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MEDIZIN
from ChemieXtra 6/2020
by SIGWERB GmbH
Entspannung oder Laufbandtraining
Wie weiter nach einem Schlaganfall?
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Dank den Fortschritten in der Schlaganfalltherapie überleben immer mehr Patienten. Es steigt dadurch aber auch die Zahl derer, die nach einem Schlaganfall mit bleibenden Behinderungen leben müssen. Somit kommt der Rehabilitation eine wachsende Bedeutung zu. Derzeit ist die Datenlage dazu, welche Trainingsmethode am erfolgversprechendsten ist, widersprüchlich. Das von den amerikanischen Fachgesellschaften empfohlene Ausdauertraining zeigte sich in einer aktuellen Studie [1] gegenüber einer Entspannungstherapie als nicht überlegen.
Dr. Bettina Albers¹
Weltweit erleiden jährlich zehn Millionen Menschen einen Schlaganfall [2]. Davon erholt sich mindestens ein Drittel funktionell nicht wieder vollständig [3, 4]. Medikamente zur effektiven Unterstützung der Rehabilitation stehen nicht zur Verfügung – das Vorgehen der Wahl besteht in Physio- und Ergotherapie, – im Falle von Sprachstörungen – in der Logopädie sowie in neuropsychologischen Massnahmen. Laufbandtraining kann Geschwindigkeit und Ausdauer beim Gehen und Treppensteigen verbessern und einer zunehmenden Dekonditionierung vorbeugen. Zusätzlich könnte die Neuroplastizität des Gehirns (Fähigkeit, sich selbst zu regenerieren) gefördert und somit das Outcome verbessert werden. Daher empfiehlt die «American Heart Association/American Stroke Association», Schlaganfallpatienten ab der subakuten Phase drei bis fünf Mal wöchentlich zwanzig bis sechzig Minuten aerobes Training (Ausdauertraining) bei 55 –80% der maximalen Herzfrequenz [5].
Studien sind mit Vorsicht zu geniessen
Die Datenlage zu den Ergebnissen einer solchen Schlaganfall-Reha ist allerdings widersprüchlich. Manche Studien zeigten eine Verbesserung des maximalen Gehtempos oder einen Anstieg des «Barthel Index», eines Scores zur Objektivierung von Behinderungen in grundlegenden Alltagsfunktionen. Metaanalysen lieferten
Der Studie zufolge ist Laufbandtraining nach einem Schlaganfall nicht die Therapie der ersten Wahl.
dagegen uneinheitliche Ergebnisse eines körperlichen Trainings. Auch die Leaps-Studie [6] («Locomotor Experience Applied Post-Stroke») zeigte keine Outcome-Unterschiede für die Laufband-Trainingstherapie versus eines häuslichen Übungsprogramms – allerdings wurde in dieser Studie kein aerobes Training in der Frühphase nach Schlaganfall eingesetzt. «Generell lassen sich die Studien wegen der Unterschiede im Hinblick auf Art, Intensität und Zeitpunkt des Trainingsbeginns schwer vergleichen», erklärt Frau Prof. Dr. Agnes Flöel, Direktorin der Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Greifswald. «Insbesondere für Patienten in der Frühphase nach einem Schlaganfall bestehen Unsicherheiten, welches Training optimal ist.» Die deutsche, multizentrische Studie «Phys-Stroke» («Physical Fitness Training in Patients with Subacute Stroke») [1], die innerhalb des Center for Stroke Research Berlin (CSB) an der Charité gefördert wurde, untersuchte unter der Leitung von Frau Prof. Flöel daher randomisiert, kontrolliert und endpunktverblindet die Effekte eines aeroben Laufband-Trainings mit Beginn in der Frühphase nach einem Schlaganfall. Die Phys-Stroke-Studie wurde zwischen 2013 und 2017 an sieben deutschen, stationären Rehabilitationskliniken durchgeführt. Evaluiert wurden die Sicherheit und Effektivität der frühen Lokomotionstherapie mit dem Laufband (5–45 Tage nach dem Ereignis, Median 28). 200 erwachsene Schlaganfallpatienten wurden 1:1 in zwei Gruppen randomisiert. Das mittlere Alter lag bei 69 Jahren, 41 % waren Frauen. Die Patienten waren mittelschwer bis schwer betroffen.
Publikation bestätigt Forschungsbedarf
Die Studiengruppe (n = 105) absolvierte zusätzlich zu den Standard-Rehamassnahmen ein aerobes Laufband-Training, die Kontrollgruppe (n = 95) nahm neben den Standard-Rehamassnahmen an Entspannungseinheiten teil (n = 95). Jede Gruppe absolvierte das jeweilige Training fünfmal wöchentlich, jeweils 25 Minuten, über insgesamt vier Wochen. Nach dieser Zeit nahmen die Patienten weiter an der Standardtherapie teil. Primäres Outcome waren die maximale Gehgeschwindigkeit und Alltagsaktivität (Barthel Index) der Patienten – gemessen drei Monate nach dem Schlaganfall. Als schwere unerwünschte Begebenheiten galten kardiovaskuläre Ereignisse einschliesslich erneutem Schlaganfall, Rückverlegung in ein Akutkrankenhaus und Tod. Im Ergebnis hatte das Laufband-Training nach drei Monaten nicht zur signifikanten Verbesserung des maximalen Gehtempos oder des Barthel Index geführt. Insgesamt gab es in der Laufband-Gruppe jedoch 1,8-mal mehr schwere Ereignisse (22/105 vs. 9/95 Patienten in der Kontrollgruppe) und 2,5-mal mehr Klinikaufnahmen (14/105 vs. 5/95). Zu erneuten Schlaganfällen kam es bei

Schlaganfall in der Schweiz Laut der Schweizerischen Neurologischen Gesellschaft erleiden ungefähr 16000 Personen im Jahr einen Schlaganfall. Hirnschläge können neben vielfältigen Behinderungen auch zu Demenz führen. 8/105 vs. 3/95 Patienten, Herzinfarkte traten keine auf, dagegen kam es in der Laufband-Gruppe häufiger zu Stürzen (36/105 vs. 14/95), wenn auch ohne Knochenbrüche. In der Kontrollgruppe gab es einen Todesfall. «Zusammenfassend war das frühe vierwöchige Laufbandtraining hinsichtlich des maximalen Gehtempos und der Alltagsfitness nach drei Monaten dem Entspannungstraining nicht überlegen», so Prof. Martin Ebinger, Medical Park Berlin Humboldtmühle, der an der Planung und Durchführung der Studie beteiligt war. «Die vorliegenden Daten sprechen also dafür, bei mittel- bis schwer betroffenen Patienten in der subakuten Phase nach Schlaganfall aerobes Training nicht zu forcieren. Möglicherweise könnten aber leichter betroffene Patienten schon früher profitieren. Dieser Frage muss in künftigen Studien nachgegangen werden, damit konkrete Empfehlungen für diese Gruppe gegeben werden können.» Die Arbeit vom Team des CSB [1] wurde aktuell mit dem «Quest Award for Null Results» vom «Berlin Institute of Health» (BIH), einer biomedizinischen Forschungseinrichtung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin, ausgezeichnet [7]. Das «Quest Center» des BIH hat zum Ziel, Qualität und Nutzen der medizinischen Forschung zu fördern – unter anderem durch Publikation gut durchgeführter, aber «negativer» Studien, das heisst, sogenannter Null-Ergebnisse. Denn negative Studienergebnisse haben eine oft unterschätzte Bedeutung, sie sind ein wichtiger Bestandteil der wissenschaftlichen Diskussion über die Effizienz verschiedener Therapieansätze. Werden negative Studienergebnisse nicht veröffentlicht, entsteht ein verzerrtes Gesamtbild in der wissenschaftlichen Literatur (Publikationsbias).
Publikationen [1] H. A. Nave et al., «Physical Fitness Training in Patients with Subacute Stroke (Phys-Stroke), multicentre, randomised controlled, endpoint blinded trial», BMJ (2019); 366: l5101; DOI: https://doi. org/10.1136/bmj.l5101 [2] V. L. Feigin, B. Norrving, G. A. Mensah, «Global Burden of Stroke», Circ Res (2017); 120: 439–48 [3] C. D. A. Wolfe et al., «Estimates of outcomes up to ten years after stroke: analysis from the prospective South London Stroke Register», PLoS Med (2011); 8: e1001033 [4] S. L. Crichton et al., «Patient outcomes up to 15 years after stroke: survival, disa bility, quality of life, cognition and mental health», J Neurol Neurosurg Psychiatry (2016); 87: 1091–8 [5] S. A. Billinger et al., «Physical activity and exercise recommendations for stroke survivors: a statement for healthcare pro fessionals from the American Heart Association/American Stroke Association», Stroke 2014; 45: 2532–53 [6] P. W. Duncan et al., «Leaps Investigati ve Team. Body-weight-supported treadmill rehabilitation after stroke», N Engl J Med (2011); 364: 2026–36
Medienmitteilung Deutsche Gesellschaft für Neurologie www.dgn.org
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