KOLUMNE
Illustration: www.mitfederundpinsel.at
Eigentlich beginnt mein Tag erst so richtig, wenn ich endlich in den Innenhof hinauskann. Und noch besser wird es, wenn ich mit meiner Besitzerin die wirklich wilde Natur erkunden kann. Spazieren geh’n, das ist mit Hund tägliche Pflicht und auch gesund. Das brave Tier läuft nebenher … Ach, wenn es doch so einfach wär’. Der Hund ist groß, hat Temperament – kein Wunder, dass er zieht und rennt. Doch irgendwann, da gibt sie auf, gestattet mir, dass ich frei lauf.
GUSTAV – der Viszla
GUSTAV, DER SCHLOSSHUND Ein Auszug aus dem Tagebuch des Magyar Vizsla
I
ch darf mich bei Ihnen vorstellen: Ich bin Gustav, ein typischer Magyar Vizsla, also ein Ungarischer Vorstehhund, und ich wohne auf einem Schloss im Waldviertel. Eigentlich sollte ich ja „Arpad“ oder „Attila“ heißen – wegen meiner Herkunft aus der Ungarischen Tiefebene, wo die Vorfahren meiner Rasse schon seit dem 14. Jahrhundert leben. Aber mein Herrchen, wie ich den Schlossherrn nenne, hat gemeint, dass ich ihn mit meinem rotgoldenen Fell eher an seinen alten Freund mit rotem Haar erinnere. Also wurde ich als „Gustav“ eingeösterreichert. Mein ungarischer Name, den ich einst erhalten habe, existiert nur mehr auf dem Papier; sprich, eigentlich sind meine Dokumente nicht mehr zu gebrauchen. Dabei ist das mit dem Reisen aktuell eh so eine Sache … aber alles der Reihe nach. Man sagt mir nach, dass ich freundlich und sehr anhänglich sei, nur weil ich gerne neben meinen Menschen auf dem Sofa sitze und mich anlehnen will. Warum denn nicht? Meine Familie sitzt ja schließlich auch nicht auf dem Teppich, und immerhin gehöre ich doch dazu. Das mit dem Bett ist eine andere Geschichte. Sie haben meinen Korb zwar danebengestellt, aber so ganz unter uns: Ich habe es auch schon ein paarmal geschafft, mich ganz klein einzurollen und heimlich unter der Decke zu verstecken.
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SCHLOSSSEITEN
Ich geh mit ihm auf weiter Flur und frag mich kurz: Wo ist er nur? Lief eben noch mit großer Freude zum Bach und über uns’re Weide. Gerade war es doch noch hier, mein heißgeliebtes GustavTier. Oh je, ein Reh! Er darf nicht jagen, das muss ich eindringlich ihm sagen. Dann pfeift sie laut, ruft meinen Namen. Aus ist der Spaß für heute! Amen. Also, meine Besitzer müssten doch eigentlich wissen, dass ich zwar ein Jagdhund bin, aber ein Vorstehhund. Und was tut der Vorstehhund? Richtig – er zeigt an, aber er greift nicht an. Außer er muss. Das mache ich dann aber nur auf der Jagd, und dafür gibt man mir ein entsprechendes Kommando. Ich bin übrigens nicht halb so blöd, wie viele glauben, weil ich so einen süßen Gesichtsausdruck habe. Mit den Kindern von meinem Herrchen darf ich spielen, was ich besonders gern mache, wenn sie mit mir das Essen teilen. Natürlich heimlich – es ist sozusagen unser kleines Geheimnis. Obwohl … vor der Coronazeit war ich nach Abendesseneinladungen noch persönlicher Tellervorwäscher. Ich sag’s euch: Wow, da gab es tolle Sachen! Nun jedoch bin ich schon froh, wenn ein Schinkensemmerl mit mir geteilt wird. Bei den Kindern genieße ich das volle Vertrauen, werde gestreichelt und gelobt, doch draußen traut man mir nicht immer über den Weg. Dabei hab ich doch noch nie … Okay, zu Ostern, das muss ich beichten, da war irgendwann einmal was mit einer Gans. Also, wenn ich könnte, wie ich wollte, dann würde ich noch beim Nachbarbauernhof vorbeischauen, wo zufällig eine entzückende Vizsla-Dame wohnt. Ist ja schließlich Frühling! Von Frühjahrsmüdigkeit können wir gerne dann reden, wenn ich ruhig und erschöpft im Körbchen liege. Also, lasst es euch gut gehen und genießt den Frühling wie ein junger Hund!