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Zeitschrift der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE
_n° 2/2015_CHF 11.00
PALMÖL: Das Lieblingsfett der Industrie
Wissen, was essen.
_EDITORIAL_ Es war einmal in fernen Ländern, da wuchsen magische Palmen in den Himmel, mit üppigen Früchten, die ein einfach zu verarbeitendes Öl reich an Vitaminen boten. Was zu schön tönte, um wahr zu sein, war es bald einmal auch: Immer mehr Leute wollten dieses wundersame Öl, und so mussten immer mehr Urwälder, Tiere wie auch indigene Völker dem kommerziellen Anbau der Ölpalme weichen. Die daraus entstandenen, durchaus berechtigten ökologischen Bedenken gegenüber Palmöl werden regelmässig thematisiert. Seine ernährungsphysiologische Wirkung hingegen kam bisher kaum zur Sprache. Mit der aktuellen tabula-Ausgabe versuchen wir, dies zu ändern. Bei der Recherche dafür entdeckten wir auch, dass es äusserst schwierig ist, nachhaltige Alternativen für Palmöl zu präsentieren. Es ist eine Tatsache, dass die Weltbevölkerung mittlerweile aus sieben Milliarden hungrigen Mäulern besteht (Tendenz weiter steigend) und diese irgendwie gestopft werden müssen. Sobald wir beginnen, unsere Ernährung global im grossen Stil auf ein bestimmtes Lebensmittel abzustützen, sind die Probleme nicht weit. Daher wäre es auch ver-
messen, auf die eine ideale Alternative für Palmöl zu warten. So macht in der Schweiz eine in Zukunft wieder stärkere Verwendung von Butter als Alternative zum Palmöl aus mehreren Gesichtspunkten Sinn. Eine globale Lösung ist der vermehrte Griff zur Butter aber nicht – und dies nicht nur, weil dann die Problematik der methanproduzierenden Kühe wieder Aufschub erhält, sondern auch, weil sich nicht alle Landstriche gleich für die Viehhaltung eignen. Und man darf auch nicht vergessen, dass Palmöl seine Beliebtheit in der Lebensmittelbranche nicht nur seiner einfachen Verwendbarkeit im industriellen Prozess verdankt, sondern auch deshalb zu seinem Siegeszug ansetzte, weil es als ernährungsphysiologisch bessere Alternative zu gehärteten pflanzlichen Ölen und tierischen Fetten gilt. So enthält Palmöl keine Transfettsäuren. Gleichzeitig verliert das in der Industrie verwendete raffinierte Palmöl aber viele der positiven Inhaltsstoffe seines natürlichen Vorgängers. Immerhin können wir als Konsumenten ab 2016 selber entscheiden, ob wir auf Palmöl setzen wollen oder nicht, denn ab dann muss es in der Schweiz zwingend als Zutat deklariert werden. THOMAS LANGENEGGER / SGE Chefredaktor Tabula
04_ R E P O R T Palmöl Palmöl gilt als ökologisch bedenklich. Trotzdem findet man es in unzähligen verarbeiteten Lebensmitteln. Was bedeutet das für unsere Gesundheit? Und wie sehen mögliche Alternativen aus?
16_ U N T E R D E R L U P E Zucchini Ernährungstechnisch geben Zucchetti eher wenig her, in der Küche aber umso mehr. Deshalb gehören sie auch zu den beliebtesten Gemüsen in der Schweiz. Obwohl bestens bekannt, haben wir für Sie noch einige spannende InformatioSchweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE nen zu dem vielseitigen Sommergemüse.
10_ A U S D E M L E B E N V O N . . . 12_ R E Z E P T 14_ W I S S E N , W A S E S S E N 20_ B Ü C H E R 22_ D I E S G E 24_ A G E N D A / P R E V I E W N ° 3/2015
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Palmöl Das Lieblingsfett der Industrie
Palmöl ist weltweit das am meisten eingesetzte Pflanzenöl, es ist billig und vielseitig verwendbar. Nachdem die Fettdiskussion mit der Transfettsäurenproblematik wieder neu entfacht wurde, erhielt Palmöl nochmals einen Aufschwung. Ernährungsphysiologisch hat das multitalentierte Öl Vor- und Nachteile. Ökologisch sind trotz grossen Bemühungen zufriedenstellende Lösungen noch nicht wirklich gefunden.
Haben Sie zehn Minuten Zeit? Perfekt! Dann schlage ich folgendes Experiment vor: Gehen Sie zum Grossverteiler Ihres Vertrauens und schauen Sie nach, ob in Ihren Alltags- und Lieblingsprodukten Palmöl steckt. Klar, man wüsste es eigentlich: Palmöl versteckt sich in unzähligen Fertigprodukten. Und doch: Ist die eigene Palmölbilanz wirklich so schlimm, wenn man vor allem Frischprodukte geniesst, Butter und Rapsöl bevorzugt und nicht jeden Tag Fertigpizza isst? Ein kleiner Test durch die Supermarktregale nach dem Zufallsprinzip soll Klarheit schaffen. Beim Früchteund Gemüseregal am Eingang ist die Welt noch in Ordnung: kein Palmöl weit und breit. Nun zum Brot und den Backwaren. Ruchbrot: palmölfrei. Toast: Rapsöl, also palmölfrei. Schoggicake: der erste Treffer, Palmöl. Birnenweggen: ein Treffer in Klammern, pflanzliche Öle (Palmöl). Blätterteigboden für Erdbeerschnitten: Vielleicht? Deklariert wird nur Pflanzenfett ungehärtet. Pastetli: Palmöl und Rapsöl. Weiter zum ersten Kühlregal. Blätterteig Bio: Palmöl an zweiter Stelle der Zutatenliste als Bestandteil der enthaltenen Pflanzenmargarine. Die beliebten Getreidestängel: Palmfett. Margarine: Palmöl. Schoggistängeli: ein Doppeltreffer: Palmöl und Palmkernöl. Das Fazit: Die Bilanz ist ernüchternd – der Nachholbedarf an Information gross. Palmöl steckt in Margarine, Frühstücksflocken, Schokolade, Kuchen, Guetzli, Süssigkeiten, Chips, Teigen und Brot bis hin zu Suppen, Saucen, Pommes frites und Fertiggerichten. Seine Schwester, das Palmkernöl, ist Bestandteil von Glacen, Schoggifüllungen und wird in Hautcreme, Seife, Sonnencreme, Body lotion, Lippenstift, Duschmittel, Shampoo, Wasch-, Rei-
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nigungs- und Schmiermittel, in Kerzen, Farben und Lacken eingesetzt. Eine ganze Menge. Das Öl, das keiner kennt und das doch allgegenwärtig ist? Doch nun der Reihe nach. Viele Begriffe – eine Palme Die Ölpalme Elaeis guineensis ist die Mutter der vielen Palmölprodukte, die sich in unseren Lebensmitteln verstecken. Die Palme selber liefert zwei verschiedene Öle, Palmöl und Palmkernöl. Palmöl wird aus dem Fruchtfleisch und Palmkernöl aus den Kernen der Palmfrüchte gewonnen. Diese Rohöle auf Basis von Palmöl und Palmkernöl werden dann durch Raffination (Neutralisation, Bleichung, Desodorierung) zu standardisierten Fetten verarbeitet. Diese Fraktionen aus Palmöl oder Palmkernöl verarbeitet die Industrie weiter zu Stearinen (harte Fraktionen) oder Oleinen (weiche Fraktionen). Um gewünschte physikalische Eigenschaften zu erhalten, können Produkte auf Palmöl- und Palmkernölbasis
_Report_
durch Verarbeitungs- und Veredelungsprozesse gemischt, umgeestert oder gehärtet werden. Je nach Produkt und Rezept verwendet die Nahrungsmittelindustrie dann die massgeschneiderten Fraktionen, Mischungen des Palmöls oder des Palmkernöls oder das gehärtete oder teilweise gehärtete Palmfett. In der Reinigungs- und Kosmetikindustrie werden vor allem Derivate aus Palmöl oder Palmkernöl, sprich Fettsäuren, Fettalkohol, Glyzerin, Fettamine, Methylester oder Tenside eingesetzt. Nicht verwechselt werden darf Palmöl mit dem unter dem verwirrenden Markennamen verkauften Fett Palmin. Trotz des ähnlichen Klangs handelt es sich dabei um Kokosfett. Und wer öfters im Afrikageschäft einkauft, findet dort ein sehr rotes Fett in Flaschen. Dabei handelt es sich um rotes, unraffiniertes Palmöl, das traditionellerweise auf dem afrikanischen Kontinent als Grundkochzutat verwendet wird. Via Schiff in die weite Welt Ursprünglich stammt die Ölpalme aus den Regenwäldern Westafrikas, wo sie als Nutzpflanze bekannt war. Die Seefahrerei und der Kolonialismus hatten dann zur Folge, dass sich die Ölpalme auf der ganzen Welt verbreitete. In Europa berichtete der portugiesische Seefahrer Gil Eanes zum ersten Mal 1443 über die Ölpalme. 300 Jahre später wurde der bis zu 30 Meter hohe Baum durch den österreichischen Botaniker und Chemiker Nikolaus Joseph Freiherr von Jacquin zum ersten Mal wissenschaftlich beschrieben und illustriert. Vermutlich via Sklaventransporte gelangte die Pflanze dann nach Südamerika und später nach Indonesien und Sumatra. Vorerst waren die Palmen nur in Botanischen Gärten zu bewundern. Als dann eine industrielle Nutzung von Öl möglich war, begann man ab 1908 in Westafrika und einige Jahre
Anbaufläche für Ölpalmen in Indonesien zwischen 1961 und 2011 (in km²). Quelle: faszination-regenwald.de
später in Indonesien und Malaysia Grossplantagen anzulegen. Zuvor war eine Grossproduktion aufgrund der schnellen Verderblichkeit der Früchte unmöglich. Verglichen mit heute waren die damals produzierten Palmölmengen gering. Ab den 1990er-Jahren stiegen die Produktionsmengen jedoch rasant an. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich die Palmölproduktion mehr als verdoppelt. Vor allem die Problematik «gute Fette = pflanzliche Fette», der steigende Speiseölbedarf Chinas und Indiens und die wachsende Nachfrage nach alternativen Energieträgern aufgrund des Klimawandels sind für den Palmölaufschwung mitverantwortlich. Auch in der Schweiz erlebt Palmöl einen wahren Boom. Wurden gemäss der Schweizer Zollverwaltung 1993 noch 5500 Tonnen an «Palmöl und seinen Fraktionen, auch raffiniert, jedoch chemisch unmodifiziert» importiert, waren es 20 Jahre später bereits 35 000 Tonnen. Die heutigen Anbaugebiete liegen in Südostasien, Afrika und Südamerika. Malaysia und Indonesien gelten als die zwei wichtigsten Produktionsländer und erzeugen zusammen mehr als 80 Prozent des weltweiten Palmöls. Grosser Ertrag – kleiner Preis Gemäss WWF bedecken Palmölplantagen inzwischen weltweit eine Fläche von 12 Millionen Hektaren, ein Drittel der Fläche Deutschlands. Verglichen mit anderen Ölen wie Raps- oder Sojaöl liefert Palmöl aber auf derselben Anbaufläche grössere Erträge. «Der grosse Ertrag pro Hektar und der Vorteil, dass weniger Fläche beansprucht wird, sind auch ökologisch erwähnenswert», berichtet Josef Baumann, Lebensmittelingenieur ETH bei der Florin AG, dem grössten Schweizer Ölund Fettverarbeiter. Für die gleiche Menge Öl, das auf einem Hektar Palmenplantagenfeld produziert wird, würde man 3 Hektaren Raps-, 4 Hektaren Sonnenblumen-, 4,7 Hektaren Soja- oder sogar 7 Hektaren Kokospalmenfelder benötigen. Gute Erträge schlagen sich wiederum in tieferen Preisen nieder, der Grund dafür, warum das Tropenöl zum Lieblingsfett der Industrie wurde. 70 Prozent des gesamten Palmöls verarbeitet die Nahrungsmittelbranche. Indien, China und die Europäische Union sind die Hauptabnehmer von Palmöl. Neben der Foodindustrie setzen auch andere auf das flüssige Gold. 5 Prozent der Palmölernte wird als Biokraftstoff genutzt, ein Viertel findet Verwendung
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_Rezept_
PIZZA MIT AUBERGINEN UND ZUCCHETTI Für 4 Personen (1/2 Pizza pro Person). Vor- und zubereiten: ca. 90 Min. / Pro Person: 26 g Fett, 29 g Eiweiss, 78 g Kohlenhydrate, 2829 kJ (675 kcal) 400 g Mehl / 1 KL Salz / 2 EL Olivenöl / Mehl, Salz und Olivenöl in eine Schüssel geben. 2/3 Hefewürfel oder 1 Packung Trockenhefe / 2,5 dl Wasser / Hefe im Wasser auflösen, in die Schüssel dazugeben und 10 Minuten kräftig kneten. Zugedeckt an der Wärme um das Doppelte aufgehen lassen. Den Teig rund auswallen und auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen. Rezept: Gorilla
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2 Zucchetti / 2 Auberginen / 1 EL Olivenöl / 1 Prise Salz / 1 Prise Pfeffer, gemahlen / Zucchetti und Auberginen in dünne Scheiben schneiden und in der Bratpfanne mit wenig Olivenöl auf beiden Seiten kurz anbraten. Mit Salz und Pfeffer würzen. 1 Dose (320 g) gewürfelte Tomaten / 300 g Mozzarella / Gehackte Tomaten auf dem vorbereiteten Pizzateig verteilen, die Gemüsescheiben und den in Scheiben geschnittenen Mozzarella darauflegen. Für ca. 15 Min. in die Mitte des auf 200° C vorgeheizten Ofens schieben. Sobald der Käse geschmolzen und der Teig knusprig gebacken ist, mit Pfeffer würzen und ofenfrisch servieren.
ERNÄHRUNGSBILANZ
ÖKOBILANZ
Mozzarella: Aufgrund der kurzen Reifezeit des Mozzarellas zählt dieser zum Frischkäse. In den Empfehlungen der Schweizer Lebensmittelpyramide wird Mozzarella jedoch dem Weichkäse zugeteilt, da er von der Nährstoffzusammensetzung besser in diese Kategorie passt. Beim «Filata-Verfahren» wird die pasteurisierte Milch zum Gerinnen gebracht und nach ca. 3 Tagen Reifung geschnitten. Diese Masse wird aus der Molke geschöpft, mit heissem Wasser übergossen und geknetet, bis sie weich ist. Danach wird der Mozzarella in Stücke geschnitten, woher der Name Mozzarella kommt (mozzare = abschneiden). Die danach geformten Kugeln kommen in kaltes Wasser, um sich zu verfestigen. Mehl: Mit «Mehl» wird gemäss Lebensmittelverordnung das aus Weizen hergestellte Mehl bezeichnet. Es wird zwischen Weiss-, Halbweiss-, Ruch- und Vollkornmehl unterschieden. Weissmehl wird vorwiegend aus dem inneren Teil des Getreidekorns gewonnen. Halbweissmehl ist ein nahezu schalenfreies Mehl. Ruchmehl enthält noch einen Teil der äusseren Schalenschichten. Vollkornmehl wird aus dem ganzen Getreidekorn gewonnen, mit oder ohne die äussersten Schalenteile. Bei Vollkornmehl muss die Gesamtausbeute mindestens 98 Massenprozente des gesamten Getreidekorns betragen. Spezialmehl ist Mehl, das sich von Normalmehl entweder durch seine Zusammensetzung oder durch den Verwendungszweck deutlich unterscheidet – Beispiele dafür sind Dinkelmehl, Fünfkornmehl, Mehl mit Zugabe von Weizenkeimlingen, Kuchenmehl oder Biskuitmehl. Tellermodell: Diese Pizza ergibt eine vollständige Mahlzeit. Um den Empfehlungen des Tellermodells näherzukommen, kann die Teig- und die Mozzarellamenge verringert und allenfalls noch ein Salat dazu kombiniert werden. Damit die Pizza trotzdem gut sättigt, kann der Teig mit Vollkorn- oder Grahammehl zubereitet werden.
Mozzarella: Etwa einen Viertel der Gesamtumweltbelastung des Gerichts wird vom Mozzarella beigetragen. Dies ist auf die landwirtschaftliche Produktion von tierischen Erzeugnissen zurückzuführen. Den wichtigsten Anteil machen hierbei die Methan-Emissionen der Milchkühe sowie die Umweltauswirkungen der Tierfutterproduktion aus. Diese Auswirkungen in der Aufzucht werden nicht nur auf das Fleisch, sondern auch auf sämtliche tierische Nebenprodukte abgewälzt. Bei der Käseherstellung ist zudem zu beachten, dass für die Produktion ein Vielfaches an Milch benötigt wird, um eine bestimmte Menge Käse herzustellen. Mehl: Das Mehl für den Pizzateig macht einen bedeutenden Anteil der Gesamtbelastungen aus. Dies hängt grösstenteils mit den Emissionen von Schadstoffen aus der Düngeranwendung im Weizenanbau zusammen. Aus Umweltsicht relevant ist zudem die Wahl der Mehlsorte, die für den Pizzateig gebraucht wird. Der Belastungsanteil von 16 % entspricht der Nutzung von Vollkorn-Weizenmehl. Wird stattdessen Weissmehl eingesetzt, so steigen die Umweltauswirkungen des Mehls um 25 % und machen dann rund 19 % der Gesamtumweltbelastung aus. Beim Weissmehl wird ein grösserer Anteil des Korns beim Mahlen abgetrennt, und damit steigen die Belastungen des Hauptproduktes Mehl entsprechend. Säulendiagramm: Hausgemachte Pizza mit Auberginen und Zucchetti für vier Personen verursacht gut 8 000 Umweltbelastungspunkte (UBP) und liegt somit weit unter den Umweltbelastungen einer durchschnittlichen Mahlzeit. Aus Umweltsicht die relevantesten Zutaten sind hierbei der Mozzarella, das Olivenöl sowie das Mehl für den Pizzateig. Für die Berechnung zu diesem Rezept wird angenommen, dass die Gemüsezutaten in der Schweiz im Freiland angebaut wurden. Dann fallen deren Belastungsanteile relativ gering aus (insgesamt 19 %). Werden stattdessen einheimische Tomaten und Auberginen aus dem Gewächshaus verwendet, so steigt die Gesamtumweltbelastung um mehr als 40 %!
MARLIES LÜTHI, STEFFI SCHLÜCHTER / SGE
ALEX KÖNIG / ESU-SERVICES
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Rezept 2083
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Schtifti Foundation / Infografik: Truc, Bern
Zusammensetzung des Rezeptes im Vergleich zum optimal geschöpften Teller (oben rechts) Lebensmittelgruppen: = Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier & Tofu = Getreideprodukte, Kartoffeln & Hülsenfrüchte = Früchte & Gemüse
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Die Säulengrafik zeigt die Umweltbelastung durch das Rezept pro Person. Als Vergleich dazu ein grober Durchschnittswert einer zu Hause zubereiteten Hauptmahlzeit. Die Berechnung der Umweltbelastungspunkte fasst verschiedene Umweltbelastungen bei der Produktion der Lebensmittel zu einer einzigen Kenngrösse zusammen (je höher die Punktzahl, desto grösser die Umweltbelastung). Quelle: ESU–services.
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_Unter der Lupe_
Zucchini Das eingewanderte Multitalent
Cucurbita pepo subsp. pepo convar. Giromontiina: In der Schweiz sind die grossen Exemplare davon besser als Zucchetti und die kleinen als Zucchini bekannt. Und der Name lässt es schon vermuten: Über Italien kam das leckere Sommergemüse zu uns und verbreitete sich in ganz Europa. Punkto Inhaltsstoffe präsentiert sich dieser Sommerkürbis durchschnittlich, um nicht zu sagen langweilig, aber in der Küche ist er ein kaum zu übertreffender Alleskönner.
wird hauptsächlich aus Spanien und Italien importiert. Dem war nicht immer so. Bis in die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren Zucchetti in der Schweiz nahezu unbekannt. Meine Mama, Jahrgang 1928, erzählt: «Als Kind gab es bei uns zu Hause nur verschiedene Kohlsorten, Lauch, Bohnen und Rüben als Gemüse. Obwohl schon vor dem Krieg italienische Gastarbeiter in Basel den Damm bauten, waren sie nicht so gut integriert, dass wir, ausser den Tomaten, ihre Gemüse gegessen hätten. Aber
VON MONIKA MÜLLER
gleich nach dem Krieg übernahmen die Italiener oft das Kommando in den Schrebergärten und verteilten
Sie waren meines Vaters grosser Gärtnerstolz: Meh-
Saatgut. In unserer Region kam es Ende der vierziger
rere Kilogramm schwer, in der Mitte manchmal
Jahre zu einem regelrechten Zucchetti-Boom.»
schwammig und die Haut oft ledrig. Zu Hause wur-
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den dann trotzdem wunderbare Gerichte daraus. In
Kleiner Kürbis
der Schrebergartengemeinschaft meines Vaters gab
Entstanden sind Zucchini in Italien durch Züchtun-
es aber auch Italiener, welche die lang gezogenen
gen aus dem Gartenkürbis, der in Nord- und Süd-
Sommerfrüchte ernteten, solange sie noch zart und
amerika heimisch ist. Im 16. Jahrhundert wurden
knackig waren. Für meinen Vater unverständlich:
Kürbisse in Europa zwar intensiv gezüchtet, aber
Warum so mickrige kleine Kegelchen ernten, wenn
nur ausgereift geerntet, insbesondere weil sie dann
man nur drei bis vier Tage warten musste, um einen
einen guten Gemüsevorrat für den Winter abgaben.
regelrechten Baseballschläger nach Hause bringen
Deshalb werden sie auch Winterkürbis genannt. Im
zu können? Noch viel weniger konnte er es verstehen,
17. Jahrhundert kamen italienische Bauern auf die
dass es sogar einige besonders verschwenderische
Idee, die Kürbisse bereits unreif zu ernten und sie
Italiener im Gartenparadies gab, welche die grossen
gleich im Sommer zu essen. Ihre Zuchtbemühungen
gelben Blüten abknipsten, um sie mit Fisch zu füllen
gingen in Richtung einer weichen essbaren Schale
und zu frittieren, und somit auf die Ernte der Früch-
und einer gleichmässigen Form. Mitte 17. Jahrhun-
te verzichteten. Nein – eine solche Verschwendung
dert tauchten dann die Sommerkürbisse, die Zucchini,
konnte er, der beide grossen Kriege miterlebt und
auf den Märkten Italiens auf. Von dort stammt auch
als Kind oft Hunger gelitten hatte, nicht gutheissen.
ihr Name, dieser leitet sich vom Wort «Zucca – Kür-
Für mich gehörten als Kind also diese Riesendinger
bis» ab. Die Verkleinerungsform «Zucchino» ist da-
einfach auf den Speisezettel des Sommers, sicher
mit eben der «kleine Kürbis». Im gesamten deutsch-
zweimal pro Woche als Gemüseeintopf mit Tomaten,
sprachigen Raum hat es sich aber eingebürgert, dass
Zwiebeln, Peperoni und Auberginen – das berühm-
auch für die einzelne Frucht die Mehrzahl mit einem
te Ratatouille, aber auch in Scheiben mit Ei gebraten
«i» am Schluss verwendet wird. Für ihren Siegeszug
oder roh geraffelt als Salat.
durch ganz Europa, zurück nach Amerika und nach
Heute rangieren Zucchini auf Platz neun der belieb-
Asien hat sich die Zucchini allerdings viel Zeit gelas-
testen Gemüsesorten von Herr und Frau Schweizer.
sen. Im Tessin schon im vorletzten Jahrhundert be-
Pro Person und Jahr werden in unserem Land unge-
kannt, kam sie nach Frankreich erst etwa 1930, in die
fähr 3 kg Zucchini gegessen, nur knapp ein Drittel
Deutschschweiz nach dem zweiten Weltkrieg, und in
davon stammt aus inländischer Produktion, der Rest
Deutschland wird sie erst seit ca. 1970 angeboten.
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