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Diese Initiative ist bundesweit einmalig“ Interview mit Prof. Dr. Gerd Glaeske

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© Raphael Huenerfauth, Photothek.net „Die BKK24 hat genau das gemacht, was ich schon lange gefordert und mir immer gewünscht habe“, sagt Professor Gerd Glaeske

„Diese Initiative ist bundesweit einmalig“

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Interview mit dem Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske

Professor Gerd Glaeske ist einer der renommiertesten Gesundheitswissenschaftler in Deutschland. Von 2003 bis 2010 war er unter anderem Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Seit 2016 ist er wissenschaftlicher Leiter des „Länger besser leben.“-Instituts. Träger dieser Einrichtung, die sich mit den Themen Prävention und Gesundheitsförderung befasst, sind die Universität Bremen und die Krankenkasse BKK24. Im Interview sagt der Fachmann, warum die Gesundheitsinitiative „Länger besser leben.“ etwas ganz Besonderes ist, warum das Thema Prävention – also die Vorbeugung von Krankheiten – immer wichtiger wird und was sowohl gesunde als auch kranke Menschen davon haben.

Herr Professor Glaeske, Sie sind Leiter des 2016 gegründeten „Länger besser leben�“-Instituts, einer Kooperation der BKK24 mit der Uni Bremen� Wann haben Sie zum ersten Mal von der Gesundheitsinitiative „Länger besser leben�“ gehört?

Prof� Dr� Gerd Glaeske: Das war 2014, als der BKK24-Vorstand bei mir angefragt hat, ob ich mich als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats engagieren möchte. Seither habe ich diese Initiative intensiv begleitet.

Wieso unterstützen Sie diese Gesundheitsinitiative?

Weil es wichtig ist, nicht einfach irgendwelche Gesundheitsaktivitäten anzubieten, sondern auch herauszufinden, was die Menschen davon haben, was sie davon halten und wie sie damit umgehen.

Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an dieser Gesundheitsinitiative der BKK24?

Hier hat sich eine Krankenkasse viele Jahre vor der Verabschiedung des seit 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetzes daran gemacht, Präventionsabsichten in die Tat umzusetzen. Die BKK24 hat also genau das gemacht, was ich schon lange gefordert und mir immer gewünscht habe: Sie hat als Kasse Verantwortung für die Gesundheit der Menschen übernommen – und zwar nicht nur für Versicherte, sondern für alle Interessierten. Und dies hat sie realisiert mit ganz vielen Partnern.

Und das ist bundesweit einmalig?

Ich kenne jedenfalls keine andere Krankenkasse in ganz Deutschland, die sich dem Thema Krankheitsvorbeugung mit einer solchen Motivation und in diesem Umfang widmet wie die BKK24.

Warum ist Prävention denn so wichtig?

30 Prozent der Krankheiten können auf Dauer mit sinnvollen Präventionsmaßnahmen verringert oder gänzlich vermieden werden. Davon profitieren sowohl der einzelne Betroffene als auch die gesamte Gesellschaft. Außerdem nimmt die finanzielle Belastung für die Krankheitsversorgung dadurch ab.

Aber ist das deutsche Gesundheitssystem nicht gut aufgestellt, so wie es ist?

Wir haben zweifellos eine gut funktionierende medizinische Versorgung, eine funktionsfähige Rehabilitation und einen zufriedenstellenden Pflegebereich. Aber die vierte Säule – nämlich die Prävention und damit die Vermeidung von Krankheiten – halte ich für deutlich verbesserungswürdig.

Inwiefern?

Im 19. Jahrhundert wurden ganz bestimmte öffentliche Gesundheitsaspekte entscheidend verbessert – z.B. in den Bereichen Hygiene und Impfungen. Im 20. Jahrhundert ging es dann verstärkt darum, einzelne Krankheiten besser behandeln zu können. Und das 21. Jahrhundert sollte aus meiner Sicht dazu da sein, Krankheiten, die durch unseren Lebensstil zustande kommen, möglichst zu vermeiden.

Und dazu kann das Programm „Länger besser leben�“ der BKK24 beitragen?

Genau. Die vier Aspekte Ernährung, Bewegung, Nichtrauchen und wenig Alkohol spielen diesbezüglich die entscheidende Rolle – sowohl für den Einzelnen, dessen Gesundheit und individuelle Lebensqualität sich nachweislich verbessern, als auch für die Gesellschaft, die dadurch deutlich weniger mit Krankheiten und deren Behandlungen belastet wird.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die krankheitsbedingten Fehltage in Betrieben nehmen ab, und es sind generell weniger Arztbesuche erforderlich.

Nun basiert die Grundidee von „Länger besser leben�“ ja überwiegend auf den Ergebnissen einer englischen Studie über Zusammenhänge zwischen Ernährung und Krebs…

Das stimmt. Als Datengrundlage diente die wiederholte Befragung von rund 20.000 Menschen, um herauszufinden, welche Zusammenhänge es zwischen dem Gesundheitsverhalten und der Sterblichkeit von Männern und Frauen gibt. Im Ergebnis zeigte sich, dass man bei konsequenter Prävention bis zu 14 Jahre länger leben kann – jedenfalls theoretisch und statistisch. Bis dahin haben es viele Menschen überhaupt nicht geglaubt, dass man durch vernünftige Ernährung und ausreichend Bewegung einen solchen Zugewinn an Lebensjahren erreichen kann.

Gilt dieses Ergebnis denn prinzipiell für die gesamte Bevölkerung eines Landes?

Leider nicht. Die Erweiterung der Lebenserwartung ist ungleich verteilt und stark von der sozialen Schicht des Einzelnen abhängig. Das hängt damit zusammen, dass man die wichtigen Informationen und die erforderlichen Aktivitäten rund ums Thema Prävention nur sehr schwer an alle sozialen Schichten gleichermaßen herantragen kann.

Wie kann man das ändern?

Es müssen passende Aktivitäten und Maßnahmen geschaffen und gefördert werden. Darüber hinaus muss man darauf achten, insbesondere Menschen aus sozial schwächeren Schichten zu erreichen, da diese von den Angeboten am meisten profitieren würden.

Haben Sie eine Erklärung für die von Ihnen erwähnte Ungleichverteilung in puncto Lebenserwartung?

Die Hauptursache ist eine ungünstige Ernährung mit zu viel Fleisch, Zucker und zu vielen Fertigprodukten. Die Ernährungsindustrie trägt meiner Ansicht nach einen Großteil der Schuld daran, dass der Anteil der ver- und bearbeiteten Lebensmittel so hoch ist und weiter steigt. Viel besser und gesünder ist es, selbst zu kochen, frische Lebensmittel zuzubereiten und mehr Gemüse, Kartoffeln und Reis zu essen.

Warum wird das nicht von mehr Menschen beherzigt?

Aus Zeitmangel und Bequemlichkeit. Aber auch, weil es schwer ist, sein jahrelanges Ernährungsverhalten zu verändern.

Die BKK24-Frühjahrskur könnte man insofern als einen kleinen Schritt in die richtige Richtung bezeichnen, oder?

Das kann man so sagen. Das Ziel dieses Angebots war es, nach dem Winter ganz bestimmte Aktivitäten zu fördern, bei denen es um Ernährung und Bewegung geht. Das Ganze ist leicht verständlich und gut zu erklären. Und die Zahlen von 600 Teilnehmern im ersten Jahr und 1.400 im zweiten Jahr sprechen für sich.

Im September 2016 unterschreiben Professor Gerd Glaeske (links, Uni Bremen) und BKK24Vorstand Friedrich Schütte die Gründungsurkunde des „Länger besser leben.“-Instituts

Aber mit einem einzelnen Angebot ist es ja nicht getan�

Da haben Sie Recht. Wir müssen generell ein Umfeld schaffen, das dem Einzelnen die Prävention erleichtert. Auch die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Und wir brauchen Aktivitäten mit Öffentlichkeitswirksamkeit, die die Bevölkerung erreichen.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Gründung des „Länger besser leben�“Instituts?

Meiner Ansicht nach sollten die Aspekte Prävention und Gesundheitsförderung sowie die damit verbundenen Maßnahmen auf einer wissenschaftlichen Basis stehen. Ansonsten läuft man Gefahr, mit blindem Aktionismus irgendetwas zu machen, ohne zu wissen, ob das zielführend ist. Durch unsere Arbeit am Institut sorgen wir dafür, dass genau solche Aktionen angeboten werden, die nachgewiesenermaßen sinnvoll und vielversprechend sind. Es wird nur in solche Maßnahmen investiert, von denen man weiß, dass damit etwas erreicht werden kann.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Wir werten unter anderem unterschiedliche Studien aus, die es bereits gibt. Hinzu kommen die regionale Todesursachenstatistik und Krankenhaus-Statistiken, mit denen man herausfi nden kann, welche Krankheiten im Kreis Schaumburg deutlich häufi ger vorkommen als im gesamten Land Niedersachsen.

Und welche Krankheiten sind das?

Aus den genannten Daten ist erkennbar: Im Landkreis Schaumburg gibt es überdurchschnittlich viele Diabetiker sowie überdurchschnittlich viele Männer mit Herzerkrankungen.

Wie kommt das?

Die Ursachen stehen noch nicht fest. Wir werden der Sache im „Länger besser leben.“-Institut aber auf den Grund gehen. Fest steht jedoch: Altersdiabetes kann mit konsequenter Bewegung und richtiger Ernährung nicht nur gelindert werden, sondern sogar wieder gänzlich verschwinden.

Diese Erkenntnis scheint aber noch nicht weit verbreitet zu sein�

Gerade deshalb ist es so wichtig, Ansatzpunkte zu fi nden, um Präventionsaktivitäten begründen zu können. Unser aller Ziel muss es sein, die Häufi gkeit von Diabetes zu verringern – auch wegen der damit verbundenen Folgeerkrankungen. Leider ist es aber auch hier so, dass Diabetes sehr viel häufi ger in sozial schlechter gestellten Schichten vorkommt.

Womit kann man das verändern?

Indem wir dafür sorgen, insbesondere Menschen, die sie brauchen, mit Präventionsprogrammen zu erreichen, die nützlich sind und Spaß machen. Zudem wollen wir Maßnahmen entwickeln, mit denen Diabetes und anderen Krankheiten besser und gezielter vorgebeugt werden kann. ■

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