ChemieXtra 1-2/2021

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MANAGEMENT

Zu viele Tierversuche und nutzlose Tests

Das Versagen der neuen EU-Chemikalienstrategie Am 14. Oktober 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission ihre Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit (im Folgenden: «Strategie») und unterzeichnete damit das Todesurteil für Millionen von Tieren in Versuchslaboratorien. Ziel dieser im Kontext des European Green Deal entwickelten Strategie ist die Gewährleistung einer sicheren und nachhaltigen Chemikalienproduktion und damit einhergehend eine giftfreie Umwelt.

Samantha Saunders, PhD 1 Ein rühmliches Ziel. Weniger rühmlich sind hingegen die Mittel zur Erreichung des Ziels. Denn ohne Umstellung auf vorrangig tierfreie Methoden zur Identifikation giftiger Chemikalien hat die Strategie Leid und Tod unzähliger Tiere durch nutzlose Tests zur Folge.

Grundpfeiler der Strategie ist der Ansatz: «eine Substanz, eine Bewertung» [1]. Im Gegensatz zum derzeitigen fragmentierten System soll künftig auf Basis eines Toxizitätsdatensatzes jede Chemikalie nur noch einmal bewertet werden. Zwar könnte dieser Ansatz Transparenz fördern und doppelte Tests vermeiden, doch würde er in seiner aktuellen Version deutlich mehr Tierversuche als bisher fordern – und das, obwohl die stark eingeschränkte Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen in der Wissenschaft hinreichend bekannt ist. Das Versprechen der Strategie, Substanzen mit neurotoxischen, immuntoxischen, endokrinschädigenden oder karzinogenen Eigenschaften zu identifizieren, läuft ins Leere, da es noch keine geeigneten Testmethoden gibt, um dieses Ziel zu erreichen.

Wiederholungstests mit dürftigem Ergebnis Ein besonderer Fokus der Strategie liegt in der Identifizierung und Regulierung endokriner Disruptoren. Diese Chemikalien, Tierrechtsorganisation Peta UK, Bristol

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Bild: Peta US, Quelle: FSAP

Neue Strategie und altbekanntes Problem

Die Strategie verfehlt das Ziel, Tierversuche nur als letztes Mittel einzusetzen und tierfreie Methoden zu fördern: Hier ein Kaninchen im Versuchslabor.

greifen in das Hormonsystem ein und können schwere negative Auswirkungen nach sich ziehen [2]. Der vorgesehene Ansatz der Strategie, die Anforderungen an Toxizitätsdaten zu erhöhen, kann nur scheitern. Denn es gibt schlichtweg keine validierten Methoden, um einige Wirkungsweisen endokriner Disruptoren zu identifizieren. Viele bestehende Methoden, z.B. der Hershberger-Test, der in nur 72 % der Wiederholungstests das gleiche Ergebnis liefert [3], sind von Grund auf unzuverlässig. Der Vorschlag, «alle in der EU hergestellten oder importierten krebserregenden Sub­ stanzen unabhängig von der Menge» [4] zu identifizieren, ist gerechtfertigt und wird auch weithin unterstützt, werden dazu jedoch Nagetiere verwendet, ist das Vorhaben nutzlos. Denn der sogenannte Rodent-Cancer-Bioassay ist bereits ein halbes Jahrhundert alt und gehört zu den am

wenigsten zuverlässigen Tierversuchen, die aktuell von Regulierungsbehörden gefordert werden. In Wiederholungstests mit derselben Chemikalie liefert er in nur 57 % der Fälle gleiche Ergebnisse [5]. Wegen der Unterschiede zwischen Nager und Mensch sind zudem die Ergebnisse aus diesem Bioassay für den Menschen häufig irrelevant [6]. Ferner muss pro Test über 400 Tieren ein Leben lang, täglich und über Jahre hinweg eine Chemikalie zwangsverabreicht werden [7]. Die mangelnde Zuverlässigkeit von Tierversuchen ist nicht nur bei Karzinogenen und endokrinen Disruptoren ein Problem. Insgesamt lässt sich eine im Tierversuch festgestellte Toxizität nur in 70 % der Fälle reproduzieren [8]. Inhärente Unterschiede zwischen den Spezies in Kombination mit unnatürlichen Bedingungen und der Gefangenschaft der Tiere im Labor [9] sorgen 1– 2 / 2 0 2 1


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