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FORSCHUNGSWELT
from ChemieXtra 6/2020
by SIGWERB GmbH
Elektrisches Dipolmoment bei Neutronen
Dem Rätsel der Materie auf der Spur
Eine internationale Forschungskollaboration hat am Paul-Scherrer-Institut (PSI) eine Eigenschaft des Neutrons so genau wie noch nie vermessen. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass das Teilchen ein deutlich kleineres elektrisches Dipolmoment hat als bisher bekannt. Das Ergebnis erzielten die Wissenschaftler mithilfe der Quelle für ultrakalte Neutronen des PSI.
Beim Urknall entstand sowohl die Materie des Universums als auch die sogenannte Antimaterie – so zumindest die gängige Theorie. Da sich die beiden allerdings gegenseitig auslöschen, muss ein Überschuss an Materie entstanden sein, der bis heute übriggeblieben ist. Die Ursache für diesen Materie-Überschuss ist eines der grossen Rätsel der Physik und Astronomie. Einen Hinweis auf das dahinterliegende Phänomen hoffen Forschende unter anderem mithilfe von Neutronen zu finden, den elektrisch ungeladenen Bausteinen der Atomkerne. Die Vermutung: Hätte das Neutron ein elektrisches Dipolmoment (kurz: nEDM) mit einem messbaren Betrag ungleich null, könnte dahinter das gleiche physikalische Prinzip stecken, das auch den Überhang an Materie nach dem Urknall erklären würde.
Fünfzigtausend Messungen
Die Suche nach dem nEDM lässt sich alltagssprachlich ausdrücken als die Frage, ob das Neutron ein elektrischer Kompass ist oder nicht. Schon lange ist klar, dass das Neutron ein magnetischer Kompass ist und auf ein Magnetfeld reagiert, oder im Fachjargon: ein magnetisches Dipolmoment besitzt. Sollte das Neutron zusätzlich auch ein elektrisches Dipolmoment haben, wäre dessen Wert sehr viel geringer – und daher ungleich schwieriger zu messen. Dies haben bereits frühere Messungen anderer Forschungsgruppen ergeben. Daher mussten die Wissenschaftler bei ihrer jetzigen Messung am PSI das lokale Magnetfeld mit hohem Aufwand sehr konstant halten – und kleinste Störungen aus den Versuchsdaten herausrechnen. Das ist die Spezialität von Prof. Dr. Martin Fertl, Physiker am Exzellenz
Die Neutronenweiche, die im Experiment am PSI eingesetzt wird, haben Wissenschaftler in Mainz gebaut.
Dieter Ries vor dem Experiment zur Vermessung einer grundlegenden Eigenschaft des Neutrons, des elektrischen Dipolmoments. Sichtbar sind vor allem die runden, konzentrischen Schutzschilde aus Blech, die der Abschirmung äusserer Magnetfelder dienen.
cluster Prisma+ an der Universität Mainz, und seiner Forschungsgruppe: «Um dies zu bewerkstelligen, haben wir extrem empfindliche Magnetometer entwickelt und eingesetzt, die unter anderem auf dem Prinzip der gepulsten Kernspinresonanz basieren.» Auch die Anzahl der beobachteten Neutronen musste entsprechend gross sein, um eine Chance zu haben, ihr nEDM zu messen. Am PSI liefen die Messungen daher über einen Zeitraum von zwei Jahren. Vermessen wurden sogenannte ultrakalte Neutronen, also Neutronen mit vergleichsweise langsamer Geschwindigkeit. Alle 300 Sekunden wurde für acht Sekunden ein Bündel mit über 10000 Neutronen zum Experiment gelenkt und untersucht. Insgesamt vermassen die Forschenden 50000 solcher Bündel. Um die Neutronen entsprechend auf den rechten Weg zu bringen, musste zwischen der Neutronenquelle und der eigentlichen Speicherkammer eine Neutronenweiche installiert werden. «Diese Weiche wurde in der Kernchemie in Mainz konstruiert und anschliessend wurde der Aufbau am PSI eng begleitet», berichtet Prof. Dr. Dieter Ries, ebenfalls vom Mainzer Exzellenzcluster Prisma+. Er war darüber hinaus schon im Rahmen seiner Doktorarbeit massgeblich an der Entwicklung und Charakterisierung der Quelle für ultrakalte Neutronen am PSI beteiligt. Das neue Resultat hat ein Reihe von Forschenden an 18 Instituten und Hochschulen in Europa und den USA anhand von Daten ermittelt, die an dieser Quelle für ultrakalte Neutronen des PSI gesammelt worden waren. Die Forschenden hatten die Messdaten in zwei getrennten Teams sehr sorgfältig ausgewertet und dadurch ein genaueres Ergebnis als je zuvor erhalten. Ihr Fazit: «Unser jetziges Ergebnis zeigt, dass der wahre Wert für das nEDM zu klein ist, um ihn mit unserer bislang erreichten Messgenauigkeit zu erfassen – der Wert ist also weiter gegen null gerückt», sagt Prof Dr. Werner Heil, ebenfalls von Mainzer Seite am nEDM-Projekt beteiligt. «Es bleibt aber spannend, ein endliches nEDM aufzuspüren, um zu erfahren, ob sich deshalb eine neue Physik entdecken lässt.» Daher ist die nächste, noch genauere Messung bereits in Planung: Die neue Messreihe soll ab 2021 starten und die jetzige wiederum in ihrer Genauigkeit übertreffen. «Der Aufbau für die neue Messung basiert auf vielen Erfahrungen, die wir mit dem vorherigen Experiment gemacht haben. Er ist in vielerlei Hinsicht, zum Beispiel bezo gen auf die Parameter der Neutronenquelle und auf die Minimierung systematischer Messfehler, optimiert und in diesem Sinne wegweisend», so Dieter Ries abschliessend.
Originalpublikation C. Abel et al., «Measurement of the permanent electric dipole moment of the neutron», Physical Review Letters (2020); https://journals.aps.org/prl/accepted/ b607fY80Z3a12a6ab8689246ed949444 - cd5500f42
Kontakt Prof. Dr. Martin Fertl Universität Mainz Saarstrasse 21 D-55122 Mainz +49 6131 39 37687 mfertl@uni-mainz.de www.uni-mainz.de
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Erst bei besonders tiefen Temperaturen schwebt die Scheibe.
Hohe Wasserstoffdichte in Metalhydrid
Supraleitung bei Raumtemperatur?
Ein internationales Forscherteam aus der Schweiz, den USA und Polen hat eine einzigartig hohe Dichte von Wasserstoffatomen in einem Metallhydrid nachgewiesen. Die kleineren Abstände zwischen den Atomen könnten es ermöglichen, deutlich mehr Wasserstoff in das Material zu packen – bis zu einem Punkt, an dem es bei Raumtemperatur und Normaldruck zum Supraleiter werden könnte.
Paul Boisvert¹, Rainer Klose²
Die Wissenschaftler führten im «Oak Ridge National Laboratory» (ORNL) im US-Bundesstaat Tennessee Neutronenstreuexperimente an Zirconium-Vanadium-Hydrid bei atmosphärischem Druck und bei Temperaturen von bis zu –23 Grad Celsius durch. Die Messungen ergaben überraschend kleine Wasserstoff-Wasserstoff-Atomab stände, die nur 1,6 Ångström betragen, im Vergleich zu 2,1 Ångström, die für diese Metallhydride gemäss Theorie vorausge sagt werden, wie die Forscher in der der Fachzeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» (Pnas) berichten. Die ungewöhnlich kleinen Atomabstände sind bemerkenswert und vielversprechend, da der in den Metallen enthaltene Wasserstoff ihre elektronischen Eigenschaften beeinflusst. Andere Materialien mit ähnlicher
¹ ORNL, Tennessee (USA) ² Empa, Dübendorf Wasserstoff-Anordnung zeigen bereits supraleitende Eigenschaften, jedoch nur bei extrem hohen Drücken.
Bild: Gemeinfrei «Einige der vielversprechendsten Hochtemperatur-Supraleiter wie Lanthanhydrid werden bei etwa –20 Grad Celsius supraleitend, bilden sich jedoch leider erst bei einem Druck von 1,6 Millionen Atmosphären», sagte Rus Hemley von der «University of Illinois» in Chicago. «Jahrzehntelang bestand der ‹Heilige Gral› für Wissenschaftler darin, ein Material zu finden, das bei Umgebungstemperatur und -druck supraleitend ist, so dass Ingenieure es in konventionelle elektrische Systeme und Geräte einbauen können.»
Heike Kamerlingh Onnes gilt als der Entdecker der Supraleitung. Er erhielt 1913 den Nobelpreis für Physik. Supraleiter Supraleiter sind Materialien, die unter einer bestimmten Temperatur (die sogenannte Sprungtemperatur) ohne Widerstand Strom leiten. Die Sprungtemperatur von Hochtemperatursupraleitern liegt definitionsgemäss oberhalb der Siedetemperatur von Stickstoff (77,35 K).
Simulationsrechnung mit einem Supercomputer
Das internationale Team benutzte hochauflösende unelastische Neutronenspektroskopie zur Untersuchung der Wasserstoffwechselwirkungen im Metallhydrid. Das resultierende spektrale Signal, einschliesslich eines markanten Peaks bei etwa 50 Millielektronenvolt, stimmte jedoch nicht mit den Vorhersagen der Modelle überein. Der Durchbruch zum Verständnis der ungewöhnlichen Ergebnisse kam, nachdem das Team die Supercomputer am ORNL für Simulationsrechnungen benutzt hatte. Diese Computersimulationen sowie weitere Experimente, die alternative Erklärungen ausschlossen, bewiesen, dass die unerwartete spektrale Intensität nur dann auftritt, wenn die Abstände zwischen den Wasserstoffatomen kleiner als 2 Angström sind – was in einem Metallhydrid bei Umgebungsdruck und -temperatur noch nie beobachtet worden war. Der ermittelte Abstand von 1,6 Angström ist die erste bekannte Ausnahme vom sogenannten Switendick-Kriterium in einer bimetallischen Legierung – ein Prinzip, das für stabile Hydride bei Umgebungstemperatur und -druck gilt, wobei der Wasserstoff-Wasserstoff-Abstand nie weniger als 2,1 Ångström beträgt. Die Spallations-Neutronenquelle am Oak Ridge National Labora tory im US-Bundesstaat Tennessee liefert Ergebnisse in besonders hoher Auflösung. Neutronen sind ungeladene Teilchen, die sehr weit in Materialproben eindringen können und Informationen über deren Struktur und Eigenschaften liefern. «Eine wichtige Frage ist nun, ob der von uns beobachtete Effekt speziell auf Zirconium-Vanadium-Hydrid beschränkt ist oder nicht», sagt Andreas Borgschulte von der Empa-Abteilung Advanced Analytical Technologies. «Wenn wir theoretische Berechnungen des Materials unter Einhaltung des Switendick-Limits durchführen, können wir den charakteristischen Peak in den Spektren nicht verifizieren. Dies führte uns zu der Schlussfolgerung, dass zumindest in Vanadiumhydrid Wasserstoff-Wasserstoff-Paare mit Abständen unter 2,1 Ångström auftreten.» In künftigen Experimenten planen die Forscher, dem Zirconium-Vanadium-Hydrid bei verschiedenen Drücken mehr Wasserstoff zuzusetzen, um zu bestimmen, wieviel Wasserstoff die Legierung in ihrem Gitter speichern kann. Das Projekt wurde vom US-Energieministerium, dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und dem Nationalen Zentrum für Forschung und Entwicklung in Warschau unterstützt.
Kontakt PD Dr. Andreas Borgschulte Empa Überlandstrasse 129 CH-8600 Dübendorf +41 58 765 46 39 andreas.borgschulte@empa.ch www.empa.ch
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