bulletin Nr. 1/2012
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Nr. 1 2012
bulletin
Das Magazin des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
6
–Wittenberg, Zürich, Genf
Wem gehört die Reformation?
– Lesen, hören und sehen Sie Ihren Kirchenbund im bulletin online! www.sek.ch
10 – Das Pilotprojekt zum Rückführungsmonitoring Migrationsarbeit
war ein Erfolg
16 – Religiöse Spannungen sind bis auf weiteres auszuhalten, Dialog
sagt Ratspräsident Gottfried Locher
32 – Ein enttäuschender Rücklauf bedeutet doch einen Vernehmlassung Bekenntnis
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK Sulgenauweg 26 CH-3000 Bern 23 Telefon +41 (0)31 370 25 25 info@sek.ch
sek · feps Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund
Meilenstein in der Geschichte der Schweizer Kirchen
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– Editorial
KEYSTONE/Gaetan Bally
Willkommen in unserem bulletin!
Titelbild: John Calvin Bobble Head, Figur mit beweglichem Kopf, Calvin College, Grand Rapids, Michigan, USA. Eigene Bildmontage.
Sie kennen es schon? Dann freuen Sie sich auf eine neue Erfahrung. Das bulletin des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes erscheint nun im dreizehnten Jahr. Im März 2000 wurde es ins Leben gerufen, um aufzuzeigen, was unsere Kirchen gemeinsam und über Kantons- und Landesgrenzen hinweg tun. Geschichten, Hintergründe, Debatten: In unserem bulletin lesen Sie Wesentliches aus dem Leben der protestantischen Welt. Nun gestalten wir es neu. Stärker als bisher richten wir die Themen an den tatsächlichen Fragen unserer Kirchen aus. Was Sie beschäftigt, das soll auch im bulletin stehen. Eine gesamtschweizerische Sicht ergänzt lokale und regionale Themen. Wo sinnvoll nehmen wir internationale Erfahrungen mit auf. Stärker als bisher informiert das bulletin über aktuelle Projekte des Kirchenbundes. Denn der Kirchenbund, das sind seine Kirchen. Was wir im Namen unserer Kirchen öffentlich sagen, was wir im Namen unserer Kirchen tun: darüber berichtet das bulletin. Zweimal pro Jahr, jeweils im Sommer und im Herbst. Und damit beginnen wir: Lesen Sie über die Herausforderungen des kommenden Reformationsjubiläums, über unsere Menschenrechtsarbeit und den Einsatz für Flüchtlinge, über unsere Erfahrungen mit dem Pilotprojekt des Rückführungsmonitorings, über das Rousseau-Jahr und über Bekenntnisse in den Kirchen. Lesen Sie mit und nehmen Sie teil an einer Kirche, die auch national und international präsent ist. Ihre Kirche. Im Namen des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, seines Rates und seiner Mitarbeitenden, wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre.
Gottfried Wilhelm Locher Präsident des Rates
4 bulletin Nr. 1/2012
– bulletin Nr. 1/2012
Themen dieser Ausgabe
– Wittenberg, Zürich, Genf
Wem gehört die Reformation?
6
– Migrationsarbeit
Roter Faden Menschenrechte
10
– Religiöse Spannungen in Europa
Christlich, angstfrei, fremdenfreundlich
16
32 %
68 %
– Fakten aus dem Kirchenbund
Frauen und Männer im kirchlichen Dienst
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– bulletin Nr. 1/2012
Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK – Reformation heute
Die Reformation hat Europa verändert. Was macht seitdem eine Kirche zur Kirche? 20
– Vernehmlassung Bekenntnis
Wie machen die Reformierten ihren Glauben erkennbar?
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– Glaube in der Welt – Rousseau-Jahr 2012
Von der Lust am treffenden Wort
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– Flüchtlingssonntag 2012
Gastfreundschaft ist eine zweischneidige Sache
Die evangelischen Kirchen des Nahen Ostens
34
– «Wo bist du, Adam?»
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Zur Diskussion der Menschenwürde aus ökumenischer Sicht
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– Organisation Evangelische Kirchen in der Schweiz
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Rat des Kirchenbundes
42 43
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kirchenbundes
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– Umstrukturierung Eine neue Organisation für den Kirchenbund
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Die Kirchen des Kirchenbundes
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– Evangelisch Kirche sein Legislaturziele des Rates 2011–2014
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6 bulletin Nr. 1/2012
Bei so viel Personenkult sehen viele Reformierte rot: der (deutsche) Reformator Martin Luther im Taschenformat.
– Wittenberg, Zürich, Genf
Wem gehört die Reformation?
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In Deutschland heisst die Reformationsdekade (noch) Lutherdekade. Diese Konzentration lässt das Calvin-Jahr 2009 zum Apéro verkommen und hat für das Zwingli-Jubiläum 2019 keinen Platz. Unklar ist zudem, worum es geht, wenn von «Reformation» gesprochen wird.
2017 Von Serge Fornerod
und 2019 … Mit dem Näherrücken der 500-JahrJubiläen wird die Frage «Wem gehört die Reformation?» überraschend aktuell. Doch bereits das CalvinJubiläum 2009 hat es vor Augen geführt: Es ging in erster Linie darum, den Genferinnen und Genfern – und den frankophonen Christinnen und Christen – einen Teil ihrer verkannten, von Falschinformationen, Vorurteilen und Klischees überlagerten Geschichte auf ungewohnt neue Art zu präsentieren. Wiederentdeckt haben wir bei dieser Gelegenheit auch die weltweite Ausstrahlung Calvins und seinen Einfluss in Bereichen weit über die Theologie im strikten Sinn hinaus. Zahlreiche Menschen überall in der Welt beriefen sich plötzlich auf Calvin. Damit wurde deutlich, dass die Reformation zuallererst eine vielgestaltige Bewegung mit zahlreichen Schwerpunkten ist, in deren Mittelpunkt die Suche nach dem Sinn des Lebens, der Einheit der Kirche und der gesell-
schaftlichen Wirkmacht des Evangeliums steht. Namentlich das weltweite Echo auf das Erbe Calvins veranlasste 2009 den Kirchenbund zur Aussage: «Ohne Calvin wäre die Reformation deutsch geblieben.» Nun, da in Deutschland die Vorbereitungen für «Luther 2017» in vollem Gang sind, mag es sinnvoll sein, sich ernsthaft mit der eingangs gestellten Frage zu befassen – nicht zuletzt mit Blick auf den 2019 zu feiernden Beginn von Zwinglis Wirken vor 500 Jahren. Wenn wir beobachten, wie die Verantwortlichen in Deutschland 2017 planen, fallen zwei einander widerstrebende Tendenzen auf: Die eine will alles auf Luther und seine Person zentrieren. 2017 wird zum Höhepunkt einer Lutherdekade, worin das Calvin-Jahr im besten Fall den Apéro bildet und das ZwingliJubiläum 2019 keinen Platz mehr findet. Als würde 2017 die Zeit stillstehen. Die weltweite Dimension kommt nur 2016 zum Zug; die ursprünglich für 2013 vorgesehene ökumenische Dimension ist aus der Planung verschwunden und hat einem Jahr der Toleranz Platz gemacht.
8 bulletin Nr. 1/2012 Wem gehört die Reformation? Die andere Tendenz fokussiert auf die von Luther aktualisierte befreiende Botschaft und deren Sinn, den es für die Kirche von heute neu zu entdecken gilt; sie ringt aber auch um ein mehrwertiges, internationales und polyzentrisches Verständnis der Reformation. Doch trotz all diesen Anstrengungen und Versprechungen der Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland EKD hinsichtlich einer «Reformationsdekade» figurieren «Luther 2017» und «Lutherdekade» nach wie vor als offizielle Bezeichnungen. In den nächsten Monaten sollte deutlicher werden, was die deutschen Veranstalter, Kirchen und Staat, tatsächlich gemeinsam feiern wollen und wie die übrigen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen darin einen Platz finden werden.
Was ist die Reformation?
Diese Situation wirft ein Schlaglicht auf die mangelnde Klarheit, wenn es um das Verständnis des Begriffs «Reformation» damals und heute geht. Für die einen: allein die Figur Luther. Für die anderen: ein Prozess mit immenser Auswirkung auf das Denken, die Kultur und die Geschichte Europas. Für die Katholiken: ein Drama und eine noch immer nicht verwundene Spaltung. Für die Protestanten: der Anfang einer langen Reihe von Spaltungen in konfessionelle Unterabteilungen. Aber auch der Anfang einer eigenen institutionellen und theologischen Existenz, die dem protestantischen Selbstverständnis nach Gott allein Rechenschaft schuldig ist. Gerne aber überspringen die Protestanten leichten Fusses fünfzehn Jahrhunderte christlicher Geschichte und Traditionen. Ganz klassisch formuliert ist die evangelische Kirche «die katholische Kirche, die durch die Reformation hindurchgegangen ist». Aber sie ist vor allem «nicht katholisch» oder genauer «nicht römisch». Unter Ausblendung der geschichtlichen Realität stehen zwei statische institutionelle Sichtweisen einander gegenüber. Die Protestanten ignorieren die Kontinuität zwischen dem, was Luther, Zwingli oder Calvin im ausgehenden Mittelalter, aus dem sie hervorgegangen sind, schreiben und denken konnten. Sie ignorieren aber auch die Kontinuität der Reformatoren, auf die sie sich berufen, mit anderen erfolgreichen oder gescheiterten Reformbestrebungen innerhalb der katholischen Kirche der damaligen Zeit. Die katholische
Kirche ihrerseits vergisst, dass die Reformation auch zu ihrer Veränderung beigetragen hat. Negativ, indem sie als Reaktion auf diese Bewegung immer «römischer» und immer weniger katholisch wurde; positiv, indem sie Positionen entwickelte und Einsichten vertiefte, von denen einige schliesslich zumindest in Teilen Eingang in das Zweite Vatikanum fanden.
Die Reformation zu feiern ist die ökumenische Aufgabe schlechthin
Die moderne historische Forschung hat aufgezeigt, in welchem Masse wir Gefangene von Vorstellungen und Bildwelten, ja von konfessionellen Mythologien sind, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufbereitet worden sind. Als Beispiel für mangelnde Klarheit in Bezug auf die Reformations-Definition liesse sich die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre anführen, die 1999 vom Lutherischen Weltbund und vom Vatikan, später auch vom Weltrat Methodistischer Kirchen unterzeichnet wurde. Wenn es bei der Reformation wirklich um die Rechtfertigungslehre ging, weshalb hat diese Erklärung dann keine wesentlichen Fortschritte im ökumenischen Dialog gebracht? Richtig ist, dass die Reformation zur Gründung der protestantisch genannten Kirchen führte, doch daraus zu schliessen, dass sie heute alle der reformatorischen Zielsetzung entsprechen, ist falsch. Die Reformation ist in erster Linie eine Bewegung, welche die Übereinstimmung des kirchlichen Lebens mit ihrer Quelle, dem Evangelium, sucht. In diesem Sinn machen es sich die Protestanten zu einfach, wenn sie sich mit der «Protestbotschaft» der Reformation begnügen und sich nicht mehr wirklich auf eine erneuerte Lesart des Evangeliums für heute berufen. Heute die Reformation feiern, kann nur eines bedeuten: das Evangelium für die Kirche und die Welt von heute neu interpretieren. Gerade das aber ist definitionsgemäss die ökumenische Aufgabe schlechthin.
– «Ohne Calvin wäre die Reformation deutsch geblieben.»
Inwiefern können die Jubiläen den Schweizer Kirchen schon 2017 Impulse verleihen?
Unter diesem Blickwinkel betrachtet, muss es für sämtliche Schweizer Kirchen ein gemeinsames und dringliches Anliegen sein, 500 Jahre Reformation in ei-
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nem nachkonfessionellen oder konfessionsübergreifenden Geist zu begehen. Die Kirchen in Europa bedürfen neuer Impulse. Reformbedürftig sind in erster Linie ihre Zukunftsvision und die Kerninhalte ihrer Botschaft – und erst in zweiter Linie ihre Strukturen. Die europäische Gesellschaft ist pluralistisch und multikulturell geworden, doch umso virulenter sind die Fragen nach dem Sinn des Lebens, seiner Rechtfertigung und nach den Modalitäten des Zusammenlebens in der Gesellschaft. Es ist wichtiger, unsere gemeinsamen spirituellen Schätze zu entdecken, als auf dem Trennenden zu beharren. Selbstkritik ist auch den Protestanten als Pensum aufgetragen. Wie haben sie, die sich mit ihrer Offenheit in ökumenischen Fragen brüsten, die theologischen Konsens- und Kompromisspapiere der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa oder des Ökumenischen Rates aufgenommen? Wie steht es um den dogmatischen Föderalismus unserer Landeskirchen? Die faule Zufriedenheit gegenüber unseren zahlreichen Grenzen, die Pflege unserer internen Normen auf kantonaler und lokaler Ebene, gelten sie nicht seit langem als unfehlbares Dogma unter dem Deckmantel des Föderalismus und aus Respekt vor einer lokalen Vielfalt, die mehr von Provinzialität denn von Authentizität zeugt? Ja, auch die Evangelische Kirche in der Schweiz braucht die Reformation. Sie gehört ihr, nicht umgekehrt. Luther, Calvin und Zwingli waren Suchende. Ihre Suche galt der Erforschung des Evangeliums und nicht der Gründung einer Kirche. <
Weiterführende Informationen
Video-Interview: 3 Fragen an den Autoren Serge Fornerod, Leiter Aussenbeziehungen und Projektleiter der Reformationsjubiläen http://player.vimeo.com/video/42827411
â&#x20AC;&#x201C; Migrationsarbeit
KEYSTONE/Martin Ruetschi
Roter Faden Menschenrechte
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Die Aufmerksamkeit war gross, als der Kirchenbund im Juni 2011 bekannt gab, das Mandat für das halbjährige Pilotprojekt Rückführungsmonitoring zu übernehmen. Das Projekt ist inzwischen abgeschlossen. Grund für einen Rückblick und die Einordnung in das kirchliche Engagement im Migrationsbereich.
von Simon Röthlisberger
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ommen Asylsuchende und andere Migrantinnen und Migranten in die Schweiz, treffen sie auf Angebote und Projekte der evangelischen Kirchen. Ich nehme Sie auf einen Migrationsparcours mit – im Wissen darum, dass Migrationsprozesse so unterschiedlich verlaufen wie es Menschen gibt, die migrieren. Ausgangspunkt dieses Migrationsparcours sind die Empfangs- und Verfahrenszentren, Abschluss – nur als letzte der angewendeten Massnahmen – sind die Ausschaffungen auf den sogenannten Sonderflügen.
Ankunft: Seelsorge in den Empfangs- und Verfahrenszentren
Fliehen Flüchtlinge in die Schweiz, dann können sie in einem der fünf Empfangs- und Verfahrenszentren EVZ oder in den Transitzonen der Flughäfen Genf und Zürich ein Asylgesuch stellen.
Die Kirchen sind in den EVZ präsent. Die ökumenischen Seelsorgedienste sind die einzigen nicht-staatlichen Akteure, die Zutritt zu den EVZ haben. Obwohl die Seelsorgedienste derzeit noch nicht interreligiös ausgerichtet sind, nehmen sie für alle Asylsuchenden eine seelsorgerliche und vor allem auch sozialdiakonische Funktion wahr. Sie sind zentral bei der Konfliktbewältigung. Genauso selbstverständlich leisten sie mit dem Betrieb von sogenannten Kaffeetreffs einen Beitrag zum sozialen Austausch zwischen den Asylsuchenden. Die Seelsorgedienste tragen mit ihrem Engagement deshalb wesentlich zum Zusammenleben in den EVZ bei.
Durchsetzung des Rechts auf Rechte: Rechtsberatungsstellen
Fällt ein Asylentscheid negativ aus, können sich Asylsuchende in den Rechtsberatungsstellen beraten las-
12 bulletin Nr. 1/2012 Migrationsarbeit sen. Die Rechtsberatung hat einen zentralen Stellenwert bei der Überprüfung der staatlichen Entscheide. Über die Rechtsberatungsstellen können Rekurse eingereicht werden. Eine beachtliche Erfolgsquote untermauert deren hohen Stellenwert. Die Kirchen, insbesondere die reformierten Kirchen und das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz HEKS, gehören zu den wichtigsten Geldgebern der Rechtsberatungsstellen.
Integratives Angebot: Migrationskirchen
von Einwanderinnen und Einwanderer aus Afrika, Lateinamerika oder Asien in den letzten Jahren gegründeten neuen Migrationskirchen im Fokus stehen. Gemäss der Studie gibt es in der Schweiz über 300 solcher Kirchen. Migrationskirchen können wesentliche Teile des Lebensumfelds von Migrantinnen und Migranten sein. Sie sind wichtige Orte, an welchen sie sich zu Hause und akzeptiert fühlen, soziale Kontakte pflegen und wo sie eine spirituelle Heimat finden. Die persönlichen Ressourcen von Migrantinnen und Migranten werden gestärkt. Vermutlich zeigt sich die Bedeutung von neuen Migrationskirchen sowohl in sozialer als auch in spiritueller Hinsicht bei denjenigen am deutlichsten, die in prekären aufenthaltsrechtlichen Verhältnissen leben und grundsätzlich schlechte Voraussetzungen für ihre Integration haben: Asylsuchende, abgewiesene Asylsuchende und Sans-Papiers, welchen es am Lebensnotwendigsten fehlt. Meist sind es die grösseren Kirchen des Kirchenbundes, die im Bereich Migrationskirchen aktiv geworden sind. Die Migrationskirchen sind strukturell meist nicht Teil der evangelischen und reformierten Ortskirchen – eine Ausnahme bildet die Evangelisch-methodistische Kirche, welche Migrationsgemeinden in Regelstrukturen eingebunden hat.
– Die Kirche soll die Menschen nicht auf sich allein gestellt lassen, wenn sie sich in ausweglosen Situationen befinden.
Asylsuchende sowie andere Migrantinnen und Migranten nehmen ihre Religion und ihren Glauben mit. Viele schliessen sich entweder bestehenden Glaubensgemeinschaften an oder bilden neue. So ist vielleicht auch der Asylsuchende, welcher sich auf einer Rechtsberatungsstelle beraten lässt, Mitglied einer Migrationskirche. Migrationskirchen haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Der Kirchenbund hat deshalb 2010 eine Studie dazu veröffentlicht, in der die vornehmlich
– Migration: So engagiert sich der Kirchenbund Das Engagement des Kirchenbundes im Bereich Migration ist vielfältig: Es kommt in seinen Grundlagendokumenten und Stellungnahmen ebenso zum Ausdruck wie in der kontinuierlichen Gremien- und Hintergrundarbeit. Der Kirchenbund ist in der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen EKM, der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR und der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa KKME/CCME vertreten. Zudem organisiert der Kirchenbund den Austausch über Migrationsfragen zwischen den Mitgliedkirchen und ist Mitglied der «Nationalen Plattform für einen Runden Tisch der Sans-Papiers».
Prekäre Lebenssituation: Sans-Papiers
Einige abgewiesene Asylsuchende tauchen unter und werden zu Sans-Papiers. Auch gibt es Arbeitsmigrantinnen und Migranten, die Ihren Aufenthaltsstatus verloren haben. Vielleicht sie sind irregulär eingereist und leben seit Jahren oder Jahrzehnten in der Schweiz. Trotz ihres unsicheren Status sind viele gut integriert, andere befinden aber sich in äusserst prekären Lebensverhältnissen. Die öffentlichkeitswirksamen Kirchenbesetzungen der Sans-Papiers-Bewegung vor rund zehn Jahren haben das Bewusstsein um die schwierigen Lebenssituationen erhöht. Aus den Unsichtbaren sind Sichtbare geworden. Sans-Papiers halten sich zwar irregulär in der Schweiz auf, sie sind aber nicht rechtlos: Grundrechte oder das Recht auf Schulbildung für Kinder gelten auch für sie. Verschiedene Kirchen des Kirchenbundes setzen
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sich konkret für einzelne Sans-Papiers ein und haben massgeblich dazu beigetragen, Beratungsstellen aufzubauen.
Wenn der Entscheid über das Asylgesuch negativ ausfällt oder die Aufenthaltsbewilligung entzogen wurde, die Rekurse abgelehnt sind und sich die Betroffenen weigern, selbständig auszureisen, dann kann es sein, dass es zu einer zwangsweisen Ausschaffung auf einem Sonderflug kommt. Ausschaffungen finden statt. Der Kirchenbund hat hingegen verschiedentlich deutlich gemacht, dass Ausschaffungen immer die letzte der angewendeten Massnahmen sein müssen. Härtefallregelungen und die freiwillige und selbstbestimmte Rückkehr mit Rückkehrhilfe sollen im Vordergrund stehen. Und kommt es dennoch zur Ausschaffung, müssen Menschenwürde und Menschenrechte der Betroffenen zwingend gewahrt bleiben. Aus seinem Engagement für die Rechte der Betroffenen begründet sich auch der Einsatz des Kirchenbundes in diesem Grenzbereich: Die Kirche soll die Menschen nicht auf sich allein gestellt lassen, wenn sie sich in ausweglosen Situationen befinden. Die Ausschaffung per Sonderflug ist jedoch nicht die Regel, sondern die Ausnahme: 2011 fanden 9 461 kontrollierte Ausreisen auf dem Luftweg statt. 6 141 Personen begleitete die Polizei bis zum Flugzeug. 165 Personen kamen auf einen Sonderflug. Der Kirchenbund wurde durch das Bundesamt für Migration BFM angefragt, ein Pilotprojekt für eine systematische Beobachtung dieser Sonderflüge durchzuführen. Ziel war die Beobachtung von zwangsweisen Rückführungen auf dem Luftweg. Die Rechtskonformität und Verhältnismässigkeit der Staatshandlungen sollten vor dem Hintergrund der geltenden Grundrechte beobachtet und Erkenntnisse für ein dauerhaftes Monitoring gewonnen werden. 10 Sonderflüge haben die Beobachtenden, die der Kirchenbund im Konsens mit der Schweizerischen Flüchtlingshilfe SFH und dem BFM ausgewählt hat, be-
SEK/Thomas Flügge
Ultima ratio: Ausschaffungen und deren Überwachung
Pressekonferenz zum Abschluss des Pilotprojekts und zur Folgelösung des Ausländerrechtlichen Vollzugsmonitorings, Bern, 22. März 2012, v. l. n. r: Geschäftsleiter Philippe Woodtli sowie der Migrationsbeauftragte Simon Röthlisberger, beide Kirchenbund, Beobachterin Martina Caroni, BFM-Direktor Mario Gattiker
gleitet. Ebenfalls beobachtet wurden ausgewählte Transporte vom Aufenthaltsort zum Flughafen. Insgesamt wurde die Ausschaffung von 61 Personen beobachtet. Der Kirchenbund etablierte und leitete ausserdem das «Fachgremium» als begleitendes Diskussionsgefäss der Akteure. An den Sitzungen wurden anhand der Beobachterberichte die Abläufe der zwangsweisen Rückführungen analysiert und die brisanten Themen, z.B. die Verabreichung vom Beruhigungsmittel Dormicum, diskutiert. Im Fachgremium waren die Beobachtenden, das BFM, die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten KKPKS, die Vereinigung der Migrationsämter VKM sowie der Kirchenbund und die SFH vertreten. Das Fachgremium erarbeitete Empfehlungen zur Verbesserung der Situation sowohl für die Auszuschaffenden als auch für die Vollzugsbehörden. Letzteren wird grundsätzlich eine professionelle Arbeitsweise attestiert. Handlungsbedarf zeigt sich bei Systemfragen: Beispiels-
– Gerade durch diesen Einsatz und dem nicht Zurückschrecken vor gesellschaftspolitisch diskursiven Themen gewinnen die Kirchen an Glaubwürdigkeit.
14 bulletin Nr. 1/2012 Migrationsarbeit weise bei der Information der Auszuschaffenden über den Ablauf des Sonderflugs oder bei der Bereitstellung medizinischer Informationen. Weiter machen die Empfehlungen deutlich, dass bei den Anwendungen von Zwangsmassnahmen nicht schematisch, sondern dem Einzelfall angemessen gehandelt werden muss. Das Pilotprojekt erzielte eine positive Wirkung. Es brachte Transparenz in den Bereich der Sonderflüge. Die Berichte der Beobachtenden führten zu konkreten Empfehlungen für die Praxis. Die Beobachtenden gewannen das Vertrauen der Vollzugsbehörden. Schliesslich wurden Systemfragen für ein zukünftiges und dauerhaftes Monitoring erörtert. Das Pilotprojekt zeigte deutlich die Notwendigkeit eines breit abgestützten Austauschgefässes, um die Beobachtendenberichte aus staatlicher wie nichtstaatlicher Perspektive zu diskutieren und Folgerungen abzuleiten. Das Fachgremium ist deshalb ein Schlüsselelement des Monitorings. Der Kirchenbund hat sich in Gesprächen für eine dauerhafte Folgelösung des Monitorings eingesetzt. Die Übernahme der Verantwortung für das Monitoring durch die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter NKVF und die Weiterführung des Fachgremiums als
Forum in erweiterter Zusammensetzung sind positive Entwicklungen. Der Kirchenbund wird auf Anfrage der NKVF weiter Mitglied im neuen Forum sein. Die NKVF ist eine unabhängige Kommission mit einem übergeordneten Mandat mit einer soliden rechtlichen Grundlage. Sie ist deshalb die ideale Organisation für das zukünftige Monitoring. Der Kirchenbund hat damit ein zentrales Ziel erreicht, nämlich einen substantiellen Beitrag zu einem dauerhaften Monitoring zu leisten.
– Das Pilotprojekt erzielte eine positive Wirkung. Es brachte Transparenz in den Bereich der Sonderflüge.
Rahmenbedingungen beeinflussen: institutionelle Mitarbeit
Der Entscheid, ob jemand die Schweiz verlassen muss oder nicht, ist wesentlich durch die Migrationsgesetzgebung, sei dies das Ausländer- oder das Asylgesetz, bestimmt. Aber auch für Arbeitsmigrantinnen und Migranten oder anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge ist es zentral, wie die Gesetzgebung gute Rahmenbedingungen für ihre Integration schafft und wie die zuständigen Behörden Ermessensspielräume ausnutzen. In den ausserparlamentarischen Kommissionen gegen Rassismus EKR und für Migrationsfragen EKM bringen sich Vertreter des Kirchenbundes auf einer institutionellen Ebene ein. Weiter nimmt der Kirchenbund kontinuierlich zu den wesentlichen Gesetzesentwürfen Stellung. So setzte er sich schon in der Vernehmlassung zur Übernahme der EU-Richtlinie für die Überwachung von Sonderflügen ein oder machte sich für die Einführung klarer Kriterien und einer transparenten humanitären Praxis bei der Härtefallregelung von Sans-Papiers stark.
Umfassende Präsenz
Mit einer Broschüre hat der Kirchenbund 10 Antworten gegeben – auf Fragen, die ihm zum Rückführungsmonitoring gestellt wurden.
Diese nicht abschliessende Skizzierung der Arbeitsfelder macht deutlich: Die Kirchen sind in unterschiedlichsten Themen präsent, in dem sie mit Seelsorgediensten und der Unterstützung von Migrationskirchen spirituelle Bedürfnisse abdecken oder bei der Unterstützung von Sans-Papiers, der Rechtsberatungsstellen oder eben bei der Begleitung von Sonderflügen sich einbringen. Der Fokus des kirchlichen Einsatzes liegt klar bei der Ermöglichung eines würdevollen Lebens in der Schweiz. Aber
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sind die verschiedenen Engagements widersprüchlich? Kann man sich für Sans-Papiers einsetzen und gleichzeitig Ausschaffungen beobachten? Es gibt Kohärenz und einen roten Faden, der diese Arbeitsfelder verbindet: Der Einsatz für Menschenrechte und Menschenwürde – sowohl bei Sans-Papiers als auch bei denjenigen, die die Schweiz verlassen müssen. Gerade durch diesen Einsatz und dem nicht-Zurückschrecken vor gesellschaftspolitisch diskursiven Themen gewinnen die Kirchen an Glaubwürdigkeit, wenn sie ihrer Forderung nach Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung der Menschenrechte nicht nur mit Worten, sondern mit Taten Nachdruck verschaffen. <
Weiterführende Informationen
Video-Interview: 3 Fragen an den Autoren Simon Röthlisberger, Beauftragter für Migration http://player.vimeo.com/video/42123907
2 Fragen an Philippe Woodtli, Geschäftsleiter http://player.vimeo.com/video/42820947 Der Kirchenbund gibt 10 Antworten auf 10 Fragen zum Rückführungsmonitoring. www.10antworten.ch
16 bulletin Nr. 1/2012
– Religiöse Spannungen in Europa
Christlich, angstfrei, fremdenfreundlich
Wenn die Christen in Europa sich an ihre eigenen Grundwerte und Traditionen erinnern, fällt die Öffnung gegenüber dem Fremden leichter.
Von Gottfried Locher
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hne gemeinsame Werte kein friedliches Zusammenleben, darüber war man sich in Davos einig. Am Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums diskutierten Fachleute aus verschiedenen Kulturen über das Thema «Religiöse Spannungen in Europa überwinden». Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die verschiedenen Religionen zu solch gemeinsamen Werten etwas beitragen könnten, oder ob sie nicht doch eher dazu neigten, das je Trennende zu betonen. Für eine sehr engagierte Diskussion war damit gesorgt.
Erstens: Unterschiedliches Verständnis von «Religionsfreiheit»
In Europa existieren nennenswerte Meinungsunterschiede über die Rolle der Religion im öffentlichen Raum. Diese Unterschiede bestehen ausdrücklich auch zwischen Vertretern verschiedener Religionen. Für eine christlich geprägte Mehrheit in Europa ist der Begriff staatlicher Säkularität in gewissem Sinne wertneutral, lässt er doch den freien Ausdruck persönlich und gemeinschaftlich gelebter Religiosität zu. Ob ein solches Verständnis des religiös neutralen Staates aber von allen in Europa wachsenden Formen des Islams geteilt wird, ist unklar. Jedenfalls verunsichert der Blick auf muslimisch dominierte Länder, wo Religionsfreiheit für Andersgläubige nicht im selben Umfang geschützt wird wie in Westeuropa, viele Menschen. Die Wahrnehmung, dass in einigen Ländern Christen unter Repressionen leiden müssen, obwohl dort Religionsfreiheit behauptet wird, kann die Beziehungen zwischen den Religionen in unserem Land belasten.
Zweitens: Spannungen sind bis auf weiteres auszuhalten
Zum Wesen jeder Religion gehört auch eine Art von Wertekatalog in individual- und sozialethischen Fragen. Verschiedene Religionen tragen verschiedene Wertesysteme in sich. Diese Werte müssen sich nicht grundsätzlich widersprechen, und es gehört zu den wichtigsten Aufgaben des interreligiösen Dialogs, diesbezügliche Gemeinsamkeiten zu finden und zu fördern. Davon hängt der Religionsfrieden entscheidend mit ab. Dennoch bleibt es eine Tatsache, dass unterschiedliche Werte bestehen bleiben, auch in ganz grundlegenden Fragen wie etwa dem Geschlechterverhältnis. Intellektuell redlich ist also, die Verschiedenheit der Religionen nicht wegzureden. Bis auf weiteres werden auch Spannungen in Grundsatzfragen ungelöst bleiben. Toleranz ohne Ehrlichkeit führt nicht zu religiösem Frieden.
Drittens: «Fundamental» ist nicht «fundamentalistisch»
Religionen sind von Natur aus fundamental. Religion will letztgültige, eben grundlegende Antworten geben. Würde sie darauf verzichten, so könnte sie nicht mehr leisten, was ihr den Namen gibt: religio, Rückbindung. Aber: Es gilt, die entscheidende Grenze zwischen fundamental und fundamentalistisch zu beachten. Fundamentalismus interessiert sich primär für die Differenz, nicht für das Fundament. Um im Bild zu bleiben: Dem Fundamentalisten geht es nicht um die frei gewählte Rückbindung, sondern um die erzwungene Fesselung an eine
Das Schweizer Volk hat 2009 dafür gestimmt, den Neubau von Minaretten zu verbieten. So steht es nun in der Bundesverfassung. Die hitzige Debatte hat gezeigt: Wer sich selbst nicht kennt, lässt sich nicht auf Fremdes ein.
angebliche Wahrheit. An dieser Grenze hört die Toleranz auf. Es gilt zu betonen: Religiosität und Fundamentalismus sind zweierlei.
Viertens: Spannungen werden erst erträglich, wenn man sich kennt
Für den religiösen Frieden in Europa ist es entscheidend, dass sich die Menschen unterschiedlichen Glaubens auch tatsächlich begegnen. Nur wer sich kennt, sieht hinter dem Anderen auch den Menschen. Was banal klingt, ist in Wirklichkeit ein echtes Problem: Parallelgesellschaften verhindern gerade, dass Begegnungen in den vielen Bereichen des Lebens stattfinden können. Man kennt sich dann eben doch nicht wirklich und ist entsprechend weniger gewillt, sich auf Fremdes einzulassen. Was im Alltag gilt, gilt auch für den interreligiösen Dialog. Dabei ist es erfreulich, an wie vielen Orten Menschen versuchen, einander auch über Religionsgrenzen hinweg kennen zu lernen und zu verstehen. Nicht nur lokal, auch national und auf offizieller Ebene gibt es in der Schweiz eine solche Initiative: den Schweizerischen Rat der Religionen. Dort versuchen die gewählten Vertreter der verschiedenen Religionen genau dies zu tun: Wir sprechen miteinander, wir essen miteinander, wir erfahren Trennendes und Verbindendes. Und wir erleben einander als wertvolle Mitmenschen.
Fünftens: Bewusst christlich heisst bewusst angstfrei
Paradoxerweise bin ich der Meinung: Wenn wir bewusst christlich leben, fördern wir den Religionsfrieden.
Wir Christen sollten uns darauf besinnen, was in unserem Evangelium steht. Wir sollten uns an christliche Tugenden erinnern und unsere eigenen Traditionen wiederbeleben. Denn wenn wir das tun, wächst das Vertrauen in die eigene religiöse Identität. Mehr Gewissheit in Glaubensfragen ist eine Voraussetzung für freien und offenen Umgang mit Menschen anderen Glaubens. In gewissem Sinne könnte man sagen: «Christlichere» Christen begegnen dem Islam offener und toleranter. «Christlicher»: Der Begriff ist kein ethischer Komparativ, sondern Ausdruck einer bewussteren, reflektierten Glaubenshaltung. Männer und Frauen, die ihren eigenen Glauben kennen und ihm vertrauen, begegnen Andersgläubigen angstfreier. Sie wissen um die Wahrheit, dass ihnen Christus im Fremden und als Fremder begegnen kann. <
Weiterführende Informationen
Video: Der Autor, Kirchenbundspräsident Gottfried Locher, diskutiert zum Thema am Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums im Januar 2012 in Davos: http://www.youtube.com/watch?v=ShQlZ6KumB0
18 bulletin Nr. 1/2012
– Fakten aus dem Kirchenbund
Frauen und Männer im kirchlichen Dienst 32 % Pfarrerinnen/Pfarrer im Gemeindedienst Total 1959
68 %
Diakoninnen/Diakone Total 739
42 %
58 % Stand Zahlen: 2010
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Pfarrerinnen/ Pfarrer
Diakoninnen/ Diakone
Reformierte Landeskirche Aargau
Diakoninnen/ Diakone
♂ 71 ♀ 26
♂ 28 ♀ 26
♂ 28 ♀ 16
♂ – ♀ 8
♂ 8 ♀ 2
♂ 3 ♀ 5
♂ 17 ♀ 7
♂ 3 ♀ 4
♂ 9 ♀ –
♂ 1 ♀ –
♂ 64 ♀ 19
♂ 15 ♀ 17
♂ 2 ♀ –
♂ – ♀ –
♂ 129 ♀ 42
♂ 16 ♀ 34
♂ 10 ♀ 1
♂ 3 ♀ –
♂ 7 ♀ 9
♂ 2 ♀ 9
♂ 243 ♀ 120
♂ 86 ♀ 146
♂ 10 ♀ 1
♂ – ♀ –
♂ 69 ♀ 20
♂ 17 ♀ 11
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St. Gallen ♂ 94 ♀ 60
♂ 25 ♀ 20
Evangelisch-Reformierte Landeskirche beider Appenzell
Evangelisch-reformierte Kirche Kanton Schaffhausen ♂ 14 ♀ 11
♂ 2 ♀ 3
Reformierte Kirche Baselland
Evangelisch-reformierte Kantonalkirche Schwyz ♂ 52 ♀ 27
♂ 17 ♂ 17
Reformierte Kirche Basel-Stadt
Evangelisch-Reformierte Kirche Kanton Solothurn ♂ 18 ♀ 9
♂ 12 ♀ 20
Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn
Chiesa Evangelica Riformata nel Ticino ♂ 316 ♀ 167
♂ 60 ♀ 86
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Freiburg
Evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau ♂ 21 ♀ 9
♂ 2 ♂ 2
Église Protestante de Genève
Evangelisch-Reformierte Landeskirche Uri ♂ 27 ♀ 17
Evangelisch-Reformierte Landeskirche des Kantons Glarus
Pfarrerinnen/ Pfarrer
♀ 3 ♀ 1
Église Évangélique Réformée du canton de Vaud ♂ 9 ♀ 5
♂ 1 ♀ –
Evangelische Landeskirche Graubünden
Evangelisch-reformierte Kirche des Wallis ♂ 63 ♀ 35
♂ 6 ♀ 5
Reformierte Kirche Kanton Luzern
Reformierte Kirche Kanton Zug ♂ 22 ♀ 13
♂ 2 ♀ 8
Église réformée évangélique du canton de Neuchâtel ♂ 17 ♀ 17
♂ 8 ♀ 5
Evangelisch-Reformierte Kirche Nidwalden
Evangelisch reformierte Landeskirche des Kantons Zürich Église Évangélique Libre de Genève
♂ 4 ♀ –
♂ – ♀ –
Evangelisch-Reformierte Kirche Obwalden
Evangelisch-methodistische Kirche in der Schweiz ♂ 2 ♀ –
♂ – ♀ –
20 bulletin Nr. 1/2012
– Reformation heute
Die Reformation hat Europa verändert. Was macht seitdem eine Kirche zur Kirche? «Unter uns gesagt, ist an der ganzen Sache nichts interessant als Luthers Charakter, und es ist auch das einzige was einer Menge wirklich imponiert. Alles übrige ist ein verworrener Quark, wie er uns noch täglich zur Last fällt», schrieb der alte Goethe im hochgefeierten Lutherjahr 1817 an einen Freund. Da hat heutzutage die Reformation im westlichen Europa schon eine bessere Presse.
Von Martin Hirzel
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umindest unter Gebildeten gilt die Reformation seit Ernst Troeltsch als wichtige Etappe auf dem Weg zur Moderne, zu Demokratie und Menschenrechte. Auch die Kultur der Schweiz versteht man nicht ohne Kenntnis der Reformation und der Geschichte der Konfessionen und ihrer Auseinandersetzungen. Dabei geht jedoch leicht vergessen, dass die Reformation primär ein theologisches und kirchliches Ereignis war, wenn auch ein stark von den politischen und gesellschaftlichen Umständen bestimmtes. Für die reformierten Kirchen sind 500 Jahre Reformation in 2017 sowie die Reformationsjubiläen in 2019 und den Folgejahren die Gelegenheit für die Frage, wie
die Wahrheit des christlichen Glaubens heute formuliert und gelebt werden kann. Wo liegt der Grund, dass es reformierte Kirchen gibt? Weshalb wird an verschiedenen Universitäten reformatorische Theologie gelehrt? Ziel dieses Abenteuers, den theologischen Glutkern der Reformation immer wieder neu zu entdecken, ist jedoch nicht die konfessionelle Selbsterhaltung, vielmehr die Wahrnehmung des Auftrags der einen Kirche für die Welt.
Worum ging es denn in der Reformation?
Den Reformatoren erschienen Gott, Mensch und Welt von Gottes Wort her radikal in neuem Lichte. Die Kirche sollte klarer Gott die Ehre geben und dadurch
22 bulletin Nr. 1/2012 Reformation heute dem Leben dienen. Die neue Sicht der Bibel als lebendiges Wort sowie die Betonung der Wichtigkeit der Predigt und der Gemeinde waren dafür die Voraussetzung; anstossgebend war jedoch die Hoffnung, dass Gott selber für sein Wort einsteht. Die enge Verbindung der Theologie mit dem kirchlichen und gesellschaftlichen Leben war folgenreich. Das theologische Nachdenken der Reformatoren führte zu grundlegenden, das religiöse, individuelle, soziale und politische Leben nachhaltig prägenden Unterscheidungen, zum Beispiel von Gott und Mensch oder Kirche und Staat. Die heutige Relevanz dieses Denkens zu erweisen, ohne die problematischen Seiten auszublenden; dazu bietet das Reformationsjubiläum eine gute Gelegenheit.
Als Christ leben
Die Rede vom «gnädigen Gott» war für Luther, Zwingli und Calvin zentral. Heute ist das Bewusstsein für die Wirklichkeit Gottes nicht mehr selbstverständlich. Heutigen Menschen befreiend und sinnstiftend von Gott zu erzählen, ist für unsere Kirchen die grosse missionarische Herausforderung. Menschen sollen erfahren: Gott selber stellt sicher, dass sie vor ihm bestehen können. Rechtfertigung nach reformatorischem Verständnis meint: Das Gelingen des Lebens und seine Vollendung über die Grenze dieses Daseins hinaus hängt nicht an der eigenen Leistung. Es hängt am Gottvertrauen, das sich der Begegnung mit Jesus Christus verdankt. Der befreite Mensch, so sagen die Reformatoren, liebt seine Mitmenschen und Gott. Luther sagt dies so: Das rechte Handeln folgt notwendigerweise aus dem fröhlichen Glauben. Was Luther damals meinte, gilt heute umso mehr: neu zur Sprache zu bringen, was «christliche Freiheit» und «Rechtfertigung» meinen. Für die Formulierung dieser Kernbotschaften der Reformation helfen neben der Predigt auch andere Kommunikationsmedien: das persönliche Zeugnis, das diakonische Handeln, aber etwa auch die Musik. Von der christlichen Freiheit her gilt es immer wieder neu die Frage zu stellen: Was sollen und dürfen wir als Christen tun? Zwingli zum Beispiel relativierte aus seiner christlichen Freiheit heraus Handlungsnormen wie die Fastengebote der Stadt Zürich. Mit dem gleichen
Vertrauen zu Gott und mit Blick auf die gesellschaftlichen Probleme seiner Zeit stellte er die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit.
Was Kirche zur Kirche macht
Die ökumenische Erklärung von Reuilly aus dem Jahr 1999 sagt: Die Kirche ist die Gemeinschaft derer, die mit Gott und miteinander versöhnt sind. Sie ist die Gemeinschaft derer, die in der Kraft des Heiligen Geistes an Jesus Christus glauben und durch Gottes Gnade gerechtfertigt sind. Das Hören auf das Wort Gottes und die Nachfolge der christlichen Gemeinschaft macht die Kirche für die Reformatoren zur «versöhnten Gemeinschaft». Was darüber hinaus über Kirche zu sagen ist, ergibt sich für reformatorisches Denken wesentlich aus ihrem Auftrag. Dazu gehören Verkündigung, Lehre, Leitung und Diakonie.
Welche Gestalt soll die Kirche haben?
Die Reformatoren nahmen im 16. Jahrhundert für die Wahrnehmung des Auftrags der Kirche die Hilfe des Staates in Anspruch. In der Schweiz war die Entwicklung der Kirche besonders eng verbunden mit der Entwicklung der politischen und demokratischen Strukturen. Mit zunehmender Entflechtung von Kirche und Staat stellt sich den reformierten Kirchen der Schweiz die Frage: Wie kann Kirche heute gestaltet werden, damit sie ihrem Auftrag gerecht wird? Reformierte müssen heute ganz neu lernen, dass die Kirche eine konkrete Gestalt braucht, damit die Verkündigung des Evangeliums durch Predigt und Sakrament gewährleistet ist. Dazu müsste das Motto «Ecclesia reformata semper reformanda» neu ernstgenommen werden: nicht als Argument für den ständigen Wandel und damit die unverbindliche Formlosigkeit, vielmehr als Einladung zur bewussten Erneuerung der kirchlichen Formen und Strukturen in kritisch-konstruktiver Auseinandersetzung mit den kirchlichen Traditionen.
– Die enge Verbindung der Theologie mit dem kirchlichen und gesellschaftlichen Leben war folgenreich.
Reformation und Ökumene
Zum Reformationsjubiläum 2017 und dem Nachdenken über die Botschaft der Reformation heute gehört die ökumenische Perspektive dazu. Sonst laufen wir
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Gefahr zu vergessen, dass es den Reformatoren um die Erneuerung der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche ging. Und wir würden aus den Augen verlieren, dass das Streben nach Einheit der Kirche und die Überwindung der schmerzlichen Trennungen wesentlich zu unserem kirchlichen Auftrag gehören. Ohne die ökumenische Perspektive würden wir auch vergessen, dass sich die römisch-katholische Kirche nicht nur unter expliziter Abgrenzung gegenüber der Reformation, sondern auch unter impliziter Aufnahme einzelner Anliegen entwickelt hat. Die ökumenische Verpflichtung, die Teilhabe beider Konfessionen an der Reformation und die gemeinsamen Herausforderungen der Kirchen in der modernen Gesellschaft für die Verkündigung machen das Reformationsjubiläum zu dem ökumenischen Anlass schlechthin, um darüber nachzudenken, wie die Kirchen besser die Einheit der Kirche nachleben können. Es ist Zeit zu fragen: Welche gemeinsame Zukunft wollen wir? <
Weiterführende Informationen
Video-Interview: 3 Fragen an den Autoren Martin Hirzel, Beauftragter für Ökumene und Religionsgemeinschaften http://player.vimeo.com/video/42824313
24 bulletin Nr. 1/2012
– Rousseau-Jahr 2012
Von der Lust am treffenden Wort Die evangelischen Kirchen feiern 300 Jahre Jean-Jacques Rousseau: Philosoph, Denker, Glaubender. Sein steter Wunsch nach Austausch liess den bedeutenden Vertreter reformierter Tradition auch problematische Gedanken aussprechen.
Von Otto Schäfer
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ch habe Religion, mein Freund, und das ist auch gut so», betont Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) 1758 in einem Brief an den Genfer Pfarrer Jacob Vernes. Die Aussage ist, obwohl apologetisch, aufrichtig gemeint; und sie hatte ihren Preis, nämlich den Spott der Mainstream-Philosophen seiner Zeit, seien sie agnostisch, atheistisch oder zumindest antiklerikal. Würde Rousseau seine durchaus berechtigte Angst vor der Zensur und Polizei der Berner Obrigkeit überwinden und beim Kirchenbund am Sulgenauweg 26 anklopfen, dann wäre er dort irgendwie zu Hause – allen damals von ihm ausgelösten und bis heute nicht verstummten Kontroversen zum Trotz. Deshalb hat es durchaus seine Richtigkeit, wenn der Kirchenbund mit der Beteiligung an einigen der zahlreichen programmierten Feierlichkeiten sein Interesse an Rousseau diskret signalisiert. Wie üblich stellt der Kirchenbund bei dieser
Gelegenheit den Mitgliedkirchen, etwa Genf und Neuenburg, die in seinem Team versammelte theologische Kompetenz zur Verfügung. Dass Jean-Jacques Rousseau ein bedeutender Vertreter der reformierten Tradition ist, lässt sich an mindestens vier Aspekten ablesen: an seinem Verständnis von Gesetz und Gesellschaftsvertrag, an seinem religiösen Empfinden für die Harmonie der Schöpfung, an seiner Kritik der Zivilisation und der gesellschaftlichen Konventionen – letztlich reformierte Bildkritik –, sowie an seiner Introspektion, anders gesagt, an seiner unter anderem in den Bekenntnissen beschriebenen Selbstbeobachtung der eigenen psychischen und spirituellen Verfasstheit. Mit seinem Contrat social (1762) gehört Rousseau zu den grossen Staatstheoretikern des modernen Rechts. Wie bei seinem englischen Vorläufer John Locke (1632– 1704) – ein reformierter Denker auch er – wird bei Rous-
Erich Lessing
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26 bulletin Nr. 1/2012 Rousseau-Jahr 2012 seau das Verständnis von menschlicher Gesellschaft und Staat weitgehend durch die Bundestheologie und das presbyterianisch-synodale System der aus der calvinischen Reformation hervorgegangenen Kirchen bestimmt: Souveränität wird nicht von oben aufoktroyiert, sondern kommt von unten als Resultat des vertraglichen Zusammenschlusses freier Individuen. Für Rousseau kann die politische Ausübung dieser Freiheit nicht delegiert werden. In seinem Verständnis vom Gemeinschaftswillen orientiert er sich am Modell der Landsgemeinde in der Schweiz: Repräsentative Demokratie und autonome Exekutive stehen unter Verdacht. Zugleich ist er ein glühender Pro-Europäer und reflektiert als einer der ersten Philosophen die institutionalisierte Befriedung des gesamten Kontinents. Im fünften Spaziergang seiner Träumereien eines einsamen Spaziergängers (1776–1778) kommt Rousseau auf seinen kurzen Aufenthalt auf der St. Petersinsel im Bielersee zu sprechen und beschreibt den Seelenfrieden, den die Betrachtung der Natur auslöst: Das Geräusch der Wellen und die Bewegung des Wassers versenkten meine Seele «in eine entzückende Träumerei, in der mich die Nacht oft überraschte, ohne dass ich ihr Nahen bemerkt hätte». In einer solchen Verfassung genügt man sich selbst «wie Gott» – die Mystik eines Rousseau knüpft an an das antike Erbe, an den Trost der Philosophie des Boetius und an den noch weiter zurückliegenden Traktat «Über die Gemütsruhe des Plutarch», eines von Rousseau besonders geschätzten Autors. Aber auch Calvin mit seinem Diktum von der Natur als dem «Theater zum Ruhme Gottes» ist gegenwärtig, ebenso die Calvinisten des 16. Jahrhunderts, die dem Gedanken der allgemeinen Offenbarung Gottes im «Buch der Natur» so innig verbunden sind, dass sie noch den geringsten Grashalm als «Abbild Gottes» (Pierre Viret) sehen.
«Über die Ungleichheit» (1754/55). Ohne je für ein (unmögliches) «Zurück zur Natur» zu plädieren, sieht Rousseau in der Bezugnahme auf einen fiktiven Naturzustand, ja auf das konkrete Leben der «Wilden» ein wichtiges Korrektiv zur Hypertrophie des Scheins in zivilisierten Gesellschaften. Die heute so oft beschworene «freiwillige Einfachheit» – Rousseau hat sie zu seiner Zeit als einen ihm zusagenden kargen und ländlichen Lebensstil praktiziert. Die Zivilisationskritik bei Rousseau nimmt zwar Impulse aus einem breiten Schrifttum gerade auch katholischer Schriftsteller auf; verankert ist sie jedoch in einer starken reformierten Tradition. Das bekannteste Beispiel für diese Tradition ist der Roman «Robinson Crusoe» von Daniel Defoe (1660–1731) mit seinem reformierten Frömmigkeitsprofil und der Figur des Freitags, einer Verkörperung des «guten Wilden». In seinem Erziehungsroman «Emile» (1762) rät Rousseau nachdrücklich zur Lektüre des Robinsons, für ihn das einzige Buch, das jungen Menschen nicht künstliche Systeme und konventionelle Phrasen aufzwingt und sie so verdirbt.
– «Ich habe Religion, mein Freund, und das ist auch gut so.»
Die Zivilisationskritik Rousseaus hat reformierte Wurzeln
Für Rousseau ist die Zivilgesellschaft verderbt: «Kurzum: der Leser wird verstehen, […] warum der ursprüngliche Mensch nach und nach verschwindet und die Gesellschaft den Augen des Weisen nichts mehr als ein Gemisch gekünstelter Menschen und künstlicher Leidenschaften zeigt», so der Philosoph in seiner Abhandlung
Der Citoyen de Genève gibt Anlass zur Debatte
Schliesslich unterbreitet JeanJacques Rousseau als einer der ersten Autoren seiner Leserschaft ausführliche autobiografische Gedanken, einschliesslich der Beobachtung seiner intimsten Erfahrungen. Nicht umsonst wurde die öffentliche Lesung der zwischen 1765 und 1770 verfassten Bekenntnisse untersagt, und zwar unter dem Druck von Personen, die Indiskretionen und Abrechnungen befürchteten. In dieser Hinsicht ist Rousseau ein Erbe der Gewissensprüfung, wie sie sich in der reformierten Tradition entfaltete mit der seltenen (jährlich viermaligen) Feier des Abendmahls und der damit einhergehenden Angst, es unwürdig zu empfangen. Bekannt sind weitere calvinistische Zeugnisse von peinlich genauer und herzzerreissender Selbstbeobachtung, zuweilen in Form eines Tagebuchs. Solche Schriften waren aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Es ist eines der zahlreichen Paradoxa – und nicht das geringste –, dass Rousseau unter dem Vorwand der Enthüllung des wahren Selbst zur Verfeinerung der Selbststilisierung, also des von ihm so heftig abgelehnten Scheins, beigetragen hat. Es ist dies nicht der einzige problematische Aspekt im Denken des Stars so vieler Gedenkfeiern. Zu Recht hat
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Karl Barth bei Rousseau einen Rationalismus verurteilt, der zwar weniger platt ist als bei vielen seiner Zeitgenossen, sich aber gleichwohl der Offenbarung verschliesst. Gegen Rousseau ist daran festzuhalten, dass der Glaube immer vom Handeln eines seiner Geschichte mit Israel und Jesus Christus treu bleibenden Gottes abhängt und nicht vom menschlichen Gefühl, und sei es noch so erfüllt von zweifellos aufrichtigen Emotionen. Der Citoyen de Genève gibt Anlass zur Debatte – sei es seine Idee einer Zivilreligion (dargelegt im Glaubensbekenntnis eines savoyardischen Vikars) oder der mögliche kollektivistische Terror, den die Französische Revolution aus dem Diktat des Gemeinschaftswillens hergeleitet hat, oder der zuweilen fast schon groteske Züge annehmende posthume Persönlichkeitskult. Sich auf diese Debatte einzulassen, bedeutet, Rousseau zu ehren. Denn eines ist gewiss: Sein Denken ist dialogisch angelegt und wenn es noch immer zu uns spricht, dann deshalb, weil es von der Lust am treffenden Wort und am Austausch der Gedanken durchdrungen ist. <
Weiterführende Informationen
Video-Interview: 3 Fragen an den Autoren Otto Schäfer, Beauftragter für Theologie und Ethik http://player.vimeo.com/video/42825830
28 bulletin Nr. 1/2012
– Flüchtlingssonntag 2012
Gastfreundschaft ist eine zweischneidige Sache Der Aufruf der Kirchen und Religionsgemeinschaften zum Flüchtlingssonntag und Flüchtlingssabbat vom 16. und 17. Juni 2012 schliesst sich wie jedes Jahr der Kampagne zum Flüchtlingstag der Schweizerischen Flüchtlingshilfe an.
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mmer am dritten Wochenende im Juni rufen die Flüchtlingstage das Schicksal von Flüchtlingen in Erinnerung. Über 200 Schweizer Städte und Gemeinden beteiligen sich an der 1980 durch die Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH begründeten Aktion. Helfen ist unsere humanitäre Pflicht, sagen seit vielen Jahren die Kirchen und Religionsgemeinschaften in ihrem parallelen Aufruf zum Flüchtlingssabbat und Flüchtlingssonntag. Auch 2012. Folgend lesen Sie den Aufruf.
«Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.» Gastfreundschaft ist eine zweischneidige Sache. Denn mit dem Gast kommt eine fremde Person ins
Haus, die nicht zur Familie oder zum Haushalt gehört. Das Risiko, die falsche Person hereingebeten zu haben, kann nicht ausgeschlossen werden. Das macht misstrauisch. Der Gast könnte sich sogar als Feind entpuppen. Wir kennen diese Haltung, sie ist auch nicht unbegründet, wir machen ja alle unsere Erfahrungen – und die sind nicht immer gut. Wer wünscht sich nicht den Besuch von Engeln? So fremd sie auch sein mögen, wir hätten nichts zu befürchten. Der Vers aus dem Hebräerbrief steht in einem Abschnitt unter der Überschrift «Ermahnungen für den Alltag». Es geht also nicht um Weihnachtsengel, Theater oder Kunstwerke, sondern um Engel im Alltag. Offenbar sind sie auf den ersten Blick oder auch gar nicht zu erkennen. Wir wissen nicht, in welchem Menschen sich ein Engel verbirgt. Und weil es den Menschen nicht an-
SFH/B. Konrad
«Der Gedanke, es könnte ein Engel sein, ist auch ein Weg, fremden Menschen zu begegnen». Seit mehr als 30 Jahren finden öffentliche Aktionen rund um den Flüchtlingstag statt.
zusehen ist, könnte jeder Mensch, der vor unseren Wohnungstüren steht, ein Engel sein. Mit jedem Menschen, dem wir die Tür vor der Nase zuschlagen, könnten wir einen Engel weggeschickt haben. Auch das ist ein Risiko – aus biblischer Sicht das weitaus größere und schwerwiegendere. Es ist viel davon die Rede, dass Asylsuchende unsere Gastfreundschaft ausnutzen, missbrauchen und sich nicht wie Gäste aufführen. Das kommt vor, das ist unser Risiko als Gastgeber. Niemand spricht davon, dass die Asylsuchenden jene Engel sind, die uns als Gäste beehren. Das kommt vor, sagt der Hebräerbrief und auch das ist unser Risiko als Gastgeber. Der Gedanke, es könnte ein Engel sein, ist auch ein Weg, fremden Menschen zu begegnen. Gerade weil sich Engel nicht zu erkennen geben, können wir eigentlich gar nicht anders, als das von jedem Men-
schen, der uns um Gastfreundschaft nachfragt, anzunehmen. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften haben sich schon 1985 gemeinsam verpflichtet: «Die Achtung der Menschenwürde jeder Person, ungeachtet ihrer Rasse, Sprache, Religion, ihres Geschlechts oder ihrer sozialen Stellung gehört zu den Grundsätzen unseres Staates und unserer Kultur. Dieser Grundsatz hat sich besonders in unserem Verhalten gegenüber den Schwachen und Benachteiligten, auch gegenüber den Asylsuchenden und Flüchtlingen zu bewähren.» (Auf Seiten der Flüchtlinge, 1985). <
Medienpark/Pfander
Medienpark/Georgi
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Gottedienst und Gottesdienst – andere Form, gleiches Bekenntnis? Die Reformierten der Schweiz sind uneins.
– Vernehmlassung Bekenntnis
Wie machen die Reformierten ihren Glauben erkennbar? Der Rücklauf ist enttäuschend. Nur fünf Prozent der 3700 mit einem Fragebogen bedienten Pfarrpersonen, Kirchenbehörden und Fachstellen haben sich zum «Werkbuch Bekenntnis» geäussert. Gleichzeitig bedeutet es einen Meilenstein in der Geschichte der Schweizer Kirchen, dass jetzt die Diskussion über Glaubensbekenntnisse landesweit eröffnet wird.
Von Christina Tuor-Kurth
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ennen, erkennen, bekannt machen – all das steckt im deutschen Verb «bekennen». Ein Bekenntnis – verstanden in seiner religiösen Bedeutung als Eintreten für eine Glaubenslehre – drückt aus, was Menschen in der Heiligen Schrift erkennen, und was sie in ihren eigenen Worten wiedergeben. Bekenntnisse sind «Gottes Wort in unsere Sprache und Denkmuster übersetzt» (Alexis Salgado). Bekenntnisse machen etwas bekannt, sie werden laut und öffent-
lich – so im Gottesdienst – gesprochen. Dadurch tragen Bekenntnisse den Glauben weiter: sie verbinden christliche Gemeinschaften durch die Jahrhunderte gelebten Glaubens. Die christliche Texttradition ist reich an Bekenntnissen. Neben dem Grundbekenntnis der christusgläubigen Gemeinde, dem Glauben daran, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, finden sich in den biblischen Schriften zahlreiche weitere Bekenntnisse: der Glaube an
32 bulletin Nr. 1/2012 Vernehmlassung Bekenntnis den einen Gott, an Gott den Schöpfer von Himmel und Erde, der Glaube an das Ende von Armut und Ungerechtigkeit, an die Erlösung aus Leiden und Tod. In der Geschichte des Christentums sind Bekenntnisse immer auch von ihrer jeweiligen Zeit mitgeprägt. In der Anfangszeit des reformierten Glaubens dienten sie als Sammlung von Argumenten, die eine Entscheidung der politischen Instanzen zugunsten der Reformation herbeiführen sollte. Daneben enthielten Bekenntnisschriften in der Reformationszeit auch Verurteilungen gegen andere reformatorische Strömungen. Seit dem 20. Jahrhundert sind es auch politische oder ethische Fragestellungen, die innerhalb der Kirchen zum Bekennen aufrufen. Gewaltsysteme wie der Nationalsozia lismus und die Apartheid, der nuk leare Rüstungswettlauf, die wachsenden globalen Ungerechtigkeiten und die ökologische Zerstörung wirkten als mächtige Impulse für Bekenntnisse. Eberhard Busch spricht hier von einer «neuen Bekenntnisfreudigkeit». In unserem Jahrhundert löst ein weiterer Moment die Notwendigkeit einer Rückbesinnung auf die Bekenntnistradition der Kirchen aus: Verschiedene Studien der
letzten Jahre attestieren den christlichen Kirchen in der Schweiz keine rosige Zukunft: Gesprochen wird von Verwässerung des Glaubens, von Unkenntlichkeit kirchlichen Profils, vom Abbruch konstitutiver Glaubenstraditionen, von Unfähigkeit, über den Glauben zu sprechen.
Eine schweizweite Diskussion zum Bekenntnis wird eingeleitet
Den Abbruch von Glaubens traditionen hat im Jahr 2006 eine Gruppe namhafter Persönlichkeiten aus Theologischen Fakultäten und Kirchenleitungen unter der Leitung von Pfr. Dr. Matthias Krieg (Zürich) aufgenommen. In Anlehnung an das book of confessions der Presbyterianischen Kirche der USA hat sie eine Sammlung von vierundzwanzig Glaubensbekenntnissen aus Geschichte und Gegenwart der christlichen Kirchen zusammengestellt, das «Werkbuch Reformierte Bekenntnisse». 2011 bereits in einer zweiten Auflage beim Theologischen Verlag Zürich erschienen, will es die Diskussion um ein gemeinsames Glaubensbekenntnis in den reformierten Kirchen der Schweiz anstossen. Ziel ist eine Debatte über die Grundlagen und tragenden Inhalte des eigenen Glaubens: Wie können wir über unseren Glauben reden? Worauf können wir uns dabei beziehen? Worin besteht die reformierte Prägung unseres Glaubens und woher kommt sie? Woran werden wir für andere erkennbar? Die Arbeit mit dem Werkbuch soll zudem Antwort darauf geben, welche Texte in eine Sammlung von Referenztexten aufgenommen werden, und welchen Stellenwert eine solche Sammlung in Zukunft einnehmen kann, dies auch im Blick auf die anstehenden Reformationsjubiläen. Es ist ein Meilenstein in der Geschichte der Schweizer Kirchen, dass jetzt die Diskussion über Glaubensbe-
Damiano Moser
– In der Geschichte des Christentums sind Bekenntnisse immer auch von ihrer jeweiligen Zeit mitgeprägt.
«Das Credo von Kappel» ist ein Vorschlag im Werkbuch Bekenntnis auf Grundlage eines Gedichts des Pfarrers und Schriftstellers Kurt Marti.
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kenntnisse landesweit eröffnet wird. Nie zuvor wurde eine gesamtschweizerische Diskussion darüber geführt, dass im Verlauf des sogenannten Apostolikumstreites im 19. Jahrhundert in den reformierten Kirchen der Schweiz die Bekenntnisbindung nach und nach aufgehoben wurde. Im Sommer 2009 hat der Rat des Kirchenbundes von seiner Abgeordnetenversammlung die Aufgabe übernommen, das Werkbuch Reformierte Bekenntnisse bei den Mitgliedkirchen in eine Vernehmlassung zu geben. Diese Vernehmlassung dauerte von Juli 2010 bis Juni 2011. Von den insgesamt 3700 mit einem Fragebogen bedienten Adressen – Pfarrpersonen, Behördenpräsidien und Erwachsenenbildungsfachstellen – erfolgte ein enttäuschend kleiner Rücklauf von etwas mehr als fünf Prozent. Darunter sind auch solche Stimmen mitgezählt, die sich ausserhalb des Fragebogens mit einem Kommentar in die Diskussion eingebracht haben.
Apostolikum Bestandteil des Gemeindegottesdienstes ist, nur mit rund 8 % beteiligt haben. Diese gelebte Praxis ist damit in den Antworten zu wenig repräsentiert. Das einmal angestossene Gespräch geht weiter. Verschiedene Kirchen haben das Thema Bekenntnis in ihre Legislaturziele aufgenommen. Der Kirchenbund regt in seinem Bericht zuhanden der Abgeordnetenversammlung an, eine lebendige Kultur des Bekennens zu pflegen. Dem Abbruch der christlichen Tradition in der Schweiz kann durch ein deutlicheres Profil der reformierten Kirchen entgegengewirkt werden, zu dem das Bekenntnis ein Mittel ist. Doch sind Bekenntnisse keine Pflichttexte, sondern interpretationsbedürftige Sprach- und Denkangebote, über die breit und in grosser Vielfalt diskutiert werden muss. <
Das Gespräch ist eröffnet
Weiterführende Informationen
Trotz des mageren Rücklaufs hat das Werkbuch Reformierte Bekenntnisse bei den Teilnehmenden an der Vernehmlassung Gefallen gefunden. Die Auseinandersetzung mit der Sammlung führte zu zahlreichen Gesprächen über die Funktionen von Bekenntnissen und über Bekennen grundsätzlich, auch ausserhalb des Rahmens dieser Vernehmlassung. Die Ergebnisse der Vernehmlassung selbst lassen sich so zusammenfassen: Das erste, von der Initiativgruppe formulierte Ziel wurde erfüllt, das Werkbuch vermochte die Initialzündung zu einer schweizweiten Diskussion um reformiertes Bekenntnis geben. Gerade die ökumenische Bedeutung der Bekenntnisse, als Verbindung zu anderen Kirchen, wird von vielen Teilnehmenden als wichtig erachtet. Hinsichtlich der Frage einer verbindlichen Sammlung an Bekenntnistexten, bei der sich die Initiativgruppe ebenfalls Antwort erhoffte, laufen die Meinungen jedoch auseinander. Mehrheitlich wird gegen die Einführung eines gemeinsam gesprochenen Bekenntnisses im sonntäglichen Gemeindegottesdienst votiert, wobei in Spezialgottesdiensten ein Bekenntnis als angebracht erscheint. Auch wenn aus ökumenischen Überlegungen dem Apostolikum und dem Nicäno-Konstantinopolitanum eine wichtige Funktion beigemessen wird, lässt sich keine eindeutige Tendenz für oder gegen ein bestimmtes Bekenntnis ausmachen. Negativ zu vermerken ist freilich, dass sich Mitglieder der reformierten Kirchen der französischsprachigen Schweiz, in denen das
Video-Interview: 3 Fragen an die Autorin Christina Tuor-Kurth, Leterin Institut für Theologie und Ethik http://player.vimeo.com/video/42822793
Der Kirchenbund präsentiert online eine Sammlung von Projekten und Dokumenten rund um das Werkbuch Bekenntnis. www.ref-credo.ch
34 bulletin Nr. 1/2012
– Glaube in der Welt
Die evangelischen Kirchen des Nahen Ostens Von Serge Fornerod *
Philippe Dätwyler
Die evangelischen Kirchen des Nahen Ostens machen sich Gedanken über ihre Zukunft in einem mitten im Umbruch befindlichen Umfeld. Angesichts der unterschiedlichen Formen und Verläufe, die der «arabische Frühling» in den einzelnen Ländern nimmt, sehen sich die Christen, und insbesondere die evangelischen Christen, mit neuen Herausforderungen konfrontiert.
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ie Gemeinschaft Evangelischer Kirchen im Mittleren Osten (Fellowship of Middle East Evangelical Churches FMEEC) hat alle Mitgliedkirchen der Region zu einer Tagung vom 12. bis 15. Februar 2012 zum Thema «Evangelische und christliche Präsenz im Nahen Osten» nach Beirut eingeladen. Zum einen hatte man vor, die überaus unterschiedliche nationale Situation der Protestanten in diesen Ländern zu erörtern, zum anderen sollten gemeinsame Leitlinien angesichts der fortdauernden wie beendeten Revolutionen erarbeitet werden. Nahezu hundert Teilnehmer aus rund fünfzehn Kirchen sowie einige westliche Beobachter sind der Einladung gefolgt. Vertreten war die Region von Algerien bis zum Iran, von Kuwait über Syrien, Irak und Palästina bis nach Ägypten. Zwei Tage lang wurde ausgehend von konkreten Einzelfallberichten sowie von Analysen zu den geopolitischen, aber auch zu den derzeit gegebenen interreligiösen und ökumenischen Faktoren intensiv diskutiert. Angesichts der Angst der Christen, zu Geiseln bzw. zu Verlierern der aktuellen Entwicklung zu werden, sprach sich die Konferenz in ihrer Schlusserklärung für ein gutes Einvernehmen sowie eine gute Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeinschaften «auf der soliden Grundlage einer auf die Gleichheit der Menschenrechte gegründeten Koexistenz» aus und rief zur Schaffung eines «auf Gerechtigkeit, Freiheit sowie der Achtung und dem Schutz der Menschenrechte» beruhenden Friedens im Nahen Osten auf. Die Konferenz appellierte «vor allem an die derzeitigen Machthaber, auf die Errichtung von Rechtsstaaten in der Region hinzuwirken: Staaten, die auf einem zeitgemässeren Demokratieverständnis (...) und somit auf der Gleichheit der allen gleichermassen zugestandenen Bürgerrechte gründen (...): Staaten, die ohne jede Diskriminierung allen Bewohnern des Nahen Ostens gleiche Chancen auf Arbeit und Wohlstand bieten. Nur in einem solchen Nahen Osten werden alle Gemeinschaften, evangelische wie nichtevangelische, vor allem aber unsere Jugend in den Genuss von Sicherheit und Wohlstand kommen und weder in Perspektivlosigkeit und Angst noch mit der Versuchung auszuwandern leben.» Die Situation dieser Minderheit innerhalb der christlichen Minderheit macht diese angreifbarer und lässt sie zur potenziellen Zielscheibe ungestrafter Gewaltakte werden. Doch die Loyalität der Protestanten dem Schicksal ihrer jeweiligen Nation gegenüber sowie ihr Verantwortungsbewusstsein für die Verteidigung und
Förderung der Rechtsstaatlichkeit beweisen unter solchen Umständen durchaus Mut. Das ist anerkennens- und begrüssenswert. Diese Gemeinschaft von Kirchen ist über die ökumenische Solidarität unter den Kirchen der Region hinaus auch an der Herstellung guter Beziehungen zu gemässigten Muslimen interessiert. Die Verbundenheit mit den evangelischen Kirchen Europas ist für diese Kirchen eine wertvolle Stütze. Die FMEEC als Schwesterorganisation der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE hat durch diese Tagung sowohl die bedrängte Lage zahlreicher von den Medien vergessener und übersehener Gemeinschaften als auch die Existenz eines Netzwerks der Unterstützung und der internationalen Solidarität unter den Kirchen der einzelnen Regionen unserer Welt sichtbar gemacht. Der Kirchenbund konnte sich an dieser Tagung beteiligen. Zum einen ging es ihm darum, den im Herbst 2010 anlässlich der Reise einer Delegation in den Nahen Osten begonnenen Ausbau der Beziehungen zu den Kirchen der Region fortzuführen und insbesondere die einzelnen Kirchen dabei zu unterstützen, in einem gefährlich labilen politischen Umfeld ihre Stimme zu erheben. Zum anderen sollten die Kirchen des Kirchenbundes über die Situation der Christen in der ganzen Region unterrichtet werden. Die politische Lage im Nahen Osten lässt sich nicht auf den israelisch-palästinensischen Konflikt reduzieren. Die verschiedenen Entfaltungsformen des «arabischen Frühlings» bringen nicht ausschliesslich Hoffnungen auf mehr Demokratie und Achtung der Menschenrechte mit sich. Die Christen und insbesondere die ultraminoritären evangelischen Christen zählen auf unseren Beistand und unsere Aufmerksamkeit, damit sie am Umbau ihrer jeweiligen Gesellschaft mitwirken können und als Minderheit in ihren Ländern respektiert werden. <
* Serge Fornerod ist Leiter Aussenbeziehungen beim Kirchenbund
36 bulletin Nr. 1/2012
– «Wo bist du, Adam?»
Zur Diskussion der Menschenwürde aus ökumenischer Sicht. In seinen Tag- und Nachtbüchern notiert Theodor Haecker am 31. März 1940: «Eine Weltkatastrophe kann zu manchem dienen. Auch dazu, ein Alibi zu finden vor Gott. Wo warst du, Adam? Ich war im Weltkrieg.» Die Suche nach Adam, dem Menschen, begann aber weder erst im Zweiten Weltkrieg noch endete sie danach. Die Frage gehört zum Menschen, sie beschäftigt ihn von Anfang an.
Von Frank Mathwig
M
it der Frage «Wo bist du?» (1. Mose 3, 9) beginnt Gott in der Bibel seinen Dialog mit den Menschen. Es ist das Gespräch Gottes mit dem Mensch nach dem Sündenfall. Die Frage «Wo bist du?» richtet sich an den Menschen diesseits von Eden zwischen Katastrophen und Alibis, die rechtfertigen sollen, warum es gar nicht anders sein kann. Die Frage nach dem «Wo» des Menschen klingt ungewohnt. Denn wenn heute über Menschenwürde ge-
sprochen wird, geht es in der Regel darum, «wer» oder «was» der Mensch ist. Auch auf diese Fragen gibt die Bibel bereits ganz am Anfang eine wegweisende Antwort: «Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich. […] Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie.» (1. Mose 1, 26f.) Und Psalm 8, 6 bekräftigt: «Du hast ihn wenig geringer gemacht als Gott, mit Ehre und Hoheit hast du ihn gekrönt.» Das klingt grossartig – aber stimmt das auch?
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Aus dem Paradies verwiesen – würdelos? Adam und Eva, 1780 Kupferstich des dänischen Künstlers Nicolai Abildgaard.
38 bulletin Nr. 1/2012 «Wo bist du, Adam?» Der Selbstverständlichkeit, mit der wir von der Gottebenbildlichkeit des Menschen sprechen, stellen sich zumindest zwei Beobachtungen unbequem in den Weg. Erstens begegnet diese Auszeichnung des Menschen nur in 1. Mose 1, 26f. 1. Mose 5, 1.3 und 9, 6 nehmen die Stelle lediglich wieder auf. Und zweitens bleibt strittig, was dort eigentlich über den Menschen ausgesagt wird: Ist er als Ebenbild Gottes (hebräisch zäläm, griechisch eikon, lateinisch imago) ausgezeichnet oder durch seine Gottähnlichkeit (demuth, homoiosis, similitudo)? Für die griechischen und lateinischen Kirchenväter standen die erstgenannten Begriffe für das menschliche Leben, die letztgenannten für ein gottentsprechendes Leben. Die erste Bezeichnung bezieht sich auf den Menschen als Geschöpf Gottes, die zweite bildet einen Massstab für das menschliche Verhalten und Handeln. In 1. Mose 1, 26 werden beide Vorstellungen in einem Atemzug genannt. Aber passt diese Beziehung noch auf den Menschen nach dem Sündenfall, der ihn Gott ganz und gar «unähnlich» gemacht hat? War der Mensch nur Ebenbild Gottes oder ist er es noch? Mit diesem Problem beschäftigt sich die
christliche Theologie seit ihren Anfängen. Und das Problem betrifft auch die kirchlich-theologische Diskussion über Menschenwürde und Menschenrechte, in der von einer engen Verbindung zwischen Gottebenbildlichkeit und Menschenwürde oder sogar ihrer Identität ausgegangen wird. Das Verhältnis zwischen der christlichen Theologie und Kirche und den Menschenrechten hat eine lange wechselvolle Geschichte. Bis heute wird kontrovers darüber diskutiert, welchen Anteil dem Christentum am Aufkommen der Idee universaler Menschenrechte zukommt. Keine Meinungsverschiedenheiten bestehen darüber, dass erst die Erfahrungen des schier endlosen menschlichen Elends im Zweiten Weltkrieg den Menschenrechten endgültig zum Durchbruch verholfen haben. Seither gehören die grossen christlichen Kirchen zu ihren engagierten Anwältinnen. Das geschieht in weitgehender ökumenischer Einigkeit, wie auch die jährlichen ökumenischen Verlautbarungen der drei grossen Landeskirchen in der Schweiz anlässlich des Menschenrechtstages zeigen. Diese Übereinstimmung hat aber Grenzen, wie die jüngste Diskussion über die Menschenwürde zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche ROK und der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE zeigt. Auslöser für die Auseinandersetzung sind die im Juli 2008 vorgelegten «Grundlagen der Lehre der Russischen Orthodoxen Kirche über die Würde, die Freiheit und die Menschenrechte». Im Mai 2009 veröffentlichte die GEKE ihre Reaktion unter dem Titel «Menschenrechte und christliche Moral», an welcher der Kirchenbund massgeblich beteiligt war. Die bisherige Diskussion hat die bestehenden theologischen Differenzen zwischen den beteiligten Kirchen und Konfessionen bestätigt. Diese Unterschiede werden auf dem Gebiet der Menschenrechte greifbar in unterschiedlichen Auffassungen über Umfang, Status, Reichweite und Geltungsbedingungen von Menschenrechten. Die vertraute Konfrontationslinie im kirchlichen Koordinatensystem Europas lässt sich etwa so zuspitzen: der Westen für die Freiheit, der Osten für die Moral. Zwei wesentliche Veränderungen dürfen dabei nicht übersehen werden: Die Debatte zeugt erstens von einer deutlich ge-
– Der Westen Europas steht für die Freiheit, der Osten für die Moral.
2007 hat der Kirchenbund seine Position zu den Menschenrechten vorgelegt. Erhältlich unter www.sek.ch/ onlineshop.
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wachsenen Sensibilisierung für die Sache der Menschenrechte. Und zweitens werden die unterschiedlichen Auffassungen im Rahmen eines Gesprächs greifbar, das von beiden Seiten aktiv angestrebt wurde und mit grossem Engagement geführt wird.
Gottebenbildlichkeit vs. Gottähnlichkeit
Die Positionen zwischen ROK und GEKE unterscheiden sich erheblich. Auf den ersten Blick scheint dort lediglich der alte Streit um die menschliche Freiheit im Gewand der Menschenwürde neu aufzuflammen. Die Protestanten betonen – im Anschluss an Reformation und Aufklärung – die (relative) Autonomie der Person, die Russisch-Orthodoxen relativieren und kritisieren – in Übereinstimmung mit der Römisch-Katholischen Kirche – ein solches, in ihren Augen überzogenes Freiheitsverständnis. Tatsächlich geht es um mehr. Im Raum steht die theologische Frage nach der anfangs erwähnten Doppeldeutigkeit von 1. Mose 1, 26: Die GEKE versteht Menschenwürde als Gottebenbildlichkeit, die jedem Menschen von Gott zugesprochen wird. Die ROK stimmt dem grundsätzlich zu, macht aber die Menschenwürde darüber hinaus von der Frage abhängig, ob sich die Menschen in ihrem konkreten Handeln an dem moralischen Massstab der Gottähnlichkeit orientieren. Gottebenbildlichkeit und Gottähnlichkeit ergänzen sich für die ROK: Gottebenbildlichkeit hat der Mensch als Geschöpf Gottes, Gottähnlichkeit schafft der Mensch durch sein sittliches Verhalten. Für die GEKE macht Gott den Menschen zu seinem Ebenbild. Für die ROK macht sich der Mensch Gott ähnlich. In diesem Punkt stehen sich beide theologischen Positionen diametral gegenüber. Es stellt sich die Frage, ob und wie beide Vorstellungen in eine Beziehung gesetzt werden können. Der Theologe Jürgen Moltmann hat in diesem Zusammenhang für ein relationales Verständnis beider Vorstellungen plädiert: Gottebenbildlichkeit meint dann das «Menschenverhältnis Gottes», Gottähnlichkeit dagegen das «Gottesverhältnis des Menschen». In der Gottebenbildlichkeit setzt sich Gott in ein Verhältnis zum Menschen, «dass dieser sein Bild auf Erden wird». Weil Gott die Beziehung stiftet, kann nur Gott sie beenden. Gottebenbildlichkeit ist von Gott gegeben und nicht vom Menschen gemacht. Weil Gott den Menschen zu seinem Ebenbild begabt, fällt diese Auszeichnung nicht in die Verhandlungsmasse der Menschen. Das bedeutet: Die
Würde des Menschen ist für Menschen unantastbar und gilt unbedingt. Die Gottähnlichkeit zeigt sich im konkreten Verhalten der eigenen Person in ihrer Beziehung gegenüber Gott. Sie wird also durch das menschliche Handeln bedingt und ist auf die partikulare «Lebensheiligung der Christen» bezogen. Aus evangelischer Sicht ergibt sich für das moderne Würdeverständnis ein Dreischritt: 1. Menschen nehmen ihr würdebegabtes Leben aus den Händen Gottes. 2. Das Heil der Menschen ist weder mit ihrer Würde gegeben, noch durch ein aktives Gott-ähnlich-Werden erreichbar. Vielmehr verdankt es sich allein dem Heilshandeln Gottes in Jesus Christus, dem Bild Gottes (2. Korinther 4, 4; Kolosser 1, 15). 3. Erst in diesem, an Christus orientierten Abbild-Werden (Römer 8, 29; 2. Korinther 3, 18) sind die Gläubigen fähig, Gott in ihrem konkreten Handeln nachzufolgen. Was die russisch-orthodoxe Tradition unter die moralische Kategorie des Gott-ähnlich-Werdens fasst, beschreibt Martin Luther als «fröhlichen Wechsel», der die Werke des Glaubens «aus freier Liebe umsonst» hervorbringt. Nicht die Gottähnlichkeit, sondern die Christuszugehörigkeit bildet bei dem Reformator den Bezugspunkt für das christliche Ethos. Die Befreiungstat Gottes bildet den Grund und Ausgangspunkt für die Moral, nicht ihr Ziel.
Die Diskussion um die Menschenrechte muss weitergehen
Die Diskussion über die theologischen Fundamente des modernen Würdebegriffs übersieht allerdings häufig die Titelfrage: «Wo bist du Adam?» Wo ist der Ort, der der Würde des Menschen entspricht? Das ist eine theologische Frage, die längst nicht nur von theologischem Interesse ist. Der Ort des würdebegabten Menschen kann kein anderer sein, als bei den Menschen selbst: Ecce homo! (Johannes 19, 5) Hier müsste die Menschenrechtsdiskussion weitergehen – auf beiden Seiten. Die Kontroverse darf nicht diejenigen übersehen, um deren Schutz es geht. Gegen die Gefahr des Übersehens der Opfer von Menschenrechtsverletzungen gibt es nur ein Mittel: Führen wir unsere theologisch-ethischen Dispute im Angesichts eines geschundenen, seiner elementarsten Rechte beraubten Menschen und stellen uns ernsthaft die Fragen: Welche Relevanz hat die Frage der Definition von imago oder similitudo im Angesicht eines gefolterten politischen Oppositionellen? Welche Rolle spielt die moralische Dimension der Würde im Angesicht der Frauen,
40 bulletin Nr. 1/2012 «Wo bist du, Adam?» die Opfer systematischer Vergewaltigungen werden? Welchen Sinn macht eine theologische Debatte über die Grenzen menschlicher Freiheit, wenn Korruption und Unterdrückung ganze Gesellschaftsschichten ins Elend und in Gewaltverhältnisse treiben? Wenn diese Fragen wirklich Thema würden, dann wäre die Diskussion tatsächlich dort angekommen, wo sie hingehört: bei den Menschen und zuerst bei den Opfern von Menschenrechtsverletzungen. <
Beiträge aus der sich anschliessenden Diskussion
Igumen Philarète Bulekov, Die ökumenische Diskussion über die Menschenrechte www.bogoslov.ru/de/text/480131.html
Frank Mathwig, Menschenrechte und Ökumene. Zur Diskussion zwischen ROK und GEKE, in: G2W 10/2009, S. 22–24
Barbara Hallensleben, Russische Beiträge zur westlichen Menschenrechtsdebatte, in: G2W 10/2009, S. 25–27
Barbara Hallensleben/Nikolaus Wyrwoll/Guido Vergauwen, Zur Ambivalenz der Menschenrechte. Missverständnisse der «Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa», in: SKZ 177/2009, S. 497–502
Frank Mathwig, Weniger ist mehr. Zur Kritik an der GEKE-Antwort auf die Menschenrechtsgrundsätze der russischen orthodoxen Kirche, SKZ 177/2009, S. 563–566
Stefan Tobler, Menschenrechte als kirchentrennender Faktor? Die Debatte um das russisch-orthodoxe Positionspapier von 2008, in: ZThK 107/2010, S. 325–347
Weiterführende Informationen
Video-Interview: 3 Fragen an den Autoren Frank Mathwig, Beauftragter für Theologie und Ethik http://player.vimeo.com/video/42821463
Der Stein des Anstosses: Rudolf Uertz/Lars Peter Schmidt (Hg.), Die Grundlagen der Lehre der Russischen Orthodoxen Kirche über die Würde, die Freiheit und die Menschenrechte, Moskau 2008.
Die Antwort der GEKE: Menschenrechte und christliche Moral www.leuenberg.eu/de/node/2925
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bulletin Nr. 1/2012
Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK
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– Organisation
Evangelische Kirchen in der Schweiz Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund ist der Zusammenschluss der 24 reformierten Kantonalkirchen, der Evangelisch-methodistischen Kirche und der Église Évangélique Libre de Genève in der Schweiz. Damit repräsentiert der Kirchenbund rund 2,4 Millionen Protestantinnen und Protestanten. Er nimmt Stellung zu Politik, Wirtschaft und Glaubensfragen und ist unter anderem Ansprechpartner des Bundesrates. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund nimmt die gemeinsamen Interessen seiner Kirchen wahr und vertritt sie auf nationaler und internationaler Ebene. Politisch ist der Kirchenbund als Vertreter des Schweizer Protestantismus unter anderem Gesprächspartner der Bundesbehörden. Der Kirchenbund nimmt politisch Stellung und äussert sich in eigenen Publikationen zu theologischen und ethischen Gegenwartsfragen. Auf religiöser Ebene vertritt er seine Kirchen in der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen WGRK, in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE, in der Konferenz Europäischer Kirchen KEK und im Ökumenischen Rat der Kirchen ÖRK. Der Kirchenbund pflegt Beziehungen zu den Partnerkirchen im In- und Ausland, zur jüdischen und islamischen Gemeinschaft, zur Bischofskonferenz sowie zu den Hilfswerken und Missionsorganisationen.
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Rat des Kirchenbundes
Pfr. Dr. theol. Gottfried Locher, Präsident
Pfrn. Kristin Rossier Buri, Vizepräsidentin Ausbildung und Begleitung der Räte der Église Évangélique Réformée du canton de Vaud im gesamtkirchlichen Amt (Personalamt)
Dr. theol. h. c. Peter
Schmid, Vizepräsident Präsident des Fachhochschulrates der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
Pfrn. Rita Famos-Pfander Pfarrerin der Evangelisch reformierten Landeskirche des Kantons Zürich seit 1993
Regula Kummer Vizepräsidentin des Evangelischen Kirchenrates des Kantons Thurgau (Ressort Diakonie und Werke)
Pfr. Daniel de Roche Synodalratspräsident der Evangelisch-Reformierten Kirche des Kantons Freiburg
Lini Sutter-Ambühl Rechtsanwältin, Präsidentin des Kirchenrates der Evangelisch-Reformierten Landeskirche Graubünden
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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kirchenbundes
Beatrice Bienz Administrative Assistentin des Ratspräsidenten
Jacqueline Blaser Administrative Assistentin am Empfang
Pfr. Dr. theol.
Martin Hirzel Beauftragter für Ökumene und Religionsgemeinschaften
1
Helene Meyerhans Administrative Assistentin Ratsarbeit
1
Dr. utr. iur. RA
Christian Tappenbeck Beauftragter für Recht und Gesellschaft
Wissenschaftlicher Assistent im Bereich Recht und Gesellschaft
Christiane Rohr Administrative Assistentin in den Bereichen Kirche sowie Aussenbeziehungen und Ökumene
Manuel Erhardt
Dr. rer. pol. Hella Hoppe Beauftragte für Ökonomie
1
1 Lic. phil. hist.
Cécile Uhlmann Beauftragte für Rechnungswesen
Pfr. Dr. sc. agr.
Pfr. Simon Weber Pressesprecher und Leiter Kommunikation
Jacqueline Dähler Mitarbeiterin Buchhaltung
Webassistent
Dipl. theol. u. Journalist
Thomas Flügge Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit
Pfr. Serge Fornerod, MPA
Leiter Aussenbeziehungen und stellvertretender Geschäftsleiter
Nicole Freimüller-
Hoffmann Administrative Assistentin des Leiters Kommunikation
Anke Grosse-Frintrop
Leiterin Zentrale Dienste
Pfr. Simon Hofstetter
1
Pfr. Matthias Hügli Beauftragter für Kirchenbeziehungen
1
Michèle Laubscher Sachbearbeiterin im Institut für Theologie und Ethik
1 Pamela Liebenberg
Sachbearbeiterin im Bereich Kirchen
1 Prof. Dr. theol.
Frank Mathwig Beauftragter für Theologie und Ethik
1
Christine Maurer Mitarbeiterin am Empfang
Simon Röthlisberger Beauftragter für Migration Otto Schäfer Beauftragter für Theologie und Ethik
Anja Scheuzger
Sachbearbeiterin im Institut für Theologie und Ethik
PD Dr. theol.
Christina Tuor-Kurth Leiterin des Instituts für Theologie und Ethik
Eva Wernly Administrative Assistentin des Geschäftsleiters
Lic. phil.
Pfr. Philippe Woodtli Geschäftsleiter
Brigitte Wegmüller Administrative Assistentin der Leiterin des Instituts für Theologie und Ethik
Cornelia Schnabel Persönliche Mitarbeiterin des Ratspräsidenten Mirjam Schwery Mitarbeiterin am Empfang
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– Umstrukturierung
Eine neue Organisation für den Kirchenbund Mit dem Jahr 2012 wurden Aufbau und Abläufe der Geschäftsstelle des Kirchen bundes umstrukturiert. Neu gibt es sechs Organisationseinheiten. Aus der Abteilung Kirchenbeziehungen wurden die Bereiche Kirchen, Aussenbeziehungen und Ökumene sowie Recht und Gesellschaft. Geblieben sind das Institut für Theologie und Ethik sowie die Stabsstellen Kommunikation und Zentrale Dienste. Die Aufgabengebiete jeder Organisationseinheit sind in einem sogenannten Grundauftrag festgehalten, welcher vom Präsident erlassen wird. Der Rat genehmigt das jeweilige Jahresprogramm.
Kommunikation Leitung: Simon Weber
Zentrale Dienste Leitung: Anke Grosse-Frintrop
Die Stabsstelle Kommunikation übernimmt Querschnittsaufgaben in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und der Publizistik. Der Leiter der Stabsstelle Kommunikation ist gleichzeitig der Pressesprecher des Kirchenbundes.
Die Stabsstelle Zentrale Dienste stellt die administrativen und infrastrukturellen Basisleistungen für die gesamte Geschäftsstelle zur Verfügung. Die Folgearbeiten zu den Empfehlungen der AV-Kommission sind hier angesiedelt.
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26 Kirchen
Rat
Die Kirchen wählen ingesamt 70 Delegierte, die sie in der Abgeordnetenversammlung AV vertreten. Die AV ist das Parlament (Legislative) des Kirchenbundes. Sie tagt zwei Mal pro Jahr.
Der Rat ist das Exekutivorgan des Kirchenbundes. Er tagt in der Regel ein Mal pro Monat zwei Tage.
> Vizepräsidentin: Kristin Rossier Buri > Vizepräsident: Peter Schmid > Rita Famos-Pfander > Regula Kummer > Daniel de Roche > Lini Sutter-Ambühl
> Präsident: Gottfried Locher
Geschäftsleitung Der Geschäftsleiter führt die Geschäftsstelle und ist als Verbindungsperson für die Kommunikation zwischen Abgeordnetenversammlung, Rat und Geschäftsstelle verantwortlich. Er sorgt dafür, dass die Beschlüsse der Abgeord-
Institut für Theologie und Ethik Leitung: Christina Tuor-Kurth Das Institut für Theologie und Ethik leistet Grundlagenarbeiten in Theologie und Ethik an der Schnittstelle zwischen universitärer Theologie und Fachstellen der Kirchen. Das Glaubensbuch, welches im Advent 2013 erscheinen soll, wird im Institut erarbeitet.
netenversammlung und des Rates an den richtigen Stellen der Geschäftsstelle umgesetzt werden. Ebenso ist er dafür verantwortlich, dass die Arbeiten der Geschäftsstelle frist- und formgerecht dem Rat vorgelegt werden, welcher sie
Kirchen Beauftragter: Matthias Hügli
Der Bereich Kirchen fokussiert die Beziehungspflege zu den Kirchen. Gefordert ist Schnittstellenarbeit im gesamten Bereich des Schweizerischen Protestantismus. Die Organisationseinheit befindet sich noch in der Aufbauphase.
dann gegebenenfalls an die Abgeordnetenversammlung weiterleitet. > Geschäftsleiter, sowie Sekretär des Rates und der Abgeordnetenversammlung: Philippe Woodtli
Aussenbeziehungen und Ökumene Leitung: Serge Fornerod Die Aussenbeziehungen sind verantwortlich für die internationale Arbeit des Kirchenbundes in der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen WGRK, in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE, in der Konferenz Euopäischer Kirchen KEK und im Ökumenischen Rat der Kirchen ÖRK. Die Aussenbeziehungen pflegen die bilateralen Beziehungen zu den ökumenischen Schwesterkirchen im In- und Ausland. Die Arbeiten zum Reformationsjubiläum werden in diesem Bereich geleistet.
Recht und Gesellschaft Beauftragter: Christian Tappenbeck
Der Bereich Recht und Gesellschaft arbeitet im Kirchenrecht, an der Schnittstelle zu staatlichem Recht und in aktuellen politischen Fragen. Die Verfassungsrevision des Kirchenbundes und die Bearbeitung der Motion Diakonie sind diesem Bereich zugewiesen.
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– Evangelische Kirchen in der Schweiz
Die Kirchen des Kirchenbundes Reformierte Landeskirche Aargau Kirchenratspräsidentin: Claudia Bandixen 75 Kirchgemeinden 183 341 Mitglieder
Evangelisch-Reformierte Landeskirche beider Appenzell Kirchenratspräsident: Kurt Kägi-Huber 20 Kirchgemeinden 25 675 Mitglieder
Reformierte Kirche Baselland Kirchenratspräsident: Martin Stingelin 35 Kirchgemeinden 97 582 Mitglieder
Reformierte Kirche Basel-Stadt Kirchenratspräsident: Lukas Kundert 10 Kirchgemeinden 32 000 Mitglieder
Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn Synodalratspräsident: Andreas Zeller 213 Kirchgemeinden 693 531 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Freiburg Synodalratspräsident: Daniel de Roche 16 Kirchgemeinden 40 628 Mitglieder
Église Protestante de Genève Kirchenpräsidentin: Charlotte Kuffer 31 Kirchgemeinden 79 576 Mitglieder
Evangelisch-Reformierte Landeskirche des Kantons Glarus Kirchenratspräsident: Ulrich Knoepfel 13 Kirchgemeinden 15 531 Mitglieder
Evangelische Landeskirche Graubünden Kirchenratspräsidentin: Lini Sutter-Ambühl 120 Kirchgemeinden 71 920 Mitglieder
Reformierte Kirche Kanton Luzern Synodalratspräsident: David A. Weiss 8 Kirchgemeinden 42 633 Mitglieder
Église réformée évangélique du canton de Neuchâtel Président du Conseil synodal: Gabriel Bader 12 Kirchgemeinden 62 865 Mitglieder
Evangelisch-Reformierte Kirche Nidwalden Kirchenratspräsidentin: Karin Gerber-Jost 3 Kirchgemeinden 4514 Mitglieder
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Evangelisch-Reformierte Kirche Obwalden Präsidentin des Verbandes der ev.-ref Kirchgemeinden von OW: Therese Meierhofer-Lauffer 2 Kirchgemeinden 2821 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St. Gallen Kirchenratspräsident: Dölf Weder 55 Kirchgemeinden 114 193 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kirche Kanton Schaffhausen Kirchenratspräsidentin: Frieder Tramer 31 Kirchgemeinden 32 109 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kantonalkirche Schwyz Kirchenratspräsident: Felix Meyer 6 Kirchgemeinden 18 156 Mitglieder
Evangelisch-Reformierte Kirche Kanton Solothurn Synodalratspräsidentin: Verena Enzler 23 Kirchgemeinden 29 555 Mitglieder
Evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau Kirchenratspräsident: Wilfried Bührer 66 Kirchgemeinden 98 753 Mitglieder
Chiesa Evangelica Riformata nel Cantone Ticino Presidente del Consiglio sinodale: Tobias E. Ulbrich 3 Kirchgemeinden 7172 Mitglieder
Evangelisch-Reformierte Landeskirche Uri Kirchenratspräsident: Dieter Kolthoff 3 Kirchgemeinden 1838 Mitglieder
Église Évangélique Réformée du canton de Vaud Présidente du Conseil: Esther Gaillard 83 Kirchgemeinden 251 716 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kirche des Wallis Président du Conseil synodal: José Marti 10 Kirchgemeinden 17 883 Mitglieder
Reformierte Kirche Kanton Zug Kirchenratspräsidentin: Monika Hirt Behler 7 Kirchgemeinden 17 929 Mitglieder
Evangelisch reformierte Landeskirche des Kantons Zürich Kirchenratspräsident: Michel Müller 181 Kirchgemeinden 472 970 Mitglieder
Église Évangélique Libre de Genève Président du Conseil Synodal: Raymond Bourquin 6 Kirchgemeinden 680 Mitglieder
Evangelischmethodistische Kirche in der Schweiz Bischof: Patrick Streiff 120 Kirchgemeinden 6162 Mitglieder
Stand Zahlen: 2010
Gottfried Lo Präsident de (Verfassung des Kirchenbundes)
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Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK bezeugt Jesus Christus als seinen alleinigen Herrn. Er erkennt in der Heiligen Schrift das Zeugnis der göttlichen Offenbarung. Er bekennt, dass wir errettet sind durch Gnade und gerechtfertigt durch den Glauben. Der Kirchenbund weiss sich aufgerufen, im Glauben an das kommende Reich Gottes die Forderung und Verheissung der Christusbotschaft in unserem Volke zu vertreten.
Evangelisch Kirche sein: Legislaturziele des Rates 2011–2014 (Mt. 5, 13)
Ihr seid das Salz der Erde. (1. Kor. 12, 12)
Wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen Leib bilden, so ist es auch mit Christus.
Im Namen unserer Ar Ich freue für die Jah sind nicht geschwin Wichtiges werken – ändert we was wir ve Sie nachle sehen: Vor Reformier verkündig Menschen Glauben Leben. La Kinder un alle, wir al Im Kirche hinaus ge
Liebe
Legislaturziele 2011–2014
Evangelisch Kirche sein sek · feps www.sek.ch
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund
Der Rat des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes hat sich Ziele gesetzt. Sechs an der Zahl für die Legislatur bis 2014. Evangelisch Kirche sein – das möchte der Kirchenbund: evangelisch verwurzelt, verbunden, ansprechend, ökumenisch, präsent und wachsam. Die Legislaturziele des Kirchenbundes finden Sie hier im Heft. Sie können sie lesen und diskutieren – zuhause, in Ihrer Gemeinde, am Arbeitsplatz. Sie können sie aufklappen und aufhängen – zum Beispiel im Schaukasten Ihrer Kirchgemeinde. Weitere Exemplare erhalten Sie jederzeit auf www.sek.ch/onlineshop als Download oder per Post.
Impressum Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK CH-3000 Bern 23 Telefon +41 (0)31 370 25 25 info@sek.ch, www.sek.ch Auflage: 5000 deutsch, 1900 französisch
Leiter Kommunikation: Simon Weber Redaktion: Thomas Flügge Administration: Nicole Freimüller-Hoffmann Gestaltung/Layout: Meier Media Design, Zürich
Übersetzung aus dem Französischen: Elisabeth Mainberger-Ruh, Marianne Wolter Korrektorat: Elisabeth Ehrensperger Druck: Schlaefli & Maurer AG, Interlaken Bilder: S. 43/45 Daniel Rihs
bulletin Nr. 1/2012
sek · feps
/
Nr. 1 2012
bulletin
Das Magazin des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
6
–Wittenberg, Zürich, Genf
Wem gehört die Reformation?
– Lesen, hören und sehen Sie Ihren Kirchenbund im bulletin online! www.sek.ch
10 – Das Pilotprojekt zum Rückführungsmonitoring Migrationsarbeit
war ein Erfolg
16 – Religiöse Spannungen sind bis auf weiteres auszuhalten, Dialog
sagt Ratspräsident Gottfried Locher
32 – Ein enttäuschender Rücklauf bedeutet doch einen Vernehmlassung Bekenntnis
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK Sulgenauweg 26 CH-3000 Bern 23 Telefon +41 (0)31 370 25 25 info@sek.ch
sek · feps Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund
Meilenstein in der Geschichte der Schweizer Kirchen
sek · feps