Sanitas Magazin 2/22: Wer bin ich?

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Wer bin ich? Auf der Suche nach uns selbst

18 __ Geschmacksverlust: Wie er entsteht und was dagegen hilft 24 __ Phytotherapie: Die Heilkraft der Pflanzen


BINSENWEISHEIT

Schaden HandyDisplays den Augen?

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Dem blauen Licht, das bei LED-Flachbild­ schirmen und Smartphones eingesetzt wird, eilt ein schlechter Ruf voraus. Es soll die Netzhaut schädigen, gar Altersblindheit verursachen. Brillen mit Blaulichtfilter sollen davor schützen. Aber braucht es die wirklich? Neuere Studien zeigen, dass die Lichtstärke bei der Nutzung elektronischer Geräte mindestens hundertfach kleiner ist als die an einem wolkenbedeckten Tag im Freien. Die Investition können Sie sich also sparen. Während das Starren aufs Natel jedoch tatsächlich Kurz­sich­ tigkeit fördert, wirkt Tageslicht dieser entgegen. Sein Infrarotanteil soll zudem kleinere Schädigungen im Auge heilen.

… und was wollten Sie schon immer mal wissen? Schreiben Sie uns – wir freuen uns auf Ihre Frage! redaktion@sanitas.com

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EDITORIAL / INHALT

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8 Liebe Leserin, lieber Leser Was macht Sie zu dem Menschen, der Sie sind? Ihr Beruf, Ihr Aussehen, die Herkunft? Vielleicht die Familie, der Freundeskreis, Ihre persönlichen Erfahrungen? In dieser Ausgabe des Sanitas ­Magazins stellen wir die Frage: «Wer bin ich?» Und scheuen dabei nicht vor sogenannten Tabu­ themen zurück. Michel von Känel etwa hat auf diese Frage eine besondere Antwort. Er ist tagsüber Lehrer und in manchen Nächten eine Dragqueen. Dafür wird er angefeindet, für viele ist er aber ein couragiertes Vorbild. Seiner Geschichte stellen wir das Gespräch mit einem Psychologen zur Seite, der Eltern darin bestärkt, ihre Kinder sich frei entfalten zu lassen. Mut macht auch unser Artikel zum Thema Phytotherapie. Die sanfte, aber oft wirksame Ergänzung zur Schulmedizin unterstützen wir bei Sanitas mit Zusatzversicherungsprodukten zu alternativmedizi­nischen Therapiemethoden. So gehen wir auf die individuellen Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden ein und begleiten sie durch die verschiedenen Phasen ihres Lebens.

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Binsenweisheit Kurz & bündig

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DOSSIER WER BIN ICH? Was prägt unsere Persönlichkeit? Bestimmt der genetische Bauplan unser Leben oder haben wir es selbst in der Hand?

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Rollentausch: Michel von Känel ist Künstler und tritt nachts als Dragqueen auf. Aber er ist auch Lehrer. Tagsüber.

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Listicle: Erkenntnisse aus der Zwillingsforschung

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Interview: Was Menschen zu Mördern macht. Der forensische Psychologe Jérôme Endrass gibt Einblick in die Untiefen der Seele.

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Infografik: Frauenkörper sind anders – Männerkörper auch.

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Momente teilen: Wenn Geschmack und Geruch verloren gehen Aus dem Leben: Wer heizt ihren Kundinnen so richtig ein? Hausmittel: Das hilft bei niedrigem Blutdruck Aktiv sein: Phytotherapie – Frauenleiden mit Pflanzen heilen Sani und Elina: Grosser Auftritt in der Zirkusmanege Lexikon: Ambulant/stationär, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Alternative Versicherungsmodelle

Cover: Peter Zelewski

Dr. Andreas Schönenberger CEO, Sanitas

IMPRESSUM Herausgeber Sanitas Management AG, Jägergasse 3, 8021 Zürich, sanitas.com/magazin | Kontakt redaktion@sanitas.com | Gesamtverantwortung Claudia Sebald | Redaktion Leoni Hof (Leitung), Helwi Braunmiller, Jessica Braun, Paul Drzimalla, Julie Freudiger, Anna Miller, Katharina Rilling, Brigitte Wenger | Übersetzungen Sanitas Übersetzungsdienste | Art Direction Festland AG | Lithografie Detail AG | Druck swissprinters.ch | Bildnachweise Alle nicht gekennzeichneten Bilder sind Eigentum von Sanitas oder von Sanitas lizenziert | Gesamtauflage ca. 550 000; 13. Jahrgang; gedruckt auf umweltfreundlichem FSC-Papier | Erscheinungsweise 4 × jährlich in D, F, I | Das nächste Magazin erscheint im August 2022.

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KURZ & BÜNDIG

Die App —

Zeckenstich, was nun?

Studie «Datengesellschaft und Solidarität» —

Vertrauen ist das Zauberwort Die Pandemie hat der Digitalisierung einen Schub verpasst. Was sich auch auf das Tracken und Teilen von digitalen Gesundheitsdaten auswirkt. Zu diesem Ergebnis kommt die repräsentative Umfrage zu «Datengesellschaft und Solidarität», die im Auftrag der Stiftung Sanitas vom Forschungsinstitut Sotomo durchgeführt wurde. Fast neun von zehn Personen können sich heute vorstellen, ihre digital aufgezeichneten Gesundheitsdaten mit ihrem Hausarzt zu teilen. Der wichtigste Grund dafür: Früherkennung von gesundheitlichen Problemen, aber auch positive Aspekte für die Gesellschaft. Voraussetzung dafür ist jedoch das Vertrauen in Datenschutz und -sicherheit. sanitas.com/sotomo-umfrage

Die warme Zeit ist Zecken-Hochsaison. Die kleinen Spinnentiere sind in der Schweiz weit verbreitet und können Borreliose oder Hirnhautentzündung übertragen. Übrigens: Ein Zeckenstich gilt in der Schweiz als Unfall und sollte der Unfallversicherung gemeldet werden. Um es gar nicht so weit kommen zu lassen, wurde die App «Zecke» entwickelt. Neben Tipps zur Vermeidung eines Stiches zeigt die dynamische Warnfunktion das aktuelle Gefahrenpotenzial im Gelände an. Hat man sich doch eine Zecke eingefangen, gibt es Hilfestellung zur Entfernung und ein Tagebuch inklusive Erinnerungsfunktion zur Kontrolle. Die kostenlose App «Zecke» gibt es auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch.

Aktion für Sanitas Versicherte —

Rabatte auf Magazin-Abos Möchten Sie mal wieder nach Herzenslust in Zeitschriften schmökern? Lassen Sie sich Ihren Lesestoff nach Hause liefern! Eine Spezialaktion für alle Sanitas Kundinnen und Kunden macht es möglich: Bei Ringier Axel Springer profitieren Sie bis zum 31. Juli 2022 von grosszügigen Rabatten auf die Abos von «Schweizer LandLiebe», «Caminada. Das Magazin», «Interview by Ringier», «Bilanz», «Schweizer Illustrierte» oder «Beobachter».

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KURZ & BÜNDIG

Geschäftsjahr 2021

72% Die Zahl —

849 000 Versicherte bauten im Jahr 2021 auf Sanitas als starke Gesundheitspartnerin. Das gute Gesamtergebnis betrug 90.2 Millionen Franken.

Die wichtigsten Ergebnisse des Geschäftsjahrs 2021 finden Sie hier: sanitas.com/2021

Coach App —

Frühjahrsmüdigkeit ade Sie sind ständig müde, schlafen aber keine Nacht durch? Die Sanitas Coach App hilft Ihnen dabei, Schlafprobleme in den Griff zu bekommen. Das zertifizierte Medizinprodukt ermittelt den Schweregrad der Schlaf­ störung, gibt individuelles Feedback zum Schlafverhalten und liefert konkret Schritt-für-SchrittAnleitungen sowie ein Schlaftagebuch zum Festhalten der Schlaf­ daten – jetzt auch auf Französisch, Italienisch und Englisch.

der befragten Schweizerinnen und Schweizer greifen zur Unterstützung ihrer Gesundheit regelmässig zu Nahrungsergänzungsmitteln.

Quelle: Sanitas Health Forecast 2021

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DOSSIER WER BIN ICH?

Ich bin ich Beim Blick in den Spiegel oder anlässlich des runden Geburtstags – es gibt Momente, in denen wir uns fragen, was uns ausmacht. Ob wir uns verändert haben. Und wenn ja, warum. Welche Rolle unsere Gene dabei spielen und wie unsere Umwelt uns prägt. Sicher aber ist: Einen grossen Teil dessen, was wir sind und wie wir unser Leben gestalten, haben wir selbst in der Hand. Zum Glück!

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DOSSIER WER BIN ICH?

Verwandeln, nicht verstecken

Was bedeutet LGBTQIA+? Intersexualität, Transgender oder nicht binär – im Online-Magazin erklären wir, was diese Begriffe bedeuten. sanitas.com/queer

Michel von Känel steht als Lehrer vor der Klasse und als Dragqueen vor Publikum. Die Verwandlung zur Kunstfigur Paprika ist Teil seines Lebens. Texte Anna Miller

Foto Colin Frei

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isneyland Paris, ein Ausflug mit der Familie, die Parade der Märchenfiguren, die Disney-Prinzessinnen, Arielle, die Meerjungfrau. All die schönen Kostüme, die Perücken. Und Michel, der kleine Junge, der staunt. Der sich zum sechsten Geburtstag eine Barbie wünscht. Sehnsüchtig in der Migros vor dem Spielzeugregal steht mit seinem Vater. Der Vater, der kurz zögert und sich dann denkt: «Immerhin wollen meine Kinder keine Waffen.» Er habe immer gewollt, dass seine Kinder glücklich werden, sagt Michel von Känel heute. Er ist 24 Jahre alt, tagsüber Oberstufenlehrer und abends einmal im Monat Dragqueen. Eine von rund 20 aktiven in der Schweiz. Dann zieht er sich grosse Roben an, die er selbst entwirft und näht, und schminkt sich minutiös vor dem Spiegel. Etwa drei Stunden braucht er für seine Verwandlung in Paprika – seine Rolle, die eine Kunstform und gleichzeitig Selbstausdruck ist. Michel lebt bei seinen Eltern in einem 1600-Seelen-­ Dorf im Aargau. Hat er einen Auftritt, packt er alle Requisiten in einen Koffer, er besteht mittlerweile darauf, vom Veranstalter vor Ort eine Möglichkeit zum Umziehen zu bekommen. Denn als Dragqueen möchte Michel nicht alleine an einem Bahnhof warten. Hate Crimes, also Gewalttaten gegen Menschen der LGBTQIA+-Community, passieren in der Schweiz immer wieder. Sein Vater habe darum manchmal richtig Angst um ihn gehabt. Zu Hause, sagt Michel, fühlte er sich eigentlich immer verstanden. Die Eltern, seit 30 Jahren verheiratet, kommen aus dem linken Milieu. Im Kinderzimmer lagen Barbies neben Legosteinen, an Weihnachten wurden Bühnenbilder gemalt und Kostüme genäht, und wenn Michel mit Puppen spielte, machte sein Bruder einfach mit. Nur manchmal hörte er die ungläubigen Fragen der anderen, der Nachbarn, der Verwandten: «Michel spielt mit Puppen?»

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Drag als Statement Als Schulkind ist Michel zwar nie allein. Aber irgendwie spürt er, dass er anders ist. Warum weiss er auch nicht recht. In der Oberstufe tritt er dem Theaterverein der Schule bei. Dort trifft er das erste Mal auf Männer, die auch weinen, die ihre Gefühle zeigen. Gleichzeitig wird ihm bewusst, dass er sich unwohl fühlt mit einigen Jungs aus seiner Klasse. Damit, dass die beginnen, die weiblichen Körper zu sexualisieren. Während er sich nicht dafür interessiert, wer wen küsst. Das Schreien, das Rangeln, das pubertäre Machtgehabe stossen ihn ab. Diese Idee von «Boys just wanna be boys, Buben wollen doch bloss spielen.» «Doch Männer können sich genauso zusammenreissen wie alle anderen auch», sagt Michel. Manchmal, wenn Michel als Paprika auftritt, greifen Menschen an sein mit Schaumstoff ausgepolstertes Hinterteil, grabschen nach seinem Körper, weil dieser in einem

«Die Sache mit Drag ist auch etwas Politisches.» Michel von Känel


DOSSIER WER BIN ICH?

Michel von Känel macht sich stets vor Ort zurecht, um sich nicht Anfeindungen aussetzen zu müssen.

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DOSSIER WER BIN ICH?

Frauenkleid steckt. Etwas, das Frauen kennen und Männer nur selten erfahren. «Gerade deshalb», sagt Michel, «ist diese Sache mit Drag auch etwas Politisches. Es ist ein Statement.» Er sei damit eine sichtbare Provokation für all diejenigen, die genaue Vorstellungen von Vorrecht und Stärke haben. Und eine Galionsfigur für alle, die wissen, wie es sich anfühlt, marginalisiert zu werden. «Mit dem Unterschied, dass ich mein Frausein ablegen kann.» Vor vier Jahren outete sich Michel als homosexuell, zuerst bei seinem Vater, «vielleicht weil er schon in den Jahren davor Sätze gesagt hatte wie: ‹Wenn ihr mal nach Hause kommt mit der ersten Freundin oder dem ersten Freund …› Weil er mir damit ein Zeichen gab, dass es okay wäre, wenn es so ist.» Der Vater spricht mit der Mutter. Die braucht Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Männlichkeit neu definieren Bei Michels Auftritten dreht sich am Anfang alles um die Kostüme. Um den künstlerischen Ausdruck, um Theater, ums Schauspiel, ums Erzählen von Geschichten. Und darum, die eigene Weiblichkeit besser kennenzulernen. Michel spielt mal eine Meerjungfrau, mal ein Alien, mal eine

«Ich kann dazu inspirieren, sich zu zeigen, Bildlegende Lorem ipsum wie ist.» dolor sitman amet, consectetuer adipiscing elit. Aenean

commodo ligula dolor. Michel voneget Känel natoque penatibus et mag

Prinzessin. Doch schnell wird für Michel das Drag-Sein zu mehr. «Da stand ich im Kostüm und junge Menschen fingen an zu weinen, als sie mich sahen. Einige fassten durch mich den Mut, sich zu outen. Und ich merkte: Ich kann sie inspirieren, sich selbst so zu zeigen, wie sie sind.» Dass sich sein Sohn regelmässig als Frau verkleidet, ist für den Vater kein Problem. Es gehe doch darum, Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Letztes Jahr war er an der Pride-Parade mit dabei, er engagiert sich seit Kurzem in einem kleinen Verein von Eltern von LGBTQIA+-Kindern.

«Am Ende zählt, dass unsere Kinder sich frei entfalten.» Herr Garcia Nuñez, warum triggert uns ein Mann in Frauenkleidern? Weil wir in einer Welt leben, die ein ganz bestimmtes bequemes Geschlechter-Regelwerk für uns bereithält, das uns in Mann oder Frau einordnet. Wenn sich also jemand aus diesem System herauslöst, beispielsweise indem er mit Kleiderkonventionen bricht, kann das starke Reaktionen auslösen. Welche? In der Regel zuerst Irritation, die sich häufig in Ablehnung umwandelt. Und dann aber verborgener: Neid. Weil das Überschreiten von Regeln auch mit Freiheit verbunden ist.

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Haben auch Eltern solche Gefühle, deren Kinder sich nicht geschlechtskonform verhalten? Absolut. Die Abweichung eines Kindes von der geltenden Geschlechternorm löst bei vielen Erwachsenen Unsicherheit aus. Das Verhalten des Kindes ist also nicht das Problem? Nein, häufig ist es die elterliche Reaktion darauf. Spielt der Sohn plötzlich mit Puppen oder will sich das Mädchen die Haare kurz schneiden, müssen wir uns erst mal fragen: Was ist daran so schlimm? Wir müssen lernen, uns zu reflektieren, bevor wir das Verhalten des Kindes normieren.


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Knapp drei Stunden dauert es, bis Michel zu Paprika geworden ist. Die Kostüme entwirft und fertigt Michel von Känel selbst.

David Garcia Nuñez ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und leitet den Schwerpunkt für Geschlechtervarianz am Universitätsspital Basel. Unter Geschlechtervarianz wird verstanden, dass sich die Geschlechtsidentität von Menschen nicht auf Frau oder Mann beschränkt.

Also anleiten statt zurechtweisen? Genau. Oft sind es ja nicht einmal die Eltern, die mit diesem Wechsel der Geschlechtsrolle nicht umgehen können. Sondern Nachbarn, Lehrpersonen oder die Verwandtschaft. Wir stehen als Eltern immer auch unter der Beobachtung der anderen. Wie gehen Eltern am besten damit um, wenn die Verwandtschaft kritisch reagiert? Sie müssen das Kind schützen. Das Gespräch suchen. Und wenn das nicht fruchtet, es eben eskalieren lassen. Ein Kind braucht Rückendeckung. Aber oft reicht es auch, zu relativieren. Zu sagen: «Entspannt euch, die Kleider sind nicht wichtig. Dieses Verhalten ist nicht ansteckend. Und mein Kind ist glücklich damit.» Am Ende zählt doch, dass unsere Kinder sich frei entfalten können.

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Ist es vielleicht bloss eine Phase? Das ist die Reaktion der meisten Eltern. Sie wollen die Situation bagatellisieren, weil sie hoffen, dass der Kelch an ihnen und ihrem Kind vorübergeht. Doch darum geht es nicht. Worum dann? Darum, die Situation ernst zu nehmen. Das Kind ernst zu nehmen. Es darin zu bestärken, dass es für sich entscheiden kann, wie es sich gerade fühlt, und dass das in der Familie, auf der Welt Platz hat. Vielleicht ist es bloss eine Phase. Vielleicht nicht. Wenn das Kind aber dem Ausdruck geben will, was es empfindet, dann sollte man das erlauben. Kinder sind kein verlängerter Teil ihrer Eltern. Dazu gehört auch, dass das Kind über die eigene ­Geschlechtsrolle entscheiden kann.

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DOSSIER WER BIN ICH?

In der Nacht wird er zum Star: Michel von Känel tritt als Paprika regelmässig auf, wie hier im Zürcher Club Labor Bar.

Früher sei es ihm sehr darum gegangen, gesehen zu werden, sagt Michel. Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, weil er sonst eher still ist, schüchtern, im alltäglichen Leben. Doch Drag hat ihn wachsen lassen. «Als Frau bin ich der stärkere Mensch. Viele meinen, es gehe bei Drag im Grunde darum, eine Frau sein zu wollen, doch das hat nichts mit meinem biologischen Geschlecht zu tun», sagt Michel. «Aber mit Stärke sehr wohl. Die hat sich nun auch auf mich, Michel, den Cis-Mann übertragen. Ich bin Mann und als Mann lebe ich meine Weiblichkeit als eine von vielen Facetten. Ich habe meine Männlichkeit neu definiert.»

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Wenn der Rollentausch nicht nur Spiel ist Im Podcast des Sanitas Health Forecast berichtet Niklaus Flütsch, der Frauenarzt und Transmann ist. sanitas.com/trans


DOSSIER WER BIN ICH?

Kopie oder Unikat Bestimmen die Gene, unsere Lebensführung oder die Umwelt, wer wir sind, wie wir aussehen und ob wir lange leben? Fünf Erkenntnisse aus der Zwillingsforschung. Text Julie Freudiger

Illustration Sylvia Geel

Zwillinge dienen Wissenschaftlern seit Jahrzehnten als ideale Forschungsobjekte, um herauszufinden, wie Gene und äussere Faktoren unser Leben beeinflussen. Denn eineiige Zwillinge sind genetisch identisch, da sie aus einer Eizelle entstanden sind. Und doch sind sie nicht einfach nur Kopien voneinander. Warum das so ist, beschäftigt die Wissenschaft. Zwillings­studien vergleichen zudem ein- mit zweieiigen Zwillingspaaren. Letztere ­teilen nur die Hälfte der Gene, wachsen aber meist unter denselben Bedingungen auf. Aus diesem Vergleich schliessen Wissenschaftler, welche Merkmale erblich sind. Und gewinnen dadurch Erkenntnisse auch für die Menschen, die nicht im Doppelpack zur Welt kommen. 1. Intelligenz wird vererbt, aber ohne Giessen wächst nichts «Intelligenz und Talent sind zu rund 80 Prozent vererbt», sagt Anita Rauch, Professorin für medizinische Genetik am Universitätsspital Zürich. Ob aber das genetische Potenzial ausgeschöpft werde, hänge von äusseren Faktoren ab.

4. Die Umwelt verändert die Gene Studien mit eineiigen Zwillingen haben gezeigt, dass Umwelteinflüsse Gene ein- oder ausschalten können. Denn je länger die Zwillinge voneinander getrennt lebten, desto stärker unterschied sich das Genmaterial. Dieses ist also nicht in Stein gemeisselt. Umgekehrt beeinflussen aber auch die Gene die Umwelt: Ist man etwa risikofreudig veranlagt, sucht man sich entsprechende Freunde. Diese verstärken die Ausgangslage der Gene zusätzlich.

2. Für seine Gesundheit kann man etwas tun Migräne, Bluthochdruck, Diabetes, Akne oder Rheuma: Viele Krankheiten sind genetisch bedingt. Aber: «Äussere Faktoren wie Bewegung oder Stress beeinflussen die ­Veranlagung», so Rauch. Aktuelle Studien mit eineiigen Zwillingen zeigen sogar, dass auch bei Brustkrebs oder Multipler Sklerose Umweltfaktoren den Krankheitsverlauf beeinflussen. 3. Langlebigkeit ist nicht angeboren Eine Zwillingsstudie aus Grossbritannien kommt zum Schluss, dass Langlebigkeit einen geringen Grad an Ver­erb­ barkeit hat. Die in der Studie beobachteten Zwillinge starben in sehr unterschiedlichem Alter und an verschiedenen Krankheiten. «Ausserdem teilt sich der Zellhaufen, aus dem die eineiigen Zwillinge entstehen, nicht immer in zwei gleiche Hälften», erläutert Rauch. Daher kann es sein, dass nur einer der beiden an einer Erbkrankheit leidet.

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5. Das Persönlichkeitsgen gibt es nicht Unsere Grundeigenschaften bestimmen zwar die Gene. Doch trotz genetisch identischem Bauplan und gleicher Umwelt sind eineiige Zwillinge zwei verschiedene Persönlichkeiten. Studien zeigen, dass alle Menschen dieselbe Umwelt anders erleben und so durch sie ­verschieden geprägt werden – auch eineiige Zwillinge. Auf der anderen Seite zeigen Zwillingsstudien, dass Persönlichkeitsmerkmale wie Risikofreudigkeit oder Geselligkeit vererbbar sind – je nach Studie zwischen 30 und 50 Prozent. Nur: Die «Persönlichkeitsgene» konnten noch nicht identifiziert werden.

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Was entscheidet darüber, ob ein Mensch sein Leben im Griff hat oder ob es ihm entgleitet? Extremfälle können Antworten auf diese Frage liefern. Der forensische Psychologe Prof. Dr. Jérôme Endrass erforscht, warum Menschen zu Mördern werden. Interview Paul Drzimalla Foto Sebastian Magnani / 13 Photo

Gibt es das MörderGen?

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Herr Endrass, Sie sind Experte für forensische Psychologie. Erklären Sie kurz, was Sie tun. Forensische Psychologen arbeiten mit Gewalt- und Sexualstraftätern, um das Risiko, das von ihnen ­ausgeht, zu minimieren. In einem zweiten Schritt ­planen sie Interventionen, um das Rückfallrisiko zu senken. Diese Abklärungen sind aufwendig, die Therapien ­langwierig. Man macht das vor allem bei Menschen, von welchen eine hohe Gefahr ausgeht. Kommt es vor, dass Sie sagen: «Es war unvermeidlich, was diese Person getan hat»? Es gibt Fälle, bei denen die Persönlichkeit ein sehr hohes Risiko darstellt. Die einen sind psychotische Patienten, die etwa Stimmen hören. Wenn dazu noch eine Vorgeschichte mit Gewalt kommt, ist es fast klar, dass irgendwann etwas passieren wird. Dann gibt es andere, die eine Psychose haben, dazu eine schwere Form von Persönlichkeitsstörung, eine sogenannte Psycho­pathie. Nur wenige mit solchen ausgeprägten Risikoeigenschaften begehen keine Straftat. Allerdings sind nicht alle Mörder psychisch krank, und die aller­meisten psychisch Kranken werden nie gewalt­ tätig. Da darf man nicht stigmatisieren. Sie sprechen die Vorgeschichte an: Welchen ­Einfluss hat dabei das Umfeld? Können wir alle zu Mördern werden, wenn sich unglückliche ­Umstände verketten? Häufig besteht eine Wechselwirkung zwischen Bio­logie und Umwelt. Wenn Menschen mit einer solchen ­Anfälligkeit in einem förderlichen Umfeld aufwachsen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sie gewalttätig werden. Andersherum gilt: Bei einem schwierigen

Umfeld, aber ohne psychische Veranlagung ist die Wahrscheinlichkeit, gewalttätig zu werden, ebenfalls nur leicht erhöht. Bei einem problematischen Umfeld und der Anfälligkeit dafür explodiert die Wahrscheinlichkeit. In der Schweiz ist die Mordrate sehr tief. Wenn hier jemand jemanden umbringt, dann ist ganz viel falsch gelaufen. Welches sind typische Persönlichkeitseigenschaften, die zu einer solchen Risikoexplosion führen? Auffällig ist ein dissoziales Verhalten, also sehr impulsiv, wenig empathisch. Viele der Täter und Täterinnen haben das Gefühl, dass Normen und Gesetze für sie nicht gelten. Diese Gruppe ist gut untersucht und sie hat eine grosse ­biologische Komponente, die vermutlich angeboren ist. Diese erklärt aber nicht alles. Wo setzen Sie in diesen Fällen bei der Therapie an? Wir sehen bei Menschen, die gewalttätig werden, gewisse Denkmuster. Nicht bei allen gleich ausgeprägt, aber viele müssen sich legitimieren. Das machen ­gerade Sexualstraftäter, die sich lange vor der Tat ­Theorien zurechtlegen, die ihr Handeln für sich rechtfertigen. Auch im Alltag tun wir das, etwa wenn wir ­einen teuren Kauf rechtfertigen. Doch es spielt eine Rolle, wie weit weg von der Norm das Verhalten ist. Für eine fünfjährige Auszeit brauchen Sie mehr ­Legi­timierung als für fünf Wochen Ferien. Und bei ­Gewalt- und Sexualstraftätern ist diese sogenannte Legiti­mierungsarbeit noch viel grösser. Wenn man ­ihnen das Ausmass der Theoriekonstrukte zeigt, das sie ­brauchen, um ihre Taten zu rechtfertigen, hat man häufig einen guten Ansatz für eine Therapie.

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INFOGRAFIK

Frauenkörper sind anders – Männerkörper auch Lange Zeit war der Mann das Mass der Dinge, auch in der Medizin. Studien wurden ­überwiegend am männlichen Körper vorgenommen. Dabei macht es zumindest an dieser Stelle Sinn, Mann und Frau nicht gleichzubehandeln. Von einer geschlechtssensiblen ­Medizin profitieren nämlich beide. Text Leoni Hof Infografik Codeplay

Quellen: swissheart.ch, osteoporose-vorsorge.ch, Schweizerische Ärztezeitung: «Gendermedizin: Patientinnen unterscheiden sich von Patienten», Scandinavian Journal of Gastroenterology: Sadik et al., 2003, Alzheimer Schweiz.

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INFOGRAFIK

Gehirn Etwa 94 180 Frauen und 34 000 Männer leben mit einer Demenzerkrankung in der Schweiz. Die häufigste Demenzform Alzheimer schreitet bei Frauen schneller voran als bei Männern. Die hormonellen V ­ er­änderungen in der Menopause erhöhen das R ­ isiko, ­daran zu erkranken, ausserdem auch spezifisch weibliche ­Risiko­faktoren wie Schlafstörungen und Stress.

Herzinfarkt 50 Minuten länger dauert es bei Frauen

im Vergleich zu Männern vom Auftreten der Symptome bis zum Aufsuchen einer Ärztin oder ­ eines Arztes. Die typischen Symptome e ­ ines Herz­ infarkts bei Frauen unterscheiden sich dabei: – eher Druck- oder Engegefühl in der Brust statt starkem, ausstrahlendem Brustschmerz – Kurzatmigkeit/Atemnot, Schmerzen im Oberbauch, Ziehen in den Armen – Schweissausbrüche – Rückenschmerzen – Übelkeit/Erbrechen

Immunsystem 80 Prozent beträgt der Frauen­

anteil bei Autoimmunerkran­kungen wie Multipler Sklerose oder Rheuma. Das Immunsystem von Frauen ist ­aktiver und reagiert stärker, was zum Nachteil wird, wenn sich das Immunsystem gegen sich selbst stellt.

Medikamente 1,5- bis 2-mal häufiger als Männer leiden Frauen unter unerwünschten ­Nebenwirkungen. Wie lange und wie viel ­aktiver Wirkstoff eines Medikaments im Blut zu finden ist, ­variiert ­aufgrund der ­unterschiedlichen Nieren­funktion, des Fett-, ­Wasser- und Muskel­anteils und der Aus­ stattung mit E ­ nzymen. Im Beipackzettel wird das jedoch nicht b ­ erück­sichtigt.

Osteoporose Für Frauen macht es Sinn, ihr Sportprogramm und die Ernährung dem Zyklus anzupassen. Warum, lesen Sie hier:

30–40 Prozent der Männer über 70 l­eiden unter Osteoporose. Was meist nicht erkannt wird, da dies als typische Frauenkrankheit gilt. W ­ ährend bei Frauen ­primär der Östrogenabbau für den Knochenschwund verantwortlich ist, werden männliche Knochen meist aufgrund anderer Vor­erkrankungen oder deren Therapie brüchig.

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Nichts schmeckt mehr Der Kaffee riecht nach Mist, das Steak ist fad: Eine Störung des Geruchs- und Geschmacksempfindens kann viele Ursachen haben. Seit der Corona-Pandemie sind so viele Menschen davon betroffen wie nie zuvor. Kochbücher und Trainings helfen, den Spass am Essen wiederzufinden. Text Jessica Braun

Foto Craig Robertson

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n einen Schokoriegel zu beissen ist ein intensiver Moment: Eine wohlige Süsse breitet sich im Mund aus. Auch die Nase geniesst mit. Das Aroma der Schokolade steigt über den Rachen in die Nasen­gänge, eine Fülle samtiger Noten. Ohne diesen Geruch ist der Schokoriegel nur eine undefinierbare Masse zwischen den Zähnen – das wissen alle, die schon mal eine Erkältung hatten. Oder Covid-19. Zu Beginn der Pandemie litten bis zu 75 Prozent der Infizierten unter einem veränderten Geruchs- und Geschmacksempfinden. «Bei etwa einem Drittel davon hielt der Zustand noch Monate nach Beginn der Erkrankung an», sagt Kathrin Ohla. Die Psychologin und Geruchs- und Geschmacksforscherin gehört einem internationalen Konsortium an, das diese Störungen erforscht. Mit ihren Studien hat sie dazu beigetragen, die Öffentlichkeit für Hyposmie und Anosmie, also den teilweisen oder vollständigen Verlust des Geruchssinns, zu sensibilisieren. Nicht nur bei Covid weit verbreitet «Bei einer Erkältung oder Allergie treten solche Störungen meist nur auf, solange die Nase verstopft ist», sagt Ohla. Anders bei der Grippe. «In seltenen Fällen führt diese zu einem vollständigen Geruchsverlust.» Polypen, ein Schädel-­ Hirn-Trauma, ein Tumor, eine Chemotherapie, bestimmte Medikamente oder Alzheimer können ebenfalls Anosmien verursachen. Auch bei Parkinson kann ein schleichender Geruchsverlust ein frühes Symptom sein. Am häufigsten verantwortlich ist aber wohl: das Alter. Bei einem Viertel der über 50-Jährigen ist der Geruchssinn eingeschränkt. Weil er sich langsam verschlechtert, fällt das vielen nicht einmal auf. Anders bei Covid: «Da schmeckt der Kaffee von einem auf den anderen Tag nicht mehr. Das ist verstörend.» Erst recht wenn dieser Zustand über Monate anhält. «Es beeinträchtigt wirklich die Lebensqualität und ich esse eigentlich nur, weil ich Hunger habe. Geniessen kann ich nicht», schreibt eine Patientin in einem Forum. Ein Patient klagt: «Noch keine Besserung in Sicht, ich verliere die Lust am Kochen …»

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EXPERTENTIPP Dr. Kathrin Ohla, Psychologin und Geruchs- und Geschmacksforscherin «Verbinden Sie Ihre Augen und lassen Sie sich dann verschiedene Dinge unter die Nase halten – Seife, Gewürze, Tee oder Erde. Diese Riechübung hat bei ­einigen Betroffenen gute Wirkung gezeigt. Interessierte können ihr Riech- und Schmeck­vermögen unter riech-check.de überprüfen.»

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Eis mit Chili: Konsistenz, Temperatur und Schärfe nehmen auch Menschen mit Geschmacks- und Geruchsverlust wahr. Für sie hat der Brite Ryan Riley das Kochbuch «Taste & Flavour» herausgebracht, das man kostenlos downloaden kann.

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Schmeckt’s Ihnen? Im Online-Magazin finden Sie weitere Tipps, wie Sie bei Tisch wieder mehr Genuss erleben. sanitas.com/geschmack

Geschmacksverirrungen Nicht nur der Genuss fällt weg. «Viele Betroffene sorgen sich, weil sie Verbranntes nicht mehr riechen. Oder Schweissgeruch nicht mehr wahrnehmen», sagt Ohla. Bei Covid kann eine weitere Störung hinzukommen: die Parosmie. Dinge riechen plötzlich anders – nach Fäkalien, Ausguss, Verschmortem. «Die Banane schmeckt, als wäre sie verschimmelt, und die Cola wie Spülmittel», so eine Betroffene. Wie diese Fehlwahrnehmung zustande kommt, ist nicht eindeutig geklärt. Mit den Geschmacksknospen, die sich in den kleinen Knubbeln auf der Zunge verbergen, nehmen wir die verschiedenen Qualitäten wahr: salzig, sauer, süss, bitter und umami. Erst das Zusammenspiel verschiedener Duftmoleküle lässt aber das heiss geliebte Kaffeearoma entstehen. Verarbeitet werden diese von Nervenzellen in der Nase. Manche Covid-Varianten lassen diese Neuronen offenbar absterben – der Geruchssinn geht verloren. Zwar können sich die Nervenzellen erneuern, das kann aber durchaus mehrere Monate dauern. Die Parosmie scheint in dieser Regenerationsphase aufzutreten: Der Geruchssinn regt sich wieder, aber nur ein Teil der Duftmoleküle wird registriert. Vereinfacht gesagt kommt im Gehirn statt «Kaffee» nur «Kff» an. Riechtraining kann helfen Die Pandemie hat die Zahl der Betroffenen in kurzer Zeit vervielfacht. Hilfe bekommen sie von Menschen, die durch andere Ursachen ihren Geruchs- und Geschmackssinn verloren haben – beispielsweise die niederländische Lehrerin Joke Boon. Sie verlor im Alter von vier Jahren ihren Geruchssinn und damit auch bis zu 90 Prozent ihres Schmeckens, wie sie auf ihrer Website schreibt. Das hält sie aber nicht davon ab, Kochbücher zu verfassen. In «Erste Hilfe bei Geschmacksverlust» stellt sie Rezepte vor, die durch Farben und Texturen andere Sinne ansprechen. Und sie gibt Tipps für den Alltag, vom Brandschutz bis zur Hygiene. Boon hat sich mit ihrer Störung arrangiert, denn bisher fehlen Behandlungsmöglichkeiten. Covid-Patientinnen und -Patienten bleibt die Hoffnung, dass sich ihr Geruchssinn mit der Zeit regeneriert. Ein Riechtraining kann dabei helfen, sagt Kathrin Ohla. Man solle sich nur nicht frustrieren lassen, wenn man danebenläge. «Es gibt beim Training kein Falsch, solange es Spass macht.» Das wichtigste Heilmittel, auch wenn es hart klingt, ist jedoch: «Geduld.»

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Sanitas hat die zufriedensten Kundinnen und Kunden

«Easy und unkompliziert» Sanitas hat laut der jährlichen, repräsentativen Umfrage des K-Tipp die zufriedensten Kundinnen und Kunden der Schweiz. Das freut uns ganz besonders und zeigt, dass unser Engagement wahrgenommen wird. Herzlichen Dank für Ihre Treue.

Mehr Informationen: sanitas.com/einfach


AUS DEM LEBEN

Wer heizt ihren Kundinnen so richtig ein? Die Auflösung finden Sie auf der nächsten Seite. 21


AUS DEM LEBEN

Sophie Eisl arbeitet bei Sanitas als Projektleiterin im Digital Sales & Sales Development. Privat stellt sie vor allem weibliche Bedürfnisse in den Fokus – mit einem eigenen Start-up. Text Katharina Rilling

Fotos Karin Heer

Dem Bauchgefühl nach Wenn sich der Magen vor Aufregung zusammenzieht und es im Bauch kribbelt – Sophie Eisl liebt dieses Gefühl. «Ich verlasse immer wieder bewusst meine Komfortzone. Nur so lernt man Neues kennen und merkt, wie aufregend der Sprung ins kalte Wasser nach dem ersten Schreck ist.» Die 29-Jährige erinnert sich gut an den Tag, an dem sie ein Jobangebot von Sanitas erhielt: Sie war bis zu diesem Zeitpunkt im Consulting tätig gewesen, die Versicherungsbranche absolutes Neuland. Sophie entscheidet sich intuitiv für den Wechsel. Heute weiss sie, ihr Bauchgefühl hat sie nicht im Stich ge­lassen. «Ich könnte mich unter all den Powerfrauen nicht wohler fühlen», sagt die Senior-Projektleiterin im Digital Sales & Sales Development. Im Team kümmert sie sich um die strategische Weiterentwicklung der Vertriebskanäle. «Ich überlege mir, wie wir unseren Kundinnen und Kunden die perfekte Erfahrung bieten können.» Ist jemand neu bei Sanitas versichert und erstellt eine Online-Offerte, stellt Sophie etwa sicher, dass diese Person anschliessend persönlich beraten wird. Vor allem die «Just-do-it-Mentalität» sei dabei ihr Ding. Eigene Ideen gleich umsetzen. «Bei Sanitas geht das.»

Sophie Eisl konnte schon so manches Paket mit den Periodenpflastern von Tummzy auf den Weg bringen. Sie schreibt jeder Kundin dazu einen persönlichen Gruss.

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Cleveres Produkt mit Botschaft Vor zwei Jahren gründete Sophie das Label Tummzy. Heute vertreibt sie unter dem vom englischen Wort für Bauch, «Tummy», abgeleiteten Namen, Produkte, die Periodenschmerzen lindern. Die Inspiration dazu fand sie auf einer Reise durch Asien. In Peking hatten es ihr die bis unter die Decke gefüllten Läden angetan. Zwischen quietschbunten Gadgets entdeckte sie den Grundstein ihres Start-ups: ein Pflaster in Bärenform, das sich auf den Bauch kleben lässt und Wärme verströmt. «So etwas wollte ich für die Frauen in Europa auch», sagt Sophie. Viele Mails, Diskussionen und kurze Nächte später war Tummzy geboren – schlanke Pflaster, die auf der Kleidung angebracht werden und bei Menstruationsschmerzen zwölf Stunden lang den Unterleib wärmen. Ihr ist die Botschaft wichtig: «Sei stolz darauf, eine Frau zu sein mit allem, was dazugehört. Dazu gehört nicht, dass du als Frau monatliche Schmerzen einfach stoisch erdulden musst.» Wer weiss, welche Ideen Sophie von ihrer nächsten Asienreise mitbringt? Als Erstes werde sie dabei ihr liebstes Dumpling-Restaurant ansteuern. Denn die Liebe zum Land geht bei ihr – wie könnte es anders sein – durch den Magen.

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HAUSMITTEL

Was hilft bei niedrigem Blutdruck? Text Julie Freudiger Illustration Franziska Neugebauer

Die Suppe versalzen Salz bindet Flüssigkeiten im Körper, was die Blutmenge erhöht und den Blutdruck leicht ansteigen lässt. Salzbrezeln oder eine Bouillon können bei kurzfristigen Beschwerden also helfen. Ob eine regelmässige leicht erhöhte Salzzufuhr hilfreich sein kann, muss mit der Ärztin oder dem Arzt besprochen werden.

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iele Menschen reagieren auf plötzliche Wetterveränderungen wie beispielsweise eine Föhnlage. Sie fühlen sich schwindlig, unwohl, schlapp, und es wird ihnen schnell schwarz vor Augen. Schuld daran ist oft der Blutdruck, der vorübergehend abgesackt ist. Auch wenn man zu schnell aufsteht, der Blutzucker gerade tief ist oder man viel Flüssigkeit verloren hat, etwa durch Schwitzen, Erbrechen oder Durchfall, kann es zu einem kurzfristig tiefen Blutdruck kommen. Grund zur Sorge ist das meistens nicht – sofern man gesund ist und die Symptome nur kurzfristig auftreten. Mit einigen Kniffen kommt der Kreislauf in Schwung: Kalt macht wach Kältereize trainieren den Kreislauf. Wirksam sind regelmässige Wechselduschen oder kalte Fuss- und Armbäder. Dazu die Füsse bis zu den Unterschenkeln für drei Minuten in kaltem Wasser bewegen oder alternativ die Unterarme unter kaltes Wasser halten. Als Sofortmassnahme hilft ein kalter Lappen, den man sich seitlich an den Hals legt.

Ein Kraut gewachsen Rosmarin ist nicht nur ein in der Küche beliebtes Gewürz, sondern auch eine Heilpflanze. Ihr ätherisches Öl wirkt unter anderem durchblutungsfördernd und lässt den Blutdruck leicht ansteigen. Vor allem als Badezusatz oder als Salbe wirkt Rosmarin stärkend und kräftigend. Beine hoch Um einem Sturz bei einem blutdruckbedingten Schwindelanfall vorzubeugen, legt man sich am besten hin und lagert die Beine etwas höher. Dadurch fliesst das Blut leichter zurück zum Herzen, was den Kreislauf stabilisiert.

EXPERTENTIPP Prof. Dr. med. Michael Handke, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Kardiologie «Auch eigentlich gesunde Menschen, die veranlagungsbedingt einen niedrigen Blutdruck haben, können unter den Beschwerden leiden. Insbesondere jüngere Frauen sind davon betroffen. Bei starken Beschwerden wie Herzrasen, heftigem Schwindel oder einem Ohnmachts­anfall ist aber eine ärztliche ­Abklärung notwendig, ob eine Erkrankung vorliegt.»

Wasser marsch! Täglich ausreichend zu trinken, ist generell für den Kreislauf wichtig. Bei einem kurzfristigen Schwindel- oder Schwächeanfall durch einen tiefen Blutdruck kann es hilfreich sein, innert zehn Minuten einen halben Liter Wasser zu trinken – sofern keine organische Erkrankung vorliegt.

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Dossier Hausmittel Gegen viele Leiden ist ein Kraut gewachsen. In unserer Sammlung bewährter Hausmittel finden Sie sanfte Methoden zur Linderung. sanitas.com/hausmittel

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Die Gynäkologin setzt das Wissen der Phytotherapie etwa in Form von Tinkturen ein.

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Mit Ginkgo durch die Wechseljahre Gynäkologin Gesa Otti-Rosebrock vertraut auf die Möglichkeiten der Phytotherapie. Deshalb setzt sie bei vielen ihrer Patientinnen ganz auf Medikamente aus Heilpflanzen. Text Brigitte Wenger

Gesa Otti-Rosebrocks Lieblingspflanze ist der Ginkgo – eine der ältesten Heilpflanzen. Er ­verbessert die Durchblutung und man erhofft sich von ihm auch ­Fortschritte in der ­Demenzforschung. Ausserdem der Granat­ apfel, die Frucht der Aphrodite. Granatapfelöl steht wohl bei fast jeder ihrer Patient­innen auf dem Nachttisch. Es pflegt die Schleimhaut im Intimbereich, die ­gerade während der Wechseljahre trockener wird, und eignet sich ausserdem hervorragend als natürliches Gleitmittel beim Sex.

Foto Franco Tettamanti

Von links nach rechts. Von rechts nach links. Stundenlang wälzte sich Sandrine Kahn von einer Seite auf die andere, konnte plötzlich nicht mehr einschlafen. Obwohl die 51-Jährige müde ins Bett fiel, blieb der ersehnte Schlaf aus. Döste sie doch ein, erwachte sie schweissgebadet. Mehrmals in der Nacht wechselte sie ihren Pyjama. «Der war pfludinass!» Heute lacht Sandrine Kahn, wenn sie über die durchwachten Nächte spricht. Damals sei sie aber «total kaputt» gewesen. Hinzu kamen Schwindel, Konzentra­ tionsschwierigkeiten und Stimmungsschwankungen – ­typische Symptome der Wechseljahre. Rat suchte sie bei ihrer Frauen­ärztin Gesa Otti-Rosebrock von der Praxis Frauenmedizin in Biel. Ihr Arzneimittelschrank ist zum Grossteil mit Medikamenten bestückt, die auf die Heilkraft von Pflanzen setzen. Denn Otti-Rosebrock ist Gynäkologin und im Vorstand der Schweizerischen Medizinischen ­Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP). Traubensilberkerze gegen Hitzewallungen Tatsächlich: Die hormonellen Untersuchungen zeigten klar, dass Sandrine Kahn in den Wechseljahren war. Ihre Ärztin schlug ihr deshalb folgende Behandlung vor: Traubensilberkerze, hoch dosiert, gegen Hitzewallungen und andere klimakterische Symptome. Ginkgo, hoch dosiert, gegen Schwindel und Konzentrationsschwierigkeiten sowie Salbei gegen das nächtliche Schwitzen. «Ich bin überhaupt nicht gegen die Schul­medizin», sagt Kahn, die bei Rücken- und Kopfschmerzen nicht zögert, Schmerzmittel zu nehmen, «aber ich dachte, hier braucht es nicht noch mehr Chemie.» Ohne die Phytotherapie gäbe es die klassische Schulmedizin nicht, schreibt die SMGP auf ihrer Website. Denn viele Wirkstoffe, die die heutige Schulmedizin einsetzt, stammen von ihrer Grundstruktur her aus der Natur. Im 19. Jahrhundert, als die Naturwissenschaften Fahrt aufnahmen, wurden pflanzliche Reinsubstanzen isoliert und chemisch-synthetisch nachgebaut. Wie die Schulmedizin muss auch die Phytotherapie wissenschaftliche Standards erfüllen. Die phytotherapeutischen Medikamente, die Fachärztinnen wie Gesa Otti-Rosebrock verschreiben, SANITAS MAGAZIN

sind häufig im Kompendium zu finden, dem Arzneimittel­ verzeichnis, das die offiziellen Informationen für Medikamente des Schweizer Marktes enthält. Neben der Behandlung von Wechseljahresbeschwerden werden auch bei der Immunabwehr, bei Atemwegserkrankungen, Hautkrankheiten oder Rheumaleiden gute Resultate erzielt. Geduld wird belohnt Die Gynäkologin Otti-Rosebrock veranschaulicht den Unterschied zwischen Phytotherapie und Schulmedizin mit Blumen: «Phytotherapie ist ein Blumenstrauss. Schul­ medizin eine Rose. Die Rose kann einzeln verschenkt werden, hat aber Dornen. Klassische Medikamente wirken schnell, sie bestehen aus einem einzigen Wirkstoff, können aber Nebenwirkungen haben. Ein Phytotherapeutikum wird aus der ganzen Pflanze oder Teilen davon gewonnen. Es enthält verschiedene Stoffe, die sich ergänzen. Doch im Gegensatz zur Schulmedizin wirkt die Phytotherapie oft nicht sofort, sondern braucht etwas Geduld.» Die sich für Sandrine Kahn gelohnt hat. Die Tabletten aus Ginkgoblättern gegen den Schwindel konnte sie bereits nach einigen Wochen absetzen. Diejenigen aus der Traubensilberkerzenwurzel stabilisierten ihre Stimmung, sie ist ausgeglichener und schläft wieder durch. Kahns «Wundermitteli» sind aber die Tabletten aus Salbei­ blättern: «Seit der ersten Einnahme habe ich keine Nacht mehr geschwitzt.»

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Deckungs-Check

Zahlt Sanitas einen Beitrag an die Behandlung bei der Phytotherapeutin, beim Osteopathen oder an Ihre Sehhilfe? Mit dem Deckungs-Check des Sanitas Portals erfahren Sie schnell und unkompliziert, ob eine bestimmte Leistung von Ihrer Versicherung bezahlt wird. sanitas.com/check

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SANI UND ELINA

Grosser Auftritt in der Zirkusmanege Heute hat es unsere Freunde in den Zirkus verschlagen. Sani balanciert auf dem Rücken von Elina und jongliert dabei. Kannst du das auch? Tatsächlich macht dich Jonglieren klüger. Du trainierst damit deine beiden Gehirnhälften. Die sind durch den Hirnbalken verbunden. Durchs Jonglieren wird dieser gut durchblutet und neue Hirnzellen wachsen. Illustration Michael Meister

Wettbewerb Wir verlosen drei Jongliersets. Dafür musst du diese Frage richtig beantworten: Wie heisst die Verbindung zwischen den beiden Hirnhälften? Deine Antwort schickst du mit deinen Kontaktdaten an redaktion@sanitas.com. Einsendeschluss ist der 7. Juni 2022. Die Gewinner werden schriftlich informiert. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Barauszahlung und Rechtsweg sind ausgeschlossen.

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LEXIKON

Ambulant/stationär Eine ambulante Behandlung ist eine Behandlung in einer Arztpraxis oder in einem Spital ohne anschliessende Übernachtung. Die Patientin oder der Patient kann noch am gleichen Tag nach Hause. Ambulante Leis­ tungen können das einfache Anlegen eines ­Verbandes oder die Medikamentengabe sein, aber auch radiologische Untersuchungen oder kleinere chirurgische und gynäkologi­ sche Eingriffe. Bei einer stationären Behand­ lung übernachtet die zu behandelnde Person im Spital.

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Versicherungsmodell anpassen

Einmal registriert, können Sie über das Sanitas Portal oder die App bequem Ihre Krankenversicherung ­verwalten: Personendaten, Zahlungsmodalitäten oder Franchisen anpassen, das Grundversicherungsmodell ändern sowie Offerten mit angepasster ­Zusatzversicherung beantragen. Mehr über die Vorteile des Sanitas Portals finden Sie hier: sanitas.com/portal-de

Finanzmarktaufsicht (Finma) Wer in der Schweiz eine Krankenzusatzversi­ cherung anbieten will, benötigt dafür eine Bewilligung der Finanzmarktaufsicht (Finma). Die Krankenversicherung muss dazu detail­ lierte Angaben zum geplanten Versicherungs­ modell machen, ihre Zahlungsfähigkeit belegen und eine einwandfreie Geschäftsführung gewährleisten. Die Finma erteilt die Bewilligung nur, wenn die Krankenkasse all diese Anforderungen erfüllt.

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Alternative Versicherungsmodelle Mit unseren alternativen Versiche­ rungsmodellen sparen Sie in der Grundversicherung. Bei gesundheit­ lichen Fragen wenden Sie sich ­dabei je nach Modell zuerst an eine andere Stelle. Egal, ob Sie sich am liebsten zuerst an Ihre Hausärztin wenden, telemedizinische Erst­ beratung bevorzugen oder auf das Expertennetzwerk von Medbase zurückgreifen möchten: Sie ent­ scheiden, welches Modell am besten zu Ihren Bedürfnissen passt, und profitieren dabei von attraktiven Rabatten.

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