auf die Welt jenseits des Panoramafensters. Er ist versonnen, vielleicht glücklich, dabei auch vage optimistisch, aber auf jeden Fall entschlossen. Das 21. Jahrhundert kann kommen, und mit ihm eine Welt, in der Laurence weder Alien noch Göttin, sondern einfach nur eine Frau ist.“ (Sascha Westphal in SISSY 18)
OBEN IST ES STILL NL/DE 2013, Regie: Nanouk Leopold, Edition Salzgeber
Ein Mann verfrachtet seinen sterbenden Vater ins obere Stockwerk, um endlich sein eigenes Leben zu beziehen. Als ein junger Mann als Gehilfe an den gemeinsamen Bauernhof kommt, erhält er eine Ahnung davon, wie dieses Leben aussehen könnte. Oben ist es still ist Nanouk Leopolds mit vielen Preisen ausgezeichnete Verfilmung des gleichnamigen Romans von Gerbrand Bakker. „Schmerzhaft, ja fast unerträglich zart und hell ist das Gesicht des Knechts Henk, den Helmer sich eines Tages als Arbeitskraft auf den Hof holt. Bei Bakker trägt er die zentrale Geschichte, er ist die Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Leben und Tod. Leopold aber drängt ihn in den Hofalltag wie einst Pasolini in Teorema den geheimnisvollen Gast in die bürgerliche Familie, wo er alle verführt, vom Vater bis zur Dienstmagd, allein um des Verführens willen, die Geliebten
aber wirft er zurück auf ihre nackte Existenz, ihre Sehnsüchte und Ängste. Henk ist schön und jung, unerhört jung, zu jung, um schon eine Vergangenheit zu haben. Er ist das geballte Leben, das kommen muss, die Veränderung, ohne die der Vater nicht sterben und Helmer nicht zu fühlen beginnen kann. Er taucht auf ohne Herkunft und Geschichte, doch aufgeladen mit Zeit, wie die Dinge im Haus, wie das Bild der Schöpfmühle, unter dem er fortan schläft, im hergerichteten Zimmer von Helmers verstorbenem Bruder. Henk setzt das stehen gebliebene Pendel der Uhr wieder in Bewegung, und Helmer kann es nicht verhindern, dass der Junge ihn rührt.“ (Gunther Geltinger in SISSY 17)
DIE ZEUGEN FR 2007, Regie: André Téchiné, Edition Salzgeber
2007 lief Die Zeugen von André Téchiné im Wettbewerb der Berlinale. Aids ist ein Thema, 1984 in Frankreich, aber vor allem geht es um das Glück einer Gemeinschaft, prekär und bedroht, von Téchiné tänzerisch leicht in Bewegung versetzt. Michel Blanc, Sami Bouajila, Julie Depardieu und Emmanuelle Béart spielen die verzauberten Zeugen der Geschichte von Manu, dem Johan Libérau eine spektakuläre körperliche Präsenz und eine eigene Geschwindigkeit gibt. „Keiner filmt den Sommer so intensiv, mit solchen Glücksmomenten wie André Téchiné. Süchtigkeit nach Licht und Wärme, nach Körperlichkeit und Gemeinsamkeit und oft nach dem offenen Meer dringt aus den Bildern in seinen Filmen. Die Menschen müssen die Augen schließen vor lauter Glück. Es ist existentielles Glück, das auch das Glück ist vor dem Zusammenbruch, dem Nichts.“ (Fritz Göttler in SISSY 20)
DIE UNSICHTBAREN / BAMBI FR 2012/13, Regie: Sébastien Lifshitz, Edition Salzgeber
Zwei preisgekrönte Dokumentarfilme von Sébastien Lifshitz beschäftigen sich mit dem queeren Leben im Frankreich nach 1945 – kein bisschen trocken, wehleidig oder angestaubt, denn beide Filme sind pures
Kinoglück. „Denn, vielleicht aus Neugierde auf Enttäuschung einmal auf Deutsch ‚altern‘ und ‚Homosexualität‘ in die Suchmaschine eingetippt, können einem hier in diesen Tagen solch aufmunternde Ergebnisse anspringen wie ‚Warum ein Coming-Out mit 60 einsam machen kann‘, (also bloß aufpassen und im Schrank vor sich hinmodern?), eine Broschüre zum Thema mit Informationen für Altenpfleger (sinnvoll, aber die wenigsten scheinen diesen Beruf noch ergreifen zu wollen), oder der Bericht über ein städtisches Seniorenzentrum, das mit einer lesbisch-schwulen Beratungsstelle zusammenarbeitet. Voilà. (…) Und dann kommen Sie, Monsieur Lifshitz, geboren 1968, Lyriker der filmischen Dokumentation, Ihre Tarnung im Abspann mit ‚Regisseur‘ nicht vollkommen geglückt, und drehen uns allen (selbsternannte Heteros inklusive) Die Unsichtbaren, als antworteten Sie damit ganz verdutzt auf François de La Rochefoucaulds ‚Wenige verstehen es, alt zu sein‘ (Peu de gens savent être vieux) mit einem ‚Aber wieso? Hier sind doch elf und ich hatte noch sechs Stunden Film …‘, in knapp 120 Minuten.“ (Biru David Binder in SISSY 20)
MARGARITA Ca 2012, Regie: Dominique Cardona & Laurie Colbert, Edition Salzgeber
Haushälterin und Nanny Margarita hält das Leben einer kanadischen Yuppiefamilie zusammen – bis denen das Geld ausgeht. Das stellt die illegal Eingereiste vor ziemliche Probleme. „Ich habe mich beim Anschauen gefragt, ob dies wirklich so eine Familien-/CultureClash-Komödie ist, wie die Ankündigung verspricht. Verweist Margarita doch auf eine Realität, die gar nicht witzig ist: Ausbeutung bleibt Ausbeutung, auch wenn sie in liberaler Verkleidung daherkommt. ‚Du gehörst doch quasi zur Familie‘, heißt es im Film. Margarita hat darauf eine entlarvende Antwort: ‚In Mexiko kündigen wir keinen Familienmitgliedern‘, und schafft es dabei, aus den argumentativen Klimmzügen selbsternannter Wohltäter einige komische Funken zu schlagen. Sie ist es, die Ernsthaftigkeit und Ironie in einer fein austarierten Balance hält. Sie ist kein Opfer und bewahrt sich ihre Würde mit Klugheit und Witz. Sie ist schlagfertig und behält das letzte Wort. SISSY 21 41
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Fazit: Wie seine wunderbare Titelheldin passt dieser Film in keine der gängigen Kategorien. Und wo Margarita hingeht, da ist diese mitreißende lateinamerikanische Musik …“ (Jessica Ellen in SISSY 20)
INTERIOR. LEATHER BAR. US 2013, Regie: James Franco & Travis Mathews, Pro-Fun Media
tor Yen Tan erzählt in Pit Stop davon, was passieren muss, bevor man sich wieder auf jemanden einlassen kann und schafft es dabei, seine beiden Charaktere zu echten Menschen werden zu lassen, die genau so sicher an vielen, vielen Orten außerhalb großstädtischer schwuler Szenen existieren. Der Film nimmt sich und gibt seinen Helden Zeit, betrachtet, beobachtet, lässt sein Ensemble grandios aufspielen, in einer ganz alltäglichen Welt, in der es jedem schwer fällt, den richtigen zu finden. Weil das so schön ist, gab’s für Pit Stop in den letzten zwölf Monaten gleich vier Festivalpreise und eine vielbeachtete Uraufführung beim Sundance Film Festival. ps
Spaß mit Frauen haben kann. Rodney Evans hat, fast zehn Jahre nach seinem großartigen Erstling Brother to Brother, versucht, Ken Urbans Stück über Liebe in Zeiten der Hipsterkultur zu verfilmen und ist dabei an der Thesenlastigkeit und Dialogfülle des Ausgangsmaterials gescheitert, das allerdings grandios. Seine Hauptdarsteller stehen, liegen und sitzen vielsagend und redend in zu engen Bildern herum, aber man hört ihnen wirklich sehr gern zu, bei dem Feuerwerk der Gefühle und Sehnsüchte, über alle Identitätsgrenzen hinweg, das hier abgefackelt wird. Am Ende Ende sind irgendwie alle glücklich, auch das Publikum. ps
Aus William Friedkins Film Cruising sind angeblich 40 Minuten pornografisches Material entfernt worden, um das X-Rating zu umgehen. Gesehen hat diese 40 Minuten aber bisher niemand. „Die beiden Regissuere James Franco und Travis Mathews versuchen, den Mythos der 40 Minuten nachzustellen. Eine Art des Reenactments, in der sich die Genres Dokumentar- und Spielfilm vermischen. (…) Francos Freund, der Schauspieler Val Lauren, kommt ins Hotelzimmer und spricht mit den Regisseuren. Er soll die Pacino-Figur nachspielen oder zumindest eine Repräsentation derer. Wie Burns/Pacino taucht auch Lauren in eine nachkonstruierte SM-Welt ein. In dieser muss sich Lauren erst mal von seinen Werten, die klar heterosexuell konstituiert sind, befreien. Die Angst steht in seinem Gesicht geschrieben. Um klar zu kommen, spricht er oft am Telefon mit seiner Frau, während in der Fake-Fetisch-Welt die Männer Sex haben. In Gesprächen mit ihm versucht sein Kumpel Franco, ihn für schwulen Sex zu begeistern, der ‚attraktiv und wunderschön‘ sei. Und weil Franco so weltoffen ist, tanzt er in einer Szene in der nachkonstruierten Lederbar – umgeben von nackten Männern. Dabei zieht er, der Hollywood-Schauspieler, jedoch noch nicht mal sein T-Shirt aus. Franco bleibt somit stets Voyeur. Er verlässt sich in dem Projekt auf Travis Mathews, auf dessen typische Ästhetik. Mathews inszeniert schöne Sexszenen.“ (Enrico Ippolito in SISSY 19)
AU 2013, Regie: Lee Galea, Pro-Fun Media
Pro-Fun Media
Manchmal können Hausaufgaben etwas Schönes sein. William ist neu in seiner Klasse und soll mit dem schüchternen Filmfreak Mike eine „Romeo und Julia“-Bearbeitung erarbeiten. Die beiden beschließen, daraus einen Monsterfilm zu machen: Frankensteins Geschöpf verliebt sich in einen Werwolf. Hauptrollen: William und Mike. Das Leben beginnt bald die Kunst zu imitieren und aus dem Rollenspiel wird eine zärtliche erste Liebe. Lee Galea hat sich bei den Dreharbeiten von seinem Microbudget nicht einschüchtern lassen und komplett auf seine jugendlichen Darsteller gebaut. Gut gemacht: Auch wenn einiges hier vor Kitsch nur so trieft, Tristan Barr und Lucas Linehan spielen ihre Rollen so überzeugend, dass man mitfühlt, auch wenn man sich eigentlich über mangelnde Bilder und hölzerne Dialoge aufregen möchte. In seiner emotionalen Intensität erinnert Beautiful Love (der auf Englisch viel schöner und liebevoller Monster Pies heißt) an Beautiful Thing oder My Beautiful Laundrette. Total beautiful jedenfalls. ps
Ein spanischer Party-Tourist kommt nach Berlin und verstrickt sich in eine Geschichte um einen verloren gegangenen PartyTouristen. Ein Film mit doppeltem Tanzboden. „Seine schönsten Momente hat der zweite Spielfilm von Stefan Westerwelle – einem jungen Filmemacher, der vor allem mit dem wundervollen Dokumentarfilm Detlef eine beeindruckende Talentprobe bereits vorlegte – in jenen Augenblicken, in denen er ganz bei sich ist, in denen er nichts erzählen zu müssen glaubt und sich ganz in atmosphärischen Momentaufnahmen verliert. Das Herumhängen nach einer viel zu langen Clubnacht, die drogengeschwängerten Gespräche dieser schier endlos sich zerdehnenden Zeit, rastlos zwischen Philosophie, Anekdote und Nonsens oszillierend, die weichwattige, rosafarbene Gedämpftheit dieser langen Tage, die nur für die Anderen wirklich Tage sind – in diese Momente hätte man sich mühelos zwei Stunden wohlig hineinkuscheln können, sich mit ihnen zudecken und hoffen, dass es nie wieder anders wird. Aber Lose Your Head hat auch etwas zu erzählen.“ (Jochen Werner in SISSY 19)
PIT STOP
THE HAPPY SAD
USA 2013, Regie: Yen Tan: Pro-fun Media
US 2013, Regie: Rodney Evans , GMFilms
Gabe und Ernesto leben in derselben texanischen Kleinstadt und haben das gleiche Problem: Sie kommen von ihren eigentlich längst beendeten Beziehungen nicht los. Gabe lebt mit seiner Exfrau und ihrer Tochter unter einem Dach, Ernesto mit seinem Exfreund Luis. Sie werden sich irgendwann begegnen und sich ineinander verlieben, aber bis dahin müssen sie erst mal Platz schaffen für den neuen Anderen im eigenen Leben. Regisseur und Drehbuchau-
Zwei Paare in Brooklyn, eins farbig und schwul, eins weiß und heterosexuell. Beide auf der Suche nach den Grundsätzen, auf denen sich eine langfristige Beziehung sexuell erfüllt leben lässt. Marcus und Aaron öffnen, wie so viele schwule Paare, ihre Zweierkiste, Stan und Annie trennen sich, um jeder für sich experimentieren zu können. Dabei überschneiden sich ihre Wege immer wieder, Marcus verliebt sich in Stan und Annie entdeckt, dass sie auch
BEAUTIFUL LOVE
LOSE YOUR HEAD DE 2013, Regie: Stefan Westerwelle & Patrick Schuckmann,
FRISCH VERLIEBT CH, NL, BE, AU, US 2011–2012, Edition Salzgeber
42 SISSY 21
Die erste oder die nächste Liebe ist immer kompliziert. Entweder weiß man noch nicht, was geht, oder schon, was passieren kann, läuft vorsichtig im unbekannten Gebiet herum und hat immer ein bisschen Angst, dass bei einem falschen Schritt der Teppich unter den Füßen wegsaust. Am schönsten funktioniert das bei den sieben sehr unterschiedlichen Kurzfilmen auf Frisch verliebt in Prora vom
frisch ausgepack t
Schweizer Stéphane Riethauser: Zwei Jungs sind rund um den und im furchterregenden Riesenbau der Nazis unterwegs, verlaufen sich, zerschlagen Fenster, suchen nach Ausgängen, haben Sex, bluten, stellen sich Fragen. Was man so tut, wenn man verliebt ist. Aber auch das Jugend-Knastdrama The Wilding, das vierminütige Humorgewitter 52 oder der TeeniepartyHorror Zuckertrip aus den Niederlanden zeigen schöne Varianten des von Irrlichtern beschienenen Wegs zum Herzen eines Fremden. Hübsch. ps
DIE FRAU MEINER TRÄUME DE, US, FR 2009–2012, Edition Salzgeber
Acht Traumfrauen, acht Träume, acht Kurzfilme: mal mörderisch komisch im Hotel wie bei AntiAging Erna, ultrakurz und fantasievoll wie bei Bus Pass, oder footballverrückt im deutschen Halbstünder The Mermaids, in dem ein putziger weiblicher Nerd auf Mädels mit ganz breiten Schultern trifft und sie trotzdem auf den Rücken packt. „Das menschliche Miteinander wird selten von Formeln geleitet“, sagt ihre Therapeutin, Nikki beweist das Gegenteil. Sexy, witzig, smart: Warum auf der
diesjährigen Berlinale so gut wie kein lesbisches Programm lief, ist nach Ansicht von Traumfrauen noch einmal weniger zu verstehen. Das hier wäre alles gegangen und hätte dem Festival gut getan. Traumhaft schön. ps
MATTERHORN NL 2013, Regie: Diederik Ebbinge, Pro-Fun Media
„Fred, ein biederer Mann Anfang 50, der in einem kleinen niederländischen Dorf wohnt, ist durch seinen Glauben in sozialen und geschlechtlichen Rollenbildern zwanghaft festgelegt. Theo hingegen, im gleichen Alter, tritt als Mann ohne Identität auf: ein Naiver, der eines Tages desorientiert vor Freds Haus steht und von allen gesellschaftlichen Prägungen befreit erscheint. (…) Auf eigentümlich unschuldige und überaus queere, weil von gängigen Kategorien losgelöste Weise verlieben sich die beiden ineinander. Während Fred zuerst noch versucht, Theo Manieren beizubringen, nimmt er ihn bald immer ernster und damit wirklich wahr – er lässt sich auf sein Wesen ein und wandelt sich vom pedantischen Erzieher zum Beschützer und Partner. Matterhorn handelt fortan von Freds Emanzipation vom kleingeistigen
Spießertum und dessen erstarrten Vorstellungen, wie Liebe und Zuneigung sein dürfen. (…) Ebbelings Film ist vor allem deswegen ein Triumph, weil er mit einem dezidiert queeren Blick von den großen Dingen des Lebens erzählt: von Einsamkeit, Trauer, vom Loslassen und vom Wiederfinden von Liebe, der am Ende keine Gottesfurcht mehr Grenzen zu setzen vermag und die schließlich bis zur Spitze des Matterhorns reicht – und darüber hinweg.“ (Christian Weber in SISSY 20)
LOVELACE US 2013, Regie: Rob Epstein & Jeffrey Friedman,StudioCanal
Oscar- und Teddygewinner Rob Epstein und Jeffrey Friedman befinden sich nach vielen großartigen Dokfilmen wohl momentan auf dem BiopicAbschnitt ihrer Karriere. Nach Howl (2012) und vor Anita Bryant (2015) kam 2013 Lovelace in die Kinos, ihre Version der Lebensgeschichte von Linda „Deepthroat“ Lovelace, dem vielleicht größten Pornostar aller Zeiten. Das Problem: Weder Lovelace selbst noch der Film können sich entscheiden, wie das eigene Leben zu interpretieren ist. In den 1970ern veröffentlichte Lovelace zwei Bücher, in denen
frisch ausgepack t
»Das neue Traumpaar des deutschen Kinos!« RBB RADIO EINS
»Eine vibrierende Darstellungskraft bis in die Nebenrollen – beeindruckend!« FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
»Eine Verwirrung der Gefühle, die einen fatalen Sog entwickelt.« DER TAGESSPIEGEL
»Erotischere Blicke und Männerküsse hat es selten auf der Kinoleinwand gegeben!« DU & ICH
»Ein wunderbar sinnlicher Film!« INTRO
sie den Spaß, den Berühmtsein und Geldverdienen macht, in den Vordergrund stellte, in den 1980ern, publizierte sie, zur Feministin geworden, zwei, in denen sie fast jeden an ihrer Pornokarriere Beteiligten, außer sich selbst, zum Täter erhob. Was stimmt, ist schwierig zu sagen. Epstein und Friedman versuchen, dieses Problem zu lösen, indem sie einfach beide Sichtweisen aufeinander prallen lassen: Boogie Nights meets Inside Deepthroat. Das funktioniert nur bedingt und lässt den Zuschauer unbefriedigt, weil im Unklaren zurück. Trotzdem ist der Film wegen seiner Darstellerleistungen sehr sehenswert: Amanda Seyfried brilliert in der Hauptrolle, Sharon Stone gibt ein feines Muttermonster ab und James Franco darf als Playboy-Gründer Hugh Hefner schön schmierig sein. Insgesamt: Unterhaltsam. ps
Konzept von Heimat selbst. Das Tacheles, im Film noch als kreatives Refugium und Schutzort vorgestellt, ist mittlerweile aufgekauft und verlassen worden, und bei Wohnzimmer-Parties muss die Lautstärke den Mietverträgen angepasst werden. Heimat ist kein Ort, sondern eher ein Zustand, den sich Cindy Wonderful und Sarah Adorable immer wieder neu erschaffen haben. Ihre Zugehörigkeit, ihr belonging, finden sie in ihrer Musik, ihrer Kunst, in anderen und letztlich in sich selbst. Am Ende sieht man die beiden mit Rollkoffern und Taschen auf Bahnhöfen auf dem Weg ins Ungewisse. Scream Club hat seinen Platz gefunden, irgendwo auf der Strecke. Der Wunsch den Weg und das Leben, das Lieben und die Ordnungen selbst zu bestimmen, hat sich fürs erste erfüllt. In Gemeinsamkeit.“ (Toby Ashraf in SISSY 18)
POETRY IN MOTION
HAWAII
CA 1982, Regie: Ron Mann, Edition Salzgeber
AR 2013, Regie: Marco Berger, Pro-Fun Media
„Anfangs der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts war es laut Aussage des Regisseurs Ron Mann verrückt, einen Dokumentarfilm über zeitgenössische Dichter zu machen, zumindest sahen das potentielle Geldgeber wie Produktionsfirmen oder Fernsehsender so. Wieviel verrückter wäre das wohl heutzutage? Immerhin war in den 80ern der Nachklang der großen Beat-Poetry-Heroen wie Jack Kerouac, William S. Burroughs, Gary Snyder oder Allen Ginsberg und ihr unbestrittener Einfluß auf die Pop-Kultur der 60er Jahre, die bis in den Mainstream reichte, noch weitaus präsenter. Der vermeintliche Wahnsinn hielt den damals 23-jährigen Kanadier Ron Mann indes nicht davon ab, sich mit der Kamera auf die Suche nach seinen Helden zu machen; um die 70 Poeten wurden dabei zur Rede gestellt und die fette Ausbeute waren 45 Stunden Lyrik. Zusammengeschnitten auf 24 Dichterinnnen und Dichter und die anscheinend gottgegebene menschliche Aufmersamkeitsspanne von 90 Minuten ergab das dann den Film Poetry In Motion.“ (Patrick Gurris in SISSY 20)
Zwei Männer werden vom Leben zusammen geführt und gleichzeitig durch ihre soziale Situation getrennt. Einseitigkeiten, Ungleichheiten, Schieflagen lädt Marco Berger in seinem dritten Spielfilm zu einem komplexen Spiel des Begehrens auf. Ein etwas anderer Sommerfilm. „Aus der schnell etablierten Grundkonstellation spielt Hawaii ein so einfach und gradlinig erzähltes wie komplex verworrenes, weil vieldimensionales Spiel von Distanz und Nähe. Dem Spiel gibt Berger weniger durch Handlung Raum als durch Gesten und Blicke und Körper, die sich zueinander verhalten. Zwei Männer, die zwar zu wissen scheinen, wie sie zueinander stünden, aber das Koordinatensystem, das ihnen ihre Orte vorgibt, noch nicht entziffert haben. Hawaii, mithin ein Film über Liebe in finsteren Zeiten, gedreht mit minimaler Crew und minimalem Budget, das zu guten Teilen über Kickstarter aufgestellt wurde, erzählt eine – wenn man so will – minimale Geschichte. macht aber aus seinen Grenzen eine Tugend: ein Ort, zwei Männer und eine Beziehung, die noch keinen Namen trägt. Auch eine Art von Krisenkino, das in der Dürftigkeit seiner Umstände nicht nur sein Thema, sondern auch seine Form findet.“ (Sebastian Markt in SISSY 19)
AND YOU BELONG DE 2013, Regie: Julia Ostertag, Indigo
JETZT AUF DVD UND BLUR AY
Julia Ostertags neuer Dokumentarfilm begleitet Scream Club, ein Musikerinnen-Duo, das ihre Beziehungen, Strategien und Aktionsorte ständig neu definiert. „Die Orte, die für Scream Club und ihre Freund_innen zur Heimat geworden sind, sind genauso unsicher wie das 44 SISSY 21
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3 AACHEN: APOLLO Pontstr. 141, 0241/9008484 3 AALEN: KINO AM KOCHER Schleifbrückenstr. 15, 07361/5559994 3 ASCHAFFENBURG: CASINO FILM THEATER Ohmbachsgasse 1, 06021/4510772 3 BAD FÜSSING: FILMGALERIE Sonnenstr. 4, 08531/980555 3 BAMBERG: LICHTSPIEL Untere Königstr. 34, 0951/26785 3 BERLIN: ACUD Veteranenstr. 21, 030/44359498 · ARSE NAL Potsdamer Str. 2, 030/26955100 · KINO INTERNATIONAL Karl-MarxAllee 33, 030/24756011 · XENON KINO Kolonnenstr. 5–6, 030/78001530 · CINEMAXX POTSDAMER PLATZ Potsdamer Str. 5, 01805/24636299 · EIS ZEIT Zeughofstr. 20, 030/6116016 · FSK AM ORANIENPLATZ Segitzdamm 2, 030/6142464 · TILSITER LICHTSPIELE Richard-Sorge-Str. 25a, 030/4268129 · ZUKUNFT Laskerstr. 5, 0176/57861079 3 BOCHUM: ENDSTATION KINO IM BHF. LANGENDREER Wallbaumweg 108, 0234/6871620 3 BONN: KINO IN DER BROTFABRIK Kreuzstr. 16, 0228/478489 3 BRAUNSCHWEIG: C1 CINE MA Lange Str. 60 3 BREMEN: CITY 46 Birkenstr. 1, 0421/44963582 3 DORT MUND: SCHAUBURG Brückstr. 66, 0231/9565606 · SWEETSIXTEEN Immermannstr. 29, 0231/9106623 3 DRESDEN: KID – KINO IM DACH Schandauer Str. 64, 0351/3107373 · THALIA Görlitzer Str. 6, 0351/6524703 3 ERLANGEN: MANHATTAN Güterhallenstr. 4, 09131/22223 3 ESSLINGEN: KOMMUNALES KINO Maille 4–9, 0711/31059510 3 FRANKFURT/MAIN: LESBISCH-SCHWU LES KULTURHAUS Klingerstr. 6, 069/293045 · MAL SEH’N Adlerflychtstr. 6, 069/5970845 · ORFEOS ERBEN Hamburger Allee 45, 069/70769100 3 FREIBURG: KOMMUNALES KINO Urachstr. 40, 0761/709033 · KANDELHOF Kandelstr. 27, 0761/283707 3 GÖTTINGEN: KINO LUMIÈRE Geismar Landstr. 19, 0551/484523 3 HALLE: ZAZIE Kleine Ulrichstr. 22, 0345/7792805 · PUSCHKINO Kardinal-Albrecht-Str. 6, 0345/2040568 3 HAMBURG: MET ROPOLIS KINO Kleine Theaterstr. 10, 040/342353 · B-MOVIE Brigittenstr. 5, 040/4305867 · 3001 Schanzenstr. 75–77, 040/437679 3 HANAU: KINO POLIS Am Steinheimer Tor 17, 06181/42825188 3 HANNOVER: KINO IM KÜNSTLERHAUS Sophienstr. 2, 0511/16845522 · KINO IM SPRENGEL K.-M.Kilian-Weg 2, 0511/703814 · APOLLO Limmerstr. 50, 0511/452438 3 KARLS RUHE: STUDIO 3 Kaiserpassage 6, 0721/9374714 · SCHAUBURG Marienstr. 16, 0721/3500018 3 KASSEL: BALI Rainer-Dierichs-Platz 1, 0561/710550 · FILMLADEN Goethestr. 31, 0561/707650 3 KIEL: DIE PUMPE – KOMMUNALES KINO Haßstr. 22, 0431/2007650 · TRAUM KINO Grasweg 48, 0431/544450 3 KÖLN: FILMPALETTE Lübecker Str. 15, 0221/122112 3 KONSTANZ: ZEBRA KINO Joseph-Belli-Weg 5, 07531/60162 3 LEIPZIG: PASSAGE KINO Hainstr. 19 a, 0341/2173865 · KINOBAR PRAGER FRÜHLING Bernhard-Göring-Str. 152, 0341/3065333 · CINEDING Karl-Heine-Str. 83, 0341/23959474 3 MAG DEBURG: STUDIOKINO Moritzplatz 1, 0391/2564925 MANNHEIM: CINEMA QUADRAT Collinistr. 5, 0621/1223454 · CINEMAXX N7 17, 01805/625466 3 MARBURG: CINEPLEX Biegenstr. 1a, 06421/17300 3 MÜNCHEN: NEUES ARE NA FILMTHEATER Hans-Sachs-Str. 7, 089/2603265 · CITY KINO Sonnenstr. 12, 089/591983 · CINEMAXX Isartorplatz 8, 01805/24636299 3 MÜNSTER: CINEMA FILMTHEATER Warendorfer Str. 45–47, 0251/30300 3 NÜRNBERG: KOMMKINO/FILMHAUSKINO Königstr. 93, 0911/2448889 · CASABLANCA Brosamer Str. 12, 0911/454824 3 OFFENBURG: FORUM Hauptstr. 111, 0781/4350 3 OLDENBURG: CINE K Bahnhofstr. 11, 0441/2489646 3 POTSDAM: THALIA ARTHOUSE Rudolf-Breitscheid-Str. 50, 0331/7437020 3 REGENSBURG: WIN TERGARTEN Andreasstr. 28, 0941/2980963 3 SAARBRÜCKEN: KINO ACHTEIN HALB Nauwieser Str. 19, 0681/3908880 · KINO IM FILMHAUS Mainzer Str. 8, 0681/372570 3 SCHWEINFURT: KUK – KINO UND KNEIPE Ignaz-Schön-Str. 32, 09721/82358 3 STUTTGART: CINEMAXX AN DER LIEDERHALLE RobertBosch-Platz 1, 01805/24636299 3 TRIER: BROADWAY FILMTHEATER Paulinstr. 18, 0651/96657200 3 WEIMAR: LICHTHAUS Am Kirschberg 4, 03643/777177 3 WEITERSTADT: KOMMUNALES KINO Carl-Ulrich-Str. 9–11 / Bürgerzentrum, 06150/12185
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Auch das noch …
Wendy Jo Carlton (hinten) mit ihren „Easy Abby“-Darstellerinnen und ein paar Klopsen.
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