Schauspielhaus Zürich - Journal #8

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journal

Schauspielhaus Zürich

April 2016

Die Schwelle des Erzählens – Carolin Emcke im Gespräch

Die Macht des Zitats – René Polleschs neues Stück im Pfauen Der Blick der Anderen – Bastian Kraft über Max Frischs „Andorra“


Welche Rolle spielt Engagement?

Nur wer hinter den Kulissen starke Partner hat, kann auf der B端hne gl辰nzen. Deshalb unterst端tzen wir das Schauspielhaus Z端rich seit dem Jahr 2000 als Partner.

credit-suisse.com/sponsoring


Verkürzungsexzesse

Editorial

von Barbara Frey

„Das dort sind schlimme Menschen!“, ruft Donald Trump bei Wahlveranstaltungen in Richtung der anwesenden Pressevertreter und das reicht ihm und seinen Fans aus als Beschreibung des Journalismus, von dem er umgekehrt unablässig profitiert. „Viele Journalisten arbeiten mit Verkürzungen. Darunter leidet der Wahrheitsgehalt“, verkündet AfD-Chefin Frauke Petry in einem Interview mit einer Schweizer Zeitung. Als es in dem Gespräch im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik um die Frage geht, ob auch Syrer unter den Menschen sein sollten, die man „zurückschaffen“ müsse, antwortet Petry: „Ja natürlich! Es gibt auch in Syrien sichere Regionen. Und nicht nur dort. Auch im Irak.“ Petry, die in ihrer Partei „Überschneidungen“ mit der hiesigen SVP sieht, scheint die Welt wie ihre Westentasche zu kennen, offenbar auch die Krisenregionen. Ihr launiges Wegpalavern von komplexen Zusammenhängen entspricht perfekt den „Verkürzungen“, die sie Journalisten vorwirft, aber das ist ihr egal, es kommt ja gut an, wie der Erfolg der AfD zeigt. Das wohlfeile Dauergeschwätz des Rechtspopulismus ist deshalb so gefährlich, weil es die Möglichkeiten der Sprache bewusst unterläuft und das Sprechen (und damit die Argumentation) aufs Schmerzhafteste reduziert – um dabei zu suggerieren, das Reduzierte, das Simple sei das Aufrichtige, Rechtschaffene, das Authentische. Die Apotheose des sprachlichen Stammtisches ist der – vermeintliche – Sieg über die auch hierzulande vielgeschmähten „Eliten“, zu denen immer gerade jene gehören, die den Stammtisch argumentativ präzise herausfordern. Elfriede Jelineks literarisches Verfahren, auch in ihrem jüngst erschienenen Text „Europas Wehr. Jetzt staut es sich aber sehr!“, der als „Epilog auf dem Boden“ zu ihren „Schutzbefohlenen“ gehört, benutzt die künstliche Stammtischgemütlichkeit und treibt die sprachliche und inhaltliche Entgleisung voran, indem sie ihrem Redefluss einen immer wieder auftauchenden kumpelhaften Ton verleiht, eine pseudo-integrative Geste, die etwas horrorartig Unbekümmertes hat,

obwohl es unablässig um die Flüchtlingskatastrophe geht, um die Gleichgültigkeit der Wohlstandsländer und die Unfähigkeit der Politik. Alles schwatzt, rumort und schwadroniert durcheinander und miteinander; es entsteht ein böse-infantiler Eintopf aus Philosophie, Geistesgeschichte, Werbeslogans, Medienraunen, Alltagsweisheiten, volkstümlichem Gemecker und weltfremden Lösungsvorschlägen. Aber der Mythos mit seiner Erzählung über die Entrechteten und Heimatlosen leuchtet immer darunter hervor; er ist nicht totzukriegen. Damit überführt Jelinek das heimelige Daherplappern in ein unheimliches Raunen, so, als hätte man es mit einem orakelnden Perpetuum Mobile zu tun, mit einer Sprechquelle, die tief in der Vergangenheit entsprungen ist und die permanent weiterquillt, weil immer noch nach Lösungen für die drängenden Probleme der Welt gesucht werden muss, obwohl die sprachliche Analysefähigkeit – und damit die Fähigkeit zur Verantwortung – der durcheinander sprechenden Subjekte im Chaos von Wohlstand, Überfluss, Krieg, Unterdrückung und Flucht längst verloren gegangen ist. „Das Schicksal sagt: rufen Sie mich nicht an, ich rufe Sie an!“ Womit hat man es hier zu tun? Wenn die Götter verschwunden sind, ist das Schicksal ein freundliches Vermittlungsbüro, eine Anlaufstelle für Jobsuchende. Aber wenn der Anruf des Schicksals kommt, wird es schwierig, herauszuhören, ob man es mit einem Küchengerät, einem Automobil oder dem Fatum eines Menschenlebens, notfalls seines eigenen, zu tun hat. „ ... wenn Sie ein noch funktionsfähiges Geschick haben, werfen Sie es nicht voreilig weg, auch wenn es unterwegs nass und schmutzig geworden ist, womöglich ist das neue ja noch schlechter!“ Ein absurder Werbespruch aus der Schrotthalde des Kapitalismus als Hilfsangebot für die Notleidenden. Jelineks Partitur entlarvt in „Europas Wehr“ eine durch Simplifizierungs- und Verkürzungsexzesse auf den Hund gekommene Sprache, die niemandem hilft, weil sie nichts mehr ausrichten kann. Gleichzeitig parodiert sie das unbekümmert-mitleidlose Drauflospalaver der Mächtigen oder allmählich an die Macht Drängenden und enthüllt damit, was diese in ihrer politischen Sendung durch vermeintliche „Volksnähe“ und Heimatliebe permanent zu verschleiern versuchen: Die Fratze des Inhumanen.

Titelbild von Büro Destruct

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Inhaltsverzeichnis

03 Editorial Gespräch mit 06 Im Publizistin Carolin Emcke �3 Kolumne Stefan Zweifel zu „Wer hat Angst �4 Notizen vor Hugo Wolf?“ die Entstehung von �6 Über „Bühne frei für Mick Levčik!“ Bastian Kraft �8 Regisseur über „Andorra“ Szene – Schauspieler 20 In Klaus Brömmelmeier über seinen Kollegen Matthias Neukirch

aus 22 Vorabdruck „Der thermale Widerstand“ von Ferdinand Schmalz

24 Programmvorschau Festspiele Zürich Theater mit Autor 28 Ins Thomas Meyer Häusermanns 3� Ruedi Einbildungen mit Lichtdesigner 32 Schicht Rainer Küng

35 Szenen aus dem Repertoire 39 Programmvorschau Festival Blickfelder Produktion 40 Zur „Shut up“ des Jungen Schauspielhauses

Foto: Patrick Tombola

4� Kolumne Theater Campus leben mit … 42 Besser Impressum

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In digitalen, bildlastigen Zeiten, in denen es selbstverständlich scheint, das Erlebte festzuhalten und mitzuteilen, noch bevor es eigentlich erfahren ist – ob es sich um den Bürgerkrieg in Syrien, den arabischen Frühling oder den Börsengang von Facebook handelt – droht die selbstkritische Skepsis, ob es auch Erlebnisse gibt, die sich nicht gar so leicht erzählen lassen, zu verschwinden.“ aus „Weil es sagbar ist“ von Carolin Emcke

Ein Interview mit Carolin Emcke von Amely Haag und Karolin Trachte

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Im Mai wird Elfriede Jelineks Text „Die Schutzbefohlenen“ als gemeinsames Projekt von sechs Zürcher Theatern aufgeführt. Der Text handelt von den verheerenden Bedingungen, unter denen so viele Menschen derzeit ihre Heimat verlassen müssen, sowie den gefährlichen Fluchtrouten Richtung Europa. Die Theatermacher der sechs teilnehmenden Theater beschäftigen sich unter anderem, wie auch Elfriede Jelinek selbst, mit der Frage, welche Rolle die Sprache und Für-Sprache spielen, wenn Autoren oder Berichterstatter von humanitären Katastrophen wie dem Bürgerkrieg in Syrien oder der Situation der Flüchtlinge berichten. Carolin Emcke war selbst als Reporterin in vielen Krisengebieten; sie ist Autorin des Buches „Weil es sagbar ist. Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit“ sowie Kolumnistin bei der Süddeutschen Zeitung.


DIE SCHWELLEN DES ERZÄHLENS

Carolin Emcke, Sie reisen seit Jahren in die Krisen- und Kriegsgebiete in der ganzen Welt und stellen sich der Herausforderung, als Zeugin dieser gewalttätigen und gewaltigen Konflikte in deutschen Medien zu berichten. Von diesen Orten und ungeheuren Erlebnissen zu berichten ist nicht leicht, Sie plädieren für ein „Erzählen trotz allem“. Nun, zurzeit reise ich gar nicht, sondern sitze an meinem Schreibtisch in Berlin, um an einem neuen Buchprojekt zu schreiben. Aber die Frage der Zeugenschaft von extremer Entrechtung und Gewalt befasst mich immer noch. Die Forderung nach dem „Erzählen trotz allem“ lässt sich nur vor dem Hintergrund der Rede vom „Unaussprechlichen“ verstehen. Vielfach werden die Erfahrungen von Gewalt als „unaussprechlich“ deklariert. Dabei ist es jedoch wichtig, zu schauen, wer da vom „Unaussprechlichen“ spricht und was damit gemeint sein kann. Da gibt es zunächst einmal

die Opfer von Gewalt, Männer oder Frauen, die misshandelt, gefoltert und gequält wurden, denen ihr Land, ihre Heimat, ihre Individualität, ihre Menschlichkeit geraubt wurde, die vertrieben und verfolgt wurden und dadurch leider auch oftmals das Vertrauen in andere verloren haben. Wer über einen sehr langen Zeitraum in der eigenen Subjektivität negiert wurde, der oder die verliert irgendwann das, was Jean Améry einmal das „Weltvertrauen“ genannt hat: das Vertrauen, nicht geschlagen zu werden, aber auch das Vertrauen, das jemand einem zuhören, jemand einen als Gesprächspartner überhaupt anerkennen würde. Insofern hat die Erfahrung von Entrechtung und Gewalt auch immer sprachliche Folgen. Nicht, weil die Opfer von Gewalt nicht mehr sprechen könnten, sondern weil sie oftmals kein Zutrauen haben, dass jemand ihnen wirklich zuhören und glauben könnte. Hinzu kommt das Problem, dass extreme Entrechtung und Gewalt eine mora- → 7


Vierzehn Jahre, in denen ich vor Frauen mit blauen Lippen sass und vor erstarrten Männern, in Flüchtlingslagern oder Verstecken, in Gefängnissen oder Wellblechhütten, am Wegesrand oder auf den Ladeflächen von Traktoranhängern, eingesperrt oder ausgesperrt, vertrieben oder verloren, und versuchte zu verstehen, was ihnen widerfahren war.“ aus „Weil es sagbar ist“ von Carolin Emcke

lische Anomalie darstellen, die in ein bis dahin vertrautes und verstandenes Leben einbricht und alles bisher Bekannte umstürzt. Sie unterbricht ein Leben, eine Existenz, eine Biografie. Für die Überlebenden stellt sich danach die Frage, als wer sie davon sprechen sollen. Wer einmal wie ein Tier leben musste, wer behandelt wurde wie ein Tier – wer will davon schon gern erzählen? Die Scham über das Erlittene, der Kummer über die durchlittenen Qualen, womöglich auch das Stigma, das mit bestimmten Misshandlungen gekoppelt ist, lässt viele Überlebende zögern, wem und wie sie erzählen. Das gilt insbesondere für vergewaltigte Frauen oder Männer, aber auch für Überlebende der Shoah. Ruth Klüger schrieb einmal über ihre Zeit in Theresienstadt und ihr Unbehagen, darüber in bestimmten Kontexten zu sprechen – „Wer will schon Ameise gewesen sein“. Aber für das „Erzählen trotz allem“ ist es wichtig, zu verstehen, dass das Auslöschen von Menschen als sprachliche Wesen, als Individuen, die eine Geschichte, die ihre Geschichte erzählen können, genau das ist, was diejenigen, die Gewalt ausüben, wollen. Sie wollen, dass ihre Opfer zum Schweigen verdammt sind, sie wollen, dass ein Individuum, eine ganze Gruppe, eine Religion spurlos verschwindet. An dieser Stelle verknüpft sich die Rolle des Erzählers, der Zeugenschaft, mit der Frage der Gerechtigkeit. Nur wenn erzählt werden kann, können auch die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Nur wenn erzählt werden kann, erhalten die, die verstummen sollten, wieder eine Stimme, werden sichtbar als Menschen mit einem Antlitz. Insofern verstehe ich es als meine Aufgabe als Publizistin, die Bedingungen dafür herzu8

Der australisch-italienische Fotojournalist Patrick Tombola arbeitet vor allem in Lateinamerika, Europa und im Mittleren Osten an fotografischen Langzeitprojekten, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde. Seine Reportagen erscheinen in Magazinen wie Time Magazine, Stern, Die Zeit oder The Economist. Für Tombola sind Video und Foto sowohl Massenkommunikationsmittel wie auch Medium höchst persönlicher Introspektiven. Diese Aufnahme eines verlassenen Rummelplatzes machte er 2012 in der Stadt Afrin, Syrien, wo trotz der relativ sicheren Verhältnisse in den kurdischen Gebieten Kinder aus Angst vor Bombenangriffen der syrischen Regierungstruppen meist das Haus nicht verlassen durften.

stellen, dass Menschen, die extreme Entrechtung und Gewalt erleiden mussten, sich zu erzählen trauen, dass sie glauben, dass ich da vor ihnen sitzen bleibe, dass ich nicht weglaufe, dass ich es aushalte, dass ich die Geduld habe, mir auch all die Strukturen und Details der Gewalt erklären zu lassen, dass ich mich vor allem nicht wundere, wenn sie springen, rückwärts erzählen, wenn sie abbrechen, stocken, neu ansetzen, dass ich verstehe, dass diese Diskontinuitäten im Erzählen möglicherweise eine sehr präzise Beschreibung der Erfahrung des Einbrechens von Gewalt sein könnten. Und dazu gehört, dass ich es nicht als „Unaussprechliches“


Im Gespräch mit Carolin Emcke

DIE SCHUTZBEFOHLENEN von Elfriede Jelinek Sechs Stationen zu Flucht und Grenzen Ein gemeinsames Projekt von Gessnerallee Zürich, Junges Schauspielhaus Zürich, Rote Fabrik, Schauspielhaus Zürich, Theater Neumarkt, Theater Winkelwiese. In Zusammenarbeit mit dem Opernhaus Zürich

abtue. Mir geht es darum, dass eine Gesellschaft sich um diese Geschichte auch bemüht, dass sie nicht einfach – wohlmeinend vielleicht – das, was belastend, traurig, brutal oder erschreckend klingt, als „unaussprechlich“ tituliert – und damit aber die Opfer von Gewalt allein lässt. Das „Erzählen trotz allem“ verweist insofern auf all die Schwellen des Erzählens, all die emotionalen, psychischen, sozialen Hindernisse, die sich auftun beim Erzählen grauenhafter eigener Erfahrungen, aber plädiert trotzdem dafür, es zu versuchen. Als Publizistin, die nicht selber Opfer von Gewalt geworden ist, die nur von den Erfahrungen anderer zu schreiben hat, kommt es darauf an, behutsam mit diesen Erzählungen umzugehen und darüber nachzudenken, wie sie sich so übersetzen und erzählen lassen, dass sie von Lesern, die sie sich nicht vorstellen können oder nicht vorstellen wollen, trotzdem verstanden und aufgenommen werden.

Foto: Patrick Tombola

Sie reisen in gefährliche Gebiete mit unübersichtlichen Konfliktsituationen zwischen bewaffneten Gruppen, an Orte an denen man sich fremden Menschen anvertrauen muss und nie weiss, wer einen beschützt, wer einen möglicherweise bedrohen mag, an Orte, wo man vielleicht gerade als westliche Frau besonders auffällt. Wie gehen Sie mit Ihrer eigenen Angst um? Angst ist nichts Rationales. Sie lässt sich nicht leicht begründen oder in Frage stellen. Zunächst einmal kommt sie wie etwas Unverfügbares daher. Mit der Zeit lassen sich zwar auch Ängste überprüfen oder auch abfedern, aber eine gewisse Disposition ist zunächst einmal gegeben. Mir machen unbekannte Menschen oder Gegenden keine

Angst. Mir macht es auch keine Angst, mich anderen anvertrauen zu müssen oder mich, in gewisser Hinsicht, tatsächlich in ihre Hände zu begeben. Ich laufe mit einem hohen Mass an Grundvertrauen durch die Gegend und bislang musste ich es auch noch nie bereuen. In stark muslimisch geprägten Kontexten, in denen Frauen verschleiert sind, werde ich – wenn ich unverschleiert bin – gar nicht sofort als Frau erkannt. Die nehmen einen Menschen mit Hose und ohne Schleier wahr, mit kurzen Haaren – und dann gehen sie davon aus, dass ich ein Junge sei. Allerdings löst sich das Missverständnis sofort auf, wenn ich mit jemandem spreche – dann bin ich anscheinend sofort als Frau erkennbar. Allerdings als eine, die eben komisch angezogen ist. Das führt allerdings eher zu Neugierde und mitunter erfrischend offenen Gesprächen. Ich bleibe natürlich eine Aussenseiterin, eine reisende Frau, die Fragen stellt und schreibt. Aber das verfliegt schnell, wenn Menschen merken, dass man sich für sie interessiert, dass man zuhören möchte, sie ernst nimmt und mit Respekt behandelt. Das Gefühl, das für mich viel dominanter ist auf solchen Reisen, ist das der Dankbarkeit. Natürlich gab es auch manchmal brenzlige Situationen, es gab auch akute Gefahren, aber wirklich weniger oft, als man sich das hier so vorstellt. Mich hat ja immer mehr das Leben von Zivilistinnen und Zivilisten interessiert als das von Militärs. Insofern gab es selten Momente der richtigen Panik oder Angst. Viel wichtiger ist auf diesen Reisen, wie sehr einen diese Gastfreundschaft, die ungeheure Grosszügigkeit von Menschen, die nichts oder wenig haben, beschämt und beeindruckt. Es ist viel ausschlaggebender, wie sehr man beschenkt wird durch die Selbstverständlichkeit, mit der einen wildfremde Menschen zum →

Elfriede Jelinek verfasst seit 2012 ihr Stück „Die Schutzbefohlenen“, das einem monumentalen Klagechor eine Stimme verleiht, motivisch angelehnt an das älteste Flüchtlingsdrama der Welt, das über 2000 Jahre alte „Die Schutzflehenden“ von Aischylos. Jelinek schreibt den Text bis heute kontinuierlich fort. Erstmalig haben sich sechs Zürcher Theater zusammengetan, haben den Text der Autorin und die gesellschaftliche Dimension des Themas befragt und bearbeitet – und für die Bühne umgesetzt. Die Ergebnisse der unterschiedlichen ästhetischen und politischen Zugriffe präsentieren sie in einer „langen Nacht“. Die Zuschauer können auf einem mehrstündigen Weg durch die ganze Stadt die unterschiedlichen Beiträge erleben, dabei alle sechs Theater kennenlernen und den Abend in der Roten Fabrik mit einem vielfältigen Abschlussprogramm ausklingen lassen. Es inszenieren die Regisseurin Barbara Frey mit dem Schlagzeuger Fritz Hauser, die Autorin und Regisseurin Ivna Žic und der Schriftsteller Peter Waterhouse, der Regisseur und Videokünstler Tim Zulauf, die KünstlerInnen Timo Krstin und Miriam Walther Kohn, die schwedischen Künstler Markus Öhrn und Pär Thörn, Regisseur Daniel Kuschewski sowie Tobias Bühlmann mit der Gruppe asuperheroscape.

Nur am 21. Mai, 17:00–01:00 Unterstützt vom Lotteriefonds des Kantons Zürich und von Migros Kulturprozent, Transportpartner VBZ

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Im Gespräch mit Carolin Emcke

Tee, zum Gespräch, zum Essen einladen. Die Menschen erzählen Ihnen ihre Geschichten häufig mit dem Wunsch, dass Sie sie aufschreiben, weitererzählen. Ähnlich wie Elfriede Jelinek in ihrem Text „Die Schutzbefohlenen“ verleihen Sie Menschen eine Stimme, die in unserer Gesellschaft nicht zu Wort kommen. Ja. Wobei diese Vorstellung des „eine Stimme Leihens“ immer riskant ist. Das kann auch paternalistisch klingen. Als ob diese Menschen nicht selber sprechen könnten. Oder als ob das so einfach ginge: die Positionen einer anderen einnehmen. Das wäre auch ethisch wie politisch fahrlässig. Mir ist es wichtig, andere Stimmen, andere Figuren, andere Perspektiven, andere Erfahrungen, die sonst tabuisiert werden, die sonst überhört werden, hörbar zu machen. Die, die sonst am Rand stehen, sollen nicht nur ins Zentrum gerückt werden, sondern die Vorstellungen von Zentrum und Peripherie insgesamt sollen etwas unterwandert werden. Die Blickregime, die Erzählregime sollen in Frage gestellt werden.

Erst mit der Zeit begann ich zu ahnen, dass sie mich nicht allein darum baten ihre Geschichten aufzuschreiben, weil sie das Unrecht und das Leid, das ihnen widerfahren war, bestätigt und erinnert wissen wollten, sondern auch, weil sie als Person bestätigt und vergewissert werden wollten, die sie waren, bevor ihnen all das widerfuhr: jemand, die es wert ist, wahrgenommen zu werden, als Individuum, als menschliches Subjekt.“ aus „Weil es sagbar ist“ von Carolin Emcke 10

Aber mir ist es wichtig, dabei sichtbar zu machen, wer da schreibt. Deswegen suche ich immer wieder verschiedene Formen: Reportagen, subjektive Essays, Briefe, Tagebücher – unterschiedliche Formate, in denen auch meine eigene Position als eben subjektive Zeugin eine Rolle spielt, als jemand, die sich irren kann, die auch manchmal überfordert ist, die müde ist oder selbst in Gefahr. All diese Situierungen des eigenen Erzählens sollen auch aufscheinen dürfen. Nicht, weil sich jemand für mich interessieren sollte. Sondern weil ich denke, dass man den Leserinnen und Lesern ehrlicher gegenübertreten muss. Es sollte transparent sein, wer da schreibt und was möglicherweise durch diese Reise, diesen Blick nicht zu verstehen war. Was allerdings stimmt und auch wichtig ist: wieder und wieder bitten einen Menschen: „Schreibst du das auf?“. Damit ist keineswegs irgendein praktischer Wunsch verbunden, dass Hilfstransporter kämen oder etwas Ähnliches. Es geht wirklich um etwas ganz Existenzielles: nicht vergessen zu werden, nicht negiert zu werden, als Subjekt, als ein menschliches Wesen bestätigt zu werden. Als ein Individuum des globalen „Wir“. Als jemand, dem so etwas nicht angetan werden darf. Das ist für die Menschen um ihrer selbst willen wichtig, aber auch für all die, die nicht überlebt haben, an die sie erinnert wissen wollen. Es ist eine doppelte Pflicht: die, die mir erzählen, erinnern an das, was geschehen ist, was ihnen und anderen angetan wurde, und darin erfüllen sie die Aufgabe der Zeugenschaft, die für sie in ihr eigenes Überleben eingeschrieben ist. Und zugleich übergeben sie mir mit ihrem Vertrauen in mich eben auch die ethische und auch ästhetische Pflicht, es weiterzuerzählen. In der Schweiz kam vor einigen Wochen mit der „Durchsetzungsinitiative“ ein Verfassungsparagraf zur Volksabstimmung, der direkt der EU-Menschenrechtskonvention widerspricht: die Ausweisung von kriminellen


CAROLIN EMCKE studierte Philosophie, Politik und Geschichte in London, Frankfurt am Main und Harvard und promovierte über den Begriff „kollektive Identitäten“. Als Auslandredakteurin war sie unter anderem für den „Spiegel“ in vielen Krisengebieten unterwegs (Afghanistan, Pakistan, Kosovo, Irak, Kolumbien, Libanon und andere). 2003/2004 war Carolin Emcke Visiting Lecturer für Politische Theorie an der Yale University mit Seminaren über „Theorien der Gewalt“ und „Zeugenschaft von Kriegsverbrechen“. Seit der Spielzeit 2004/2005 ist sie Moderatorin der monatlichen Diskussionsveranstaltung „Streitraum“ an der Schaubühne Berlin. Seit 2007 arbeitet Carolin Emcke als Publizistin und internationale Reporterin unter anderem in Israel, Westbank, Pakistan, Ägypten, Irak, USA. Sie ist Kolumnistin der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung. Ihr neues Buch „Gegen den Hass“ erscheint im Herbst 2016 beim S. Fischer Verlag.

WORTE UND WIRKUNG – SPRACHE UND MACHT Podiumsgespräch mit dem Schriftsteller Adolf Muschg, Moderation Daniel Binswanger Gratisanwälte, Willkommenskultur, Überfremdung – mit welcher Sprache wir in Alltag und Literatur von Migration, Ausgrenzung und gesellschaftlichem Wandel sprechen, prägt demokratische und künstlerische Prozesse gleichermassen. Am Vorabend von Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ diskutiert Adolf Muschg mit Daniel Binswanger und weiteren Gästen vor dem Hintergrund der bevorstehenden Abstimmung zur Asylrechtsrevision über Integration, zivilgesellschaftliches Engagement und die Macht der Sprache in der gegenwärtigen politischen Debatte.

Foto: Andreas Labes

20. Mai, Pfauen, 20:00

Ausländern schon bei Bagatelldelikten wäre zu einem Automatismus geworden, der den Richtern keinen Spielraum mehr lässt. Tolerieren wir derzeit in Europa zu viel Intoleranz – statt uns angesichts der ankommenden Flüchtlinge gerade auf die demokratischen Grundwerte Europas zu besinnen? Ich finde schon den Toleranzbegriff selbst recht ambivalent. Toleranz ist immer Toleranz von etwas, das man eigentlich ablehnt. Es hat so einen gönnerhaften Klang. „Ich toleriere dich“ heisst: „Ich lasse mich herab, deine – mir eigentlich widerlichen – Eigenschaften oder Überzeugungen auszuhalten.“ Ich glaube, in Europa braucht es schlicht und ergreifend die Orientierung an den Normen und Gesetzen, die uns die Genfer Flüchtlingskonvention und das Recht auf Asyl vorgeben. Es wäre schon viel, wenn es dafür etwas mehr Respekt gäbe. Das sind ja nicht bloss „Werte“, die man dann wieder in Frage stellen kann, sondern das sind verbriefte Konventionen und Gesetze. Es sind doch nicht die Flüchtlinge, die die Werte Europas in Frage stellen. Die allermeisten von ihnen fliehen vor einem Bürgerkrieg, sie fliehen vor einer Ordnung des Terrors, die gerade keine Gewaltentrennung,

keine Religionsfreiheit, keine rechtsstaatlichen Garantien kennt (ob sie vor Assad oder vor dem IS fliehen). Sie wollen nach Europa, weil Europa genau das verspricht: eine freie, offene Gesellschaft, in der sie und ihre Kinder leben und arbeiten dürfen. Gibt es welche darunter, die die konkrete Ausübung der Freiheit überfordert? Ja. Gibt es unter einer Million Flüchtlingen auch welche, die keine Arbeit finden werden oder wollen? Ja, aber die gibt es unter den nicht zugezogenen Europäern auch. Diejenigen, die nicht nur die Werte, sondern auch die Gesetze in Frage stellen, sind vielfach die rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Bewegungen. Die machen mir sehr viel mehr Sorgen, die stellen mit ihrem völkischen Fundamentalismus die Werte der selbstkritischen Aufklärung in Frage.

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DREI JAHRZEHNTE ZWEI NATIONEN EINE LIEBE

ZVIZDAN –

MITTAGSSONNE

Ein Film von Dalibor Matanic´

Ab 31. März im Kino

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FLUCHTWEGE DER FANTASIE von Stefan Zweifel

Auf allen Kanälen wird derzeit so ziemlich jeder Roman, der das Leben in Syrien oder einen Grenzübergang schildert, zum hohen Kunstwerk erhoben, auch wenn die literarische Darstellung noch so rückständig ist. Wenn es aber nur um den Inhalt geht, dann liest man lieber ein Sachbuch – oder Reportagen wie Navid Kermanis „Einbruch der Wirklichkeit“ (2016). Vor lauter Aktualitätsfuror vergisst man jene Autoren, die die Erfahrung der Vertreibung nicht nur inhaltlich, sondern auch formal bewältigten. Darunter etwa das unscheinbare Büchlein „Ellis Island“ von Georges Perec, dessen ganzes Werk ein Fluchtweg der Fantasie vor dem Trauma der Vertreibung und des Verlustes seiner Mutter ist. Bis zu 10 000 Flüchtlinge pro Tag wurden durch Ellis Island geschleust, eine kleine Insel vor New York, ab 1892 quasi eine Fabrik, in der aus Fremden Einheimische gemacht wurden, aus Europäern Amerikaner. „Für alle getretenen, unterdrückten, geknechteten, versklavten, hingeschlachteten Völker, für alle ausgebeuteten, ausgehungerten, von Epidemien heimgesuchten, durch Jahre des Mangels und der Hungersnot dezimierten Klassen zeichnete sich auf einmal ein gelobtes Land ab: Amerika, ein jungfräuliches Land, allen offenstehend, wo die Verdammten des alten Kontinents die Pioniere einer neuen Welt werden können.“ Der französische Extremst-Experimentalautor hatte zu dem Zeitpunkt bereits einen Kriminalroman geschrieben, in dem nicht die Spur des Mörders fehlte, sondern die Spur eines Buchstabens: E. Er schrieb den Krimi nämlich ohne ein einziges E; der Leser wurde so zum Detektiv. Nun aber untersuchte er das Auswahlverfahren auf Ellis Island und fahndete nach all den Es,

die es nicht ins neue Buch des Lebens, ins ABC der USA, schafften. „Ellis Island ist für mich der eigentliche Ort des Exils, etwas Ungestaltes, an der Grenze des Sagbaren, etwas, das ich Umzäunung nennen kann oder Spaltung oder Einschnitt und das für mich sehr eng und sehr vage mit der Tatsache verbunden ist, Jude zu sein.“ Das Buch zeigt heute, wie unsere europäischen Vorfahren sich hoffend unter die Einwanderer einreihten. Für Perec aber war es die Suche nach seiner verlorenen Kindheit, seiner verlorenen Mutter, die er 1943 ein letztes Mal am Bahnsteig in Paris gesehen hatte. Perec transponierte in „W oder die Kindheitserinnerung“ ihre Deportation in Visionen einer Insel, auf der man Olympiaden mit seltsamen Disziplinen abhielt, um die brutale „Auslese“ als Spiel zu tarnen – weit erschütternder als alle „hunger games“ aus „Panem“. Das fehlende W taucht dann wieder auf: 1978 krönte Perec sein mathematisch-verrücktes Lebenswerk mit „Das Leben. Eine Gebrauchsanweisung.“ Für jedes Kapitel hat Perec, wie man erst später in seinem Nachlass herausfand, lange Listen mit Regelzwängen erstellt. Listen mit 42 Wörtern, Themen, Zitaten aus der Weltliteratur, die er so im jeweiligen Kapitel unterbringen musste, dass der Leser es nicht bemerkt. Das geheime Zentrum des Romans ist ein Besessener, der alle Häfen der Welt malt, die Bilder zu Puzzles verarbeiten lässt und in 20-jähriger Arbeit wieder zusammensetzt, bevor er sie im Wasser der jeweiligen Häfen versenkt und so die Farbe auswischt. Über dem letzten Puzzle stirbt er. Man findet seine Leiche mit einem Puzzleteil in der Hand. Es hat die Form W. Das leere Feld aber ist ein X. Man hielt das Werk für die Ausgeburt einer durchgeknallten Fantasie, dabei war es eine Art bürokratische Meisterleistung. Als man Perecs Regellisten fand, stiess man wieder auf sein Trauma: Immer ein Wort oder Zitat war nicht abgehakt, sondern mit einem „M“ versehen. „Manque“. Es fehlt. Ort des Mangels. Lücke der Mutter. Kaum jemand hat die Erfahrung der Vertreibung auf so vielfältige Weise variiert und in Kunst verwandelt wie Georges Perec. Bei ihm ist jede poetische Entscheidung auch eine politische Entscheidung, jeder Buchstabe, ob E oder W, X oder M, der Schattenriss des Exils. Und er wusste, dass man nicht mit Mitteln des bürgerlichen Romans aus dem 19. Jahrhundert, der zurzeit die arabische „Globalgegenwartsprosa“ beherrscht, die Welt des Jetzt zeichnen kann.

Stefan Zweifel führt am Schauspielhaus die Reihe „Zweifels Zwiegespräche“. Als nächstes ist im Rahmen der Festspiele Zürich die Kuratorin und Kunstwissenschaftlerin Bice Curiger bei ihm zu Gast. Sie war 20 Jahre am Kunsthaus Zürich tätig, 2011 war sie Kuratorin der Biennale in Venedig, heute leitet sie die Fondation Vincent van Gogh in Arles. Der lokale Geist Zürichs und das Wunder einer Generation von Künstlern und Kuratoren, die von hier in die Welt ausritten und auf internationalem Parkett tanzten, begeistern sie. Stefan Zweifel reitet mit ihr im Gespräch durch Zürichs Avantgarde-Geschichte ins Herz des Hier und Jetzt.

ZWEIFELS ZWIEGESPRÄCHE MIT BICE CURIGER 15. Juni, Schiffbau/Box, 20:00

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Wer hat Angst vor Vandalismus? Der erste Liederabend von Herbert Fritsch

die Adaptionsfähigkeit des Auges wird be-

der Bilder lösten wiederum überregional

ist visuell inspiriert von Barnett Newmans

wusst überfordert –, hat zu Staunen,

eine Debatte über Vandalismus aus, die

Kunstwerk „Who’s afraid of red, yellow and

Erregung, Erschütterung, Überwältigung und

andere Künstler inspirierte.

blue?“ aus dem Jahr 1966. Dieses über-

sogar zu schweren Beschädigungen durch

„Ich bin ein Mensch, der in allem nur

dimensional grosse, antikompositionelle

Messerstiche im Amsterdamer Stedelijk

nach Impulsen handelt und wenn sich in

Ölgemälde, von dem Newman drei weitere

Museum geführt. In Berlin erhielt der Direk-

mir die gehörige Menge Elektrizität ange-

Versionen malte und bezüglich dessen er

tor der Nationalgalerie Morddrohungen

sammelt hat, geschieht etwas“, hat der

ausdrücklich gefordert hat, es aus grösster

und „das Werk dieses Anstreicherlehrlings“

österreichisch-slowenische Komponist der

Nähe zu betrachten, um eine physische Er-

wurde ebenfalls tätlich attackiert. Die je-

Spätromantik Hugo Wolf seine Arbeits-

fahrung der Desorientierung zu evozieren –

weils höchst aufwendigen Restaurierungen

weise beschrieben. Seiner Erfahrung nach

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Homage to Barnett Newman „Das Attentat“ © Volker Kühn, www.ar tinboxes.de

liegt „etwas Grausames in der innigen Ver-

tungen Eichendorffs, Mörikes und Goethes trifft?

schmelzung von Poesie und Musik, wobei

Newman bezieht sich in seinem Bildtitel „Wer hat

eigentlich nur der letzteren die grausame Rolle

Angst vor Rot, Gelb und Blau?“ auf den Theater-

zufällt. Die Musik hat entschieden etwas Vam-

titel „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ von

pyrartiges in sich“. „Theater ist immer Oper“,

Edward Albee. Albee wiederum variiert im Grunde

sagt Herbert Fritsch; er unterscheidet nicht

den Titel „Wer hat Angst vorm grossen, bösen

zwischen Sprech- und Musiktheater.

Wolf?“ – eine Komposition von Frank Churchill

Was passiert nun, wenn die antikompositionelle

aus dem Jahr 1932. Herbert Fritsch fragt 84 Jahre

Visualisierung der drei Grundfarben auf die

später mit sieben singenden Frauen: Wer hat

Regie und Bühne Herbert Fritsch Musikalische Leitung Carsten Meyer und Ruth Rosenfeld Mit Hilke Altefrohne, Sofia Elena Borsani, Lisa-Katrina Mayer, Carsten Meyer, Elisa Plüss, Anne Ratte-Polle, Ruth Rosenfeld, Carol Schuler

Liedkompositionen von Hugo Wolf zu den Dich-

Angst vor Hugo Wolf?

Premiere 23. April, Pfauen

Amely Haag

WER HAT ANGST VOR HUGO WOLF ? Ein Liederabend von Herbert Fritsch Uraufführung

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„DIESER SATZ – DU WEISST SCHON WELCHER – HAT GESCHICHTE GEBUNKERT.“ René Polleschs Stücke entstehen parallel zu den Proben, in denn man sich viel Zeit für Gespräche und gemeinsame Lektüre nimmt. Die Texte verfasst Pollesch dann aus der Beschäftigung mit Theorie und dem Bühnenbild, sie enthalten aber auch Zitate, Anekdoten oder Gedanken aus den vorangegangenen Gesprächen. Dabei entstehen Skripte, massgeschneidert für jeden Spieler, die kaum nachgespielt werden können.

von Karolin Trachte

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Am Anfang steht das Gespräch. René Pollesch wie auch die SpielerInnen bringen ein, was sie aus den vorherigen Gesprächen beschäftigt hat – jemand hat einen Film gesehen, eine Zeitungsmeldung oder vielleicht einen Tweet gelesen, der eine Verbindung zum Stoff hat. Der einzige Filter ist das Interesse der Beteiligten. Sophie Rois hat heute ein Antigone-Buch von Judith Butler im Gepäck, das sie in den vergangenen Tagen gelesen hat. Und ein Gedanke hat sie nicht losgelassen: Wenn Jacques Lacan und Hegel „Antigone“ lesen, dann schlussfolgern sie: Sophokles’ „Antigone“ ist die Geschichte zweier widerstrebender Ordnungen, jener der Familie und jener des Staates. Das gehört zum „common sense“ der „Antigone“-Lektüre. Antigone steht für das Prinzip der Familie, weil sie ihren Bruder begraben will. Ihr Onkel Kreon, als Nachrücker soeben König von Theben geworden, steht für den Staat. Er will Antigones Bruder als Verräter unbestattet lassen, weil er sich – Neffe hin oder her – gegen Theben gewandt hat. Sophie Rois geht es wie Judith Butler, die schreibt, sie

sei „auf etwas perverse Art [beeindruckt] von der Blindheit dieser Auslegungen“, weil sie übersehen, dass doch Antigone als Tochter des Ödipus selbst aus einer inzestuösen Beziehung stammt. Sie ist die Schwester ihres Vaters und wird dennoch gelesen als das Sinnbild gesunder Familienverhältnisse? Für die Produktion „Bühne frei für Mick Levčik!“ war ein wichtiger Ausgangspunkt der Bühnenbildentwurf von Bert Neumann, nach dem das Bühnenbild einer „Antigone“-Inszenierung von Bertolt Brecht als Readymade auf die Zürcher Pfauenbühne zurückkehrt. Barbara Steiner setzt das bühnenbildnerische Brecht-NeherZitat von 1948 für Zürich um. Caspar Neher

Neumanns Räume und Polleschs Theater setzen die Unterscheidung zwischen ‚auf der Bühne‘ und ‚jenseits der Bühne‘ ausser Kraft.“


1948

2016

Fotos: Matthias Horn; © Erbengemeinschaft Stoll-Neher

Antigones Sprache ist die des Staates, es ist die männliche Sprache Kreons.“ brach mit diesem Bühnenbild bewusst mit klassischen Ansätzen, die etwa besagten, dass die Mittel des Theaters der Illusion dienen und dass eine Antiken-Inszenierung ohne griechische Säulen undenkbar sei. Brechts Theateridee war ein antiillusionistisches Konzept, das epische Theater war ein Theater des Zeigens statt des Verwandelns. Die wenigen Requisiten und Bühnenmöbel, die Caspar Neher einsetzte, mussten daher „gut gebaut“ sein, sie sollten „schöne Gegenstände“ sein, er wollte, dass sie benutzbar sind. So wie Bert Neumann immer wieder sagte, er ziele darauf ab, dass seine Räume für die Spieler bewohnbar seien – womit die Grenzen zwischen Bühnenund Lebensraum fliessend werden. Neumanns Räume und Polleschs Theater setzen die Unterscheidung zwischen „auf der Bühne“ und „jenseits der Bühne“ ausser Kraft. Die Zeit auf der Bühne wird als Lebenszeit ernst genommen. Wenn in John Cassavetes’ Film „Opening Night“ die Hauptfigur Myrtle Gordon hinter den Kulissen völlig betrunken ist und dann auf der Bühne plötzlich nüchtern, dann heisst das also nicht, dass eines von beidem „authentischer“ ist, sondern dass Myrtle Gordon auf der Bühne etwas leben kann, bei dem

ihr aus irgendeinem Grund hinter den Kulissen der „Boden unter den Füssen weggezogen wird“, beschreibt René Pollesch die Situation. Für sein Theater verfassten Bertolt Brecht und seine Spieler während den Proben sogenannte Brückenverse, Sätze mit denen die Schauspieler beim Proben ihre Handlungen zwischen den Repliken beschrieben. Sie wurden bei den Proben laut mitgesprochen. Pollesch gefällt die Idee, Brecht hier zu benutzen, um das Private, das Handeln im „Off“ zu beschreiben. Das Reden auf und hinter der Bühne unterscheidet sich dann nicht prinzipiell, entscheidend ist, auf welche Sprechkonventionen sich das Sprechen beruft. Wenn wir wieder Antigones Beispiel betrachten, so ist ihr Verdienst kein einfacher Widerstand, nicht einfach Protest. Sie ruft nicht nach Hilfe beim Staat – wer das tut, markiert sein Reden als die Klage des Unterlegenen, denn der Staat legt ja fest, welche Konstruktion „Familie“ heisst und wird von der Konstruktion Familie wechselseitig gestärkt. Antigone ruft nicht nach der Macht des Staates, sondern macht stattdessen seine Mittel zu ihren eigenen. Ihre Sprache ist die des Staates, es ist die männliche Sprache Kreons. Durch ihre Tat gelangt Antigone zu einem sprachlichen Handeln. Und das gelingt ihr nicht, indem sie ihre Sprache mit ihrem „Selbst“ auflädt, ihr Befinden kundtut oder Selbstdarstellung betreibt, sondern indem sie sich an der herrschenden Sprache bedient. Das Originelle an sich hat keine Wirksamkeit – höchstens wenn die Konvention von Originalität eine eigene Wirkung entwickelt. Im Gegenteil, das Originelle wird missverstanden oder überhört. So war der berühmte „Brechtstil“ noch vor Brechts Ankunft in Zürich zu einem Label von politischem Theater auf der Höhe der Zeit geworden – eben jener „Brechtstil“ war aber in Brechts Augen ein grosses Missverständnis. So werden auch Brechts Modellbücher intuitiv als strenge Schablonen verstanden, dabei schrieb Brecht im Vorwort: „Es steht ihm [dem Schauspieler] frei, Abänderungen des Modells zu erfinden, solche nämlich, die das Wirklichkeitsabbild, das er zu geben hat, wahrheitsgetreuer und aufschlussreicher oder artistisch befriedigender machen.“ Und „gerade, dass seine Mängel [des Modells] nach Verbesserungen schreien, sollte die Theater einladen, es zu benutzen“. Und so setzen René Pollesch und die Spieler ihre Arbeit fort, schlagen das kleine schwarze Buch „Antigonemodell 1948“ auf und lesen.

BÜHNE FREI FÜR MICK LEVČIK! von René Pollesch Uraufführung Regie René Pollesch Mit Nils Kahnwald, Sophie Rois, Marie Rosa Tietjen, Jirka Zett und einem Sprechchor Seit 1. April, Pfauen

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DER BLICK DER ANDEREN Max Frisch erzählt in „Andorra“ die Geschichte eines jungen Mannes, Andri, der in dem Glauben aufwächst, er sei ein Jude und Findelkind. Als er schliesslich erfährt, dass er der leibliche Sohn des Lehrers ist, kann er es nicht glauben, weil er das negative, von Vorurteilen geprägte Bild, das die Andorraner von ihm als Jude geprägt haben, verinnerlicht hat. „Andorra“, Max Frischs letztes und erfolgreichstes Stück, wurde 1961 am Schauspielhaus in der Regie von Kurt Hirschfeld und in enger Zusammenarbeit mit dem Autor uraufgeführt. Es wird zum meist gespielten und bedeutendsten Text der Nachkriegszeit. von Regisseur Bastian Kraft

In „Andorra“ geht es ums Anderssein. Jüdischsein ist hier eine Metapher für Anderssein an sich. Die vorgeführten Zuschreibungen vermeintlich jüdischer Eigenschaften – Geiz, Berechnung, Gefühllosigkeit und so weiter – verweisen zwar auf real existierende Vorurteile, werden jedoch aufgegriffen, um das Thema von zugeschriebener und gegebener Identität auf allgemeiner Ebene zu verhandeln. Identität bildet sich in einer Vermischung von gegebenen und angeeigneten Eigenschaften. Insofern stellt sich bei allen Identitätsmerkmalen die Frage: Bin ich das, weil es in mir liegt (in meinen Genen, „in meinem Blut“, wie es im Stück heisst) oder bin ich das, weil ich es durch äussere Einflüsse geworden bin – durch 18

fremde oder eigene Zuschreibung? Manche Eigenschaften, wie Hautfarbe oder Geschlecht, werden weitgehend als gegeben angesehen, wenn es auch hier gute Argumente gibt, diese Prämisse zu hinterfragen. Andere Eigenschaften, wie Musikgeschmack oder Tischmanieren, erscheinen angelernt oder angeeignet, gehören aber ebenso zu den identitätsstiftenden Faktoren. Nationale und religiöse Zugehörigkeit bewegen sich zwischen diesen Polen. Insofern entscheidet sich die Frage, ob Andri A) Jude ist oder nicht und B) Andorraner ist oder nicht, an jener unscharfen Grenze zwischen gegebenem und angenommenem Selbstbild.

Der Schauspieler Claudius Körber spielt in der Inszenierung von Bastian Kraft neben der Figur des Andri auch die Bürger von Andorra – und übernimmt somit etliche weitere Rollen, wie sie erste Entwürfe der Kostümbildnerin Inga Timm zeigen.


Die Identifizierung Andris als Fremder und als Jude erfolgt, das demonstriert Frisch deutlich, von aussen. Dass er handwerklich unbegabt sei und deshalb eher für die Buchhalterlehre tauge als für die des Tischlers, ist schlicht falsch. Der Schreiner sieht hier, was er sehen will. Dass Andri stets ans Geld denkt (wie angeblich alle Juden), kommt nicht aus ihm heraus, sondern seine Umwelt ist es, die bei seinem Anblick sofort ans Geld denkt und dadurch diese Eigenschaft mit ihm verknüpft. Diese Mechanismen demonstriert Frisch in den ersten Szenen exemplarisch anhand diverser Beispiele. In dieser Strecke ist das Stück parabelhaft, die Andorraner erscheinen schablonenhaft in ihrer Sicht auf Andri, stehen für verschiedene Haltungen dem Fremden gegenüber. Schmerzhaft wird das Stück, wenn in der zweiten Hälfte deutlich wird, dass äussere Zuschreibungen, auch wenn sie auf falschen Tatsachen beruhen, selbst zu Tatsachen werden. Denn Andri hat den Blick der anderen auf sich selbst so sehr verinnerlicht, dass er die angenommene Identität ab einem bestimmten

Punkt nicht mehr ablegen kann oder will. Hier stellt sich die Frage, was denn in dieser Hinsicht überhaupt eine wahre und eine falsche Identität sein kann, ob es diese Kategorien in Bezug aufs Ich überhaupt geben kann. Wenn Andri sich selbst für einen Juden hält, dann ist er einer, egal ob die Fakten seiner Geburt dies bestätigen oder nicht. Frisch stellt hier die schwierige Frage, wieweit wir selbst uns und andere zu dem machen, was wir beziehungsweise sie sind. Insofern hat das Stück eine starke theatrale Dimension. Ein Schauspieler ist auf der Bühne auch stets das, wofür der Zuschauer ihn hält, unabhängig von seiner realen Person, die darunter liegt. Die Rollenzuweisung – durch sich selbst wie durch das Publikum – ermöglicht die theatrale Identifikation. Soziale Rollen, wie sie in „Andorra“ verhandelt werden, sind insofern verwandt mit Theaterrollen: In beiden Fällen entsteht Identität erst durch den Blick von aussen.

BASTIAN KRAFT, geboren 1980 in Göppingen, studierte Angewandte Theaterwissenschaft in Giessen und war anschliessend Regieassistent am Burgtheater Wien, wo er 2010 Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“ inszenierte. Die erfolgreiche Produktion ist noch heute am Burgtheater zu sehen. Es folgen Regiearbeiten unter anderem am Deutschen Theater Berlin, am Thalia Theater Hamburg, am Staatstheater Stuttgart und am Schauspiel Frankfurt. Am Schauspielhaus Zürich inszenierte er in der letzten Spielzeit im Pfauen „Die Zofen“ von Jean Genet.

ANDORRA von Max Frisch Regie Bastian Kraft Mit Henrike Johanna Jörissen, Claudius Körber, SusanneMarie Wrage Premiere 4. Mai, Schiffbau/Box Unterstützt von der Gesellschaft der Freunde des Schauspielhauses

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20 In Szene

Foto: Lieblinge


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hatte ich letzten Sommer. Ich ging mit Familie und Freunden am Rheinufer spazieren – ich lebe in Basel – und traf eine Bekannte. „Jetzt habt ihr ja auch den Neukirch bei euch – da kannst du dich drauf freuen, der ist super!“ Theaterinteressiert und informiert wie sie ist, fügte sie hinzu: „Mit dem wirst du dich gut verstehen.“ Meine nächste Begegnung war in den Proben für die Inszenierung „Der Besuch der alten Dame“. Seien wir ehrlich, nicht nur die Kunst verbin-

Meine erste „Begegnung“ mit Matthias

von Klaus Brömmelmeier det einen, manchmal sind es Fahrradtaschen von Ortlieb, Stichsägen von Makita oder Bosch – blaue Serie. Wobei Hilti natürlich das Höchste ist. Und um deinen Busführerschein beneide ich dich! Aber in der Inszenierung haben wir diesen Moment, wo wir uns ganz nah sind und kurz die Zeit stillsteht – mal mehr, mal weniger, klar – und ich mich freue, gemeinsam mit dir auf der Bühne zu stehen. Man soll ja bekanntlich die Kirche im Dorf lassen, aber: Schön, dass du den Weg von Berlin nach Zürich genommen hast!

Matthias Neukirch, geboren 1963, war zuletzt bis 2015 am Deutschen Theater Berlin engagiert, dort spielte er unter anderem in Inszenierungen von Jürgen Gosch, Nicolas Stemann, Sebastian Nübling und Jossi Wieler. Seit der Spielzeit 2015/16 ist er festes Ensemblemitglied am Schauspielhaus Zürich, wo er bereits in „Ein Volksfeind“, „Der Besuch der alten Dame“ und „Einige Nachrichten an das All“ zu sehen war. Sein Grossvater war Architekt, Archäologe und SS-Offizier. Matthias Neukirch erforschte dessen Biografie und erarbeitete daraus den Soloabend „Hans Schleif“. Nächste Vorstellung 21. April, Pfauen/Kammer, 19:30

Matthias Neukirch


Regisseurin Barbara Falter und Dramatiker Ferdinand Schmalz in der Therme

DER THERMALE WIDERSTAND von Ferdinand Schmalz Uraufführung Regie Barbara Falter Mit Klaus Brömmelmeier, Dagna Litzenberger Vinet, Lena Schwarz, Siggi Schwientek, Johannes Sima, Jirka Zett Voraufführung am 3. Juni Premiere im September 2016 Pfauen/Kammer Unterstützt vom Österreichischen Kulturforum Bern

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Der junge österreichische Dramatiker Ferdinand Schmalz, dessen sprachgewaltige und aberwitzige Stücke „am beispiel der butter“, „dosenfleisch“ und „der herzerlfresser“ unter anderem am Burgtheater Wien, am Deutschen Theater Berlin und am Schauspiel Leipzig zu sehen sind, hat mit „Der thermale Widerstand“ ein Stück im Auftrag des Schauspielhauses Zürich geschrieben. Darin geht es nicht nur um Wohlfühloasen wie Thermalbäder und Kurgäste, sondern auch um militärische Bademeister, die an ehemalige Schweizer Offiziere wie einen Hans von Dach erinnern, der eine „Kleinkriegsanleitung für jedermann“ verfasst hat. Es wird turbulent! Soviel darf schon verraten werden. Einen Stückauszug dürfen wir mit freundlicher Genehmigung des Autors vorab veröffentlichen.


Wir leben in einer Wohlfühlblase. Wir haben es uns behaglich eingerichtet hier im Zentrum von Europa. Wagt man den Blick darüber hinaus, wird einem erst das ganze Ausmass dieser Blase bewusst. In den letzten Monaten hat diese Blase Risse bekommen, die unsere Illusion von Geschlossenheit gefährden. Gerade da ist das Theater gefragt, weil es auch so eine Blase ist, die im besten Fall andauernd reisst oder besser platzt und damit Ängste vor einer Offenheit nimmt.“ Ferdinand Schmalz

was nicht extra erwähnt werden muss b ei m a n le ge n d e r bade meisterlichen unif orm.

hannes: dass man mit dieser weissen uniform sich mehr anzieht als nur ein kleidungsstück. dass man mit ihr, der uniform, gleich einer zweiten haut auch sich eine verantwortung mitüberzieht. dass man diese verantwortung, die keine kleine ist, annimmt. dass man sie trägt, erträgt, man nicht ertrinkt in ihr. dass so wie man in diese uniform reinschlüpft auch etwas da in einen selber reinschlüpft dann, dass da etwas hinein in einen schlüpft, was man aus mangel bessrer wörter stutzigkeit nur nennen kann. dass eine stutzigkeit am anfang eines arbeitstags hier in dem kurbad drin einen befällt. oder besser befüllt. dass jeder kurtag mit dieser erfüllung durch eine stutzigkeit beginnt, die für die tätigkeit, die bademeisterliche tätigkeit, gänzlich unentbehrlich ist. weil so ein bademeister der nicht stutzt, der nicht beim leisesten verdacht einer gefährdung stutzt, der kann sich meinetwillen ba-

degesell nicht aber -meister nennen. dass eine wahre bademeisterschaft höchste konzentration und stutzigkeit verlangt, weil man sowohl den überblick von seinem sessel aus doch haben muss und trotzdem das unscheinbarste einem nicht entgehen darf. weil sich gerade da im unscheinbaren oft das unheil schon anbahnt. dass man, hat man die uniform erst einmal an, man gänzlich anders auf die wirklichkeit draufschaut. dass man nun die verkettungen, die unheilvollen, die nichts zu suchen haben in einer heilanstalt wie dieser, dass man diese verkettungen schon dort erkennt, dort an der quelle schon erkennt, wo sie entspringen. / dass mit dem kauf der eintrittskarte jeder hier eine verantwortung auch trägt. dass man das hirn nicht wieder an der kassa liegen lassen darf. dass jeder einzelne verpflichtet ist, den anweisungen des bäderpersonals uneingeschränktest folge zu leisten. dass man die nassbereiche bitte mit angemessener bekleidung nur betreten

darf. dass alle badegäste zur grössten sauberkeit verpflichtet sind. dass lärmentwicklung aller art man auf das strengste unterlasse. weil doch der lärm hier drinnen nichts zu suchen hat, sucht doch der kurgast zuflucht hier herinnen vor dem lärm, der tobt da draussen. dass man doch bitte sich erhole, um nach dem aufenthalt, nach einwirkung der anwendung, vielleicht auch anders wieder draufzublicken auf die wirklichkeit. dass man dem lärm und toben da in dieser aussenwelt sich dann aufs neue stellen kann. dass wir uns hier und heute in einer kuranstalt befinden. muss man nicht extra noch erwähnen, weil es sich hoffentlich von selbst versteht.

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„Eine Gedächtnislücke! Immer ist da diese Lücke!“

Der wohlhabende Rentier Lenglumé verbringt den Abend beim Ehemaligentreff seines Jugendinternats. Am nächsten Morgen erwacht er unter Alkoholeinfluss, dafür allerdings ohne Erinnerung an die Geschehnisse der Nacht. Neben ihm im Bett befindet sich ein schnarchender Mann, den er als seinen Schulkameraden Mistingue identifiziert. Lenglumés Gattin Norine berichtet derweil aus der Zeitung von einem Mord an einer jungen Kohlenschlepperin in der vergangenen Nacht. Anhand einer Reihe von Indizien – einem Damenschuh, blonden Locken und Kohlestücken – kommen die beiden Männer entsetzt zu dem Schluss, dass sie im Rausch jenen grausamen Mord begangen haben müssen. Sie versuchen panisch, ihre kohlschwarzen Hände reinzuwaschen, um ihre weisse Weste zu bewahren. Die Gedächtnislücke, der Dauerrausch und die mediale Berichterstattung bergen jedoch mehr Tücken in sich als vermutet. Eugène Labiche zeigt in seinem Albtraumschwank von 1857 spielerisch die schmutzigen Wahrheiten, die sich hinter einer spiessbürgerlichen, sauberen Fassade auftun können.

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Festspiele Zürich Gastspiel Burgtheater Wien

DIE AFFÄRE RUE DE LOURCINE •

DIE AFFÄRE RUE DE LOURCINE von Eugène Labiche Übersetzung und erweiterte Neufassung von Elfriede Jelinek Gastspiel Burgtheater Wien Regie Barbara Frey Mit Maria Happel, Michael Maertens, Peter Matić, Markus Meyer, Nicholas Ofczarek

Fotos: Reinhard Werner, Burgtheater

17. Juni, 20:00 / 18. Juni, 19:00 Schiffbau/Halle

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Gastspiel Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin

DER DIE MANN Herbert Fritsch hat es wieder getan: Theater als Abstraktionskunst und SchauspielerInnenfest zusammengeführt. Während seiner Zeit als Schauspieler an der Volksbühne entwickelte Fritsch SoloTheaterabende zu Konrad Bayer, einem Vertreter der Wiener Gruppe, die sich in den 1950er Jahren in Wien als ein Kreis experimenteller Literaten gründete. Fritsch liebt Bayer, den Humor und die barocke Verschnörkelung, und die Texte Bayers scheinen Schauspieler, wie Herbert Fritsch sie liebt, zu brauchen. Fritsch konzentriert sich auf die Prosatexte von Konrad Bayer, nimmt aber auch Lyrik und dramatische Texte des Autors unter die theatralische Lupe. Er legt dabei grössten Wert auf die Musikalität der Texte. „Text ist Musik ist Rhythmus“, pflegt Herbert Fritsch zu sagen und in diesem Sinne durchdringt die Inszenierung die vertonten Texte.

EINGELADEN ZUM DIESJÄHRIGEN BERLINER THEATERTREFFEN! 26


AGENDA

DER DIE MANN nach Texten von Konrad Bayer Gastspiel Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin Regie Herbert Fritsch Mit Florian Anderer, Jan Bluthardt, Werner Eng, Annika Meier, Ruth Rosenfeld, Axel Wandtke, Hubert Wild und dem „dasderdiemannorchester“: Ingo Günther, Michael Rowalska, Taiko Saito, Fabrizio Tentoni

Fotos: Thomas Aurin

4. Juni, 20:00 / 5. Juni, 19:00 Pfauen

lhaus im Veranstaltungen am Schauspie Rahmen der Festspiele Zürich 4. Juni 4. Juni 5. Juni 11. Juni 15. Juni 16. Juni 17. Juni 18. Juni 23. Juni 25. Juni 26. Juni

, 11:00 Eröffnungsmatinée: Festvortrag Moritz Leuenberger, Pfauen der die mann, Pfauen, 20:00 der die mann, Pfauen, 19:00 Vergessenes Gelächter, Pfauen/Kammer, 20:00 20:00 Zweifels Zwiegespräche mit Bice Curiger, Schiffbau/Box, 19:30 , Poetry Slam – Dead or Alive?, Pfauen Die Affäre Rue de Lourcine, Schiffbau/Halle, 20:00 Die Affäre Rue de Lourcine, Schiffbau/Halle, 19:00 Moralisten und Kritiker vom Dienst?, Pfauen/Kammer, 18:30 20:00 Verleihung Zürcher Festspielpreis an Sophie Hunger, Pfauen 11:00 Pfauen n, Dada – Ein Gespräch mit Zwischentöne

www.festspiele-zuerich.ch

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Ins Theater mit

Thomas Meyer

Hat der Zürcher Autor Thomas Meyer mit seiner humorvollen Art, zu schreiben und seiner Vorliebe für Aphorismen und ausgefallene Titel („Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“) vielleicht viel mit dem Theatermacher René Pollesch gemeinsam? Wir waren neugierig und haben ihn zur Premiere „Bühne frei für Mick Levčik!“ eingeladen. Polleschs neueste Arbeit mit Sophie Rois hat ihm dann auch – mit ausdrücklichen Ausnahmen – gut gefallen. Seine Antworten auf unsere Fragen rufen aber auch in Erinnerung, wie leicht der leibliche Aspekt eines Theaterbesuchs zu unterschätzen ist.

Welchen Eindruck hatten Sie vom Premierenpublikum? Von der Feier? Ich freute mich, dass die Leute sich herausgeputzt haben. Üblicherweise kleiden sie sich ja brutal nachlässig. Warum man an der Bar vor der Vorstellung Campari Orange trinken konnte und nachher nicht mehr, ja sogar behauptet wurde, Campari Orange habe es hier nie gegeben, war mir allerdings ein Rätsel.

Was hatten Sie an? Sind Sie aufgefallen? Der Interviewpartner überlegt sich vergeblich eine originelle Antwort. Kannten Sie die Arbeiten des Autors und Regisseurs René Pollesch vorher? Nein. Er möge aber so weitermachen, jedoch die Nazis weglassen und auch die Homosexuellenparodie, das ist unnötig. Wie auch, dass auf der Bühne geraucht wird. In welcher Stimmung waren Sie in dem Moment, als im Zuschauerraum das Licht ausging? Der Interviewpartner überlegt sich abermals eine originelle Antwort und verweist aus reiner Verzweiflung darauf, dass die Leser es mögen, wenn das Interview transparent gemacht wird. Haben Sie während der Vorstellung gelacht? Warum? Weil es viele lustige Stellen gab. Ich bin da ganz Sklave des Ulks. Haben Sie sich in die Aufführung vertieft oder blieben Sie distanziert? Ich habe mich sehr vertieft, das Stück war voller origineller Einfälle und Überraschungen. 28

THOMAS MEYER arbeitete als Texter und freier Autor für verschiedene Redaktionen, unter anderem die „Weltwoche“ und „Das Magazin“, seit 2006 ist er selbstständiger Autor, 2012 erschien sein Debütroman „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“, der für den Schweizer Buchpreis nominiert wurde. 2013 erschien beim Salis Verlag das Postkartenset „Wem würden Sie nie im Leben eine Postkarte schicken?“, 2014 sein zweites Buch „Rechnung über meine Dukaten“. Derzeit arbeitet Thomas Meyer am Drehbuch für die Verfilmung von „Wolkenbruch“ sowie an „Trennt Euch!“, einem Essay über nicht passende Beziehungen und ihr wohlverdientes Ende. Das Buch erscheint im Herbst bei Salis.

Haben Sie auf dem Heimweg noch an die Aufführung gedacht – oder hatten Sie sie schon vergessen? Ich habe mit meiner Freundin noch lange darüber diskutiert. Mir gefällt diese Art von Theater, ihr überhaupt nicht. Welche Frage würden Sie dem Regieteam dieser Aufführung gerne stellen? Warum die Sache mit dem Nazi? Wäre ein nicht näher bestimmbarer Diktator nicht origineller gewesen? Die Nazis als Thema sind ja irgendwie auch furchtbar flach. Welches Stück würden Sie gerne als nächstes am Schauspielhaus sehen? Mir egal, es soll aber wieder genau so modern und ironisch sein. Und wehe, es wird geraucht auf der Bühne, dann zeige ich Sie an.

Fotos: Matthias Horn; Lukas Lienhard

Von woher kamen Sie zur Premiere ins Schauspielhaus? In der Tradition des Stücks frage ich: Worum geht es bei dieser Frage?


BÜHNE FREI FÜR MICK LEVČIK! von René Pollesch, Uraufführung, Regie René Pollesch Mit Nils Kahnwald, Sophie Rois, Marie Rosa Tietjen, Jirka Zett und einem Sprechchor

Sprechen ist immer Zitieren, egal ob das bewusst geschieht oder nicht. Es gibt zum Beispiel keine erste Äusserung des Satzes „Ich liebe dich“. Seine Wirkung erzielt er deshalb, weil niemand ihn zuerst gesagt hat.“ aus „Bühne frei für Mick Levčik!“

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@VBZ

Tram oder nicht Tram ist hier keine Frage.

Mit unseren Tramlinien fahren wir Sie direkt bis vors Schauspielhaus. 30 ohne Theater. Ganz


Ruedi H채usermanns Einbildungen

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SCHICHT MIT RAINER KÜNG von Sandra Suter

RAINER KÜNG ist der Leiter der Beleuchtung. Er richtet das Licht ein für die Produktion „Nachtstück“ – ein Projekt ohne Worte von Barbara Frey und Fritz Hauser. Die Sehnsucht nach einem Handwerk, in dem er sich kreativ entfalten kann, wurde geweckt, als er in einer mehrtägigen Faust-Aufführung sass. Seinen Berufseinstand hatte er als junger Mann am Theater Basel, wo er als ausgebildeter Elektrotechniker auch begann, Lichtdesign zu machen. 23 Jahre blieb er in Basel und lernte dort, bevor er 2008 nach Zürich kam, Bettina Meyer kennen, die heutige Ausstattungsleiterin des Schauspielhauses Zürich.

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8:00

Als ich an die TE, die sogenannte Technische Einrichtung für „Nachtstück“ komme, bespricht Rainer Küng gerade Änderungen, die vom Schreiner am Bühnenbild gemacht werden müssen. Es geht darum, dass die Auftrittsmöglichkeiten für die Spieler aufgrund von Lichtinstallationen enger ausgefallen sind als auf der Probebühne. Dies kann vom Schreiner korrigiert werden.

9:10 Rainer organisiert den Einsatzplan für April und bereitet sich auf die Besprechung für heute Nachmittag vor. Er hat als Leiter der Abteilung neben der Betreuung der Produktionen auch die Aufgabe, für einen reibungslosen Probeund Vorstellungsbetrieb zu sorgen – dazu koordiniert er eine 25-köpfige Abteilung. Ausserdem muss er strategische Überlegungen für die Zukunft bezüglich Material und Personal machen. Für ihn gibt es keinen normalen Arbeitstag – jeder Tag sieht anders aus.

Foto: Caroline Minjolle

10:00 Aufgrund des sogenannten Verhangplanes für die Scheinwerfer prüft Rainer an der TE, ob alles wie geplant gehängt werden kann. Normalerweise, erklärt mir Rainer, wird heutzutage das Licht erst während der Proben entwickelt. Man geht mit einer Grundvorstellung beziehungsweise mit einer Grundeinrichtung in die Bauprobe und überprüft dort erste Lichtideen. Bei „Nachtstück“ besteht die ungewöhnliche Situation, dass die Kulisse geschlossene Seitenwände hat und die Lichtquellen deshalb innerhalb des Bühnenbilds miteingeplant werden mussten. Während des Probebetriebs wird das Licht korrigiert und quasi mit dem Stück mitentwickelt und zur Premierenreife gebracht. Diese flexible und auch spannende Arbeitsweise hat den Vorteil, dass nicht in der Theorie etwas geplant wird, was in der Praxis nicht funktioniert. Der enge Kontakt zwischen Lichtdesigner und Bühnenbildner ist dabei sehr wichtig.

Mit glänzenden Augen sagt Rainer: „Es ist faszinierend, zu sehen, wie sich während der Proben alles im Fluss befindet und fortwährend verändert, bis es sich auf einen Punkt hin verdichtet und am Schluss zu einem Gesamtbild zusammenkommt.“ 12:15 Während dem Mittagessen in der Schiffbaukantine frage ich Rainer Küng nach dem Unterschied zwischen den Begriffen „Beleuchtungsmeister“ und „Lichtdesigner“. Dahinter verbirgt sich die Frage, ob die Beleuchtung eher eine technische oder eher eine künstlerische Arbeit ist. Es sei beides, erklärt er mir und schätzt, dass etwa 35% der Arbeit den künstlerischen Anteil ausmachen und 65% andere Aufgaben.

12:50 Nachdem Rainer nochmal kurz einen Blick auf die Bühne geworfen hat, muss er los in den Pfauen, wo er einen Termin mit dem Technischen Direktor hat. Auf dem Weg frage ich ihn, wie er sich auf ein neues Stück jeweils vorbereitet und erfahre, dass er sich nicht nur mit der Bühnenbildnerin oder dem Bühnenbildner austauscht, sondern im Vorfeld natürlich auch das Stück liest, welches inszeniert werden soll. Wenn es zeitlich reicht, ist Rainer auch bei der Leseprobe – also dem ersten Treffen des Regisseurs mit den Schauspielern – dabei. Dort erfährt er, mit welcher künstlerischen Idee der Text und das Bühnenbild umgesetzt werden sollen.

14:00

Am Nachmittag hat Rainer seine wöchentliche Montagssitzung mit dem Künstlerischen Betriebsbüro. Es gefällt ihm, dass er in seiner Arbeit ständig im Kontakt mit Menschen ist. Der Grund für seinen Wechsel nach dem erlernten Beruf als Elektrotechniker war, dass er nicht mit „toter Materie“ arbeiten wollte. Er empfindet die Arbeit am Theater und die Möglichkeit, bei den Proben dabei zu sein, als Inspiration und Privileg.

16:10 Im Schiffbau gehts auf die Probebühne von „Nachtstück“ in die Produktionsbesprechung mit der Bühnenbildnerin Bettina Meyer und dem Regieassistenten Jörg Schwahlen.

Hier ist das Bühnenbild noch „markiert“. Der Umzug auf die Originalbühne steht unmittelbar bevor und wird gemeinsam vorbereitet. Viele Fragen, die eine Produktion betreffen, werden en passant zu zweit besprochen. Ab und zu lohnt es sich aber, die Leute der unterschiedlichen Abteilungen zu einer Besprechung zusammenzurufen. Der technische Vorarbeiter Peter Häusler sowie der Stellwerker Benjamin Wenger sind daher ebenfalls mit dabei sowie der Inspizient Sascha Dinevski und Bettina Meyers Assistentin MarieLuce Theis. Man setzt sich aber nicht an einen Tisch – die Besprechung ist keine „Sitzung“, sondern eine Art „Bühnenbegehung“. Jörg verteilt einen tabellarischen Stückablauf, der den aktuellen Stand nach circa vier Wochen Proben wiedergibt. Dieser kommt – da → im Stück nicht gesprochen wird – 33


Schicht mit …

als Zeittabelle mit zwei Achsen für Musik und Handlung daher. Schon beim ersten Blick darauf wird klar, dass dem Licht in dieser Produktion eine zentrale, handlungstragende Rolle zukommt. Die Seiten sind übersäht mit Anweisungen für das Licht. Am kompliziertesten ist die Koordination der 16 Seitentüren mit den Scheinwerfern auf der Seite. Welche Tür wird wann von wem geöffnet und woher kommt in diesen Momenten das Licht? Hinter der Bühne wird ausserdem an jeder Tür ein Lichtzeichen montiert. Damit kann der Inspizient während des Stücks den Schauspielern und Statisten das Zeichen zu ihrem Auftritt geben. Der Stellwerker Beni Wenger bekommt von Rainer Küng den Auftrag, die Lichtwechsel in nummerierter Reihenfolge „blind“ einzuprogrammieren. Damit meint er, dass sie in einer ersten theoretischen Version vor der

Probe programmiert werden, damit der Probefluss am ersten Tag nicht unterbrochen werden muss. Schliesslich verlässt die Gruppe die Probebühne durch den Hinterausgang und wirft einen prüfenden Blick auf die dahinterliegende Bühne der Box, wo das Originalbühnenbild gerade seine Formen annimmt – quasi wie eine etwas realere Parallelwelt, gespiegelt an der Rückwand der Probebühne.

18:20

17:05

Beim Nachtessen frage ich Rainer, worauf er schaut, wenn er selbst ins Theater geht. Er nennt sich lachend einen Fachidioten und meint, er fokussiere schon sehr auf das Lichtbild.

Rainer trifft seinen Stellvertreter Michel Güntert, um die Dienstpläne zu besprechen, die dieser für die Abteilung macht. Diese Woche ist ein halber Tag „Fokus“ eingeplant. Dabei werden auf der Bühne die Scheinwerfer eingeleuchtet oder eben fokussiert. Weitere Beleuchtungskorrekturen geschehen jeweils nachmittags nach den Bühnenproben.

Am Ende fällt jedem das auf, womit er sich tagtäglich beschäftigt. Rainer beschäftigt sich mit Leidenschaft damit, Darsteller ins richtige Licht zu setzen. Mit diesem Gedanken entlasse ich den Leiter der Beleuchtungsabteilung, bevor er sich wieder in die TE einklinkt.

17.3.2016 – 19.6.2016 www.gessner.landesmuseum.ch


Szenen aus dem

A

Repertoire

Fotos: T+T Fotografie; Matthias Horn; Lieblinge

B

: hme ufna bis a r e d h Wie ur noc ai 2016 n 4. M 2 zum

EIN VOLKSFEIND

A  SHUT UP Schiffbau/Matchbox

B  YVONNE, DIE BURGUNDER-

von Henrik Ibsen in einer Bearbeitung von Dietmar Dath

von Jan Sobrie und Raven Ruëll

PRINZESSIN Schiffbau/Halle

Regie Enrico Beeler Mit Anna Blumer, Aaron Hitz, Fabian Müller Vorstellungen 16. bis 30. Juni

von Witold Gombrowicz

Regie Stefan Pucher Mit Tabea Bettin, Sofia Elena Borsani, Robert Hunger-Bühler, Isabelle Menke, Matthias Neukirch, Nicolas Rosat, Markus Scheumann, Siggi Schwientek, Becky Lee Walters Unterstützt von Suisse Re

atertreffen 2016 und Eingeladen zum Berliner The en in Genf! Einmalige zum 3. Schweizer Theatertreff en Pfau , Mai 3. am Wiederaufnahme

Regie Barbara Frey Mit Julian Boine, Gottfried Breitfuss, Hans Kremer, Claudius Körber, Michael Maertens, Michael Neuenschwander, Markus Scheumann, Siggi Schwientek, André Willmund, Milian Zerzawy Unterstützt von Credit Suisse

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C  NATHAN DER WEISE Pfauen

D  DER BESUCH DER ALTEN DAME Pfauen

E  MEER Pfauen

von Gotthold Ephraim Lessing

von Friedrich Dürrenmatt

von Jon Fosse

Regie Daniela Löffner Mit Christian Baumbach, Ludwig Boettger, Gottfried Breitfuss, Klaus Brömmelmeier, Benedict Fellmer, Robert Hunger-Bühler, Julia Kreusch, Elisa Plüss, Johannes Sima

Regie Viktor Bodó Mit Klaus Brömmelmeier, Benedict Fellmer, Gerrit Frers, Philippe Graff, Christian Heller, Henrike Johanna Jörissen, Claudius Körber, Julia Kreusch, Matthias Neukirch, Nicolas Rosat, Friederike Wagner, Amine Yacoubi, Milian Zerzawy

Regie Barbara Frey Mit Henrike Johanna Jörissen, Claudius Körber, Hans Kremer, Stefan Kurt, Susanne-Marie Wrage, Jirka Zett

Unterstützt von der René und Susanne Braginsky Stiftung

Unterstützt von Credit Suisse

C

D

E

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F

Szenen aus dem Repertoire

G

F  MEPHISTO Pfauen nach dem Roman von Klaus Mann Regie Dušan David Pařízek Mit Miriam Maertens, Michael Neuenschwander, Elisa Plüss, Siggi Schwientek, André Willmund Unterstützt vom Förderer-Circle des Schauspielhauses H

G  NACHTSTÜCK Schiffbau/Box

Fotos: T+T Fotografie (4); Matthias Horn (2); Raphael Hadad

Projekt ohne Worte von Barbara Frey und Fritz Hauser Regie Barbara Frey Mit Fritz Hauser, Hans Kremer, Chantal Le Moign, Dagna Litzenberger Vinet, Michael Maertens, Lisa-Katrina Mayer, Markus Scheumann, Friederike Wagner, Milian Zerzawy Unterstützt von der International Music & Art Foundation H  VIEL GUT ESSEN Pfauen von Sibylle Berg Regie Sebastian Nübling Mit Hilke Altefrohne, Henrike Johanna Jörissen, Lena Schwarz I  EINIGE NACHRICHTEN AN DAS ALL Pfauen/Kammer von Wolfram Lotz Regie Bram Jansen Mit Sofia Elena Borsani, Fritz Fenne, Claudius Körber, Miriam Maertens, Matthias Neukirch, Nicolas Rosat, André Willmund

I

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Celebrate classical music Sommer-Festival 12. August – 11. September 2016 Berliner Philharmoniker Gewandhausorchester Leipzig LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA Münchner Philharmoniker São Paulo Symphony Orchestra

Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela West-Eastern Divan Orchestra The Cleveland Orchestra Wiener Philharmoniker und viele mehr www.lucernefestival.ch www.lucernefestival.ch


www.blickfelder.ch

2.–12. Juni 2016

FESTIVAL

BLICKFELDER

„Blickfelder“, das Festival der Künste für ein junges Publikum, wird vom 2.–16. Juni in zahlreichen Kulturräumen Zürichs stattfinden. Von internationalen Gastspielen bis hin zu partizipativen Projekten – die Palette an Formaten und Vorstellungen ist gross. Wir stellen hier die Inszenierungen vor, die im Rahmen des Festivals am Schauspielhaus Zürich zu sehen sein werden.

AGENDA Frühlingsweihe MAAS Theater & Dance, NL / 13+ Schiffbau/Halle, 2. Juni, 14:00 und 20:00, 3. Juni, 10:00 und 19:00* Sieben schöne, starke Frauen heissen den Frühling willkommen. Sie huldigen der Natur, sie tanzen anmutig und verführerisch, sie lassen sich aufeinander ein. Doch Schönheit ist auch bedrohlich, die Kraft der Hormone gefährlich und der Gruppendruck stark. Aus Grazien werden Monster. Das Publikum sitzt nahe am Geschehen, die Gefühlswelt der Darstellerinnen ist unmittelbar zu spüren. Ein Tanztheater, das unter die Haut geht.

Cie Freaks & Fremde, DE / 6+ Schiffbau/Halle 5. Juni, 17:00 6. Juni, 10:00 und 18:00* 7. Juni, 10:00 und 14:00

Fotos: Clara Hermans; Steven Decroos

Einst war der Fuchs ein Held, ein kluger, hübscher Fuchs. Er kannte alle Tricks! Die jungen Füchse konnten gar nicht genug bekommen von seinen Geschichten. So lebte er lange und wurde alt. Und dabei auch ein bisschen vergesslich… MUSEUM OF MEMORIES NIE – New International Encounter, NO/UK/CZ / 14+ In englischer Sprache Schiffbau/Matchbox 6. Juni, 19:00 7. Juni, 10:00 und 19:00 8. Juni, 10:00 und 19:00* 9. Juni, 10:00 und 19:00 Siebzig Quadratmeter rostige Schubladen bilden einen Raum, worin fünf Menschen je ein Leben rekon-

Young Vic / Théâtre de Vidy , GB, CH / 16+ Schiffbau/Box, 11. Juni, 19:00, 12. Juni, 19:00 Am 11. Juni anschliessend Podiumsdiskussion mit dem Flüchtlingsexperten Gerry Simpson, in Zusammenarbeit mit Human Rights Watch In englischer Sprache, deutsche Übertitel

Festivaleröffnung

DIE GESCHICHTE VOM FUCHS, DER DEN VERSTAND VERLOR

Oh My Sweet Land

struieren, das zu Ende gegangen ist: zwei Brüder, ein Nachbar, eine Lehrerin und ein Liebhaber. Mit Wärme, Humor und Musik erzählen sie von den Verstorbenen. Das Publikum erlebt die Geschichten hautnah. Dann öffnen sich die Schubladen, der Raum wird zum Museum der Erinnerungen, das Publikum kann stöbern und eigene Erfahrungen reflektieren. POETRY SLAM Der Final / 13+ Pfauen, 6. Juni, 19:00 Poetry Slam ist das Literaturformat, das die ganze Welt im Sturm erobert hat. Im Frühling arbeiten 19 Schulklassen mit erfahrenen Slam-Poeten und -Poetinnen, schreiben Texte und üben die Performance. Die besten von ihnen treten beim grossen Finale an, das mit bekannten „featured artists“ aus der Slamszene aufwarten kann. *anschliessend Publikumsgespräch

Die preisgekrönte Schauspielerin Corinne Jaber erzählt in diesem Reportagestück die Geschichte einer deutsch-syrischen Frau. Sie sucht ihren verschwundenen Geliebten Ashraf in den Flüchtlingscamps im Libanon und in Jordanien. Vertriebene Syrer erzählen ihr ihre Geschichten. Einige sind schrecklich, einige sind düster, andere lustig – und erinnern an die unendliche menschliche Fähigkeit, uns an die Umstände anzupassen, auch inmitten eines Kriegsgebiets. Dieses Gastspiel wurde durch eine Auktion des Schauspielhauses am Schiffbaufest ermöglicht.

STUDIO ORKA SPIELT „DER LÖWE“

KNALL UF FALL

Studio Orka, BE, / 8+

Silberbüx mit 80 Kindern auf der Bühne / 5+

Pfauen 9. Juni, 20:00* 10. Juni, 10:00 und 14:00 11. Juni, 14:00 Chaos im Theater! Was nun? Das Stück fällt aus, doch wir schauen hinter die Kulissen. Dorthin, wo das Rampenlicht nicht hinkommt, wo sich Intrigen à la Tschechow verbergen und Risse sich nicht nur im Gebälk auftun. LEERKOPF Tuning People & Kinderenvandevilla, BE / 4+ ohne Sprache

Pfauen 12. Juni, 16:00, Premiere, CD-Taufe 13. Juni, 10:00 14. Juni, 10:30 Der alte Spielplatz im Wald, das Holzboot unten am See, ein Schleichweg zum Tschuttiplatz – und schon ist der Znacht vergessen. Knall uf Fall stecken Silberbüx mitten in einem neuen Abenteuer. Gemeinsam mit vier Schulklassen aus dem Kanton Zürich haben Silberbüx neue Lieder geschrieben und ein wildes Konzert mit 80 jungen Sängerinnen und Sängern auf die Beine gestellt.

Schiffbau/Halle 10. Juni, 10:00 und 14:00 11. Juni, 15:00* 12. Juni, 11:00

KE WITZ !

Jeder Mensch bastelt gerne! So auch ein junger Mann, der sich in einem skurrilen Raum zwischen Küche und Werkstatt eine Kugel auf den Kopf setzt. Von nun an nennt er sich „Leerkopf“. Mit einfachen Materialien macht er sich Augen, Ohren, Nase und Mund – und eine Bühne. Es entsteht eine faszinierende Live-Sound-Collage.

Weil das Leben die absurdesten Geschichten schreibt, schöpft Bänz Friedli aus dem Alltag. 2013 startete er am Festival „Blickfelder“ mit „Gömmer Starbucks?“ durch, 2015 erhielt er dafür den „Salzburger Stier“ – nun ist Friedli zurück mit einem neuen Programm. Sein erzählerisches Kabarett ist bald nachdenklich, bald zum Brüllen komisch.

Bänz Friedli gewinnt Zeit / 14+ Pfauen, 11. Juni, 20:30, Premiere

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Junges Schauspielhaus Zürich

von Daniela Holdenrieder Damien, Becky und François sind Teenager, die sich nach Anerkennung und ihrem Platz in der Gesellschaft sehnen, sich aber immer wieder mit einer Realität konfrontiert sehen, die ihnen beides verwehrt. Sie sind enttäuscht von den Erwachsenen, die sie nicht ausreichend wahrnehmen. Diese Erfahrungen schweissen die drei aber auch zusammen. In ihrer Freundschaft erfahren sie das, wonach sie sich so sehnen: Dazugehörigkeit, Anerkennung, Wertschätzung. Versucht man die drei anhand von medizinischen Klassifikationsschemata einzuordnen, entspricht Damien dem ADHS-Kind mit impulsivem Verhalten, Hyperaktivität und Tendenz zum Abdriften in Fantasiewelten. Er ist ein intelligentes Kind, das sein Potenzial schulisch aber nur mit Hilfe der Medikamente ausschöpfen kann – was seine Umgebung zwar zufrieden macht, er aber erlebt sich unter der Medikation selber als fremd. In seiner Fantasiewelt wird er zum unschlagbaren, mutigen Helden, in der Realität erlebt er sich überwiegend als Opfer. Bei Rebecca stellt sich die Frage nach einer Lernbehinderung, da sie schulisch nicht die Leistungen bringt, die von ihr erwartet werden, und auch durch ein äusserst fragwürdiges Anreizsystem nicht gefördert werden kann. Sie weist aber eine sehr bodenständige praktische Intelligenz auf. Sie weiss, was in Krisensituationen zu tun ist, behält Ruhe. Sie findet in der Familie weniger Halt als die anderen Figuren. Materiell fehlt es ihr an nichts, aber Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommt sie nur, wenn sie Leistung bringt. Probleme werden in der Familie mit Pillen aus der Welt geschafft. Es herrscht Sprachlosigkeit, man redet nicht miteinander, interessiert sich nicht für das Erleben der Kinder. François würde bei einer psychiatrischen Abklärung wohl die Diagnose 40

SHUT UP Das Stück der belgischen Autoren Jan Sobrie und Raven Ruëll ist im Jungen Schauspielhaus in der Regie von Enrico Beeler als deutschsprachige Erstaufführung zu sehen. Für die Recherche standen dem Team verschiedene Experten und Spezialisten zur Seite. Die Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. med. Daniela Holdenrieder stellt ihre Sicht auf die Stückfiguren dar und vergleicht sie mit den Erfahrungen in ihrer therapeutischen Praxis in Wädenswil.


„Bemühungen der Kinder werden häufig nicht gesehen und gewürdigt. Wahrgenommen werden meist nur die ungenügenden Resultate.“

Foto: T+T Fotografie

einer „Störung des Sozialverhaltens mit emotionaler Störung“ erhalten. Er wird als gewaltbereiter Jugendlicher beschrieben, vor dem man sich in Acht nehmen muss. Er zeigt zwanghaftes Verhalten, mit dem er sich selbst zu ordnen versucht. Sein Leben ist durch den Verlust der Mutter aus den Fugen geraten. Sein Vater ist bemüht, hat aber aufgrund der Lebensumstände wenig Zeit für ihn. Dennoch ist zwischen Vater und Sohn Nähe spürbar. François ist intelligent, interessiert, ein feiner Beobachter und sehr loyal seinen neuen Freunden gegenüber. Im therapeutischen Alltag beobachten wir, dass es vor allem dann zu Konflikten kommt, wenn entweder die Kinder durch ihr Wesen sowohl für die elterliche wie auch die schulische Erziehung eine Herausforderung sind oder die Eltern aufgrund ihrer eigenen Lebensumstände zu wenig Kapazität haben, sich auf diese Kinder einzulassen. Ein Kind mit ADHS zu erziehen ist anstrengend und fordert auch von den geduldigsten und kompetentesten Eltern enorm viel. Kommen dann noch schwierige Lebensumstände hinzu wie Paarkonflikte, finanzielle Probleme oder ein Migrationshintergrund, kann es zu massiven Konflikten mit dem Kind kommen, das in besonderem Mass auf Struktur, Sicherheit und Verbindlichkeit angewiesen ist. Die Stärken und liebenswürdigen Seiten des Kindes werden nicht mehr wahrgenommen. Gerade ein ADHS/ADS-Kind leidet im Alltag, hört ständig, was es alles nicht kann, aber können sollte, gerät in Konflikte mit Eltern, Geschwistern, Lehrern, Mitschülern, wird sozial isoliert und zum Sündenbock der Klasse oder auch Familie. Diese Kinder können sich selbst nicht altersentsprechend regulieren,

sie sind extrem reizoffen und dadurch sehr leicht ablenkbar, häufig auch erregbar und sehr impulsiv. In diesen Fällen kann eine medikamentöse Behandlung, neben anderen unterstützenden Massnahmen wie zum Beispiel Verhaltenstherapie, Erziehungsberatung und Coaching der Lehrer, für die Kinder und Familien ein Segen sein. Die Kinder erleben sich wieder als kompetent, sie machen positive Erfahrungen, sind sozial besser integriert und leichter führbar. Leider sind auch viele Kinder mit den Anforderungen der Schule überfordert – sozial, emotional und auf der Leistungsebene. Ich höre immer wieder von Eltern, dass ihre Kinder bereits in der Primarschule bis zu drei Stunden täglich an den Hausaufgaben sitzen. Konflikte und Frust sind vorprogrammiert. Die Eltern haben häufig ab der 1. Klasse schon die zukünftige Berufsausbildung ihrer Kinder im Kopf. Lehrer haben ihr Curriculum, das sie einhalten müssen. Das Kind muss sich all diesen Erwartungen anpassen und entsprechende Leistungen bringen. Klappt das nicht, führt das zu Druck und Stress im Klassenzimmer wie zuhause. Bemühungen der Kinder werden häufig nicht gesehen und gewürdigt. Wahrgenommen werden meist nur die ungenügenden Resultate. Das Selbstwertgefühl der Kinder sinkt, was für ein erfolgreiches Lernen nicht hilfreich ist. Für die therapeutische Arbeit ist es daher besonders wichtig, dass die Kinder immer in ihrem persönlichen Kontext betrachtet und als eigenständige Individuen mit eigener Persönlichkeit, eigenen Stärken und Schwächen wahrgenommen werden. Vor allem Familien in schwierigen Lebenssituationen benötigen früh und intensiv Unterstützung, damit sich die Kinder sicher entwickeln können. Für die Zukunft wünsche ich mir eine Gesellschaft, in der wir uns weniger um uns selbst, sondern vermehrt auch wieder um andere kümmern und sorgen. Dies wäre für die Entwicklung jedes einzelnen Menschen, unabhängig vom Alter und der Herkunft, sehr förderlich.

Theater Campus

Le théâtre, c’est quoi? von Daniela Stauffacher

„Is she Hamlet?“ fragt der Junge aus Afghanistan. Nein, sie ist nicht Hamlet, sie ist Ophelia. Der Junge runzelt die Stirn und liest in der Synopsis nach. „Oh, yes, Hamlet is a boy!“, sagt er und blickt zur Bühne. Der Junge und ich stehen draussen in der atlantischen Kälte. Bald wird es regnen, ich werde dann nach Hause gehen. Er nicht. Sein Zuhause gibt es nicht mehr. Der Junge lebt im Flüchtlingscamp von Calais. Und heute gibt es hier zum ersten Mal Theater und zum ersten Mal Popcorn. Im Publikum sitzen Menschen, die verloren haben, was man nicht verlieren dürfte: Häuser, Familien, Zähne, Würde. Sie sind aus kalten Zelten gekommen, um im kalten Wind ein Theaterstück zu schauen, das sie nicht kennen. Sie sind in ein Europa gekommen, das sie nicht erwartet. Sie sind gekommen, um steckenzubleiben. Man schaut in die Runde, fragt sich, was das Theater soll, was es kann, was es darf und was es muss. Und man stellt sich die gleiche Frage, wenn man im Pfauen vor einer Vorstellung die Biografie eines Menschen hört, der nach Zürich geflohen ist. Ein Theater ist ein Tatort. Hier wird Wort zu Tat. Geschriebenes wird zu Gesprochenem. Gedachtes wird zu Gemachtem. Hier wird unaufhörlich Welt konstruiert und komprimiert, umgeformt und eingerahmt, nachgeahmt und abgeschafft, totgesagt und ausgelacht. Hier werden Geschichten ausgezimmert, ausgekleidet, ausgesprochen. Sitzt man im Zuschauerraum, wird man plötzlich zum Komplizen. Man hat die Geschichte mitgesehen, mitgelebt. Man hat sie verstanden oder auch nicht. Man ist einverstanden oder auch nicht. Aber wäre man nicht hier gewesen, hätte man nicht zugeschaut, hätte sie nie stattfinden können, wäre ungehört geblieben, wäre verloren gegangen. Ein Theater ist ein Tatort: Hier wird einer Geschichte Würde angetan. DANIELA STAUFFACHER ist Studentin an der Uni Zürich und betreut zusammen mit Jill Mühlemann den Theater Campus – die Plattform für Studierende am Schauspielhaus. Alle Spezialangebote und Events sind zu finden unter facebook.com/theatercampus und schauspielhaus.ch/theatercampus

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K U LT U R T I P P S A U S D E M S C H A U S P I E L H A U S Z Ü R I C H

≈ Eine kleine marokkanische Insel im Kreis 5

Ein gemeinsames Theaterprojekt von

GESSNERALLEE JUNGES SCHAUSPIELHAUS ROTE FABRIK THEATER NEUMARKT THEATER WINKELWIESE In Zusammenarbeit mit dem Opernhaus Zürich

April / Mai / Juni 2016 Redaktionsschluss 4. April 2016

Intendanz Barbara Frey Redaktion Christine Ginsberg (Bildredaktion), Amely Haag, Andreas Karlaganis, Gwendolyne Melchinger, Irina Müller, Sandra Suter, Karolin Trachte (Leitung)

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Bei wem das Zürcher Grossstadtleben den Wunsch nach einer dörflichen Auszeit weckt, der kann diese in der Hofstrasse 19 bei „Chez Andy“ in Hottingen, dem kleinen gemütlichen, zeitlosen Café mit Galerieladen und kleinem Geschäft für ausgewählte Produkte nehmen. In den verwinkelten Gasträumen werden ab 07:00 morgens Getränke und kleine hausgemachte Speisen serviert. Paul Lehner, stv. Technischer Direktor

≈ Dynamiken

Impressum journal

Herausgegeben von der Schauspielhaus Zürich AG Zeltweg 5, 8032 Zürich

Daniela Guse, Assistentin der Intendantin

≈ Chez Andy

SCHAUSPIELHAUS

Abonnement Das Journal erscheint 3x jährlich. Gegen einen Unkostenbeitrag von 12 Franken pro Jahr kann es unter www.schauspielhaus.ch abonniert werden.

Wer einmal eine Reise nach Marokko unternommen hat, wird sicher nicht die verführerischen Düfte vergessen, die einem beim Vorbeischlendern an einer Restaurantküche entgegenströmen. Und wenn einen dann, wieder daheim in Zürich, die Sehnsucht nach eben jenen Gerüchen und Gerichten überkommt, sollte man sich auf kürzestem Wege in das Maison Blunt mit dazugehörigem Tea Room begeben. In gemütlichem Ambiente kann man all jene Köstlichkeiten geniessen, die die marokkanische Küche zu bieten hat. Von frischem Minztee, leckeren Salaten bis hin zur Tajine gibt es dort alles, was das Herz begehrt. Und wer gar nicht genug bekommen kann, verabredet sich in angenehmer Gesellschaft zur 12-teiligen Mezzeplatte und probiert sich einen Abend lang durch feinste Speisen, bis er satt und zufrieden den Orient wieder verlässt.

Korrektorat Johanna Grilj, Daniela Guse, Annika Herrmann-Seidel, Sandra Suter, Karolin Trachte Gestaltung Büro Destruct / Caroline Grimm Druck Speck Print AG, Baar Auflage 15000 Das Journal wird unterstützt von der Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung.

Auch im Schauspiel spielen die Wahrnehmung des Körpers und seine Bewegungsmöglichkeiten eine Rolle. Wer einmal das Tanzbein schwingen möchte, ist im Tanzwerk 101 in der Pfingstweidstrasse richtig. Nicht weit weg vom Schiffbau kann man sich in vielen verschiedenen Kursen ausprobieren. Wie wäre es mit Jumps & Turns, Lindy Hop, Flamenco oder gar Afrodance (hierbei ist der Hüftschwung besonders gefragt)? Nicht verzagen und den Tanz wagen! Franziska Pinkert, Assistentin Medien & Onlinekommunikation


Ihre

Leidenschaft

Unsere

Unterstützung

Inspiration für alle

Schauspielhaus Zürich und Swiss Re – eine inspirierende Partnerschaft. Ideen, Innovation, Inspiration – bewegen uns bei Swiss Re. Die Zusammenarbeit mit Menschen auf der ganzen Welt begeistert uns. Denn gemeinsam entdecken wir immer wieder neue Perspektiven und spannende Horizonte. Darum fördern wir auch kreatives Engagement und kompetente Leidenschaft – und die lebendige Kulturszene in Zürich. Sie regt an, sie berührt, sie lässt uns staunen und nachdenken. Und Gedanken austauschen, denn: Together we’re smarter. swissre.com/sponsoring


Theatermontag ist eine Zusammenarbeit von

Besuchen Sie alle B端hnen des Schauspielhauses zum halben Preis. www.schauspielhaus.ch 44


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