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Michael Ludwig
schaupolitik
THEMEN – POSITIONEN – SERVICE REDAKTION: CHRISTOPH BERNDL, MICHAEL KRAUSE
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Michael Ludwig
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MICHAEL LUDWIG FORCIERT DAS MITEINANDER
Werde sicher nicht zum Wadlbeißer
INTERVIEW: CHRISTOPH BERNDL, FOTOS: MICHAEL RAUSCH-SCHOTT
Im Jahresauftaktgespräch mit schau blickt Wiens Bürgermeister Michael Ludwig auf ein in vielen Bereichen sehr schwieriges 2020 zurück. Gleichzeitig nährt er bei seinem Ausblick die Hoffnung auf ein Stückchen mehr Normalität im heurigen Jahr.
schau: Herr Bürgermeister, die Corona-Krise mit all ihren Auswirkungen, ein feiger Terroranschlag im November – ist 2020 ein Jahr, das Sie gerne aus Ihrer Erinnerung streichen würden?
Michael Ludwig: Die CoronaKrise hat im Vorjahr mit einem Schlag alle Lebensbereiche betrofen. Die Auswirkungen waren und sind stark, sei es im Gesundheitsbereich, am Arbeitsmarkt, beim Tema Wirtschaftsstandort oder im Bildungssystem. Von daher hofe ich, dass wir mit dem Jahreswechsel und besonders mit der gleichzeitigen Verfügbarkeit der ersten Impfstofe den Startschuss setzen konnten, damit wir schrittweise wieder in ein normales Leben wechseln können – ohne die vielen Einschränkungen, mit denen wir 2020 leben mussten.
Sie traten von Beginn der Krise an für ein Miteinander und den Dialog ein. Der absolut richtige Weg in solchen Situationen, wie es scheint. War das absehbar? Liegt Ihnen das im Blut?
Für mich ist in meiner politischen Tätigkeit, aber auch im persönlichen Bereich das Miteinander immer sehr wichtig. Und ich glaube, besonders in der Bewältigung von Krisen ist dieses Credo von großer Bedeutung. Umso mehr war ich auch enttäuscht, dass wir als Stadt Wien dieses Miteinander angeboten haben und es von der Bundesregierung, zumindest bis zur Wahl im Oktober, nicht so angenommen wurde. Man erinnert sich sicher an das Schlechtreden, das „Wien-Bashing“. Und wie man jetzt sieht, sind wir mit Niederösterreich und dem Burgenland das Bundesland mit den besten Zahlen, was die Infzierten betrift. Von daher waren unsere Maßnahmen sicher richtig. Mir ist wichtig, dass wir über die Parteigrenzen hinweg gut zusammenarbeiten. Ich glaube, dass sich dieses Miteinander als besser herausstellt als das Schlechtmachen. Man kann mir manches vorwerfen, aber ich habe noch nie einen politischen Mitbewerber persönlich attackiert. Ich werde jetzt sicher nicht zum Wadlbeißer. Es reicht aus, einen Wettbewerb der Ideen zu führen. Demokratie heißt unterschiedliche Meinungen. Aber man sollte das so austragen, dass man sich nachher wieder in die Augen schauen kann.
Nach einem Jahr Corona, wie ist die Stimmung in der Bevölkerung? Wie werden die Maßnahmen mitgetragen?
Das Ganze hat der Bevölkerung schon sehr viel abverlangt. Die Mehr-
Sachlich und verbindend: Michael Ludwig bleibt seiner Politik und sich selbst treu.
heit hat sich immer an den Maßnahmen orientiert, aber man merkt natürlich nach einem Jahr, dass die Bereitschaft bei den Menschen etwas abnimmt, manche Entscheidungen voll mitzutragen. Deshalb hofe ich jetzt, dass es mit dem Impfstof möglich sein wird, schrittweise zur Normalität zurückzukehren.
Wien hat mit einem sehr guten Test-Angebot neben den Massentests eine Vorbildrolle eingenommen. Soll dieses System für die Impfung übernommen werden?
Die Impfung wird die Möglichkeit sein, wieder neue Freiheit zu bringen. Wir haben im Herbst einen Probelauf im Rahmen der Grippe-Impfung mit einem niederschwelligen, dezentralen Angebot durchgeführt, von Impfstraßen bis zur „Impf-Bim“. Wir konnten die Impfquote von acht auf 25 Prozent erhöhen. 420.000 Wienerinnen und Wiener ließen sich impfen. Das ist für mich ein Beweis, dass, wenn entsprechend informiert wird, die Impfbereitschaft steigt. Bis aber ein großer Teil der Bevölkerung durchgeimpft ist, werden die Testungen weiter ein wichtiger Teil der Strategie sein und für mehr Sicherheit sorgen. Es soll in Wien nicht nur punktuelle Massentests geben, sondern ein durchgehendes kostenfreies System der Testungen allen Wienerinnen und Wienern zur Verfügung stehen. Das ist die einzige Chance auch im Hinblick auf Veranstaltungen, Sportereignisse und Gastronomie. Ich gehe davon aus, dass sich mehr Menschen gegen Corona impfen lassen werden. Mein Anspruch ist da höher. Waren manche skeptisch, kann es jetzt gar nicht schnell genug gehen. Wir pochen deshalb darauf, schon rasch mehr Impfdosen zu bekommen. Im Augenblick ist die Anzahl der Impfdosen der Flaschenhals. Wir rollen die Infrastruktur aus und sind vorbereitet.
Ist diese Zahl der InfuenzaImpfung ein Ziel, das auch für die Corona-Impfung gelten kann? Die Menschen freuen sich darauf, wieder die Stadt zu genießen. Wien hat gerade auch in der Krise gezeigt, was bei Veranstaltungen möglich ist und was nicht, zum Beispiel Film Festival oder aktuell der Eistraum …
Das Leichteste ist immer, alles zuzusperren. In einer Großstadt ist es notwendig, der Bevölkerung ein Angebot in sicherem Rahmen zur Verfügung zu stellen. Wir haben uns getraut, den Eistraum durchzuführen – selbstverständlich unter Einhaltung strengster Sicherheitsvorkehrungen wie teilweise Maskenpflicht, beschränkter Zutritt und Abstandsmesser. Wir haben in Wien auch im Sommer das Film Festival mit einem ausgeklügelten Kojensystem durch-
geführt. Deutlich weniger Publikum als sonst, jedoch konnten wir Kulturgenuss in Zeiten der Pandemie erfolgreich anbieten. Daneben haben wir es geschaft, mit „Sommer in Wien – Wien dreht auf“ eine niederschwellige kulturelle Belebung in ganz Wien anzubieten.
„Wir beschreiten mit der rot-pinken Koalition nicht nur für Wien, sondern auch für Österreich einen neuen interessanten Weg.“
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Michael Ludwig
Das heißt, so viel zulassen wie möglich unter den gegebenen Umständen und parallel Menschen zum Impfen motivieren. Aber eine Impfpficht wird es nicht geben?
Richtig, ich bin gegen einen Impfpflicht. Ich kann mir das auch
Im Gespräch mit schau-Herausgeber Gerhard Milletich (l.) und Chefredakteur Christoph Berndl (r.) zeigt sich Ludwig zuversichtlich, dass bald wieder eine gewisse Normalität erreicht werden kann.
schwer vorstellen. Wichtig ist, Information zu bieten und die Menschen nicht zu indoktrinieren. Wenn das klappt, bin ich davon überzeugt, dass sich die Menschen genauso wie gegen Tetanus, Polio, Diphtherie impfen lassen. Ich lasse mich auf jeden Fall dann impfen, wenn es für mein Alter vorgesehen ist. Denn nichts ist schlimmer als eine Privilegiendebatte à la „Politiker drängen sich vor“.
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Themenwechsel: Sie haben nach der Wien-Wahl mit der ersten sozial-liberalen Koalition zwischen SPÖ und NEOS für einen neuen Weg gesorgt. Fühlen Sie sich als politischer Pionier?
Ich habe damals schon bei der Präsentation gesagt, dass es keine Entscheidung gegen eine Partei, sondern für einen neuen Weg war. Ich denke, in einer Demokratie macht es Sinn zu schauen, wo gibt es gemeinsame Inhalte, Dinge, die man zusammen umsetzen möchte. Wir beschreiten damit nicht nur für Wien, sondern auch für Österreich einen neuen interessanten Weg. Vielleicht fndet das ja Nachahmer.
Was man medial mitbekommt, dürfte die Zusammenarbeit ja gut funktionieren?
Ja, wir haben uns im sehr umfassenden Regierungsprogramm mit mehr als 200 Seiten und mehr als 1.000 Projekten sehr viel vorgenommen für die Legislaturperiode. Nicht nur viel zu tun, sondern vor allem Inhalte, wo beide Parteien zeigen können, was sie in der Lage sind, gemeinsam umzusetzen. Vielleicht ist das auch ein spannendes Konzept für andere.
Aus dem Gesamtportfolio, welches sind die drei wichtigsten Projekte, die Sie herausheben möchten?
Zum einen hat sich in der CoronaKrise gezeigt, wie wichtig ein gut funktionierendes, öfentlich fnanziertes Gesundheitswesen ist. Da wollen wir den nächsten Schritt gehen. Wir möchten nicht nur die Spitäler ausbauen, sondern auch zwölf niederschwellige Gesundheitszentren zu bestimmten Temen in den Bezirken einrichten. Außerdem 36 Primärversorgungszentren, die die Ambulanzen und niedergelassenen Wir haben in diesem Schuljahr an 70 Standorten die kostenfreie Ganztagsschule umgesetzt. Das möchte ich jedes Jahr um zehn Standorte erweitern. Diese Verschränkung von Schulunterricht und Freizeiteinheiten ist für Kinder eine gute Möglichkeit, sozialen Zusammenhalt zu lernen, sich für Musik oder Sport zu interessieren und die Unterstützung dort zu bekommen, wo sie sie brauchen. Selbstverständlich werden wir als Klimamusterstadt Wien auch den Klimaschutz in den nächsten Jahren nicht außer Acht lassen. Da stehen weitere engagierte Projekte an, die helfen sollen, dem Klimawandel in der Stadt zu begegnen.
Ärztinnen und Ärzte entlasten sollen. Bedeutsam ist außerdem, dass wir gerade jetzt den Wirtschaftsstandort Wien weiter unterstützen wollen. Die Zusammenarbeit mit Niederösterreich und dem Burgenland soll intensiviert werden. Wir nehmen uns ein 600-Millionen-Euro-Investitionsprogramm zusätzlich zu den jährlichen Investitionen vor, das von Neubau bis zur Sanierung quer durch die Industrie- und Gewerbebereiche geht.
Der Arbeitsmarkt steht auch im Fokus …
Das ist ein sehr wichtiger Bereich, der durch die Krise noch brisanter geworden ist. Hier haben wir uns zwei Zielgruppen besonders vorgenommen: junge Leute, die eine Lehrstelle suchen. Mit einer überbetrieblichen Lehrlingsstiftung möchten wir helfen, damit diese einen Lehrabschluss erhalten. Die zweite Gruppe sind die über 50-Jährigen, die am Arbeitsmarkt sehr unter Druck kommen. Diese Menschen wollen wir wieder in Arbeit bringen.
Bildung und Klimaschutz stehen auch noch auf der Agenda. Ein sehr engagiertes Paket. Bleibt noch zum Schluss: Welche Frage wünscht sich Bürgermeister Michael Ludwig nicht mehr bei einem Jahresauftaktgespräch 2022 – Corona weg von der Themenliste?
Ja, auf jeden Fall. Vor allem möchte ich nicht mehr gefragt werden: „Wann kommt der nächste Lockdown?“
schauwirtschaft wirtschaft
MÄRKTE – ZUKUNFT – CHANCEN REDAKTION: BERNADETTE STROBL
HEIMISCHE TOP-UNTERNEHMEN ÜBER IHRE PLÄNE FÜR 2021
Strategien zum Erfolg
Digitalisierung, künstliche Intelligenz, neue Kommunikations- und Vertriebswege: schau hat österreichische Erfolgsunternehmen gefragt, wie sie die Krise bisher gemeistert haben und wie 2021 zum Erfolgsjahr werden kann.
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„Hygiene, Sauberkeit und mikrobiologische Sicherheit werden weiterhin von großer Bedeutung sein – ebenso Dienstleister, die diese Sicherheit gewährleisten.“
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Bernd Feketeföldi & Dipl.-Ing. Stefan Janzen, MEWA Textil-Service AG & Co. Management OHG
Hygiene mit Nachhaltigkeit
MEWA. Sauberkeit und Versorgungssicherheit waren schon vor der Corona-Pandemie Eckpfeiler von MEWA. Das Unternehmen stellt Betrieben hygienische, mikrobiologisch unbedenkliche Textilien zur Verfügung – von der Berufskleidung bis hin zu Putztüchern. „Unsere Waschprozesse sind seit jeher so gestaltet, dass Viren vollständig inaktiviert werden. Wir gehen davon aus, dass unsere Leistungen auch weiterhin stark gefragt sein werden“, blicken die beiden österreichischen Geschäftsführer Bernd Feketeföldi und Stefan Janzen positiv in die Zukunft. In den nächsten Monaten will sich MEWA auf seine neu defnierten und priorisierten Mehrwerte fokussieren, zu denen unter anderem die Nachhaltigkeit zählt. „Unsere gegenwärtige Kampagne ‚Textilsharing – Nutzen statt Besitzen‘ widmet sich diesem Thema“, so Feketeföldi und Janzen.
Dr. Stefan Ottrubay, Esterhazy Betriebe GmbH
Kunst im Netz bis Immobilien
Esterhazy Betriebe. Schon vor der Pandemie war das Unternehmen digital breit aufgestellt, wodurch der gesamte interne Betrieb innerhalb von zwei Tagen an die Corona-Maßnahmen angepasst werden konnte. „Krisen sind auch immer eine gute Gelegenheit, Altes zu überdenken und neue innovative Wege zu erschließen. Auch das haben wir getan: Binnen kürzester Zeit haben wir die virtuelle Kulturplattform esterhazy@home sowie den Lieferservice Schlossquartier ins Leben gerufen“, so Esterhazy-Generaldirektor Stefan Ottrubay. Um 2021 zu einem Erfolgsjahr zu machen, ist es seiner Meinung nach wichtig, den Innovations- und Teamgeist der Mitarbeiter aus 2020 mitzunehmen. In den kommenden fünf Jahren investieren die Esterhazy Betriebe 220 Millionen Euro in zahlreiche Immobilienprojekte. „Dazu zählt zum Beispiel das Schlossquartier in Eisenstadt. Dort entstehen vier Wohnhäuser mit insgesamt 60 Wohnungen und Büros sowie ein 120-ZimmerHotel im gehobenen 4-Sterne-Superior-Bereich“, kündigt Ottrubay an. Auch in den weiteren Ausbau des Seebads Breitenbrunn wird stark investiert. Ziel aller Investitionen ist, die touristische Vielfalt im Burgenland weiter auszubauen.
Innovative Mobilität
Ottobock. Als Medizinproduktehersteller ist Ottobock Teil der medizinischen Grundversorgung. Um diese durchgängig sicherstellen zu können, hat das Unternehmen seine technische Infrastruktur bereits vor dem ersten Lockdown ausgebaut – etwa durch neue Software-Tools. „Die Coronavirus-Krise hat den digitalen Wandel in der Orthopädietechnik-Branche zusätzlich beschleunigt. Digitale Versorgungslösungen und Kommunikationsformate sind bereits der neue Standard“, erzählt Andreas Goppelt, CTO der Ottobock Firmengruppe und Geschäftsführer von Ottobock Österreich. Ein Beispiel ist das „Cockpit Connect“-Webportal: Orthopädietechniker können sich online mit Trägern von Prothesen verbinden und aus der Ferne in Echtzeit auf die Aktivitätsdaten und den Status der Prothesen zugreifen. So lassen sich ohne einen persönlichen Termin zum Beispiel bestimmte Einstellungen optimieren. Der Plan für die nähere Zukunft? „Wir forschen weiter an Technologien wie künstlicher Intelligenz und Human-MachineInterfaces“, so Goppelt. Bis 2022 will Ottobock 50 Millionen Euro in den Bereich Digitalisierung investieren.
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„Als Technologie- und Innovationsführer treiben wir die digitale Transformation in der Branche weiter voran, um Menschen weltweit Lebensqualität zurückzugeben.“
Dr. Andreas Goppelt, Ottobock
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Flächendeckende
Sauberkeit
Attensam. Gleich zu Beginn der Pandemie wurde die Reinigungsbranche als systemrelevant eingestuft. Die Hausbetreuung
Attensam GmbH konnte dadurch ihre Arbeit, wenn auch eingeschränkt, fortführen. „In der Büroreinigung gab es zwar einen kleinen Rückgang, das wurde aber durch zusätzliche Aufträge in der Desinfektion abgefedert“, berichtet Geschäftsführer Oliver
Attensam. Er geht davon aus, dass die Normalität 2021 wieder ein Stück zurückkehrt und die Wirtschaft mit ihrer Erholung beginnen kann. „Heuer wollen wir wieder einige neue Projekte in Angriff nehmen: Attensam wird seine Expansion in den Bundesländern fortsetzen. Bald werden wir einen neuen Standort in Oberösterreich eröffnen. Damit setzen wir den nächsten Schritt, um unser nahezu fächendeckendes Filialnetz in Österreich weiter zu optimieren. Damit können wir noch näher an und schneller bei unseren Kunden sein.“
Frage und Antwort
Marketagent. In unsicheren Zeiten ist der Informationsbedarf hoch und Marktforschung boomt? „So kitschig rosa ist es leider nicht, da wir in der Regel am Marketing-Budget hängen und viele Unternehmen aktuell sehr vorsichtig sind“, erklärt MarketagentGeschäftsführer Thomas Schwabl. „Deshalb sind wir dankbar, dass wir ohne grobe Einbußen durch die Krise rutschen und niemanden in Kurzarbeit schicken müssen. Wir sind aber nach wie vor sehr hemdsärmelig und steuern unser Schiff ohne Budgetierung und Forecasts. Wir stellen uns der jeweiligen Situation, sind aber zuversichtlich, dass auch 2021 ein gutes Jahr wird.“ Dass die Herausforderungen der Pandemie bisher so gut gemeistert werden konnten, hängt am Kurs, den das Markt- und Meinungsforschungsinstitut seit Jahren fährt: klare Positionierung, stetige Internationalisierung sowie Digitalisierung ohne Wenn und Aber. „Wir waren die Ersten, die Online-Forschung ernsthaft in Österreich etabliert haben“, sagt Schwabl.