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MILLIMETERNAH AM TROMMELFELL
Von Lea Vaterlaus
Wer in Ravels Boléro die Kleine Trommel spielt, braucht Ausdauer. Mirco Huser übernimmt diesen Part am Konzert im Stadtcasino Basel, wo es beim rund viertelstündigen Trommeln auf jeden Millimeter ankommt. Der 1994 geborene Thurgauer studierte Schlagzeug an der Hochschule der Künste Bern und spielte bereits die Saison 2018/19 als Praktikant beim Sinfonie orchester Basel. Seit der Saison 2020/21 ist er hier fest als Schlagzeuger engagiert. Während mehrerer Jahre war er Schlagzeuger und Pauker im Schweizer JugendSinfonieOrchester und spielte bereits mit
Orchestern wie dem Berner Symphonieorchester, dem Luzerner Sinfonieorchester, dem Kammerorchester Basel, der Camerata Bern oder dem Gstaad Festival Orchestra. Mit dem ‹Cubeat Percussion Duo› widmet er sich seit 2016 ausserdem der Entwick lung von Konzepten für die Musikvermittlung und führt als Teil des Musikensembles ‹DeciBells› laufend neue Werke für das Schlagzeugregister auf.
LV Mirco Huser, Du und die Kleine Trommel in Ravels Boléro: Ist das Liebe auf den ersten Schlag?
MH Der Boléro ist sicherlich eines der Stücke, das man als Schlagzeuger unbedingt einmal gespielt haben will und muss. Eigentlich hätte dieses Werk bereits in meinem Probejahr auf dem Programm gestanden. Da das Konzert aber abgesagt wurde, hatte ich immer einen Boléro ‹zu gut› und darf das Stück nun spielen.
LV Ein einziger Rhythmus, der rund eine Viertelstunde durchmarschiert … MH Eigentlich ist es seltsam, dass aus nur zwei Takten eine so grosse Sache gemacht wird! (lacht) In diesem Stück gibt es aber verschiedene Schwierigkeiten: Man muss an die Grenzen des Dynamikbereichs gehen. Der Anfang ist sehr fein, danach baut sich das grosse, stückumfassende Crescendo auf, bis man am Schluss beim maximalen Klang des Instruments ist. Dieses ‹Lauterwerden› des ganzen Orchesters muss man an der Trommel leiten und darf das Pulver nicht zu früh verschiessen. Ausserdem liegt es in der Verantwortung der Kleinen Trommel, dass das Tempo während des ganzen Stücks stabil bleibt. Hier muss man immer genau zuhören und auf die immer wechselnden Besetzungen sofort reagieren.
LV Wo liegt die Gefahr in diesem Stück?
MH Ganz ehrlich: Wir Schlagzeuger*innen sind es im Orchester nicht gewöhnt, eine Viertelstunde lang ohne Pause zu spielen! Kolleg*innen, die den Bolér o bereits gespielt hatten, erzählten mir davon, dass einem das Gehirn wegen der vielen Repetitionen mitten im Stück plötzlich Streiche spielen kann und man sich nicht mehr sicher ist, welcher der beiden Takte gerade als nächster an der Reihe ist! (lacht) Man muss deshalb stets mit allen Sinnen bei den Kolleg*innen aus dem Orchester sein und der jeweiligen Solostimme folgen.
LV Hast Du beim Sinfonieorchester Basel bisher ähnliche Herausforderungen erlebt?
MH RimskiKorsakows Scheherazad e ist ein weiteres Stück, das als ‹Heiliger Gral› des Schlagzeugregisters gesehen wird. Im
3. Satz hat die Kleine Trommel ein sehr exponiertes Solo – die Scheherazade wird deshalb beinahe an jedem Orchesterprobespiel verlangt. Beim Sinfonieorchester Basel habe ich dieses Stück in meiner ersten Spielzeit gespielt. In meinem Probejahr stand ausserdem Messiaens Oper Saint François d’Assise auf dem Programm, in dem es drei SoloSchlagzeugstimmen gibt, die alle gleichzeitig unisono spielen. Da hört man jede Ungenauigkeit sofort. Das Werk hat mir sehr grossen Spass gemacht, uns als Schlagzeuger zusammengeschweisst und mir somit einen wunderbaren Start ins Orchester bereitet.
LV Mit dem Ensemble ‹DeciBells›, das aus Mitgliedern des Schlagzeugregisters des Sinfonieorchesters Basel besteht, bist Du an der Uraufführung vieler Werke für das Schlagzeug beteiligt.
MH Die ganze Sololiteratur für das Schlagzeug hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt, was unser Instrument so interessant macht. Wir sind noch in einem Prozess, in dem ständig Neues geschaffen wird. Domenico Melchiorre aus unserem Register entwickelt als Komponist immer wieder neue Instrumente, die oft Prototypen sind. Wir aus dem Ensemble ‹Deci Bells› haben das Privileg, diese ausprobieren zu dürfen, bevor sie in angepasster Version ‹auf den Markt› kommen. Wie wir klingen, das gibt es genau ein Mal: genau hier und genau in dieser Konstellation. Das finde ich das Schönste an diesem Ensemble.
LV Mit Deinem ehemaligen Mitstudenten Tim Reichen hast Du das ‹Cubeat Percussion Duo› gegründet. Eure Idee ist es laut Website, Musik «auf unkonventionellen Wegen zugänglich» zu machen. Was kann man sich darunter vorstellen?
MH Der Ansatz des Konzepts war, dass man grundsätzlich mit allen Gegenständen platz! Und die Innenstadt: Hier liegen die Kulturinstitutionen alle sehr kompakt und sind schnell zu erreichen. Es gibt fantastische Kunstmuseen, eine lebendige JazzSzene, die Schola Cantorum Basiliensis, die auf Alte Musik spezialisiert ist, sowie viele tolle andere Orchester! In Basel herrscht eine gesunde Konkurrenz, in der man sich gegenseitig zu Höchstleistungen anspornt. Ich wohne ausserdem in der Nähe des Rheins, weshalb ich mich jedes Jahr auf das Rheinschwimmen freue.
Musik machen kann. Wir wollten wegkommen vom klassischen Instrumentarium und hin zum spielerischen Erkunden der Alltagswelt. Musik findet nicht nur im schicken Konzertsaal statt, sondern bereits im Schulzimmer! Unser Instrument ist besonders geeignet für die Arbeit mit Schulklassen, weil es so unmittelbar ist. Wenn die Kinder noch bis in die Schulpause zu uns rannten, um uns Objekte zu zeigen, die sie zum Klingen bringen konnten, haben wir etwas erreicht: Wir konnten ihren Entdeckerblick für die Musik schärfen.
LV Du warst in der Saison 2018/19 bereits als Praktikant beim Sinfonieorchester Basel engagiert und kamst zwei Spielzeiten später wieder nach Basel zurück. Was gefällt Dir hier besonders gut?
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MH Als die Schlagzeugstelle ausgeschrieben wurde, war für mich sofort klar, dass ich mich bewerbe. Ich durfte das Schlagzeugregister bereits in meinem Praktikum kennenlernen und wusste, dass ich mich hier wohlfühle. Wir sind wie eine Familie und freuen uns auf jeden Tag, den wir gemeinsam im Orchester verbringen dürfen! Es ist ein riesiges Glück, eine Gruppe zu haben, die sich so gut versteht.
LV Mirco Huser, herzlichen Dank für das Gespräch!
LV Hast Du einen Lieblingsort in Basel?
MH Ich bin gerne in der Natur, daher findet man mich regelmässig in der Langen Erle oder beim Birsköpfli. Aber natürlich gefallen mir auch unsere tollen Arbeits orte: das Stadtcasino Basel, das Theater Basel und das Probezentrum am Picasso