ChemieXtra 12/2020

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Bild: Adpic

FOKUS

Immer mehr Impfstoffkandidaten werden klinisch untersucht. Swissmedic überprüft bereits Zulassungsgesuche.

Covid-19 und die Schweiz

Impfstoffkandidaten auf dem Prüfstand Das Erste vorweg: Ob überhaupt – geschweige denn wann – ein sicherer und wirksamer Covid-19-Impfstoff auf den Markt kommt, weiss niemand. Vielleicht ist einer schon unterwegs, wenn diese Zeilen gedruckt werden, wer weiss? Sicher ist nur, dass seit Monaten an Impfstoffen weltweit geforscht wird. Inwiefern ein möglicher Impfstoff die gegenwärtige Situation ändern würde, lässt sich nicht ohne Spekulationen vorhersagen. So oder so: Ein potenzielles Vakzin muss auf Herz und Nieren geprüft werden.

Roger Bieri Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) befinden sich derzeit 48 Impfstoffkandidaten in einer klinischen Studienphase (Bild 2). Das heisst, die Präparate werden bereits an Menschen getestet. 164 potenzielle Vakzine werden noch in vorklinischen Studien untersucht (Stand: 12.11.2020).

Eine Minderheit lässt sich sofort impfen Gemäss einer repräsentativen Umfrage von Sotomo im Auftrag der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) liessen sich in der Schweiz gerade einmal 16 Prozent bedingungslos und sofort mit einem neuen Covid-19-Impfstoff impfen. 28 Prozent würden eine Covid-19-Impfung konsequent ablehnen. 29 Prozent würden sich nur impfen lassen, «wenn belegt ist, dass es keine Nebenwirkungen haben kann.» Etwa 18 Prozent der Befragten würden erst einmal abwarten, bevor sie eine Entscheidung treffen.

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Auch wenn diese Zahlen Eindruck schinden: Ob es tatsächlich zu einem sicheren und wirksamen Impfstoff kommen wird, der dann auch bei der Bevölkerung sinnvoll zum Einsatz kommt, wissen nur die Sterne hoch am Himmelszelt. Die Pharmafirmen und Biotechunternehmen führen unzählige Studien durch. Sobald die vorklinischen Studien «in vitro» sowie «in vivo» (an Versuchstieren) abgeschlossen sind, beginnen die klinischen Studien an Menschen. Diese lassen sich grob in drei Phasen unterteilen.

Die klinischen Studienphasen I – III In der ersten Phase soll zuerst geprüft werden, wie gesunde Menschen auf den verabreichten Impfstoff reagieren. Erste Nebenwirkungen können erfasst werden und es wird geklärt, mit welcher Dosierung geimpft werden soll. An einer Studie in dieser Phase nehmen nur wenige Probanden teil. Je nachdem wie die Resultate der Phase I waren, geht es zu einer grösseren Teilnehmerzahl über. Mehrere hundert Testpersonen lassen sich hierzu freiwillig impfen.

Schweregrade und Häufigkeit von möglichen Nebenwirkungen werden besser ersichtlich. Auch lassen sich nun genauere Vorhersagen bezüglich der Wirkung je nach Dosierung des Präparats machen. Eine der wichtigsten Hürden vor einer möglichen Vermarktung ist die dritte und letzte Studienphase. Während dieser Phase zeigt sich deutlich, ob seltene, schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten, da nun mehrere Tausend Personen an der Studie teilnehmen. Des Weiteren wird die tatsächliche Wirkung, die der Impfstoff haben könnte, erst bei einer grossen Teilnehmerzahl offenbart. Während der gesamten Entwicklung – von der vorklinischen Phase bis zur Vermarktung – vergehen bei einem Impfstoff oft über zehn Jahre (siehe Bild 3). Nur im absoluten Notfall sollten die Studienphasen zeitlich gestaucht werden. Vor allem die zeitliche Verkürzung der dritten klinischen Studienphase ist kritisch zu betrachten. Doch mindestens ein bis eineinhalb Jahre dauert eine Prüfung aller Phasen bis zur Zulassung immer. Dies betont auch die Expertengruppe der Informationsplattform für Impffragen (Infovac), die von der Universität Genf mit Unterstützung vom Bun12 / 2 0 2 0


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