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Der Kampf gegen Fake News beginnt in der Schule
Förderung der Medienkompetenz
Fake News und gezielte Desinformation stellen eine Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat dar. Der Verlegerverband SCHWEIZER MEDIEN engagiert sich seit über 25 Jahren in der Förderung der Medienkompetenz bei Jugendlichen. Mit der Initiative «UseTheNews» soll dieses Engagement zusammen mit Keystone-SDA, der SRG und der Stiftung Mercator Schweiz massgeblich gestärkt werden. Damit leistet die Medienbranche einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Demokratie, wie ein Schulbesuch zeigt.
Text: Pascal Krauthammer Bilder: Ramon Lehmann
Seit dem Angriff der Hamas und dem Einmarsch der israelischen Armee im Gazastreifen laufen auch beim Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer LCH die Telefonhörer heiss. Viele Lehrkräfte kommen in der Vermittlung des Konfliktes an Grenzen, denn die Stimmung ist seit dem 7. Oktober 2023 aufgeheizt. Die höchste Lehrerin, Dagmar Rösler, beobachtet, wie Kinder und Jugendliche im Netz oder auf den sozialen Medien teilweise falsche und unhaltbare Aussagen aufgreifen und weiterverbreiten. «Daraus können allein in einer Klasse schwierige Situationen entstehen», sagt Rösler. «Zum Beispiel, wenn auf einer Plattform der Nahostkonflikt sehr einseitig dargestellt wird und Kinder diesen ungefiltert weitergeben, dann kann ein Gefühl von Hilflosigkeit, Ungerechtigkeit und persönlicher Angegriffenheit entstehen.» Junge Menschen seien besonders gefährdet, glaubt Rösler: «Für Schülerinnen und Schüler ist es häufig eine Glaubenssache, oder es hängt von der Gruppe oder von Freunden ab, ob Informationen wahr oder falsch sind. Sie müssen also zuerst noch lernen, etwas kritisch zu hinterfragen, zu hinterleuchten und entsprechend zu reflektieren.»
Fakten versus Fake News
Pranvera stammt aus dem Kanton Aargau. Die 15Jährige bestätigt die Beobachtung der höchsten Lehrerin. «Zurzeit sind es vor allem Informationen über den Nahostkonflikt, die mir auf den sozialen Medien ausgespielt werden», sagt Pranvera. «Es werden beispielsweise Kinder interviewt, oder ich erfahre, was im grössten Spital in GazaStadt passiert.» Diese Flut an Informationen und Bildern sei teilweise nur schwer auszuhalten, erklärt Pranvera: «Wenn ich etwas anschaue, einen Post like oder nicht skippe, dann kommt sogleich das nächste Bild oder der nächste Film mit der gleichen Stossrichtung. Wenn es extrem wird, dann tut mir das nicht gut.» Mitschüler Tayler kennt diesen Effekt, den die sozialen Medien auf die Nutzenden haben. Auch er beschreibt, wie man sich plötzlich nur noch in Filterblasen bewegt und es gar nicht merkt. «Die meisten sind sich nicht bewusst, wie das mit dem Algorithmus funktioniert», sagt der 15Jährige, der Nachrichten vor allem auf Instagram und TikTok konsumiert. «Irgendwann lässt man sich treiben, und Gedanken verfestigten sich. Wer sich ein Video anschaut und gleich nochmals eins ausgespielt bekommt, verliert alsbald das Interesse, die andere Seite verstehen zu wollen. Das ist ein Problem.» Vor allem dann, wenn die Informationen falsch oder unvollständig sind und so die Meinungsbildung von Jugendlichen beeinflussen. Tayler und Pranvera sind sich einig, dass Jugendliche, auch sie, dringend Wissen und Werkzeuge brauchen, um Fakten von Fake News unterscheiden zu können.
Ein Unfall aus verschiedenen Perspektiven
Genau dies, Nachrichtenkompetenz, lernen die beiden Jugendlichen im «Newsroom»Workshop. Ermöglicht wird er durch die Burgergemeinde Bern, in Zusammenarbeit mit dem Medieninstitut des Verlegerverbandes SCHWEIZER MEDIEN und dem PolitForum Bern. An diesem Vormittag sind Pranvera und Tayler zusammen mit rund dreissig Mitschülerinnen und Mitschülern aus dem Kanton Aargau im PolitForum Käfigturm der Stadt Bern zu Gast. Im Workshop stellt Janine Zürcher, die sonst für das «Thuner Tagblatt» schreibt, anhand konkreter Beispiele ihre journalistische Arbeit vor. Die Schülerinnen lernen in einem zweiten Block, sich kritisch mit Informationen auseinanderzusetzen und journalistische von nicht journalistischen Inhalten zu unterscheiden. Dabei hilft ein Beispiel aus der Praxis, ein Unfallhergang, der mit Fotos aus verschiedenen Perspektiven abgebildet wird. Mit jedem neuen Foto vervollständigt sich der Ablauf des Unfalls, und wie bei einem Mosaik entsteht dadurch erst ein vollständiges Bild. Auf diese Weise lernten die Jugendlichen, ihre schnellgefasste Meinung zu revidieren, sagt Journalistin Zürcher: «Ich möchte sie dazu anregen, kritisch zu denken und sich eine eigene Meinung zu bilden. So auch mit dem UnfallBeispiel, das aufzeigt, dass gewisse Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln ganz anders aussehen können.» Wer es gewohnt sei, Medien zu konsumieren, Tageszeitungen beispielsweise, beherrsche diese Fähigkeit. Bei vielen Jugendlichen fehle jedoch diese Kompetenz, weil sie kaum mehr einen Bezug zu den klassischen Medien hätten, konstatiert Zürcher: «Es wird von einer grossen Mehrheit, die sich vor allem in den sozialen Medien bewegt, kaum mehr hinterfragt, woher gewisse Informationen stammen. Gerade darum finde ich es wichtig aufzuzeigen, dass Informationen auch Macht sind und in diesem Sinn auch missbräuchlich verwendet werden können.» Hier müsse man dringend Gegensteuer geben, ist die Journalistin überzeugt: «Erkennen Jugendliche Fake News und können sie diese von Fakten unterscheiden, entwickeln sie ein Gespür dafür, welche wichtige Funktion Medien für unsere Demokratie und Gesellschaft haben.»
Der zweistündige Workshop scheint seine Wirkung nicht zu verfehlen. Die Jugendlichen vertiefen sich unter der Anleitung der Journalistin in die Recherche, beginnen zu diskutieren und ihre vorgefassten Meinungen zu hinterfragen. Der 15jährige Tayler glaubt, eine Veränderung beobachtet zu haben: «Viele wussten bis anhin nicht, wie man Informationen gewinnt und wie man sie auswertet. Dieser Kurs hat uns geholfen, in diesem Punkt einen grossen Schritt vorwärts zu machen.» Und auch Pranvera ist überzeugt, durch den «Newsroom» profitiert zu haben: «Der Workshop hat mir persönlich geholfen, nochmals sensibler mit dem Thema Fake News umgehen zu können. Ich weiss jetzt, dass und wie man die Perspektiven ändern kann und dadurch ein klareres Bild bekommt.»
Nachrichtenkompetenz im Interesse der Schweizer Demokratie
Begrüsst werden Initiativen wie der «Newsroom» auch von Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH): «Es ist wichtig, dass junge Menschen schon früh die Fähigkeit besitzen oder erwerben, Desinformation zu erkennen.» Dabei geht es nicht nur um die Aktualität, den Krieg im Nahen Osten oder in der Ukraine. Für Rösler ist das Engagement der Verlagshäuser in die Medienkompetenz ein langfristiges Engagement für die Gesellschaft als Ganzes.
Gerade auch angesichts der Tatsache, dass Demokratien weltweit unter Druck sind, auch in Europa, ist Rösler überzeugt, dass die Demokratie und die Grundrechte auch in der Schweiz keine Selbstverständlichkeit seien, sondern von jeder Generation aufs Neue erarbeitet und verteidigt werden müssten. «Eine zentrale Rolle dabei spielt die politische Bildung, durch die junge Menschen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern erzogen werden», sagt die höchste Lehrerin der Schweiz. «Doch trotz der grossen Bedeutung der politischen Bildung für die Schweizer Demokratie schneiden Schweizer Jugendliche in entsprechenden Studien nur durchschnittlich ab. Viele haben wenig Vertrauen in die Politik. Zudem gewinnen autoritäre Denkweisen an Zuspruch. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.» Die Initiativen der Verlagshäuser für mehr Nachrichtenkompetenz sei auch unter diesem Aspekt zentral, ist Rösler überzeugt.
Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin LCH.
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«UseTheNews»: Desinformation gemeinsam bekämpfen
Der «Newsroom» im Polit-Forum ist eine von vielen Initiativen zur Stärkung der Nachrichtenkompetenz bei Schweizer Jugendlichen. Nachrichtenkompetenz meint die Fähigkeit, Nachrichten kritisch zu bewerten, Quellen zu überprüfen, Medien zu verstehen und Informationen sachgerecht zu analysieren, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Neu gibt es die Initiative «UseTheNews», die der Verlegerverband Schweizer Medien, die Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA und die SRG gemeinsam ins Leben gerufen haben. Die Initiative baut auf dem gleichnamigen internationalen Netzwerk auf. Die Erfahrungen aus anderen Ländern sind vielversprechend und haben die Schweizer Träger bewogen, hier den Schulterschluss zu wagen.
«UseTheNews» versteht sich als nationale Dachorganisation zur Stärkung der Nachrichtenkompetenz. Schon seit Jahrzehnten unterstützt und entwickelt der Verlegerverband im Rahmen seines Medieninstituts Formate, um die Medienkompetenz – insbesondere von Jugendlichen – zu fördern. Auch das Engagement bei «UseTheNews» ist somit ein Bekenntnis des VSM zur Befähigung der nächsten Generation von Medienkonsumentinnen und -konsumenten. Um deren Nachrichtenkompetenz zu fördern und die Desinformation zu bekämpfen, baut «UseTheNews» auf vier Säulen auf: Vernetzung und Information ermöglichen, Bildungsangebote bündeln, Veranstaltungen ausrichten sowie Medienforschung stärken.
Die drei Träger arbeiten in den kommenden Monaten die Initiative und deren Aktivitäten konkret aus. Ziel ist, weitere Partner aus Bildung und Zivilgesellschaft, aus der Wissenschaft sowie aus der Medienbranche einzubinden und so der Dachorganisation zu einer breiten Abstützung zu verhelfen. In engem Austausch mit Wissenschafts- und Bildungspartnern und in synergetischer Zusammenarbeit mit Anbietern, Institutionen und Organisationen wird Orientierung geschaffen und der Dialog mit Jugendlichen und anderen Bevölkerungsgruppen zur journalistischen Nachrichtenkompetenz gefördert. Die Lancierung und der Aufbau von «UseTheNews» werden in den ersten drei Jahren von der Stiftung Mercator Schweiz unterstützt.
Weitere Informationen: www.usethenews.ch